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KLINIKFORUM Zeitung für Patienten des Universitätsklinikums Tübingen Seite 2 Seite 3 Seite 6 Uniklinikum Tübingen eröffnete hochmoderne Strahlenthera- piepraxis im ehemaligen Krankenhausgebäude von Horb. Die exotischen Fische und Korallen an der Tübinger Kinderklinik haben ein neues Meerwasser-Aquarium bekommen. Für individuelle Hilfe sorgt das interdisziplinäre Team der Spezialambulanz. Chronische Darmentzündungen Schillernde Unterwasserwelt Strahlentherapie in Horb Pautz, die im ersten Ausbildungsjahr ist, erhält am Ende der Besprechung noch eine Lernaufga- be: Anhand eines ihr zugeteilten Patienten soll sie genau ausarbeiten, wie die Pflege während seines Aufenthaltes aussehen soll. Dazu wird sie den Pati- enten fragen, wie es ihm geht und was er braucht und die Informationen aus der Arztvisite, der Kran- kenakte und dem bisherigen Verlauf hinzuziehen. Ihr schriftlicher Pflegeplan wird dann gemeinsam mit dem Praxisanleiter durchgesprochen und umgesetzt. Auch Organisatorisches wird im Team geübt: Welche Operationen stehen an, wie sind die Betten belegt, welcher Patient wird entlassen, wer kommt nach dem Klini- kaufenthalt in eine Reha. Auch bisher haben die Absolventen der klinik- eigenen Pflegeschulen ihre praktische Erfah- rung durch Einsätze auf wechselnden Stationen erworben. Im neuen Ausbildungskonzept bleiben die Einsätze auf wechselnden Stationen erhalten, aber zusätzlich übernehmen die Nachwuchskräfte jetzt sieben Wochen lang Verantwortung für die Patienten auf der neuen, dauerhaft eingerichte- ten Ausbildungsstation. Dort kann das praktische Wissen von den examinierten Kollegen und dem Lehrpersonal vertiefter und konzentrierter wei- tergegeben und eingeübt werden. Durch die län- gere Dauer der selbständigen Tätigkeit ergeben sich effektivere Lernsituationen, mehr Routine Das Universitätsklinikum Tübingen – ein Team aus Teams Die neue Ausbildungsstation Schritt für Schritt Verantwortung übernehmen Praxisanleiterin Katja Keppler (rechts) leitet Pflegeschülerin Aline Uhrich (links) beim richtigen Anlegen der Blutdruckmanschette an. Die Patienten auf der Ausbildungsstation zeigen dabei viel Verständnis für die angehenden Pflegekräfte, das Feedback ist durchweg positiv! Es ist viel los morgens auf Station 49. Bereits um 7 Uhr wurde der erste Patient in den OP gerufen, die Visite in den Krankenzimmern ist gerade vor- bei. Vorne am Stationseingang sind alle Sitzplätze belegt, hier warten die neuen Patienten darauf, in ihre Zimmer aufgenommen und für ihre Operation vorbereitet zu werden. Im Stationszimmer herrscht kurz nach 8 Uhr trotzdem konzentrierte Ruhe: Jeweils drei Köpfe beugen sich an den beiden Tischen über Patien- tenakten. Immer zwei Krankenpflegeschülerinnen gehen mit ihren Lehrern, die hier Praxisanleiter heißen, die einzelnen Krankengeschichten durch. In der täglichen Bespre- chung nach der Arzt- visite wird dabei alles Wichtige für die Pflege der Patienten im Detail besprochen und erklärt: Hat der Patient noch über Schwindel geklagt? Wie stark ist dieser? Auf was muss man achten? Ein betagter Patient hat einen besonders hohen Blut- druck, welche Medikamente nimmt er, wann soll nachgemessen werden? Zwischendurch klingelt es aus einem Patientenzimmer, Pflegeschülerin Ramanpreet Kaur verschwindet kurz: Eine Pati- entin wollte gern einen Tee. Weiter geht’s: Ist der Kreislauf der Patientin schon wieder so stabil, dass sie selbst wieder laufen kann? Wann soll der Ver- band eines frischoperierten Patienten gewechselt werden? Wer bekommt eine Infusion? Simone und damit auch Sicherheit im Krankenhausalltag. „Vertiefter, konzentrierter und systematischer aus- bilden will das Uniklinikum“, erläutert Thomas Münzing, verantwortlich für die praktische Ausbil- dung und Initiator des Projekts, das Konzept, das auf der neuen Ausbildungsstation am Tübinger Uniklinikum umgesetzt wird. 24 Betten stehen für die Versorgung frischoperierter Patienten auf der Pflegestation 49 der Klinik für Allgemein-, Vis- zeral- und Transplantationschirurgie zur Verfü- gung. An zwölf dieser Betten sind Auszubildende – zusammen mit erfahrenen Pflegekräften – im Einsatz. Vier davon, Simone Pautz, Elena Füger, Anna Nishimura, und Ramanpreet Kaur (von links) waren heute in der Frühschicht für die Kranken da und gaben uns einen Einblick in ihre Arbeit. Walter Schwartz (ganz rechts), seit 2010 Praxis- anleiter und seit Juni 2015 Lehrer an der klinikei- genen Pflegeschule betreut an diesem Morgen das kleine Team. „Die Patientensicherheit ist das Wichtigste“, sagt der erfahrene Pfleger, der auf 25 Jahre Berufspraxis zurückblicken kann. Der gelernte Kinderkranken- und Erwachsenenpfle- ger hat seine Ausbildung schon am Uniklinikum gemacht und war unter anderem vier Jahre in der Urologie und zehn Jahre an der Kinderklinik tätig. In der neuen Ausbildungsstation sind die Schü- lerinnen Anna Nishimura und Elena Füger (Bild rechts oben, von links) nicht nur „dabei“, sondern sie tragen dort – selbstverständlich fachlich eng Februar 2016 Das Universitätsklinikum Tübingen ist ei- ner der größten Ausbildungsbetriebe in der Region. Rund 270 angehende Pflege- kräfte erlernen in der Schule für Pflegebe- rufe derzeit den Pflegeberuf. In den drei Ausbildungsjahren sind 3000 Stunden für das praktische Lernen am Patientenbett auf einer Pflegestation vorgesehen. Ne- ben der Ausbildung in der Gesundheits- und Krankenpflege/Kinderkrankenpflege, die es auch in Teilzeit gibt, bietet das Klini- kum auch eine zweijährige Ausbildung zur Gesundheits- und Krankenpflegehilfe an. Auch Anästhesietechnische oder Opera- tionstechnische Assistenten, Medizinisch- technische Labor- oder Radiologie-Assi- stenten sowie Hebammen und Logopäden können hier ihren Beruf erlernen. Infos zu allen Ausbildungsgängen gibt es unter www.medizin.uni-tuebingen. de/Mitarbeiter/Schulen.html Pflegeausbildung Patientensicherheit ist das Wichtigste. Walter Schwartz, Lehrer an der Pflegeschule begleitet – Verantwortung für Patienten. Dazu müssen sie ihr theoretisch erlerntes Wissen, bei- spielsweise bei der Medikamentenausgabe, auf die Patientensituation anpassen, sie erarbeiten mit ihren Lehrern Lösungen für komplex erkrank- te Menschen und erhalten zeitnah ein Feedback. Durch die Mischung verschiedener Ausbildungs- stufen können erfahrenere Schülerinnen und Schüler ihr Wissen an andere Auszubildende wei- tergeben.

KLINIKFORUM - medizin.uni-tuebingen.de/Klinikzeitung/... · Natur quasi als Standard bei allen lebensfähigen Organismen eingerichtet, auch bei Obst oder Ameisen. Wenn Defensine nicht

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KLINIKFORUMZ e i t u n g f ü r P a t i e n t e n d e s U n i v e r s i t ä t s k l i n i k u m s T ü b i n g e n

Seite 2 Seite 3 Seite 6

Uniklinikum Tübingen eröffnete hochmoderne Strahlenthera-piepraxis im ehemaligen Krankenhausgebäude von Horb.

Die exotischen Fische und Korallen an der Tübinger Kinderklinik haben ein neues Meerwasser-Aquarium bekommen.

Für individuelle Hilfe sorgt das interdisziplinäre Team der Spezialambulanz.

