Upload
lunaluna81
View
38
Download
0
Embed Size (px)
Citation preview
5/13/2018 Klavierzyklus - slidepdf.com
http://slidepdf.com/reader/full/klavierzyklus 1/5
Klavierzyklus
Ein Klavierzyklus ist ein Zyklus für Klavier, also ein größeres, mehrteiliges Klavierwerk, bestehend aus
einer Folge von Einzelstücken in meist freier Form (im Gegensatz zur Suite oder Sonate), die in der
vom Komponisten vorgesehenen Reihenfolge als ein Ganzes gespielt/interpretiert werden sollen.
Im Konzertbetrieb wird gelegentlich auch eine Folge solistischer Klavierkonzerte, die durch ein
übergreifendes Thema inhaltlich verbunden sein können, als Klavierzyklus bezeichnet. [1]
Kinderszenen, Op. 15, ist ein aus dreizehn kurzen Klavierstücken bestehender Zyklus von Robert
Schumann. Im Unterschied zum Album für die Jugend op. 68 handelt es sich um Stücke, die nicht für
Kinder, sondern nach Schumanns eigenen Worten als Rückspiegelung eines Älteren für Ältere
komponiert wurden. Das berühmteste Stück dieses Zyklus ist die Träumerei. Die Kinderszenenbeeinflussten die romantische Programm-Miniatur für Klavier wie kein anderer zuvor geschriebener
Zyklus.
Verhältnis zur Programmmusik [Bearbeiten]
Ob und inwiefern die Kinderszenen als Programmmusik aufzufassen sind, geht u.a. aus Schumanns
Reaktion auf eine abfällige Kritik von Ludwig Rellstab hervor: Ungeschickteres und Bornierteres ist
mir aber nicht leicht vorgekommen, als es Rellstab über meine Kinderszenen geschrieben. Der meintwohl, ich stelle mir ein schreiendes Kind hin und suche die Töne danach. Umgekehrt ist es -: die
Überschriften entstanden natürlich später und sind eigentlich nichts als feinere Fingerzeige für
Vortrag und Auffassung. [2]
Wie Schumann allgemein über die Rolle außermusikalischer Einflüsse auf die Musik dachte, zeigt sich
z.B. an seinen Ausführungen zur Symphonie fantastique von Berlioz: Was überhaupt die schwierige
Frage, wie weit die Instrumentalmusik in der Darstellung von Gedanken und Begebenheiten gehen
dürfe, anlangt, so sehen hier viele zu ängstlich. Man irrt sich gewiß, wenn man glaubt; die
Komponisten legten sich Feder und Papier in der elenden Absicht zurecht, dieses oder jenesauszudrücken, zu schildern, zu malen. Doch schlage man zufällige Einflüsse und Eindrücke von außen
nicht zu gering an. Unbewußt neben der musikalischen Phantasie wirkt oft eine Idee fort, neben dem
Ohr das Auge, und dieses, das immer tätige Organ, hält dann mitten unter den Klängen und Tönen
gewisse Umrisse fest, die sich mit der vorrückenden Musik zu deutlichen Gestalten verdichten und
ausbilden können... [3]
5/13/2018 Klavierzyklus - slidepdf.com
http://slidepdf.com/reader/full/klavierzyklus 2/5
Philipp Otto Runge: Die Hülsenbeckschen Kinder
Idealisierung der Kindheit [Bearbeiten]
In der Romantik betrachtete man die Kindheit verklärend als Gegenpol zur Bedrängnis des Alltags
und der Erwachsenenwelt. Hölderlin schreibt: Da ich noch ein stilles Kind war und von dem allen,
was uns umgibt, nichts wußte, war ich da nicht mehr, als jetzt, nach all den Mühen des Herzens und
all dem Sinnen und Ringen! Ja! ein göttlich Wesen ist das Kind, solang es nicht in die
Chamäleonsfarbe des Menschen getaucht ist. Es ist ganz, was es ist, und darum ist es so schön. [4]
Auch Schumann spricht idealisierend von der Kindheit: In jedem Kind liegt eine wunderbare Tiefe.
[5] Die unverdorbene Natürlichkeit der kindlichen Welt rückt diese in unmittelbare Nachbarschaft zurNatur, in der die Romantik eine Hauptquelle der Poesie sieht. Natürlichkeit und Kindheit sind
Idealzustände, die der normale Erwachsene verloren hat und die es wiederzufinden gilt. Philipp Otto
Runge: Kinder müssen wir werden, wenn wir das Beste erreichen wollen. [6]
Poetische Inhalte [Bearbeiten]
Im Einklang mit der spezifisch romantischen Musikauffassung betrachtet Schumann die Musik als
eine Art höhere Sprache, die es ermöglicht, poetische Inhalte mitzuteilen, die in Worten nichtausgedrückt werden können.
