21
Kleine Schachpost JVA Straubing 52. Jahrgang Oktober 2015 3. Sinquefield Cup, St. Louis Aronian siegt vor Carlsen. Topalov führt in Grand-Chess-Wertung. Weltmeister-Dämmerung? Was ist bloß mit Carlsen los? Absturz-Pare gegen Nakamura. „Ja, ich will!“ ...sagt Deutschlands beste Schachspielerin - ein Porträt. Ungarische Verteidigung Schwarz zieht bei dieser Eröffnung Stacheldraht auf dem Schachbre.

Kleine Schachpost - chess- · PDF file52. Jahrgang; Oktober 2015 3. Sinquefield Cup, St. Louis Aronian siegt vor Carlsen. Topalov führt in Grand-Chess-Wertung

  • Upload
    lekiet

  • View
    222

  • Download
    2

Embed Size (px)

Citation preview

Page 1: Kleine Schachpost - chess- · PDF file52. Jahrgang; Oktober 2015 3. Sinquefield Cup, St. Louis Aronian siegt vor Carlsen. Topalov führt in Grand-Chess-Wertung

Kleine Schachpost JVA Straubing 52. Jahrgang Oktober 2015

3. Sinquefield Cup, St. Louis Aronian siegt vor Carlsen. Topalov führt in Grand-Chess-Wertung.

Weltmeister-Dämmerung? Was ist bloß mit Carlsen los? Absturz-Partie gegen Nakamura.

„Ja, ich will!“ ...sagt Deutschlands beste Schachspielerin - ein Porträt.

Ungarische Verteidigung Schwarz zieht bei dieser Eröffnung Stacheldraht auf dem Schachbrett.

Page 2: Kleine Schachpost - chess- · PDF file52. Jahrgang; Oktober 2015 3. Sinquefield Cup, St. Louis Aronian siegt vor Carlsen. Topalov führt in Grand-Chess-Wertung

I n d i e s e r A u s g a b e l e s e n S i e :

3.Sinquefield Cup 2015 ........................ 3 Sinquefield-Partie-Analysen ............... 4 Weltmeisterdämmerung ..................... 8 Absturz: Carlsens gegen Nakamura.. 9 Forts. Sinquefield-Partien ................. 10 Elisabetz Pähtz sagt „ja“ ................. 13 Nachtrag German Masters: Partie ... 14 Weltcup in Baku ................................. 15 Eröffn.: Ungar. Verteidigung............. 16 Rätsel/Lösungen ................................ 19 Haftraumblüten III: IT-Crack... ......... 20

Kontakt: Redaktion der Kleinen Schachpost

Die erweiterte Ausgabe der Schachpost als PDF-Dokument. Jetzt kostenlos anfordern unter [email protected]!

Page 3: Kleine Schachpost - chess- · PDF file52. Jahrgang; Oktober 2015 3. Sinquefield Cup, St. Louis Aronian siegt vor Carlsen. Topalov führt in Grand-Chess-Wertung

D er Armenier Levon Aronian hat den renommierten Sinquefield Cup vor

Weltmeister Magnus Carlsen gewonnen. Den dritten Platz des Turniers, das seit 2013 jedes Jahr von dem US-Multimil-lionär Rex Sinquefield in St. Louis (Missouri) ausgerichtet wird, erreichte der US-Amerikaner Hikaru Nakamura.

Das Turnier ist die zweite von drei Sta-tionen der sogenannten „Grand Chess Tour“, einer Serie von Wettkämpfen der zehn besten Schachspieler weltweit -nach dem Vorbild des Grand Slam beim Tennis. Sie wurde in diesem Jahr von einer Gruppe Schachinteressierter mit Serienweltmeister Garry Kasparov als Galionsfigur neu ins Leben gerufen. (Siehe E-Schachpost Juli 2015). Die erste Station war Stavanger in Norwegen, die Heimat von Weltmeister Carlsen. Die dritte und letzte werden die London Chess Classics im Dezember sein.

Elo! Zweitstärkstes Turnier aller Zeiten

Wenn man die durchschnittliche Elo-Zahl der Spieler als Qualitätsmerkmal eines Schachturniers heranzieht, dann war der Sinquefield Cup 2015 der zweit-stärkste Wettkampf aller Zeiten: mit ei-nem Wert von 2795. Den Rekord hält das

Avro-Turnier von 1938. In den Niederlan-den traten damals unter anderem die Weltmeister und Schachlegenden Mi-chail Botwinnik, Max Euwe, José Raúl Capablanca und Alexander Aljechin ge-geneinander an.

Topalov führt in Gesamtwertung

In der Gesamtwertung der Grand Chess Tour liegt der Bulgare Veselin Topalov in Führung, gefolgt von Hikaru Nakamura und Levon Aronian. Carlsen rangiert auf Platz vier - mit geringen Aussichten auf den Gesamtsieg in der prestigeträchti-gen ersten Auflage der Serie. Als Prämie für seinen ersten Platz in St. Louis erhielt Aronian 75.000 US-Dollar. Carlsen bekam 50.000, Nakamura 40.000. Wesley So trö-stete man für den zehnten und letzten Platz immerhin noch mit 15.000 Dollar. Insgesamt betrug der Preisfonds 300.000 Dollar.

Attraktive Preisfonds bei Grand Chess

Nach dem Abschluss der Gesamtwer-tung in der Grand Chess Tour winken weitere Prämien. Allerdings nur für die drei Allerbesten der zehn Besten: Der Sieger kann 75.000 Dollar mit nach Hau-se nehmen, der Zweite 50.000, der Dritte 25.000. (mn)

Oktober 2015 Seite | 3

Page 4: Kleine Schachpost - chess- · PDF file52. Jahrgang; Oktober 2015 3. Sinquefield Cup, St. Louis Aronian siegt vor Carlsen. Topalov führt in Grand-Chess-Wertung

Jürgen H. hat sich die interessantesten Partien des Sinquefield Cup angeschaut.

B51: Sizilianisch (Rossolimo-Variante) 1.e4 c5 2.Sf3 d6 3.Lb5+ Die sizilianische Verteidigung ist seit der Mitte des 20. Jahrhunderts die am häufigsten gespiel-te Eröffnung. Wegen ihrer asymmetri-schen Stellungen führen Sizilianischpar-tien zu einem zweischneidigen und kom-plizierten Spiel mit beiderseitigen Chan-cen. Die Praxis zeigt, dass Schwarz be-reits in der Frühphase des Kampfes viele gute Perspektiven auf ein Gegenspiel besitzt und sich nicht überwiegend auf die Defensive konzentrieren muss. Be-sonders in den Händen geübter Taktiker ist Sizilianisch eine Waffe, die Weiß sehr gefährlich werden kann. Mit 3.Lb5+ be-ginnt die sog. Rossolimo-Variante, die nicht mehr so oft gespielt wird, weil sie für Weiß nicht viel bringt. ...Sd7 Alternative wäre 3...Ld7 4.0–0 Sgf6 5.Te1 a6 6.Ld3 Weiß will sei-nen Läufer noch nicht tauschen. Auch möglich wäre Lxd7+ Sxd7 7.Sc3 e6 mit leichtem weißen Vorteil. ...b5 7.c4 g5 Schwarz hat keinen Respekt vor dem Weltmeister und stürmt nach vorn. Das tiefgründige Bauernopfer hat den Sinn, dem Springer d7 das Feld e5 zu ebnen. 8.Sxg5 Se5 9.Le2 bxc4 ...und Schwarz hat seinen Bauern zurück. 10.Sa3 Tg8 Schwarz spielt mit offenem Visier - und das gut vorbereitet. 11.Sxc4 Sxc4 12.d4 Sb6 Schwarz hat eine Mehrfigur. Weiß bekommt dafür

eine starke Initiative. Ob das als Gegen-wert reicht? 13.Lh5 Der Punkt f7 wird anvisiert. Lo-gisch, nachdem Schwarz nicht rochiert hat. ...Sxh5 14.Dxh5 Tg7 15.Sxh7 Dd7 Gut spielbar wäre auch 15...Txh7 16.Dxh7 cxd4, um den Druck los zu werden. 16.dxc5 dxc5 17.e5 Was sollte Weiß tun? Weiter angreifen?! Zu beachten wäre 17.Sxf8 Dh3 18.Dxh3 Lxh3 19.g3 und Weiß steht nicht schlechter. Aber viel-leicht sah es der Weltmeister als eine Art Verpflichtung, weiter anzugreifen. Schwarz ist ja auch kein Kaffeehaus-spieler... 17...Dc6 18.f3 Es droht Matt auf g2 und Lg4. Weiß steht auf einem wackeligen Konstrukt. ...Dg6 Schwarz will natürlich den Da-mentausch. 19.Sf6+ Ein guter Zug. Aber Schwarz schlägt den Springer nicht, denn sonst hätte er nur Probleme, z.B. 19...exf6 20.exf6+ Kd8 21.fxg7 und Weiß sollte gewinnen. ...Kd8 20.Dxg6 Txg6 21.Se4 Lb7 22.h4 Nicht gut wäre 22.Sxe5 wegen Lxf3. ...Tc8 23.h5 Tg8 24.Ld2 ...droht La5. Die Fesselung ist unangenehm, aber die Stellung von Schwarz hält. ...Sc4 Der Zug löst alle Probleme und entschärft alle Drohungen. 25.Lc3 Lh6 26.Tad1+ Ke8 27.Td3 Lf4 ... droht auf e5 zu schlagen. 28.Sf2 Lc6 29.Sh3? Ein schlechter Zug in schlechter Stellung. 29.e6 wäre ein Ver-such, um den in der Mitte stehenden König anzugreifen. Aber Weiß erkennt schon, was (und wem) die Stunde schlägt. ...Lg3 30.Te2 Lb5 ...droht einen fürchter-lichen Abzug. Sxe5 und der Turm d3 hängt.