Chronische Darmentzündungen Schillernde Unterwasserwelt Strahlentherapie in Horb

Pautz, die im ersten Ausbildungsjahr ist, erhält am Ende der Besprechung noch eine Lernaufga-be: Anhand eines ihr zugeteilten Patienten soll sie genau ausarbeiten, wie die Pflege während seines Aufenthaltes aussehen soll. Dazu wird sie den Pati-enten fragen, wie es ihm geht und was er braucht und die Informationen aus der Arztvisite, der Kran-kenakte und dem bisherigen Verlauf hinzuziehen. Ihr schriftlicher Pflegeplan wird dann gemeinsam mit dem Praxisanleiter durchgesprochen und umgesetzt. Auch Organisatorisches wird im Team geübt: Welche Operationen stehen an, wie sind die Betten belegt, welcher Patient wird entlassen, wer

kommt nach dem Klini-kaufenthalt in eine Reha. Auch bisher haben die Absolventen der klinik-eigenen Pflegeschulen ihre praktische Erfah-rung durch Einsätze auf wechselnden Stationen

erworben. Im neuen Ausbildungskonzept bleiben die Einsätze auf wechselnden Stationen erhalten, aber zusätzlich übernehmen die Nachwuchskräfte jetzt sieben Wochen lang Verantwortung für die Patienten auf der neuen, dauerhaft eingerichte-ten Ausbildungsstation. Dort kann das praktische Wissen von den examinierten Kollegen und dem Lehrpersonal vertiefter und konzentrierter wei-tergegeben und eingeübt werden. Durch die län-gere Dauer der selbständigen Tätigkeit ergeben sich effektivere Lernsituationen, mehr Routine

Das Universitätsklinikum Tübingen – ein Team aus Teams

Die neue AusbildungsstationSchritt für Schritt Verantwortung übernehmen

Praxisanleiterin Katja Keppler (rechts) leitet Pflegeschülerin Aline Uhrich (links) beim richtigen Anlegen der Blutdruckmanschette an. Die Patienten auf der Ausbildungsstation zeigen dabei viel Verständnis für die angehenden Pflegekräfte, das Feedback ist durchweg positiv!

Es ist viel los morgens auf Station 49. Bereits um 7 Uhr wurde der erste Patient in den OP gerufen, die Visite in den Krankenzimmern ist gerade vor-bei. Vorne am Stationseingang sind alle Sitzplätze belegt, hier warten die neuen Patienten darauf, in ihre Zimmer aufgenommen und für ihre Operation vorbereitet zu werden. Im Stationszimmer herrscht kurz nach 8 Uhr trotzdem konzentrierte Ruhe: Jeweils drei Köpfe beugen sich an den beiden Tischen über Patien-tenakten. Immer zwei Krankenpflegeschülerinnen gehen mit ihren Lehrern, die hier Praxisanleiter heißen, die einzelnen Krankengeschichten durch. In der täglichen Bespre-chung nach der Arzt-visite wird dabei alles Wichtige für die Pflege der Patienten im Detail besprochen und erklärt: Hat der Patient noch über Schwindel geklagt? Wie stark ist dieser? Auf was muss man achten? Ein betagter Patient hat einen besonders hohen Blut-druck, welche Medikamente nimmt er, wann soll nachgemessen werden? Zwischendurch klingelt es aus einem Patientenzimmer, Pflegeschülerin Ramanpreet Kaur verschwindet kurz: Eine Pati-entin wollte gern einen Tee. Weiter geht’s: Ist der Kreislauf der Patientin schon wieder so stabil, dass sie selbst wieder laufen kann? Wann soll der Ver-band eines frischoperierten Patienten gewechselt werden? Wer bekommt eine Infusion? Simone

und damit auch Sicherheit im Krankenhausalltag. „Vertiefter, konzentrierter und systematischer aus-bilden will das Uniklinikum“, erläutert Thomas Münzing, verantwortlich für die praktische Ausbil-dung und Initiator des Projekts, das Konzept, das auf der neuen Ausbildungsstation am Tübinger Uniklinikum umgesetzt wird. 24 Betten stehen für die Versorgung frischoperierter Patienten auf der Pflegestation 49 der Klinik für Allgemein-, Vis-zeral- und Transplantationschirurgie zur Verfü-

gung. An zwölf dieser Betten sind Auszubildende – zusammen mit erfahrenen Pflegekräften – im Einsatz. Vier davon, Simone Pautz, Elena Füger, Anna Nishimura, und Ramanpreet Kaur (von links) waren heute in der Frühschicht für die Kranken da und gaben uns einen Einblick in ihre Arbeit.

Walter Schwartz (ganz rechts), seit 2010 Praxis-anleiter und seit Juni 2015 Lehrer an der klinikei-genen Pflegeschule betreut an diesem Morgen das kleine Team. „Die Patientensicherheit ist das Wichtigste“, sagt der erfahrene Pfleger, der auf 25 Jahre Berufspraxis zurückblicken kann. Der gelernte Kinderkranken- und Erwachsenenpfle-ger hat seine Ausbildung schon am Uniklinikum gemacht und war unter anderem vier Jahre in der Urologie und zehn Jahre an der Kinderklinik tätig.In der neuen Ausbildungsstation sind die Schü-lerinnen Anna Nishimura und Elena Füger (Bild rechts oben, von links) nicht nur „dabei“, sondern sie tragen dort – selbstverständlich fachlich eng

F e b r u a r 2 0 1 6

Das Universitätsklinikum Tübingen ist ei-ner der größten Ausbildungsbetriebe in der Region. Rund 270 angehende Pflege-kräfte erlernen in der Schule für Pflegebe-rufe derzeit den Pflegeberuf. In den drei Ausbildungsjahren sind 3000 Stunden für das praktische Lernen am Patientenbett auf einer Pflegestation vorgesehen. Ne-ben der Ausbildung in der Gesundheits- und Krankenpflege/Kinderkrankenpflege, die es auch in Teilzeit gibt, bietet das Klini-kum auch eine zweijährige Ausbildung zur Gesundheits- und Krankenpflegehilfe an. Auch Anästhesietechnische oder Opera-tionstechnische Assistenten, Medizinisch-technische Labor- oder Radiologie-Assi-stenten sowie Hebammen und Logopäden können hier ihren Beruf erlernen.Infos zu allen Ausbildungsgängen gibt es unter www.medizin.uni-tuebingen.de/Mitarbeiter/Schulen.html

Pflegeausbildung

Patientensicherheit

ist das Wichtigste.

Walter Schwartz,

Lehrer an der Pflegeschule

begleitet – Verantwortung für Patienten. Dazu müssen sie ihr theoretisch erlerntes Wissen, bei-spielsweise bei der Medikamentenausgabe, auf die Patientensituation anpassen, sie erarbeiten mit ihren Lehrern Lösungen für komplex erkrank-te Menschen und erhalten zeitnah ein Feedback. Durch die Mischung verschiedener Ausbildungs-stufen können erfahrenere Schülerinnen und Schüler ihr Wissen an andere Auszubildende wei-tergeben.

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KLINIKFORUM02

„In den letzten zehn bis fünfzehn Jahren hat sich unser Verständnis dieser Krankheiten komplett verändert“, sagt Prof. Jan Wehkamp. Der 41-Jäh-rige betreut die Tübinger Spezialambulanz und ist auch als Forscher im Bereich der chronisch ent-zündlichen Darmerkrankungen (CED) international bekannt. Er rechnet damit, dass sich die Therapie in den kommenden Jahren deutlich erweitern wird. Das liegt nicht zuletzt an den neuen Erkenntnissen seines Teams.Bei vielen Patienten mit Morbus Crohn und Coli-tis Ulcerosa zeigt sich die Krankheit in Schüben und kann schlimme Begleiterscheinungen haben: Zu den blutigen, schleimigen Durchfällen kom-men oft Bauchschmerzen, Fieber und Schwäche, bei manchen auch Augenentzündungen, Haut-probleme und geschwollene Gelenke. „Unsere bisher verfügbaren Therapien haben primär die Entzündungsreaktion blockiert“, beschreibt Weh-kamp. Denn die Darmleiden galten lange Zeit als eine Art Autoimmunerkrankung, als Angriff der Körper-Abwehr auf eigene Strukturen, ähnlich wie Rheuma und einige Hautkrankheiten. Indem man Teile der Immunabwehr gezielt unterdrückt, konn-te man vielen Patienten helfen. Aber nicht allen und manchen nicht auf Dauer: Immer wieder kam es dazu, dass Medikamente nicht mehr wirkten, nicht mehr vertragen wurden oder die Nebenwirkungen zu groß waren. Die Tübinger Ärzte und Wissen-schaftler wollen neues Wissen übersetzen in Anwendungen, die Patienten helfen. Wehkamp und andere Forscher haben erkannt, dass nicht etwa das Immunsystem primär verrücktspielt. Vielmehr sind es in erster Linie die Schutzmechanismen der Darmschleimhaut, die bei Betrof-fenen nicht so funktionieren, wie sie sollen. Defensine heißen kleine Hel-fer, die der Körper einsetzt: Sie können Mikroben in Schach halten. Solche Schutzsysteme hat die Natur quasi als Standard bei allen lebensfähigen Organismen eingerichtet, auch bei Obst oder Ameisen. Wenn Defensine nicht wirken, können Mikroorganismen eindringen, speziell im Bereich der Darmschleimhaut.

