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Punkte sammeln auf... springermedizin.de/ eAkademie Teilnahmemöglichkeiten Diese Fortbildungseinheit steht Ihnen als e.CME und e.Tutorial in der Springer Medizin e.Akademie zur Verfügung. e.CME: kostenfreie Teilnahme im Rahmen des jeweiligen Zeitschriften- abonnements e.Tutorial: Teilnahme im Rahmen des e.Med-Abonnements Zertifizierung Als Zeitschriftenabonnent von Der Orthopäde oder Der Unfallchirurg können Sie kostenlos alle e.CMEs der beiden Zeitschriften nutzen: 24 e.CMEs pro Jahr. Diese Fortbildungseinheit ist mit 3 CME- Punkten zertifiziert von der Landesärzte- kammer Hessen und der Nordrheinischen Akademie für Ärztliche Fort- und Weiter- bildung und damit auch für andere Ärzte- kammern anerkennungsfähig. Hinweis für Leser aus Österreich und der Schweiz Gemäß dem Diplom-Fortbildungs-Pro- gramm (DFP) der Österreichischen Ärzte- kammer werden die in der e.Akademie erworbenen CME-Punkte hierfür 1:1 als fachspezifische Fortbildung anerkannt. Der Orthopäde ist zudem durch die Schweizerische Gesellschaft für Orthopä- die mit 1 Credit pro Modul anerkannt. Kontakt und weitere Informationen Springer-Verlag GmbH Springer Medizin Kundenservice Tel. 0800 77 80 777 E-Mail: [email protected] Orthopäde 2014 · 43:393–403 DOI 10.1007/s00132-014-2290-6 Online publiziert: 28. März 2014 © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2014 F. Schneider · M. Sperl · G. Steinwender · T. Kraus Abteilung für Kinderorthopädie, Universitätsklinik für Kinderchirurgie, Medizinische Universität Graz Kindliche Kniebinnenverletzungen Zusammenfassung Die Patellaluxation ist die häufigste Kniegelenkverletzung mit Hämarthros bei Kindern. Sie muss immer auf Begleitverletzungen, die primär einer operativen Sanierung bedürfen, unter- sucht werden. Die unkomplizierte Erstluxation wird konservativ im Gips behandelt. Rezi- divierende Luxationen werden operativ versorgt. Zur Schonung der Wachstumsfugen sind besondere Techniken erforderlich. Die Eminentiafraktur der proximalen Tibia entspricht einer knöchernen Ausrissverletzung des vorderen Kreuzbands (VKB). Lässt sie sich in Über- streckung reponieren, wird sie im Gips konservativ behandelt, ansonsten wird sie operativ unter Schonung der Wachstumsfuge stabilisiert. Intraligamentäre VKB-Verletzungen werden bei Kindern und vor allem bei Jugendlichen zunehmend häufiger gesehen. Das Risiko instabilitätsbedingter sekundärer Gelenkschäden ist hoch. Bei bleibender Instabilität nach Rehabilitation ist die Rekonstruktion auch bei offenen Wachstumsfugen zu empfehlen. Hier- für wurden verschiedene Techniken beschrieben, bisher zeigte sich keine als überlegen. Die Kreuzbandchirurgie bei offenen Wachstumsfugen sollte erfahrenen, mit den Besonderheiten des wachsenden Skeletts vertrauten Operateuren vorbehalten bleiben. Meniskusverletzungen sollten früh operativ stabilisiert werden. Die Heilungschancen sind bei Kindern gut. Schlüsselwörter Wachstumsfuge · Patellaluxation · Vordere Kreuzbandruptur · Meniskusläsion · Eminentiafraktur CME Zertifizierte Fortbildung © Klaus Rüschhoff, Springer Medizin Redaktion C. Chiari, Wien H. Gollwitzer, München R. Gradinger, München J. Grifka, Bad Abbach A. Meurer, Friedrichsheim 393 Der Orthopäde 4 · 2014 |

Kindliche Kniebinnenverletzungen; Pediatric knee injuries;

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springermedizin.de/eAkademieTeilnahmemöglichkeitenDiese Fortbildungseinheit steht Ihnen als e.CME und e.Tutorial in der Springer Medizin e.Akademie zur Verfügung. – e.CME: kostenfreie Teilnahme im

Rahmen des jeweiligen Zeitschriften-abonnements

– e.Tutorial: Teilnahme im Rahmen des e.Med-Abonnements

ZertifizierungAls Zeitschriftenabonnent von Der Orthopäde oder Der Unfallchirurg können Sie kostenlos alle e.CMEs der beiden Zeitschriften nutzen: 24 e.CMEs pro Jahr.Diese Fortbildungseinheit ist mit 3 CME-Punkten zertifiziert von der Landesärzte-kammer Hessen und der Nord rheinischen Akademie für Ärztliche Fort- und Weiter-bildung und damit auch für andere Ärzte-kammern anerkennungsfähig.

Hinweis für Leser aus Österreich und der SchweizGemäß dem Diplom-Fortbildungs-Pro-gramm (DFP) der Österreichischen Ärzte-kammer werden die in der e.Akademie erworbenen CME-Punkte hierfür 1:1 als fachspezifische Fortbildung anerkannt.Der Orthopäde ist zudem durch die Schweizerische Gesellschaft für Orthopä-die mit 1 Credit pro Modul anerkannt.