Oktober 2015 Seite | 4

Carlsen,Magnus (2853) - Topalov, Veselin (2816)

Page 5: Kleine Schachpost - chess- · PDF file52. Jahrgang; Oktober 2015 3. Sinquefield Cup, St. Louis Aronian siegt vor Carlsen. Topalov führt in Grand-Chess-Wertung

31.Td1 Lc6 32.Sf2? Der letzte Verlust-zug. 32...Lxe5!! ...und nichts geht mehr: Den schwachen Punkt f3 kann Weiß nicht mehr decken 33.Sg4 ...ist auch keine Rettung. ...Lxc3 34.bxc3 Kf8 35.Kf2 Th8 35.f6 wä-re stärker. Der Springer hat keine guten Felder mehr. 36.Se5 Sxe5 37.Txe5 Le8 38.g4 f6 39.Te6 Lb5 40.Tde1 Tc7 …und Weiß kapitulier-te. 0–1 Fazit: Weiß spielte von Anfang an mit offenem Visier. Aber das Figurenopfer war zweischneidig. Schwarz musste noch mehr Hürden nehmen, aber er war an diesem Tag gut aufgelegt und spielte fehlerlos gegen einen Weltmeister, der offenbar nicht seinen besten Tag hatte. Der Sieg von Schwarz ist verdient. Weiß hat nichts unversucht gelassen. Den-noch blieb Schwarz immer auf der Höhe. Top!

B51: Sizilianisch (Rossolimo-Variante) 1.e4 c5 2.Sf3 d6 3.Lb5+ Sd7 Die Sizilia-nische Verteidigung und die sogenannte Rossolimo-Variante. Siehe auch die Par-tie Carlsen-Topalov auf den Seiten vor-her. 4.0–0 a6 5.Ld3 Sgf6 6.c3 Der Zug ergibt viel Sinn. e4 ist weiter gedeckt und der Läufer kann sich auf das Feld c2 zurück-ziehen. ...b5 7.Lc2 Lb7 8.Te1 Tc8 9.a4 b4 Soweit so gut. Schwarz will die a-Linie nicht öffnen. Der Turm steht auf der c-Linie

bereit. Darum ist b5-b4 der logische Zug. 10.a5 Nimmt dem schwarzen Springer das Feld b6 und der Bauer a5 bleibt rückständig. ...Dc7 11.d3 bxc3 12.bxc3 e6 13.h3 Le7 14.Lf4 0–0 Beide Seiten haben die Ent-wicklung abgeschlossen. Schwarz will offensichtlich am weißen Königsflügel aufmarschieren. 15.Sbd2 Lc6 16.Sc4 Lb5 17.Sfd2 Tfd8 18.Lg3 Se8 Wäre der Bauer auf d6 nicht durch den Läufer auf g3 gefesselt, könn-te Schwarz d6-d5 spielen und er hätte mit Sicherheit eine schönere Stellung. 19.Kh2 Tb8 20.Se3 Se5 21.De2 Natürlich nicht 21.Lxe5 wegen 21...dxe5 und der Bauer wird erbärmlich schwach. ...Sc6 Angriff auf den Bauern a5. 22.Sb3 Se5 23.Sd2 Sc6 24.Sdc4 Sf6 25.Kh1 Se5 Schwarz will Weiß dazu bringen, auf e5 zu schlagen. Weiß sollte sich tunlichst davor hüten. Er würde nur Schwarz in die Hände spielen. 26.f4 Ein starker positioneller Zug. Sxc4 27.dxc4 Lc6 Schwarz steht besser: Die weiße Bauernstellung am Königsflü-gel ist eine Katastrophe. Schwarz hat die b-Linie besetzt und der Punkt e4 wak-kelt auch. 28.Sd1 g6 ...verhindert f4-f5. 29.Lh2 Sh5 30.De3 Lh4 31.g3 Le7 ...ist besser als 31...Lf6. Weiß könnte g3-g4 spielen und der Springer h5 hat nur den Rückzug auf g7. 32.Kg1 Te8 33.e5 Das war der Grund für Kh1-g1. Der Zug entfesselt den König. Weiß gewinnt Raum im Zentrum. ...Sg7 ...droht Sg7-f5. 34.g4 f5 Schwarz will den Königsflügel abriegeln, aber... 35.exf6 Lxf6 36.Sf2 Lh4 37.Te2 Lxf2+ Ein logischer Plan: Der Springer droht über e4, die Felder f6 oder g5 zu beset-

Oktober 2015 Seite | 5

Nakamura, Hikaru (2814) - Grischuk, Alexander (2771)

Page 6: Kleine Schachpost - chess- · PDF file52. Jahrgang; Oktober 2015 3. Sinquefield Cup, St. Louis Aronian siegt vor Carlsen. Topalov führt in Grand-Chess-Wertung

zen. 38.Txf2 Tf8 Schwarz ist auf der Hut. Ein prophylaktischer Zug: f4-f5 droht! 39.Lg3 Tbe8 40.Kh2 Tf7 41.Td1 Td7 42.Tfd2 Dd8 43.h4 Tf8 44.Tf2 Kh8 44...Dxa5 wäre spielbar gewesen und Schwarz hätte keine Sorgen mehr ge-habt. 45.Tb1 Dxa5 46.h5 gxh5 47.f5 exf5 48.gxf5 Dd8? Das war schon die vierte Ungenauigkeit. Schwarz will seine Dame wieder ins Spiel bringen und den Punkt f6 vorsorglich überdecken. Aber 48...Se8 wäre angebracht. 49.f6 Se8 Die Stellung kippt. Wie schein-bar aus dem Nichts entfacht Weiß einen Königsangriff und der ist für Schwarz nicht ungefährlich. 50.Lh4 Tdf7 50...Sxf6 ist nicht spielbar wegen 51.Lxf6+ Txf6 52.Txf6 Dxf6 53.De8+ Kg7 54.Tg1+ 51.Dh6 Tg8 52.Te1?? Ein böser Fehler! 52.Tg1 und Schwarz hätte Probleme, seine Stellung zusammenzuhalten. Es droht immer Lxh7 mit Abzug oder, wenn Tf7xh7, dann Df8 matt. Aber Weiß wollte mit Te1-e7 eine neue Drohung schaffen. 52...d5 53.Dxh5 Dd6+ 54.Te5 d4 55.cxd4 Dxd4 Sowas sieht man auch nicht alle Tage: Beide Spieler am Rande des Limits. Jeder Fehler kann sofort das Aus bedeuten. 56.Te7 Txe7 57.fxe7 Dd6+ 58.Kh3 Ld7+ 59.Lf5 Dd3+?? Weiß droht Matt auf h7. Spielbar wäre 59...h6 60.Df3 Le6 60.Tf3 Lxf5+ 61.Dxf5 Dxf5+ 62.Txf5 Kg7 Nach dem Abtauschen ergibt sich eine verlorene Stellung für Schwarz. 63.Lg3 h6 64.Le5+ Kh7 65.Tf7+ Kg6 66.Tf8 Kh7 67.Lf4 a5 68.Lxh6! Der Läu-fer ist nicht zu schlagen wegen des un-gedeckten Turms auf g8. ...a4 69.Le3 a3 70.Lxc5 a2 71.Ld4 ...und

der Läufer kommt rechtzeitig zurück. Schwarz ist verloren. Der Rest ist nur noch Technik. ...Sc7 72.La1 Se8 Der Springer muss das Feld e8 decken. 73.c5 Sc7 74.c6 Se8 75.Kh4 Sc7 76.Kh5 Se8 77.c7! Ein starker Zug beendet den ungleichen Kampf. 1–0 Fazit: Schwarz stand lange Zeit besser. Durch eine taktische Finesse überspielte Weiß seinen Gegner. Eine großartige Partie zweier Supergroßmeister mit ei-nem verdienten Sieg. Das Finish war hervorragend. Beide spielten mit offe-nem Visier. Man erkennt, dass beide den vollen Punkt gewinnen wollten.

D39: Damengambit (Ragosin-Verteidi-gung) 1.d4 Sf6 2.c4 e6 3.Sf3 d5 Das Da-mengambit wird bereits in der Göttinger Handschrift um 1505 erwähnt und ist seit Beginn des 20. Jahrhunderts eine der beliebtesten, gänzlich zeitlosen, von Modetrends unberührten Eröffnungen. Die ursprüngliche Idee des Damengam-bit ist eine geradlinige: Mit c2-c4 ent-facht Weiß sofort einen Kampf um die zentralen Felder e4 und d5, ohne jedoch wirklich viel zu riskieren. Denn eigent-lich handelt es sich um ein Scheinopfer. Weiß vermag den Gambitbauern stets zurückzuerobern. Meist wird das Opfer darum abgelehnt. In diesem Fall hat Schwarz besonders viele Möglichkeiten und kann sehr unterschiedliche Aufbau-ten wählen, um die Absichten von Weiß zu durchkreuzen.

