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Klassische Algebra Udo Hebisch WS 2018/19 Dieses Skript enth¨ alt nur den “roten Faden” des zweiten Teils der Vorlesung. Zur selben Vorlesung geh¨ ort noch ein Teil zur Gruppentheorie. Wesentliche Inhalte werden ausschließlich in der Vorlesung vermittelt. Daher ist dieses Skript nicht zum Selbststudium gedacht, sondern nur als “Erinnerungsst¨ utze”. 1

Klassische Algebra - TU Bergakademie Freiberghebisch/skripte/algebra/algebra.pdf · Klassische Algebra Udo Hebisch WS 2018/19 Dieses Skript enth alt nur den \roten Faden" des zweiten

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Klassische Algebra

Udo Hebisch

WS 2018/19

Dieses Skript enthalt nur den “roten Faden”des zweiten Teils der Vorlesung. Zur selben Vorlesung

gehort noch ein Teil zur Gruppentheorie.Wesentliche Inhalte werden ausschließlich

in der Vorlesung vermittelt. Daher ist diesesSkript nicht zum Selbststudium gedacht, sondern

nur als “Erinnerungsstutze”.

1

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1 KONSTRUIERBARKEIT MIT ZIRKEL UND LINEAL

1 Konstruierbarkeit mit Zirkel und Lineal

Es sei M ⊆ R2 = C mit |M | ≥ 2 eine Menge von Punkten P bzw. z der Ebene.

G(M) = Menge der Geraden g, die zwei verschiedene Punkte z0 6= z′0aus M enthalten: g = {z = z0 + tz1 | t ∈ R} mit z1 = z′0 − z0 6= 0.

K(M) = Menge der Kreise k, deren Mittelpunkt a in M liegt und derenRadius r > 0 gleich dem Abstand zweier Punkte b 6= c aus M istk = {z | |z − a| = r} mit r = |b− c|.

〈M〉 = {P ∈ R2 |P ist mit Zirkel und Lineal aus M konstruierbar}.

Dabei entstehen alle P ∈ 〈M〉 rekursiv aus M durch endlich viele elementareKonstruktionen fur “neue” Punkte aus 〈M〉:

1. Schnittpunkt von g1 6= g2 aus G(〈M〉): z ∈ g1 ∩ g2.

2. Schnittpunkt von g ∈ G(〈M〉) und k ∈ K(〈M〉): z ∈ g ∩ k.

3. Schnittpunkt von k1 6= k2 aus K(〈M〉): z ∈ k1 ∩ k2.

Vier Konstruktionsprobleme der Antike

a) Quadratur des KreisesZu einem gegebenen Kreis soll ein Quadrat gleichen Flacheninhalts konstruiertwerden. Seien dazu P,Q,X Punkte auf einer Geraden mit PQ = r und PX =r√π.

Gilt dann X ∈ 〈{P,Q}〉?

b) Delisches Problem (Wurfelverdopplung)Zu einem gegebenen Wurfel der Kantenlange a ist ein Wurfel mit doppeltemVolumen gesucht. Seien dazu P,Q,X Punkte auf einer Geraden mit PQ = a undPX = a 3

√2.

Gilt dann X ∈ 〈{P,Q}〉?

c) WinkeldreiteilungZu einem (durch seinen Scheitelpunkt S und zwei Punkte P,Q auf seinen Schen-keln) gegebenen Winkel t soll der Winkel t/3 (durch einen Punkt X auf seinemzweiten Schenkel) konstruiert werden.

Gilt also X ∈ 〈{S, P,Q}〉?

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1 KONSTRUIERBARKEIT MIT ZIRKEL UND LINEAL

d) Konstruktion des regelmaßigen n-EcksZu einem gegebenen Kreis mit Mittelpunkt P und einem Punkt Q auf dem Kreissei X der Punkt auf dem Kreis mit ∠(X,P,Q) = 2π/n.

Fur welche n ∈ N gilt dann X ∈ 〈{P,Q}〉?

Die Bedingung |M | ≥ 2 fur M ⊆ R2 = C lauft durch geeignete Wahl der reellenund imaginaren Achse in C und die Wahl eines Maßstabes auf die Bedingung0, 1 ∈M ⊆ C hinaus.

Lemma 1.1 Fur M ⊆ C mit 0, 1 ∈M gelten:

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1 KONSTRUIERBARKEIT MIT ZIRKEL UND LINEAL

(1) i ∈ 〈M〉,

(2) z ∈ 〈M〉 =⇒ Re(z), Im(z) ∈ 〈M〉,

(3) z ∈ 〈M〉 =⇒ −z ∈ 〈M〉,

(4) z1, z2 ∈ 〈M〉 =⇒ z1 + z2 ∈ 〈M〉,

(5) z ∈ 〈M〉 =⇒ z ∈ 〈M〉,

(6) z1, z2 ∈ 〈M〉 =⇒ z1 · z2 ∈ 〈M〉,

(7) z ∈ 〈M〉, z 6= 0 =⇒ 1z∈ 〈M〉.

Also ist 〈M〉 ein Unterkorper von C, der offensichtlich Q enthalt. Man nennt ihnden Korper der aus M konstruierbaren Zahlen.

Beweis:(1) Wegen 0, 1 ∈ M liegt die reelle Achse in G(M) und der Einheitskreis inK(M). Also liegt der Schnittpunkt -1 in 〈M〉. Eine elementare Konstruktionliefert die imaginare Achse als Mittelsenkrechte auf der Strecke [−1, 1]. Einerihrer Schnittpunkte mit dem Einheitskreis ist dann i ∈ 〈M〉.

(2) Die Lote von z auf die reelle bzw. imaginare Achse lassen sich durch elementareKonstruktionen bestimmen. Ihre Schnittpunkte mit den beiden Achsen liefernRe(z), Im(z)i ∈ 〈M〉. Der Kreis um 0 vom Radius |Im(z)i| schneidet die reelleAchse in Im(z).

(3) Der Schnittpunkt des Kreises um 0 vom Radius |z| mit der Geraden durch 0und z ist −z.

(4) Der vierte Eckpunkt des durch 0, z1 und z2 bestimmten Parallelogramms istz1 + z2.

(5) Wegen z = Re(z)− Im(z)i folgt dies aus (2), (3) und (4).

(6) Wegen z1z2 = (a1a2 − b1b2) + (a1b2 + a2b1)i und (1) - (5) genugt es, dieBehauptung fur alle positiven reellen Zahlen r1 und r2 zu zeigen. In der folgendenKonstruktion ist z der Schnittpunkt der Winkelhalbierenden (Gerade durch 0und 1 + i aus 〈M〉) mit dem Kreis um 0 vom Radius r2. Zu der Geraden durch1 und z wird die Parallele durch r1 konstruiert und mit der Winkelhalbierendengeschnitten. Der Kreis um 0 durch diesen Schnittpunkt habe den Radius x. Danngilt nach dem Strahlensatz x : r2 = r1 : 1, also x = r1r2.

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1 KONSTRUIERBARKEIT MIT ZIRKEL UND LINEAL

(7) Wegen 1z

= z/(zz) und (5), (6) genugt es, die Behauptung fur positive reelleZahlen r zu zeigen. In der folgenden Konstruktion gilt nach dem Strahlensatz1 : r = x : 1, also x = 1/r ∈ 〈M〉.

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1 KONSTRUIERBARKEIT MIT ZIRKEL UND LINEAL

Lemma 1.2 Der Korper 〈M〉 ist quadratisch abgeschlossen, d. h. fur alle z ∈ Cgilt

(8) z ∈ 〈M〉 =⇒√z ∈ 〈M〉.

Beweis:Gelte w2 = z = reit, also w = ±

√reit/2. Da die Winkelhalbierende durch elemen-

tare Konstruktionen gewonnen werden kann, bleibt (8) fur positive reelle Zahlenr zu zeigen. Hierzu konstruiert man uber der Strecke [−1, r] den Thaleskreis undauf ihm den Lotpunkt z uber 0. Dann gilt x = |z| ∈ 〈M〉. In dem rechtwinkligenDreieck −1, z, r liefert der Hohensatz x2 = 1 · r, also x =

√r.

Definition 1.3 Eine Korpererweiterung E : K besteht aus einem (Erweiterungs-)Korper E und einem Unterkorper K von E. Jeder Korper F mit K ⊆ F ⊆ Eheißt ein Zwischenkorper von E : F . Fur A ⊆ E sei

(9) K(A) =⋂{F |F Zwischenkorper von E : K und A ⊆ F}

der kleinste Unterkorper von E, der K und A enthalt. Dann heißt K(A) der vonA uber K erzeugte Unterkorper von E. Man sagt auch, K(A) entsteht aus Kdurch Adjunktion der Elemente von A zu K. Fur A = {α1, . . . , αn} schreibt manauch K(A) = K(α1, . . . , αn).

Beispiel 1.4 Fur E = C, K = Q und A = {i} ist Q(i) = {a+ bi | a, b ∈ Q}.

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1 KONSTRUIERBARKEIT MIT ZIRKEL UND LINEAL

Fur 0, 1 ∈M ⊆ C sei M = {z | z ∈M} und

(10) K = Q(M ∪M).

Dann gilt offensichtlich

(11) 〈M〉 = 〈K〉,

d. h. man darf M in den obigen Fragestellungen durch den Korper (10) ersetzen.Fur diesen Korper gilt außerdem

(12) K = K.

Lemma 1.5 Es sei K ein Unterkorper von C mit K = K.

a) Ist z Schnittpunkt zweier Geraden aus G(K), so gilt bereits z ∈ K.

b) Ist z Schnittpunkt einer Geraden aus G(K) mit einem Kreis aus K(K), so gilt

(*) Es gibt ein w ∈ C mit w2 ∈ K und z ∈ K(w).

c) Ist z Schnittpunkt zweier Kreise aus K(K), so gilt ebenfalls (*).