Kontakt und weitere InformationenSpringer-Verlag GmbHSpringer Medizin KundenserviceTel. 0800 77 80 777E-Mail: [email protected]

Orthopäde 2014 · 43:393–403DOI 10.1007/s00132-014-2290-6Online publiziert: 28. März 2014© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2014

F. Schneider · M. Sperl · G. Steinwender · T. KrausAbteilung für Kinderorthopädie, Universitätsklinik für Kinderchirurgie, Medizinische Universität Graz

Kindliche KniebinnenverletzungenZusammenfassungDie Patellaluxation ist die häufigste Kniegelenkverletzung mit Hämarthros bei Kindern. Sie muss immer auf Begleitverletzungen, die primär einer operativen Sanierung bedürfen, unter-sucht werden. Die unkomplizierte Erstluxation wird konservativ im Gips behandelt. Rezi-divierende Luxationen werden operativ versorgt. Zur Schonung der Wachstumsfugen sind besondere Techniken erforderlich. Die Eminentiafraktur der proximalen Tibia entspricht einer knöchernen Ausrissverletzung des vorderen Kreuzbands (VKB). Lässt sie sich in Über-streckung reponieren, wird sie im Gips konservativ behandelt, ansonsten wird sie operativ unter Schonung der Wachstumsfuge stabilisiert. Intraligamentäre VKB-Verletzungen werden bei Kindern und vor allem bei Jugendlichen zunehmend häufiger gesehen. Das Risiko instabilitätsbedingter sekundärer Gelenkschäden ist hoch. Bei bleibender Instabilität nach Rehabilitation ist die Rekonstruktion auch bei offenen Wachstumsfugen zu empfehlen. Hier-für wurden verschiedene Techniken beschrieben, bisher zeigte sich keine als überlegen. Die Kreuzbandchirurgie bei offenen Wachstumsfugen sollte erfahrenen, mit den Besonderheiten des wachsenden Skeletts vertrauten Operateuren vorbehalten bleiben. Meniskusverletzungen sollten früh operativ stabilisiert werden. Die Heilungschancen sind bei Kindern gut.

SchlüsselwörterWachstumsfuge · Patellaluxation · Vordere Kreuzbandruptur · Meniskusläsion · Eminentiafraktur

CME Zertifizierte Fortbildung

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RedaktionC. Chiari, Wien H. Gollwitzer, MünchenR. Gradinger, MünchenJ. Grifka, Bad AbbachA. Meurer, Friedrichsheim

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Lernziele

Nach Lektüre dieses Beitrags ist Ihnen bekannt, dassF die Häufigkeit von Kniebinnenverletzungen im Wachstumsalter ab dem 10. Lebensjahr

deutlich zunimmt,F ein Hämarthros am kindlichen Kniegelenk einer weiterführenden Diagnostik bedarf

und die häufigste Ursache für ein Hämarthros im Wachstumsalter eine Patellaluxation ist,

F Patellaluxationen häufig zur Abscherung von Knorpel(-Knochen)-Fragmenten („flake fracture“) führen, deren unmittelbare Refixation angestrebt werden soll,

F die erste Patellaluxation ohne knöcherne Ausrisse primär konservativ behandelt wer-den kann,

F rezidivierende Patellaluxationen ein altersabhängiges Therapiekonzept in Abhängig-keit der luxationsbestimmenden Faktoren erfordern,

F Frakturen der Eminentia intercondylaris konservativ im Gips behandelt werden, wenn sich das Fragment durch Überstreckung anlegen lässt,

F die Häufigkeit sekundärer instabilitätsbedingter Begleitverletzungen (Meniskus, Knor-pel) nach Verlust des vorderen Kreuzbandes bei Kindern höher ist als bei Erwachsenen,

F die Indikation zum vorderen Kreuzbandersatz bei Kindern individuell und bei persistie-render Instabilität auch schon vor dem Ende des Wachstums zu stellen ist,

F bei Meniskusverletzungen immer die (vollständige) Rekonstruktion anzustreben ist.

Einleitung

Bezogen auf die Gesamtzahl der Verletzungen des Stütz- und Bewegungsapparates im Kindes- und Jugendalter liegen die Kniegelenkverletzungen unter 1%. Bei den meisten Kniegelenkverletzungen handelt es sich um extraartikuläre Weichteilverletzungen (Wunden, Prellungen, Zerrungen etc.) – die Häufigkeit der Kniebinnenverletzungen ist gering, ihre Zahl nimmt jedoch mit dem Alter zu [1]. Ihre Hauptursache sind Sportverletzungen, und Jungen sind generell häufiger betroffen als Mäd-chen [1]. Unerkannte, vor allem intraartikuläre Knieggelenkverletzungen können eine frühzeitige Arthrose nach sich ziehen, sie sollten daher auch im Wachstumsalter nicht unterschätzt werden [2].

Die Häufigkeit der Kniebinnenver-letzungen nimmt mit dem Alter zu

Pediatric knee injuries

AbstractPatella dislocations are the most common knee injuries causing hemarthrosis in children. Flake frac-tures represent the main complication of these injuries and require fixation. First time dislocations are treated conservatively. Recurrent dislocations are managed operatively. Precise analysis of the underlying dispositional and pathological factors is important to determine the appropriate opera-tive procedure. To protect the growth plate, special techniques are required. Tibial spine fractures are bony avulsions of the anterior cruciate ligament (ACL). Management includes closed reduction in hyperextension and immobilization in a knee cast. Tibial spine fractures which cannot be reduced require operative treatment using either arthroscopic or open reduction and stabilization without injuring the growth plate. Intraligamentous ACL injuries are increasingly observed in children and adolescents. The risk of meniscus tears or chondral damage is high in these injuries. In case of persis-tent ACL instability, early reconstruction is recommended. Various techniques have been described; however, there is no consensus regarding the most favorable technique. The attending physician must be familiar with different ACL reconstruction techniques and with the anatomy of the growth plate. Meniscus tears require early suturing. Healing rates are good in children.

KeywordsGrowth plate · Patella, injuries · Anterior cruciate ligament, injuries · Meniscal tear · Tibial spine fracture

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Zu den häufigen Kniebinnenverletzungen zählenFPatellaluxationen mit oder ohne „flake fracture“, FMeniskusläsionen, Fdie vordere (intraligamentäre) Kreuzbandruptur bzw. ihr Korrelat bei jüngeren Kindern – der

Eminentiaausriss an der proximalen Tibia.