Oktober 2015 Seite | 6

Topalov, Veselin (2816) - Aronian, Levon (2765)

Page 7: Kleine Schachpost - chess- · PDF file52. Jahrgang; Oktober 2015 3. Sinquefield Cup, St. Louis Aronian siegt vor Carlsen. Topalov führt in Grand-Chess-Wertung

4.Sc3 Lb4 Es geht um den Punkt d5. 5.Lg5 dxc4 6.Da4+ Sc6 7.a3 Lxc3+ 8.bxc3 Dd5 Schwarz versucht erstmal den Bauern c4 zu verteidigen - auf Ko-sten der eigenen Bauernstellung am Kö-nigsflügel nach dem Tausch auf f6. 9.Lxf6 gxf6 10.Sd2 droht e2-e4. Mit Tem-pogewinn wird der Bauer c4 angegriffen. ...b5 Ein probates Mittel, um c4 zu dek-ken. 11.Dc2 a6 12.e4 Dd7 13.g3 Lb7 14.Lg2 Se7 15.0–0 0–0 Trotz der halboffenen g-Linie kann Schwarz unbesorgt rochieren, denn ohne schwarzfeldrigen Läufer kann Weiß keinen Nutzen aus der halboffenen Rochadestellung ziehen. 16.Tfd1 Tad8 17.a4 Weiß will die Bau-ernstruktur zerstören. ...c5 18.axb5 axb5 19.Sf3 …und alles ist im Lot. ...Dc7 Es ist nicht verkehrt, die Dame von der indirekten Fesselung zu befrei-en. 20.Tab1 f5 Ein guter Zug! Schwarz entle-digt sich seines Doppelbauern und er-höht weiter den Druck auf den Punkt d4. 21.exf5 Sxf5 22.Txb5 Lxf3 23.Lxf3 cxd4 24.Dc1 Das ist noch das Beste, was Weiß tun kann. Schlecht wäre z.B. 24.cxd4 wegen 24...c3 und Schwarz er-hält einen mächtigen Freibauern. Und der Bauer d4 fällt auch noch. ...dxc3 25.Txf5 Txd1+ 26.Lxd1 exf5 Schwarz gewinnt zwar die Qualität, aber das Dauerschach ist unvermeidlich. 27.Dg5+ Kh8 28.Df6+ Kg8 29.Dg5+ Fazit: Weiß hat die Notbremse gezogen mit dem Qualitätsopfer auf f5: Dauerschach in schlechter Stellung. 0,5-0,5

C67: Spanische Partie (Berliner Verteidi-gung) 1.e4 e5 2.Sf3 Sc6 3.Lb5 Die spanische Partie. Der spanische Geistliche und Schachspieler Lopez Ruy de Segura be-schäftigte sich im 16. Jahrhundert mit diesem Zug. ...Sf6 Die Berliner Verteidigung, die so-genannte Berliner Mauer, ein Markenzei-chen Carlsens. Schwarz greift sofort den Bauern e4 an, was den Gegner in der Wahl seiner Möglichkeiten deutlich ein-schränkt. Die Berliner Verteidigung zählt zu den ältesten Abzweigen der spani-schen Partie und zugleich zu jenen, die in jüngster Zeit, nämlich beim WM-Kampf in London 2000, die meiste Furore machten: Titelverteidiger Garry Kas-parov biss sich an ihr dermaßen die Zäh-ne aus, dass einige Schachjournalisten die Eröffnungswahl des Herausforderers und späteren Gewinners des Matches Wladimir Kramnik mit dem Schlagwort „Berlin Wall“ betitelten. 4.0–0 Sxe4 5.d4 Alles Theorie: Schwarz schlägt auf e4, Weiß will mit d4 das Spiel öffnen. ...Sd6 6.Lxc6 dxc6 7.dxe5 Sf5 8.Dxd8+ Kxd8 9.h3 h5 10.Sc3 Le7 11.Td1+ Ke8 12.Se2 Sh4 13.Sxh4 Lxh4 14.f3 Lf5 Der Bauer c2 hängt, aber die logische Ant-wort kommt sofort. 15.Sd4 Lg6 16.Lf4 Le7 17.g4 Td8 18.Kg2 Le5-c5 liegt in der Luft, obwohl die Fes-selung sich nicht ausnutzen lässt. ...hxg4 19.hxg4 Lc5 20.c3 Zwischenbi-lanz: Weiß steht kompakt und ohne Schwächen. Schwarz hat das Läuferpaar und besetzt die offene h-Linie, aber bei-

Oktober 2015 Seite | 7

Viswanathan, Anand (2816) - Carlsen, Magnus (2853)

Page 8: Kleine Schachpost - chess- · PDF file52. Jahrgang; Oktober 2015 3. Sinquefield Cup, St. Louis Aronian siegt vor Carlsen. Topalov führt in Grand-Chess-Wertung

des ist in dieser Stellung recht wertlos, weil Schwarz keine Angriffsmarken hat. ...Lxd4 21.Txd4 Txd4 22.cxd4 Ein Remis zeichnet sich ab, schon wegen der un-gleichfarbigen Läufer. ...Ke7 23.Tc1 Ein taktischer Trick: Es drohen d4-d5 und die Zerstörung der Bauernkette auf dem schwarzen Damen-flügel. ...Ke6 24.Le3 f6 25.exf6 gxf6 26.Ld2 Td8 27.Lc3 Kf7 28.Kg3 Te8 29.Th1 Ld3 30.Te1 Txe1 31.Lxe1 Ein reines Läu-ferendspiel ist entstanden. Das Remis ist absehbar. ...Lc4 32.a3 b6 33.Kf4 a5 34.Ke3 a4 35.Lg3 b5 36.Lxc7 Weiß hat einen Bau-ern gewonnen, aber es ist zu spät. Die Positionen der Bauern auf dem Damen-flügel sind von der jeweiligen Läuferfar-be festgelegt. 0,5-0,5

„Er ist nicht mehr der, der er vor-her war“, staunte der 21 Jahre

alte Weltranglistenzehnte Anish Giri angesichts der Leistung des drei Jahre älteren Weltmeisters Magnus Carlsen in St. Louis. Der Absturz des Norwegers wurde laut Berichten besonders deut-lich in der Partie gegen Hikaru Nakamura. „Ich kann es nicht verstehen, dass er so eine Stel-lung vergeigt“, kommentierte Yasser Seirawan, ein Großmei-ster, der in seinen besten Zeiten zu den 20 stärksten Spielern der Welt zählte. „Er [Carlsen] wollte zu schnell gewinnen und ging zu übereilt vor“, beobachtete Schachlegende Garry Kasparov.

Werden wir gerade Zeugen einer Welt– und Ober-Großmeisterdämmerung? Die-se Sorge ist verfrüht, wenn man dem Schach-Göttervater und Mentor Carlsens, Kasparov, glauben darf: „Carlsen ist ein großes Schachtalent, ist jung und kann sich wieder schnell erho-len.“ Nur mal angenommen, es zeichne sich sowas wie eine Dämmerung ab. Das bedeutet ja nicht unbedingt, dass düste-re Zeiten anbrechen müssen. Die Vor-stellung hinter dem Begriff Götterdäm-merung stammt aus der nordischen Sa-genwelt, genauer gesagt aus dem Rag-narök-Mythos. Danach geht die Welt der Götter zwar unter, aber am Ende siegt das Gute und es geht doch wieder wei-ter: „Da kommt der Mächtige zu seiner ordnenden Herrschaft kraftvoll von oben, ER, der alles steuert“, heißt es in der altisländischen Handschrift Hauksbók. Warten wir‘s also ab. Wer sich in den Sturz des Magnus C. einfühlen möchte, kann hier die Partie mit den Kommentaren von Jürgen H. nachspielen und dazu Wagner auflegen.

-

Oktober 2015 Seite | 8

Weltmeisterdämmerung? Was ist bloß mit Carlsen los?

Carlsen vor der Walhalla der Schach-Heroen. Für ei-

nen Einzug ist es noch zu früh, meint Kasparov.

