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180 J. Koc~ und H. ScmLLEa: Kinetik der KristaUisation von Weinstein Von J. Koch und H. SCHILLER Mitteilung aus dem Institut ]i~r GetrSnke/orsehung GmbH Mainz Mit 1 Textabbildung (Eingegangen am 9. September 1963) Bei allen Getr~nken, die aus Weintrauben hergestellt werden, tritt das Problem der Weinsteinausscheidung auf. W£hrend sieh sehon zahlreiehe Autoren mit dem Weinstein-Gleichgewicht, d.h., der L6slichkeit des Weinsteins besehi~ftigt haben (z. B. 1, 2, 3, 4), gibt es kaum Untersuehungen fiber die Kinetik der Weinstein- ausscheidung. Ffir die Praxis der Getri~nkeindustrie ist es jedoch nieht gMchgiiltig, ob die Weinsteinausscheidung nach drei Wochen oder naeh einem Jahr beendet ist, weft erst darm das Getr£nk auf Flasehen abgeffillt werden kann. Wenn man aber die Ausscheidung beschleunigen oder verz6gern will, rau~ man die Faktoren kennen, die anf die Geschwindigkeit der Ausscheidung Einfiu~ haben. DI~MAm nnd MAI~ (1) untersuchten bereits den EinfluI3 meehanischer Einwirkunge~ (Sehfitteln, Kratzen, Quarzzusatz) auf die Geschwindigkeit der Weinsteinausscheidung aus Weinen. Wir beschaftigen uns in dieser Arbeit mit dem EinfluB der Temperatur, der Ubersgttigung, des pH-Wertes nnd des Zusatzes verschiedener Stoffe auf die Kristallisationsgeschwin- digkeit des Weinsteins aus wiil~rig-alkoholisehen L6sungen. Um diese Untersuehungen experimentell einfaeh und innerhalb kurzer Zeit durehfiihren zu k6nnen, benutzten wir stark iibersi~ttigte L6sungen und arbeiteten meist bei 20 ° C. Bei diesen Bedin- gungen ist die Weinsteinausseheidung nach 30 min praktisch beendet. Methodik Es wurden Weins~ure. und XaliumhydroxydlSsungen in Alkohol-Wasser-N[ischungen mit 20 Vol.-% Alkohol hergestellt und mit 20 vol.-%igen Alkohol-Wasser-Mischungen auf die ge- wiinschte Konzentr~tion verdiinnt. Als Ausgangsstoffe dienten an~lysenreine Substunzen. Die Weinsgure- nnd die KaliumhydroxydlSsung wurden getrennt temperiert und erst bei Versuchs- beginn miteinander gemischt. Da bei der Weinsteinausscheidung Ionen verbraucht werden, l~Bt sich die Ausscheidungs- geschwindigkeit bequem durch Leitfghigkeitsmessungen bestimmen. Dazu wurde die Leitfi~hig- keit der temperierten L5sungen mit einer T~uchelektrode gemessen. Als )SeBger~t diente ein WTW-Leitf~higkeitsmesser. Alle L6sungen wurden bei der Messung mit gleicher Intensit~t raechanisch geriihrt. Wenn die Geschwindigkeit der Ausscheidung dutch die Diffusion der Komponenten an die Xristallkeime bestimmt wird, l~i~t sie sich formell durch eine Geschwindigkeitsgleichung erster oder (seltener) zweiter Ordnung besehreiben. Bei nnseren Versuchen wurde immer das Gesetz erster Ordnung gefunden. Danack liil~t sich die Abnahme der Weinsteinkonzentrstiou c in der Zeit t durch folgende G]eiehung besehreiben: ds - d~ = ~ (c-- c~) (1) Darin ist c die Konzentration zur Zeit t, coo die Si~ttigungskonzentration und k die Geschwin- digkeitskonstante. Da die Konzentr~tion der Leitf~higkeit ~ proportional ist, kann man aueh sehreiben dz - d-Y = ~('--~) (2) Wird diese Gleichung integriert, erhi~lt man In s -- :~ kt (3) ~40 - - ~oo

Kinetik der Kristallisation von Weinstein

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180 J. Koc~ und H. ScmLLEa:

K i n e t i k d e r K r i s t a U i s a t i o n v o n W e i n s t e i n

V o n

J. Koch und H. SCHILLER

Mitteilung aus dem Institut ]i~r GetrSnke/orsehung GmbH Mainz

Mit 1 Textabbildung

(Eingegangen am 9. September 1963)