Beweis: a) Die beiden Geraden seien durch g = {z = z0 + tz1 | t ∈ R} undh = {z = z′0 + sz′1 | s ∈ R} mit z0, z

′0, z1, z

′1 ∈ K und z1 6= 0 6= z′1 gegeben

und verschieden. Da sie einen Schnittpunkt z besitzen sollen, ist dieser eindeutigbestimmt und es existieren s, t ∈ R mit z = z0 + tz1 = z′0 + sz′1. In C gilt alsodie Gleichung tz1 − sz′1 = z′0 − z0. Dies fuhrt auf zwei Gleichungen, eine fur dieRealteile und eine fur die Imaginarteile:

Re(z1)t−Re(z′1)s = Re(z′0 − z0)Im(z1)it− Im(z′1)is = Im(z′0 − z0)i

Fur z ∈ K = K liegt auch z in K und daher auch Re(z) = 12(z+z). Entsprechend

folgt Im(z)i = 12(z − z) ∈ K. Daher liegen alle Koeffizienten in K. Es handelt

sich also um ein lineares Gleichungssystem uber dem Korper K, von dem bekanntist, daß es eine Losung (in R) besitzt. Dann kann man aber mit dem Gauss-Algorithmus bereits in K eine Losung berechnen. Also existieren s, t ∈ K, diedieses Gleichungssystem erfullen. Es folgt z = z0 + tz1 ∈ K.

b) Sei g = {z = z0 + tz1 | t ∈ R} wie in a) und k = {z | |z−a| = r} mit r = |b−c|fur a, b, c ∈ K, b 6= c und r = |b − c| ∈ R. Es folgt r2 = (b − c)(b − c) ∈ Kund alle z ∈ k erfullen (z − a)(z − a) = r2. Fur jeden Schnittpunkt z ∈ g ∩ kgilt also z = z0 + tz1 fur ein t ∈ R und (z0 + tz1 − a)(z0 + tz1 − a) = r2 ∈ K.

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1 KONSTRUIERBARKEIT MIT ZIRKEL UND LINEAL

Weil alle auftretenden Konstanten in K = K liegen, fuhrt dies fur t ∈ R aufeine quadratische Gleichung t2 + pt + q = 0 mit p, q ∈ K. Fur w = t + p

2gilt

w2 = t2+pt+ p2

4+q−q = p2

4−q ∈ K und nach Aufgabe 1.22 b) gilt K(t) = K(w).

Wegen z = z0 + tz1 ∈ K(t) = K(w) ist also (*) erfullt.

c) Sei k = {z | |z − a| = r} mit r = |b − c| und r2 ∈ K wie in b) ein Kreisund h = {z | |z − a′| = s} mit s = |b′ − c′| und s2 ∈ K ein weiterer Kreish 6= k mit z ∈ h ∩ k 6= ∅. Dann konnen die beiden verschiedenen Kreise nichtkonzentrisch sein, d. h. es gilt a 6= a′. Aus (z − a)(z − a) = z2 − za− za + aa =r2 und (z − a′)(z − a′) = z2 − za′ − za′ + a′a′ = s2 folgt durch Subtraktionz(a′ − a) + z(a′ − a) = r2 − s2 − aa + a′a′ = d ∈ K. Lost man diese lineareGleichung nach z auf, was wegen a 6= a′ moglich ist, und setzt dies in die Gleichung(z − a)(z − a) = r2 fur k ein, so erhalt man eine quadratische Gleichung fur zmit Koeffizienten aus K. Nun folgt wie am Ende des Beweises von Teil b) dieExistenz von w ∈ C mit w2 ∈ K und K(w) = K(z), also ebenfalls (*). �

Definition 1.6 Sei E : K eine Korpererweiterung.

a) E entsteht aus K durch Adjunktion einer Quadratwurzel, wenn es ein w ∈ Emit w2 ∈ K und E = K(w) gibt. Dann heißt w eine Quadratwurzel von v = w2

aus K, in Zeichen w =√v.

b) E entsteht aus K durch sukzessive Adjunktion von Quadratwurzeln, falls eseine endliche Kette K = K0 ⊆ K1 ⊆ . . . ⊆ Km = E von Unterkorpern Ki von Egibt, in der jeweils Ki aus Ki−1 durch Adjunktion einer Quadratwurzel entsteht.

Satz 1.7 Sei 0, 1 ∈ M ⊆ C und K = Q(M ∪ M). Dann sind fur alle z ∈ Caquivalent:

(i) z ∈ 〈M〉.

(ii) Es existiert ein Unterkorper E von C, der aus K durch sukzessive Adjunk-tion von Quadratwurzeln entsteht, mit z ∈ E.

Beweis: (ii) =⇒ (i): Sei also K = K0 ⊆ K1 ⊆ Km = E eine Kette von Un-terkorpern Ki von E mit Ki = Ki−1(wi) und w2

i ∈ Ki−1 fur i = 1, . . . ,m sowiez ∈ E = Km. Wegen K0 = K = Q(M ∪M) ⊆ 〈M〉 und w2

1 ∈ K0 ⊆ 〈M〉 folgtw1 ∈ 〈M〉 mit Lemma 1.2. Also gilt auch K1 = K0(w1) ⊆ 〈M〉. Mit densel-ben Schlussen folgt nun nacheinander K2 = K1(w2) ⊆ 〈M〉 und so weiter bisE = Km = Km−1(wm) ⊆ 〈M〉 und daher (i).

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1 KONSTRUIERBARKEIT MIT ZIRKEL UND LINEAL

(i) =⇒ (ii): Wegen (11) darf man z ∈ 〈M〉 = 〈K〉 annehmen. Entsteht z ∈ 〈K〉durch eine einzelne elementare Konstruktion gemaß einem der Konstruktions-schritte 1. bis 3., so folgt im Fall des Schrittes 1. wegen Lemma 1.5 a) bereitsz ∈ K = K0 = K1 = K2 = E. Im Fall eines Schrittes 2. oder 3. folgt mit Lem-ma 1.5 b) bzw. c) dann z ∈ K1 = K(w1). Setzt man nun E = K2 = K1(w1) =K(w1, w1), so gilt z ∈ E. Wegen w1

2 = w21 ∈ K = K ⊆ K1 entsteht E = K2

durch sukzessive Adjunktion von Quadratwurzeln aus K und gemaß Aufgabe 1.22gilt K2 = K2.

Fur einen zweiten elementaren Konstruktionsschritt kann man jetzt K2 anstellevon K0 = K benutzen, um wiederum mit Lemma 1.5 z ∈ E = K4 = K2(w2, w2)zu erhalten, und K4 erfullt ebenfalls wieder K4 = K4.

Da sich jedes z ∈ 〈M〉 = 〈K〉 durch endlich viele derartige elementare Schrittekonstruieren laßt, liegt z in einem korper E, der aus K durch sukzessive Adjunk-tion von Quadratwurzeln entsteht. �

Algebraische Formulierung der Konstruktionsprobleme

a) Quadratur des Kreises: Ist π in einem Unterkorper E von C enthalten, der ausK = Q durch sukzessive Adjunktion von Quadratwurzeln entsteht?

b) Delisches Problem: Ist 3√

2 in einem Unterkorper E von C enthalten, der ausK = Q durch sukzessive Adjunktion von Quadratwurzeln entsteht?

c) Winkeldreiteilung: Ist fur t ∈ R stets eit/3 in einem Unterkorper E von Centhalten, der aus K = Q(eit) durch sukzessive Adjunktion von Quadratwurzelnentsteht?

d) Konstruktion des regelmaßigen n-Ecks: Fur welche n ∈ N ist e2πi/n in einemUnterkorper E von C enthalten, der aus K = Q durch sukzessive Adjunktion vonQuadratwurzeln entsteht?

Lemma 1.8 (Dedekind) Fur jede Korpererweiterung E : K ist E eine K-Algebra, also insbesondere ein K-Vektorraum.

Beweis: Fur den Korper (E,+, ·) ist (E,+) eine abelsche Gruppe und fur alleλ ∈ K ⊆ E und x ∈ E wird durch die Multiplikation λ · x in der kommutativenHalbgruppe (E, ·) eine skalare Multiplikation definiert, die (λ · µ) · x = λ · (µ · x)und λ · (x · y) = (λ · x) · y = x · (λ · y) fur alle λ, µ ∈ K und x, y ∈ E erfullt.Wegen der Distributivgesetze in (E,+, ·) gelten auch (λ + µ) · x = λ · x + µ · xsowie λ · (x+ y) = λ · x+ λ · y. Schließlich liegt das Einselement 1 von E bereitsim Unterkorper K, wodurch auch 1 · x = x erfullt ist. Damit gelten alle Axiome,die eine K-Algebra (E,+, ·) erfullen muß. �

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1 KONSTRUIERBARKEIT MIT ZIRKEL UND LINEAL

Lemma 1.9 Es sei (R,+, ·) ein Integritatsbereich, der einen Korper K enthalt.Ist dann die Dimension von R als K-Vektorraum endlich, so ist R bereits einKorper.

Beweis: Wegen der Nullteilerfreiheit von (R,+, ·) ist jedes Element a 6= 0 aus Rkurzbar in der kommutativen Halbgruppe (R, ·), denn aus ax = ay folgt a(x−y) =ax − ay = 0 und damit x − y = 0, also x = y. Insbesondere gilt dies fur dasEinselement 1 6= 0 des Korpers K ⊆ R. Bezeichnet e ∈ R das Einselement desIntegritatsbereiches (R,+, ·), so folgt aus e · 1 = 1 = 1 · 1 daher e = 1, d. h. beideEinselemente stimmen uberein.

Nun folgt wie im Beweis von Lemma 1.8, daß (R,+, ·) (anstelle von (E,+, ·) eineK-Algebra, also speziell ein K-Vektorraum ist.