Page 9: Kleine Schachpost - chess- · PDF file52. Jahrgang; Oktober 2015 3. Sinquefield Cup, St. Louis Aronian siegt vor Carlsen. Topalov führt in Grand-Chess-Wertung

(mn) D37: Damengambit (5.Lf4) 1.d4 d5 2.c4 e6 Das Damengambit: Es hat Jahrhunderte überlebt, ist zeitlos modern. Mit 2...e6 ist die klassische Form des abgelehnten Damengambits entstanden. Schwarz deckt seinen Bau-ern, strebt nach schneller Entwicklung und behält sich vor, später seinen c-Bauern defensiv (c7-c6) oder offensiv (c7-c5) gegen das weiße Zentrum einzuset-zen. 3.Sc3 Le7 4.Lf4 Sf6 5.e3 0–0 6.a3 ... ver-hindert Lb4. So bleibt Weiß für den Zen-trumskampf flexibel. ...c5 Sehr offensiv. 7.dxc5 Lxc5 8.Sf3 Sc6 9.Dc2 Da5 10.Td1 Le7 11.Le2 Se4?! Eine gute Alternative wäre 11...dxc4 12.Lxc4 Sh5 13.0-0 Sxf4 14.exf4. Das Fragezeichen bei 11...Se4?! will nur ausdrücken, dass die Fesselung des Springers positiv ist. Die nächsten Züge werden verdeutlichen, dass Schwarz eine schwierige, aber noch spielbare Stellung bekommt. 12.cxd5 Sxc3 13.Dxc3 Dxc3+ 14.bxc3 exd5 15.Txd5 Lxa3 16.Sd4 Sxd4 17.exd4 b6 18.Kd2 Die Rochade ist hier nicht mehr nötig. Weiß will seinen König im Zentrum behalten. Außerdem steht der König gut geschützt. ...Le6 Der richtige Zug. Alternative wäre 18...Lb7, aber das könnte ein Flop wer-den wegen 19.Td7 Lxg2 20.Ta1 Lb2 21.Ta2 und der Läufer ist gefangen. 19.Tb5 Weiß steht sehr aktiv. Beide Sei-ten verfügen über zwei Läufer und zwei Türme. Dennoch ist Weiß im Vorteil: Der a-Bauer von Schwarz kann nicht ziehen.

Sein schwarzfeldriger Läufer hat nur ein Feld. Und wohin mit den schwarzen Tür-men? ...Ld7 20.Tb3 Le7 21.Lf3 Sind das nicht zwei schöne, gewaltige Läufer? ...La4 Schwarz versucht natürlich den Tausch, aber selbstredend spielt Weiß da nicht mit. 22.Tb2 Tad8 ...verhindert erstmal den Vorstoß c3-c4. 23.Ta1 b5 Ich glaube, nur wenige wer-den Schwarz um seine Stellung benei-den. 24.Lc6 a6 25.Lb7 Ld6 26.Le3 a5 Natür-lich nicht 26...Lxh2 - 27.g3 und der Läu-fer ist weg. 27.Lc6 Tb8 Schwarz ist zu Passivität verurteilt. 28.d5 Tfd8 29.Kd3 Lf8 30.Ld4 f6 Jeder Zug von Schwarz ist ein Zugeständnis. Die beiden weißen Läufer beherrschen das Brett. 31.Ke4 Ungehindert kann Weiß seinen König zentralisieren. ...Ld6 32.c4! Lb4 ...der einzige Zug, um den Punkt b5 nicht zu verlieren. 33.La7 f5+ Attacke! Schwarz hofft mit diesem Konter auf Gegenspiel 34.Kf3 Tbc8! 35.cxb5 Lxb5! 36.Lxb5 Lc3 37.Tab1 Lxb2 38.Txb2 Txd5 39.Le3?? Was hatte Weiß erwartet? Mit 39.La4 wäre ein Endspiel Turm und zwei Läufer gegen zwei Türme entstanden. Das wä-re eine reelle Gewinnchance gewesen. ...Tb8! 40.Lc4 ...erzwungen, sonst fällt der Läufer b5 umsonst. ...Txb2 41.Lxd5+ Tja, die meisten wür-den ein Remis geben, weil es fast un-möglich ist, diese Partie zu gewinnen. ...Kh8 42.Ld4 Die beiden Läufer sind stark, aber gegen einen Turm haben sie keine Chance. ...Tb1 43.Ke2 a4 44.g3 a3 45.Kd2 h5

Oktober 2015 Seite | 9

Carlsen, Magnus (2853) - Nakamura, Hikaru (2814)

Page 10: Kleine Schachpost - chess- · PDF file52. Jahrgang; Oktober 2015 3. Sinquefield Cup, St. Louis Aronian siegt vor Carlsen. Topalov führt in Grand-Chess-Wertung

46.h4 Kh7 47.Lc4 g6 Welchen Plan ver-folgt Weiß? Selbst wenn er den a-Bauern erobert, wird es Remis geben. 48.Kc2 Te1? 49.Le3 f4 50.Lxf4 a2 51.Lxa2 Te2+ 52.Kb3 Txf2 53.Lb1 Je weniger Bauern auf beiden Seiten blei-ben, desto näher rückt das Remis. ...Te2 54.Kc4 Kg7 55.Kd5 Te1 56.Lc2 Te2 57.Ld3 Te1 58.Le4 Td1+ 59.Ke5 Te1 60.Ld2 Te2 61.Lc3 Kh6 62.Lb4 Tf2 63.Lc5 Tf1 64.Lb4 Tf2 65.Le7 Tf1 66.Lf6 Tg1 67.Lg5+ Kg7 68.Lf4 Te1 69.Kd5 Zu diesen Zügen fällt mir nichts mehr ein. An dieser Stelle kann ich nur die Notati-on stehen lassen. ...Td1+ 70.Ke6 Te1 71.Ke5 Te2 72.Kd5 Te1 73.Ld3 Kh7 74.Kd4 Kg7 75.Le3 Ta1 76.Ke4 Ta4+ Jetzt mal von der Seite ärgern. 77.Kf3 Ta3 78.Lb5 Tb3 79.Le8 Tb1 80.Lc6 Tb4 81.Ld2 Tb6 82.Lc3+ Kh6 83.Ld5 Tb1 84.Kf4 Tf1+ 85.Ke5 Tg1 86.Ld2+ Kg7 87.Lf4 Te1+ 88.Kd6 Kf6 89.Lf3 Kf5± 90.Kd5 Tf1 91.Le4+ Kg4 92.Lxg6 Txf4 93.gxf4 Kxf4 94.Lxh5 Kg3 95.Ld1 Kxh4 0,5-0,5 Fazit: Man kann Carlsen nicht nachsa-gen, er könne oder wolle nicht kämpfen. Vor einigen Monaten hätte er das Spiel sicherlich noch gewonnen. Momentan scheint es so, als würde die Hierarchie auf dem Schach-Olymp infrage gestellt. Carlsen überspielte Nakamura, der ihm nach Elo-Punkten dicht auf den Fersen ist, konnte aber den Sack nicht zuma-chen. Nakamuras Stellung war ein Hor-ror. Es wäre nachvollziehbar gewesen, wenn er aufgegeben hätte. Das tat er aber nicht - im Rückblick aus gutem Grund. Diese Partie ist ein Beispiel für „erstens kommt es anders und zweitens als man denkt“.

A30: Englische Eröffnung (Symmetrische Variante) 1.Sf3 Sf6 2.c4 b6 3.g3 c5 4.Lg2 Lb7 Die englische Eröffnung: in diesem Fall die sogenannte symmetrische Variante. 5.0–0 g6 6.d4 Weiß hat schon rochiert, also Attacke im Zentrum. ...cxd4 7.Dxd4 Weiß spielt natürlich nicht 7.Sxd4, weil Schwarz sofort den weißen Fianchetto-Läufer auf g2 abtau-schen würde. ...Lg7 8.Sc3 d6 9.Le3 Sbd7 10.Tac1 Tc8 11.b3 a6 12.Tfd1 0–0 13.Dh4 Es wird Zeit, die Dame aus der Schusslinie zu nehmen. ...Te8 14.Lh3 ...verhindert den Wegzug des Springers d7 auf z.B. c5. ...Tc7 15.g4 Da8 16.Ld4 h6 Es geht um den Punkt g5.

Oktober 2015 Seite | 10

Feste Burg. Nakamuras Turm bot Carlsens

Läufern erfolgreich Paroli.

Caruana, Fabiano (2808) - So, Wesley (2779)

Page 11: Kleine Schachpost - chess- · PDF file52. Jahrgang; Oktober 2015 3. Sinquefield Cup, St. Louis Aronian siegt vor Carlsen. Topalov führt in Grand-Chess-Wertung

17.g5± hxg5 18.Sxg5 Weiß droht mit Abtausch der beiden schwarzen Sprin-ger und dann mit dem Einbruch auf h7. ...e6 ...und alles ist im Lot. 19.Le3 Db8 20.Lf4 ...droht auf d6 zu schlagen. ...Lf8 21.Txd6 e5 22.Txd7! Ein starker Zug! Weiß droht mit Matt wegen der Zugfolge 22...Txd7 23.Lxd7 Sxd7 24.Dh7 matt. ...exf4 Was sonst? 23.Tcd1 Weiß steht klar besser. Die sieb-te Reihe ist besetzt, die Türme sind auf der d-Linie verdoppelt. ...Lg7 ...verhindert das Matt und droht selber. 24.T7d3 Tce7 25.Lg2 Lxg2 26.Kxg2 Sh5 ...deckt f4 nochmals, gibt aber das Feld d5 frei. 27.Sd5 Txe2 Ein großes Lob an Schwarz: Innerhalb weniger Züge hat sich das Blatt gewendet. Weiß besetzt zwar den Vorposten auf d5, hat dafür aber die schlechtere Königsstellung. Schwarz besetzt dagegen die zweite Reihe, was in der Regel ein enormes Plus ist. 28.Dg4 Dd6 29.Df3 Weiß kümmert sich erstmal um seine Königssicherheit, be-vor er weiter Druck macht. Dc5 30.T3d2 Die Notbremse. ...T2e5 31.h4 b5 32.Tc2 b4 ...legt die weißen Flügelbauern fest, was in einem Bauernendspiel relevant sein könnte. 33.Tcd2 a5 34.Dg4 Lh6 Der weiße Sprin-ger auf g5 ist lästig. Darum will Schwarz ihn befragen. 35.Kf1 Tf5 ...mit der Idee, auf g5 mit dem Läufer zu tauschen und dann f4-f3 folgen zu lassen, was die weiße Königs-stellung sehr einengt. 36.Sf3 Lg7 37.Dg2 a4 ...droht die weiße Bauernkette zu zerschlagen. 38.Td3 ...aber Weiß ist auf der Hut.