Patellaluxation

Epidemiologie, Ätiologie und Pathogenese

Die Inzidenz der Patellaluxation beträgt 29 bis 77/100.000 Jahr [3], sie ist die häufigste Ursache für den traumatischen Gelenkerguss bei Kindern und Jugendlichen. Mädchen sind häufiger betroffen als Jungen [3]. Die gleichzeitige Außendrehbewegung des Unterschenkels, Innendrehung des Ober-schenkels und Valgisierung des Knies führt zu einer Lateralisation der Patella. Hierbei reißt in der Re-gel der mediale Halteapparat der Patella und im Besonderen das mediale patellofemorale Ligament (MPFL). Häufig kommt es zur spontanen Reposition der Patella, sodass die Luxation oft gar nicht als echte Verrenkung wahrgenommen wird. Ein direktes tangentiales Trauma gegen die Patella ist selten. Fraglich ist sogar, ob es im Kindesalter tatsächlich ohne entsprechende anatomische oder funktionelle Disposition zu einer Kniescheibenluxation kommen kann. Die Liste der möglichen dispositionellen Faktoren ist lang: Genua valga, Torsionsvarianten an Femur und Tibia, femuropatellare Dysplasie, Patella alta, muskuläres Ungleichgewicht und Hypermobilität sind die Hauptfaktoren [4]. Für sich al-leine genommen sind diese nur Varianten der Norm, die zu einer Patellaluxation führen können, aber nicht müssen. Gerade in der Adoleszenz scheint – möglicherweise als Folge des schnellen Wachstums – ein Ungleichgewicht der Oberschenkelmuskulatur aufzutreten, das zu einer Dekompensation der dynamischen Haltestrukturen der Kniescheibe führt. Daraus kann im Weiteren ein Versagen der pas-siven Haltestrukturen (Ruptur des medialen Retinaculum und MPFL) resultieren. Fast immer liegt eine Kombination der genannten dispositionellen Faktoren vor. Häufig findet sich die Kombination von starker Femurinnendrehung, vermehrter (vermutlich kompensatorischer) Tibiaaußendrehung und einer Dysplasie des femoropatellaren Gelenks. Die dadurch bedingte Einwärtsdrehung der Kon-dylenebene und Außendrehung der Tuberositas tibiae (erhöhter Q-Winkel >20°) begünstigt eine La-teralisation der Patella. Nicht selten klagen die betroffenen Patienten schon vor der ersten Luxation über Knieschmerzen oder Giving-way-Ereignisse. Nur bei sehr bandlockeren Kindern und Jugend-lichen bleibt eine Patellaluxation ohne erkennbare Folgen für den Gelenkknorpel. Meist kommt es nach einer Patellaluxation sofort oder im Laufe von Stunden zu einer starken Schwellung des Gelenks. Knorpelschäden werden in erster Linie an der medialen Patella und am lateralen Femur gefunden. Die klinische Untersuchung mit Einschluss der angrenzenden Gelenke zeigt fast immer ein positi-ves Apprehension-Sign bei passiver Lateralisation der Patella. Sehr häufig findet sich auch ein loka-ler Druckschmerz über der medialen Patellafacette und dem lateralen Femurkondyl.

Diagnostik und Therapie

Die radiologische Abklärung nach einer Patellaluxation umfasst ein Röntgen des betroffenen Knies a.p. und seitlich sowie der Patella axial in 30° Knieflexion. Oft sieht man hier schon Residuen frühe-rer Retinaculumausrisse oder (alte) knöcherne Abscherbrüche. Bei Gelenkschwellung und vor allem beim Gelenkerguss ist immer eine Magnetresonanztomographie (MRT) mit Einschluss der Tu-berositas tibiae erforderlich. Im MRT muss vor allem auf Defekte in der Gelenkfläche geachtet wer-den, da sich freie Knorpel-Knochen-Fragmente nicht gut von Blutkoageln unterscheiden lassen und daher übersehen werden können. Im MRT kann außerdem der TTTG („tibial tuberosity trochlear groove“)-Abstand bestimmt werden, der als Maß für das distale Alignement der Patellasehne und somit für die Planung der weiteren Therapie eine wesentliche Rolle spielt [5].

Ob die Erstluxation im Kindesalter primär mit einer arthroskopischen Naht des medialen Reti-naculums versorgt werden soll, wird kontrovers diskutiert [3, 4, 6, 7]. Patienten mit höhergradiger Dysplasie der Trochlea haben ein höheres Risiko auf eine bleibende Instabilität [4]. Von den Auto-ren wird die erstmalige Patellaluxation ohne Knorpelverletzung mit einer 3-wöchigen Ruhigstellung in einer initial gespaltenen Kniegipshülse unter belastender Mobilisation therapiert. Danach erfol-gen die Einleitung einer Physio- und Kräftigungstherapie und eine Anleitung zu einem Heimübungs-

Die Patellaluxation ist die häufigste Ursache für den traumatischen Ge-lenkerguss bei Kindern und Jugend-lichen

Häufig kommt es zur spontanen Reposition der Patella

Häufig findet sich die Kombination von starker Femurinnendrehung, vermehrter Tibiaaußendrehung und einer Dysplasie des femoropatella-ren Gelenks

Meist kommt es nach einer Patella-luxation sofort oder im Laufe von Stunden zu einer starken Schwel-lung des Gelenks

Patienten mit höhergradiger Dysplasie der Trochlea haben ein höheres Risiko auf eine bleibende Instabilität

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programm. Das Training sollte eine Kräftigung und koordinative Verbesserung der gesamten, das Kniegelenk stabilisierenden Muskulatur zum Ziel haben, wie es zur Behandlung des retropatella-ren Schmerzsyndroms beschrieben wird [8]. Die konservative Behandlung kann nur Erfolg haben, wenn sie konsequent über längere Zeit durchgeführt wird. Daher ist ein Training über mindestens 3 Monate erforderlich.