Fur jedes a 6= 0 aus R ist die (Links-)Translation ta : R→ R gemaß ta(x) = a · xfur alle x ∈ R eine K-lineare Abbildung, denn es gelten ta(x + y) = a(x + y) =ax + ay = ta(x) + ta(y) und t(λx) = aλx = λ(ax) = λta(x). Aufgrund derKurzbarkeit von a 6= 0 ist diese Translation injektiv. Da R nach Voraussetzungein endlich-dimensionaler K-Vektorraum ist, ergibt sich sogar die Bijektivitat.Also gibt es ein y ∈ R mit 1 = ta(y) = a · y = y · a. Damit ist (R \ {0}, ·) eineGruppe und folglich (R,+, ·) ein Korper. �

Definition 1.10 Fur eine Korpererweiterung E : K nennt man die Dimension[E : K] des K-Vektorraums E den Grad von E uber K.

Beispiel 1.11 1) [C : R] = 2.

2) [Q(i) : Q] = 2.

3) [Q( 3√

2) : Q] = 3. (Beweis spater!)

4) [R : Q] =∞.

Lemma 1.12 Es sei E : K eine Korpererweiterung mit char(K) 6= 2. Dann sindaquivalent:

(i) [E : K] = 2.

(ii) E entsteht aus K durch Adjunktion einer Quadratwurzel, die nicht schonin K liegt.

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1 KONSTRUIERBARKEIT MIT ZIRKEL UND LINEAL

Beweis: (i) =⇒ (ii): Fur jedes α ∈ E \K ist {1, α} wegen [E : K] = 2 bereitseine Basis von E uber K, insbesondere gilt E = K(α). Also laßt sich α2 ∈ E alsLinearkombination dieser Basis schreiben und es gibt p, q ∈ K mit α2+pα+q = 0.Fur w = α + p · 2−1 (wegen char(K) 6= 2 existiert 2−1 ∈ K!) ist dann w2 =(p · 2−1)2 − q ∈ K und es gilt E = K(α) = K(w), was wegen α /∈ K auch w /∈ Knach sich zieht.

(ii) =⇒ (i): Sei E = K(w) fur ein w 6∈ K mit w2 = d ∈ K. Dann ist E ′ ={a+ bw | a, b ∈ K} ein Unterring des Korpers (E,+, ·) mit K ⊆ E ′, insbesondereein Integritatsbereich und damit ein K-Vektorraum. Wegen w ∈ E ′ \ K ist dieDimension von E ′ gleich 2 und E ′ nach Lemma 1.9 ein Korper. Dies zeigt E ′ =K(w) = E und daher [E : K] = [E ′ : K] = 2. �

Satz 1.13 Mit den Bezeichnungen aus Satz 1.7 sind aquivalent

(i) z ∈ 〈M〉.

(ii) Es gibt eine endliche Kette K = K0 ⊆ K1 ⊆ . . . ⊆ Km von Unterkorpernvon C mit [Ki : Ki−1] = 2 fur i = 1, . . . ,m und z ∈ Km.

Satz 1.14 Es sei F Zwischenkorper einer Korpererweiterung E : K. Dann giltdie Gradformel

(13) [E : K] = [E : F ][F : K].

Beweis: Aufgabe 1.20. �

Folgerung 1.15 Entsteht E durch sukzessive Adjunktion von Quadratwurzelnaus K, so gilt [E : K] = 2m fur ein m ∈ N0.

Folgerung 1.16 Sei K Unterkorper von C mit K = K. Ist dann z ∈ C konstru-ierbar aus K, so gilt

(14) [K(z) : K] = 2m fur ein m ∈ N0.

Bemerkung 1.17 Fur die Beantwortung der klassischen Konstruktionsproble-me sind daher folgende Zahlen zu bestimmen:

a) [Q(π) : Q] (=∞)

b) [Q( 3√

2) : Q] (= 3)

c) [Q(eit/3) : Q(eit)] (= 3 außer in speziellen Fallen!)

d) [Q(e2πi/n) : Q] (= 2m nur fur n = . . .)

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1 KONSTRUIERBARKEIT MIT ZIRKEL UND LINEAL

Aufgabe 1.18 Es sei k ∈ Z. Zeigen Sie Q(√k) = {a + b

√k | a, b ∈ Q} und

folgern Sie hieraus [Q(√k) : Q] = 2 fur alle k < 0. Fur welche k > 0 gilt dasselbe?

(Hinweis: Verwenden Sie Lemma 1.9.)

Aufgabe 1.19 Zeigen Sie Q( 3√

2) = {a + b 3√

2 + c( 3√

2)2 | a, b, c ∈ Q}. (Hinweis:Zeigen Sie mit Lemma 1.9, daß die Menge auf der rechten Seite ein Korper ist.)

Aufgabe 1.20 Beweisen Sie die Gradformel (13) fur jeden Zwischenkorper Feiner Korpererweiterung E : K. (Hinweis: Kombinieren Sie eine Basis von Fuber K mit einer Basis von E uber F , um eine Basis von E uber K zu erhalten.)

Aufgabe 1.21 Jeder endliche Integritatsbereich ist ein Korper.

Aufgabe 1.22 Es sei E : K eine Korpererweiterung.

a) Fur α1, α2 ∈ E gilt K(α1, α2) = (K(α1))(α2) und im Fall α2 − α1 ∈ K sogarK(α1) = K(α2).

b) Ist ϕ : E → E ein Automorphismus mit ϕ2 = idE und K ein Fixkorper diesesAutomorphismus, d. h. gilt ϕ(K) = K, so ist fur jedes α ∈ E auch K(α, ϕ(α))ein Fixkorper von ϕ.

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2 ALGEBRAISCHE UND TRANSZENDENTEKORPERERWEITERUNGEN

2 Algebraische und transzendente

Korpererweiterungen

Definition 2.1 Es sei E : K eine Korpererweiterung. Ein Element α ∈ E heißtalgebraisch uber K, wenn α Nullstelle eines Polynoms f(x) 6= 0 aus K[x] ist,wenn also f(α) = o gilt. Ist α nicht algebraisch uber K, so nennt man α tran-szendent uber K. Die Korpererweiterung E : K heißt algebraisch, wenn jedesα ∈ E algebraisch uber K ist, andernfalls spricht man von einer transzenden-ten Korpererweiterung. Schließlich heißt E : K endlich, wenn der Grad [E : K]endlich ist.

Bemerkung 2.2 a) Die uber K = Q algebraischen Elemente von E = C nenntman auch (absolut-)algebraische Zahlen, die uberK = Q transzendenten Elementevon E = C auch transzendente Zahlen.

b) Es ist α = 3√

2 eine algebraische Zahl, da α Nullstelle von f(x) = x3 − 2 ausQ[x] ist. Ebenso ist α = i als Nullstelle von x2 + 1 ∈ Q[x] eine algebraische Zahl.

c) Die Menge der algebraischen Zahlen ist abzahlbar, da Q[x] abzahlbar ist undjedes f(x) 6= 0 aus Q[x] nach dem Fundamentalsatz der Algebra nur endlich vieleNullstellen in C hat. Daher gibt es uberabzahlbar viele transzendente Zahlen.Dies wurde erstmals 1873 von Georg Cantor (1845 - 1918) bewiesen.

d) Die ersten transzendenten Zahlen wurden 1844 von Joseph Liouville (1809 -1882) entdeckt, 1873 bewies Charles Hermite (1822 - 1901) die Transzendenz vone.

Satz 2.3 (Ferdinand von Lindemann, 1852 - 1939, 1882) Die Zahl π isttranszendent.

Beweis: Hier ohne! Einen ausfuhrlichen Beweis findet man z. B. in dem BuchG. I. Drinfel’d, Quadratur des Kreises und Transzendenz von π, VEB DeutscherVerlag der Wissenschaften, Berlin 1980.

Satz 2.4 Es sei E : K eine Korpererweiterung. Ist α ∈ E algebraisch uber E,so ist [K(α) : K] endlich.

Beweis; Es gibt also ein (normiertes!) Polynom f(x) = xn + an−1xn−1 + . . . +

a1x + a0 ∈ K[x] mit n ≥ 1 und f(α) = 0. Sei ϕ : K[x] → E der Einsetzungs-homomorphismus gemaß ϕ(x) = α und ϕ(k) = k fur alle k ∈ K. Dann ist

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2 ALGEBRAISCHE UND TRANSZENDENTEKORPERERWEITERUNGEN

R = ϕ(K[x]) = K[α] Unterring von E, also ein Integritatsbereich, und es giltK ⊆ R. Also ist R ein K-Vektorraum. Sei R′ = {c0 + c1α + . . . + cn−1α

n−1 |cν ∈ K}. Aus f(α) = 0 folgt αn = −(an−1α

n−1 + . . .+ a1α+ a0) ∈ R′ und damitα · R′ ⊆ R′. Hieraus ergibt sich αm · R′ ⊆ R′ fur alle m ∈ N und daher R = R′.Also ist R endlich-dimensionaler K-Vektorraum und damit ein Korper. Es folgtK(α) ⊆ R = K[α] ⊆ K(α) und damit ist R = K(α) ein endlich-dimensionalerK-Vektorraum, d. h. [K(α) : K] ist endlich. �

Lemma 2.5 Es sei E : K eine Korpererweiterung und α ∈ E algebraisch uberK. Dann gibt es ein eindeutig bestimmtes normiertes Polynom mα(x) 6= 0 klein-sten Grades aus K[x] mit mα(α) = 0.

Beweis: Aufgabe 2.20.

Definition 2.6 Es sei E : K eine Korpererweiterung und α ∈ E algebraisch uberK. Das eindeutig bestimmte normierte Polynom mα(x) ∈ K[x] \ {0} kleinstenGrades mit mα(α) = 0 heißt das Minimalpolynom von α uber K. Den Grad desMinimalpolynoms nennt man auch den Grad von α uber K, in Zeichen: [α : K].

Satz 2.7 Es sei E : K eine Korpererweiterung und α ∈ E sei algebraisch uberK vom Grad n = [α : K]. Dann ist {1, α, α2, . . . , αn−1} eine Basis von K(α) uberK. Insbesondere gilt [K(α) : K] = [α : K].