Bei allen Getr~nken, die aus Weintrauben hergestellt werden, tri t t das Problem der Weinsteinausscheidung auf. W£hrend sieh sehon zahlreiehe Autoren mit dem Weinstein-Gleichgewicht, d .h. , der L6slichkeit des Weinsteins besehi~ftigt haben (z. B. 1, 2, 3, 4), gibt es kaum Untersuehungen fiber die Kinetik der Weinstein- ausscheidung. Ffir die Praxis der Getri~nkeindustrie ist es jedoch nieht gMchgiiltig, ob die Weinsteinausscheidung nach drei Wochen oder naeh einem Jahr beendet ist, weft erst darm das Getr£nk auf Flasehen abgeffillt werden kann. Wenn man aber die Ausscheidung beschleunigen oder verz6gern will, rau~ man die Faktoren kennen, die anf die Geschwindigkeit der Ausscheidung Einfiu~ haben. DI~MAm nnd M A I ~ (1) untersuchten bereits den EinfluI3 meehanischer Einwirkunge~ (Sehfitteln, Kratzen, Quarzzusatz) auf die Geschwindigkeit der Weinsteinausscheidung aus Weinen. Wir beschaftigen uns in dieser Arbeit mit dem EinfluB der Temperatur, der Ubersgttigung, des pH-Wertes nnd des Zusatzes verschiedener Stoffe auf die Kristallisationsgeschwin- digkeit des Weinsteins aus wiil~rig-alkoholisehen L6sungen. Um diese Untersuehungen experimentell einfaeh und innerhalb kurzer Zeit durehfiihren zu k6nnen, benutzten wir stark iibersi~ttigte L6sungen und arbeiteten meist bei 20 ° C. Bei diesen Bedin- gungen ist die Weinsteinausseheidung nach 30 min praktisch beendet.

M e t h o d i k Es wurden Weins~ure. und XaliumhydroxydlSsungen in Alkohol-Wasser-N[ischungen mit

20 Vol.-% Alkohol hergestellt und mit 20 vol.-%igen Alkohol-Wasser-Mischungen auf die ge- wiinschte Konzentr~tion verdiinnt. Als Ausgangsstoffe dienten an~lysenreine Substunzen. Die Weinsgure- nnd die KaliumhydroxydlSsung wurden getrennt temperiert und erst bei Versuchs- beginn miteinander gemischt.

Da bei der Weinsteinausscheidung Ionen verbraucht werden, l~Bt sich die Ausscheidungs- geschwindigkeit bequem durch Leitfghigkeitsmessungen bestimmen. Dazu wurde die Leitfi~hig- keit der temperierten L5sungen mit einer T~uchelektrode gemessen. Als )SeBger~t diente ein WTW-Leitf~higkeitsmesser. Alle L6sungen wurden bei der Messung mit gleicher Intensit~t raechanisch geriihrt.

Wenn die Geschwindigkeit der Ausscheidung dutch die Diffusion der Komponenten an die Xristallkeime bestimmt wird, l~i~t sie sich formell durch eine Geschwindigkeitsgleichung erster oder (seltener) zweiter Ordnung besehreiben. Bei nnseren Versuchen wurde immer das Gesetz erster Ordnung gefunden. Danack liil~t sich die Abnahme der Weinsteinkonzentrstiou c in der Zeit t durch folgende G]eiehung besehreiben:

ds - d~ = ~ (c - - c~) (1)

Darin ist c die Konzentration zur Zeit t, coo die Si~ttigungskonzentration und k die Geschwin- digkeitskonstante. Da die Konzentr~tion der Leitf~higkeit ~ proportional ist, kann man aueh sehreiben

dz - d-Y = ~ ( ' - - ~ ) ( 2 )

Wird diese Gleichung integriert, erhi~lt man

In s - - : ~ kt (3) ~40 - - ~oo

Kinetik der Kristallisation yon Weinstein 181

oder bei Anwendung des dekadischen Logarithmus

~ 4 - - Gec ]g b g - (4)

~o - - ~ 2,3 t

(~o ist die Leiff~higkei~ bei Versuchsbeginn)

Tr~gt man log e - - ~ gegen die Zeit t auf, so erhi~l~ man Geraden, aus deren S~eigung man ~ 0 - - ~

die Geschwm~gkei~skonstante k berechnen k~nn.

D i s k u s s i o n der Erf febnisse Bei allen Messungen zeigte sich eine Induktionsperiode. Dies ist die Zeit, die ffir

die Bildung der Kristallkeime benStigt wird. Anschlie$end erfolgt die Kristallisation als Reaktion erster Ordnung. In der Abb. 1 ist ein typisehes Beispiel in den Koordi-

naten log ~ - - zoo und t dargestell$. ~o -- Ncc 6'

D i e Kristallisationsgesehwindigkeit erwies sich als stark abh/~ngig vom Alter der alkoholi- schen Weins/iurelSsung, vermutlieh infolge der t -o.s Bildung yon Weins/~ureestern. Alle Versuche ! einer MeI3reihe mul3ten daher an einem Tag ~Y~o---Y-------------~_ durchgeffihrt werden. Versuehe, die an versehie- -,zo denen Tagen durehgefiihrt wurden, lassen sich nieht miteinander vergleichen.