Erstluxationen mit „flake fracture“ werden primär operativ behandelt. Knorpelfragmente sollten unbedingt (meist offen) refixiert werden, sofern sie eine ausreichende Größe (>1 cm2) haben und die Knorpeloberfläche nicht zerstört ist (.Abb. 1). Dies gilt auch für rein chondrale Fragmente, beson-ders am lateralen Femur, wo der Defekt oft weit nach medial in die Belastungsfläche des Kondylus reicht. Knöcherne Ausrisse des Retinaculums aus der Patella sind ebenfalls zu refixieren.

Treten nach Erstluxation weiterhin Instabilitätsbeschwerden oder sogar Luxationen auf, ist eine operative Stabilisierung notwendig. In der Literatur wird eine Vielzahl von operativen Maßnah-men zur Behandlung der instabilen Patella beschrieben [3, 9, 10]. Zur Operationsplanung ist es notwendig, die individuellen anatomischen und dispositionellen Gegebenheiten (Torsionen, Troch-leadysplasie, TTTG, Patellaalignement; [11]) genau zu analysieren. Die wichtige Rolle des medialen Bandapparats und im Speziellen des MPFL ist bei Erwachsenen deutlich gemacht worden [10]. Die Rekonstruktion des MPFL durch Bandersatz (Gracilissehne, Semitendinosussehne) zeigt bei Troch-leadysplasie Grad A und B gute mittelfristige Ergebnisse. Ob sich langfristig degenerative Verände-rungen (nicht anatomische Insertionspunkte, zu hohe Spannung des Transplantats, „überdimensio-niertes“ Band im Vergleich zum eigentlichen) entwickeln, ist noch offen, einzelne Fälle sind aber be-schrieben [10]. Bei Kindern ist die Rekonstruktion am „anatomischen“ Insertionspunkt am Femur aufgrund der offenen Wachstumsfuge erschwert. Eine mögliche Operationstechnik unter Schonung der Wachstumsfuge wurde von Nelitz [12] vorgestellt. Hier erfolgt die Fixierung der MPFL-Ersatz-plastik am Femur durch eine bioresorbierbare Schraube distal der Wachstumsfuge (.Abb. 2). Bei erhöhtem TTTG (>15–20 mm, je nach Größe des Kindes) sollte über eine Verbesserung des dista-len Alignements nachgedacht werden. Knöcherne Eingriffe an der proximalen Tibia sind beim Kind mit offenen Wachstumsfugen nicht möglich. Eine bei Kindern mögliche Technik ist die weichteili-ge Medialisierung des Patellasehnenansatzes, bei der das Lig. patellae gestielt an einem distalen Pe-riostschlauch dynamisch medialisiert wird [13]. Das laterale Retinaculum wird ggf. z-förmig ver-längert, ein komplettes Release, wie früher beschrieben, wird mittlerweile nicht mehr durchgeführt. Nach Erfahrung der Autoren ist mit einer der beiden oben genannten Techniken bei geringem Dys-plasiegrad der Trochlea eine ausreichende Stabilisierung der Patella bei Kindern mit offenen Wachs-tumsfugen möglich. Hochgradige Dysplasien und chronische Luxationen erfordern ein besonde-res individuelles Management. Liegen starke Genua valga vor, kann durch temporäre Epiphyseo-dese medial am Femur und/oder der Tibia (entsprechend dem Ort der Fehlstellung) die Beinach-se normalisiert und ein Malalignement der Patella gebessert werden. Die Trochleaplastik ist selte-nen komplexeren Formen der femuropatellaren Dysplasie vorbehalten, sie kann bei offenen Wachs-tumsfugen nicht durchgeführt werden.

Die konservative Behandlung kann nur Erfolg haben, wenn sie konse-quent über längere Zeit durchge-führt wird

Erstluxationen mit „flake fracture“ werden primär operativ behandelt

Zur Operationsplanung ist es not-wendig, die individuellen anatomi-schen und dispositionellen Gege-benheiten genau zu analysieren

Hochgradige Dysplasien und chro-nische Luxationen erfordern ein besonderes individuelles Manage-ment

Abb. 1 8 Fraktur der medialen Facette der Patella („flake fracture“) infolge einer Patellaluxation. a Intraoperativer Situs. b Osteochondraler Flake mit intakter Knorpeloberfläche. c Mit 2 kopflosen bioresorbierbaren Schrauben refixiertes Fragment (Bio-compression screw, Fa. Arthrex), die Schrauben müssen unbedingt unter Knorpelniveau versenkt werden

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Meniskusverletzungen

Epidemiologie, Ätiologie und Pathogenese

Isolierte instabile Verletzungen des Meniskus im Kindes- und Jugendalter sind selten. Ihre genaue Inzidenz ist nicht bekannt, jedoch nehmen sie ab dem 14. Lebensjahr zu [14]. Meniskusrisse des Kindes unter 10 Jahren sind häufig mit einer Anlagestörung (Scheibenmeniskus) vergesellschaf-tet, wohingegen sie beim Jugendlichen häufig in Verbindung mit einer Verletzung der Kreuzbänder auftreten. Bei isolierten Meniskusrissen ist der mediale Meniskus häufiger betroffen als der laterale [15, 16]. Der häufigste Risstyp ist der Longitudinalriss [17], der oftmals auch einklemmt (inkarzerier-ter Korbhenkelriss). Am Meniskus können 3 unterschiedliche Zonen unterschieden werden: Fdie äußere rot-rote Zone, Fdie rot-weiße Zone und Fdie innere weiß-weiße Zone.

