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Jg. 22, Heft 46/47 ~ 3.November 1943 KLOSE, PRIGGE und SCttR61~R, Ruhr-Schutzimpfung. 689 auch ein sp/~tsystolisches GerAusch auf; theoretisch wttrde man vermuten, dab hier einige der SehnenfAden durchrissen sind, so dab die Segelklappe in der spi~ten Systole gegen den Vorhof um- schlAgt. Ein sotches GerAusch wurde jedenIalls bei einigen FMlen yon traumatischer Mitralinsuffizienz gesehen. Das systolische Gerausch bei Aorteninsuffizienz und -stenose beginnt immer erst nach dem /-Ton, weil der Kammerdruck den diasfotischen Aortendruck erst am Ende der Anspannungszeit fibertrifft (Abb. 2; 5; 7 a). Es zeigt ein Maximum zur Zeit der starksten Aortenstr6mung, also in der Mitte der Systole, und klingt gegen den//-Ton allm~h- llch wieder ab. Er zeigt also eine ausgesprochen spindelige oder zwetschkenkern-~hnliche Form. )~hnlich sieht auch das Pulmonal- stenosenger/tusch aus. Bei Kammerseptumdefekt beginnt in den wenigen beobachteten F~tlen das Gerausch dagegen wie bei der /vIitralinsuffizienz gleich nach dem/-Ton und reicht in fast gleieh- maBiger Intensitat bis zum //-TOM (Abb. 3, 6; 7b). Alle systoli- sehen Ger/~usche werden bei Verkteinerung des ScMagvolumens durch I~equenzerh6hung leiser (so z. B. nach kurzen diastolischen Pausen in Abb. 5d). Das dia, tolische aeri~usch der Mitratstenose beginnt immer in einem Abstand vom//-Ton, der der Entspannungszeit der Kammer entspricht, whhrend das GerAusch der Aorteninsuffizienz immer anschlieBend aM den/I-Ton auftritt. Beim offenen Ductus BotMli hat das GerAusch ein sp/~tsystotisches Maximum, erstreckt sich abet kontinuierlich auch in die Diastole hinein (Abb. 3, 7 und 7e). Das prAsystolische Mitralstenosenger~usch zeigt in der tiefen Ab- stimmung immer etwu o,io Seknnden nach Beginn von P ein deutliches Maximum. Der akustische Crescendo-Eindruck entsteht dadurch, dab das GerAusch bei Beginn der Kammerkontraktion noch vor dem /-Ton h6here Komponenten erh~It, ftir die das Ohr besonders empfindlich ist. Das sog. Flintsche Ger~usch bei reinen Aortenfehlern ist als die ger~uschartige zweite Komponente eines h6rbaren Vorhoffons aufzufassen, tritt also nur bei dekompen- sierten Aortenfehlern auf. Zusammen]assung. Nach einer kurzen Schilderung der techni- schen und theoretischen Grundlagen der Herzschallregistrierung werden die einzelnen Herzt6ne und -gerausche besprochen und abgebildet und ihre Entstehung und differentialdiagnostische Be- deutung im Lichte neuer Ergebnisse der Iterzschallschreibung dargelegt. Es werden vergleichende Schallaufnahmen yon ver- schiedenen Stellen der Brustwand uflter Zuhilfenahme besonders tiefer Abstimmungen (ungefilterter Schall) besprochen. Es wird gezeigt, dab im Inspirium der II-Aortenton etwas verfriiht, der ll-Pulmonalton deutlich verspatet auItritt, was zu Spaltung des //-Tons fflhrt. Die Beobachtung wird beschrieben, dub die U-Zacke des Ekg. framer nach Anfang des //-Tons beginnt und vor Ende des III-Tons endet, woraus Vermutungen zur Genese der U-Zacke aufgestellt werden. Ferner wird eine langsame protosystolische Sch~4ngung beschrieben, die nur bei tiefer Abstimnmng zu sehen ist (Aortendehnungston), und die bei Drucksteigerung in der Aorta bzw. Pulmonalis h6rbar werden kann. Die Schwingungs- erscheinungen bei der Vorhofkontraktion werden in Analogie zu den Kammert6nen in drei Gruppen eingeteilt, -con denen die erste dem I-Kammerton, die zweite dem Aortendehnungston und die dritte dem II-Kammerton entspricht. Der h6rbare Vorhofton (Galopprhythmus) ist eine Verst~rkung der zweiten Gruppe. Literatur (zusammenfassende Darstelluug) : CALO, Atlasde phonocardiographie elinique. Paris 1938. -- LEPESCHKIN, Das Ekg. Ein YIandbuch tiir Theorie nnd Praxis. Dresden 1942, -- LIAN, MINOTe t WELTI, Phonocardiographie. Paris 1941. -- ORIAS u. BRAUNMENI~NDEZ, Los ruidos cardiacos. Buenos Aires 1937, :939 Erg. Physiol. 43, i (~941). -- PAZZANESE, A fonocardiografia. Sao Paulo I94o. -- SC~Z, Erg. Physiot. ~$, 632 (1933). -- A~ WEBER, Die Elektrokardiographie trod audere graphische Methoden in der Krelslaufdiaga]ostik. Berlin :935, 1937 -- tterz- schallregistrierung. Kreislaufbiieherei 8. Dresden 1943. ORIGINALIEN. KLINISCHE UNTERSUCHUNGEN OBER AKTIVE RUHR-SCHUTZIMPFUNG. Von F. KLOSE, R. PRIGGE und W. SCHR6ER. Aus der Hygienischen Untersuchungsstelle beim Wehrkreis ]Ii in Berlin (Beraten der Hygientkcr: Oberfeldarzt Dozent Dr, F. KLOSE) und der Experimentell-Thera t?cutisehen Abteilung (Prof. Dr. R. PRtGGE) des StaatL Instituts ffir experimentelle Therapie in Frankfurt a. M. (Direktor: Geh. Med.-Rat ProL Dr. R. OTTO). I. Experimentelle Gru:ndlagen. Die Vorstellungen fiber die fiir die Pathogenese der Ruhr ausschlaggebenden Noxen haben sich w/ihrend der letzten 3 ~ Jahre erheblich ge/indert. Vor dem ersten VCeItkrieg wur- den sehr verschiedenartige Auffassungen fiber die Natur der yon den Ruhrbacillen gebildeten Giftstoffe vertreten. Als fest- stehend gait damals nur, dab der Shiga-Krusesche Ruhr- bacillus ein dem Diphtheriegift vergleichbares Toxin aufbaut, gegen das der Organismus h6herer S~ugetiere ein echtes Anti- toxin zu bilden vermag. Ob der Shiga-Kruse-Bacillus neben diesem Toxin noch einen andersartigen Giftstoff erzeugt und welcher Art die yon den sog. ,,giftarmen" Ruhrerregern, den Flexner-, Kruse-Sonne- und Schmitz-Bacillen, produzierten Noxen sind, war dagegen strittig. Erst 1926 wurde gezeigt, dab das Gift der Flexnerschen Ruhrbacillen ein Endotoxin, d. h. ein im Vergleich mit den ,,klassischen" Toxinen sehr vie1 fester an die Zellsubstanz gebundenes, auch in seinen sero- logischen Eigenschaffen yon ihnen durchaus verschiedenes Agens~ ist. Dann wurde festgestellt, dab die Shiga-Kruse- Bacillen -- neben dem Toxin -- ebenfalls ein Endotoxin er- zeugen. SchlieBlich wurden auch in den Kruse-Sonne- und in den Schmitz-Bacillen charakteristische Endotoxine ermit- telt. Auch fiber die ehemis~he Natur der somit bei sdmtliehen vier Typen der Ruhrbacillen gefundenen Endotoxine und des nut beim Shiga-Kruse-Baeillus mit Sicherheit nachgewiesenen Toxins wissen wirheute n~herungsweise Bescheid: Die ersteren dfirften nach den bisher gewonnenen Ergebnissen Kohlehy- drat-Polypeptid-Verbindungen, das letztere ein EiweiBk6rper sein. Die Endotoxine der verschiedenen Ruhrbacillen-Typen lassen sich trotz groBer Nhnlichkeit ihrer chemischen Eigen- schaften auf serologischem Wege !eicht unterscheiden. Das Toxin wird beim Altern zum Teil in eine ungiftige, aber noch immunisatorisch wirksame Form, das Toxold umgewandelt, zum Teil zerst6rt; durch Formaldehyd kann der Zerst6rungs- prozeB zugunsten der Toxoidbildung gehemmt werden. To- xinpr/~parate behalten ihr optimales Immunisierungsverm6gen nur solange, wie sie eine mel3bare ,,Giftspitze", d. h. einen Rest nichtentgifteten Toxins enthalten. Die pathogenetische Bedeutung der gi]tigen Ruhrantigene ist darin zu erblieken, dab die Endotoxine die Darmerschei- nungen hervorrufen, wfi.hrend das Toxin vor ahem Ursache der Allgemeinvergiftung, der nerv6sen Erscheinungen und der Kreislaufst6rungen ist, die wit bei den schweren FEllen von Shiga-Kruse-Ruhr beobachten. In der Pathogenese der Shiga- Kruse-Ruhr spiclen also zwei Giftstoffe -- ein :Endotoxin und ein Toxin -- eine Rolle, w~hrend bei den dutch die Schmitz-, Flexner- und Kruse-Sonne-]3acillen hervorgerufenen Erkran- kungen im wesentlichen nnr Endotoxine zur Wirkung ge- langen. Entsprechend unseren vertieften Einblieken in die Anti- gen-Struktur der Dysenteriebacillen haben sich die Anforde- rungen ge~ndert, die an die aktive SehutzimpJung gegen Ruhr gestellt wr W~hrend die Bemfihungen um die Herstet- lung eines brauchbaren Impfstoffes frfiher -- z.B. bei der Herstetlung yon ,,Dysbakta" -- vor allem yon der Tatsache ausgingen, dab der Shiga-Kruse-Bacillus ein Toxin bildet, auf dessen Einverleibung der Organismus mit der 13ildung von spezifischem Anti-Toxin zu reagieren vermag, richtete sich sparer das Interesse in besonderem MaBe auf die M6glich- keiten der Erzeugung einer anti-endotoxischen Immunit~t, also eines Schutzes gegen die Endotoxine der verschiedenen Ruhr- bacfllen. Man verwendet die Ruhrantigene, die in gel6stem Zustand wegen ihrer Giltigkeit nur in kleinen Mengen zn Immunisierungszwecken eingespritzt werden dfirfen, m6g- lichst in gebundener ~orm, so daB sie nach ihrer Einfiihrung in den Organismus nur allmfihlich zur Wirkung gelangen und in h6heren Dosen benfitzt werden k6nnen. Zusammenjassend d,~'rJen wit sagen, yon einem brauchbaren ImpJstoJJ sei zu ]or- dern, daft er einen Schutz gegen alle wiehtigen Ruhrbacillen ge- ,wgihre, also gegen die Shiga-Kruse-Baeillen, die hauptsdchlichen Rassen der ~texner-Bacillen (A, D, H u, a.) und die Kruse-

