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Die Erde als Beobachtungsort 29 Scheinbare Planetenbahnen Seit dem Altertum sind 5 Planeten – Wandelsterne, wie sie auch genannt werden, bekannt. Ihre Bahnen am Himmel wurden über die Jahrhunderte hinweg von den verschie- densten Völkern immer wieder beobachtet. Die Protokolle fanden Archäologen in Form von Zeichnungen an Felsen, formuliert in Hieroglyphen an Tempelmauern, geschrieben in Keilschrift auf aus Ton gebackenen Tafeln und auf „Pa- pyri“ in den unterschiedlichsten Sprachen der verschie- densten Kulturkreise. Die antike Himmelsbeobachtung machte sich notwendig, um – besonders als die Menschen seßhaft geworden waren – verläßliche Zeitsysteme zu erhalten. Dafür sind die leicht zu beobachtenden periodi- schen Vorgänge am Himmel wie geschaffen. Dazu kam noch, daß die im Gegensatz zu den Fixsternen am Himmel unstetig dahin wandelnden Planeten oft eine religiöse und daraus abgeleitete astrologische Bedeutung erhielten. Die Planetennamen, ja sogar einige Namen der Tage einer Woche, weisen darauf hin. Die heute üblichen Planetenbe- zeichnungen entstammen dem römischen Pantheon. Ge- naugenommen stellen sie die römischen Pedanten griechi- scher Götter dar. Merkur z.B. wird mit dem griechischen Hermes, dem Götterboten, gleichgesetzt. Das Wort „Her- mes“ findet man heute auf Merkurkarten, die man seit Mariner 10 zeichnen kann, in Form der „hermiographi- schen“ Länge und Breite wieder. Venus entspricht Aphrodi- te, der „Schaumgeborenen“ (es lohnt, wieder einmal bei GUSTAV SCHWAB (1792-1850) nachzulesen…), der römische Kriegsgott Mars entspricht Ares, Jupiter Zeus und Saturn Chronos. Später, als weitere Planeten entdeckt wurden, hat man die Tradition der Namensgebung fortgesetzt. Als WIL- HELM HERSCHEL (1738-1822) am 13. März 1781 den Plane- ten Uranus entdeckte, nannte er ihn überschwenglich „Georgium Sidus“ nach seinem königlichen Förderer GEORG III VON ENGLAND (1738-1820). Schon damals fand man das unmöglich und JOHANN ELERT BODE (1747-1826) in Berlin nannte ihn schlicht Uranus, was in der Fachwelt sofort auf allgemeine Zustimmung stieß (nur nebenbei, siehe Gustav Schwab: Uranus war Sohn und Geliebter von Gaia, Vater von Chronos, der Zyklopen und der Titanen). Wenn man die Planeten von der Erde aus beobachtet und ihren Weg durch die Sternbilder des Tierkreises verfolgt, fallen einige Regelmäßigkeiten und Besonderheiten auf, die man schon in der Antike genauestens registrierte. Erstens: Merkur und Venus sind immer nur in unmittelbarer Nähe zur Sonne am Abend- oder Morgenhimmel auszumachen (die Erkenntnis, daß der Morgen- und Abendstern ein und derselbe Planet ist, nämlich Venus, haben zuerst die baby- lonischen Astronomen im 4. Jahrhundert vor Christi festge- stellt), während die Planeten Mars, Jupiter und Saturn zu manchen Zeiten, die man Opposition nennt, die ganze Nacht zu sehen sind. Zweitens: Alle Planeten bewegen sich in der Ekliptik (zur Erinnerung, sie entspricht der schein- baren Sonnenbahn am Himmel) bzw. in deren unmittelba- ren Nähe und zwar überwiegend von West nach Ost. Drit- tens: Manchmal bewegen sich die Planeten aber auch rück- läufig von Ost nach West, wobei sie unterschiedlich große Schleifen unter den Fixsternen ausbilden. Diese Erschei- nung ist besonders stark bei Mars ausgeprägt, aber auch bei Jupiter und Saturn während der Oppositionszeit gut zu beobachten. Bei den sonnennahen Planeten Merkur und Venus tritt Rückläufigkeit nur dann ein, wenn sie für einen irdischen Beobachter dicht an der Sonne vorbeiziehen. Im Großen und Ganzen gesehen, ist die Bewegung der Planeten unter den Sternen am Fixsternhimmel sehr komp- liziert und es ist schwierig, Gesetzmäßigkeiten abzuleiten, die eine genaue Vorhersage zukünftiger Positionen erlau- ben. Um so größer ist die Leistung besonders der antiken griechischen Astronomen einzuschätzen, denen es gelang, eine Planetentheorie zu entwickeln, deren Genauigkeit bis zu den Zeiten Keplers und Newtons nicht übertroffen wur- de. Geozentrisches Weltsystem Ausgangspunkt – auch wegen seiner scheinbaren Offen- sichtlichkeit – war eine geozentrische Weltsicht. Der Mit- telpunkt der Welt ist die Erde. Die von ARISTARCH VON SA- MOS (ca. 310-230 v.Chr.) vorgeschlagene heliozentrische Sicht (sein Argument war – wie von PLUTARCH (um 46 bis Porträt HIPPARCH VON NIKAIA (* ~190 v.Chr. in Nicaea † ~120 v.Chr. auf Rhodos ?) Obwohl über die Lebensdaten dieses griechischen Astronomen nur wenig bekannt ist, gilt er als einer der genausten beobachtenden Astronomen der ausgehen- den griechischen Antike. Als seine größte wissenschaft- liche Leistung gilt die Entdeckung der Präzession der Äquinoktien. Von ihm stammt auch ein Katalog mit den Positionen und Helligkeiten von über 800 Sternen, die neben vielen anderen Beobachtungen Eingang in den „Almagest“ des Claudius Ptolemäus gefunden haben. Hipparchos wird als Vater der wissenschaftlichen Astronomie angesehen und gilt, zusammen mit Ptole- mäus und Aristarchos von Samos, als einer der größten Astronomen der Antike.

Kleines Lehrbuch der Astronomie Neues Format-3x · in der Ekliptik (zur Erinnerung, sie entspricht der schein- baren Sonnenbahn am Himmel) bzw. in deren unmittelba- ren Nähe und

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Die Erde als Beobachtungsort 29

Scheinbare Planetenbahnen

Seit dem Altertum sind 5 Planeten – Wandelsterne, wie sie

auch genannt werden, bekannt. Ihre Bahnen am Himmel

wurden über die Jahrhunderte hinweg von den verschie-

densten Völkern immer wieder beobachtet. Die Protokolle

fanden Archäologen in Form von Zeichnungen an Felsen,

formuliert in Hieroglyphen an Tempelmauern, geschrieben

in Keilschrift auf aus Ton gebackenen Tafeln und auf „Pa-

pyri“ in den unterschiedlichsten Sprachen der verschie-

densten Kulturkreise. Die antike Himmelsbeobachtung

machte sich notwendig, um – besonders als die Menschen

seßhaft geworden waren – verläßliche Zeitsysteme zu

erhalten. Dafür sind die leicht zu beobachtenden periodi-

schen Vorgänge am Himmel wie geschaffen. Dazu kam

noch, daß die im Gegensatz zu den Fixsternen am Himmel

unstetig dahin wandelnden Planeten oft eine religiöse und

daraus abgeleitete astrologische Bedeutung erhielten. Die

Planetennamen, ja sogar einige Namen der Tage einer

Woche, weisen darauf hin. Die heute üblichen Planetenbe-

zeichnungen entstammen dem römischen Pantheon. Ge-

naugenommen stellen sie die römischen Pedanten griechi-

scher Götter dar. Merkur z.B. wird mit dem griechischen

Hermes, dem Götterboten, gleichgesetzt. Das Wort „Her-

mes“ findet man heute auf Merkurkarten, die man seit

Mariner 10 zeichnen kann, in Form der „hermiographi-

schen“ Länge und Breite wieder. Venus entspricht Aphrodi-

te, der „Schaumgeborenen“ (es lohnt, wieder einmal bei

GUSTAV SCHWAB (1792-1850) nachzulesen…), der römische

Kriegsgott Mars entspricht Ares, Jupiter Zeus und Saturn

Chronos. Später, als weitere Planeten entdeckt wurden, hat

man die Tradition der Namensgebung fortgesetzt. Als WIL-

HELM HERSCHEL (1738-1822) am 13. März 1781 den Plane-

ten Uranus entdeckte, nannte er ihn überschwenglich

„Georgium Sidus“ nach seinem königlichen Förderer GEORG

III VON ENGLAND (1738-1820). Schon damals fand man das

unmöglich und JOHANN ELERT BODE (1747-1826) in Berlin

nannte ihn schlicht Uranus, was in der Fachwelt sofort auf

allgemeine Zustimmung stieß (nur nebenbei, siehe Gustav

Schwab: Uranus war Sohn und Geliebter von Gaia, Vater

von Chronos, der Zyklopen und der Titanen).