Zuerst wurde der Einflufi des TH- Wertes auf die Kristallisationsgesehwindigkeit untersueht. 4,s Der pH-Wer t wurde dureh Zusatz yon Salzsgure zwischen 3,0 and 3,4 variiert. In der Tab. 1 sind die Dauer der Induktionsperiode T und die Ge- sehwindigkeitskonstante k angegeben.

Tabelle 1. Einflufi des pH-Wertes au/ die Kristallisationsgeschwindigkeit

([KI-[T] = 0,06 tool, 20 ° C) k

rain rain -~

3,02 3,10 3,23 3,36

2,4 2,2 2,2 2,5

- - o - - o - - o o o

\ \

\ o

% I r [ ~ I I

l 3 £ rain, 7

Abb. 1. Kristallisation yon Weinstein, darge-

stel l t in den Koordinaten t und log g - - u ~

Tabelle 2. Einflu[3 des ~bers?ittigungsgrades au] die Kristallisationsgeschwindigkeit (20°C)

[KIIT] z k

tool rain rain -~

0,39 0,049 0,39 0,060 0,39 0,074 0,39 0,089

6,2 3,0 1,7 1,1

0,28 0,63 1,16 2,15

Man sieht, dab der pH-Wert in diesem Bereieh kaum Einflu6 auf die Kristalli- sation hat.

In der Tab. 2 sind die Ergebnisse der Untersuchung fiber den Einflu[3 der Uber- siittigung zusammengestellt.

Wie zu erwarten war, verkfirzt sieh mat steigender Weinsteinkonzentration die Induktionsperiode, da die Wabrseheinliehkeit der Keimbildung zunimmt. Dagegen dfirfte bei einer Reaktion 1. Ordnung die GeschMndigkeitskonstante nieh~ yon der Anfangskonzentration abh/~ngen, was abet experimentell nicht best/~tigt werden konnte.

Um den Einflufi der beiden Komponenten des Weinsteins zu untersuehen, wurde in einer Versuchsreihe zu der stSchiometrischen Weins/iure-KOH-LSsung noeh KC1

182 J. Koc~ undH. Sc~I~LE~:

zugesetzt, in einer anderen noch Weinsgure, die mit NaOH auf ein p t I yon 3,5 ge- bracht wurde. Die Ergebnisse sind in den Tab. 3 und 4 zusammengestellt.

Wie die Daten zeigen, hgngt die Gesehwindigkeit der Keimbildung in erster Linie yon der Weins£urekonzentration ab. Die Gesehwindigkeitskonstante wird dagegen nur dutch die Konzentration der Kalinmionen vergndert. Eine Steigerung der Kalinmkonzentration verkiirzt die Latenzperiode nur wenig.

Tabelle 3. Einflu[3 der Weinsgurekonzentration au] die Kristallisationsgeschwindigkeit

([K+] ~ 0,06 tool, 20 ° C)

[HTH] r k

tool rain min

0,06 0,08 0,10

3,6 2,2 1,i

T~belle 4. Einflu[3 der Kaliumkonzentration au] die KristaUisationsgeschwindigkeit

([HTH] = 0,06 tool, 20 ° C)

[K + ] ~ k tool min rain -1

1,7 0,06 1,6 0,08 1,8 0,10

3,3 2,7 2,5

1,0 1,5 2,7

Diese Ergebnisse zeigen, dall die Gesehwindigkeit der Kristallisation durch die Diffusion der t tydrogentartrationen an die KristaUkeime bestimmt wird, da diese die langsamste Wanderungsgesehwindigkcit haben. Da die Anionen jedoch nieht unabhgngig yon dan Kationen wandern k6nnen, ergibt sieh auch ein EinfluB der Kaliumionen.

Der Einflufi der Temperatur wurde sowohl bei konstanter Anfangskonzentration wie bei konstanter Anfangsiibersgttigung gemessen. Bei konstanter Anfangskon- zentration ([KHT] = 0,06 mol) hgngt die Induktionsperiode nieht yon der Tempera- tur ab. Die Geschwindigkeitskonstante vcrkleinert sich mit steigender Temperatur (Tab. 5).