Klinische Untersuchungen über Aktive Ruhr-Schutzimpfung

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Jg. 22, Heft 46/47 ~ 3.November 1943

KLOSE, P R I G G E u n d SCttR61~R, R u h r - S c h u t z i m p f u n g . 689

auch ein sp/~tsystolisches GerAusch auf; theoretisch wttrde man vermuten, dab hier einige der SehnenfAden durchrissen sind, so dab die Segelklappe in der spi~ten Systole gegen den Vorhof um- schlAgt. Ein sotches GerAusch wurde jedenIalls bei einigen FMlen yon traumatischer Mitralinsuffizienz gesehen. Das systolische Gerausch bei Aorteninsuffizienz und -stenose beginnt immer erst nach dem /-Ton, weil der Kammerdruck den diasfotischen Aortendruck erst am Ende der Anspannungszeit fibertrifft (Abb. 2; 5; 7 a). Es zeigt ein Maximum zur Zeit der starksten Aortenstr6mung, also in der Mitte der Systole, und klingt gegen d e n / / - T o n allm~h- llch wieder ab. Er zeigt also eine ausgesprochen spindelige oder zwetschkenkern-~hnliche Form. )~hnlich sieht auch das Pulmonal- stenosenger/tusch aus. Bei Kammerseptumdefekt beginnt in den wenigen beobachteten F~tlen das Gerausch dagegen wie bei der /vIitralinsuffizienz gleich nach d e m / - T o n und reicht in fast gleieh- maBiger Intensitat bis zum //-TOM (Abb. 3, 6; 7b). Alle systoli- sehen Ger/~usche werden bei Verkteinerung des ScMagvolumens durch I~equenzerh6hung leiser (so z. B. nach kurzen diastolischen Pausen in Abb. 5d).

Das dia, tolische aeri~usch der Mitratstenose beginnt immer in einem Abstand v o m / / - T o n , der der Entspannungszeit der Kammer entspricht, whhrend das GerAusch der Aorteninsuffizienz immer anschlieBend aM d e n / I - T o n auftritt. Beim offenen Ductus BotMli hat das GerAusch ein sp/~tsystotisches Maximum, erstreckt sich abet kontinuierlich auch in die Diastole hinein (Abb. 3, 7 und 7e). Das prAsystolische Mitralstenosenger~usch zeigt in der tiefen Ab- stimmung immer etwu o,io Seknnden nach Beginn von P ein deutliches Maximum. Der akustische Crescendo-Eindruck entsteht dadurch, dab das GerAusch bei Beginn der Kammerkontraktion noch vor dem / -Ton h6here Komponenten erh~It, ftir die das Ohr besonders empfindlich ist. Das sog. Flintsche Ger~usch bei reinen Aortenfehlern ist als die ger~uschartige zweite Komponente eines

h6rbaren Vorhoffons aufzufassen, tr i t t also nur bei dekompen- sierten Aortenfehlern auf.