Wenn man die Planeten von der Erde aus beobachtet und

ihren Weg durch die Sternbilder des Tierkreises verfolgt,

fallen einige Regelmäßigkeiten und Besonderheiten auf, die

man schon in der Antike genauestens registrierte. Erstens:

Merkur und Venus sind immer nur in unmittelbarer Nähe

zur Sonne am Abend- oder Morgenhimmel auszumachen

(die Erkenntnis, daß der Morgen- und Abendstern ein und

derselbe Planet ist, nämlich Venus, haben zuerst die baby-

lonischen Astronomen im 4. Jahrhundert vor Christi festge-

stellt), während die Planeten Mars, Jupiter und Saturn zu

manchen Zeiten, die man Opposition nennt, die ganze

Nacht zu sehen sind. Zweitens: Alle Planeten bewegen sich

in der Ekliptik (zur Erinnerung, sie entspricht der schein-

baren Sonnenbahn am Himmel) bzw. in deren unmittelba-

ren Nähe und zwar überwiegend von West nach Ost. Drit-

tens: Manchmal bewegen sich die Planeten aber auch rück-

läufig von Ost nach West, wobei sie unterschiedlich große

Schleifen unter den Fixsternen ausbilden. Diese Erschei-

nung ist besonders stark bei Mars ausgeprägt, aber auch

bei Jupiter und Saturn während der Oppositionszeit gut zu

beobachten. Bei den sonnennahen Planeten Merkur und

Venus tritt Rückläufigkeit nur dann ein, wenn sie für einen

irdischen Beobachter dicht an der Sonne vorbeiziehen.

Im Großen und Ganzen gesehen, ist die Bewegung der

Planeten unter den Sternen am Fixsternhimmel sehr komp-

liziert und es ist schwierig, Gesetzmäßigkeiten abzuleiten,

die eine genaue Vorhersage zukünftiger Positionen erlau-

ben. Um so größer ist die Leistung besonders der antiken

griechischen Astronomen einzuschätzen, denen es gelang,

eine Planetentheorie zu entwickeln, deren Genauigkeit bis

zu den Zeiten Keplers und Newtons nicht übertroffen wur-

de.

Geozentrisches Weltsystem

Ausgangspunkt – auch wegen seiner scheinbaren Offen-

sichtlichkeit – war eine geozentrische Weltsicht. Der Mit-

telpunkt der Welt ist die Erde. Die von ARISTARCH VON SA-

MOS (ca. 310-230 v.Chr.) vorgeschlagene heliozentrische

Sicht (sein Argument war – wie von PLUTARCH (um 46 bis

Porträt HIPPARCH VON NIKAIA

(* ~190 v.Chr. in Nicaea

† ~120 v.Chr. auf Rhodos ?)

Obwohl über die Lebensdaten dieses griechischen

Astronomen nur wenig bekannt ist, gilt er als einer der

genausten beobachtenden Astronomen der ausgehen-

den griechischen Antike. Als seine größte wissenschaft-

liche Leistung gilt die Entdeckung der Präzession der

Äquinoktien. Von ihm stammt auch ein Katalog mit den

Positionen und Helligkeiten von über 800 Sternen, die

neben vielen anderen Beobachtungen Eingang in den

„Almagest“ des Claudius Ptolemäus gefunden haben.

Hipparchos wird als Vater der wissenschaftlichen

Astronomie angesehen und gilt, zusammen mit Ptole-

mäus und Aristarchos von Samos, als einer der größten

Astronomen der Antike.

30 Scheinbare Planetenbahnen

125 v.Chr.) überliefert – daß das heliozentrische System

die Planetenbewegungen einfacher erklären kann als das

geozentrische System) wurde später von HIPPARCH VON

NIKAIA (ca. 190-120 v.Chr.) verworfen und zwar mit dem

für die damalige (und auch spätere) Zeit schlüssigem Ar-

gument, daß die Fixsterne keine Parallaxe zeigen.

Aus heutiger Sicht betrachtet, war die griechische Astro-

nomie durchaus hoch entwickelt. Mathematische Metho-

den - insbesondere aus der Geometrie – erlaubten aus der

Philosophie geborene Erklärungen auch praktisch zu er-

proben und mit konkreten Messungen der Planetenposi-

tionen zu vergleichen. Um das Jahr 140 veröffentlichte

CLAUDIUS PTOLEMÄUS (ca. 100 – 175) seine 13-bändige

Beschreibung der Welt „Megale Syntaxis“, in der er das

gesamte ihm zugängliche Wissen der Antike in bezug auf

die Astronomie zusammenfaßte. Dabei soll nicht uner-

wähnt bleiben, daß er entgegen dem Ehrencodex der rei-

nen Wissenschaft Beobachtungen erfunden, verfälscht und

Erkenntnisse anderer als seine ausgegeben hat, wie zuerst

1817 der französische Mathematiker JEAN BAPTISTE DE-

LAMBRE (1749-1822) bewiesen hat. Trotz dieses Schattens,

der auf Ptolemäus fällt, hat sein Werk fast 2 Jahrtausende

überdauert, was besonders den arabischen Übersetzern zu

verdanken ist. Für sie war es sogar die „Größte“ („megiste“)

Zusammenstellung, woraus sich der populäre Name des

Werks „Al-magest“ herleitet. Der „Almagest“ ist ein übe-

raus beeindruckendes Werk, welches eine Fülle von The-

men abdeckt. Die ersten beiden Bände beinhalten die

Grundlagen des ptolemäischen Weltbildes sowohl in kos-

mologischer als auch in geometrischer Form. Band 3 ent-

hält die Theorie der Sonnenbewegung und beschreibt das

Deferent-Epizykel-System in allen Details. Die Bände 4, 5

und 6 sind ganz der Mondbewegung und der Erklärung

einzelner Meßgeräte (z.B. des Astrolabs) gewidmet und in

den letzten Bänden entwickelt er in beeindruckender Sou-

veränität seine Planetentheorie.

Das geozentrische Weltbild von Ptolemäus ging von fol-

genden Voraussetzungen aus, die seit ARISTOTELES (384-322

v.Chr.) nicht mehr hinterfragt wurden bis NICOLAUS COPER-

NICUS (1473-1543) um 1510 das neuzeitliche heliozentri-

sche Weltsystem wieder in die Diskussion brachte:

§ Der gesamte Weltraum ist mit einem Medium gefüllt,

dem fünften Element („Äther“) des Aristoteles (diese

Annahme hielt sich bis in die ersten Jahrzehnte des

zwanzigsten Jahrhunderts, wo die „Ätherhypothese“

durch die Messungen von Michelson und Morley

widerlegt und durch Einsteins Spezielle Relativitäts-

theorie auch nicht mehr benötigt wurde. Der „Äther“

des Einundzwanzigsten Jahrhunderts ist das „Physika-

lische Vakuum“ der modernen Quantenfeldtheorien).

§ Die Planeten dürfen sich nur auf Kreisbahnen bewe-

gen, weil das die einzige vollkommene Bewegung ist.

Ihre Bewegung ist gleichförmig (EUDOXOS VON KNIDOS,

um 408–355 v.Chr.).

§ Die Erde ist ruhender Mittelpunkt der Welt.

§ Sie wird in folgender Reihenfolge von den Planeten

umkreist: Mond, Merkur, Venus, dann folgt die Sonne,

dahinter Mars, Jupiter und Saturn

Aus diesen Voraussetzungen galt es eine geometrische

Theorie zu entwickeln, welche die scheinbaren, z. T. rück-

läufigen und unterschiedlich schnellen Bewegungen der

Planeten an der Himmelskugel relativ zu den Sternen er-

klärte und – noch wichtiger - vorhersagbar machten.

1.16. Spätmittelalterliche Darstellung des geozentrischen Weltbildes

(aus Peter Apian, Cosmographica, 1539)

Epizykeltheorie

Die griechischen Astronomen fanden dafür eine geniale

Lösung. Neben der konzentrischen Hauptbewegung um die

Erde bewegen sich die Planeten noch zusätzlich auf einem

Nebenkreis, einem Epizykel. Damit setzt sich die Planeten-

bewegung aus zwei Kreisbewegungen zusammen: Auf dem

Hauptkreis (Deferent) läuft der Epizykel und auf dem Epi-

zykel bewegt sich der Planet, wobei der Mittelpunkt des

Epizykels immer auf dem Deferent liegt. Auf diese Weise

kann man mit günstigen Parametern eine zusammenge-

setzte Bewegung konstruieren, welche z.B. die beobachtete

Schleifenbewegung recht gut wiedergibt. Eine weitere

Verbesserung geht auf Hipparch zurück, der – einer Idee

APOLLONIUS VON PERGE (220-190 v.Chr., er gilt übrigens als

Begründer der Epizykeltheorie) folgend, den Mittelpunkt

des Deferenten exzentrisch zur Erde legte. Da bei Sonne

Die Erde als Beobachtungsort 31

und Mond keine Schleifen zu beobachten sind, kommt ihre

Beschreibung ohne Epizykel aus.