Tabelle 5. Einflufl der Temperatur au/ die Kristallisationsgeschwindigkeit

([KILT = 0,06 tool)

T~belle 6. Einflufl tier Temperatur au/ die Kristallisationsges.c.hwindiglceit bei konstanter

Ubers~ittigung

t

°c

15 20 25 30

rnirt rain -1

2,0 0,97 2,1 0,76 2,5 0,55 1,8 0,46

t °c

15 20 25 30

[KIIT] ~ k 5I/1 rain rain -~

0,049 3,3 0,575 0,060 2,i 0,94 0,074 1,2 1,47 0,089 1,0 (1,31)

Zur Messung bei konstantcr Anfangsiibersgttigung wurden die Werte itir die Sgttigungskonzentrationen bei versehiedenen Temperaturen der Arbeit yon BERG und K~EFE~ (2) entnommen. Die Konzentration unserer L6sungen wurde so ein- gestellt, daI~ sie bei allen Tempcraturen sechsmM gr6Ber als die Sgttigungskonzen- tration war. Damit ergaben sieh die Werte der Tab. 6.

tiler zeigt sieh eine Vcrkleinerung der Induktionsperiode und eine Vergr6gerung der Kristallisationsgesehwindigkeit mit waehsender Temperatur.

Augcrdem ist die Frage intcressant, wie Zusgtze die Kristallisationsgeschwindig- keit des Weinstcins beeinflussen, tIier wurde der Einflug von Natrium-, Magnesium-, Calcium- und Eisenionen sowie yon Apfelsgure untersueht. In der Tab. 7 sind die Ergebnisse fiir den EinfluB der Natrium- und Magnesiumionen angegeben.

Kinetik der I(ristMlisa~ion yon Weinstein 183

CMciumionen und Eisen(II)-ionen wirken etwa wie Magnesiumionen. Sie ver- 1/ingern die Induktionsperiode, beeinflussen aber die Geschwindigkeitskonstante praktisch nieht. Etwas gr6Ber ist der Einflug yon Eisen(III)-ionen. Apfelsgure hat dagegen kaum Einflug auf die Induktionsperiode oder die Kristallisationsgeschwin- digkeit.

Auch oberfli~chenaktive Anionen (z. B. synthetisehe Waschmittel) verl/~ngern die Induktionsperiode stark. Da die Kaliumionen sehneller wandern als die Anionen,

Tabelle 7. Einflufi von Natrium. und Magnesiumionen (25 ° C, [KTI-I] = 0,06

au] die Kristallisationsgeschwindiqlceit tool

T

Zusatz rnin

0 1,7 1000 rag/1 Na + 2,8

100 rag/1 Mg ++ 2,6 500 rag/1 Mg ++ 6,2

k min-~

1,30 1,05 1,15 1,30

sind die Kristallkeime vermutlich positiv geladen und werden yon den oberfl~chen- aktiven Anionen umhfillt. Die gleiehe Ursache d/irfte aueh der bekannte Einflul3 der Metaweinsgure haben, die zur Verz6gerung der Kristallisation yon Weinstein be- nutzt wird.

Die gleiehen Untersuehungen wurden aueh mit Weinen durchgeffihrt, die eben- falls auf einen Weinsteingehalt yon 0,06 tool gebracht wurden, um eine sehnelle Ausscheidung zu erreiehen. Hier wurden die gleiehen Gese~zm/iBigkeiten gefunden wie oben bei den Alkohol-Wasser-Gemisehen beschrieben.

Man kann annehmen, dab die hier gefundenen Gesetzmggigkeiten auch in wesent- lich verd/innteren w/iBrigen oder w/~Brig-alkoholischen L6sungen, wie sie praktiseh in Getr~nken vorliegen, gfiltig sind.

Damit zeigen unsere Messungen, dal3 man die Ausseheidung des Weinsteins durch versehiedene Zus~tze erhebiich verz6gern kann. Es wurde abet leider kein Stoff gefunden, der die Ausseheidung besehleunigt. Eine Beschleunigung der Ausseheidung ist nut dureh K/ihlen oder mechanische Einwirkung zu erreiehen.

Zusammen/assung

Die Geschwindigkeit der Kristallisation yon Weinstein aus stark fibers~ttigten w/~Brig-alkoholischen L6sungen wurde durch Leitf~higkeitsmessungen verfolgt. Die Gesetzm~Ngkeiten der Ausscheidung in Abh~ngigkeit yon der Temperatur, der Konzentrat ion und vom p i t wurden festgestellt. Durch Zus£tze yon Fremdionen konnte die KristMlisation verz6ger~ werden. Dagegen wurde kein Zusatz gefunden, der die KristMlisation besehleunig~.

Literatur

1. DIn~AI~, W., u. G. M ~ : Diese Z. 118, 398 (1962). 2. BERn, H. W., u. R. M. K~Er~: Amer. J. Enol. 9, 180 (1958). 3. USSEGLIO-ToNASSET, L. : Riv. Viticolt. 10, 317 (1957). 4. Koch, J., u. E. GEISS: Diese Z. 99, 188 (1954).