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0STERREICHISCHE BOTANISCHB ZRITSCHtlIFT, Herausgegeben und redigirt yon Dr. Richard R. v. Wettstein, Professor an der k. k. Universit~t in Wien. Verlag yon Carl Gerold's Sohn in ~rien. LI. Jahrgang, No. 9. Wien, September 1901. Kleinere Arbeiten des pflanzenphysiologischen Institutes der Wiener Universit~t. XXXII. Physiologisehes fiber die Entwieklung yon Sauromatum guttatum Sehott. Von K. Genau, stud. phil. (Klosterbruek). Einige grosse Blumenhandlungen bringen eine Pflanze auf den Markt, welehe sieh aus der Knolle angeblieh ohne jede Wasser- zufuhr yon aussen zur Entwieklung bringen liisst; es ist Sauro- matum guttatum, eine im Himalaya vorkommende Aroidee. In den Handel kommen Knollen dieser Pfianze, die etwa FaustgrSsse und dartiber bis zum Doppelten dieser GrSsse besitzen. Dass die aus Knollen hervorgehenden Triebe gewisser Pflanzen ohne Benetzung zu ansehnlieher GrSsse gelangen kSnnen, ist lange bekannt. Weniger bekannt ist, dass etiolierte Triebe der Kartoffel- knollen ohne Wasserzufuhr sogar his zur Anlage der Blfiten ge- braeht werden kSnnen. 1) Von manehen Samen gilt dasselbe. So kSnnen nach Wiesner's Untersuehungen ~) Samen yon Viscum album sogar im Exsiecator noeh zur Keimung kommen. Dass aber aus einer Knolle ohne Benetzung und ohne dass man sie in den Boden zu bringen brauchte, eine vollsti~ndige Pfianze hervorgeht, ist eine hSehst auffallende Erseheinung, die yon einer weitgehenden Anpassung der Pfianze an troekene Standor~e Zeugnis gibt. Ueber Anregung des Herrn Hofrathes Wiesner unterzog ieh mieh der Aufgabe, die Entwieklung der Pfianze in physiologiseher Hinsieht zu beobachten, wobei ieh constatieren konnte, dass sieh die Pflanze thats~chlieh ohne Wasseraufnahme bis zur vollen Entfaltung der Bliite entwickelte. 1) Belegexemplar im pflanzenphysiologisehenInstitute der Wiener Uni- versitiit. 2 e ') W i s n er, Pflanzenphysiolog.Mittheilungen aus Buitenzorg. IV. Ver- gleiehende physiologisehe Studien fiber die Keimung europ~ischerund tropiseher Arten yon Viscum und Loranthus. Sitzungsber. tier kais. hkademie der Wissen- schaften. Wien. Bd. 103. 1894. 0esterr. botan. Zeitsehrift. 9. Heft. 1901. 24

Kleinere Arbeiten des pflanzenphysiologischen Institutes der Wiener Universität. XXXII

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0 S T E R R E I C H I S C H E

BOTANISCHB ZRITSCHtlIFT, Herausgegeben und redigirt yon Dr. Richard R. v. Wet t s t e in ,

Professor an der k. k. Universit~t in Wien.

Verlag yon Carl Gerold's Sohn in ~rien.

LI. Jahrgang, N o. 9. Wien, September 1901.

Kleinere Arbeiten des pflanzenphysiologischen Institutes der Wiener Universit~t. XXXII.

Phys io log i sehes fiber die E n t w i e k l u n g yon S a u r o m a t u m g u t t a t u m Sehot t .

Von K. Genau, stud. phil. (Klosterbruek).

Einige grosse Blumenhandlungen bringen eine Pflanze auf den Markt, welehe sieh aus der Knolle angeblieh ohne jede Wasser- zufuhr yon aussen zur Entwieklung bringen liisst; es ist Sauro- matum guttatum, eine im Himalaya vorkommende Aroidee. In den Handel kommen Knollen dieser Pfianze, die etwa FaustgrSsse und dartiber bis zum Doppelten dieser GrSsse besitzen.

Dass die aus Knollen hervorgehenden Triebe gewisser Pflanzen ohne Benetzung zu ansehnlieher GrSsse gelangen kSnnen, ist lange bekannt. Weniger bekannt ist, dass etiolierte Triebe der Kartoffel- knollen ohne Wasserzufuhr sogar his zur Anlage der Blfiten ge- braeht werden kSnnen. 1) Von manehen Samen gilt dasselbe. So kSnnen nach W i e s n e r ' s Untersuehungen ~) Samen yon Viscum album sogar im Exsiecator noeh zur Keimung kommen. Dass aber aus einer Knolle ohne Benetzung und ohne dass man sie in den Boden zu bringen brauchte, eine vollsti~ndige Pfianze hervorgeht, ist eine hSehst auffallende Erseheinung, die yon einer weitgehenden Anpassung der Pfianze an troekene Standor~e Zeugnis gibt.