Die ganze Theorie wurde noch komplizierter, weil z.B. für

die inneren Planeten weitere Zusatzannahmen notwendig

waren, um mit den Beobachtungen gerecht zu werden. So

müssen die Epizykelmittelpunkte der Planeten Merkur und

Venus immer eine Linie mit der Erde und der Sonne bilden.

Außerdem muß der Epizykel gegenüber dem Deferenten

geneigt sein, um die gewünschte Schleifenbewegung zu

erzeugen. Bei den äußeren Planeten wurde es auch nicht

einfacher. Der Deferent weist eine gewisse Neigung gegen-

über der Ekliptik auf, der Epizykel ist dagegen parallel usw.

1.17. Entstehung der „Schleifenbewegung“ eines Planeten aus der

Überlagerung der Bewegung auf einem Epizykel, welcher sich

wiederum gleichförmig auf einem Deferenten bewegt.

Ein besonderes Problem für Ptolemäus war der Planet

Merkur. Es gelang ihm nie, mit normalen Epizykeln seine

Bahn befriedigend zu beschreiben. Heute weiß man, daß

die besonders große Bahnexzentrizität von 0.2056 (die

Größte der großen Planeten!) die Ursache dafür ist. Auch

die Mondbewegung läßt sich in der Epizykeltheorie nur

schwer darstellen. Er mußte, um wenigstens befriedigende

Ergebnisse zu erzielen, von der bereits 300 Jahre zuvor von

Hipparch geäußerten Vermutung ausgehen, daß die Mond-

bahn elliptisch ist. Auch die von Eudoxos zuerst formulier-

te Bedingung, daß sich die Planeten immer gleichförmig

auf dem Epizykel bewegen, führte zu gravierenden Abwei-

chungen bei der Berechnung einer Ephemeride. Er war

gezwungen davon auszugehen, daß sich die Planeten doch

nicht gleichförmig bewegen. Deshalb läßt er den Mittel-

punkt des Epyzikels derart auf dem Deferenten laufen, daß

die Winkelgeschwindigkeit nicht in bezug auf diesen Punkt,

sondern in bezug auf einen anderen, davon abweichenden

Punkt konstant ist. Dieser Punkt wird auch als Ausgleichs-

punkt oder lateinisch „punctum aequans“ bezeichnet. Nur

von diesem Punkt aus erscheint die Bewegung gleichför-

mig. In moderner Darstellung und unter Vorwegnahme der

Ergebnisse JOHANNES KEPLER‘S (1571-1630) kann man (bei

kleiner Bahnexzentrizität) den „punctum aequans“ als

zweiten Brennpunkt einer Ellipse deuten und die ungleich-

förmige Bahnbewegung als Resultat des 2. Keplerschen

Gesetzes.

Schon relativ schnell stellte sich heraus, daß die nach der

Epizykeltheorie berechneten Planetenörter im Laufe der

Zeit immer mehr von dem beobachteten Örtern abwichen.

Trotzdem hatte das geozentrische Weltbild bis in das Zeit-

alter der Renaissance und der frühen Neuzeit hin bestand.

Das hatte in nicht unerheblichem Maße auch theologische

Gründe. Erst Nicolaus Copernicus wagte es, die Erde aus

ihrem festen Mittelpunkt zu reißen und die Sonne an ihre

Stelle zu setzen. Aber auch er konnte sich noch nicht von

den Epizykeln trennen und sein System war – was die

Vorhersagekraft betraf – kaum besser als das des Ptole-

mäus. Aber es erscheint uns heute (!) selbstverständlich als

logisch einfacher! Logische Einfachheit ist aber mehr ein

ästhetisches Prinzip (Stichwort „Occam‘s Rasiermesser“)

und kann genaugenommen nicht zur Falsifizierung einer

Theorie ernsthaft herangezogen werden. So gesehen muß-

te man noch mindestens bis JOHANNES KEPLER (1571-1630)

und ISAAK NEWTON (1643-1727) warten, die nach großen

intellektuellen Anstrengungen in der Lage waren, das he-

liozentrische System in seinen Grundzügen zu beweisen.

Aus heutiger Sicht führte ein günstiger gelegtes Koordina-

tensystem zu dieser Vereinfachung.

Wählt man unter Zuhilfenahme der Ergebnisse der moder-

nen Himmelsmechanik die Erde als unbeweglichen festen

Bezugspunkt, dann ergibt sich die Epizykeltheorie als Nä-

herung aus der vektoriellen Addition von Planeten- und

Erdbahn. Von diesem Standpunkt aus beschreibt die Sonne

eine Ellipsenbahn um die Erde und die Planeten bewegen

sich auf Ellipsen um die Sonne. Hieraus erkennt man, daß

das heliozentrische und das geozentrische System im

Grunde genommen kinematisch gleichwertig sind. Was

man wählt ist nur eine Frage der Zweckmäßigkeit und das

heliozentrische System von Copernicus ist ohne Zweifel

zweckmäßiger – und auch physikalisch richtiger, wie die

Entdeckung der Aberration des Lichtes 1500 Jahre nach

Ptolemäus zeigte. Das Ptolemäische System krankt in ers-

ter Linie daran, daß es nur – in heutiger Sprache – die

Richtungen der geozentrischen Ortsvektoren der Planeten

in seine Betrachtungen einbezieht und nicht deren Beträge

respektive Entfernungen. Dadurch wird eine Erklärung

der Bewegungen im mechanischen Sinne unmöglich, da es

prinzipbedingt keine Aussagen über die wechselseitige

räumliche Lage der Planeten (und der Sonne) treffen kann.

Erst die heliozentrische Betrachtungsweise bietet über-

haupt den Rahmen für etwas, das man als „Himmelsme-

chanik“ bezeichnen kann.

32 Scheinbare Planetenbahnen

Scheinbare Planetenbewegungen am Himmel

Nach diesem kleinen geschichtlichen Exkurs zurück zu den

scheinbaren Planetenbewegungen. Die Entstehung der

Schleifenbewegung – ein Hauptproblem der antiken Astro-

nomie – kann aus heliozentrischer Sicht sehr leicht erklärt

werden. Der Hauptgrund liegt in den unterschiedlich gro-

ßen Bahngeschwindigkeiten der Planeten, die im Sonnen-

system von innen nach außen immer mehr abnehmen.

Befindet sich z. B. ein äußerer Planet in Opposition (das ist

dann der Fall, wenn Sonne, Erde und Planet eine Linie

bilden), dann überholt die schnellere Erde diesen Planeten

und es entsteht eine zeitweise entgegengesetzte, rückläufi-

ge Bewegung als Projektion am Himmel, wobei, da die

Ebenen der Planetenbahnen zur Ekliptik geneigt sind,

Schleifen entstehen. Die Zeit der Rückläufigkeit wird oft

auch als Oppositionszeit bezeichnet. In seltenen Fällen

kommt es vor, daß zwei Planeten ihre Oppositionsschleifen

parallel durchführen. In diesem Fall können sich die beiden

Planeten insgesamt dreimal begegnen, d. h. es tritt eine

dreifache Konjunktion auf. Geschieht das mit Jupiter und

Saturn, dann ist das eine Königsgestirnung. Dreifache Kon-

junktionen zwischen den hellen oberen Planeten sind sehr

selten. So waren die letzten dreifachen Konjunktionen

zwischen Mars und Jupiter 1789/90, 1836/37 und

1979/80 und die nächsten dreifachen Konjunktionen zwi-

schen Mars und Jupiter finden erst wieder im Jahr 2123

sowie 2169/70 statt. Zwischen Mars und Saturn fanden die

Hipparch von Nikaia und die wahre Erdbahn

Bereits den Astronomen im alten Babylon war bekannt, daß die Sonne sich auf ihrer jährlichen Bahn entlang der Ekliptik unterschiedlich

schnell bewegt, d.h. die Winkelgeschwindigkeit ist in verschiedenen Teilstücken ihrer Bahn unterschiedlich groß. Das äußert sich darin,

daß das Winterhalbjahr (gerechnet vom Herbstäquinoktium bis zum Frühlingsäquinoktium) kürzer ist als das Sommerhalbjahr (das ist der

Zeitraum zwischen dem Frühlingsäquinoktium und dem Herbstäquinoktium). Wir wissen heute, daß diese Tatsache einfach aus der ellipti-

schen Erdbahn um die Sonne und dem zweiten Keplerschen Gesetz folgt. So gesehen ist es interessant zu sehen, wie Hipparch diese Beo-

bachtung vor weit mehr als 2000 Jahren in eine mathematische Form brachte, aus der sich ein Näherungswert für die Exzentrizität der

Erdbahn ableiten läßt.