In den Kinderszenen werden typische Elemente romantischer Poesie angesprochen, wie z.B.
Sehnsucht nach unbekannten fernen Welten, Abenteuerlust (Von fremden Ländern und Menschen)
Interesse am Ungewöhnlichen, Individuellen, Skurrilen oder Humorvollen (Kuriose Geschichte)
Abkehr von der alltäglichen Außenwelt, Rückzug in die Innerlichkeit (Träumerei)
Hineinversetzen in Fantasiewelten (Ritter vom Steckenpferd)
Melancholie, Weltschmerz (Fast zu ernst)
Interesse am Unheimlichen, Gruseligen (Fürchtenmachen)
5/13/2018 Klavierzyklus - slidepdf.com
http://slidepdf.com/reader/full/klavierzyklus 3/5
Der Dichter spricht, Kadenz
Aufschwung, aus Fantasiestücke op. 12
Besonders deutlich wird der poetische Aspekt an den beiden Schlussstücken Kind im Einschlummern
und Der Dichter spricht. Das erste Stück endet mit einem offenen Schluss auf der Subdominante vone-Moll; der Anfang des zweiten Stücks setzt den Kadenzverlauf nach G-Dur modulierend fort, so dass
beide Stücke einen unmittelbaren musikalischen Zusammenhang bilden. Das Eintauchen in die
nächtliche Traumwelt des schlummernden Kindes öffnet das Tor für die poetische Mitteilung des
letzten Stücks. Dieses beginnt mit einem vierstimmigen Choralsatz, der auf den quasi religiösen
Charakter der Botschaft verweist: Musikalische Poesie als göttliche Inspiration und Verkündigung. Im
Zentrum des Stücks erscheint eine leise kadenzartige Passage, deren Melodie stark an den Anfang
des zweiten der Fantasiestücke op. 12 (Aufschwung) erinnert. Hier handelt es sich freilich nicht wie
dort um einen leidenschaftlich stürmischen Aufschwung sondern um ein zartes, geradezu
mystisches Aufschwingen der Seele in höhere Sphären, etwa im Sinne einer Formulierung des 17-
jährigen Schumann: Auf der Blumenleiter der Natur nähert sich die Seele des Dichters immer leiser
und leiser dem Bilde der Gottheit. [7] Immer leiser und leiser endet dann auch das Stück in
vollkommener Ruhe.
Metronomangaben [Bearbeiten]
Im Unterschied etwa zu den Waldszenen op. 82, bei denen Schumann sowohl Vortragsanweisungen
(Nicht zu schnell, Einfach u.a.) als auch Metronomzahlen angibt, enthält die Erstausgabe der
Kinderszenen keinerlei verbale Anweisungen sondern nur Metronomzahlen. Diese stammen zwar
wahrscheinlich nicht von Schumann selbst, aber er hat sie gekannt und dadurch autorisiert, dass er
sie in späteren Auflagen nicht korrigierte. [8] Diese Metronomzahlen sind jedoch vielfach ignoriert
worden, wie z.B. aus der obigen Tabelle ersichtlich wird. Dort sind neben den originalen Angaben der
Erstausgabe die der Ausgabe von Conrad Kühner (ca. 1880) und die von Emil von Sauer in seiner
Ausgabe von 1922 vorgeschlagenen Metronomzahlen angegeben. Die Herausgeber weichen von den
ursprünglichen Angaben in unterschiedlicher Weise ab, zumeist im Sinne einer Verlangsamung,
manchmal jedoch auch beschleunigend. Besonders krass fällt der Unterschied bei dem Stück Hasche-
Mann aus. Während Kühner das ohnehin schon schnelle Originaltempo = 138 auf = 108 reduziert,
5/13/2018 Klavierzyklus - slidepdf.com
http://slidepdf.com/reader/full/klavierzyklus 4/5
übersteigert es Sauer auf ein fast utopisches = 184. Das einzige Stück, das in allen drei Ausgaben die
gleiche Metronomangabe aufweist, ist Der Dichter spricht. In der Werkausgabe von Clara Schumann
sind die Metronomzahlen komplett weggelassen, so dass hier dem Spieler wegen der gleichzeiig
fehlenden verbalen Tempobezeichnungen völlig freie Hand gelassen wird.
Bei fast allen Einspielungen der Kinderszenen weichen die meisten Tempi von den ursprünglichen
Metronomangaben in zum Teil eklatanter Weise ab, und zwar überwiegend im Sinne einer
deutlichen Verlangsamung. So werden etwa die Stücke Von fremden Ländern und Menschen und
Träumerei in der Regel wesentlich langsamer gespielt als es der jeweiligen Metronomzahl entspricht.