Ueber Anregung des Herrn Hofrathes W i e s n e r unterzog ieh mieh der Aufgabe, die Entwieklung der Pfianze in physiologiseher Hinsieht zu beobachten, wobei ieh constatieren konnte, d a s s s i e h die P f l a n z e t h a t s ~ c h l i e h o h n e W a s s e r a u f n a h m e bis zur vo l l en E n t f a l t u n g de r Bl i i te e n t w i c k e l t e .

1) Belegexemplar im pflanzenphysiologisehen Institute der Wiener Uni- versitiit.

2 e ') W i s n er, Pflanzenphysiolog. Mittheilungen aus Buitenzorg. IV. Ver- gleiehende physiologisehe Studien fiber die Keimung europ~ischer und tropiseher Arten yon Viscum und Loranthus. Sitzungsber. tier kais. hkademie der Wissen- schaften. Wien. Bd. 103. 1894.

0esterr. botan. Zeitsehrift . 9. Heft. 1901. 2 4

322

A. Im L i c h t e b e o b a c h t e t e Pf lanze. ~)

G e w i e h t - ~ - ~ ~ ~ Entwicklungsstadium Datum

19./1. 22:/1. 23./1. 24./1. 25./1. 26 ./1.

G r a m m

329"104 326"022 325"276 324"621 323"864 322"994

0o4 1"16 I 1"39 I 1"59 1"86

em

100

6

8

190 200

17"5 ~ 170 200

19.50

72 85 88 75 83

Entwicklung der Niederbl~itter.

27./1. 28./1. 29./1. 30./1. 31./1.

1./2. 2./2.

322"392 321"762 320"987 320"183 319"182 318"210 317"178

2"04 2"23 2"47 2"71 3"01 3"31 3"62

0"8 0"9 1"2 0"9 1"4 1"4 1"7

16.50 18.6 o 15" 20 19.2 o 20" 20 16"4 ~ 20" 20

!! Die Spatha kommt zum Vorschein.

3./2. 4./2. 5:/2. 6./2. 7./~. 8./2. 9./2.

315"977 314"353 313"183 311"720 310"147 308"670 307"443

3"99 4"48

!4-84 5"28 5"76 6"21

16"58

2

0

9 3"3

120"0 ~ 19.6 o 20 o

22-50 20" 7 ~

190 170

8O 66 Ii 83 li 81 Ii 73 71 8O

Wachsthum der Nieder- bli~tter abnehmend.

Fortschreitendes Wachsthum der Spatha.

10./2. 11./2. 12./2. 13./2. 14./2. 15./2. 16./2. 17./2.

306"164 304"371 302"667 300"558 298"300 296"340 293"148 288"262

6"97 7"51 8"03 8"66 9"36 9"95 10"9~ t2"41

3"1 3"0 2"9 2"9 2"5

2"0 1"7

17 "60 19.9 ~ 230

23" 50 24" 4 ~ 210 190

18.60

82 79 85 80 55 53 65 88

Wachsthum der Spatha im Abnehmen b egriffen.

Vertrocknen der l'~iederblatter.

18./2. 19./2. 20./2. 21./2. 22./2. 23./2.

277"102 271"370 265"628 258"370

- - m

16-1Ol o-5 17-541 19"29 I 21 "49

200 20 o 200

21 "5 o

73 75 80 80

Entfaltung der Bliite.

Am 22. beginnt die Pflanze zu welken.

1) Unregelm~tssigkeiten und Schwankungen in den Gewichtsabnahmen er- kliiren sich aus der jewAligen~ Temperatur und dem Feuehtigkeitsgehalte der Luft.

2) Bezogen auf das Anfangsgewicht.

323

B. I m D u n k e l n b e o b a c h t e t e Pf lanze . 1)

Datum Gewicht "~ ~ ~ r ~ ~ { ~ = g~ / ' = ; E n t w i e k l u n g s s t a d i u m ' ~a:

19./1. 20./1. 21./1. 22./1. 23./1. 24./1. 25./1. 26./1.