Die Barriere ist zu schwachBei CED-Patienten ist das Zusammenspiel der Defensine nicht in Ordnung, die Schutzfunktion gegen Mikroorganismen greift nicht – genau darin sehen die Forscher mittlerweile die Hauptursa-che für die Krankheiten. „Das Immunsystem rea-giert gar nicht übermäßig“, stellt Jan Wehkamp klar, „sondern eigentlich normal, weil durch den gestörten Schutz ja tatsächlich Bakterien eindrin-gen können, gegen die sich der Körper zur Wehr setzen will. Die Folge ist Entzündung.“ Dafür gibt es nicht nur eine einzelne Ursache: Ganz unter-schiedliche Details in den Mechanismen der Bar-riere können defekt sein. „Wir sehen entzündliche Darmerkrankungen heute als komplexe Barriere-Erkrankungen.“Die Ursachenforschung macht gute Fortschritte, die Tübinger haben dazu viel beigetragen und wurden mit Preisen ausgezeichnet. Für Jan Weh-kamp ist etwas anderes viel wichtiger: „Dass wir

inzwischen wissen, dass unser Ansatz stimmt und die Patienten davon wirklich profitieren werden.“ Bis ein solcher Ansatz beim Pati-enten ankommt, vergehen meist etwa zehn bis 20 Jahre. Diesmal könnte es schneller gehen, Wehkamp rechnet in absehbarer Zeit damit: „Es gibt zumindest für eine konkrete Substanz sehr hoffnungsvolle vorklinische Ergebnisse, und die Produk-tion ist technisch möglich.“ Wenn sich das Prinzip in der Praxis bewährt, werden weitere Medikamente folgen.

Individuelle Hilfen„Wir entwickeln uns immer stärker hin zu einer individualisierten, personalisierten Medizin“, berichtet der Professor. Dabei hilft der interdis-ziplinäre Ansatz: Wer als Patient in die Tübinger Spezialambulanz für CED kommt, wird betreut von einem Team aus Internisten und Chirurgen, auch wenn er selten alle gleichzeitig zu Gesicht bekommt. Sie haben es sich auf die Fahne

geschrieben, gemeinsam für jeden Einzelnen die optimale Therapie zu finden. In wöchentlichen Besprechungen diskutiert das Team für jeden Pati-enten die beste individuelle Lösung, die auch zur Persönlichkeit, ihrem Leben und ihren Plänen passt. Zen-tral ist oft die Frage, wann man auf Medikamente setzt und mögliche Nebenwirkungen in Kauf nimmt – und wann eher auf eine Operation, bei der ein entzündetes Stück Darm

entfernt wird. Wehkamp ist es außerdem wich-tig, zu überprüfen, wie lange ein Medikament wirkt und warum dies so ist. „Wir arbeiten an der maßgeschneiderten Therapie für jeden einzelnen Patienten, basierend auf Molekular-Diagnostik“, skizziert er. „Noch ist das Zukunftsmusik, aber irgendwo muss man ja mal anfangen.“ Die Spezialambulanz arbeitet gut und eng mit niedergelassenen Ärzten zusammen. Patienten kommen, weil bisherige Therapien nicht mehr gut funktionieren. Oder um eine Zweitmeinung zu erhalten, wenn Weichen gestellt werden sollen. In der Ambulanz profitieren sie vom forschungs-nahen Wissen der Ärzte ebenso wie von der hochmodernen Endoskopie und Radiologie der Uniklinik. Es gibt Kooperationen mit der Kinderkli-nik, um für jüngere Patienten die Therapie leichter zu machen. Derzeit startet eine Zusammenarbeit mit der Psychosomatik, damit Betroffene in Bela-stungsphasen zusätzliche Unterstützung erhalten. Die Ambulanz ist gut vernetzt mit Selbsthilfe-gruppen. Weil sie an eine Studienambulanz ange-schlossen ist, werden regelmäßig Medikamente angeboten, die noch nicht allgemein verfügbar sind. Die Fachleute wissen Bescheid über neue Medikamente. Beispielsweise hilft eine Therapie mit Würmern nicht, die durch die Medien gei-sterte. Auch der Versuch, die Darmflora durch die

Die Tübinger Universitäts-Frauenklinik wird in viel-fältiger Weise ehrenamtlich unterstützt: „Grüne Damen“ besuchen Patientinnen, spenden Trost und Mut, bieten Lesestoff an und unterstützen Patien-tinnen, wo es geht. Selbsthilfegruppen beraten und unterstützen in der Klinik betroffene Frauen und Angehörige in schwierigen Situationen. Die verschie-densten Nähgruppen und Einzelpersonen fertigen in liebevoller Handarbeit Herzkissen für brustoperierte Frauen und nähen Kleidung und Einschlagtücher für totgeborene Kinder, auch „Sternenkinder“ genannt. Strick- und häkelfreudige Damen fertigen modische und warme Hüte und Mützen für Patientinnen in der Chemotherapie oder stricken wärmende Mützchen und Socken für neu- und frühgeborene Kinder. Als Ausdruck der besonderen Wertschätzung und Anerkennung für die ehrenamtlich Tätigen der Frau-enklinik lud die Klinik alle Beteiligten Mitte Oktober in den großen Hörsaal der Frauenklinik ein. Professor Diethelm Wallwiener, Ärztlicher Direktor der Frauen-klinik, begrüßte die rund 60 Damen und sprach ihnen großen Dank und Anerkennung für ihr ehrenamt-liches Engagement aus. Der Klinikchor aus Beschäf-tigten der Verwaltung, Management, Hebammen und ärztlichem Dienst unter der Leitung von Klinik-manager Markus Eberle umrahmte die Feierlichkeit mit viel Können.Im Anschluss an die Feierlichkeit hatten die „Ehren-amts-Damen“ die Möglichkeit, die Frauenklinik noch besser kennenzulernen: Bei Führungen wur-den Brustsprechstunde, Stationen und onkologische Tagesklinik gezeigt. Interessierte Damen konnten sich von Kreißsaalleitung Ines von Seltmann den moder-nen Kreißsaalbereich zeigen lassen und erfuhren auch Wichtiges über den heutigen Umgang mit verstorbenen Kindern. Hierzu war auch Pfarrerin Carola Längle von der Klinikseelsorge als gefragte Ansprechpartnerin vor Ort. Wie wichtig und herausragend die Geste der Herzkis-sen als Geschenk für die onkologischen Patientinnen ist, erfuhren die Ehrenamtlichen von Fallmanagerin Katharina Holzmann. Sie konnte aus erster Hand darüber berichten, wie dankbar überrascht die bru-stoperierten Frauen über dieses von Herzen kom-mende Geschenk sind. Im Vordergrund standen der direkte Austausch mit den Klinikbeschäftigten und das „in Kontakt kommen“ mit anderen Ehrenamt-lichen. Dass dies gelang, wurde beim gemütlichen Austausch deutlich: den Ehrenamtlichen ist ihr Enga-gement sehr wichtig, sie schätzen die Unterstützung und Anerkennung durch die Frauenklinik und sind dankbar für die offenen und transparenten Einblicke in den Klinikalltag. Eine Teilnehmerin nach der Ver-anstaltung: „Also, egal was passiert: hier weiß ich, dass ich in guten Händen bin!“

Ehrenamt in der Frauenklinik

Zeit, Danke zu sagen!

Häufige Erkrankungen

Ursachenforschung im DarmHeilen kann man Morbus Crohn und Colitis ulcerosa noch nicht. Aber man versteht die chro-nischen Entzündungen im Darm immer besser. Dazu tragen Tübinger Mediziner mit aktuellen Forschungserkenntnissen viel bei. Sie sind überzeugt: Am Ende wird nicht eine einheitliche Therapie für alle Betroffenen stehen. Vielmehr muss die Hilfe individuell zugeschnitten wer-den. Dafür sorgt in Tübingen schon heute das interdisziplinäre Team der Spezialambulanz für chronisch-entzündliche Darmerkrankungen (CED).

So sieht es aus im entzündeten Darm eines Pati-enten mit CED (im Bild: der Dünndarm eines Patienten mit Morbus Crohn). Chronische Entzün-dungen im Darm führen zu Durchfällen, Schmerzen, Müdigkeit und vielen weiteren Symptomen. Die Behandlung von Morbus Crohn und Colitis Ulcero-sa ist oft sehr komplex – deswegen ist es ratsam, Experten hinzu zu ziehen.