Zusammen]assung. Nach einer kurzen Schilderung der techni- schen und theoretischen Grundlagen der Herzschallregistrierung werden die einzelnen Herzt6ne und -gerausche besprochen und abgebildet und ihre Entstehung und differentialdiagnostische Be- deutung im Lichte neuer Ergebnisse der Iterzschallschreibung dargelegt. Es werden vergleichende Schallaufnahmen yon ver- schiedenen Stellen der Brustwand uflter Zuhilfenahme besonders tiefer Abstimmungen (ungefilterter Schall) besprochen. Es wird gezeigt, dab im Inspirium der I I -Aortenton etwas verfriiht, der l l -Pulmonal ton deutlich verspatet auItritt, was zu Spaltung des / / -Tons fflhrt. Die Beobachtung wird beschrieben, dub die U-Zacke des Ekg. framer nach Anfang des / / -Tons beginnt und vor Ende des III-Tons endet, woraus Vermutungen zur Genese der U-Zacke aufgestellt werden. Ferner wird eine langsame protosystolische Sch~4ngung beschrieben, die nur bei tiefer Abstimnmng zu sehen ist (Aortendehnungston), und die bei Drucksteigerung in der Aorta bzw. Pulmonalis h6rbar werden kann. Die Schwingungs- erscheinungen bei der Vorhofkontraktion werden in Analogie zu den Kammert6nen in drei Gruppen eingeteilt, -con denen die erste dem I-Kammerton, die zweite dem Aortendehnungston und die dritte dem II -Kammerton entspricht. Der h6rbare Vorhofton (Galopprhythmus) ist eine Verst~rkung der zweiten Gruppe.

L i t e r a t u r (zusammenfassende Darstelluug) : CALO, At l a sde phonocardiographie elinique. Paris 1938. -- LEPESCHKIN, Das Ekg. Ein YIandbuch tiir Theorie nnd Praxis. Dresden 1942, -- LIAN, MINOTe t WELTI, Phonocardiographie. Paris 1941. -- ORIAS u. BRAUNMENI~NDEZ, Los ruidos cardiacos. Buenos Aires 1937, :939 Erg. Physiol. 43, i (~941). -- PAZZANESE, A fonocardiografia. Sao Paulo I94o. -- S C ~ Z , Erg. Physiot. ~$, 632 (1933). -- A~ WEBER, Die Elektrokardiographie trod audere graphische Methoden in der Krelslaufdiaga]ostik. Berlin :935, 1937 -- tterz- schallregistrierung. Kreislaufbiieherei 8. Dresden 1943.

ORIGINALIEN. KLINISCHE UNTERSUCHUNGEN

OBER AKTIVE RUHR-SCHUTZIMPFUNG. V o n

F. KLOSE, R . PRIGGE u n d W. SCHR6ER. Aus der Hygienischen Untersuchungsstelle beim Wehrkreis ] I i in Berlin (Beraten der Hygientkcr: Oberfeldarzt Dozent Dr, F. KLOSE) und der Experimentell-Thera t?cutisehen Abteilung (Prof. Dr. R. PRtGGE) des StaatL Instituts ffir experimentelle

Therapie in Frankfurt a. M. (Direktor: Geh. Med.-Rat ProL Dr. R. OTTO).

I . Experimentelle Gru:ndlagen. Die Vors te l lungen fiber die fiir die Pa thogenese der Ruhr

ausschlaggebenden Noxen haben sich w/ihrend der le tz ten 3 ~ Jah re erhebl ich ge/indert . Vor dem ersten VCeItkrieg wur- den sehr verschiedenar t ige Auffassungen fiber die N a t u r der yon den Ruhrbac i l len gebi lde ten Giftstoffe ve r t r e t en . Als fest- s t ehend gai t damals nur, dab der Shiga-Krusesche Ruhr - bacil lus ein d e m Diphther ieg i f t vergle ichbares Toxin aufbaut , gegen das der Organismus h6herer S~ugetiere ein echtes Ant i - t ox in zu bi lden vermag . Ob der Shiga-Kruse-Baci l lus neben diesem Toxin noch e inen andersar t igen Gif ts toff e rzeug t und welcher A r t die yon den sog. , ,g i f ta rmen" Ruhrer regern , den Flexner- , Kruse-Sonne- und Schmitz-Baci l len, p roduz ie r ten N o x e n sind, war dagegen str i t t ig . E r s t 1926 wurde gezeigt , dab das Gif t de r F lexnerschen Ruhrbac i l len ein Endotoxin, d. h. ein im Vergleich m i t den , ,klassischen" Tox inen sehr vie1 fes ter an die Zel lsubstanz gebundenes, auch in se inen sero- logischen Eigenschaf fen yon ihnen durchaus verschiedenes Agens~ ist. D a n n wurde festgestel l t , dab die Shiga-Kruse- Bacil len - - neben d e m Toxin - - ebenfalls ein E n d o t o x i n er- zeugen. SchlieBlich wurden auch in den Kruse-Sonne- und in den Schmitz-Baci l len charakter is t i sche E n d o t o x i n e ermi t - te l t . Auch fiber die ehemis~he Natur der somi t bei sdmtliehen vier Typen der Ruhrbac i l len gefundenen Endo tox ine und des n u t be im Shiga-Kruse-Baeillus m i t Sicherhei t nachgewiesenen Toxins wissen w i r h e u t e n~herungsweise Bescheid: Die ers teren dfirf ten nach den bisher gewonnenen Ergebnissen Kohlehy- d ra t -Po lypep t id -Verb indungen , das l e tz te re ein EiweiBk6rper sein. Die E n d o t o x i n e der versch iedenen Ruhrbac i l l en -Typen lassen sich t ro tz groBer Nhnl ichkei t ih rer chemischen Eigen- schaf ten auf serologischem Wege !eicht unterscheiden. Das

Toxin wird be im Al te rn zum Teil in eine ungif t ige, aber noch immunisa to r i sch wi rksame Form, das Toxold umgewande l t , zum Teil ze rs t6r t ; durch F o r m a l d e h y d k a n n der Zers t6rungs- prozeB zuguns ten der Toxo idb i ldung g e h e m m t werden. To- xinpr/~parate beha l ten ihr opt imales Immun i s i e rungsve rm6gen nur solange, wie sie eine mel3bare ,,Giftspitze", d. h. e inen R e s t n i ch t en tg i f t e t en Toxins en tha l t en .

Die pathogenetische Bedeutung der gi]tigen Ruhrantigene is t dar in zu erbl ieken, dab die E n d o t o x i n e die Darmerschei - nungen hervorrufen , wfi.hrend das Tox in vo r a h e m Ursache der Al lgemeinvergi f tung, der nerv6sen Ersche inungen und der Kre is laufs t6rungen ist, die w i t bei den schweren FEllen von Sh iga -Kruse -Ruhr beobachten . I n der Pa thogenese der Shiga- Kruse -Ruhr spiclen also zwei Gif ts toffe - - ein :Endotoxin und ein Tox in - - eine Rolle, w~hrend bei den du tch die Schmitz- , F l exne r - und Kruse-Sonne-]3aci l len hervorgerufenen E r k r a n - kungen im wesent l ichen nnr E n d o t o x i n e zur Wi rkung ge- langen.