Beweis: Es sei also n = [α : K] = grad(mα(x)). Dann gilt K(α) = {c0 +c1α+ . . .+ cn−1α

n−1 | cν ∈ K}. Betrachte eine Linearkombination∑n−1ν=0 cνα

ν = 0mit cν ∈ K und das entsprechende Polynom g(x) =

∑n−1ν=0 cνx

ν . Aus g(x) 6= 0wurde aber g(α) = 0 und grad(g(x)) ≤ n − 1 < n = grad(mα(x)) folgen, imWiderspruch zur Minimalitat von mα(x). Also gilt g(x) = 0 und daher cν = 0 furalle ν. Daher ist {1, α, . . . , αn−1} sogar eine Basis von K(α). �

Bemerkung 2.8 Zur Klarung der Konstruierbarkeit algebraischer Elemente α ∈C sind also die Grade der jeweiligen Minimalpolynome mα(x) ∈ K[x] fur K =Q(M ∪M) zu bestimmen. Ein erster Schritt dazu ist jeweils die Angabe einesnormierten Polynoms fα(x) ∈ K[x] mit fα(α) = 0, denn dann ist α algebraischuber K und mα(x) ist (kleinster normierter) Teiler von fα(x). Fur α = 3

√2 ist

beispielsweise fα(x) = x3 − 2 ∈ Q[x], fur α = eit/3 ist fα(x) = x3 − eit ∈ Q(eit)[x]und fur α = ei2π/n ist fα(x) = xn − 1 = (x − 1)(xn−1 + . . . + x + 1) ∈ Q[x].Zur endgultigen Losung der Konstruktionsprobleme benotigt man daher nochAussagen zur Teilbarkeit in Polynomringen.

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2 ALGEBRAISCHE UND TRANSZENDENTEKORPERERWEITERUNGEN

Beispiel 2.9 Fur α = 3√

2 /∈ Q ist mα(x) = x3 − 2. Hieraus erhalt man [Q( 3√

2) :Q] = [ 3

√2 : Q] = 3.

Satz 2.10 Das Delische Problem ist unlosbar, da 3√

2 nicht in 〈{0, 1}〉 liegt.

Lemma 2.11 Jede endliche Korpererweiterung E : K ist auch algebraisch. Furjedes α ∈ E ist dann [α : K] ein Teiler von [E : K].

Beweis: Es sei [E : K] = n < ∞ und α ∈ E. Dann ist {1, α, . . . , αn} ⊆ Elinear abhangig uber K. Daher existieren a0, . . . , an ∈ K, nicht alle aν = 0, mit∑nν=0 aνα

ν = 0. Dann ist aber α algebraisch uber K. Weiterhin gilt [α : K] =[K(α) : K] und [K(α) : K] ist Teiler von [E : K], da K(α) Zwischenkorper derErweiterung E : K ist. �

Folgerung 2.12 Es sei E : K eine Korpererweiterung und α ∈ E. Genau dannist α algebraisch uber K, wenn K(α) : K endlich ist. In diesem Falle ist K(α) : Kalgebraisch.

Satz 2.13 Es sei M ⊆ C mit 0, 1 ∈ M und K = Q(M ∪M). Dann ist 〈M〉 : Kalgebraisch, also jedes z ∈ 〈M〉 algebraisch uber K.

Beweis: Es ist jedes z ∈ 〈M〉 algebraisch uber K, da die KorpererweiterungK(z) : K als Zweierpotenz stets endlich ist. �

Satz 2.14 Das Problem der Quadratur des Kreises ist unlosbar, da π trans-zendent ist.

Bemerkung 2.15 Die Umkehrung von Lemma 2.11 ist nicht richtig, denn es gibtalgebraische Korpererweiterungen, die nicht endlich sind. So sind zum Beispielfur den Korper E = 〈{0, 1}〉 oder den Korper Qc aller algebraischen Zahlen (vgl.Satz 2.17) die Korpererweiterungen E : Q und Qc : Q algebraisch, aber nichtendlich.

Lemma 2.16 Fur jede Korpererweiterung E : K sind aquivalent:

a) E : K ist endlich.

b) Es gibt endlich viele uber K algebraische Elemente α1, . . . , αn von E mit E =K(α1, . . . , αn).

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2 ALGEBRAISCHE UND TRANSZENDENTEKORPERERWEITERUNGEN

Beweis: a) =⇒ b): Ist E : K endlich, so existiert eine Basis {α1, . . . , αn} von Euber K. Da jedes dieser Elemente in der endlichen Korpererweiterung liegt, istes algebraisch uber K. Außerdem gilt E = Kα1 + . . . Kαn ⊆ K(α1, . . . , αn) ⊆ E,also die Gleichheit.

b) =⇒ a): Beweis durch Induktion nach n, wobei fur n = 0 bereits E = K giltund nichts zu zeigen ist. Fur n ≥ 1 setze K ′ = K(α1, . . . , αn−1), also E = K ′(αn)und αn ist algebraisch uber K ′ ⊇ K. Dann sind die Grade [E : K ′] und [K ′ : K]endlich nach Induktionsvoraussetzung und nach dem Gradsatz ist auch [E : K]endlich. �

Satz 2.17 Es sei E : K eine Korpererweiterung. Dann ist die Teilmenge

Kc = {α ∈ E | α ist algebraisch uber K}(1)

ein Zwischenkorper von E : K. Insbesondere ist Qc ein Unterkorper von C.

Beweis: Zunachst gilt K ⊆ Kc, denn jedes α ∈ K ⊆ E ist Nullstelle vonf(x) = x− α ∈ K[x], also algebraisch uber K.

Seien nun α, β ∈ Kc ⊆ E und K(α, β) ⊆ E. Dann ist K(α, β) : K endlich, alsoK(α, β) algebraisch uber K, da dieser Korper von zwei algebraischen Elementenerzeugt wird. Daher gilt K(α, β) ⊆ Kc. Also liegen α + β, α − β, α · β und α−1

fur α 6= 0 nicht nur in K(α, β) sondern auch in Kc. Folglich ist Kc ein Korper. �

Folgerung 2.18 Es sei E : K eine Korpererweiterung und A ⊆ E. Besteht Anur aus uber K algebraischen Elementen, so ist K(A) : K algebraisch.

Beweis: Da jedes α ∈ A algebraisch uber K ist, gilt A ⊆ Kc. Dann gilt aberauch K(A) ⊆ Kc und daher ist jedes α ∈ K(A) algebraisch uber K. �

Satz 2.19 Es sei K ⊆ L ⊆ E eine Kette von Korpern. Genau dann ist E : Kalgebraisch, wenn E : L und L : K algebraisch sind.

Beweis: =⇒: Ist E : K algebraisch, so ist jedes α ∈ E algebraisch uber K unddaher erst recht uber L ⊇ K. Außerdem ist naturlich auch jedes α ∈ L ⊆ Ealgebraisch uber K.

⇐=: Sei α ∈ E. Dann ist α algebraisch uber L, also existiert das Minimalpolynommα(x) ∈ L[x]. Seien a0, . . . , an−1, 1 seine Koeffizienten. Dann ist α algebraisch

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2 ALGEBRAISCHE UND TRANSZENDENTEKORPERERWEITERUNGEN

uber F = K(a0, . . . , an−1). Weil alle aν ∈ L algebraisch uber K sind, ist dieKorpererweiterung F : K endlich. Außerdem ist die Korpererweiterung F (α) : Fendlich. Nach dem Gradsatz ist die Korpererweiterung F (α) : K endlich unddaher α algebraisch uber K. �

Aufgabe 2.20 Es sei E : K eine Korpererweiterung und α ∈ E algebraisch uberK. Weiterhin sei f(x) 6= 0 aus K[x] ein beliebiges Polynom mit f(α) = 0. Ist dannm(x) 6= 0 ein derartiges Polynom kleinsten Grades, so gilt f(x) = q(x) ·m(x) miteinem Polynom q(x) ∈ K[x], d. h. m(x) teilt jedes solche f(x).

Unter allen diesen Polynomen m(x) gibt es genau ein normiertes Polynom mα(x),d. h. dessen hochster Koeffizient gleich 1 ist.

Aufgabe 2.21 Zeigen Sie, daß α = 3√

2 nicht Nullstelle eines Polynoms f(x) ∈Q[x] mit grad(f(x)) ≤ 2 ist und daher mα(x) = x3 − 2 tatsachlich das Minimal-polynom von α. Dabei darf vorausgesetzt werden, daß 3

√2 /∈ Q gilt. (Dies zeigt

man ahnlich wie fur√

2.)

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3 ELEMENTARE RINGTHEORIE

3 Elementare Ringtheorie

Definition 3.1 Ein Ring ist eine universelle Algebra (R,+,−, o, ·) vom Typ(2, 1, 0, 2), in der folgende Axiome gelten:

(R,+,−, o) ist eine abelsche Gruppe.(2)

(R, ·) ist eine Halbgruppe.(3)

Die Multiplikation · ist distributiv gegenuber der Addition + .(4)

Ist auch (R, ·) kommutativ (bzw. ein Monoid (R, ·, e)), so heißt (R,+,−, o, ·) einkommutativer Ring bzw. ein Ring mit Einselement (R,+,−, o, ·, e) .

Satz 3.2 Zu jedem Ring (R,+,−, o, ·) existiert ein Oberring (R′,+,−, o, ·), derein Einselement besitzt.

Beweis: Definiere auf dem direkten Produkt (R′′,+) = (Z,+) × (R,+) eineMultiplikation gemaß

(n, r) · (m, s) = (nm, ns+mr + rs)

und rechne die Assoziativitat dieser Multiplikation und die Distributivgesetzenach. Damit ist (R′′,+, ·) ein Ring. Wegen (1, o) · (n, r) = (1n, 1r + no + 0r) =(n, r) = (n, r) · (1, o) ist (1, o) Einselement dieses Ringes. Die Abbildung ϕ :(R,+, ·) → (R′′,+, ·) gemaß ϕ(r) = (0, r) ist ein injektiver Homomorphismus,also (R,+, ·) isomorph zu dem Unterring U = {(0, r) | r ∈ R} von R′′, undR′ = (R′′ \ U) ∪R ist dann der behauptete Oberring von R. �

Definition 3.3 Elemente a 6= o 6= b eines Ringes (R,+,−, o, ·) heißen Nulltei-ler (genauer: a heißt linker und b rechter Nullteiler), wenn a · b = o gilt. Einenkommutativen Ring mit Einselement e 6= o ohne Nullteiler nennt man Integritats-bereich. Ein (kommutativer) Ring (R,+,−, o, ·), fur den (R \ {o}, ·) eine Gruppeist heißt (Korper) Schiefkorper.

