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27. MAI x939 KLINISCHE WOCHENSCH konnten wit nut in 2 F~illen nachweisen. Einmal erhielten wir trotz des Vorhandenseins einer groBen Menge deutlich f~rbbarer Chorionzotten negative Reaktion, ein andermal wieder waren die Chorionzotten schon abgestorben, die Reaktion aber dennoch positiv geblieben. Das widersprechende Ergebnis i~l diesen beiden F~illen dart aber unseres Erachtens den erlaubten Fehlern der Reaktion zugeschrieben werden. Ant Grund nnserer Beobachtungen glauben wir demnach sagen zu dfirfen, daft die J~iedmanse!~e Seh~vangerseh~t[ts- reaktion innerhalb de~" Grenzen ihrer Verld~fllicMceit in ~i~llen yon, chronisch vertaufender Esch. ]e nach dem Zustand der be- ]ruchteten Eizetle positiv oder negativ aus/dttt. 1)er Wert der Friedmanschen Schwangerschaftsreaktion bet Esch. wird aber nicht bloB durch das VerhMten der bisher beschriebenen verschiedeuen Gruppen beleuchtet. Es sind hier natfirlich such jene Fg!le zu besprechen; in denen infolge der Vorgeschichte nnd des klinischen ]3efundes an eine ;gsch. gedaeht werden kann, die Friec!mansche Reaktion .jedoch wesentlich dazu beitr~gt, den w ahren Sachverhalt aufzu- decken. Vdir konnten IO6 F~lte beobachten, bet denen Zu- n~chst der Verdacht ant Esch. ,ernstlich in Erw~ghng gezogen werden muBte, die Friedmansel~e .Reaktion jedoch negativ ausgefallen war; aber die Laboratoriumsbefunde und der weitere Verlauf zeigten, dab es sieh nicht um Esch. handelte. Unter diesen zo6 F~llen wurde --,aus anderer Ursache -- 7mal die Laparotomie ausgeffihr~t; der an den/ durch die Operation gewonnenen Pr~paraten erhobene Befund stimrnte in jedem FalIe mit der negativen Friedmanschen Reaktion fiberein, in den fibrigenF~l!en wnrde der negative AusfalI der Reaktion durch den klinischen Verlauf usw. best~figt. Rein theoretisch k6nnte man sich vorstellen, dab sich unter den fibrigen 99 Kranken etwa ebenfalls einige F~ile. yon Esch. befanden, die volls~ndJge Heilung dieser Kranken zeigte jedoch, dal3 das ~rztliche.Handeln. auch in diesen wenigen F~llen dutch die negative Reaktion in die Tichtigen Wege geleitet worden war. Bet dem Verdaeht auf Each stellt demnach such die negative Friedmansehe Reaktion ein u~ichtiges diagno- stisches Zeichen dar, sobald sich auf G)'~znd der klinischen und der anderen Laboratoriumsbef.Unde -- in Anbetracht der nega- riven Reaktion -- die Esch. aussehliefien ldflt bzw. die richtige Behandlung eingeteitet worden war, SchlieBlich sind noch jene F~lle zu erw~hnen, in denen ~n der Hand der Vorgesehichte nnd des klinische~! Befundes der Verdacht auf Esch: besteht und' die positive Friedmansehe Reaktion diesen zu bekrfiftigen scheint, Wir konnten ins- gesamt 5 dera~tige F~lle beobachten. 3mal handette es sich um einseitigen Adnextumor bei inkomplettem Ab0rtus, z real um einen ~hnlichen entzfindlichen: Adnexprozefi, bet einer jungen intrauterinen Schwangersehaft. Das Ergebm~s der Friedmanschen Reaktion stimmte.also in diesen 4 F~llen mit den Vorg~ngen in dem betreffenden Organismus fiberein; die Esch. konnte hier dutch die anderen klinischen und Laboratoriumsuntersuchungen ausgesrhlossen werden Im 5. FM1 wurde auf Grund des Verdachtes und derpositiven Friedmanschen Reaktion znr Laparotoraie geschritten, wobei sich ein einseitiger, subaknter Adnexpmzeg. vorfand; hier hat.re sich demnach die Reaktion als unrichtig erwiesem AUS diesen 5 Fi~llen ist. zu sehen, daft mitunter aueh das Uberein- stimmen der:F'riedmanschen Reaktion mit dem ktinischen Be- fund und der Vorgeschivhte nleht geniiu2en, um die: Diagnose der Each, aufzustetten. ~Daneben di~rfen die i~brigen Unter- suehungsver]ahren -- wie qualitatives und quantitatives Blut- bild, ffgirbeindex, Senkungsgesehwindigkeit usw~ -- sowie die genaueste lclinisehe Beobachtung .der Kranken nicht vernaeh- Idssigt werden; faltsweise wird :re,an such die Probepunktion oder die histoIogische Untersuchung des Gebgrm~ttterinhaltes auszufi~hren haben. Zusammenfassung : A uf Grund eige~,er Beobachtungen sehreiben die Verfasser der ~riedmanschen S~hwanqerschafts- reaction folgenden dia#nostischen Weft zu:~.tn :alkuten F~illen yon Extrauterinschwangerseha]t kommt dieser Rec~ktion keine Bedeutung zu. Sie hat nut i~a unversehrten bzw. lit _~dlten mit chronischem Verlau] und dann diagnostisehen Weft, wen~'eine etwaige ExtrauterinschWangerschaft auszusehlieflen : ist. Das Er- RIFT. 18. JAHRGANG. Nr. 2z 749 gebnis der Reaktion dart abet such in derartigen Fdlten blofl als eines der wichtigen diagnostischen Zeichen.angesprochen werden ; daneben sind die i'tbrigen klinischen un@: Laboratoriumsunter- suchungen unerldfllich, um die richtige Diagnose stellen zu k6nnen. Li t e r a t u r: FORTO, Riv. ital. Ginec. 