En t sp rechend unseren ver t i e f t en E inb l ieken in die A n t i - gen -S t ruk tu r der Dysenter iebac i l len haben sich die Anforde- rungen ge~nder t , die an die aktive SehutzimpJung gegen R u h r gestel l t wr W~hrend die B e m f i h u n g e n u m die Hers te t - lung eines b rauchbaren Impfs tof fes frfiher - - z . B . bei de r Hers te t lung yon , ,Dysbakta" - - v o r a l lem yon der Ta t sache ausgingen, dab der Shiga-Kruse-Baci l lus ein Tox in bi ldet , auf dessen E inve r l e ibung der Organismus m i t der 13ildung von spezif ischem Ant i -Toxin zu reagieren vermag , r i ch te t e sich sparer das In teresse in besonderem MaBe auf die M6glich- ke i ten der E rzeugung einer anti-endotoxischen I m m u n i t ~ t , also eines Schutzes gegen die E n d o t o x i n e der versch iedenen Ruhr - bacfllen. Man v e r w e n d e t die Ruhran t igene , die in gel6s tem Zus tand wegen ihrer Gi l t igke i t nur in k le inen Mengen zn Immunis ie rungszwecken e ingespr i tz t werden dfirfen, m6g- l ichst in gebundener ~orm, so daB sie nach ihrer E in f i ih rung in den Organismus nu r allmfihlich zur W i r k u n g ge langen u n d in h6heren Dosen benf i tz t werden k6nnen. Zusammenjassend d,~'rJen wi t sagen, yon einem brauchbaren ImpJstoJJ sei zu ]or- dern, daft er einen Schutz gegen alle wiehtigen Ruhrbacillen ge- ,wgihre, also gegen die Shiga-Kruse-Baeillen, die hauptsdchlichen Rassen der ~texner-Bacillen (A, D, H u, a.) und die Kruse-

6 9 0 I~LOS]~, PRIGGI~ u n d S E t t R 6 E R , Ruhr-Schutzimpfung. Klinlsche Wochenschritt

Sonne-Bacillen; und zwar muff der Schut$ sowohl gegen das Toxin wie gegen die Endotoxine u~irk~am sein. Auf die ve r - s c h i e d e n e n V e r f a h r e n zu r Impf s to f fhe r s t e l l ung , f iber die a n a n d e r e r Stel le ausf f ihr l ich b e r i c h t e t w u r d e ( L i t e r u t u r s. be i PRINCE1), b r a u c h t h i e r n i c h t n o c h m a l s e i n g e g a n g e n zu wer- den. W i r b e r i c h t e n im fo lgenden f iber die m i t P r ~ p a r a t e n ganz v e r s c h i e d e n e r Z u s a m m e n s e t z u n g a m M e n s c h e n gewon- n e n e n E r f a h r u n g e n .

I f . Methodik der ImpJstoJJpri~]unff am ~en~chen.

Die Prfifung der Ruhrimpfstotfe im Tierversuch bereitet ver- hMtnism~t3ig wenig Schwierigkeiten. Kaninchen und Mause sind sowohl gegen Endotoxine wie gegen Toxin, Meerschweinchen nut gegen Endotoxine empfindlich (PRIGG~ und KIC~SCH2); die Wirk- samkei t der zur akt iven Schutzimpfung des Menschen dienenden Pr~para te laBt sich also best immen, indem man schntzgeimpfte Tiere mi t an sich t6dlichen Gaben Toxin oder Endotoxin bzw. mit Gemischen der beiden Noxen vergif tet und die Uberlebensmte, d. h. den Anteil der die Vergiftung i iberwindenden Tiere ermittel t .

Be i U n t e r s u c h u n g e n a m Mensehen b e s t e h t a u B e r h a l h yon E p i d e m i e g e g e n d e n n u r die IvI6glichkeit, die serologisehen Re- aktionen als M a B s t a b ffir die W i r k s a m k e i t de r Impfs to f fe zu v e r w e r t e n u n d auf G r u n d de r so g e w o n n e n e n E r g e b n i s s e zu en• welche P r ~ p a r a t e zur E r p r o b u n g in de r P r a x i s h e r a n g e z o g e n w e r d e n sollen. D e r P r f i fung a m M e n s c h e n muB e ine P r i i f ung a m Tier v o r a n g e h e n , d u t c h welche die K e i m - f re ihei t , Unsch/~dl ichkei t u n d W i r k s a m k e i t de r Impfs to f fe ge- w / ih r l e i s t e t wird.

E s w a r I r f iher f iblich, die b e i m M e n s c h e n e rz ie l ten Erfo lge e iner S c h u t z i m p f u n g gegen R u h r ausschl ieBlich au f G r u n d des Agflutinintiters zu beu r t e i l en . Dieses V e r f a h r e n m u g frei t ich als a n f e c h t b a r ge l t en . I m m e r h i a schieBt die v ie l fach ge~tuBerte K r i t i k f iber das Ziel h inaus . W i r wissen heu te , d a b die E n d o - t o x i n e de r R u h r b a c i l l e n n l i t d e n e n t s p r e e h e n d e n O-Agglu- t i nogenen , d. h. d e n Ifir da s Z u s t a n d e k o m m e n d e r Agg lu t ina - t i o n s r e a k t i o n a u s s c h l a g g e b e n d e n ]3es tand te i l en de r B a k t e r i e n - zelle, i d e n t i s c h s ind. E b e n s o h a t de r gegen e in E n d o t o x i n geb i l de t e Schu tzs to f f , das A n t i e n d o t o x i n , m i t dem agglu t in ie- r e n d e n A n t i k 6 r p e r , d e m O-Agg lu t in in , als i den t i s ch zu gette n. W i r mf issen also doch e inen e n g e r e n Z u s a m m e n h a n g zwischen d e m A g g l u t i n i n g e h a l t des S e r u m s u n d de r a k t i v e n I m m u n i t i t t gegen da s E n d o t o x i n des e n t s p r e c h e n d e n R u h r b a e i l l u s an - n e h m e n . Al le rd ings s c h e i n t die a n t i e n d o t o x i s c h e I m m l f n i t ~ t in de r H a u p t s a c h e celluMrer N a t u r zu seth. Der Sehutz , den de r O r g a n i s m u s n a e h p a r e n t e r a l e r E i n v e r l e i b u n g de r E n d o - t o x i n e e rwi rb t , I/iBt s ich n u r in b e s c h r A n k t e m Mal3e m i t d e m S e r u m t i b e r t r a g e n ; u n d die I m m u n s e r a v e r m 6 g e n n u t seh r Meine M e n g e n y o n E n d o t o x i n unsch~idlich zu m achen , w a h r - sche in l i ch well de r be t de r R e a k t i o n zwischen E n d o t o x i n u n d O - A g g l u t i n i n e n t s t e h e n d e K o m p l e x n i c h t ebenso lest , also a u c h n i c h t so w e i t g e h e n d e n t g i f t e t i s t wie die bei de r R e a k t i o n zwischen T o x i n u n d A n t i t o x i n sich b i ldende V e r b i n d u n g . VCenn w i r d e n G e h a l t des B l u t s e r u m s a n O-Agg lu t in in s o m i t a u c h n i c h t als Marl de r a n t i e n d o t o x i s c h e n I m m u n i t ~ t an- s e h e n dfirfen, so i s t er doch zweifellos ein b r a n c h b a r e r .b~di- eator ffir i h r V o r h a n d e n s e i n .