...Da5 39.Sg5 axb3 40.axb3 Lf8 41.Df3 Lc5 42.Se4 Angriff auf den Läufer. ...Kg7 43.Sxc5 Dxc5 44.Td4 Kh6 45.Dd3 Kh7 46.Df3 Te6 47.Kg1 Jeder lauert auf seine Chance, aber dafür sind beide zu gut. Jeder versucht, für seine Figuren die besten Felder zu finden. ...Da5 48.Kg2 Kh6 49.T1d3 Ein großer Fehler wäre, den Bauern f4 zu schlagen. Dagegen spricht die Fesselung des Turms f5 und die unglückliche Stellung der weißen Dame. ...Dd8 50.Dg4 Weil keiner mehr Fort-schritte erzielt, einigt man sich auf ein Remis. 0,5-0,5 Fazit: Ein typisches Spiel zweier Super-großmeister. Die Partie war immer in der Remis-Breite. Beide ließen nichts unver-sucht und waren gleichzeitig immer auf der Höhe des Gegners. Die Punktetei-lung ist gerechtfertigt. In dieser Liga lässt sich ein Gegner halt nicht mehr

überrumpeln. Schöne Partie mit vielen taktischen Giftspritzen. C78: Spanische Partie (Archangelsk- und Möller-Variante) 1.e4 e5 2.Sf3 Sc6 3.Lb5 a6 4.La4 Sf6 5.0–0 b5 6.Lb3 Die spanische Partie, genauer gesagt die Archangelsk-Variante: Die Idee, den Damenläufer frühzeitig auf die große Diagonale zu entwickeln, ist rela-tiv jung. Erst in den sechziger Jahren des 20. Jahrhunderts wurde dieser Auf-bau von Spielern aus dem russischen Archangelsk genauer untersucht, was der Variante ihren heutigen Namen ein-trug. Die Archangelsk-Variante hat seit-

Oktober 2015 Seite | 11

Vachier-Lagrave, Maxime (2731) - Giri, Anish (2793)

Page 12: Kleine Schachpost - chess- · PDF file52. Jahrgang; Oktober 2015 3. Sinquefield Cup, St. Louis Aronian siegt vor Carlsen. Topalov führt in Grand-Chess-Wertung

dem einen festen Platz unter den Spa-nisch-Systemen, denn Schwarz erhält hier gute Chancen auf ein aktives Spiel. ...Lc5 7.c3 Der Zug bewirkt zweierlei: Erstens kann der Läufer b3 sich auf c2 zurückziehen. Zweitens und viel wichti-ger - er bereitet den Bauernvorstoß d2-d4 vor. ...d6 8.d4 Lb6 Mit 8.exd4 käme Schwarz dem weißen Spiel entgegen, weil er Weiß ein Vollzentrum - d4, e4 - gestattet. 9.Le3 0–0 10.Sbd2 h6 ....sonst könnte 11.Lg5 unangenehm drohen. 11.h3 Das Gleiche dachte sich auch Weiß: Es könnte unangenehm Lg4 dro-hen. ...Te8 ...stützt den Bauern e5. 12.Te1 Tb8 13.a3 Ein prophylaktischer Zug: Nachdem Schwarz den Turm auf b8 gestellt hat, besteht die Drohung b5-b4. Die Öffnung dieser Linie wäre für Weiß nicht erstrebenswert. ...Sa5 14.La2 exd4 15.Lxd4 Sc6 16.Lxb6 Txb6 16....cxb6 kommt natürlich nicht infrage. 17.c4 Der Plan von Weiß könnte so aus-sehen: Schwarz schlägt auf c4, der Springer schlägt zurück, mit einem Turmangriff und weiteren Zügen ge-

winnt Weiß Raum auf dem Damenflügel. ...b4 18.c5 dxc5 19.e5 Gut gespielt von Weiß. Schwarz steht gedrückt und der schwarzfeldrige Läufer c8 ist auch noch nicht entwickelt. ...Sh7 20.Se4 Dxd1 21.Taxd1 b3 21...Sxe5?? ist natürlich ein großer Fehler wegen z.B. 22.Sxe5 Txe5 23.Td8+ und 24.Txc8 22.Lb1 c4 Schwarz hat einen Mehrbau-ern. 23.Sc3 Sf8 ...gibt dem Springer zwei gu-te Felder: e6 und g6. 24.Le4 Se7 Wiederum wäre 24...Sxe5 ein grober Schnitzer wegen 25.Sxe5 Txe5 26.Lh7+ und Schwarz verliert die Quali-tät. 25.Sa4 Tb5 26.Sd4 Die beiden weißen Springer wirbeln in der schwarzen Stel-lung herum. ...Ta5 ...und zum Dritten: 26...Txe5 ver-liert die Qualität nach 27.Lh7+ Kxh7 28.Txe5. 27.Sc3 g5 28.Lf3 Se6 ...verhindert 29.e5-e6. 29.Sc6 Sxc6 30.Lxc6 Tf8 Der Plan für Schwarz: Er will f7-f6 spielen, den wei-ßen Bauern e6 abtauschen. 31.Ld5 Sf4 32.Lxc4 Weiß hat seinen Bau-

ern zurück. Die weißen Figuren harmonieren besser. Die schwarzen Streitkräfte stehen verstreut. ...Le6 ...Schwarz ist zu diesem Zug gezwungen wegen des ungedeckten Bauern auf b3. 33.Lxe6 Sxe6 34.Te3 Kg7 35.Se2 Tb8 Deckt das Sorgenkind von Schwarz auf b3. 36.Sd4 Sxd4 37.Txd4 Te8 38.f4 gxf4 39.Txf4 Texe5 40.Txb3 Tab5 41.Tbf3 f5 42.b4 a5 43.Tc3 c5 44.bxc5 ...erzwingt

Oktober 2015 Seite | 12

Auch wenn die Perspektiven ins Grau verschwammen:

Das Springerpaar, das bei Schwarz herumwirbelte, ge-

hörte Weiß.

Page 13: Kleine Schachpost - chess- · PDF file52. Jahrgang; Oktober 2015 3. Sinquefield Cup, St. Louis Aronian siegt vor Carlsen. Topalov führt in Grand-Chess-Wertung

Oktober 2015 Seite | 13

H aube drüber. Deutschlands beste Schachspielerin Elisabeth Pähtz hat geheiratet. Als

nachdenkliche Frau, wie sie unser Zeichner Siegfried R. sieht, wird sie sich diesen

Schritt gut überlegt haben. Von einem Schachzug wollen wir an dieser Stelle aus romanti-

schen Gründen nicht sprechen. Auch wenn ihr Mann ebenfalls Schachspieler ist, nämlich ein

IM aus Italien namens Iart Luca Shytay. Ort der Trauung war die Kreisstadt Sömmerda in

Thüringen nahe der Landeshauptstadt Erfurt, wo Pähtz 1985 geboren wurde. Am Brett aus-

gebildet wurde sie von ihrem Vater Thomas, einem Großmeister. Mit fünf Jahren nahm sie

zum ersten Mal an einer Deutschen Damenmeisterschaft teil, 1990 in Neustadt an der

Saale. Seit 2004 trägt sie den Titel eines Internationalen Meisters. Eine weniger bekannte

Leidenschaft von ihr ist das Singen. Hörprobe unter: youtube.com/watch?v=8jfDKFrD41M.

Die Kleine Schachpost wünscht einer großen Spielerin viel Glück auf ihrem Lebensweg. (mn)

Page 14: Kleine Schachpost - chess- · PDF file52. Jahrgang; Oktober 2015 3. Sinquefield Cup, St. Louis Aronian siegt vor Carlsen. Topalov führt in Grand-Chess-Wertung

I n der Schachpost von September be-richteten wir über die Ergebnisse der

UKA German Masters in Dresden. Nun liefern wir die Besprechung einer inter-essanten und lehrreichen Partie nach: das Duell zwischen dem Fünftplatzierten Falko Bindrich mit Weiß gegen den Viertplatzierten Matthias Blübaum. Es kommentiert unser Redaktionsmitglied Jürgen H.