In Letzterer ist die Durchblutung am schlechtesten. Vorder- und Hinterhorn sind besser durchblutet als die Pars intermedia [18]. Die Meniskusheilung hängt nicht nur von der Vaskularisation des Meniskus ab, sondern auch vom Risstyp. Longitudinalrisse mit intakter Zirkumferenz haben hierbei die höchste Heilungspotenz.

Diagnostik und Therapie

Korbhenkelrisse müssen nicht symptomatisch sein, sie lassen sich nicht immer im MRT – dem dia-gnostischen Standard – zuverlässig darstellen. Beim jungen Patienten ist, unabhängig von der Vas-kularisationszone und vom Risstyp, primär die Erhaltung des Meniskus durch eine arthroskopische Naht anzustreben. Die Heilungschancen sind bei Kindern sehr gut [15, 16]. Es stehen verschiedene Nahttechniken zur Verfügung („outside-in“, „inside-out“, „all-inside“). Die All-side-in- Technik mit diversen Nahtinstrumenten hat sich als einfach und sicher bewährt und kann als Standard angesehen werden [15].

Besonderheit Scheibenmeniskus

Beim Scheibenmeniskus handelt es sich um eine angeborene Anlagevariante des Meniskus. Ihre Inzidenz reicht von 0,4–17% [15, 19]. Fast immer ist der Außenmeniskus betroffen. Der Scheibenme-niskus weist statt einer Hufeisenform eine Scheibenform auf. Nach Watanabe werden 3 Typen unter-schieden [14, 15]. Scheibenmenisken vom Typ 1 (komplett) und Typ 2 (inkomplett) sind wie normale Menisken mit ihrer Basis an der Gelenkkapsel verbunden. Beim Watanabe Typ 3 (= Wrisberg-Typ)

Der häufigste Risstyp ist der Longi-tudinalriss

Beim jungen Patienten ist primär die Erhaltung des Meniskus durch eine arthroskopische Naht anzu-streben

Abb. 2 8 Mediale patellofemorale Ligamentersatzplastik mit freier Gracilissehne bei einem 12-jährigen Mädchen mit multiplen Luxationen der linken Patella; Trochleadysplasie Typ A nach Dejour [11]; normale Rotationsverhält-nisse; „tibial tuberosity trochlear groove“ 15 mm. a, b Intraoperative Röntgendarstellung des Führungsdrahtes für die Bohrung der femoralen Insertion distal der Wachstumsfuge (WTF), im seitlichen Strahlengang Markierung der Wachstumsfuge mit einem dünnen K-Draht. c, d A.p. und. seitliches Röntgenbild postoperativ mit Darstellung der Interferenzschraube im femoralen Bohrkanal distal der WTF, ventral der Blumensaat-Linie

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fehlt die Fixierung des Meniskus am Rand der Tibia, er ist nur über das Lig. meniscofemorale post-erius (Wrisberg) an der hinteren Gelenkkapsel befestigt. Derartige Menisken sind meist schon beim kleinen Kind symptomatisch und fallen durch ein Schnappen bei Beugung und Streckung im Knie auf. Sie hypertrophieren am instabilen Rand durch die mechanische Überbeanspruchung und kön-nen dann auch einreißen. Blockierungen des Gelenks mit Streckhemmung und Schmerzen treten meist um das 7. bis 10. Lebensjahr auf [15].

Diagnostik und Therapie

Einrisse des Scheibenmeniskus sind im MRT nicht immer darzustellen. Die Therapie richtet sich nach den klinischen Symptomen. Asymptomatische Scheibenmenisken werden im Verlauf beobach-tet. Eine operative Therapie ist nur beim symptomatischen Scheibenmeniskus gerechtfertigt. Beim Typ 1 und Typ 2 ist die arthroskopische partielle Meniskektomie indiziert. Zentrale Meniskusanteile werden dabei entfernt und der Meniskus an die normale Form angenähert. Eingerissene Anteile werden genäht. Beim symptomatischen Wrisberg-Typ muss zusätzlich eine Refixierung an der Tibia erwogen werden. Grundsätzlich sollte sparsam arthroskopisch reseziert werden. Nach totaler Resek-tion ist mit großer Wahrscheinlichkeit mit einer früheren Arthrose zu rechnen [15].

Fraktur der Eminentia intercondylaris

Epidemiologie, Ätiologie und Pathogenese

Die Fraktur der Eminentia intercondylaris ist die häufigste Verletzung an der kindlichen Tibiaepi-physe. Im Vergleich zur Gesamtzahl der kindlichen Frakturen ist sie aber selten. Nach Wachstums-abschluss sind Eminentiaausrisse eine Rarität. Der typische Verletzungsmechanismus (Hyperexten-sion und Innenrotation oder Innenrotation und Valgusstress des Knies unter Belastung), der beim Kind zum knöchernen Ausriss (des vorderen Kreuzbandes) an der Tibia führt, hat beim Jugendlichen und Erwachsenen eine rein intraligamentäre Verletzung des vorderen Kreuzbandes zur Folge. Der knöcherne Ausriss führt fast immer zu einem ausgeprägten Hämarthros. Typisch ist die Verletzung durch Skiunfälle und Stürze vom Rad. Begleitverletzungen (der Menisken oder des Knorpels) sind selten [20].