Besonderer Dank galt Jutta Horsch, die seit über 20 Jahren regelmäßig Kosmetikkurse für Chemothera-piepatientinnen in der Frauenklinik angeboten und geleitet hat: Die 75-Jährige plant als rüstige Rentnerin endlich die Welt zu bereisen und legt aus diesem Grund ihr Ehrenamt nieder, versicherte aber, bei Engpässen weiter zur Verfügung zu stehen. Hildegard Kusicka, Koordinatorin der Frauenakademie über-reichte ihr zum Dank für die enge langjährige Verbun-denheit einen Blumenstrauß und ein kleines Präsent.Im Bild (von links) Hildegard Kusicka, Jutta Horsch, Prof. Diethelm Wallwiener und Markus Eberle. Im Hintergrund die „Ehrenamts-Damen“ im großen Hör-saal der Frauenklinik.

Prof. Jan Wehkamp

Colitis ulcerosa ist eine lang andauernde Erkrankung des Dickdarms, manche Patienten begleitet sie ein Leben lang. Die Colitis tritt in Schüben auf. Der Dickdarm entzündet sich, bis Geschwüre entstehen. Morbus Crohn kann den gesamten Verdau-ungstrakt betreffen, von der Mundhöhle bis zum Darmausgang. Am häufigsten treten die Entzündungen am Übergang vom Dünndarm in den Dickdarm auf. Auch diese Krankheit verläuft chronisch und in Schüben.

Info

Gabe von fremdem Stuhl zu beeinflussen, scheint bei CED nicht die Erwartungen zu erfüllen. Von standardisierten Diäten hält Wehkamp wenig – Patienten reagieren viel zu unterschiedlich „es gibt keinen Handschuh, der jedem passt“. Eine klassische Ernährungsberatung hingegen kann helfen und wird in Tübingen ebenfalls angeboten.

SprechstundeDie Universitätsklinik Tübingen versteht sich selbst als eine der international führenden Kliniken für entzündliche Darmerkrankungen. Ansprechpart-ner für Patienten ist die Spezialambulanz für chronisch-entzündliche Darmerkrankungen in der Abteilung I der Medizinischen Klinik. Betreut und geleitet wird die Ambulanz von Internist Prof. Martin Götz und dem Pharmakologen Prof. Jan Wehkamp. Patienten werden üblicherweise von ihren Haus- oder Fachärzten in die Sprechstunde geschickt. Wer sich selbst anmelden will: Telefon 07071 29-82740, montags bis freitags jeweils von 7.45 Uhr bis 15 Uhr. Derzeit wartet man drei bis vier Monate auf einen regulären Termin.

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KLINIKFORUM03

Eine farbenprächtige und formenreiche Schar ist es, die sich da im Meerwasseraquarium tummelt: Lippfische, Zwergkaiser, Grundeln, Schleimfische und natürlich auch ein Doktorfisch. Dazu kommen Seeigel, Porzellanschnecken und Einsiedlerkrebse, die durch das schillernde Korallenriff schweben. Das Aquarium im Foyer der Kinderklinik ist seit langem ein Anziehungspunkt für die kleinen Pati-enten, ebenso für ihre Eltern und alle Besucher.Mit den Jahren hat allerdings das Meerwassersalz seine Spuren an der Holzkonstruktion hinterlassen. Auch die Silikonverklebung des Aquarium war nach 16 Jahren nicht mehr zuverlässig. Daher fiel aus Sicherheitsgründen die Entscheidung zugunsten eines neuen Aquariums, das im vergangenen Sep-tember feierlich eingeweiht wurde. Die Konzeption für die Anlage stammt von Andreas Fleischer von der Interessensgemeinschaft (IG) Meerwasser, die das Aquarium ehrenamtlich betreut. Die Finanzie-rung übernahmen die Stadtwerke Tübingen, die Stiftung für kranke Kinder und der Verein Hilfe für kranke Kinder e.V. Das neue Domizil bietet den Fischen mehr Platz zum Rückzug und bewahrt sie vor direkter Sonnen-einstrahlung. Der „Neubau“ ist größer und heller als sein Vorgänger und verfügt über einen separa-ten Technikraum sowie einen Überlaufschacht für das 1600 Liter fassende Becken. „Das Aquarium ist nun viel pflegeleichter und vom Handling her praktischer“, freut sich Thomas Musch von der

Abteilung Meerwasser der Aquarien- und Ter-rarienfreunden Mössingen. Zweimal pro Woche schaut er in der Kinderklinik vorbei, kontrolliert die Technik, säubert die Scheiben, füllt den Futterau-tomaten, reinigt die Strömungspumpen und putzt den Abschäumer. Außerdem werden jeden Monat

Der Clownfisch, der Gelbe Segelflossendoktor und viele weitere Meerwasserfische durchstreifen in aller Ruhe das bunte Korallenriff.

250 Liter Wasser gewechselt, um das biologische Gleichgewicht zu erhalten. So fühlen sich Fische und Korallen in ihrer neuen Umgebung richtig wohl. Die exotische Unterwasserwelt regt rund um die Uhr dazu an, innezuhalten und einen schö-nen Moment lang vom Klinikalltag abzuschalten.

Kinderklinik

Faszinierende UnterwasserweltDas neue Meerwasser-Aquarium lenkt die kleinen Patienten vom Klinikalltag ab

Hertie-Institut für

klinische Hirnforschung

beispielhaft für deutsche

Universitätsmedizin

Der Wissenschaftsrat, das wichtigste wissen-schaftspolitische Beratungsgremium für Bund und Länder in Deutschland, lobte in seiner aktuellen Stellungnahme das Tübinger Hertie-Institut für klinische Hirnforschung als beispielhaft für die deutsche Universitätsmedizin. Die Forschungsexzellenz und die innovativen Strukturen des in direkter Nachbarschaft zu den Unikliniken angesiedelten Instituts tragen maß-geblich dazu bei, Krankenversorgung, Forschung und Ausbildung auf höchstem Niveau zu verzah-nen. Dadurch wird die klinische Hirnforschung gestärkt und ihr Nutzen für Patienten und ihre Angehörigen schneller und besser spürbar.Das Hertie-Institut für klinische Hirnforschung wur-de im Dezember 2000 durch die Gemeinnützige Hertie-Stiftung, das Land Baden-Württemberg, die Universität Tübingen und ihre medizinische Fakultät sowie das Universitätsklinikum Tübin-gen gegründet. Das Institut und die Neurologische Universitätsklinik Tübingen bilden gemeinsam das Zentrum für Neurologie mit rund 350 Mitarbei-tern. In seinen klinischen Abteilungen werden pro Jahr rund 4700 Patienten stationär und mehr als 12 000 Patienten ambulant behandelt.Das Hertie-Institut hat wesentlich zur Entwick-lung des neurowissenschaftlichen Standorts in Tübingen beigetragen, unter anderem waren seine Arbeitsgruppen entscheidend an der erfolgreichen Bewerbung um einen neurowissenschaftlichen Cluster im Rahmen der Exzellenzinitiative beteiligt.

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KLINIKFORUM04

Am Universitätsklinikum Tübingen wurde der kleinste Herzschrittmacher der Welt implantiert. Das Team der Kardiologie um Privatdozent Dr. Jürgen Schreieck und Privatdozent Dr. Peter Sei-zer setzte die sogenannte Kardiokapsel erstmals an einer Universitätsklinik in Baden-Württemberg erfolgreich ein.Bradykardie ist eine Herzkrankheit, bei der das Herz zu langsam oder unregelmäßig schlägt; typischerwei-se weniger als 40 Mal pro Minute. Mit dieser Frequenz kann das Herz nicht genug sauerstoffreiches Blut für normale körperliche Aktivität oder gar stärkere Belastung bereit-stellen. Das führt zu Benommenheit, Müdigkeit, Kurzatmigkeit und Ohn-machtsanfällen. Da eine medikamentöse Dauerbehandlung zur Fre-quenzbeschleunigung nicht möglich ist, erhalten Patienten meist einen Herzschrittmacher. Dieser sendet elektrische Impulse aus, um die Herzfre-quenz zu steigern, und trägt so dazu bei, den natürlichen Herzrhythmus wiederherzustellen und die Symptome zu lindern. Nur einen Stich in der Leiste brauchte es Anfang Oktober 2015, als die Kardiokapsel erstmals in

Tübingen, bei einer knapp 90-jährigen Patien-tin eingesetzt wurde. Noch haben erst wenige Patienten von der neuen Technologie des Mini-Schrittmachers profitiert, doch der Leiter der Rhythmologie Schreieck bezeichnet die Kapsel