E46: Nimzoindisch (Rubinstein-System) 1.c4 Sf6 2.Sc3 e6 3.d4 Lb4 Nimzo-witsch-Indisch: Der Schöpfer dieses Sy-stems war der im lettischen Riga gebo-rene, später nach Dänemark verzogene Großmeister Aron Nimzowitsch (1886-1935). Mit der Fesselung des weißen Springers will Schwarz den Vorstoß e2-e4 verhindern. Oft bekommt das Spiel einen sehr geschlossenen Charakter. 4.e3 Dieses System geht auf Akiba Ru-binstein zurück. Die ursprüngliche Idee war, dass Weiß den lästigen Läufer b4 bald durch a2-a3 befragt, aber ohne die Verdoppelung seiner Damenflügelbau-ern zuzulassen. Der Textzug verschafft Weiß die Möglichkeit zur Deckung des gefesselten Springers durch 5.Sg1-e2. ...0-0 5.Sge2 c6 Schwarz will d7-d5 spie-len. 6.a3 La5 Schwarz will den schwarzfeldri-gen Läufer behalten und bekommt auf c7 eine schöne, fast freie Diagonale. 7.Sg3 d5 8.cxd5 cxd5 Schwarz könnte auch 8...exd5 spielen. Das hätte den Vor-teil, dass der Läufer c8 befreit wird. Aber wenn Weiß dann schlau ist, startet

er einen Minoritätsangriff wie im Da-mengambit. 9.Ld3 Sc6 10.b4 Der Zug war zu erwar-ten: raumgreifend. Weiß hat nur ein klei-nes Problem: Wohin mit seinem Lc1? ...Lc7 11.f4 Sehr offensiv gespielt. ...Ld7 12.0–0 Tc8 Beide Seiten entwik-keln ihre Streitkräfte. Schwarz will sein Glück auf der c-Linie versuchen. 13.Ld2 Se7 14.Le1 Auf h4 bewirkt der Läufer viel mehr. ...Se8 15.Sh5 15...g6 ...provozierte die Schwächung der Rochadestellung. Aber Weiß wird es schwer haben, diese aus-zunutzen. 16.Sg3 Sd6 Schwarz steht sehr kompakt und ohne Schwächen. 17.Sge2 f5 Klick. Und nun? Eine regel-rechte Blockadestellung! 18.Lh4 De8 ...entfesselt den Springer. 19.De1 Se4 Ein ideales Feld für den Springer 20.Kh1 Ld6 ...räumt die c-Linie für den Turm. 21.Tg1 In Verbindung mit dem 20.Zug ist das ein forscher Plan. Weiß will einen Königsangriff starten! ...Df7 22.g4? Zu früh, zu schnell! Weiß sollte erst Tc1 spielen, um das Gegen-spiel von Schwarz zu neutralisieren. ...Tc7 23.Sb5 Lxb5 24.Lxb5 Sc8 Schwarz will seinen zweiten Springer über die Route e7-c8-b6 führen. 25.Tc1 Sb6 26.Txc7 Dxc7 27.Sg3 Weiß dominiert den Königsflügel. Schwarz attackiert auf dem Damenflügel. ...Dc2 28.Tg2 Die zweite Reihe kann man Schwarz nicht einfach überlassen. ...Sxg3+ 29.hxg3 Db3 30.gxf5 exf5 31.g4 fxg4 32.Txg4 Dxa3 Schwarz hat einen Mehrbauern. Seine Stellung gefällt mir besser. 33.Dg1 ...droht z.B. Txg6+ mit Dauer-

Oktober 2015 Seite | 14

Bindrich, Falko (2619) - Blübaum, Matthias (2607)

Page 15: Kleine Schachpost - chess- · PDF file52. Jahrgang; Oktober 2015 3. Sinquefield Cup, St. Louis Aronian siegt vor Carlsen. Topalov führt in Grand-Chess-Wertung

schach. ...Kg7?? 33...Kh8 ist angesagt. Schwarz sollte seinen König von der Linie entfer-nen und z.B. Sc4 spielen. Wie gesagt: Er hat einen Mehrbauern und es droht kei-ne direkte Gefahr. 34.f5 Txf5 35.Le8 ...droht fürchterlich Lxg6. ...Kf8 36.Lxg6 Weiß macht es trotzdem. ...Tf3 Stark gespielt. Der weiße König steht etwas unsicher, außerdem hängt der Bauer e3. 37.Ld3 Th3 Der Läufer ist natürlich nicht zu schlagen wegen Matt, z.B. 37...Dxd3 38.Tg8+ Kf7 39.Dg7+ Ke6 40.Te8+ Le7 41.Dxe7+ Kf5 42.De6# matt. 38.Kg2 Th2+ 39.Kf3 Th3+ 40.Kg2 Th2+ 41.Kf3 Th3+...und beide waren zufrie-den mit dem Remis. 0,5-0,5

S eit 11. September und noch bis 5. Oktober läuft in Baku der Weltcup.

An den Brettern der aserbaidschani-schen Hauptstadt trifft sich das Who is Who der Schachwelt. Von den zehn Be-sten der Welt fehlen nur Weltmeister Magnus Carlsen und die Nummer drei der Weltrangliste Viswanathan Anand. Bei den beiden mangelt es am Anreiz für die Teilnahme, denn Ziel des Weltcups ist in der Regel der Vorstoß ins Finale.

Die Finalisten wiederum qualifizieren sich für das Kandidatenturnier, bei dem die Herausforderer für den Schachwelt-meister ermittelt werden. Carlsen wird als amtierender Weltmeister eh seinen Titel verteidigen und Anand hat bereits ein Ticket für den Kampf um die Schach-krone in der Tasche. Das gleiche gilt zwar auch für Fabiano Caruana, Num-mer zwei der Weltrangliste, und Hikaru Nakamura, Nummer vier. Diese beiden treten dennoch in Baku an. Übung macht den Meister - und den Großmeister of-fenbar noch größer. Nisipeanu einziger Deutscher Auch das schöne Geschlecht kämpft mit. Unter anderem die Chinesin Hou Yifan. Sie führt die Frauen-Weltrangliste an: mit 2676 Elo. Ans Brett tritt auch Frauen Weltmeisterin Maria Muzychuk aus der Ukraine. Sie rangiert auf Nummer zehn bei den Damen weltweit (2528). Aus Deutschland konnte sich nur ein Mann qualifizieren, die neue Nummer eins nach der Ära Arkadij Naiditsch, Liviu-Dieter Nisipeanu (2654). 120.000 Dollar für den Sieger Neben einer Eintrittskarte für den Welt-meisterkampf, Elo-Punkten und Prestige gibt es reichlich Geld zu gewinnen. Der Sieger erhält 120.000 US-Dollar. Der Zweite immerhin noch 80.000. Dann geht es abwärts von Runde sechs zurück bis Runde 2: 50.000, 25.000, 16.000 bzw. 10.000 Dollar. Die Kleine Schachpost wird sich bemühen, aus hunderten von Partien die interessantesten herauszufi-schen. Mehr dazu in der November-Ausgabe. (mn)

Oktober 2015 Seite | 15

Weltcup in Baku

Page 16: Kleine Schachpost - chess- · PDF file52. Jahrgang; Oktober 2015 3. Sinquefield Cup, St. Louis Aronian siegt vor Carlsen. Topalov führt in Grand-Chess-Wertung

D rei Jahre lang spielten die Mitglie-der des Pester Schachklubs - Pest

ist der Ostteil der ungarischen Haupt-stadt Budapest - ein Fernduell gegen Meister aus Paris. Es begann im Jahr 1842. Die Ungarn richteten ihr Spiel ganz auf Verteidigung aus. Über die Motive mag man rätseln? War es Respekt vor Können und Ruhm der Franzosen, die Angst vor einer schnellen Niederlage? Oder war es List? Sollten die defensiv agierenden schwarzen Figuren die wei-ßen zu einem leichtsinnigen Versuch verleiten, in die schwarze Phalanx einzu-brechen und so in eine Falle locken? Auf jeden Fall wollten die Ungarn einen Vormarsch der weißen Figuren auf ihren Teil des Schachfelds verhindern. Getreu der - auch in Bayern verbreiteten - Devi-se: Meine Felder bleiben meine Felder und ich kontrolliere, wer sich darauf wie und wohin bewegt. Eine aus schachtak-tischer Sicht nachvollziehbare Haltung. Irrig scheint es dagegen, von der streng

defensiven Natur der Eröffnung ungari-schen Typs und aktuellen politischen Ereignissen an der Grenze des osteuro-päischen EU-Mitglieds auf eine Eigen-schaft eines möglichen Nationalcharak-ters zu schließen. Das ist schon deshalb zu einfach, weil die Ungarn von den krie-gerischen Magyaren abstammen, die, beginnend im Jahr 899 n. Chr., mehr als ein halbes Jahrhundert lang ihre Nach-barn mit Überfällen plagten - den soge-nannten „Ungarneinfällen“. Einfallen könnte einem angesichts der europäi-schen Kontroverse um Menschen, die auf fremdes Gebiet auswandern wollen, auch die Sage vom ungarischen „Wunderhirsch“: Zwei Vorfahren der Ungarn, Hunor und Magor, jagten eine Hirschkuh. Das Tier floh, lockte sie in ein Sumpfgebiet und führte sie dann zu fruchtbarem Land, dem späteren Sied-lungsgebiet der Ungarn. Mehr Sachlich-Schachliches zur Ungarischen Verteidi-gung von Jürgen H. (mn)

Oktober 2015 Seite | 16

Parallelen zwischen der Zeichnung von Heiko K. und der Situation an der ungarischen Gren-

ze könnten rein zufällig sein, sind es aber nicht. Inspiration kennt nun mal keine Grenzen.