G r i m m

291"940 291"597 291"262 291"012 290"695 290"395 290"094 289"755

0% 0"23 0"32 0"43 0" 53 0' 63 0"75

om

0~ 0"4 0"3 0"2 0:8

180 170 190 0"2 180

18.60 180

19-20

91 90 88 90 91 90 88 90

Wachsthum der hTiederbliitter

27./1. 28 ./1. 29./1. 30./1. 31./1.

1./2. 2,/2.

289"455 289"154 288"785 288"350 287"794

286"844

0 '85 0"95 1"08 1"23 1-42

1~4

0"9 1"0 1"3 1"3 1"6

3--7

19oi 19Ol

20.501 !7 0 !

18" 8~

17-2~

91 90 90 88 88

90h

Zunehmendes Wachs- thum der Niederbliitter ;I die Spatha ist yon den- ]

sdben noch einge- sehlossen.

3./2. 14./2.

5./2. 6./2. 7./2. 8./2. 9./2.

286"301 285"612 284"945 284"166 283"296 282"325 281"515

1"93 2"17 2"40 2"66 2"96 3"29 3"57

3:7 17"50 19-a o

18' 30 4"6 19"50 4"3 19"50 3"8 17"8 ~

90 90 88 90 90 88 91

Die Spatha kommt zum Vorschein; ab-

nehmendes Wachsthu~ der Niederbliitter.

10./2. 11./2. 12.~2. 13./2. 14./2. 15./2. 16./2.

280"767 279"628 278"647 277"627 276"540 275"190 274"069

3"83 4"22 4"55 4"90 5"27 5"74 6"12

2"9 2"5 2"0 2"2 2"1

7

!5"20! 90 II 19"501 90 ]] 20"2q 90 19"5~ 88

~-)0 U ! 8 8

20" 5~ 90 18"a ~ 88 [i

Entfaltung der Bltite. Vertrocknen

der Niederbli~tter.

17./2. 272"749 20./2. 268.663 21./2. 267-030 22./2. 264-95 23./2. 262"68 24./2. 258"92 26./2. 255"93

657 0,719.2o 9o11 7"97 1 210 85 8'531 - - 170 89 9"24[ 180 88 10"021 19"5 o 88 10'97 18"20 89 12"34 21"50 88

Die Pflanze ist voll- stiindig entwickdt.

1) Siehe Noten auf tier vorhergehenden Seite. 24*

324

Datum Gewicht ~'~ "~ ~ ~ ~ r ~ ~ II Entwicklungsstadium

27./2. 28./2.

1./3. 2./3. 3./3. 4./3. 5./3.

Gr&mm

253"82 251"87 249"94 247"72 245"86 243"80 241"86

13" 72 14"37 15"15 15"78 16"49 17" 15

om! I - - 19"3 ~ ~0

200 88 19" 20 85 18"80 82

]19.6~ ss 20"1 ~ 90__ Am 4./3. beginnt die

Pflanze zu welken.

Zur Beobachtung wurden zwei Pflanzen verwendet; eine der- selben wurde im Lichte, eine zweite im Dunkeln gezogen. Die im Liehte befindliehe Pflanze stand auf einer registrierenden Wage, die den im Verlaufe der Entwieklung sieh ergebenden 6ewichts- verlust, der ausserdem durch Wiigung genau bestimmt wurde, ver- zeiehnete. Die Beobachtung wurde begonnen am 19. Jiinner und fortgeftihrt bis zum Verwelken der Pflanzen, d. i. bis 22. Februar, resp. 4. Mi~rz. Eine Uebersicht fiber den Verlauf der Entwieklung geben vorstehende Tabellen.

Da das Anfangsgewieht der ersten Pfianze 329" 104 g, das Ge- wieht zu Ende der Beobachtung 258"37 g betrng, so ergibt sich ein Gewiehtsverlust yon 70"734 g, d. i. in Proeenten ausgedrfiekt 21"49~. Da nun in Folge des i~usserst geringen Besitzes an Chlorophyll die Assimilation der Pfianze wohl eine sehr geringe gewesen ist, so dass die auf diesem Wege gewonnene Gewichts- menge kaum in Betracht kommen dtlrfte, so kann man annehmen, duss dis Pflanze wiihrend des ganzen Verlaufes der Entwieklung 21"49~ feuchter Substanz auf dem Wege der Transpiration ab- gegeben hat.