Die F e s t s t e l l u n g des A g g l u t i n i n g e h a l t e s geschah m i t t e l s t d e r Gruber-Widalsehen Reaktion. B e n n t z t w u r d e n folgende S t / h n m e (Beze i chnung de r F l e x n e r - S t ~ m m e n a c h de r Rassen- e i n t e i l u n g yon SAI~TORIUS):

Fflr die mi t den Impfstoffen A, B, C durchgeffihrten Versuche: S tamm Flexner A (Fe Lz 17), S tamm Flexner H (Wx), Stamm Flexner D (Las 12), S tamm Flexner Y (Lz I53), S tamm Flexner L (Lz i8a ) , S tamm Shiga-Kruse 835, S tamm Schmitz ,,Nigeria", S tamm Kruse-Sonne E 7oo; far den Versuch D: S tamm Flexner A lO9, S t amm Flexner G 8o8o, S tamm Flexner BC Ldw, Stature Flexner Y 2960, Stature Flexner D 843, S tamm Shiga-Kruse lO75, S tamm Kruse-Sonne E 7oo; ffir Versuch E: S tamm Shiga-Kruse, 1o7o5; far Versuch F, G, H, I, K: S tamm Flexner A (Las 69), S tamm FIexner BC Ldw, Stature Flexner D Ldw, Stanlm Flexner I t London, S tamm Flexner Y (Lz 153), S tamm Shiga-Kruse SRS, S tamm Schmitz Bln, S tamm Kruse-Sonne E 2432; ft~r Versuch L, M: Stamm Ftexner A, S tamm Flexner BC.Ldw, S tamm Flexner H (London), S tamm Flexner Y (Lz I53), S tamm Shiga-Kruse SRS, Stamm Shiga-IZruse Frankfur t , S tamm Schmitz Berlin, S tamm Kruse-Sonne E 2432.

Die Ablesung der Ergebnisse erfolgte nach einem Aufenthal t von 1]~ nnd I Stunde bet Bru t schrank tempera tur und nach weiteren 20 Stunden bet Zimmerwfirme.

Bet Beurtei lung der Ergebnisse wird man daran Iesthalten inflssen,

a) dab eine Agglutination yon Flexner-Bacillen bet 1:2o in 4o--8o% nnd selbst bet 1:8o in 13 bis ann~hernd 5o% normaler Mensthensera vorkomm9, w~hrend Iiruse-Sonne-Bacillen yon nut 1,6% der normalen Menschensera und dann hOchstens bis 1:2o agglutiniert werden,

b) dab Agglutinine im Blur noch yon einer frfiheren Erkran- kung her vorhanden sein k6nnen, was z. B, nach Flexner-Ruhr his zum Titer i : ioo, jedoch prakt isch nie nach Kruse-Sonne-iRuhr vorkommen soll. Diese Persistenz yon Agglutininen ist natfirlich im Falle vorangegangener Schutzimpfung, aber auch bet chroni- scher Ruhr zu beachten.

Unte r Berficksichtigung dieser Tatsachen wurden f~r die Be- urteilung der Ergebnisse folgende iRichtlinien festgelegt: I. Eine Agglutination von Shiga-Kruse-Ruhrbacil len h6her als 1:4 o, 2. yon Bacillen der Flexner-Gruppe yon 1:16o und dart~ber, 3. yon Kruse-Sonne-Bacillen i : i o o und darfiber wurden bet der Ablesung nach 20 Stunden als spezifisch und damit als hnpferfolg gewertet, nachdem ffir die ~Vertung nile hnpfl inge ausgesehieden waren, bet denen vor der Schutzimpflmg ein Agglutinationsti ter yon 1:4 ~ und mehr fflr die Shiga-Kruse-Ruhrbacillen, yon i : i6o und nlehr ffir die Bacillen der Flexner-Gruppe und yon I:~Oo und mehr fflr die Kruse-Sonne-Ruhrbacillen ermit te l t werden konnte.

Fa r die in den folgenden Abschni t ten wiedergegebenen lJber- sichten wurden die F~rgebnisse der Ti terauswertung ffir die l~uhr- bacillenstAmme der Typen A, BC, D, H, L, Y, unbeschadet der erzielten Einzelfeststellung, unter dem Samnlelbegriff Flexner- Gruppe zusammengefaBt.

Als MaB ffir den durch die hnpfung erzielten Schutz gegen das Toxin des Shiga-Kruse-Baeillus, d.h. Iiir die anti-toxische Ruhrimmu- nitgt, darf der Anti toxingehal t des Serums der Geimpffen verwandt werden. Zu seiner Ermi t t lung haben wir, ebenso wie SYLVESTER a, ein Verfahren angewandt, welches der bet der staatl ichen l 'rfifung der anti toxischen Ruhr-Heilsera benfitzten Methode nachgebildet ist, jedoch die Feststellung wescntlich kleinerer Anti toxinmengen gestattet . Als positives Impfergebnis werten wir --- Mmlich wie bet Diphtherie -- Ti ter von mindestens 1/s Anti toxineinhei t (AE) in 1 ccm Serum, ohne dab hiermit ein Urteil darfiber vorweg- genommen werden soll, wieweit eine derartige Anti toxinkonzentra- t ion die Wirkungen einer un te r natflrlichen Verhi~ltnissen zustande- kommenden Shiga-Kruse-Intoxikation aufzuheben vermag. Impf- linge, bet denen ein Titer yon 1]s AE/ccm oder mehr im Blutserum vor der ersten Impfung :[estgesteltt werden konnte, wurden tfir die Bewertung der Versuchsergebnisse ausgeschaltet,

Die ffir die Durchffihrung der seroh)gischen Untersuchungen eriorderlicllen Blutproben wurden vor der ersten und 3 Wochen nach der letzten hnpfung entnommen.

I I I . Ergebnlsse der parenteralen SchutzimpJu~g.

I n s g e s a m t k a m e n 7 ve r s ch i edene I luhr in lp f s to f fe zur Un- t e r suchung , d e r e n Z u s a m m e n s e t z u n g aus Tabet le i he rvo r - g e h t u n d die s t e t s s u b c u t a n in j i z i e r t wurden . Die A n t i g e n e w a r e n z u m Teil in ih re r na t f i r l i chen B i n d u n g a n die B a k t e r i e n - l e i be s subs t anz be lassen , z u m Tell ge l6s t u n d in B i n d u n g a n

Tabelle I. f 3 b e r s i c h t f i b e r d i e z u r p a r e n t e r a l e n I m m u n i - s i e r u n g v e r w a n d t e n R u h r i m p f s t o f i e .