Seine Grundidee bestand darin, die Sonnenbahn als geozentrisches Abbild der Erdbahn durch einen exzentrisch gelagerten Kreis darzustel-

len (man beachte, das hat nichts mit „Physik“ und der „wahren“ Bewegung der Erde zu tun), der mit einer gleichmäßigen Winkelgeschwin-

digkeit durchlaufen wird. Den Kreisumfang teilte er so in zwei Bogenstücke auf, daß deren Länge jeweils der Länge des Sommerhalbjahres

und des (kürzeren) Winterhalbjahres entsprach (der Kreisumfang entspricht genau einem Jahr). Der kürzeste Abstand zwischen der Ver-

bindungslinie der beiden Äquinoktien und dem Mittelpunkt M des Kreises sei e (die lineare Exzentrizität) und der Radius des Kreises 1

(d.h. es soll sich um einen Einheitskreis handeln). Verlegt man jetzt den Beobachterstandpunkt auf den Punkt K (dem Schnittpunkt der

Geraden zwischen der Sommer- und Wintersonnenwende und den Äquinoktien), dann ergibt sich für diesen Beobachter eine ungleichför-

mige Winkelgeschwindigkeit für einen Punkt auf dem Kreis, der in bezug auf M eine gleichförmige Winkelgeschwindigkeit aufweist. Da

bekannt ist, in welchen Zeiten die beiden Kreisbögen durchlaufen werden, läßt sich für das „Winterhalbjahr“ schreiben:

�� = �� � − �

� = � �� − �

Aufgrund des Einheitskreises kann man die lineare Exzentrizität e gleich der numerischen Exzentrizität � setzen (wegen = � � mit � = 1), woraus

� = � �� − ��

� �

folgt.

Weiterhin zeigten genaue Beobachtungen, daß der Zeitpunkt der größten (Perihel) und der kleinsten Winkelgeschwindigkeit der Sonne

(Aphel) nicht mit dem Winter- bzw. dem Sommersolstitium zusammenfällt. Verbindet man diese beiden Punkte auf dem Einheitskreis

durch eine Gerade, die auch durch M und K geht (Apsidenlinie), dann erkennt man, daß der Winkel � zwischen der Sonnenwendlinie und

der Apsidenlinie ungefähr 13° beträgt. Korrigiert man damit die oben abgeleitete Formel, dann erhält man für die Exzentrizität der Erd-

bahn (die bei Hipparch der scheinbaren Sonnenbahn entsprach)

� = � ��� � �

� − ��� �

Mit T=365.25 Tage, ��=178.83 Tage und � = 13° ergibt sich � = 0.0168. Der exakte Wert ist übrigens 0.0162 – die Übereinstimmung ist

also durchaus bemerkenswert. Der Erfolg des Modells war eine wichtige Motivation für die Einführung des „punctum aequans“ in die

Epizykeltheorie. Physikalisch bedeutet er – zumindest aus heutiger Sicht - eine gewisse Vorwegnahme des Keplerschen Flächensatzes.

Die Erde als Beobachtungsort 33

letzten dreifachen Konjunktionen 1779, 1877 (nur in Rek-

taszension) und 1945/46 statt, während die nächsten

derartigen Ereignisse erst wieder 2148/49, 2185 und 2187

zu beobachten sind.

Die relative Lage der Planeten in bezug auf Sonne und Erde

bezeichnet man als Konstellationen. Bei den inneren Plane-

ten Merkur und Venus unterscheidet man:

• Konjunktion

Befindet sich der innere Planet zwischen Erde und

Sonne, dann spricht man von der unteren Konjunkti-

on; steht er hinter der Sonne, dann hat er die obere

Konjunktion erreicht.

• Elongation

Die Elongation ist der Winkelabstand des Planeten zur

Sonne. Da die inneren Planeten von der Erde aus be-

trachtet niemals in Opposition gelangen können, er-

reichen sie nur eine größte westliche und eine größte

östliche Elongation.

Bei den äußeren Planeten gibt es nur eine Konjunk-

tionsstellung (Gleichschein) und eine Oppositionsstellung:

• Konjunktion

Der Planet befindet sich von der Erde aus gesehen hin-

ter der Sonne und kann deshalb – wie der Neumond –

nicht beobachtet werden. Er erreicht damit die größte

Entfernung zur Erde.

• Opposition

Der Planet bildet mit der Sonne eine Linie mit der Er-

de genau dazwischen. Er geht am Abend auf, wenn die

Sonne untergeht und geht unter, wenn die Sonne auf-

geht. Die Entfernung Erde-Planet ist am geringsten

und sein Winkeldurchmesser im Fernrohr am größten.

Außerdem gibt es noch die Quadraturen, wenn Sonne und

Planet an der Himmelskugel einen Winkelabstand von 90°

haben.

Planetenphasen

Durch die sich ständig ändernde relative Lage von Sonne,

Erde und Planet zeigen alle Planeten Phasen, wobei die

Phasen der inneren Planeten – wie beim Mond – einen

ganzen Phasenzyklus umfassen. Als GALILEO GALILEI (1564-

1642) 1609 mit seinem selbstgebauten Fernrohr die Ve-

nusphasen entdeckte, war für ihn deshalb der Streit zwi-

schen dem geozentrischen und dem heliozentrischen Welt-

system entschieden. Denn nur vom heliozentrischen

Standpunkt aus ist der Phasenzyklus der Venus (und natür-

lich auch des Merkur) verständlich.

Als Phasenwinkel bezeichnet den Winkel, den Erde und

Sonne vom jeweiligen Planeten aus gesehen, bilden. Bei

einem äußeren Planeten wird dieser Winkel zum Zeitpunkt

der Quadratur maximal.

Erwähnenswert in diesem Zusammenhang ist der soge-

nannte Schrötereffekt. Darunter versteht man die von

HIERONYMUS SCHRÖTER (1745-1816) im Jahre 1793 zum

ersten mal erwähnte zeitliche Diskrepanz zwischen der

berechneten und der beobachteten Halbphase der Venus

(Dichotomie), d. h. die „Halbvenus“ erscheint im Fernrohr

(je nach Elongation) früher oder später als berechnet.

Konstellation Innerer Planet Phase

Untere Konjunktion Neu

Größte Elongation Erstes Viertel

Obere Konjunktion Voll

Größte Elongation Letztes Viertel

Untere Konjunktion Neu

Äußerer Planet Phase

Konjunktion Voll

Quadratur Fast Voll

Opposition Voll

Quadratur Fast Voll

Konjunktion Voll

Die in diesem Kapitel erwähnten Planetenkonstellationen

(manchmal auch als Aspekte bezeichnet) in bezug auf den

Tierkreis spielen insbesondere in der Astrologie eine große

Rolle und bescheren mehr oder weniger professionelle

Astrologen auf Kosten der Sternengläubigen ein erkleckli-

ches Einkommen. So gesehen gibt es also doch Sterntaler.

1.18. Venusphasenzyklus 2002, fotografiert von C. Proctor (TBGS

Observatory, UK)

34 Geozentrische Planetentheorie

Exkurs: Geozentrische Planetentheorie

Die Sonne- Mond- und Planetentheorie, die CLAUDIUS PTOLEMÄUS

Zweifel zu den erfolgreichsten Gedankengebäuden, die im Laufe der Geschichte der Menschheit errichtet wurden. Schon aus

diesem Grund lohnt es sich, etwas genauer seine Argumentation zu verfolgen. In diesem kleinen Exkurs soll in etwas modern

rer Argumentation die Funktionsweise des Deferent-Epizykel

ren Planeten“ – erläutert werden ohne gar zu tief in die mathematischen Details zu gehen.

Die Motivation der antiken Wissenschaftler war Ordnung in die seltsamen Bewegungen der Himmelskörper mit ihren Bah

schleifen und ungleichförmigen Bewegungen am Firmament zu bringen, um ihre Or

Vergangenheit befriedigend genau vorausberechnen zu können. Eine „physikalische“ Erklärung im heutigen Sinn, wie es z.B. die

Newtonsche Gravitationstheorie leistet, war dagegen nicht ihr Ziel bzw. eine Suche dana

Denkschranken, die aus verschiedensten Gründen nicht mehr hinterfragt wurden. Dazu gehört die von Aristoteles klar form

lierte These, daß alle schweren Dinge bestrebt sind, zum „Weltmitt

in Richtung Erdboden fallen, muß der Mittelpunkt der Erde logischerweise auch der Mittelpunkt der Welt sein (Geozentrismus).

Die zweite These, die theologisch begründet wurde, war die These, daß sich die „göttlichen“ Himmelskö

Bahnen – und das waren bei den Griechen Kreisbahnen – gleichförmig bewegen müssen

net (EUDOXOS, PLATON). Hätte man diese beiden Thesen schon damals in Frage gestellt (wie es teilweise

(~310-230 v.Chr.) in bezug zum Weltmittelpunkt tat), dann hätten die hochgebildeten griechischen Astronomen wahrscheinlich

bereits vor über 2000 Jahren die logische Einfachheit eines heliozentrischen Systems erkannt.