Diagnostik und Therapie

Entsprechend dem Dislokationsgrad im konventionellen Röntgen des Knies wird die Fraktur der Eminentia intercondylaris nach Meyers und McKeever [21] in 3 Schweregrade unterteilt. Die kon-servative Behandlung mit Punktion des Hämarthros und Reposition des Fragmentes in Überstre-

Menisken vom Watanabe Typ 3 fal-len durch ein Schnappen bei Beu-gung und Streckung im Knie auf

Eine operative Therapie ist nur beim symptomatischen Scheibenmenis-kus gerechtfertigt

Nach totaler Resektion ist mit großer Wahrscheinlichkeit mit einer früheren Arthrose zu rechnen

Die Fraktur der Eminentia intercon-dylaris ist die häufigste Verletzung an der kindlichen Tibiaepiphyse

Die konservative Behandlung ist die Behandlung der Wahl bei nicht oder nur gering dislozierten Frakturen

Abb. 3 8 Fraktur der Eminentia intercondylaris Typ 2 nach Meyers und McKeever bei einem 12-jährigen Jungen. a Unfallbild seitlich zeigt das ventral aufgekippte Fragment. b Unfallbild a.p. c Repositionsbild nach Punktion des Hämarthros, das Fragment legt sich in Übersteckung gut an. d Ausheilungsbild mit knöcherner Konsolidierung

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ckung des Kniegelenkes ist die Behandlung der Wahl bei nicht oder nur gering dislozierten Fraktu-ren. Bei Dislokationen im Stadium 2 und 3 wird von manchen Autoren grundsätzlich zur operativen Behandlung geraten, da das anteriore intermeniskale Band ein Repositionshindernis darstellen kann [22]. Es wird aber auch die erfolgreiche konservative Behandlung stärker dislozierter Fragmente be-richtet [20]. Nach Meinung der Autoren hat sich folgendes Vorgehen bewährt: Nach Punktion des Hämarthros wird in Narkose unter Durchleuchtung ein Repositionsversuch unternommen. Ist das Eminentia-Fragment gut reponiert, wird ein Gips in Überstreckung angelegt (.Abb. 3). Der Gips verbleibt für 2 Wochen. Danach wird ein neuer Gips in Normalstellung für weitere 3 Wochen an-gelegt. Lässt sich keine Reposition erreichen, wird das Fragment entweder arthroskopisch assistiert oder offen reponiert und stabilisiert. Durch die Osteosynthese darf die Wachstumsfuge (WTF) der Tibia aber nicht fixiert werden.

Vordere Kreuzbandruptur

Epidemiologie, Ätiologie und Pathogenese

Die Inzidenz der intraligamentären Verletzungen des vorderen Kreuzbandes (VKB) im Kindesalter hat in den letzten Jahren stark zugenommen. Die Ursache hierfür wird in der steigenden und intensi-veren Teilnahme von Kindern an kniebelastenden Sportarten (Fußball, Handball, Skifahren) gesehen. Mädchen scheinen aufgrund ihrer Anatomie und muskulären Konstitution (erhöhte Femurantetor-sion, lockerere Bandspannung, höhere Quadrizepsaktivität unter Belastung) ein höheres Risiko für eine VKB-Ruptur zu haben. Die Kreuzbandverletzung – sowohl die Teilruptur als auch die totale Ruptur – kann mit einer primären Knorpel- oder Meniskusverletzung einhergehen, die Inzidenz ist bei Kindern nicht genau bekannt [23].

Diagnostik und Therapie

Bei jeder klinisch erkennbaren Instabilität des VKB sollte im MRT nach Begleitschäden gesucht werden. Das Risiko sekundärer instabilitätsbedingter Meniskusläsionen (diese meist medial) oder Knorpelschäden scheint im Vergleich zum Erwachsenen erhöht zu sein [24, 25, 26]. Eine höhere Rate an posttraumatischen Instabilitäten und eine schlechtere Compliance in der konservativen Therapie werden dafür verantwortlich gemacht. In beiden Gründen liegt das Hauptargument für eine frühe Versorgung mit einer Bandersatzplastik, wie sie derzeit in der Literatur propagiert wird [23, 25, 27]. In einigen Studien konnte gezeigt werden, dass es zu einer höheren Rate an Meniskusschäden und degenerativen Gelenkveränderungen kommt, wenn klinisch relevante Instabilitäten erst nach Wachs-tumsabschluss operiert werden [23, 24, 25]. Daraus sollte aber nicht abgeleitet werden, dass alle Pa-tienten im Wachstumsalter, die eine Ruptur des vorderen Kreuzbandes erleiden, operativ stabilisiert werden müssen. Bis dato ist nicht erwiesen, dass der operative Bandersatz den natürlichen Verlauf, insbesondere des asymptomatischen Patienten, verbessert.

Primäre Begleitverletzungen der Menisken sind akut oder subakut zu versorgen. Selbst bei kom-plexeren Meniskusrissen lohnt sich ein Versuch der Refixierung und Naht. Wie beim Erwachsenen sind die Heilungschancen bei gleichzeitigem VKB-Ersatz höher als bei alleiniger Naht des Menis-kus [23, 24].

Die Kreuzbandersatzplastik bei offenen Wachstumsfugen birgt – neben den beim Erwachsenen schon bekannten Komplikationsmöglichkeiten (Tunnelfehlplatzierung, Implantatlockerung, Tun-nelerweiterung, Bewegungseinschränkung) – beim Kind zusätzliche Gefahrenquellen. Eine Beein-trächtigung des Wachstums mit Verkürzung oder Fehlwachstum an der femoralen oder tibialen WTF führte in einigen Fällen zu einer klinisch relevanten Deformität und Funktionsstörung [23, 28]. Spezielle Techniken mit Durchbohrung der WTF (transphyseal) als auch sog. „ fugenschonende Techniken („physeal-sparing“) ohne Durchbohrung der WTF werden zur Behandlung von Kin-dern beschrieben [23, 28]. Bei den transepiphysären Techniken wird eine körpereigene Sehne ohne Knochenblöcke (z. B. Semitendinosussehne) in Single-bundle-Technik fugenfern extrakortikal fixiert (.Abb. 4). Bei fugenschonenden Operationstechniken wird das Transplantat nur intraepiphysär inseriert oder nicht-anatomisch extraossär geführt. Sowohl transphyseale als auch fugenschonende Techniken können zu einer Alteration des Wachstums führen [25]. Mögliche Ursachen hierfür sind:

Mädchen scheinen aufgrund ihrer Anatomie und muskulären Konsti-tution ein höheres Risiko für eine Ruptur des vorderen Kreuzbandes zu haben

In der Literatur wird eine frühe Ver-sorgung mit einer Bandersatzplastik propagiert

Primäre Begleitverletzungen der Menisken sind akut oder subakut zu versorgen

Sowohl transphyseale als auch fu-genschonende Techniken können zu einer Alteration des Wachstums führen

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Fzu starke Transplantatspannung,Fknöcherne Fugenbrücke, wenn das Sehnentransplantat den Kanal nicht ausfüllt,FFixierung durch Fixationsmaterial,Fthermische Schädigung der WTF durch Bohrungen nahe an der Fuge.