Bezeich t . . . . . . nungde;,I

Impf- ] - - - - ~ - stotfes ' Shiga- Flexner

li Kruse A J i

Zllsalnmenset ztlng

. . . . . . . ~ . . . . . . . . To- (Gift- Flexner[Flexner Flexner,Krusc- q ~ .~.,[ xozd . .#.

BC I ]3 I H Sonne , . c . A m . . , spl.ze,

A x - § < + x x

c + 4,- -- >~ ~ ?? D + . + . . . . . ~- E . . . . . ) ? F G + . �9 -

Zeiehenerkliirung : + i nB indung andieBakter ienle ibessubs tanz; x in gel6ster Form; - - fehlt; ? n~here Angaben fehlen.

Be,merkr A Shiga-Kruse-Endotoxin, -Toxoid u n d - T o x i n an AI(OH)3 gebunden (ETA-Impfstoff); B getrennte Injekt ion der Endotoxine und des Toxoids; C Gemisch der beiden Frakt ionen des Impfstoffes B ; D aul3erdem Ftexner-Keime der Rassen G und Y,

Jg. 22, I tel t46/47 I{LOSE, PRIGG:E u n d SCHR01~R, R u h r - S c h u t z i m p f u n g . 691 I3. November x943

ein anorganisches Adsorbens oder in nicht gebundenem Zu- s tand verwandt. Die Impfstoffe A, t3, C und F enthietten so- wohl Toxoid (Toxin) wie Endotoxine, die Pr~parate D, E und G in der Hauptsache Endotoxine, daneben vielleicht auch kleine Mengen an die Zellsubstanz der Shiga-Kruse-Keime ge- bundenen genuinen oder in Toxoid umgewandelten Toxins.

Jeder der in Tabelle i aufgefiihrten Impfsfoffe wurde an Gruppen yon 3 ~ bis 200 Impflingen auf seine "Vertrdgliehkeit gepriift. Hierbei traten keine ImpJreaktionen au], die das Marl der be~ der Typhusschutzimpfung zur Beobachtung gdangenden Lokal- und Allgemeinreaktionen i'tbersehritten, wobei hervor- gehoben werden muff, daft der lmpfstoff D, der bei 200 Personen angewandt wu~'de, fast i~berhaupt keine Real~tionen auslSste.

Ober die bei Geimpften erzielten AggIutinationstiter unter- richter Tabelle 2. Der flit die Flexner-Gruppe, d.h . ffir die verschiedenen Rassen der Flexner-Bacillen festgestellte Agglu- t inat ionst i ter bei den mit den Impfstoffen A, B und C schutz- geimpften Personen war Ms gut und ausreichend anzusehen. Zwar blieb der Erfolg mit dem Impfstoff D etwas hinter die- sem guten Ergebnis zurfick; doch liegt diese Abweichung wohl noch im Bereich der biologischen Fehlergrenze. Unbefriedi- gend waren die mi t den Implstoffen F u n d G erzielten Titer, w~hrend yon dem monovalenten Impfstoff E, d e r n u r aus abget6teten Shiga-Kruse-Bacillen bestand, keine Vr keit gegenfiber den Keimen der Jdlexner-Gruppe erwartet wer- den konnte.

Tabelle 2. A n t e i l der I ln 'pf l inge m i t p o s i t i v e r G r u b e r - W i d a l - R e a k t i o n nach d r e i m a l i g e r s u b c u t a n e r S c h u t z -

impfung .

Impfstoff

A B C D E F G

[mpfinterval]

Tage

IO IO* IO 8 8 8 8

Agglutinintiter gegen

Flexner- Kruse-Sonne-i Shiga-Kruse. Gruppe Bacillen ~[ Bacillen

% % i %

IOO o I o o o I00 0

88,8 o

4 2 , 3 o 68,4 5,'2

* Getremlte Injektion (s. Tabclle x).

90 55

IOO

1 47 89,7 3,9 5,2

AnzaM der aus- gewerteten Ver-

suchspersonen

20 20

1 9 17 39 26 19

u versagt haben s~mtliche Impfstoffe in der Agglu- t ininbi ldung gegen Kruse-Sonne-Ruhrbacillen. Es wird an- genommen, dab der Grund daffir in der Auswahl der tfir die Impfstoffe benfitzten St~imme zu suchen ist, denen anschei- nend keine ausreichende antigene Wirkung zukommt.

Hinsichtlich des erzielten Agglutinationstiters gegenfiber Shiga-Kruse-Bacillen befriedigten besonders die Ruhrimpf- stofle A, C und E, w~ihrend durch die Impfstoffe 13 und D nur Mittelwerte erreicht werden konnten.

Die dutch die Schutzimpfung erzielten Antitoxintiter gegen Shiga-Kruse-Ruhrbacillen bewegten sich zwischen o, i25 und I Anti toxineinheit pro Kubikzentimeter. Im einzelnen er- geben sich die durch die Schutzimpfung erzielten :Erfolge aus Tabetle 3-

Tabelle 3- A n t e i l der I m p f l i n g e mi t d e u t t i c h e r A n t i- t o x i n b i l d u n g gegen S h i g a - K r u s e - B a c i l l e n n a c h d re i -

m a l i g e r s u b c u t a n e r I m p f u n g .

AntitoximTiter gegen Anzahl der aus- hnpfstoff Impfintervall Shiga-Kruse-Bacillen gewerteten Versuchs-

% personeu

A

B

C

D E G

3 Wochen I io Tage*

io Tage io Tage 8 Tage 8 Tage 8 Tage

29,4 38,7 17,6 21,4/ 8,3/15'4 o

13,8 27,4

* Getrennte Injektion (s. "l~abelle Q,

I7 44 17 14} 26 12 I 2 29 I I

Hinsichtlich des prozentualen Anteiles der Erzeugung einer antitoxischen Immuni t~t gegen den Shiga-Kru~e-13acillus steht mi t 38, 7 bzw. 29,4 % der Endotoxin-Toxin- (Toxoid-) Adsorbens- (ETA-) Ruhrimpfstoff A an der Spitze. Ihm folgen mit 27, 4 % der Impfstoff G, mi t 17,6 % der Impfstoff 13 (ge- t rennte Injekt ion; s. Tabelle i) und mit 15,4% der Impf- stoff C, schlieBlich der monovalente Shiga-Kruse-l~uhrimpf- stoff E, d e r n u r in 13,8 % einen gentigenden Anti toxint i ter er- zeugen konnte. Der polyvalente Ruhrimpfstoff D vermochte dagegen in keinem Fall eine nachweisbare antitoxische Im- munit / i t gegen Shiga-Kruse-13acillen auszul6sen, was wohl darauf zurfickgeffihrt werden kann, dab die Zahl der in I ccm enthaltenen Shiga-Kruse-13acillen gegenfiber der bei den an- deren geprfiften Impfstoifen sehr klein war.