Die große Schwierigkeit, mit der die antiken Astronomen bei der Entwicklung einer Planetentheorie kämpfen mußten, war, daß

sich die scheinbaren Planetenbahnen u.a. aus der Überlagerung der aufgrund der Keplerischen Gesetze ungleichförmigen Er

bewegung und der aus demselben Grund ungleichförmigen Bewegung der Planeten um die Sonne ergeben. Außerdem waren sie

nur in der Lage, Richtungen anzugeben. Die wahren Entfernungen waren bis auf die

bestimmte sie zu 376 000 km (moderner Wert= 384000 km)

stehenden Meßinstrumenten auch gar nicht mit einer einigermaßen befriedigenden Genauigkeit bestimmt werden.

Dazu kam noch, daß die Bewegung der Planeten auf der Himmelskugel überdeutlich von der postulierten

bewegung abwich, was man als „Ungleichheiten“ bezeichnete. Man kannte zwei „große“ Ungleichheiten, wobei sich die Erste auf

die unterschiedliche Geschwindigkeit und die zweite auf die

(genauer Rückläufigkeiten) unter den Sternen bezog.

Zur theoretischen Beherrschung dieser „Ungleichheiten“ wurde ein geniales geometrisches Modell erdacht, welches in gewissem

Sinn das Kreisbahndogma unberührt ließ und die Planetenbewegungen a

und Epizykeln (und später auch Ausgleichspunkten) zurückführte.

1.19. Oppositionsschleife des Planeten Mars im Jahre 2003. Die Bewegung erfolgt von der Nordhalbkugel der Erde aus gesehen von rech

(„rechtläufig“). Der eingezeichnete Planet befindet sich dagegen im rückläufigen Teil seiner Bahn.

TOLEMÄUS im Almagest entwickelte, gehört neben Euklids Geometrie ohne

Zweifel zu den erfolgreichsten Gedankengebäuden, die im Laufe der Geschichte der Menschheit errichtet wurden. Schon aus

ohnt es sich, etwas genauer seine Argumentation zu verfolgen. In diesem kleinen Exkurs soll in etwas modern

Epizykel-Systems am Beispiel eines – wie wir heute sagen würden, “äuß

erden ohne gar zu tief in die mathematischen Details zu gehen.

Ordnung in die seltsamen Bewegungen der Himmelskörper mit ihren Bah

schleifen und ungleichförmigen Bewegungen am Firmament zu bringen, um ihre Orte sowohl für die Zukunft als auch für die

Vergangenheit befriedigend genau vorausberechnen zu können. Eine „physikalische“ Erklärung im heutigen Sinn, wie es z.B. die

Newtonsche Gravitationstheorie leistet, war dagegen nicht ihr Ziel bzw. eine Suche danach scheiterte u.a. an philosophischen

Denkschranken, die aus verschiedensten Gründen nicht mehr hinterfragt wurden. Dazu gehört die von Aristoteles klar form

Dinge bestrebt sind, zum „Weltmittelpunkt“ zu fallen. Und da nach allen Erfahrungen alle Körper

in Richtung Erdboden fallen, muß der Mittelpunkt der Erde logischerweise auch der Mittelpunkt der Welt sein (Geozentrismus).

Die zweite These, die theologisch begründet wurde, war die These, daß sich die „göttlichen“ Himmelskörper nur auf „idealen“

gleichförmig bewegen müssen, was man als Kreisbahndogma bezeic

. Hätte man diese beiden Thesen schon damals in Frage gestellt (wie es teilweise ARISTARCH VON S

in bezug zum Weltmittelpunkt tat), dann hätten die hochgebildeten griechischen Astronomen wahrscheinlich

bereits vor über 2000 Jahren die logische Einfachheit eines heliozentrischen Systems erkannt.

die antiken Astronomen bei der Entwicklung einer Planetentheorie kämpfen mußten, war, daß

sich die scheinbaren Planetenbahnen u.a. aus der Überlagerung der aufgrund der Keplerischen Gesetze ungleichförmigen Er

hförmigen Bewegung der Planeten um die Sonne ergeben. Außerdem waren sie

nur in der Lage, Richtungen anzugeben. Die wahren Entfernungen waren bis auf die (mittlere) Mondentfernung (Ptolemäus

(moderner Wert= 384000 km) völlig unbekannt und konnten mit den damals zur Verfügung

stehenden Meßinstrumenten auch gar nicht mit einer einigermaßen befriedigenden Genauigkeit bestimmt werden.

Dazu kam noch, daß die Bewegung der Planeten auf der Himmelskugel überdeutlich von der postulierten gleichförmigen Krei

bewegung abwich, was man als „Ungleichheiten“ bezeichnete. Man kannte zwei „große“ Ungleichheiten, wobei sich die Erste auf

und die zweite auf die bei manchen Planeten zeitweise auftretenden Schleifenbewegungen

Zur theoretischen Beherrschung dieser „Ungleichheiten“ wurde ein geniales geometrisches Modell erdacht, welches in gewissem

Sinn das Kreisbahndogma unberührt ließ und die Planetenbewegungen auf ein kompliziertes System aus Exzentern, Deferenten

und Epizykeln (und später auch Ausgleichspunkten) zurückführte.

Oppositionsschleife des Planeten Mars im Jahre 2003. Die Bewegung erfolgt von der Nordhalbkugel der Erde aus gesehen von rechts nach links

(„rechtläufig“). Der eingezeichnete Planet befindet sich dagegen im rückläufigen Teil seiner Bahn.

im Almagest entwickelte, gehört neben Euklids Geometrie ohne

Zweifel zu den erfolgreichsten Gedankengebäuden, die im Laufe der Geschichte der Menschheit errichtet wurden. Schon aus

ohnt es sich, etwas genauer seine Argumentation zu verfolgen. In diesem kleinen Exkurs soll in etwas moderne-

wie wir heute sagen würden, “äuße-

Ordnung in die seltsamen Bewegungen der Himmelskörper mit ihren Bahn-

te sowohl für die Zukunft als auch für die

Vergangenheit befriedigend genau vorausberechnen zu können. Eine „physikalische“ Erklärung im heutigen Sinn, wie es z.B. die

ch scheiterte u.a. an philosophischen

Denkschranken, die aus verschiedensten Gründen nicht mehr hinterfragt wurden. Dazu gehört die von Aristoteles klar formu-

allen Erfahrungen alle Körper

in Richtung Erdboden fallen, muß der Mittelpunkt der Erde logischerweise auch der Mittelpunkt der Welt sein (Geozentrismus).

rper nur auf „idealen“

bezeich-

SAMOS

in bezug zum Weltmittelpunkt tat), dann hätten die hochgebildeten griechischen Astronomen wahrscheinlich

die antiken Astronomen bei der Entwicklung einer Planetentheorie kämpfen mußten, war, daß

sich die scheinbaren Planetenbahnen u.a. aus der Überlagerung der aufgrund der Keplerischen Gesetze ungleichförmigen Erd-

hförmigen Bewegung der Planeten um die Sonne ergeben. Außerdem waren sie

(Ptolemäus

ekannt und konnten mit den damals zur Verfügung

gleichförmigen Kreis-

bewegung abwich, was man als „Ungleichheiten“ bezeichnete. Man kannte zwei „große“ Ungleichheiten, wobei sich die Erste auf

enbewegungen

Zur theoretischen Beherrschung dieser „Ungleichheiten“ wurde ein geniales geometrisches Modell erdacht, welches in gewissem

uf ein kompliziertes System aus Exzentern, Deferenten

links

Die Erde als Beobachtungsort 35

Ein erster wichtiger Beobachtungsparameter ist die Dauer der Bewegung eines Planeten um die gesamte Himmelskugel. Helio-

zentrisch betrachtet ist das genau die Umlaufszeit des Planeten um die Sonne (siderisches Jahr �!"). Von der Erde aus betrachtet

gibt es aber Abweichungen davon, die sich daraus ergeben, daß sich z.B. Oppositions- und Konjunktionsstellungen in bezug auf

die Sterne ändern, da sich die Erde mit dem Beobachter selbst um die Sonne bewegt. Die Zeitdauer zwischen zwei Konjunktionen

(innere Planeten) bzw. zwei Oppositionen (äußere Planeten) wird dabei als synodische Periode �#$% bezeichnet. Dabei gelangt

ein äußerer Planet immer dann in Oppositionstellung, wenn der Winkelabstand in Länge zwischen Planet und Sonne 180° be-

trägt. Dieser Fall entspricht genau der Position des Planeten bei seiner Rückbewegung in der Oppositionsschleife, wenn er sich

genau im zeitlichen Mittel zwischen den beiden Stillstandspunkten &� und &� befindet. Stillstände, Oppositionspunkte und Rück-

läufe sind deshalb auch – da sie offensichtlich an die Sonnenbewegung gekoppelt sind – sogenannte synodische Ereignisse.

Zwischen der siderischen und synodischen Periode eines Planeten und der Umlaufsperiode der Erde um die Sonne (�*+,�) be-

steht folgender Zusammenhang:

1�#$%

= 1�!"