„als Durchbruch.“ Das Mini-Gerät ist kaum ein Zehntel so groß wie ein herkömmlicher Schrittmacher und wiegt weniger als eine Münze. Über die Leistenvene wird es mit einem Katheter unmittelbar in die rechte Herzkammer transportiert und nahe der Herzspitze im Muskelgewebe befestigt. Bei Bedarf kann es sogar umpositioniert werden. Im Herz gibt die Kardiokapsel elektrische Impulse für die Herzaktivität ab. Das System reagiert auf den Aktivitätsgrad des

Patienten und passt die Schrittmachertätigkeit automatisch an.„Im Gegensatz zu herkömmlichen Herzschritt-machern, bei denen das etwa handtellergroße batteriegetriebene Gerät im Brustmuskel veran-kert wird, ist der miniaturisierte Schrittmacher vollkommen eigenständig“, erläutert der Kar-diologe. Die neue Technik kommt ohne Kabel aus, die sonst über die Blutgefäße in das Herz

Neue Behandlung

Winzig, drahtlos, schonendTübinger Kardiologen setzten Herzschrittmacher in Tablettengröße ein

Medizin verständlich erklärt

Die transösophageale Echokardiographie

Mit einer Echokardiographie können Ärzte in das Herz blicken. Dabei wird das Herz mit einem Ultraschall-Gerät untersucht, der Arzt führt den Ultraschall-Kopf außen über die Brustwand. Die Echokardiographie ist das bedeutendste Unter-suchungsverfahren für die Beurteilung von Herz-struktur und -funktion. Mit einer „Farb-Doppler-Echokardiographie“ kann zusätzlich die Geschwin-digkeit und Richtung des Blutflusses im Herzen dargestellt und gemessen werden.Bei einer transösophagealen Echokardiographie wird das Herz von der Speiseröhre aus dargestellt. Da die Speiseröhre unmittelbar hinter dem Herzen liegt, ist der Abstand zum Herz deutlich geringer

als bei einer konventionellen Echokardiographie. Die Untersuchungssignale müssen nicht zuerst durch Rippen, Fett und Bindegewebe hindurch, was zu einer Verbesserung der Auflösung beiträgt. Das erlaubt einen besonders hochauflösenden Blick auf die Herzklappen und die Vorhöfe, sogar kleinere Blutgerinnsel lassen sich darstellen. Die spezielle Untersuchung wird immer dann einge-setzt, wenn ein Herz besonders genau untersucht werden muss, etwa wenn man nach Blutgerinn-seln im Herzen sucht, zum Beispiel bei Herzrhyth-musstörungen oder nach einem Schlaganfall. Auch bei einer Entzündung der Herzklappen kann die Untersuchung wichtige Details liefern. Moderne

geführt werden müssen. „Diese Kabel bergen ein latentes Risiko, da sie Thrombosen begünsti-gen, es zu Infektionen kommen kann, die Kabel verwachsen und im Falle eines Defekts schwer zu entfernen sind“, beschreibt Schreieck die poten-zielle Gefahrenquelle. Die Batterie mit über zehn Jahren Lebensdau-er, Herzmesser und Taktgeber trägt der Mini-Schrittmacher in sich, wie andere Geräte auch. Zudem ist die Kapsel für MRT-Untersuchungen aller Körperregionen zugelassen, so dass Patienten mit Bradykardien weiterhin diagnostische Bildge-bungsverfahren nutzen können.Mit der Kardiokapsel werden herzkranke Risi-kopatienten mit Bradykardie schonend, über einen minimalinvasiven Zugang an der Leiste, mit fortschrittlichster Schrittmachertechnologie versorgt. Ohne Operation und damit auch ohne Narkose wird die Kapsel implantiert. Das ist vor allem für ältere oder multimorbide Patienten von Vorteil. Außerdem bleiben keine sichtbaren Nar-ben unter dem Schlüsselbein zurück und auch die chirurgische Anlage einer „Tasche“ unter der Haut ist nicht erforderlich. Damit ist das System von außen unsichtbar. Noch gibt es keine Langzeiterfahrungen doch Schreieck sieht in dem System (Medtronic Micra) eine Alternative zur Einkabel-Herzkammer-Stimulati-on. Zweikammer-Schrittmacher, die über zwei Kabel Impulse im Vorhof und in der Herzkammer abgeben, kann die Kardiokapsel noch nicht ersetzen.

Geräte erlauben sogar Funktionsuntersuchungen der Herzklappen in Echtzeit und in 3D, so dass der Kardiologe sehr genau sehen kann, was dem Herzen fehlt.Wie funktioniert es? Zuerst bekommt der Pati-ent ein Beruhigungsmittel. Dann führt der Arzt einen Schallkopf vorsichtig über den Mund in die Speiseröhre ein und untersucht das Herz. Danach wird der Schallkopf wieder aus der Speiseröhre entfernt.

Möchten Sie auch einen Begriff aus der Medizin erklärt bekommen? Schicken Sie Ihre Frage an: [email protected]

PD Dr. Jürgen Schreieck

Das Team der Tübinger Rhythmologie. Ganz rechts: Prof. Meinrad Gawaz, Ärztlicher Direktor der Inneren Medizin III, daneben Priv.-Doz. Dr. Jürgen Schreieck mit der Kardiokapsel und links vorne Priv.-Doz. Dr. Peter Seizer, rechts daneben das Pflegeteam mit Dieter Siemeister-Sonntag und Angelika Bonifer.

Modernisierung und Mehrwert für unsere Mitarbeiter, Patienten & Gäste

Cafeteria-Angebot

Die Cafeterien der U.D.O. Universitätskli-nikum Dienstleistungsorganisation GmbH am Universitätsklinikum Tübingen wech-seln in diesem Jahr in die Hände unseres langjährigen Servicepartners Sodexo.Das Universitätsklinikum Tübingen und Sodexo verbindet eine langjährige und erfolgreiche Partnerschaft, als gemein-same Gesellschafter der Servicegesell-schaft U.D.O. GmbH, welche vielfältige Dienstleistungen wie Catering, Reinigung und Logistikleistungen für das Klinikum erbringt. Zum 1. Januar 2016 übernimmt Sodexo nun die Cafeterien in der Medizi-nischen Klinik und der Frauenklinik sowie ab Sommer die der HNO- und Augenklinik.Das bestehende ambitionierte Team freut sich auf seine Besucher mit dem bewährten Angebot, das um zusätzliche kreative und saisonale Aktionen erweitert wurde. Die Gäste profitieren so von einer qualitativ hochwertigen Auswahl – viel-fältig und flexibel.

Bewährtes mit neuer BeweglichkeitDas Cafeteria-Angebot wird sich am Tagesverlauf der Klinik orientieren und so ermöglichen, dass Patienten, Besucher und Mitarbeiter nicht nur zur üblichen Mittagszeit Kraft tanken können, sondern über den gesamten Tag hinweg attraktive Angebote finden. Darüber hinaus ist der Einsatz einer „Open-Tabs-App“ vorgesehen, mit deren Hilfe das Klinikpersonal Snacks oder Getränke ein-fach per App bestellen und anschließend ohne Wartezeiten selbst abholen kann. Bargeldloses Bezahlen ist weiterhin mit der „MACK-Karte“ möglich und die Klinikums-Mitarbeiter erhalten 10% Ermäßigung auf die ausgewiesenen Preise.

Angenehmes Ambiente für die AtempauseFür eine behagliche Atmosphäre werden im Laufe des nächsten Jahres auch Moder-nisierungsmaßnahmen an den Cafeterien vorgenommen.

Mit dem neuen Konzept der Cafeterien zieht ein Stück mehr Lebensqualität in das Universitätsklinikum Tübingen ein, das seinen Patienten, Gästen und Mitarbeitern mehr Vielfalt, Flexibilität und Ambiente im hektischen Klinikalltag verspricht.

Öffnungszeiten:Cafeteria Medizinische KlinikMo. - Fr. 7.00 bis 18.30 UhrSa., So., Feiertage 10.00 bis 17.00 Uhr

Cafeteria FrauenklinikMo. - Fr. 9.00 bis 18.00 UhrSa., So., Feiertage 10.00 bis 18.00 Uhr

Cafeteria HNO-/AugenklinikMo. - Fr. 8.00 bis 18.00 Uhr Sa., So., Feiertage 10.00 bis 17.00 Uhr

Die Kardiokapsel Micra® Transcatheter Pacing System der Firma Medtronic ist der kleinste Herzschrittmacher.