Einen weiteren Beweis Iiir die immunisatorische Wirkung der polyvalenten Ruhrimpfstolle A, C und 13 (getrennte Ver- abreichung; s. Tabelle I) erbrachte die Feststellung des Anti- toxingehaltes gegen Shiga-Kruse-lRuhrbacillen nach durch- geffihrter Schutzimpfung bei 12 Impflingen, bei denen bereits vor der i. Einspritzung des Impfstoffes ein Anti toxint i ter yon o,125 bis 0,5 AE/ccm nachgewiesen wurde. 13ei diesen Impflingen, deren Anti toxint i ter auf eine vorhergehende 13e- rfihrung mit dem Toxin des Shiga-Kruse-]3aeillus ~ sei es eine unerkannt gebliebene Ruhrerkrankung, sei es eine frfihere Schutzimpfung - - zuriickgefiihrt werden mug, t ra t in allen F~.llen eine Steigerung des Anti toxinti ters ein, der mehrmals ~Verte bis 2, 5 AE/ccm erreichte. Hier hatte demnach die Schutzimpfung Ms ,,Injection de rappel" gewirkt, und es ist eine objektive Grundlage dafiir erbracht, dab mit den zur Zeit zur Verffigung stehenden Ruhrimpfstoffen ein sehr be- achtlicher Grad einer antitoxisehen Immuni t~ t gegentiber dem Shiga-Kruse-Bacillus erzeugt werden kann.

IV . Ergebnisse der oralen SehutzimpJung.

Versuche zur oralen Immunisierung wurden mit ffinf in Tablet tenform gebrachten Impfstoffen durchgefiihrt. Die Versuchspersonen hatten an drei aufeinanderfolgenden Tagen 2 Stunden vor der Hauptmahlzei t je I Tablette einzunehnmn. Die peroral verabreichten Ruhrimpfstoff-Tabletten der ver- schledensten Herkun]t 16sten in keinem FaU eine Reaktion yon seiten des Magen-Darm-Kanals aus; insbesondere wurden Icol#c- artige Schmerzen. Ubeltmit, Erbrechen oder Dutch]all nicht beob- achtet.

Eine 0bersicht fiber die zu enteralen Immunisierungsver- suchen herangezogenen Impfstolfe br ingt Tabelle 4.

Tabelle 4. l ~be r s i ch t fiber d i e z u r o r a l e n I m m u n i s i e r u n g v e r w a n d t e n R u h r i m p f s t o f f e .

, j

II Zusammenset~ung Bezeich- ] . . . . . . . . I nungdesti Endotoxgne I i T o x i n

Impf- II . . . . . . . . . (Gift- stories Shiga- Flexner Flexner Flexner Flexner Kruse- Schn 'tz To- xo id

I t~u ~t * 1 ~ c * t m* I ~ t s~176 "' i ~ i ~ l

+ - ++ + J - - i ? ? ++ + ; § -

M + + + ? - - ~ ? * Bac. Flexner im engeren Shin. ** Bac. His-RusseL

Bemerkungen: K Shiga-Kruse-Anteil als Bouillon-Kultur, die iibrigen Anteile als Bakterienabschwmnmung verarbeitet; L nut Bakterienabschwemmungen; M nut Bouillon-Kulturen.

Sehr beachtlich sind die bei der peroralen Schutzbehand- lung mit Ruhrimpfstoffen erzielten Agglutinatior~stiter sowohl gegentiber der Flexner-Gruppe als auch gegenfiber Kruse- Sonne- und Shiga-Kruse-13acillen. Durchsctmitflich die besten Titerwerte gegenfiber diesen 3 Gruppen wurden mit der Yer- abreichung der Ruhrimpfstofftabletten L erzielt. Vor allem best/itigen diese Ergebnisse, daB durch die orale Verabreichung yon abgetSteten Ruhrkulturen ein immerhin recht beachtlicher Immunisierungseffekt erreich~ werden kann. 13eztiglich der Einzelheiten verweisen wir auf Tabelle 5,

692 ERNST und PORTIUS, Ffinftage-Fieber. Klinische Wochenschri i t

Tabetle 5. A n t e i l der I m p i l i n g e m i t p o s i t i v e r G r u b e r - W i d a l - R e a k t i o n n a c h d r e i m a l i g e r o ra l e r S c h u t z -

i m p i u l l g . (ImpfintervMl: 2 4 Stunden.)

Impfstoff

Agglutinint i ter gegen ] . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IAnzahl der aus-

I1 ~, ~ Kruse-Sonne- Shiga-Kruse- ! ~ewerteten ~iexner-L, ruppe . . Bamllen Baclllen ]Versuchspersonen

% % % l H tl I o o o I O 2 0

I 94 11,7 23,5 17 K 1 2 , 5 O O 8 L 86,6 53,3 73,3 15 M 83,3 i i , i 88,8 i8

Von besonderem Interesse war die Elltscheidung der Frage ob sich durch die perorale Verabreichung yon RuhrimpfstoffeI1 auch eine antitoxisehe Immunitat gegen Shiga-I(ruse-Bacitten hervorrufen l~tl3t. ]3ei drei der geprfiften Impfstoife wurde das Auftreten einer solchen Immuni t~ t nach stomachaler Ein- verleibung festgestellt, und zwar handelt es sich um die Ta- blettenimpfstoffe H, K und M (s. Tabelle 6). Es wird die Auf- gabe inzwischen eingeleiteter weiterer Versuche sein, die Gesetz- mgBigkeit dieser ]3efunde zu best~tigen und dann durch Modi- fikation des Impfstoffes die Zahl der positiven Ergebnisse zu steigern.

Tabelle 6. A n t e i t der I m p f l i n g e mi t d e u t l i c h e r A n t i - t o x i n b i l d u n g gegen S h i g a - I K r u s e - B a c i l l e n n a c h d re i -

m a l i g e r o ra l e r I m p f u n g . (Impfintervall: 24 Stunden.)

} Anti toxint i ter gegen tmpfstoff il Shlga-Kruse-Bacillen Anzahlgewertetender aus-

!; % Versuchspersoncn

{ } H o 5, 2 2 , 6 1 9 3 9

I o 12 K ] ~o lo L ] o ~o M 8,3 ~

V. Schlufl]olgerungen. Aus den mitgeteilten Versuchsergebnissen ziehen wir h)l-

gende Schliisse : I. Die Herstellung wirksamer und in ihrer Impfreaktion

tragbarer Impfstoffe zur subcutallell und peroralen Massen- immunisierung gegen die gi]tarmen Stdmme der 2'lexner-Ruhr- bacillengmeppe muB, soweit die Auswertung der spezifischell Agglutinine einell RfickschluB auf die erzielte Immunit~t ge- stattet , aIs gel6st betrachtet werden.