Lemma 3.4 Jeder Korper ist ein Integritatsbereich, jeder endliche Integritats-bereich ist ein Korper.

Lemma 3.5 Jeder Korper E besitzt einen kleinsten Unterkorper K, den Prim-korper von E. Fur char(E) = 0 ist K isomorph zu Q, fur endliche Charakteristikchar(E) = n ist n eine Primzahl und K ist isomorph zum Restklassenring Z/(n).In jedem Fall gilt char(E) =char(K), woraus diese Beziehung fur jede Korperer-weiterung E : K folgt.

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3 ELEMENTARE RINGTHEORIE

Beispiel 3.6 Im Restklassenring Z/(n) sind genau die Elemente x 6= 0 Nullteiler,fur die ggT(x, n) 6= 1 gilt. Also ist Z/(n) genau dann ein Integritatsbereich unddamit ein Korper, wenn n eine Primzahl ist. Es gibt aber weitere endliche Korper,z. B. auf E = {0, 1, α, α + 1} uber dem Primkorper K = Z/(2) = {0, 1} mitfolgenden Strukturtafeln:

+ 0 1 α α + 10 0 1 α α + 11 1 0 α + 1 αα α α + 1 0 1

α + 1 α + 1 α 1 0

· 0 1 α α + 10 0 0 0 01 0 1 α α + 1α 0 α α + 1 1

α + 1 0 α + 1 1 α

Satz 3.7 (Wedderburn) Jeder endliche Schiefkorper ist ein Korper.

Satz 3.8 (Homomorphiesatz) Ist ϕ : R → R′ ein surjektiver Ringhomomor-phismus, dann gibt es eine Kongruenzrelation κ auf (R,+,−, o, ·), so daß R′ zumFaktorring R/κ isomorph ist. Dabei gilt xκy ⇐⇒ ϕ(x) = ϕ(y) ⇐⇒ ϕ(x − y) =o⇐⇒ x− y ∈ Kern(ϕ) = {a ∈ R | ϕ(a) = o} fur alle x, y ∈ R.

Definition 3.9 Eine nichtleere Teilmenge I eines Ringes (R,+,−, o, ·) heißt einIdeal von R, wenn gelten

a, b ∈ I =⇒ a− b ∈ I, d. h. (I,+) ist Untergruppe von (R,+),(5)

a ∈ I, x ∈ R =⇒ ax, xa ∈ I.(6)

Lemma 3.10 Fur jedes Ideal I eines Ringes (R,+,−, o, ·) wird durch

x ≡ ymod I ⇐⇒ x− y ∈ I(7)

fur alle x, y ∈ R eine Kongruenzrelation ≡ mod I auf (R,+,−, o, ·) definiert.Umgekehrt bestimmt jede Kongruenz κ von (R,+,−, o, ·) ein Ideal I = [o]κ. Hier-bei gilt fur alle x, y ∈ R

xκ y ⇐⇒ x ≡ ymod I.(8)

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3 ELEMENTARE RINGTHEORIE

Bemerkung 3.11 a) Die Ideale eines Ringes (R,+,−, o, ·) bilden ebenso wieseine Kongruenzen einen vollstandigen Verband. Zu jeder Teilmenge A von Rexistiert daher (A) =

⋂{I | I Ideal von R mit A ⊆ I}, das von A in R erzeugteIdeal. Speziell fur A = {a} schreibt man (a) fur dieses Ideal und nennt (a) einHauptideal von R.

b) Jeder Ring (R,+,−, o, ·) besitzt die trivialen Ideale R und {o} = (o). EinRing ist folglich genau dann einfach, wenn er nur diese trivialen Ideale besitzt.Insbesondere besitzt jeder Schiefkorper nur die trivialen Ideale.

c) Ist I Ideal eines Ringes R und κ die Kongruenzrelation ≡ mod I, dann schreibtman auch R/I fur den Faktorring R/κ. Die Elemente von R/I sind also dieKongruenzklassen von R modulo I und lassen sich in der Form a + I fur a ∈ Rschreiben. Dabei gilt a+ I = b+ I ⇐⇒ a− b ∈ I.

d) Ist ϕ : R → R′ ein Ringhomomorphismus, dann ist I = Kern(ϕ) = {a ∈ R |ϕ(a) = o} ein Ideal von (R,+,−, o, ·) und R/I ist isomorph zum homomorphenBild ϕ(R).

Lemma 3.12 Fur Elemente a eines kommutativen Ringes (R,+,−, o, ·, e) mitEinselement gilt (a) = Ra = {ra | r ∈ R}.

Beweis: Wegen a = ea ∈ Ra ist Ra 6= ∅ und enthalt a. Mit ra, sa ∈ Ra liegtauch ra− sa = (r− s)a in Ra und daher ist (Ra,+) eine Gruppe. Fur alle x ∈ Rgilt auch (ra)x = x(ra) = (xr)a ∈ Ra, also ist Ra ein Ideal von R, das a enthalt.Daher gilt (a) ⊆ Ra fur das kleinste Ideal mit dieser Eigenschaft. Andererseitsenthalt (a) als Ideal mit a auch ra fur jedes r ∈ R, also gilt Ra ⊆ (a). Dies zeigtdie behauptete Gleichheit. �

Definition 3.13 Ein Ideal I eines Ringes (R,+,−, o, ·) heißt maximal, wennI 6= R gilt und es kein Ideal J ⊃ I von (R,+,−, o, ·) mit J 6= R gibt.

Definition 3.14 Ein Ideal I 6= R eines kommutativen Ringes (R,+,−, o, ·) heißtPrimideal, wenn fur alle a, b ∈ R aus a · b ∈ I stets a ∈ I oder b ∈ I folgt.

Satz 3.15 Es sei (R,+,−, o, ·, e) ein kommutativer Ring mit Einselement undI 6= R ein Ideal von R. Genau dann ist R/I ein Korper (Integritatsbereich), wennI ein maximales Ideal (Primideal) ist.

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3 ELEMENTARE RINGTHEORIE

Beweis: Betrachte zunachst den Korperfall: Sei dazu R/I ein Korper und J einIdeal von R mit I ⊂ J ⊂ R. Fur den naturlichen Epimorphismus ϕ : R → R/Iist ϕ(J) ein Ideal von R/I mit [0] = I ⊂ ϕ(J) ⊂ R/I. Dies ist ein Widerspruchzu der Tatsache, daß der Korper R/I nur die trivialen Ideale hat. Also ist dasIdeal I maximal.

Sei umgekehrt I ein maximales Ideal. Wegen I ⊂ R gilt |R/I| ≥ 2. Sei [a] =a + I ∈ R/I mit a + I 6= I = [0]. Definiere J = {ra + b | r ∈ R, b ∈ I}. Dannist J Ideal von R mit I ⊆ J und a ∈ J , also I ⊂ J . Wegen der Maximalitatvon I folgt J = R. Es folgt e ∈ J und daher e = ca + b mit c ∈ R und b ∈ Ifur das Einselement e von R. Dies zeigt e + I = ca + I = (c + I)(a + I) in R/I,also c + I = (a + I)−1 in R/I. Daher ist (R/I \ {I}, ·) eine Gruppe und damit(R/I,+, ·) ein Korper.

Betrachte nun den Fall des Integritatsbereiches: Es ist R/I genau dann ein Inte-gritatsbereich, wenn aus ab+I = (a+I)(b+I) = I bereits a+I = I oder b+I = Ifolgt. Nun ist aber ab + I = I gleichwertig zu ab ∈ I, a + I = I gleichwertig zua ∈ I und b + I = I gleichwertig zu b ∈ I, da (I,+) eine abelsche Gruppe ist.Also ist R/I genau dann ein Integritatsbereich, wenn aus ab ∈ I stets a ∈ I oderb ∈ I folgt. Dies ist aber genau die Eigenschaft eines Primideals. �

Folgerung 3.16 a) Ein kommutativer Ring mit Einselement ist genau dann einKorper, wenn er nur die trivialen Ideale besitzt.

b) In einem kommutativen Ring mit Einselement ist jedes maximale Ideal auchein Primideal.

Beweis: a) Jeder (Schief-)Korper K besitzt nur die beiden trivialen Ideale K und{0}. Existieren umgekehrt in einem kommutativen Korper K nur diese beidenIdeale, dann ist {0} maximales Ideal und daher K ∼= K/{0} ein Korper.

b) Fur jedes maximale Ideal I ist R/I ein Korper und damit ein Integritatsbe-reich. Hieraus folgt dann aber, daß I ein Primideal ist. �

Satz 3.17 Ist (R,+,−, o, ·, e) ein kommutativer Ring mit Einselement, dann gibtes einen Obering Q = Q(R) von R mit Einselement, der Q(R) = {p · q−1 | p ∈R, q ∈ N} mit N = {q ∈ R | q 6= o ist kein Nullteiler von R} erfullt.

Bemerkung 3.18 Der Oberring Q(R) von R ist bis auf Isomorphie eindeutigbestimmt. Man nennt ihn auch den (vollen) Quotientenring von R. Offensicht-lich ist dieser genau dann ein Korper, der Quotientenkorper von R, wenn R einIntegritatsbereich ist.

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3 ELEMENTARE RINGTHEORIE

Beispiel 3.19 Bekanntlich ist der Polynomring K[x] fur jeden Korper K einIntegritatsbereich. Folglich existiert der Quotientenkorper Q(K[x]) und es gilt

Q(K[x]) = {f(x)g(x)| f(x), g(x) ∈ K[x], g(x) 6= 0} = K(x). Dieser Korper heißt ra-

tionaler Funktionenkorper in einer Unbestimmten uber K. Fur K = Z/(p) erhaltman so unendliche Korper der Charakteristik p.