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KLINIKFORUM05

Zuerst vermutete man einen Tin-nitus: Als die Personalreferentin einer großen IT-Firma wegen Hör-problemen zum Arzt ging, schien Stress die wahrscheinlichste Krankheitsursache zu sein und Urlaub die adäquate Therapie. „In der Nacht vor dem Flug konnte ich plötzlich kein Wasser mehr lassen. Mein Hausarzt hat mich sofort ins Krankenhaus geschickt.“Die Diagnose nach dem MRT war schlimm: Lena leidet unter Neuro-fibromatose Typ 2, einem Gende-fekt, der dazu führt, dass am und im zentralen Nervensystem gutar-tige Tumore wuchern. Diese befallen vor allem den Hörnerv und führen mit der Zeit zur Ertaubung des Patienten. Bei Lena hatte sich außerdem ein Tumor im Rückenmark gebildet, der auf das Blasenzen-trum drückte und bald zu einer Querschnittsläh-mung geführt hätte.Die 29-Jährige kam nach Tübingen zu Prof. Martin Schuhmann ins Zentrum für Neurofibromatosen, das sich auf die Behandlung und Erforschung die-ser Erkrankung spezialisiert hat.Sie wurde im Oktober 2014 operiert. Der Tumor im Rückenmark wurde fast komplett entfernt.

„Ein Eingriff im Rückenmark ist riesig und gefährlich und ich war psychisch wirklich am Limit“, beschreibt Lena ihre Stimmung.Lena hat Glück gehabt. Schon zwei Monate nach der OP stand die sportliche junge Frau auf Lang-laufskiern, im Frühjahr konnte sie wieder arbeiten und Rennrad fahren. „Man hat mich wieder auf Vordermann gebracht. Es geht mir jetzt gut!“ Aber die Krankheit wird bleiben: „Es wird wohl nicht passieren, dass man sagt: Da ist jetzt nichts mehr“, meint sie. Die Tapferkeit und der Optimismus

der jungen Frau sind beeindruckend. Man bege-gne unter den Neurofibromatose Typ 2-Patienten erstaunlich vielen besonderen und überdurch-schnittlich intelligenten Menschen, meint Prof. Schuhmann dazu.Die unheilbare Krankheit ist extrem selten: Nur einer von 25.000 Menschen leidet darunter. Ver-antwortlich für die Erkrankung ist ein Gen-Defekt, der vererbt werden, aber auch spontan auftreten kann. Das defekte Gen trägt die Bauanleitung für ein Protein, das unkontrolliertes Zellwachstum verhindert. Bei Neurofibromatose-Patienten wird

dieses Protein nicht mehr korrekt gebildet. Das führt dazu, dass überall im Zentralnervensystem, an den peripheren Nerven, im Rückenmark und auf der Hirnhaut gutartige Tumore wachsen.Meistens treten erste Symptome bereits zu Beginn der Pubertät auf und äußern sich bei Patienten, die unter Neuroibromatose Typ 2 leiden, vor allem in einer Verschlechterung des Hörvermögens.„Ein wichtiges Ziel ist für uns, den Zeitpunkt des Ertaubens so weit wie möglich hinauszuschieben“, erklärt Prof. Martin Schuhmann. „Wenn wir es schaffen, die Jugendlichen hörend durch Schule und Ausbildung zu bekommen, haben sie bessere Chancen im Leben.“ Dazu versucht man, die Tumo-re operativ zu verkleinern und den Gehörgang zu erweitern, um mehr Platz zu schaffen. Die Tumore komplett zu entfernen ist leider nur selten mög-lich, weil die Patienten dabei ertauben würden.Eine Möglichkeit, die Tumore am Wachsen zu hindern, bietet das Medikament Avastin, ein Krebsmittel, das allerdings auch andere Wachs-tumsfaktoren hemmt und deshalb erst bei aus-gewachsenen Patienten angewandt wird. Lena bekommt es und fühlt sich gut damit: „Ich spüre kaum Nebenwirkungen und es hilft mir sogar bes-ser als erwartet.“Avastin ist eigentlich ein Krebsmittel und für die Behandlung von Neurofibromatose nicht zugelas-

Seltene Krankheiten

Der Krankheit Paroli bietenNeurofibromatose Typ 2 ist eine seltene und unheilbare Erkrankung mit vielen Gesichtern

sen. Deshalb müssen die Krankenkassen oft erst davon überzeugt werden, die Kosten für das sehr teure Medikament trotzdem zu übernehmen. Hier wird besonders deutlich, was an seltenen Erkran-kungen so problematisch ist: Für die wenigen Patienten lohnen sich weder die Forschung nach spezifischen Medikamenten noch die aufwändigen Zulassungsverfahren.Auch die verschiedenen Ausprägungen der Krank-heit machen die Behandlung schwierig. Während bei Lena der Tumor im Rückenmark das größte Pro-blem war, weil er zur Querschnittlähmung geführt hätte, war bei der zwölfjährigen Kristin trotz relativ kleiner Tumore das eine Ohr bereits ertaubt, wes-halb man sich entschloss, den Tumor dort vollstän-dig zu entfernen. Erstaunlicherweise verbesserte sich das Hörvermögen nach der Operation wieder: Kristin hatte einfach Glück. Bei einem anderen Patienten bildeten sich hingegen so viele Tumore, dass der Junge daran starb. „Die Krankheit hat viele verschiedene Gesichter und wir müssen für jeden Patienten ein individuelles Therapieschema entwickeln“, sagt Prof. Schuhmann. „Aber im Zen-trum für Seltene Erkrankungen können wir für viele Gebiete Kompetenzen anbieten, um der Krankheit Paroli zu bieten. Diese Kompetenzen setzen wir auch bei Neurofibromatose Typ 1 ein, aber das ist eine andere Geschichte...“

Prof. Martin Schuhmann

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ermöglicht nicht nur verschiedene Bestrahlungswinkel, sondern auch eine exakte Konzentrati-on der Strahlendo-sis auf den Tumor. Trotzdem gibt es Tumoren, die eine Spezialtherapie e r fo rd e r n , zum Beispiel bestimmte Hirntumoren. Solche Patienten werden auch in Zukunft nach Tübingen geschickt, wo die entspre-chenden Geräte verfügbar sind. Das gilt auch für Patienten, die für die Dauer der Strahlentherapie stationär aufgenommen werden müssen, bei-spielsweise wegen einer parallel durchgeführten Chemotherapie.Auch eine weitere Einsatzmöglichkeit der Strah-lentherapie kam beim gemeinsam mit der Neckar-Chronik und dem Schwäbischen Tagblatt orga-nisierten Gesundheitstag in Horb zur Sprache: Bei gutartigen Erkrankungen kann das Verfahren zur Entzündungshemmung und Schmerzreduzie-rung dienen. Allerdings sei die Strahlentherapie in solchen Fällen nur als letztes Mittel vor einem chirurgischen Eingriff angezeigt, so die Experten. Auch wenn es sich um einen sehr niedrigen und damit eher theoretischen Wert handle, wie Prof. Zips erläuterte, sei jede Bestrahlung mit einem Restrisiko verbunden, dass unerwünschte Neben-wirkungen auftreten. Dem stehen bei Fersen-sporn, Tennisarm oder Arthrosen Erfolgsquoten zwischen 60 und 70 Prozent gegenüber.

Gesundheitstag

KLINIKFORUM06

Die gesamte Kompetenz, die in der Strahlenthe-rapie an der Tübinger Universitätsklinik versam-melt ist, kommt Patienten in Horb und Umgebung zugute – ab sofort auch ohne dass sie weite Wege zurücklegen müssen. Mit der Eröffnung einer ambulanten Strahlentherapiepraxis im ehema-ligen Horber Krankenhaus wird das Netzwerk erfolgreicher Kooperationen erweitert. „Ähnliche Außenstellen des Tübinger Universitätsklinikums existieren bereits in Reutlingen und Sigmaringen“, berichtete Prof. Daniel Zips beim Gesundheitstag in Horb. Der Ärztliche Direktor der Tübinger Uni-versitätsklinik für Radioonkologie weiß um die

Viele Patienten sind vor einer Strah-lentherapie verunsichert, haben Ängste und Befürchtungen und einen großen Informationsbedarf. Die Pflegeambulanz der Tübinger Universitätsklinik für Radioonkolo-gie ist in diesen Fällen eine wichtige Anlaufstelle. Aika Heinzelmann ist deren Leiterin und weiß: „Jeder kennt jemanden, der schlechte Erfahrungen mit den Folgen einer Bestrahlung gemacht hat. Außerdem verursachen Strahlen generell Ängste.“ In den allermeisten Fällen stammen die Berichte aus längst vergangenen Zeiten. Seither hat sich die Strahlentherapie wei-terentwickelt. Beispiel Verbrennungen der Haut im Bereich der Bestrahlung: „Das war früher tatsächlich ein großes Thema. Heute wird viel exakter dosiert, so dass Verbrennungen prak-tisch kaum noch vorkommen“, berichtet Aika Heinzelmann.Dass man zwischen den Bestrahlungen nicht duschen dürfe, um die am Körper angebrach-ten Markierungen nicht zu beseitigen, gehöre ebenfalls längst der Vergangenheit an, sagt sie. „Körperpflege ist heutzutage möglich“, versi-chert die Ambulanzleiterin. Dennoch bedeute jede Bestrahlung eine Belastung für die Haut. Patienten erhalten deshalb Tipps, um die Folgen möglichst gering zu halten. „Man sollte alles