Dabei dfirfte die bisher zu erzielende ungenfigende hl lmuni- sierung gegen Kruse-Sonne-Ruhrbacillen wahrscheinlich ver- bessert werden k6nnell, welln fiir die Herstellung dieser Quote besonders ausgew~thlte Bacillenst~tmme benfitzt werden, (lie auf Grund ihrer VVuchsform und ihrer serologischen und son- stigen Eigenschaften h6here antigene Wirksamkeit erwarten lassen.

Eine Imptstotfquote auch gegen Sehmitz-Bacillen wird Ifir nicht dringend notwendig gehalten, da Ruhrerkrankungen, die yon dieser Gruppe ,con Ruhrbacillen ausgeI6st wurden, im Verlauf dieses Krieges bisher nicht bekannt geworden sind. Der bisherige Anteil an Schmitz-Ruhrbacillen im Impfstoff k6nnte deshalb zugunsten der Verst~Lrkung der Quote gegen die Flexner-'Ruhrbacillen-Gruppe und gegen die Kruse-Sonne- Ruhrbacillen aufgegebell werden.

2. Bei der Herstellung eines in d~r auftretenden Impfreak- tioll tragbaren Impfstoffes zur subcutanell Massenimmunisie- rung gegen die Shiga-Kr, tse-Ruhrbacitlen bestehen heute noch Schwierigkeiten. Zwar konnte mit einem Teil der geprfiften Impfstoffe eine befriedigende durchschnittliche Immunit~tt gegen das Endotoxin dieser St/imme hervorgerufen werden. Dagegen betrug der AnteiI der Impflinge, die eillen ausrei- chenden Schutz gegen das Toxin der Shiga-I~use-Bacitlen erwarben, selbst im gfinstigsten Falle llur knapp 4 ~ %.

Am wirksamsten hat sich auf Grund der Auswertung des Antitoxinti ters der Shiga-I~ruse-Toxoid und -Toxin (Gift- spitze) in gebundenem Zustand enthaltende ETA-RuhrimpI-

stoff A erwiesen, der auBerdem auch eine gute ImmunitAt gegell Shiga-Kruse-Endotoxin und gegen die Baeillen der Flexner-Gruppe erzeugte. Eine deutliche, wenn auch gerin- gere Antitoxillbildung bewirkten die l~uhrimpfstoffe t3, C und G, die gleichfalls a]s Antigen Shiga-Kruse-Toxoid ent- hielten, a]lerdings in nicht gebundener Form und daher in zu knapper Dosierung.

3. Wahrscheinlich hat ffir die Erzielung eines wirksamen. Schutzes gegen Ruhrbacillen der zeitliche Abstand zwisvhen den lmp]ungen eine gewisse ]3edeutullg. Er sollte mindestens 8 Tage, besser 3 Wochen betragen.

4. Durch eine Wiederholungsimp]ung, sog. , ,Injection de rappel" diirfte eine sehr beachtliche Steigerung der Immuni- t~tt, jedenfalls des Antitoxintiters, vielleicht auch des Agglu- t ininti ters zu erreichen sein.

5. Zur Erzielullg eines ausreichenden Schutzes gegen die h~ufigsten Ruhrerreger kommt nur ein polyvalenter Imp/sto]] in Frage, der wirksame Anteile zur Erzielung einer Immunit~t

a) gegen den zwei verschiedene Gifte (Endotoxin + Toxill) bildellden Typus der Ruhrbacillen, den Shiga-Kruse-Bacillus,

b) gegen die ,,giftarmen", nu r Endotoxille bildenden Typen der Ruhrbacillen, und zwar ~. gegen verschiedene Rassen der Flexner-Gruppe (A, D, H. u.a.) und 2. gegen den Kruse- Sonne-]3acitlus enthaltell muB.

6. Die orale lmmunisierung gegen ]3acillenruhr, deren Vorteil gegentiber der subcutanen Applikation besonders im Hinblick auf die heute notwendigen wiederholten Schutz- impfungell in der gr6Beren Reizlosigkeit, ja v611igen Unsch/id- lichkeit nnd in der bequemeren Anwendungsweise liegt, ver- dient nach den vorliegenden Versuchsergebnissen gr6Bte Auf- merksamkeit. Ihr Ausbau sollte unbedingt gef6rdert werden, da schon heute bei der Auswahl geeigneter Bacillenstgmme der im ~Blntserum erzielte Agglutinintiter gegenfiber den gift- armen Ruhrbacillen dem Ergebnis bei subcutaner Schutz- impfung mit flfissigen Impfstoffell nicht wesentlich nachsteht. Es scheint weiter nicht ausgeschlossen zu sein, dab auf diesem Weg auch eine antitoxische Immuni t~t gegen Shiga-Kruse- ]3acillen bei entsprechender Zusammellsetzung des Impfstoffes erzielt werden kann.

7. Auch eine Kombb~ation yon subcutaner und peroraler Schutzbetm~lung dfirfte aussichtsreich sein. Hierbei w~re durch subcutane Immunisierung eine Grundimmunitat zu er- zeugen und dutch orale Nachimpfung sparer zu einem m6g- lichst hochwertigen lmp]schutz auszugestaltell.

L i t e r a t u r : ~ R. P R I G G E , ]Klin. W'schr. x94 o I, 337 --" Kongref3 f. inn. Med. 5 z, t39 (t94 o) -- Z. Hyg. I24, 2II (1942). -- ~ it{. PRIGG~ U. L. KmKSCH, Z. Immun.forsch. 10I, 369 0942). -- 3 SYLV]~S'rER, t-21in. Wschr. I94x II, 929.

N E U R O L O G I S C H E B E O B A C H T U N G E N BEI W O L H Y N I S C H E M (FO NFT AG E -) F I E B E R .

V o n

I ( O N I t A D E R N S T u n d W A L T E R P O R T I U S , Beratender Psychiater. Neurologe an cinem Fcldlazarc t t

einer Panzerarmee.

Zu derselben Zeit, als I942 auf inneren Abteilungell unseres Abschnittes wie im letzten Weltkrieg Kranke mit Wolhynischem (Fiinftage-) Fieber in Behalldlung standen, erschienen auf unserer Nervenstation Mi~nner, die uns wegen verschiedellartiger St6rungell zugeschickt wurdell: wegen un- ldaren Kopfwehs, wegen Supraorbita]- und Occipitalneuralgien, Paresen und Sensibilit~tsst6rungen oder ullter der Vermutung einer lleurologischen Erkrankung: eiller mult iplen Sklerose, Tabes, Encephalitis, Myelitis, Poliomyelitis, einer cerebellaren Ataxie, Epilepsie, einer Psychose, eines llerv6sell Ersch6p- fungszustalldes oder ,,Zusammenbruchs", einer Neurasthenie, Neurose oder yon Simulation. Gelegentlich kamen Krallke, die zuerst mit Verdacht auf vegetative Dystonie, Ulcus ven~iculi oder duodeni, Pneumonie, Malaria, auf Cystitis, Nephritis, Nephrolithiasis zur inneren oder chirurgischen, wegen Tonsillitis oder Sinuitis frontalis zur Hals-Nasen- Ohren-Abteilung, wegen-Sehst6rullgen oder Lichtiiberemp-