Bisher hat sich keine operative Technik als überlegen gezeigt [23, 25, 28, 29]. In jedem Fall sollte der Operateur nicht nur über genügend Erfahrung in den operativen Techniken verfügen, sondern auch mit den Besonderheiten des wachsenden Skeletts vertraut sein. Die Entscheidung ob, wann und welche operative Versorgung vorgenommen werden soll, ist individuell zu treffen. Bei isolier-ter Kreuzbandverletzung sollte nach Meinung der Autoren mindestens 3 bis 6 Monate abgewartet werden, um das Ausmaß der Instabilität einschätzen zu können. Bei chronischer Instabilität wird ein 4-fach-Semitendinosus-Transplantat in transepiphysärer [30] oder „all-inside“ intraepiphysärer Technik [31] extrakortikal mit einem Button femoral und tibial fixiert.

Zur Nachbehandlung gibt es keine einheitlichen Daten. Die schlechtere Compliance von Kin-dern und Jugendlichen im Einhalten von Nachbehandlungsrichtlinien sollte unbedingt berücksich-tigt werden. Bei Naht der Menisken wird eine Entlastung mit gesperrter Knieorthese 0-0-60° über 4 bis 6 Wochen empfohlen. Bei VKB-Ersatz ohne Meniskuschirurgie kann nach 2 Wochen voll belastet werden, eine gesperrte Knieorthese wird für 4 Wochen gegeben [30].

Fazit für die Praxis

FDie Versorgung von Binnenverletzungen des Kniegelenks bei Kindern erfordert ein profundes Wissen über die kindspezifischen Verletzungen.

FKonservative Verfahren und operative Techniken sind im Vergleich zur Erwachsenmedizin modi-fiziert und sollten auf die Besonderheiten des wachsenden Skeletts abgestimmt werden.

Korrespondenzadresse

Dr. F. SchneiderAbteilung für Kinderorthopädie, Universitätsklinik für Kinderchirurgie, Medizinische Universität GrazAuenbruggerplatz 34, 8036 [email protected]

Einhaltung ethischer Richtlinien

Interessenkonflikt. F. Schneider, M. Sperl, G. Steinwender und T. Kraus geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.

Dieser Beitrag beinhaltet keine Studien an Menschen oder Tieren.

Die Entscheidung ob, wann und welche operative Versorgung vorge-nommen werden soll, ist individuell zu treffen

Die schlechtere Compliance von Kindern und Jugendlichen im Ein-halten von Nachbehandlungsrichtli-nien sollte berücksichtigt werden

Abb. 4 9 11-jähriges Mädchen mit vorderer Kreuzbandinstabilität und medialer Meniskusläsion. a, b Rönt-genbild a.p. und seitlich 1 Jahr nach Ersatz des vorderen Kreuzbandes mit Semintendinosussehne 4-fach in transepiphysärer Technik mit extra-kortikaler Fixierung

400 | Der Orthopäde 4 · 2014

Page 9: Kindliche Kniebinnenverletzungen; Pediatric knee injuries;

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Literatur

401Der Orthopäde 4 · 2014 |

Page 10: Kindliche Kniebinnenverletzungen; Pediatric knee injuries;

springermedizin.de/eAkademie

?Welches ist die häufigste Ursache eines Hämarthros im Wachstumsalter?

Akuter Meniskusriss Vordere Kreuzbandruptur Eminentiaausriss „Unhappy triad“ Patellaluxation

?Ein 10-jähriger Junge stellt sich nach Distorsion des rechten Kniegelenkes in der Ambulanz vor. Bei der klinischen Untersuchung findet sich eine tanzende Patella als Zeichen eines massiven Ge-lenkergusses. Welche radiologische Primärdiagnostik ist erforderlich?

Röntgen des rechten Kniegelenkes tan-gential

Schrägaufnahmen des rechten Kniegelen-kes in 30° Flexion

Röntgen des rechten Kniegelenks im a.p. Strahlengang

Durchbewegen des rechten Kniegelenkes unter Bildwandler

Röntgen des rechten Kniegelenkes in 2 Ebenen

?Ein 11-jähriger Junge erlitt bei einem Skisturz eine Knieverletzung mit Hämar-thros. In der Röntgenuntersuchung zeigt sich eine gering dislozierte Fraktur der Eminentia intercondylaris (Meyers und McKeever Stadium 1). Welche der folgen-den Maßnahmen ist die richtige?

Funktionelle Behandlung mit einer Knie-orthese für 4 Wochen

Primär offene Reposition und Osteosyn-these, da eine Gelenkfraktur vorliegt

Reposition unter Röntgendurchleuch-tung und Gipsanlage in (Über-)Stre-ckung nach Punktion des Hämarthros in

Narkose. Operative Behandlung nur bei mangelnder Reposition

Primär arthroskopische Behandlung, da sehr häufig Begleitverletzungen der Menisken vorliegen

Anlage eines gelenküberbrückenden Fixateur externe

?Welche Aussage zur Instabilität des vor-deren Kreuzbandes bei Kindern trifft zu?