− 1�*+,�

Hieraus erkennt man schon, daß bei inneren Planeten die synodische Umlaufszeit immer größer als ihre siderische sein muß und

daß es bei den äußeren Planeten (mit Ausnahme des Mars) gerade andersherum ist. Das ist auch verständlich, denn je weiter ein

Planet von der Erde entfernt ist, desto mehr sollte sich dessen synodische Umlaufszeit der Erdumlaufszeit annähern.

Diese Periodizitäten (wenn auch nicht ihre Ursachen) waren schon den babylonischen Astronomen gut bekannt, wie folgende

Tabelle zeigt (VAN DER WAERDEN, 1988):

Merkur 145 synodische Perioden = 46 �*+,� + 1° Venus 5 synodische Perioden = 8 �*+,�– 2°15‘ Mars 37 synodische Perioden = 42 �*+,� +3°10‘ Jupiter 65 synodische Perioden = 6 �*+,� – 4°50‘ Saturn 57 synodische Perioden = 2 �*+,� + 1°43‘

Moderne Werte

Daraus schlußfolgerte man, daß sich die Bewegung der Planeten aus zwei Perioden zusammensetzen muß, die sich überlagern:

Einmal aus der Periode, welche für die Bewegung entlang der Ekliptik in Länge verantwortlich ist (d.i. die „tropische Längenbe-

wegung“) und zweitens aus der Periode, die sich relativ zum Sonnenstand vollzieht (d.h. die „synodische Bewegung“). Das bedeu-

tet, daß sich ein Planet täglich um den Winkel

-. = 360°�01,

entlang der Ekliptik von West nach Ost und um den Winkel

-# = 360°�0$%

relativ zum Sonnenstand bewegt. Aus diesen Überlegungen heraus entwickelte APOLLONIOS VON PERGE (262-190 v.Chr.) ein geo-

metrisches Modell, das in einer ersten Näherung aus einem Deferentenkreis besteht. Die Position der Erde entsprach in diesem

Modell dem Mittelpunkt des Deferentenkreises und dessen Umfang bildete quasi den Tierkreis nach, durch den sich der Planet

während seines Erdumlaufs bewegt. Um auch die periodischen Rückläufigkeitszyklen modellmäßig erfassen zu können, wurde

zusätzlich ein rasch rotierender Epizykel eingeführt, dessen Mittelpunkt anstelle des Planeten den Deferenten umläuft und auf

Siderisch (d) Synodisch (d) Merkur 87.969 115.88 Venus 224.701 583.92 Mars 686.980 779.94 Jupiter 4334.151 398.88 Saturn 10832.327 378.09

36 Geozentrische Planetentheorie

dessen Peripherie man sich den Planeten „angeheftet“ dachte. Wenn nun die Rotationsgeschwindigkeit des Deferenten ungefähr

-. und die Rotationsgeschwindigkeit des Epizykels -# beträgt, dann lassen sich zumindest schon in grober Näherung die auffäl-

ligen Rückwärtsbewegungen in den Schleifen quantitativ erfassen.

Um mit diesem Modell auch die Schleifenform erfassen zu können, muß offensichtlich noch die Epizykelebene über einen gewis-

sen Winkelbereich gegenüber der Deferentenebene geneigt werden. Dazu später mehr. Befassen wir uns erst einmal mit der

Bewegung in Länge (die Länge 2 wird vom Frühlingspunkt aus in Richtung der scheinbaren Sonnenbewegung gemessen).

Solange man sich den Beobachter im Punkt D, d.h. im Mittelpunkt des Deferentenkreises dachte, solange konnte man die „erste

Ungleichheit“ (das ist die ungleichförmige Bewegung der Himmelskörper unter den Sternen um die Himmelskugel) nicht erfas-

sen. Die Idee, wie man trotz des Kreisbahndogmas dieses Phänomen „retten“ konnte, bestand daran, den Deferentenkreis etwas

aus der „Weltmitte“ herauszurücken. Dazu wurden symmetrisch zu D zwei neue Punkte T (Position der Erde) und E (Ausgleichs-

punkt oder punctum aequans) eingeführt und postuliert, daß die Winkelgeschwindigkeit des Punktes C (Epizykelzentrum) in

Bezug auf E weiterhin konstant ist (d.h. die Strecke E-C überstreicht in gleichen Zeiten gleiche Winkel). In Bezug auf T ergibt sich

jetzt aus der exzentrischen Lage (ihr Ausmaß wird durch den Abstand der Punkte E und T bestimmt, der gleich 2e ist, wobei e die

Exzentrizität bezeichnet) eine sich mit der siderischen Periode ändernde Winkelgeschwindigkeit. Obwohl sich C nach wie vor

von E aus gesehen mit konstanter Geschwindigkeit auf dem Deferenten bewegt, kommt es dem Beobachter auf T so vor, als ob C

zeitweilig beschleunigt oder zeitweilig abgebremst wird. Dabei wird der Punkt mit der größten Geschwindigkeit als Perigäum PE

und der Punkt mit der kleinsten Geschwindigkeit als Apogäum AP bezeichnet. Das Perigäum entspricht dabei dem geringstmög-

lichen Abstand von T zu C und das Apogäum dem Größtmöglichen. Verbindet man diese beiden Punkte, dann erhält man die

Apsidenlinie, welche selbstverständlich auch durch E und T verläuft.

An dieser Stelle ist es sinnvoll, noch ein paar weitere Grö-

ßen einzuführen. Der Winkel v heißt z.B. seit alters her die

„wahre Anomalie“. Unter diesem Winkel erscheint der

Planet (genauer der Punkt C, wenn wir den Epizykel erst

einmal außen vor lassen) für einen irdischen Beobachter

vom Perigäum entfernt. Der Winkel 3 dagegen, welche die

Gerade E-C mit der Apsidenlinie bildet, ist die „mittlere

Anomalie“ des zu T exzentrischen Kreises (dessen Mittel-

punkt D ist). Die Differenz zwischen wahrer und mittlerer

Anomalie wird manchmal auch Mittelpunktsgleichung

genannt. Da es nur auf Winkel ankommt und nicht auf

Entfernungen, kann man im Prinzip den Radius R des Defe-

renten willkürlich wählen, wobei sich – wenn man R=1

setzt – die „ganze Exzentrizität“ aus der Summe der

Die Erde als Beobachtungsort 37

Exzentrizität des Äquanten e‘ (E-D) und der Exzentrizität des Deferenten e (D-T), also bei symmetrischer Lage zu D, zu e+e‘=2e

ergibt. Nach dem Sinussatz gilt dann für den Winkel 4 (wegen R=1): sin 4 = sin 3 . Und da die wahre Anomalie offensicht-

lich 6 = 3 + + 4 ist, muß zuvor noch aus dem Dreieck D-C-T der Winkel berechnet werden. Wie man aus der Abbildung

entnehmen kann, ist der Winkel T-D-C = 3 + 4, woraus 8� = 1 + � − 2 cos<3 + 4= und sin = �> sin<3 + 4= folgt (r=Länge

der Strecke T-C, d.h. die „Entfernung“ von C vom „Weltmittelpunkt“ T). Damit kann die „wahre“ Position des Punktes C in bezug

auf die Apsidenlinie berechnet werden. Läßt man nun den Winkel 3 über eine volle Umlaufsperiode um die gesamte Himmelsku-

gel gleichmäßig rotieren 3<?= = -. ∙ ?, dann läßt sich für ein geeignet gewähltes e die „erste Ungleichheit“ der Planetenbewe-

gung durchaus befriedigend reproduzieren.

Das Problem der „Zweiten Ungleichheit“ wurde von den griechischen Astronomen durch die Einführung eines weiteren Kreises,

des Epizykels, gelöst. Dieser Kreis, dessen Radius r kleiner als der des Deferentenkreises gewählt wird, „trägt“ den Planeten P

und dreht sich mit gleichmäßiger Winkelgeschwindigkeit -# um den Punkt C. Schaut man nun von T aus in Richtung C, dann

erscheint die Bewegung des Planeten im oberen Teil des Epizykels rechtläufig und im unteren rückläufig.

Die Linie, die durch C, T und den oberen Schnittpunkt des Epizykels A‘ geht, ist die „wahre“ Apsidenlinie. Befindet sich der Planet

P im oberen Schnittpunkt dieser Linie mit dem Epizykelkreis, dann befindet sich der Planet im „wahren“ Apogäum A‘, ansonsten,

wenn er sich im unteren Schnittpunkt befindet, im „wahren“ Perigäum P‘.

Die Bewegung des Planeten P in Länge setzt sich also aus

der von der Erde aus gesehenen ungleichförmigen Bewe-

gung des Punktes C entlang des Deferenten und aus der

gleichförmigen Bewegung des Planeten auf dem Umfang

des Epizykels zusammen. Dabei ist die Position des Plane-

ten auf dem Epizykel mit der Lage der mittleren Sonne auf

der Ekliptik verbunden und zwar derart, daß die Strecke P-

C immer parallel der Strecke ist, die von T aus zur Position

der mittleren Sonne gezogen wird. Auf diese Weise gelingt

es, die Rückläufigkeit der äußeren Planeten in die Nähe zur

Opposition der Sonne zu verlegen – genauso, wie es die

Beobachtungen auch zeigen.