Wie aus der Tabelle auf Seite 322 ersiehtlich ist, betrug die t~tgliehe Gewiehtsabnahme lunge Zeit weniger als 1 g; mi t dem zunehmenden Wachsthum stieg sie, bis sehliesslich mit der Ent- faltung der Blfite die Transpiration eine solehe HShe (fiber 5 g) erreiehte, dass das Wasser in ausreichender Menge nieht mehr nachgeschafft werden konnte, und die Pfianze verwelkte. Ganz anders verhielt sich die im Dunkeln befindliche Pilanze, wie die Tabelle auf Seite 323 und 324 zeigt..

Die Pfianze erlitt, wm man sieht, in derselben Zeit wie die erste, blos einen Gewiehtsverlust yon 39"26 g, d. h. sie ver- lor etwa 10~ Wasser auf dem Wege der Transpiration; allerdings war der Feuchtigkeitsgehalt der Luft in der Dunkelkammer durch- schnittlich viel hOher als im Experimeutierraume. Ein weiterer Unter-

325

schied zeigte sich im Auftreten des Etiolements, welches den den Monocotylen eigenthiimlichen Verlauf zeigte, indem die Pflanze im Dunkeln hOher wurde, als im Lichte. Wiihrend im Lichte die Spatha eine H0he yon 62 cm erreichte, zeigte die Spatha der im Dunkeln gezogenen Pfianze eine solche yon 68 cm; dasselbe gilt yon den Niederbliittern; auch sie waren im Wachsthum gefOrdert, Es sei noch bemerkt, dass kein Chlorophyll gebildet wurde, hingegen das rothe Pigment der Bl~ttter und der Spatha ebenso wie im Lichte zur Ausbildung kam.

Zur Erkli~rung des Transpirationsschutzes yon Sauromatum guttatum ist die Anatomie der Knolle yon Wichtigkeit. Das Haut- gewebe der Knolle wird gebildet yon einem Saftperiderm ~), das in der Dicke von durchschnittlich 10 Zellen die ganze Knolle umgibt. An das Periderm schliesst sigh eine Zone yon Parenchymzellen, die reichlich schleimige Substanz mit oiagebetteten Raphiden ent- halten. Der weitaus grSsste Theil des Parenchyms der Knolle be- steht aber aus Zellen, die in grosser Menge die Reservesubstanz - - als solche fungirt ausschliesslich Stiirke - - ffihren. Bemerkens- worth ist, dass vorwiegend hoch zusammengesetzte StiirkekOrner sigh zeigten. Man konnte knollige und traubenfl6rmige Formen be- obachten, die aber sehr leicht in ihre TheilkSrner, welche oft das Aussehen yon Krystallen (0ctaeder, Rhombendodekaeder etc.) batten, zerfielen. Der Stengel und die fleischigen Niederbli~tter ftihren im Gegensatzc zur Knolle den Sehleim in Schliiuchen.

Von Bedeutung ist ferner der hohe Wassergehalt der Knolle. Eine an tier Knolle einer noch unentwickelten Pfianze durchgeftihrte Wassergehaltsbestimmung ergab ein Vorhandensein yon ctwas fiber 84% Wasser. 3)

Die ganze auffallende Entwicklungsweise der Pflanze erkl~rt sich mithin aus dem hohen Wassergeha]t der Knolle eiaerseits, sowie aus dem reichlichen Auftreten yon schleimiger Substanz andererseits, deren hohe Wasser haltende Kraft wohl hinreichend ist, die Transpiration auf ein Minimum zu reducieren.

Abnormale Bliiten de r.Forsyfhia v i r i d i s s i m a Lindl. Von J. Velenovsk~ (Prag.)

Wie anderwiirts werden auch in den Prager Anlagen die beiden Forsythien (Lw. suspensa Vahl und F. viridissima Lindl.)

1) Wiesner, Ueber das Saftperiderm. Diese Zeitschrift, Jahrg. 1890, ~r. 3, Seite 107 ft.

2) Bemerkenswerth ist, dass sich an dem Feuehtigkeitsgehalte der Knolle auch nach der Entwicklung der Pfianze nichts ~inderte; die Wassergehalts- bestimmung, durchgefiihrt an der Knolle tier im Liehte gezogenen Pflanze, zeigte, itass tier Wassergehalt wieder 84~ betrug. Erkl~rlich ist dies, wenn man er- w~gt, dass mit dem Wasser ja aueh die feste Substanz verbraueht wurde, so dass an dem urspriinglichen Verhltltnisse sich niehts iinderte. Immerhin ist aber auffallend, dass trotz des hohen Wassergehaltes der Knolle die Pflanze doch nicht mehr im Stande war, welter die nSthige Wassermenge aufzunehmem