Definition 3.20 Ein Polynom f(x) ∈ K[x] mit Grad(f(x)) ≥ 1 heißt irreduzibeloder ein Primpolynom, wenn fur jede Zerlegung f(x) = g(x)h(x) mit g(x), h(x) ∈K[x] bereits g(x) ∈ K oder h(x) ∈ K folgt.

Lemma 3.21 Ist f(x) ∈ K[x] irreduzibel, so folgt aus f(x)|g(x)h(x) in K[x]bereits f(x)|g(x) oder f(x)|h(x).

Beweis: Dies ergibt sich mit Definition 5.11 und Folgerung 5.14, da K[x] nachSatz 5.10 ein Hauptidealring ist. �

Satz 3.22 Es sei (f(x)) das von f(x) ∈ K[x] erzeugte Hauptideal. Der Fak-torring K[x]/(f(x)) ist genau dann ein Korper, wenn f(x) irreduzibel in K[x]ist.

Beweis: Sei zunachst f(x) ∈ K[x] beliebig mit grad(f(x)) = n ≥ 1. Fur denkanonischen Homomorphismus ϕ : K[x]→ K[x]/(f(x)) = K gilt

ϕ(g(x)) = [g(x)] = [0]⇐⇒ g(x) ∈ (f(x))⇐⇒ f(x) | g(x) in K[x].

Daher ist ϕ|K : K → K injektiv, denn a ∈ ker(ϕ|K) ⇐⇒ f(x) | a implizierta = 0 wegen grad(f(x)) ≥ 1. Also kann K als Unterkorper von K aufgefaßtwerden.

Fur alle g(x) ∈ K[x] gilt [g(x)] = g([x]) in K[x] ⊃ K[x]. Fur α = [x] ∈ K giltdaher g(α) = 0 ⇐⇒ f(x) | g(x) in K[x], speziell also f(α) = 0. Weiterhin giltK = {g(α) | g(x) ∈ K[x]} und dieser K-Vektorraum hat ein Erzeugendensystem{1, α, . . . , αn−1}, denn fur jedes g(x) ∈ K[x] liefert die Division mit Rest g(x) =q(x)f(x) + r(x) und daher g(α) = r(α) mit grad(r(x)) ≤ n − 1. Also ist Kendlich-dimensional uber K.

Bemerkung 3.23 Zur Konstruktion von Korpererweiterungen uber einem Kor-per K ist es also nutzlich, irreduzible Polynome aus K[x] zu kennen.

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3 ELEMENTARE RINGTHEORIE

Satz 3.24 (Kronecker) Jedes nicht-konstante Polynom mit Koeffizienten auseinem Korper K besitzt in einem geeigneten Erweiterungskorper von K eine Null-stelle.

Beweis: Sei f(x) ∈ K[x] nicht-konstant, also grad(f(x)) = n ≥ 1. Dann besitztf(x) einen nicht-konstanten Teiler g(x) | f(x) mit kleinstem Grad grad(g(x)) =m ≥ 1. Daher ist g(x) irreduzibel und jede Nullstelle von g(x) ist auch Nullstellevon f(x). Es reicht daher, die Behauptung fur irreduzible Polynome zu zeigen.

Sei also f(x) auch noch irreduzibel. Dann ist K = K[x]/(f(x)) ein Erweite-rungskorper von K und α = [x] ∈ K ist Nullstelle von f(x). �

Aufgabe 3.25 Beweisen Sie Lemma 3.5.

Aufgabe 3.26 Beweisen Sie Lemma 3.10.

Aufgabe 3.27 Beweisen Sie Lemma 3.12.

Aufgabe 3.28 Es sei ϕ : R → R′ ein surjektiver Ringhomomorphismus. ZeigenSie, daß fur jedes Ideal I von R das homomorphe Bild ϕ(I) ein Ideal von R′ ist.Umgekehrt ist das vollstandige Original ϕ−1(I ′) ein Ideal von R fur jedes IdealI ′ von R′.

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4 EINFACHE KORPERERWEITERUNGEN

4 Einfache Korpererweiterungen

Definition 4.1 Eine Korpererweiterung E : K heißt einfach, wenn es ein α ∈ Emit E = K(α) gibt. Jedes solche α ∈ E nennt man ein primitives Element vonE : K.

Beispiel 4.2 Fur E = Q(√

2,√

3) ist etwa α =√

2 +√

3 ∈ E ein solches primi-tives Element.

Satz 4.3 Fur eine Korpererweiterung E : K und α ∈ E sind aquivalent:

a) α ist algebraisch uber K.

b) K(α) = K[α].

c) K[α] ist ein Korper.

Satz 4.4 Fur eine Korpererweiterung E : K und α ∈ E sind aquivalent:

a) α genugt keiner algebraischen Relation, d. h. aus f(α) = o fur f(x) ∈ K[x]folgt f(x) = 0.

b) α ist transzendent uber K.

c) K[α] ∼= K[x] als K-Algebren.

d) K[α] ist kein Korper.

Satz 4.5 Es sei K(α) : K eine einfache algebraische Korpererweiterung mit demprimitiven Element α und f(x) = mϕα(x) das Minimalpolynom von α. Dannvermittelt der Einsetzungshomomorphismus K[x] → K[α] = K(α) einen Iso-morphismus von K-Algebren K[x]/(f(x)) → K(α). Insbesondere gilt fur alleg(x) ∈ K[x]

g(α) = o⇐⇒ f(x)|g(x).(9)

Lemma 4.6 Es sei E : K eine Korpererweiterung und α ∈ E sei algebraischuber K. Dann ist das Minimalpolynom f(x) = mϕα(x) ∈ K[x] von α irreduzibel.Ist umgekehrt g(x) ein normiertes irreduzibles Polynom aus K[x] mit g(α) = o,so gilt g(x) = mϕα(x).

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4 EINFACHE KORPERERWEITERUNGEN

Satz 4.7 Es sei K(α) : K eine einfache Korpererweiterung mit dem uber K tran-szendenten Element α. Dann vermittelt der Einsetzungshomomorphismus K[x]→K[α] einen Isomorphismus von K-Algebren K(x) → K(α). Hat man umgekehrtK(x) ∼= K(α), so ist α transzendent uber K.

Lemma 4.8 Es sei K(α) : K eine einfache algebraische Korpererweiterung.Weiterhin sei L ein Zwischenkorper und g(x) = xm+βm−1x

m−1+ · · ·+β1x+β0 ∈L[x] das Minimalpolynom von α uber L. Dann gilt L = K(β0, . . . , βm−1).

Ohne Beweis sei noch angemerkt:

Satz 4.9 Eine algebraische Korpererweiterung E : K ist genau dann einfach,wenn sie nur endlich viele Zwischenkorper besitzt.

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5 TEILBARKEITSLEHRE

5 Teilbarkeitslehre

In diesem Abschnitt bezeichne R stets einen kommutativen Ring mit Einselemente 6= o.

Definition 5.1 Gilt b = ca fur Elemente a, b, c ∈ R, so sagt man a teilt b oder aist ein Teiler von b, in Zeichen: a | b. Gilt a | b und b | a, so heißen a und b assoziertzueinander, in Zeichen: a ∼ b. Unter einer Einheit ε von R versteht man ein in(R, ·, e) invertierbares Element. Man bezeichnet die Menge aller Einheiten von Rauch mit R∗. Ein Teiler a von b heißt echter Teiler von b, wenn a weder Einheitvon R noch zu b assoziiert ist.

Lemma 5.2 a) Fur Elemente a, b, c, d ∈ R gelten:

a | b ⇐⇒ (b) ⊆ (a),(10)

a | a,(11)

a | b und b | c =⇒ a | c,(12)

e | a und a | o,(13)

a | b und c | d =⇒ ac | bd,(14)

a | b und a | c =⇒ a | b+ c,(15)

ε | e ⇐⇒ ε ist Einheit,(16)

a ∼ b⇐⇒ (a) = (b).(17)

Die Assoziiertheit ∼ ist also eine Aquivalenzrelation auf R.

b) Ist R sogar ein Integritatsbereich, so gilt außerdem fur alle c 6= o

ac | bc =⇒ a | b,(18)

und a ∼ b gilt genau dann, wenn es ein ε ∈ R∗ mit b = εa gibt.

Beispiel 5.3 a) Fur jeden Korper K ist K∗ = K \ {o}.

b) Fur den Ring R = Z+Zi ⊆ C der ganzen Gaußschen Zahlen ist R∗ = {±1,±i}.

c) Ist R ein Integritatsbereich, so gilt (R[x])∗ = R∗.

d) Fur R = Z + Z√

2 gilt R∗ = {±(1 +√

2)n|n ∈ Z}. (Dies ist nicht ganz einfachzu zeigen!)

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5 TEILBARKEITSLEHRE

Definition 5.4 Es sei A eine nichtleere Teilmenge von R. Ein Element d ∈ Rheißt ein großter gemeinsamer Teiler (der Elemente) von A, wenn folgende zweiBedingungen erfullt sind:

(i) d ist gemeinsamer Teiler (der Elemente) von A, d. h. d | a fur alle a ∈ A,

(ii) fur jeden gemeinsamen Teiler t von A gilt t | d.

Man schreibt dafur auch d = ggT(A) und nennt A teilerfremd, wenn e = ggT (A)gilt. Analog wird das kleinste gemeinsame Vielfache k = kgV (A) von A definiert.

Lemma 5.5 Es sei d ∈ R ein großter gemeinsamer Teiler von A. Genau dannist auch d′ ∈ R ein großter gemeinsamer Teiler von A, wenn d ∼ d′ gilt. Ent-sprechendes gilt fur kleinste gemeinsame Vielfache von A.

Lemma 5.6 Fur endlich viele Ideale I1, . . . , In von R ist auch I1 + · · · + In ={a1+· · ·+an | aν ∈ Iν} ein Ideal von R und zwar das kleinste Ideal von R, welchesjedes Iν enthalt.