Page 17: Kleine Schachpost - chess- · PDF file52. Jahrgang; Oktober 2015 3. Sinquefield Cup, St. Louis Aronian siegt vor Carlsen. Topalov führt in Grand-Chess-Wertung

C50: Ljubljana, 24.6.2000 1.e4 e5 2.Sf3 Sc6 3.Lc4 Le7 Die ungari-sche Verteidigung: Der Grundgedanke ist, den eventuellen Springerausfall nach g5 zu vermeiden. (Im Vergleich dazu das Zweispringerspiel im Nachzug.) Ande-rerseits verzichtet Schwarz auf aktives Gegenspiel z.B. mittels 3...Lf8-c5, die italienische Partie, wodurch sie an-spruchslos erscheint. 4.d4 Das Energischste! 4...exd4 5.Sxd4 d6 Befreit den Läufer c8 und verhindert erstmal e5. 6.0–0 Sf6 7.Sxc6 bxc6 8.Sc3 0–0 9.h3 Te8 Ein Multifunktional-Zug: Zum einen hat er den Bauern e5 im Auge, zum anderen schafft er dem Läufer e7 ein Rückzugs-feld, zusätzlich gehört der Turm auf die e-Linie - wegen des Zentrumskampfs. 10.Te1 Sd7 Der wichtige zentrale Punkt e5 ist fest in schwarzer Hand. 11.Le3 Se5 12.Le2 12.Lc4-b3 scheint auch möglich. Aber wenn der schwarze Läufer auf a6 eine wichtige Diagonale besetzt, kann Weiß dem nichts dagegen setzen. Außerdem sollte man ein Läufer-opfer auf h3 auch nicht außer Acht las-sen. 12...Sg6 13.Dd2 Lf6 Weiß hat zwar eine aktive Stellung, aber Schwarz verteidigt wichtige Punkte, z.B. die Felder b5 und e5. 14.Tad1 a5 Ein guter Zug, der zwei Ziele verfolgt: Zum einen kann Schwarz den weißen Läufer befragen mit Lc8-a6. Zum anderen droht einfach a5-a4-a3. Die Bau-ern auf dem weißen Damenflügel sind festgelegt. Der weit gerückte schwarze Bauer auf a3 könnte nochmal zum Pro-

blem werden. 15.b3 De7 16.Ld3 Es geht ums Zentrum. 16...Sh4 Das Läuferopfer auf h3 verdient Beachtung, z.B. 16...Lxh3, 17.gxh3 Sh4, 18.Kh1 und Schwarz hat Drohungen auf f3. 17.Kh1 De5 Weiß hat große Probleme. Der Springer c3 hängt und es droht Lc8xh3 18.Se2?? Weiß hat die Gefahr nicht er-kannt. 18...Lxh3! 19.f4 19.gxh3 ist nicht spiel-bar wegen 19...Sf3. Es droht Damenver-lust oder Matt auf h2. Aber der Partiezug bringt auch keine Rettung. 19...Lxg2+ 20.Kh2 De6 droht Dh3+. Noch stärker wäre 20...Dh5 mit der Folge 21.Sg3 Dg4, 22.Dxg2 Sxg2, 23.Le2 und Schwarz sollte gewinnen. 21.f5 Es droht immer noch der Damen-verlust nach Sf3+ De7 22.Sg1 Lf3 23.Tb1 Le5+ 24.Kh3 24.Lf4?? wäre ein grober Fehler wegen der Kreuzfesselung nach 24...Dg5!! Lg2+ 25.Kg4 h5+! 26.Kxh5 erzwungen 26...Sf3 Es wird eng für Weiß: Weder 27.Sxf3 funktioniert, und zwar wegen 27...Lxf3 matt, noch 27.Dxg2, dies wegen 27...Dxh4 matt. 27.Df2 Der einzig sinnvolle Zug. 27...g6+! 28.fxg6 Was sonst? Auf 28.Kg4 folgt 29.Sh2 matt. 28...fxg6+ Weiß sah das Ende kommen nach 29.Kxg6 Dh7# und gab auf. 0–1 Fazit: Weiß agierte im Mittelspiel zu sorglos. Schwarz hatte einen Plan: Sein 17. Zug brachte Weiß in Verlegenheit . In der Folge war er nicht mehr auf der Hö-he des Geschehens. Schwarz spielte dagegen druckvoll, fehlerfrei und ge-wann verdient. Der Mattangriff ist se-henswert.

Oktober 2015 Seite | 17

Jeric, Simon (2333) - Basagic, Zlatko (2338)

Page 18: Kleine Schachpost - chess- · PDF file52. Jahrgang; Oktober 2015 3. Sinquefield Cup, St. Louis Aronian siegt vor Carlsen. Topalov führt in Grand-Chess-Wertung

C50: 1.11.2006, USA 1.e4 e5 2.Sf3 Sc6 3.Lc4 Le7 4.d4 d6 Ver-gleiche dazu die Partie Jeric-Basagic auf der vorhergehenden Seite. Bagasic spiel-te 4...exd4. 5.d5 Jetzt bekommt die Partie einen ge-schlossenen Charakter. 5...Sb8 Der Rückzug scheint am besten zu sein. Den Vorpostenbauern muss Schwarz bald befragen, sonst könnte er eine sehr beengte Stellung bekommen. 6.Ld3 Der richtige Weg. ...c6 7.c4 Sf6 8.Sc3 0–0 9.h3 9...Lg4 sollte man schon vermeiden. 9...a6 10.a4 ist gegen 10...b5 gerichtet. 10...a5 11.0–0 Sa6 strebt nach b4. 12.Le3 Sb4 13.Tc1 c5 14.Lb1 g6 15.Lh6 Sh5 16.Dd2 Weiß könnte durchaus Lh6xf8 spielen und die Qualität nehmen. Schwarz muss dann erstmal beweisen, dass das Opfer berechtigt war. Der Springer h5 strebt nach f4 und es droht der Einschlag auf h3. Aber ob das reicht ist fraglich. Sei‘s drum, wir werden es nicht erfahren. 16...Te8 17.Sb5 Vorposten! Auf dem Da-menflügel scheint ein gewisses Patt zu herrschen. Eine seltsame Symmetrie! 17...Ld7 18.Tc3 Sa6 19.g4 Jetzt macht der 18. Zug Sinn. Weiß will den Turm auf die g-Linie stellen. In Verbindung mit Läufer, Springer, Dame und den Bauern will er einen Königsangriff inszenieren. 19...Sg7 20.Sg5 f6 21.Sf3 Schwarz hat eine kompakte Verteidigung. Es wird nicht leicht für Weiß sie zu durchbre-chen. 21...Tf8 22.Kh2 De8 23.Tg1 Df7 24.Tg2

Tae8 25.Sh4 Weiß macht mobil. Schwarz sammelt Verteidiger um seinen König. 25...Kh8 26.Tf3 Sb4 Beide Seiten haben sich optimal aufgestellt. 27.g5 Es geht los! 27...Lxb5 28.axb5 Weiß hat das Läufer-paar, aber die beiden Läufer bewirken nicht viel. 28...Dg8? 28...Td8 und der Dame das Feld e8 zu ermöglichen wäre besser. 29.gxf6 Txf6 30.Ta3 Weiß will nicht tau-schen. Er hat eine Angriffsstellung. Je-der Tausch begünstigt den Verteidiger. 30...Sh5 31.Txa5 Schwarz opfert einen Bauern, aber er wird eine spürbare In-itiative bekommen. 31...Df7 32.Lg5 Sf4? Das Qualitätsopfer mit Tf6-f4 wäre viel besser, denn wenn Weiß es annimmt, bekommt Schwarz mit seinem Springer auf f4 ein hervorragen-des Feld. 33.Tg4?? Tg1 ist besser, aber Weiß woll-te sich rechtzeitig um den Springer f4 kümmern und den Tausch forcieren. 33...Sfxd5 Es droht 34...Txf2 mit Damen-gewinn. 34.Lxf6+ Sxf6 Weiß hat die Qualität gewonnen, aber Schwarz hat eine akti-ve, gesunde Stellung. Weiß hat einen schlechten Läufer auf b1 und seine Streitkräfte harmonieren noch nicht. 35.Tg2 Sg8 Von dem Bauern c4 sollte Schwarz die Finger lassen, z.B. 35...Dxc4 36.Dh6 Sg4+ und 37.Txg4 Lxh4 38.Dxh4 und Weiß sollte gewinnen. 36.Tg4 Tf8 37.Kg2 Dxc4 Jetzt kann er genommen werden. 38.Dc3 Weiß will aus verständlichen Gründen den Damentausch. Das würde seine Aufgabe erleichtern. Er hat zwar mehr Qualität, aber seine Figuren koope-rieren nicht. 38...Df7 droht 39...Dxf2+. 39.Dg3?? Ein großer Fehler in einer

Oktober 2015 Seite | 18

Rogers, Norman (2260) - Hess, Robert L (2358)