Die nach Ptolemäus „wahre“ Bewegung, die man von der Erde aus nur als Projektion auf die Himmelssphäre wahrnehmen kann,

ist dann eine komplizierte Schleifenbewegung in Form einer Trochoide:

1.20. Das Titelblatt von Keplers „Astronomia Nova“ von 1609 zeigt die Marsbahn von 1580 bis 1596

38 Geozentrische Planetentheorie

Wenn die Lage der Apsidenlinie des exzentrischen Kreises (=Abstand des Perihels vom Frühlingspunkt), die Exzentrizität e und

das Verhältnis des Radius des Deferenten zum Radius des Epizykels bekannt ist, kann über die Position von C und der Position

der mittleren Sonne für jeden beliebigen Zeitpunkt die ekliptikale Länge des Planeten P berechnet werden, wobei beide Un-

gleichheiten Berücksichtigung finden.

Schwieriger ließen sich dagegen die beobachteten Breitenschwankungen während eines siderischen Umlaufs erklären, die der

Längenbewegung bezüglich der Ekliptik überlagert sind und in den Oppositionszeiten zu der eigentlichen Schleifenbildung bei

den äußeren Planeten führen. Ptolemäus hat sich im 13. Buch des „Almagest“ ausgiebig mit diesem Problem beschäftigt und eine

befriedigende Lösung gefunden.

Ptolemäus erkannte, daß (im Gegensatz zum Mond) der größte Winkelabstand eines äußeren Planeten zur Ekliptik stets im

gleichen Längenabstand zur Apsidenlinie erreicht wird. Das bedeutet, daß auch die Verbindungslinie der Durchstoßungspunkte

der Planetenbahn mit der Ekliptik eine feste, aber für jeden Planeten andere Lage hat. Diese Verbindungslinie ist die Knotenlinie.

Sein erster Schritt war deshalb, die Ebene des Deferenten um einen bestimmten Winkel i aus der Ekliptikalebene herauszuheben,

wobei die „Drehachse“ die Knotenlinie bildet. Den Winkel i wählte er dabei so, daß damit gerade der maximale Breiteneffekt, der

während der Phase der Rückläufigkeit erreicht wird, ausgeglichen wird. Für den Mars ist das z.B. ein Winkel von ~1°50‘ und für

Saturn sogar von 2°30‘. Das reichte aber noch nicht aus, um die Breitenschwankung vollständig zu eliminieren. Er mußte auch

noch die normalerweise in der Deferentenebene liegende Epizykelebene um einen Winkel A heraus kippen, wobei der Kippwin-

kel von der Lage des Punktes C in bezug auf die Knotenlinie abhängt. Während der Bewegung des Epizykelzentrums vom auf-

steigenden Knoten bis zum Apogäum AP neigt sich die Epizykelebene langsam, wobei sich das wahre Apogäum des Epizykels

nach Süden und das wahre Perigäum des Epizykels nach Norden wendet. Die Kippachse ist dabei der Durchmesser des Epizy-

kels, der als Tangente zum Deferentenkreis fungiert und der immer parallel zur Ekliptik verbleibt. A erreicht offensichtlich sei-

nen Maximalwert, wenn sich der Planet im wahren Apogäum A‘ des Epizykels befindet um danach wieder abzunehmen, bis der

Planet den Punkt P‘ erreicht. Diese komplizierten Bewegungen wurden später von Ptolemäus weiter verbessert und vereinfacht,

wie seine überlieferte Schrift Hypotheseis ton planomenon („Hypothesen über die Planeten“) beweist. Er richtete darin auf der

gesamten Bahn (wir sprechen hier nur von den äußeren Planeten) die Epizykelebene streng nach der Ekliptik aus, was helio-

zentrisch gesehen soweit in Ordnung ist, da die Epizykelbewegung nichts anderes als die jährliche Bewegung der Erde um die

Sonne aus geozentrischer Sicht darstellt.

Hier ist es jetzt interessant, die Frage nach der „Richtigkeit“ bzw. „Falschheit“ der ptolemäischen Lehre in einem zeitlichen Ab-

stand von fast 2000 Jahren zu stellen. Man weiß mittlerweile, daß physikalisch alle gleichförmig und geradlinig gegeneinander

bewegten Bezugssysteme (Inertialsysteme) physikalisch gleichberechtigt sind (beschrieben durch die Galilei-Transfor-

mationen). Diese „Relativitätsprinzip“ sagt aus, daß die Geschwindigkeit keine inhärente Eigenschaft eines Körpers ist, sondern

nur in Relation zu anderen Körpern existiert. ALBERT EINSTEIN hat 1905 weiterhin dargelegt, daß dieses Prinzip unter Beachtung

der von jedem Bezugssystem (genauer Inertialsystem) unabhängigen Vakuumlichtgeschwindigkeit auch für nichtmechanische

Vorgänge gilt (insbesondere für die Maxwellschen Gleichungen der klassischen Elektrodynamik). Wendet man dieses Prinzip auf

das geozentrische System der alten Griechen und auf das heliozentrische System des COPERNICUS oder KEPLER an, dann ergeben

sich zwei verschiedene Bezugsysteme, in denen die Bewegung der Planeten sowie der Sonne und des Mondes beschrieben wer-

den. MAX BORN hat das in seinem Buch „Die Relativitätstheorie Einsteins und ihre physikalischen Grundlagen“ überspitzt wie

folgt ausgedrückt: „Von Einsteins hoher Warte gesehen haben Ptolemäus und Kopernikus gleiches Recht: beide Standpunkte liefern

dieselben Naturgesetze… Welchen Standpunkt man wählt, ist nicht aus Prinzipien entscheidbar, sondern Sache der Bequemlichkeit.“

Dieser Argumentation kann man sich anschließen, solange man nur an einer befriedigenden Beschreibung der Phänomene und

weniger an ihren physikalischen Ursachen interessiert ist. Im Prinzip ist es möglich, in einer ersten Näherung das ptolemäische

Epizykel-System aus dem heliozentrischen abzuleiten, in dem man das Bezugsystem vom Sonnenmittelpunkt in den Erdmittel-

punkt verlegt und die Eigenrotation und die Neigung der Erdachse zur Ekliptik berücksichtigt. Es bleibt aber eine Näherung,

solange man sich nicht vom Kreisbahndogma verabschiedet. Das war auch der Grund, warum Nicolaus Copernicus mit seinem

neuen System zwar einen riesigen Sprung in der Frage der logischen Einfachheit (man schaue sich nur einmal die unterschiedli-

che Behandlung der Oppositionsschleifen in beiden Weltsystemen an), aber nur einen relativ bescheidenen in punkto Verbesse-

rung der Vorhersagegenauigkeit erreichte (auch Copernicus benötigte noch Epizykel). Erst die Entdeckung des Gravitationsge-

setzes erlaubte eine physikalische Begründung und die Entwicklung einer Himmelsmechanik. Die Entdeckung der jährlichen

Aberration des Sternlichts durch Bradley zeigte dann endgültig, daß sich die Erde um die Sonne bewegt. Die sogenannte „koper-

nikanische Revolution“ bereitete also gewissermaßen eine Physikalisierung des Weltbildes vor, bei dem es nicht nur um die

adäquate Beschreibung von Erscheinungen in Sinne ihrer Vorhersagbarkeit ging (was das ptolemäische System ja über 1400

Jahre lang mit befriedigender Genauigkeit leistete), sondern um ihre Ursachen und ihre Begründung. Nicht nur aus Bequemlich-

keit ist es sinnvoller, bei der Beschreibung der Bewegungen im Sonnensystem von der Sonne als deren Mittelpunkt auszugehen.

Die Erde als Beobachtungsort 39

Kapitelzusammenfassung

Scheinbare Planetenbahnen

n Sonne, Mond und Sterne werden schon seit altersher aufmerksam beobachtet. Ihre Bewegung am Himmel bildete in

den frühen Kulturen die Grundlage für die ersten Kalendersysteme, die für das Zusammenleben der Menschen sehr

wichtig sind. In dem man die Himmelskörper als sichtbare Zeichen der Götter betrachtete, entstanden die ersten Ast-

ralreligionen.

n Wenn man sich über die Herkunft unserer heutigen Namen der großen Planeten und eines Großteils ihrer Monde aus

erster Hand informieren möchte, ist Gustav Schwabs "Sagen des klassischen Altertums" ein guter Ausgangspunkt.

n Alle Planeten bewegen sich im Bereich der Ekliptik (scheinbare Sonnenbahn am Himmel) innerhalb einer siderischen

Periode überwiegend von West nach Ost (rechtläufig) durch den Tierkreis (Zodiakus).

n Bei den äußeren Planeten beobachtet man zur Zeit der Opposition auch rückläufige Bewegungen, die zu Bahnschleifen

unter den Sternen führen. Solche Oppositionsschleifen sind besonders beim Planeten Mars sehr auffällig.