Bemerkung 5.7 Bei Hauptidealen Iν = (aν) schreibt man kurz (a1, . . . , an) =(a1) + · · ·+ (an).

Definition 5.8 Ein Integritatsbereich R heißt Hauptidealring, wenn jedes Idealvon R ein Hauptideal ist.

Lemma 5.9 In einem Hauptidealring R existiert zu endlich vielen Elementena1, . . . , an von R stets ein großter gemeinsamer Teiler. Ist d ein solcher großtergemeinsamer Teiler, so gibt es x1, . . . , xn ∈ R mit

d = x1a1 + · · ·+ xnan.(19)

Satz 5.10 Jeder euklidische Ring ist ein Hauptidealring, also speziell der Ringder ganzen Zahlen Z und jeder Polynomring K[x] uber einem Korper K.

Definition 5.11 Ein Element p 6= o von R, das keine Einheit von R ist, heißtirreduzibel oder unzerlegbar, wenn

p = ab =⇒ a ∈ R∗ oder b ∈ R∗(20)

gilt. Dagegen nennt man p prim oder ein Primelement von R, wenn gilt

p | ab =⇒ p | a oder p | b.(21)

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5 TEILBARKEITSLEHRE

Bemerkung 5.12 In einem Integritatsbereich R ist p 6= o also genau dann ir-reduzibel, wenn p keine Einheit ist und keine echten Teiler besitzt. Insbesonde-re ist also jedes prime Element auch irreduzibel. Die Umkehrung hiervon giltnicht, denn in dem Integritatsbereich R = Z + Z

√−5 ⊆ C gilt 2 · 3 = 6 =

(1 +√−5) · (1−

√−5), aber das auch in R irreduzible Element 2 ist weder Teiler

von 1 +√−5 noch von 1−

√−5.

Folgerung 5.13 Genau dann ist p 6= o aus R prim, wenn das Hauptideal (p) einPrimideal ist.

Folgerung 5.14 Ist p ein irreduzibles Element eines Hauptidealringes R, so istR/(p) ein Korper. Insbesondere ist p also prim.

Folgerung 5.15 Der Polynomring R[x] ist genau dann ein Hauptidealring, wennR ein Korper ist.

Definition 5.16 Ein Element a ∈ R besitzt eine Zerlegung in irreduzible Fakto-ren, wenn a eine Darstellung der Form

a = εp1 · · · pn mit ε ∈ R∗ und irreduziblen pν(22)

besitzt. Man sagt a besitzt eine eindeutige Zerlegung in irreduzible Faktoren, wenna eine Zerlegung gemaß (22) besitzt und fur jede andere derartige Zerlegung

a = ε′p′1 · · · p′m(23)

bereits n = m und nach geeigneter Umnumerierung pν ∼ p′ν fur ν = 1, . . . , n gilt.Ein Integritatsbereich, in dem jedes a 6= o eine eindeutige Zerlegung in irreduzibleFaktoren besitzt, heißt faktoriell oder ZPE-Ring oder Gaußscher Ring.

Lemma 5.17 Es sei R ein Integritatsbereich, in dem jedes a 6= o eine Zerlegungin irreduzible Faktoren besitzt. Dann sind aquivalent:

a) R ist faktoriell.

b) Jedes irreduzible Element von R ist prim.

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5 TEILBARKEITSLEHRE

Definition 5.18 Der Ring R erfullt die Teilerkettenbedingung oder aufsteigendeKettenbedingung fur Hauptideale, wenn jede Kette (a1) ⊆ (a2) ⊆ . . . ⊆ (an) ⊆(an+1) ⊆ . . . von Hauptidealen stationar ist, d. h. es gibt ein n ∈ N mit (aj) = (an)fur alle j ≥ n.

Satz 5.19 Ein Integritatsbereich R ist genau dann faktoriell, wenn er die Tei-lerkettenbedingung erfullt und jedes irreduzible Element von R prim ist.

Folgerung 5.20 Jeder Hauptidealring ist faktoriell.

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6 FAKTORIELLE RINGE

6 Faktorielle Ringe

In diesem Abschnitt bezeichne R stets einen Integritatsbereich.

Lemma 6.1 Fur a ∈ R sei R/(a) = R der Faktorring von R nach dem Haupt-ideal (a). Dann laßt sich der naturliche Homomorphismus R → R zu einemHomomorphismus der Polynomringe ϕ : R[x] → R[x] fortsetzen. Hieraus ergibtsich die Isomorphie der Ringe R[x]/(a) und (R/(a))[x]. Dabei ist a genau dannprim in R, wenn a prim in R[x] ist.

Lemma 6.2 Mit R[x] ist auch R faktoriell.

Satz 6.3 (Gauß) Mit R ist auch R[x] faktoriell.

Definition 6.4 Es sei R ein faktorieller Ring. Unter einem Vertretersystem P furdie Klassen assozierter Primelemente versteht man eine Menge P von Primele-menten von R, so daß jedes Primelement von R zu genau einem Primelement vonP assoziiert ist. (Ein solches System muß nach dem Auswahlaxiom existieren!)

Lemma 6.5 Es sei R ein faktorieller Ring und P ein Vertretersystem fur dieKlassen assoziierter Elemente von R. Dann besitzt jedes a 6= o aus R eine ein-deutige Darstellung der Form

a = ε∏p∈P

pep(24)

mit ε ∈ R∗ und ganzen Zahlen ep ≥ 0 mit ep = 0 fur fast alle p ∈ P .

Bemerkung 6.6 In manchen faktoriellen Ringen R gibt es “naturliche” Vertre-tersysteme, etwa in R = Z die Menge der naturlichen Primzahlen und in R = K[x]die Menge der normierten Primpolynome.

Definition 6.7 Es sei R ein faktorieller Ring und K = Q(R) sein Quotien-tenkorper. Weiterhin sei p ∈ R ein Primelement von R. Fur jedes a 6= o aus Rsei dann wp(a) ∈ N0 der hochste Exponent, “mit dem p in a aufgeht”, also

a = pwp(a)a′ mit p 6 | a′.(25)

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6 FAKTORIELLE RINGE

Setzt man noch wp(o) = ∞, dann hat man eine Abbildung wp : R → Z ∪ {∞}.Diese laßt sich durch

wp(a

b) = wp(a)− wp(b) fur alle

a

b∈ K(26)

zu einer (wohldefinierten!) Abbildung wp : K → Z ∪ {∞} fortsetzen. Man nenntsie die zu p gehorende Exponentenbewertung von K.

Lemma 6.8 Es sei R ein faktorieller Ring, K = Q(R) sein Quotientenkorperund P ein Vertretersystem fur die Klassen assoziierter Primelemente von R.

a) Fur jedes Primelement p ∈ P erfullt die Exponentenbewertung wp die Bedin-gungen

wp(ab) = wp(a) + wp(b)(27)

wp(a+ b) ≥ min(wp(a), wp(b))(28)

fur alle a, b ∈ K.

b) Jedes Element a 6= o aus K besitzt die Darstellung

a = ε∏p∈P

pwp(a) mit ε ∈ R∗,(29)

wobei wp(a) = 0 fur fast alle p ∈ P gilt.

c) Ein Element a ∈ K liegt genau dann in R, wenn wp(a) ≥ 0 fur alle p ∈ P gilt.

d) Fur a, b ∈ R ist a | b gleichwertig mit wp(a) ≤ wp(b) fur alle p ∈ P .

e) Zu beliebigen Elementen a1, . . . , an ∈ R existieren d = ggT(a1, . . . , an) und k =kgV(a1, . . . , an) gemaß

d =∏p∈P

pmin(wp(a1),...,wp(an)) und k =∏p∈P

pmax(wp(a1),...,wp(an)),(30)

wobei gegebenenfalls p∞ = o zu interpretieren ist.

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6 FAKTORIELLE RINGE

Lemma 6.9 Es sei R ein faktorieller Ring, K = Q(R) sein Quotientenkorperund p ein Primelement von R. Die zugehorige Exponentenbewertung wp : K →Z ∪ {∞} werde durch

wp(anxn + · · ·+ a1x+ a0) = min(wp(an), . . . , wp(a0))(31)

zu einer Abbildung wp : K[x]→ Z ∪ {∞} fortgesetzt. Dann gilt

wp(g(x)h(x)) = wp(g(x)) + wp(h(x))(32)

fur alle g(x), h(x) ∈ K[x].

Definition 6.10 Es sei f(x) ∈ R[x] mit Grad(f(x)) ≥ 1. Der großte gemeinsameTeiler der Koeffizienten von f(x) heißt Inhalt von f(x), in Zeichen: Inh(f(x)), undman nennt f(x) primitiv, wenn e = Inh(f(x)) ist.

Nun kann man eine etwas genauere Version von Satz 6.3 beweisen:

Satz 6.11 Es sei R ein faktorieller Ring mit dem Quotientenkorper K = Q(R).Ist P1 ein Vertretersystem fur die Klassen assoziierter Primelemente von R undP2 ein Vertretersystem fur die Klassen assoziierter Primelemente von K[x], dasaus primitiven Polynomen aus R[x] besteht, dann ist R[x] faktoriell und P1 ∪ P2

ist ein Vertretersystem fur die Klassen assoziierter Primelemente von R[x].

Lemma 6.12 Es sei R faktoriell mit dem Quotientenkorper K = Q(R) und furg(x) ∈ R[x] gelte Grad(g(x)) ≥ 1. Ist dann g(x) irreduzibel in R[x], so auch inK[x].

Lemma 6.13 (Lemma von Gauß) Es sei R faktoriell mit dem Quotientenkor-per K = Q(R) und f(x) ∈ R[x]. Gilt dann f(x) = g(x)h(x) fur normiertePolynome g(x), h(x) ∈ K[x], so liegen g(x) und h(x) bereits in R[x].

Lemma 6.14 Es sei R faktoriell mit dem Quotientenkorper K = Q(R) undf(x) ∈ R[x] sei normiert. Ist dann α ∈ K Nullstelle von f(x), so liegt α bereitsin R und teilt das Absolutglied von f(x).