Page 19: Kleine Schachpost - chess- · PDF file52. Jahrgang; Oktober 2015 3. Sinquefield Cup, St. Louis Aronian siegt vor Carlsen. Topalov führt in Grand-Chess-Wertung

a b c d e f g h

8 8

7 7

6 6

5 5

4 4

3 3

2 2

1 1

a b c d e f g h

schwierigen Lage. Weiß verliert seinen Vorsprung beim Material. 39...Sf6 40.Sxg6+ ist noch das Beste. 40...hxg6 41.Txg6 Dh7 42.Kf1 Sh5 Der Springer strebt wieder nach f4, seinem Idealfeld, und lähmt die Stellung von Weiß. 43.Dg4 Sf4 h3 hängt. 44.Te6 Weiß will verständlicherweise aktiv spielen, aber ob das der richtige Weg ist? Nach dem Partiezug hat Weiß eine Minusfigur. 44...Sxe6 45.Dxe6 Df7 46.Dxf7 Txf7 Zie-hen wir mal Zwischenbilanz: Weiß hat eine Minusfigur und einige schlechte Felder. Er sollte aufgeben. 47.Ke2 Lh4 48.f3 Kg7 49.La2 Sxa2 50.Txa2 Die Partie ist längst entschie-den. 50...Kf6 51.Ta8 Th7 52.Tf8+ Ke6 53.Tb8 Lg5 54.b6 Ein Versuch zu schwindeln: Weiß will den schwarzen Turm an die Verteidigung des Bauern b7 binden. 54...c4 55.Kd1 Le3 56.Tc8 Lxb6 57.Txc4 Txh3 58.Tb4 Lc5 59.Txb7 Txf3 60.Kd2 Kf6 61.Tb8 droht Tf8+ und Turmgewinn, was natürlich zu offensichtlich ist. 61...Kg5 62.b4 Ld4 63.b5 Kf4 64.b6 Kxe4 65.b7 Tf2+ 66.Kc1 Kd3 67.Kb1 Tb2+ 68.Kc1 Tb6 und Weiß hatte genug. 0–1 Fazit: Weiß hatte lange Zeit eine gute Stellung, bis er einbrach. Mit Minusfigur war die Stellung nicht haltbar. Die unga-rische Verteidigung bringt Schwarz zwar erstmal in ein passive Stellung, sie funktioniert aber trotzdem solide.

Aufgabe Nr. 11 Weiß ist am Zug und gewinnt. Die Stel-

lung zwischen R. Spielmann und F.

Flamberg aus einem Duell 1914 in Mann-

heim ist reif für eine effektvolle Schluss-

kombination. Der Wiener Großmeister

setzte sein Spiel mit Weiß mit welchem

Opferangebot fort? Das Turnier wurde

vorzeitig beendet, weil der Erste Welt-

krieg ausbrach. Der Russe Alexander

Aljechin errang so seinen ersten großen

Erfolg: Er führt das Feld an und wurde

zum Sieger erklärt. 13 Jahre später,

1927, entthronte er den damaligen Welt-

meister Raúl Capablanca aus Kuba.

(Anton Königl, FC Ergolding)

Oktober 2015 Seite | 19

Lösung der Aufgaben 9 und 10 aus Schachpost 9/2015: 9.) 1.TxLd5+ cxTd5 2.Sd3+ exSd3 3.f4++ matt. 10.) 1...Dxf2+! 23.KxDf2 Sxe4+ (Doppelschach) 3.Ke1 Lf2++ matt (1...Kh1 2.Sc5xe4)

Page 20: Kleine Schachpost - chess- · PDF file52. Jahrgang; Oktober 2015 3. Sinquefield Cup, St. Louis Aronian siegt vor Carlsen. Topalov führt in Grand-Chess-Wertung

Fortsetzung von Ausgabe Sept. 2015.

I ch baute mich hinten zu, anstatt mei-ne Figuren zu entwickeln - in der Hoff-

nung, mein Gegner würde ein Opfer an-nehmen und Platz für meine Entwick-lung schaffen. Falsch gedacht: Mein Gegner baute strategisch eine gute Ver-teidigung auf, jedoch mit genug Raum für die Entwicklung eines harten An-griffsschlags auf meinem völlig unbe-weglichen Königsflügel. Fazit aus die-sem Spiel: Auch Gewalttäter sind nur Menschen und manche unter ihnen be-sitzen ein wirklich geschicktes Händ-chen und Köpfchen für Schach!

„Fail early, learn fast!“

Von jetzt an lernte ich das Verlieren und machte es zur Tugend. Ich begann, Er-öffnungen aus der SZ nachzuspielen und zu improvisieren, wenn ich mich nicht mehr erinnern konnte. Immer wieder verlor ich und oft aus sehr dummen Gründen. Getreu dem Motto „fail early, learn fast!“ wollte ich nur eines verhin-dern: den selben Fehler zweimal zu ma-chen.

Das funktionierte erstaunlich gut. Immer mehr Züge stellten sich später als strate-gisch günstig heraus. Ich bekam ein Ge-fühl für gute Züge. Ein deutlicher Sprung im Vergleich zu meinem Spiel im Inter-nat vor 20 Jahren. Schach ist unter dem Einfluss der Computer analytischer ge-worden. Aber beim Spiel sitzen einem immer noch Menschen gegenüber mit all ihren Stärken und Unzulänglichkeiten.

Springer am Rand / Regel ist Schmand

Umso interessanter empfand ich eine Partie, die gegen eine der Regeln für gutes Schach verstieß: „Springer am Rand, bringt Unglück und Schand.“ Bei

den 16. Europäischen Einzelmeister-schaften in Jerusalem spielte Akopian gegen Paligras. Nach 1.e4 c6 2.d4 d5 3.e5 c5 4.dxc5 Sc6 5.a3 e6 6.Sf3 Dc7 7.Le3 Ld7 8.Sc3 a6 folgte der originelle Zug 9.Sa4. Das Spiel entwickelte sich hochinteressant weiter. Im Verlauf steht Weiß im Zentrum, hat aber mit Entwick-lungsproblemen zu kämpfen. So die Ein-schätzung der Experten.

Vorhersehbar = besiegbar

Wozu braucht es die Springerregel, wenn man sie mit Erfolg ignorieren kann? Gilt nicht vielmehr: Wer üblich und vorhersehbar spielt, wird üblich und vorhersehbar besiegt? Spielt man außer-gewöhnlich, hat man gute Chancen, den Gegner zu verblüffen und zumindest bei der Eröffnung und im Mittelspiel ins Schwitzen zu bringen. Nicht immer, aber immer mal wieder.

Trotz vieler Niederlagen habe ich mich also bei meinem Wiedereinstieg ins Schachspiel nicht entmutigen lassen, sondern bei den Versuchen wichtige Erkenntnisse gewonnen. Es ist nicht der Sieg, der zählt, auch nicht der Siegeswil-le, sondern der Zugewinn an Wissen und Erfahrung.

Siege können so enttäuschend sein

Daher, liebe Anfänger, Wiedereinsteiger oder Noch-gar-nicht-Schachspieler: Lasst Euch nicht entmutigen! Niederla-gen können die besseren Spiele sein. Mit dieser Haltung werdet ihr schnell Fort-schritte machen. Der erste Sieg nach langer Zeit wird Euch wie eine Enttäu-schung vorkommen.

Viel Erfolg und Spaß!

Euer (dk)

-

Oktober 2015 Seite | 20

Page 21: Kleine Schachpost - chess- · PDF file52. Jahrgang; Oktober 2015 3. Sinquefield Cup, St. Louis Aronian siegt vor Carlsen. Topalov führt in Grand-Chess-Wertung

Die KLEINE SCHACHPOST erscheint seit 1964. Sie lehrt das Königliche Spiel, berichtet

über Turniere und Partien und unterhält den Schachfreund. Seit April 2015 gibt es die

Schachpost zusätzlich in einer elektronischen Variante. Produziert wird das Heft in der

Justizvollzugsanstalt (JVA) Straubing von Häftlingen unter der Leitung eines verant-

wortlichen Lehrers der Schule/Bücherei in der JVA. Das Abonnement der Kleinen

Schachpost ist gratis.

Was Sie als Leser von der Kleinen Schachpost erwarten dürfen:

Aktuelles national und international: Berichte von ausgewählten Turnieren mit

Partien zum Nachspielen, Kommentaren zu einzelnen Zügen und taktischen Alter-

nativen.

Aktuelles regional: Berichte von Turnieren der Ligen, in denen Mannschaften der

JVA mitspielen - ebenfalls mit Partien zum Nachspielen, Kommentaren zu einzel-

nen Zügen und taktischen Alternativen. Außerdem die aktuellen Platzierungen in

der Tabelle

Interna: aus der Schachgemeinschaft der JVA Straubing

Schachtheorie: Alles über Schachstrategie und –taktik, von Eröffnung bis Endspiel

- mit geschichtlichem Hintergrund der verschiedenen Varianten und Kurzporträts

ihrer Erfinder. Zusätzlich mindestens eine Beispielpartie, um die Variante nach-

spielen und verstehen zu können.

Übung (die den Meister macht): Schachrätsel als Denksportaufgabe - mit Auflö-

sung im folgenden Heft.

Gut Zug und wachsende Freude am Schachspiel wünscht Ihre

KLEINE SCHACHPOST

Impressum:

Herausgeber:

Der Leiter der JVA Straubing

Verantwortlicher Redakteur: Lehrer i. JVD

Andreas Bauer

Redaktion: 6 interessierte JVA-Insassen

Anschrift:

Justizvollzugsanstalt Redaktion „Kleine Schachpost“

Äußere Passauer Str. 90 94315 Straubing

Herstellung:

Computersatz & Laserdruck