15, 254 (I 933). -- GtA~ELLA, Schweiz. reed. Wsehr. ~933, 544. GYULAI, Magy. N6orv. Lapja z, 311 (I938). -- tlAUPTST~IN, Zbl. Gyn~k. 55, I67o (I93I). -- HIRSCH- HOFFMANN, Kiln. Wschr, I932 , i791. --- KOVATS, OrVosk'~pzds 22, 236 (1932); 24, I49 (t934). -- MORtLLO, Z. Geburtsh. Izo; 18 (1935). RUN'GE, Zbl. Gyn~k. 56, 2862 (t932). -- WLADIKA, Zbl. Gyn~k. 55, z43 (I93I) . ZONDEK, Die Hormone des Ovariums usw. Berlin: Julius Springer I93I. KNOCHENBROCHE BEI CARDIAZOLKRAMPF- BEHANDLUNG DER SCHIZOPHRENIE UND IHRE VERHOTUNG. Von THEODOR and VICTOR ~TRUPPLER, Assiszenzen der Kliniken. Aus dez" Universit~its~Nervenklinik Mtinchen (Letter: Geh.-Rat BUMKE) und aus tier Chirurgischen Updversitatsklinik Mtincheal (Leiter: Prof. Dr. GEORG MAGNUS). (Eingegangen am x8. II. I939.) Bereits in den ersten Tagen nach Einffihrung der Cardia- zolbehandlung der Schizophrenie in unserer I~21inik ereignefe sich als Zwischenfall eine SchenkelhMsfraktnr. Kurz vorh er war ein Kranker aus der Hell- and Pflegeanstalt Eg]fing-Haar mit dem Befund einer Schenkelhalsfraktu• zuverlegt worden, die ebenfalls im Cardiazolkrampfanfall entstanden war, Er soltte bet uns w/ihrend seiner chirnrgischen ]3ehandlung ver- wahrt werden. Da bet beiden Kranken ~rgendwelche interkurrenten Zwischeuf~Jle als Ursache nicht in lVrage kamen, rout]ten die Frakturen als Folge der Cardiazolkrampfbehandlung auf- gefaBt werden. Die Bereehtigung dieser Annahme soll-die Schilderung eines Krampfes zeigen. Sie ghneln in ihrem ganzen Ablaut weitgehend den epileptischen Anf~llen, unterscheideti~sich yon diesen abet zweifellos durch einen viel Ioudroyan~eren Ablaut. Wir h6ren such bM einem epHepfischen AnfalLnie- rams yon Frakturen, nur ganz vereinzelt wird yon Luxati~nen berichtet. Der Cardiazolkrampf verlXuft folgendermagen: Gleich nach der Injektion wird das Gesicht des Kranken blaB. Nach ether Latehzzeit yon 9 85 sec beginnt der Anfall mit kloni- schen Zuckungen, die dann sehr bald in den tonischen Nrampf fiber- gehen. Der K6rper erstarrt und der Kranke vollffihrt mit den Extre- mit~ten unkoordinierte Bewegungen. P16fzlich: sink~ d'er Ober- k6rper zurfick, da sich der K6rper dutch das Uberwiegen der Strecker in der tonisehen Phase fiberstreckt. Der Mund 6finer sieh ffir ungef~hr IO sec. -Nach L6sung des Starrkrampfes beginnen kloni- sche Kr~mpfe, die h~ufig yon spontanem Urinabgang begleitet stud. Die Pupillen sind welt und lichtstarr. Nach dem Anfall schl~ift der Kranke. Der Krampf dauert 35--8o sec. Die Krampfdosis betragt 4,5--5 ccm Ioproz. Cardiazol, das rasch intraven6s in]iziert werden mug. Wahrend des Krampfes ist die Muskulatur bretthart gespannt und kann.auch mit XuBerster Kraft nicht eingedellt werden . Der Streckkrampf tritt nfit so elementarer Wucht auf, dab wit hAufig bet seinem Eintritt krachende bzw. knallende Ger~usche in den Ge- Ienken der Kranken h6ren konnten. M~DU~'~ selbst, der Begrfinder der Cardiazolkrampf- therapie, berichtet, dab er in I~4 % der F~lle Frakturen in Erfahrung gebracht habe, sich aber diesem Ph~nomen gegen- fiber vor einem RXtsel befinde. 13is zu Beginn des Jahres I938 seien ihm bet ~ 472 mit Cardiazol behandelten F~llen 7 Schen- kelbrfiche mitgeteilt worden. STXHLI und t~RINt~R erw~hnen als Komplikationen Kiefer- und Schultergelenksluxationen und in der tonischen Phase FraMuren der Scapula. BRo~GI hat an Zwisehenf~llen bet z70 mit 2ooo Anf/itlen behandelten Kranken 2 Schulter- und !o Kieferluxationen gesehen, die leicht reponiert werden konnten. [n der erst kfirzlieh ver6ffentlichten Literatur ~4rd yon 23 Frakturen berichtet, zu denen noch unsere beiden F~lle kommen, also im ganzen 25: Klinische Wochenschfift, z8. Jahrg. 53