Geozentrisches Weltsystem

n Die geozentrische Weltsicht ist die natürliche Erklärung für die tägliche Bewegung der Himmelskörper von Ost nach

West über die Himmelskugel. Sie konnte erst endgültig überwunden werden, als man das Rotationsverhalten der Erde

absolut nachweisen konnte. Das gelang zu Beginn der Neuzeit (tägliche Aberration, Foucaultsches Pendel).

n Mathematisch-geometrische Modelle zur Erklärung der Himmelserscheinungen wurden insbesondere im alten Grie-

chenland entwickelt. Dabei gelangen eine Vielzahl erstaunlicher Entdeckungen: Präzession der Äquinoktien (Hipparch

von Nicaia), Größe und Entfernung des Mondes, Nachweis, daß die Sonne viel weiter entfernt ist als der Mond und des-

halb auch viel größer als die Erde sein muß (Aristarch von Samos), Messung des Erdumfangs (Eratosthenes), Entwick-

lung des Deferent-Epizykel-Modells, mit dem es unter Beibehaltung des Kreisbahndogmas (EUDOXOS, PLATON) gelang,

die Positionen von Sonne, Mond und Planeten mit einer für die damalige Zeit genügenden Genauigkeit voraus zu be-

rechnen (APPOLONIUS VON PERGE, CLAUDIUS PTOLEMÄUS).

n Das geozentrische Weltsystem geht davon aus, daß der Erdmittelpunkt auch der Weltmittelpunkt ist. Um diese Welt-

mitte bewegen sich die Himmelskörper in der Reihenfolge Mond, Merkur, Venus, Sonne, Mars, Jupiter und Saturn auf

idealen Kreisbahnen (Kreisbahndogma, PLATON). Dahinter folgt die Fixsternsphäre, deren Entfernung aufgrund des

Fehlens einer Parallaxe nicht angegeben werden kann.

n Physikalisch wurde das geozentrische Weltsystem durch den Lehrsatz der peripatetischen Schule, nach dem alle

schweren Körper bestrebt sind, in Richtung Weltmitte zu fallen, begründet.

Epizykeltheorie

n Die Epizykeltheorie ist eine mathematische Theorie, die es erlaubt, ohne explizite Begründung der Ursachen die Bewe-

gung der Planeten auf der scheinbaren Himmelskugel mit einer durchaus erstaunlichen Genauigkeit vorherzusagen. Sie

geht auf APPOLONIUS VON PERGE zurück und wurde von CLAUDIUS PTOLEMÄUS weiterentwickelt.

n In dieser Theorie bewegt sich der Mittelpunkt eines Epizykels innerhalb einer siderischen Umlaufsperiode auf einem

Kreis, der als Deferent bezeichnet wird, um die Himmelskugel. Der Planet selbst bewegt sich wiederum auf der Peri-

pherie des Epizykels in einer synodischen Periode gleichmäßig um dessen Mittelpunkt. Seine aktuelle Position ist durch

die (auf den Frühlingspunkt) bezogene Richtung (Winkelabstand) gegebenen. Durch diese zusammengesetzte Bewe-

gung konnte die zeitweilige Rückläufigkeit der äußeren Planeten („Zweite Ungleichheit“) beschrieben werden.

n Um die „Erste Ungleichheit“ zu erfassen, wurde ein aus der Mitte des Deferenten um einen bestimmten Abstand

herausgerückter Punkt eingeführt, der als Ausgleichspunkt (punctum aequans) bezeichnet wird. Er hat die Eigenschaft,

daß sich die Epizykelmitte um diesen Punkt mit gleichförmiger Winkelgeschwindigkeit bewegt. Die Erde befindet sich

dagegen im gleichen Abstand wie der Ausgleichspunkt auf der anderen Seite der Mitte des Deferenten, wobei alle drei

40 Kapitelzusammenfassung, Aufgaben

Punkte auf einer Gerade liegen. Die Planetenbewegung, die vom Ausgleichspunkt gesehen noch gleichförmig verläuft,

erscheint vom Weltmittelpunkt aus ungleichförmig. Dabei wird die Stelle auf dem Deferenten, wo die Geschwindigkeit

am größten ist, als Perigäum und die Stelle, wo sie am geringsten ist, als Apogäum bezeichnet. Verbindet man beide

Punkte, dann erhält man die Apsidenlinie. Der Abstand zwischen Ausgleichspunkt (bzw. Weltmittelpunkt) vom Zent-

rum des Deferenten ist die Exzentrizität.

n Im geozentrischen Weltsystem werden die inneren Planeten (Merkur und Venus), die äußeren Planeten (Mars, Jupiter,

Saturn), der Mond und die Sonne unterschiedlich behandelt. Besondere Schwierigkeiten bereiteten dabei die inneren

Planeten und dort insbesondere Merkur.

n Das ptolemäische System ist ohne Zweifel eines der erfolgreichsten Gedankengebäude der Menschheit. Es hatte über

1400 Jahre Bestand und wurde erst zu Beginn der Neuzeit durch das kopernikanische System abgelöst, bei dem wieder

– wie bei ARISTARCH VON SAMOS – die Sonne im Weltmittelpunkt steht.

Scheinbare Planetenbewegungen am Himmel

n Die relative Lage der Planeten in bezug auf Sonne und Erde bezeichnet man als Konstellationen. Bei den inneren Plane-

ten Merkur und Venus unterscheidet man untere und obere Konjunktion sowie die Elongation. Bei den äußeren Plane-

ten gibt es dagegen Konjunktions- und Oppositionsstellungen. Außerdem gibt es noch die Quadraturen, wenn Sonne

und Planet an der Himmelskugel einen Winkelabstand von 90° haben.

n Die Zeit, in der sich ein äußerer Planet auf seiner scheinbaren Bahn rückläufig bewegt, bezeichnet man als Oppositions-

zeit.

n Phasen treten sowohl bei inneren als auch bei äußeren Planeten auf. Jedoch nur die inneren Planeten Merkur und Ve-

nus besitzen einen kompletten Phasenzyklus.

Aufgaben / Diskussionen

1. Diskutieren Sie den Zusammenhang zwischen dem

Äquanten und der Zeitgleichung. Stellen Sie sich ihn

dazu als einen fiktiven Punkt am Himmel relativ zur

Sonne vor.

2. Erklären Sie, warum die äußeren Planeten keinen

vollständigen Phasenzyklus für einen irdischen Beo-

bachter aufweisen können. Welcher der äußeren Pla-

neten zeigt den größten maximalen Phasenwinkel?

3. Merkur befindet sich im Perihel 0.304 AU und im

Aphel 0.467 AU von der Sonne entfernt. Berechnen Sie

für diese beiden Fälle die maximale Elongation für ei-

nen Beobachter auf der Erde.

4. Was versteht man unter Erster und Zweiter Ungleich-

heit? Wodurch wird im heliozentrischen System die

erste Ungleichheit hervorgerufen?

5. Was ist ein Epizykel und warum ist er so wichtig, um

im ptolemäischen System die zeitweise retrograde

Bewegung der Planeten zu erklären?

6. Wie läßt sich die retrograde Bewegung eines Planeten

im heliozentrischen System erklären und warum ist

diese Erklärung logisch einfacher?

7. Wie kann man im Epizykel-Modell erklären, daß ein

äußerer Planet während der Oppositionszeit beson-

ders hell erscheint?

8. Erklären Sie die Konstellationen der inneren und

äußeren Planeten aus heliozentrischer Sicht!

9. Der griechische Gelehrte Eratosthenes bemerkte um

225 v.Chr., daß, wenn die Sonne in Syene zu Mittag

keinen Schatten wirft, in Alexandria die Sonne ca. 7.2°

vom Zenit entfernt steht. Aus der Entfernung von

Syene zu Alexandria von ca. 5000 Stadien (er nutzte

wahrscheinlich die Daten ägyptischer Landvermesser)

berechnete er den Erdumfang. Wenn ein Stadium ei-

ner Länge von 148.5 m entspricht und man sein Er-

gebnis mit dem modernen Wert vergleicht (U=40008

km), um wieviel lag er falsch?

10. Was ist der Unterschied zwischen der siderischen und

synodischen Periode eines Planeten?

11. Warum nähert sich die synodische Periode eines äu-

ßeren Planeten immer mehr der siderischen Umlaufs-

periode der Erde an, je weiter er entfernt ist?

12. Wie groß ist die maximale Elongation von Merkur und

Venus für einen Beobachter auf dem Mars?

Die Bewegungen aller Himmelskörper so vollständig kennen zu lernen, daß für jede

Zeit genügende Rechenschaft davon gegeben werden kann, dieses war und ist die Auf-

gabe, welche die Astronomie aufzulösen hat.

Friedrich Wilhelm Bessel (1784-1846)

Populäre Vorlesungen über wissenschaftliche Gegenstände, 1848