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6 FAKTORIELLE RINGE

Satz 6.15 Es seien R und R Integritatsbereiche und ϕ : R → R ein Homomor-phismus, der in naturlicher Weise zu einem Homomorphismus

f(x) =n∑ν=0

aνxν 7→ ϕ(f(x)) = f(x) =

n∑ν=0

aνxν

der Polynomringe fortgesetzt werde. Weiterhin sei f(x) =∑nν=0 aνx

ν ∈ R[x] einprimitives Polynom mit an 6= o. Ist dann f(x) irreduzibel in R[x], so ist f(x)irreduzibel in R[x].

Satz 6.16 (Irreduzibilitatskriterium von Eisenstein) Es sei f(x) = axn +an−1x

n−1 + · · ·+ a1x+ a0 ∈ R[x] ein primitives Polynom und p ∈ R prim mit

(i) p 6 | a, (ii) p | aν fur 0 ≤ ν ≤ n− 1 und (iii) p2 6 | a0,

so ist f(x) irreduzibel in R[x]. Im Falle eines faktoriellen Ringes R ist f(x) dannauch irreduzibel in Q(R)[x].

Beispiel 6.17 Ist a ∈ Z \ {−1, 0, 1} quadratfrei, so ist f(x) = xn − a fur allen ∈ N irreduzibel in Z[x] und Q[x].

Satz 6.18 Fur alle ϕ mit 0 ≤ ϕ < 2π, fur die eiϕ transzendent ist, ist dieDreiteilung des Winkels ϕ mit Zirkel und Lineal nicht moglich.

Bemerkung 6.19 a) Die Bedingung “eiϕ ist transzendent” ist fur uberabzahlbarviele ϕ erfullt. Die Abbildung ϕ 7→ eiϕ ist namlich eine Bijektion von [0, 2π) aufden Einheitskreis in C und dort liegen nur abzahlbar viele algebraische Elemente.

b) Auch wenn eiϕ algebraisch ist, ist die Dreiteilung von ϕ mit Zirkel und Linealnicht immer moglich, etwa fur ϕ = 2πi/3. Denn hierfur lauft die Dreiteilungdes Winkels auf die Konstruktion des regelmaßigen 9-Ecks hinaus, was nach denfolgenden Uberlegungen unmoglich ist.

c) Viele Beispiele fur “eiϕ ist transzendent” liefert der beruhmte Satz vonHermite-Lindemann: Fur algebraisches z 6= 0 aus C ist ez stets transzendent.Wegen eiπ = −1 folgt daraus insbesondere die Transzendenz von π.

Folgerung 6.20 Ist p ∈ N eine Primzahl, dann ist das Polynom Fp(x) = xp−1 +xp−2 + · · ·+ x+ 1 irreduzibel in Q[x].

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6 FAKTORIELLE RINGE

Satz 6.21 Es sei n = p eine Primzahl. Dann ist die Konstruktion des regelmaßi-gen n-Ecks mit Zirkel und Lineal nicht moglich, wenn p− 1 keine Potenz von 2ist.

Bemerkung 6.22 Also ist das regelmaßige 7-Eck (11-Eck, 13-Eck, 14-Eck, 19-Eck,. . . ) nicht mit Zirkel und Lineal konstruierbar. Eine Konstruktion des re-gelmaßigen 17-Ecks gab der 18jahrige Gauß an. Daß auch die Konstruktion desregelmaßigen 9-Ecks unmoglich ist, ergibt sich aus der folgenden Verallgemeine-rung von Folgerung 6.20.

Folgerung 6.23 Ist p ∈ N eine Primzahl und n = pk fur ein k ∈ N, dann istFpk(x) = x(p−1)p

k−1+ · · · + x2p

k−1+ xp

k−1+ 1 = Fp(x

pk−1) das Minimalpolynom

von α = e2πi/n uber Q. Insbesondere gilt [Q(α) : Q] = pk−1(p− 1).

Bemerkung 6.24 Das regelmaßige n-Eck ist genau dann mit Zirkel und Linealkonstruierbar, wenn

n = 2mp1 · · · p`, m, ` ∈ N0(33)

gilt mit verschiedenen Fermatschen Primzahlen pi. Dabei heißt eine Primzahl pFermatsche Primzahl, wenn sie von der Gestalt p = 22k + 1 fur ein k ∈ N0 ist.Fermat hatte angenommen, daß alle Zahlen p dieser Form Primzahlen sind. Diesist richtig fur k = 0, 1, 2, 3, 4 und liefert die Primzahlen 3, 5, 17, 257 und 65537.Fur k = 5, . . . , 16 und viele großere Werte von k liefert diese Formel jedoch keinePrimzahl. Der Fall k = 17 ist noch offen. Man kennt uberhaupt keine weitereFermatsche Primzahl.

Eng verwandt mit den Fermatschen Primzahlen sind die Mersenneschen Zahlender Form n = 2k − 1 und unter ihnen insbesondere die Primzahlen. Sie sind diebeliebtesten Kandidaten bei der Jagd nach der großten bekannten Primzahl.

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7 ENDLICHE KORPER

7 Endliche Korper

Lemma 7.1 Fur jeden Schiefkorper K ist das Zentrum

Z(K) = {a ∈ K | ab = ba fur alle b ∈ K}(34)

ein kommutativer Unterkorper von K, der somit den Primkorper P (K) von Kenthalt.

Bemerkung 7.2 a) Der Beweis des Satzes von Wedderburn, wonach jeder end-liche Schiefkorper K bereits kommutativer Korper ist, beruht auf dem Nachweis,daß K eindimensionaler Z(K)-Vektorraum ist.

b) Ist K endlicher Korper, dann ist die Charakteristik char(K) eine Primzahl pund der Primkorper P (K) ist isomorph zu Z/(p). Mit n = [K : P (K)] gilt daher|K| = q = pn.

Lemma 7.3 Ist (G, ·, e) eine endliche Gruppe mit |G| = n, so gilt xn = e furalle x ∈ G.

Folgerung 7.4 Sind K und K ′ endliche Korper mit q Elementen, so sind sieisomorph.

Satz 7.5 Ist p ∈ N eine Primzahl, n ∈ N und q = pn, dann gibt es einen KorperK mit q Elementen.

Definition 7.6 Es sei p ∈ N eine Primzahl, n ∈ N und q = pn. Der bis aufIsomorphie eindeutig bestimmte endliche Korper K mit q Elementen heißt dasGalois-Feld GF (q).

Bemerkung 7.7 Man konnte einen solchen Korper K konstruieren, indem manein irredzibles Polynom f(x) ∈ Z/(p) mit Grad(f(x)) = n nimmt und denKorper K = Z/(p)[x]/(f(x)) bildet (vgl. Beispiel 3.6). Die Existenz eines sol-chen Korpers ist daher aquivalent mit der Existenz eines derartigen irreduziblenPolynoms. Ublicherweise konstruiert man K aber als Zerfallungskorpers des Po-lynoms f(x) = xq − x ∈ Z/(p)[x] wie im folgenden erlautert.

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7 ENDLICHE KORPER

Definition 7.8 Erweiterungskorper E und E ′ eines Grundkorpers heißen K-isomorph, wenn es einen Isomorphismus ϕ : E → E ′ mit ϕ(k) = k fur alle k ∈ Kgibt.

Folgerung 7.9 Ist K ein endlicher Korper, so gibt es fur jedes m ∈ N bis aufK-Isomorphie genau einen Erweiterungskorper E von K mit [E : K] = m.

Definition 7.10 Es sei K ein Korper und f(x) ∈ K[x] ein nicht-konstantesPolynom. Ein Erweiterungskorper E von K heißt Zerfallungskorper von f(x)uber K, wenn es α1, . . . , αn ∈ E gibt mit E = K(α1, . . . , αn) und f(x) = k(x −α1) · · · (x− αn), d. h. f(x) zerfallt uber E vollstandig in Linearfaktoren.

Beispiel 7.11 Fur das Kreisteilungspolynom f(x) = xn − 1 ∈ Q[x] ist E = Q(ζ)mit ζ = e2iπ/n Zerfallungskorper, denn es gilt xn − 1 =

∏nj=1(x − ζj) mit den

paarweise verschiedenen komplexen Zahlen ζ, ζ2, . . . , ζn = 1.

Folgerung 7.12 Es sei K ein Korper und f(x) ∈ K[x] nicht konstant. Dannexistiert ein Zerfallungskorper von f(x) uber K.

Definition 7.13 Ein Korper C heißt algebraisch abgeschlossen, wenn jedes Po-lynom f(x) ∈ C[x] mit Grad(f(x) ≥ 1 eine Nullstelle in C besitzt.

Beispiel 7.14 Der Korper C der komplexen Zahlen ist algebraisch abgeschlossen.Die Korper Q und R sind nicht algebraisch abgeschlossen.

Lemma 7.15 Fur jeden Korper C sind aquivalent:

a) C ist algebraisch abgeschlossen.

b) Jedes irreduzible Polynom in C[x] ist linear.

c) Jedes nicht-konstante Polynom aus C[x] zerfallt uber C vollstandig in Linear-faktoren.

d) Ist E : C eine algebraische Korpererweiterung, so gilt E = C.

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7 ENDLICHE KORPER

Satz 7.16 (Steinitz) Zu jedem Korper K existiert ein Erweiterungskorper Cvon K mit den folgenden Eigenschaften:

(i) C ist algebraisch abgeschlossen.

(ii) C : K ist algebraisch.

Ist C ′ ein weiterer Korper mit diesen beiden Eigenschaften, so sind C und C ′

K-isomorph.

Definition 7.17 Den Erweiterungskorper C von K mit den Eigenschaften (i)und (ii) nennt man den algebraischen Abschluß oder die algebraische Hulle vonK.

Folgerung 7.18 Der Zerfallungskorper eines nicht-konstanten Polynoms f(x)aus K[x] ist bis auf K-Isomorphie eindeutig bestimmt.

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