Bedeutung einer wohnortnahen Patientenversor-gung. „Heute können die Hälfte aller Krebspati-enten geheilt werden. Und jeder zweite Krebspa-tient erhält auf Empfehlung einer Tumorkonfe-renz im Laufe seiner Therapie eine Bestrahlung“, betont Prof. Zips. Da diese zumeist ambulant durchgeführt werden kann und oft an fünf Tagen in der Woche erfolgen sollte, sind kurze Wege eine große Erleichterung für die Patienten.Grundsätzlich könne man alle Tumore einer Bestrahlung unterziehen, erläuterte der Experte. Das Prinzip der Strahlentherapie beruht darauf, mit hochenergetischen Röntgenstrahlen den

Zellkern von Tumorzellen so zu schädigen, dass sich die Tumorzellen nicht mehr teilen können und abster-ben. Allerdings reagieren Tumore unterschiedlich empfindlich auf Strahlen, ohne dass die Gründe hierfür bereits vollständig geklärt sind. Den Anteil an Bestrahlungspatienten aus der Region Horb, die nun vor Ort behandelt werden können, schätzt Prof. Zips auf 80 Prozent.Der Linearbeschleuniger, der zum Einsatz kommt, entspricht allen moder-nen Anforderungen. Auch eine intensitätsmodu-lierte Bestrahlung ist mit dem Gerät möglich. Es

unterlassen, was die Haut im betrof-fenen Bereich zusätzlich reizt“, ist einer davon. Scheuernde Hemdkrä-gen, Bügel-BHs oder parfümierte Deos und Cremes sollten während einer Strahlentherapie vermieden werden. Weil die Haut in dieser Zeit besonders temperaturempfindlich ist, sind warme Kleidung im Winter und guter Sonnenschutz im Sommer wichtig.

„Wir sind für Sie da, um Ihre Fragen zu klären und Sie mit kompetenten Gesprächspartnern zusam-menzubringen“, verspricht Aika Heinzelmann. Häufig reicht dafür schon ein Telefonat.

Kontakt:Die Pflegeambulanz der Radioonkologie ist unter der Telefonnummer (07071) 29-871 20 zu erreichen.

Öffnungszeiten: Mo. + Do. 8.10 Uhr bis 12.00 UhrMittwochs 10.10 Uhr bis 14.30 Uhr 15.10 Uhr bis 18.00 UhrFreitags 8.10 Uhr bis 12.30 Uhr 13.10 Uhr bis 15.45 Uhr

Die Ambulanz befindet sich in den Crona Kliniken auf der Ebene B02.

Prof. Daniel Zips

Aus der Region

Ambulante Strahlentherapie in HorbWohnortnahe Versorgung wird mit Kompetenz des Uniklinikums kombiniert

Tipps aus der Pflege

Keine Angst vor StrahlentherapiePflegeambulanz bietet umfassende Beratung und Unterstützung

Wie läuft eine Strahlentherapie ab?

Die Bestrahlung mit energiereichen Röntgenstrahlen ist eine tragende Säule moderner Tumortherapien. Wichtig für die Patienten ist, dass sie umfassend aufgeklärt werden und die Vorbereitung und Durchführung der Bestrahlung mit größter Präzision erfolgt. Privatdozent Dr. Arndt-Christian Müller, Ärztlicher Leiter des Medizinischen Versorgungszentrums der Radiologie am Tübinger Universitäts-klinikum, erläutert die Abläufe im Inter-view.

Wie beginnt eine Strahlentherapie?Wenn eine unserer wöchentlich 22 Tumorkonferenzen, in denen die Erkran-kungen und Therapiemöglichkeiten unserer Patienten von Experten ver-schiedener Fach-richtungen ana-lysier t werden, eine Bestrahlung empfiehlt, laden wir den Patienten zu einem ersten Informationsge-spräch ein. Das dauer t in der Regel ungefähr 45 Minuten. Dort sprechen wir über die wichtigsten Themen im Zusammenhang mit der Strahlentherapie und alle Fragen, die die Patienten bewegen. Wenn nötig, findet anschließend noch ein Besuch einer unserer interdisziplinären Spezi-alsprechstunden statt, wo zusätzliche Detailfragen besprochen werden können.

Wie läuft die Bestrahlung dann ganz praktisch ab?Bevor wir mit der eigentlichen Bestrah-lung beginnen, f indet eine genaue Planung statt. Im Bestrahlungsgerät wird zunächst die richtige Lagerung des Patienten festgelegt, ein physika-lischer Bestrahlungsplan wird erstellt. Er bestimmt ganz exakt, mit welcher Dosis und aus welchen Richtungen der Tumor bestrahlt werden soll. Diese Daten wer-den von einem Arzt anschließend noch einmal genau überprüft. Vor Beginn der ersten Bestrahlung werden die Soll- und Ist-Daten noch einmal abgeglichen. Erst dann wird tatsächlich mit der Bestrah-lung begonnen.

Wie lange dauert eine Bestrahlung?Die eigentliche Bestrahlung dauert nur wenige Minuten, bei Brustkrebspatien-tinnen zum Beispiel im Durchschnitt 120 Sekunden an fünf Tagen in der Woche. Bei Brustkrebs bestrahlen wir in der Regel zwischen fünf und sieben Wochen lang in diesem Rhythmus. Wie lange eine einzelne Bestrahlung dauert und über welchen Zeitraum hinweg sie notwendig ist, hängt allerdings stark von der Art des Tumors und individuellen Faktoren ab. Generell können rund 90 Prozent unserer Patienten die Strahlentherapie ambulant durchführen.

Häufige Fragen...

Aika Heinzelmann

Im ehemaligen Krankenhausgebäude von Horb ist eine hochmoderne Strah-lentherapiepraxis des Universitätsklinikums Tübingen entstanden, in der seit Jahresanfang die ersten Patienten behandelt werden können. Die neue Einrichtung ist Teil des 2011 zwischen dem Uniklinikum und den Kreiskli-niken Freudenstadt geschlossenen Kooperationsvertrages. Die Patienten aus der Horber Region haben damit kurze Wege und können wohnortnah auf neustem universitären Wissensstand behandelt werden.

Volles Haus beim Gesundheitstag „Mit Strahlen gegen Krebs“ im November letz-ten Jahres im Horber Steinhaus. Rund 100 Besucher ließen sich bei der öffentlichen Informationsveranstaltung von Uniklini-kum und Neckar Chronik über die neues-ten Behandlungsmöglichkeiten informieren und konnten Fragen zur Therapie an die Expertenrunde stellen. Prof. Daniel Zips, Ärztlicher Direktor der Universitätsklinik für Radioonkologie Tübingen, Privatdozent Dr. Arndt-Christian Müller, Ärztlicher Leiter des Medizinischen Versorgungszentrums und Aika Heinzelmann, Stationsleitung der Pfle-geambulanz, stellten die neue Einrichtung vor. Für Fragen aus dem Publikum standen (vorne, v. l.) Prof. Michael Bamberg, Ärzt-licher Direktor und Vorstandsvorsitzender des Klinikums, Dr. Jürgen Schulze-Tollert, Chefarzt Frauenheilkunde und Geburtshil-fe Krankenhaus Freudenstadt, Dr. Michael Ehrsam, Niedergelassener Hämatologe/Onkologe an der Helios Klinik Rottweil und Prof. Dr. med. Hubert Mörk, Chefarzt Innere Medizin, Kreisklinikum Calw-Nagold, eben-falls zur Verfügung.