Es scheint sich das (heute als falsch erkannte [8]) Gerücht durchgesetzt zu haben, mit Schumanns
Metronom habe etwas nicht gestimmt, und deshalb seien seine Vorschriften nicht bindend. In
merkwürdigem Gegensatz zu dieser Auffassung steht die Tatsache, dass die meisten Interpreten
Schumanns Metronomangaben zu den Waldszenen weitgehend exakt oder zumindest
näherungsweise befolgen. Der Schumann-Preisträger Michael Struck plädiert dafür, auch die
Metronomzahlen der Kinderszenen ernster zu nehmen. [8]
Rezensionen [Bearbeiten]
Franz Liszt: In den Kinderszenen [...] offenbart sich jene Anmut, jene immer das Richtige treffende
Naivität, jener geistige Zug, der uns bei Kindern oft so eigentümlich berührt und, während ihre
Leichtgläubigkeit uns ein Lächeln entlockt, uns zugleich durch die Scharfsinnigkeit ihrer Fragen in
Verlegenheit setzt - ein Zug, der auch bei den Kulturanfängen der Völker zu finden ist und jenen Ton
phantasievoller Einfalt bildet, welcher die Lust am Wunderbaren weckt. [9]
Ernst Bücken: Merkwürdigerweise sind diese schlichten Kompositionen, deren Anregung wohl der
Münchener Universalist Graf Pocci mit seinen Liedern und Klavierstücken für Knaben und Mädchen
gab, schon von der zeitgenössischen (RelIstab), wie der späteren Kritik, die sie meist in die Sphäre
Ludwig Richters hineinversetzte, mißkannt worden. Die Kinderszenen sind [] von einer Phantasie
geschaffen, die sich hier ersichtlich nur für einige schöne Augenblicke in das Kinderparadies
hineinversetzt und hineingeträumt hat. Biedermeierliche Enge und Beschränktheit aber kennt der
Schöpfer der Kinderszenen im Gegensatz zu Ludwig Richter nicht, dessen Phantasie in diesem
biedermeierlichen Kreise zu Hause ist, und so sehr, daß sie dieses >Haus< überhaupt nicht mehr
verläßt. Schumann tut das Gegenteil. In der Kadenz des letzten Tonstückes Der Dichter spricht rüstet
seine Phantasie in einem Zitat aus den Phantasiestücken sich wieder zum Flug in das Reich der
großen Tonschöpfungen.[10]
5/13/2018 Klavierzyklus - slidepdf.com
http://slidepdf.com/reader/full/klavierzyklus 5/5
Robert Schumann, Daguerreotypie von 1850 Hans Pfitzner: Wir schlagen auf: Kinderszenen von
Schumann, Nr. 7, Träumerei. Jedes der kleinen Stücke dieses Opus ist musikalisches Gebilde von
feinem Reiz, Poesie, Musikalität und vor allem persönlichster Eigenart; aber wer, der die Ursache der
Musik versteht, erkennte nicht, daß diese Träumerei ganz einzig hervorragt durch die Qualität der
Melodie. Wer sie nicht versteht, für den ist's ein Stückchen in Liedform mit Tonika, Dominante,
Unterdominante und dennächstliegenden Tonarten - ohne irgendwelche Abweichung vom Üblichen
[...]. Aber für uns Wissende, welch ein Wunder der Eingebung! Was ist darüber zu sagen, das dem,
dem diese Melodie [...] nicht >durch und durch< geht, das Verständnis erschließen könnte? - Nichts.
Ich kann von dem Adel der Tonsprache reden, von dem absolut Vorbildlosen, Tiefpersönlichen, Ur-
eigentümlichen der Melodie, dem Deutschen, Zarten, Traulichen derselben, - es ist, als ob die Worte
vor den Tönen im Kreis herum flöhen, sie können addiert alle nicht entfernt das sagen, was die
Melodie selbst ausspricht. Der Titel gibt einen leisen Hinweis für die Stimmung, der noch besser
verständlich wird, wenn man sich vorstellt, daß es nicht die Träumerei eines Kindes (also nicht
eigentlich in die Kinderszenen gehörig) und zweitens eine Träumerei, nicht etwa eine reverie ist, - ein
sinniges, ernstes, tief sich verlierendes, feinseeliges und doch kräftiges Gefühl, etwa wie der auf die
Hand gestützte bekannte Schumannkopf ahnen läßt. Bis ins Unbegrenzte ließe sich in dieser Weise
weiter - schwärmen, ohne den Zauber dieser Musik mit Worten zu beschwören; es ist ein TropfenMusik aus tiefstem Quell; wir sind auch musikalisch verkommen und verloren, wenn wir uns dieser
Schönheit entwöhnen."[11]