Chronische Instabilitäten des vorderen Kreuzbandes führen bei Kindern und Jugendlichen häufiger zu Meniskusrissen als bei Erwachsenen.

Der Verlust des vorderen Kreuzbandes wird von Kindern und Jugendlichen sehr gut kompensiert.

Die Häufigkeit der vorderen Kreuz-bandverletzung hat bei Kindern und Jugendlichen abgenommen.

Die akute Verletzung des vorderen Kreuz-bandes sollte in jedem Alter sofort operativ versorgt werden.

Meniskusrisse nach vorderer Kreuzband-ruptur treten bei Kindern häufiger am lateralen Meniskus auf, weil bei Kindern die Valgusstellung im Knie stärker ist.

?Welche Aussage zur Technik der Rekons-truktion des vorderen Kreuzbandes bei Kindern trifft zu?

Die Double-bundle-Technik ist bei Kin-dern „state of the art“.

Bei der Kreuzbandrekonstruktion werden die Wachstumsfugen verödet, um ein Achsenfehlwachstum zu vermeiden.

Es gibt noch keine überlegene Technik. Die transepiphysären und die intraepi-physären Techniken haben in etwa die gleichen Komplikationsraten.

Die primäre Naht des Kreuzbandes bringt die besten Ergebnisse.

Die Epiphysenfuge lässt sich arthrosko-pisch gut abgrenzen und schonen.

?Welche Aussage zum vorderen Kreuz-bandersatz bei Kindern ist richtig?

Ursprung und Ansatz des vorderen Kreuz-bandes sind beim Kind an einer anderen Stelle als beim Erwachsenen.

Die VKB-Ersatzplastik sollte mit möglichst viel Spannung fixiert werden, da sich das Band im weiteren Wachstum wieder lockert.

Die Patellasehne mit Knochenblock ist das für Kinder am besten geeignete Transplantat.

Bei Kindern sollten synthetische Bander-satzmaterialen gewählt werden, die in der Regel eine längere Lebensdauer haben als körpereigene Sehnen.

Bei der transepiphysären Technik wird eine körpereigene Sehne (z. B. Semi-tendinosussehne) ohne Knochenblock extrakortikal fixiert, ohne die Fugen durch Schrauben o. Ä. zu überbrücken.

?Welche Aussage zur Patellaluxation beim Kind und Jugendlichen trifft zu?

Die Patellaluxation führt selten zu Knorpelschäden.

Jungen sind häufiger betroffen als Mädchen.

Häufig reißt die Patellasehne knöchern aus.

(Osteo)chondrale Gelenkfrakturen sind im Röntgenbild nicht sicher auszuschließen.

Knorpelabscherbrüche („flake fracture“) betreffen meist die laterale Patellafacette.

CME-FragebogenBitte beachten Sie: • Teilnahme nur online unter: springermedizin.de/eAkademie•  Die Frage-Antwort-Kombinationen werden online individuell zusammengestellt. • Es ist immer nur eine Antwort möglich.

Für Zeitschriftenabonnenten ist die Teilnahme am e.CME kostenfreiD

402 | Der Orthopäde 4 · 2014

Page 11: Kindliche Kniebinnenverletzungen; Pediatric knee injuries;

CME-Fragebogen

?Die chronische Instabilität der Patella stellt ein großes Problem dar. Welche Aussage ist richtig?

Operative Eingriffe sind beim Kind nicht möglich, da die Wachstumsfugen noch offen sind

Die Rekonstruktion des MPFL durch ein Sehnentransplantat hat bei Jugendlichen und Erwachsenen einen hohen Stellen-wert. Beim Kind ist die Rekonstruktion schwieriger, da der femorale Insertions-punkt im Bereich der Wachstumsfuge liegt.

Die knöcherne Tuberositasversetzung ist beim Kind das Mittel der Wahl

Das kontralaterale Kniegelenk sollte beim Kind prophylaktisch operativ stabilisiert werden, da die Patellaluxation häufig beidseitig auftritt.

Der Riss des MPFL ist im MRT gut loka-lisierbar und lässt sich daher gut primär nähen.

?Welche Aussage trifft für die Diagnostik und Therapie der erstmaligen Patellalu-xation ohne Komplikation zu?

Die offene operative Therapie mit Naht des verletzten Halteapparates ist zeitnah immer notwendig.

Die Therapie der Wahl ist eine 3-wöchige Ruhigstellung in einer Kniegipshülse mit anschließender Physiotherapie und Kräfti-gungsprogramm.

Bei jeder Patellaluxation muss ein MRT des betroffenen Kniegelenks durchgeführt werden.

Die operative Therapie der erstmaligen Patellaluxation zeigt eindeutig bessere Ergebnisse als die konservative Therapie.

Die Physiotherapie kann durch gezielten Schul- und Freizeitsport ersetzt werden.

?Welche Aussage zum Meniskusriss im Wachstumsalter ist richtig?

Ein Meniskusriss in der weiß-weißen Zone erfordert eine Meniskusteilresektion.

Es gilt: Rekonstruktion vor Resektion un-abhängig von der betroffenen Zone.

Ein chronischer Horizontalriss sollte erst nach Wachstumsabschluss operiert wer-den.

Ein persistierender Meniskusriss, der symp tomatisch ist, ist primär konservativ zu behandeln.

Ein knöcherner Kreuzbandausriss ist häufig mit einem Meniskusriss vergesellschaftet.

Diese zertifizierte Fortbildung ist 12 Monate auf springermedizin.de/ eAkademie verfügbar.Dort erfahren Sie auch den genauen Teilnahmeschluss. Nach Ablauf des Zertifizierungszeitraums können Sie diese Fortbildung und den Fragebogen weitere 24 Monate nutzen.

403Der Orthopäde 4 · 2014 |