PD Dr. Arndt-Christian Müller

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KLINIKFORUM07

Vor 18 Jahren geschah es – bei einem unverschul-deten Verkehrsunfall überschlug sich das Fahr-zeug von Gabi Bühler mehrmals. Dabei wurde die Hand der Polizeibeamtin zwischen Schiebedach und Straße eingeklemmt, das Fahrzeug schlitterte 150 Meter weit.Um die zerquetschte Hand zu rekonstruieren, folgten diverse Operationen in mehreren Kli-niken. Mit Erfolg, Gaby Bühler konnte ihre Hand wieder einsetzen. Allerdings verursachten die verletzten Nerven auch nach der Transplantation dauerhafte Schmerzen. Für die junge Frau begann eine Odyssee – mit weiteren Operationen, unzäh-ligen Therapien, Medikamenten. „Es hat alles nichts gebracht“, erzählt Gabi Bühler, „schlimmer noch, die Schmerzen wurden immer stärker.“Anfang des vergangenen Jahres stieß die heute 39-Jährige bei der Recherche im Internet zufäl-lig auf den Bericht eines Patienten, der an der Tübinger Universitätsklinik für Neurochirurgie mit einer neuen Methode von seinen Schmerzen befreit wurde – der so genannten Dorsalgangli-enstimulation. Diese Methode bewirkt, dass die Schmerzsignale unterbrochen werden, bevor sie das Rückenmark erreichen können. Die Technik können derzeit nur wenige spezialisierte Zentren in Europa anbieten. Die Tübinger Neurochirurgie ist einer der führenden Anwender in Deutschland. Prof. Morgalla, Leiter des Bereichs Neurochirur-

gische Schmerztherapie, ist mit seinem Team federführend an der Entwicklung und Verbesser-ung des Verfahrens beteiligt. Dabei arbeitet er eng mit anderen Fachdisziplinen zusammen.Schmerzreduzierung durch elektrische Stimulation ist schon seit langem ein „etabliertes“ Verfahren. Bei lokal begrenzten Schmerzregionen war das Verfahren aber nicht spezifisch genug. Mit der Dorsalganglienstimulation, die seit Ende 2011 in Tübingen angewendet wird, lassen sich die betroffenen Nervenwurzeln wesentlich gezielter behandeln. Am Anfang steht eine genaue Evaluation: „Es muss klargestellt werden, ob neuropathische Schmerzen vorliegen, das heißt Schmerzen, die durch die Verletzung von Nervenstrukturen bedingt sind“, betont Prof. Morgalla. „Ist dies der Fall, untersuchen wir, welcher Nerv für den Schmerz verantwortlich ist. Dieser Nerv wird dann stimuliert, und so die Weiterleitung von Schmerzimpulsen verringert oder gänzlich unter-brochen.“ Vorteile für den Patienten: ein scho-nender Eingriff, ein kurzer Klinikaufenthalt und eine sehr geringe Komplikationsrate. Die Erfolgs-quote des Verfahrens liegt bei 70 bis 80 Prozent.Gabi Bühler vereinbarte einen Termin in der Schmerzsprechstunde von Prof. Morgalla. Nach eingehender Untersuchung wurde bei ihr eine Teststimulation mit einer Testelektrode durch-

Neurochirurgie

Ende einer Schmerz-OdysseeDorsalganglienstimulation befreit Patienten von chronischen Schmerzen nach Unfällen

geführt. Es funktionierte: „Das hat sich super angefühlt“, erinnert sich Gabi Bühler. Zum ersten Mal konnte sie wieder ihre Hände waschen, ohne dass das laufende Wasser Schmerzen verursachte.Zwei Wochen nach der erfolg-reichen Testphase erfolgte die Implantation der Stimulations-sonde und eines Generators. Das gesamte System liegt unsichtbar unter der Haut. Über ein Steuerungsgerät wird die optimale Impulsfre-quenz eingestellt, die rund um die Uhr den schmerzverursa-chenden Nerv stimuliert.Die Wirksamkeit der Methode hat eine Arbeits-gruppe unter der Leitung von Prof. Morgalla jetzt erstmals nachgewiesen. Mit so genannten Laser evozierten Potenzialen konnte die Arbeitsgruppe belegen, dass sich die geschädigten Schmerz-bahnen langsam wieder erholen können und ein Erholungsprozess im schmerzgeschädigten Rückenmark stattfindet. Die Erkenntnisse stellte Prof. Morgalla bereits auf internationalen Kon-gressen in Montreal und Nizza vor, außerdem sollen die Ergebnisse in Kürze publiziert werden.

Für Prof. Matthias Morgalla ein wichtiges Anliegen, denn „die Dorsalganglienstimulation ist noch nicht so weit verbreitet, wie wir uns das wünschen“, sagt er. Wie Gabi Bühler gehe es vielen tausenden Patienten, so seine Einschätzung. Sie könnten von der Methode profitieren, wenn sie sich an die ent-sprechenden Zentren wenden würden.Gabi Bühler genießt ihr „neues“ Leben. „Ich brau-che keine Medikamente mehr, kann nachts wieder schlafen, und einfach schmerzfrei am Leben teil-nehmen!“

Prof. Matthias Morgalla tastet die operierte Hand ab – wie jede Berüh-rung war dies für Gabi Bühler noch vor einem Jahr extrem schmerzhaft. Heute freut sie sich über ein schmerzfreies Leben.

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KLINIKFORUM08

„Ich bin ein absoluter Italienfan! Nach der Ausbil-dung war ich in Florenz, um Italienisch zu lernen und ich liebe das Land, die Menschen und die Sprache.“ Als man in der Frauenklinik jemanden suchte, um sechs italienische Pflegekräfte einzu-arbeiten, war Simone Utz sofort bereit, sich für dieses Projekt freistellen zu lassen. Normalerweise betreut die Kinderkrankenschwester auf einer Teil-intensivstation Früh-und Neugeborene mit Anpas-sungsschwierigkeiten, Kinder mit Syndromen und Fehlbildungen. Jetzt begleitet sie die neuen Mit-arbeiterinnen aus Italien durch den deutschen Kli-nikalltag. Die Frauen haben alle eine Ausbildung zur „dottoressa infermieristica pediatrica“, ein Studiengang, bei dem nur wenig Praxiserfahrung gesammelt wird. Simone Utz vermittelt jetzt prak-tisches Wissen, Sprachkenntnisse und interkul-turelle Bildung. Dinge wie deutsche Bürokratie sind den Dottoresse aus Italien genauso wenig vertraut wie die Tatsache, dass in Deutschland Familienangehörige nicht selbstverständlich Pfle-geaufgaben im Krankenhaus übernehmen. Sehr wichtig ist auch die Vermittlung von Praxiserfah-rung. Das reicht von der Organisation effizienter Arbeitsabläufe über das korrekte Aufziehen einer Spritze bis zu der Bewegung der Babys. Simone Utz ist Kinaesthetics-Trainerin und nimmt solche scheinbar einfachen Dinge sehr ernst: “Man sollte Babys immer so bewegen, dass sie davon in ihrer motorischen Entwicklung profitieren.“Das größte Problem ist die Sprache. Keine der Italienerinnen sprach Deutsch, als sie nach Tübin-

gen kamen. In einem achtwöchigen Sprachkurs wurden erste Grundkenntnisse gelernt, aber das reicht natürlich noch lange nicht aus. „Wir spre-chen alle nur Deutsch mit ihnen und müssen sehr langsam und deutlich sprechen. Der schwäbische Dialekt ist natürlich eine enorme Herausforderung. In der Schicht sind wir zudem so mit der Pflege beschäftigt, dass wir nur das notwendige „Pflege-deutsch“ vermitteln. Außerhalb der Station haben die Mädels leider noch wenig Kontakte zu Deut-schen und sprechen untereinander Italienisch.“Simone Utz sieht in den Italienerinnen eine große Bereicherung für den Klinikalltag: „Sie sind alle offen und herzlich, denken positiv und machen immer das Beste aus ihrer jeweiligen Situation. Sie bringen wirklich italienische Sonne und itali-enisches Temperament auf die Station. Ich habe auch großen Respekt davor, dass jemand zum Arbeiten in ein fremdes Land geht und dann noch die Familie daheim unterstützt. Außerdem sind sie uns schon jetzt eine große Hilfe in der Pflege. Ich finde es wirklich schön, dass sie da sind.“

Was macht eigentlich...

Simone Utz?

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Herausgeber: Universitätsklinikum Tübingen Presse- und Öffentlichkeitsarbeit Hoppe-Seyler-Str. 6, 72076 Tübingen [email protected]

Redaktion und Gestaltung: UHLAND2 – Agentur für PR, Werbung und Neue Medien GmbH, Uhlandstraße 2, 72072 Tübingen

Fotos: FotoReproGrafik (frg), Medtronic, © Juan Gärtner/Fotolia.com

Texte: UHLAND2, Dr. Ellen Katz, Presse- und Öffentlichkeitsarbeit Universitätsklinikum Tübingen

Anzeigen: Wolfgang Dieter Telefon 07071/934190, [email protected]

Druck: Deile Druck GmbH, Sindelfinger Straße 5/2, 72070 Tübingen

Montag – Freitag, 8.00 – 12.00 Uhr und 13.00 – 16.30 Uhr

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