Knochenbrüche bei Cardiazolkrampf-Behandlung der Schizophrenie und Ihre Verhütung

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Page 1: Knochenbrüche bei Cardiazolkrampf-Behandlung der Schizophrenie und Ihre Verhütung

27. MAI x939 K L I N I S C H E W O C H E N S C H

konnten wit nut in 2 F~illen nachweisen. Einmal erhielten wir trotz des Vorhandenseins einer groBen Menge deutlich f~rbbarer Chorionzotten negative Reaktion, ein andermal wieder waren die Chorionzotten schon abgestorben, die Reaktion aber dennoch positiv geblieben. Das widersprechende Ergebnis i~l diesen beiden F~illen dart aber unseres Erachtens den erlaubten Fehlern der Reaktion zugeschrieben werden. Ant Grund nnserer Beobachtungen glauben wir demnach sagen zu dfirfen, daft die J~iedmanse!~e Seh~vangerseh~t[ts- reaktion innerhalb de~" Grenzen ihrer Verld~fllicMceit in ~i~llen yon, chronisch vertaufender Esch. ]e nach dem Zustand der be- ]ruchteten Eizetle positiv oder negativ aus/dttt.

1)er W e r t der Fr iedmanschen Schwangerschaf ts reakt ion bet Esch. wird aber n icht bloB durch das VerhMten der bisher beschriebenen ve r sch iedeuen Gruppen beleuchtet . Es sind hier natf i r l ich s u c h jene Fg!le zu besprechen; in denen infolge der Vorgeschichte nnd des kl inischen ]3efundes an eine ;gsch. gedaeh t werden kann, die Friec!mansche Reak t ion . j edoch wesent l ich dazu beitr~gt , den w ahren Sachverha l t aufzu- decken. Vdir konn ten IO6 F~l te b e o b a c h t e n , bet denen Zu- n~chst der Verdach t an t Esch. ,ernstlich in Erw~ghng gezogen werden muBte, die Friedmansel~e .Reak t ion jedoch nega t iv ausgefal len war ; aber die Labora to r iumsbefunde und der wei tere Ver lauf zeigten, dab e s sieh n ich t um Esch. handel te . U n t e r diesen zo6 F~llen w u r d e - - , a u s anderer Ursache - - 7 m a l die Laparo tomie ausgeffihr~t; de r a n den/ durch die Opera t ion gewonnenen Pr~para ten erhobene Befund s t imrnte in j edem FalIe m i t der nega t iven Fr iedmanschen Reak t ion fiberein, in den f i b r i g e n F ~ l ! e n wnrde der nega t ive AusfalI der Reak t ion durch den klinischen Verlauf usw. best~figt . Re in theore t i sch k6nnte m a n sich vors te l l en , dab sich unter den fibrigen 99 K r a n k e n e twa ebenfalls einige F~ile. yon Esch. befanden, die vo l l s~ndJge Hei lung dieser Kranken zeigte jedoch, dal3 das ~rz t l i che .Hande ln . auch in diesen wenigen F~llen du tch die nega t ive R e a k t i o n in die Tichtigen Wege gelei te t worden war. Bet dem Verdaeht auf Each stellt demnach such die negative Friedmansehe Reaktion ein u~ichtiges diagno- stisches Zeichen dar, sobald sich auf G)'~znd der klinischen und der anderen Laboratoriumsbef.Unde - - in Anbetracht der nega- riven Reaktion - - die Esch. aussehliefien ldflt bzw. die richtige Behandlung eingeteitet worden war,

SchlieBlich sind noch jene F~lle zu erw~hnen, in denen ~n der H a n d der Vorgesehichte nnd des klinische~! Befundes der Verdach t auf Esch: bes teh t und' die posi t ive Fr iedmansehe Reak t ion diesen zu bekrfif t igen scheint , Wir konnten ins- gesamt 5 dera~tige F~lle beobachten . 3mal handet te es sich um einsei t igen A d n e x t u m o r bei i nkomple t t em Ab0rtus , z real u m einen ~hnlichen entzfindlichen: Adnexprozef i , bet einer jungen in t r au te r inen Schwange r seha f t . Das Ergebm~s der F r i edmanschen Reak t ion s t immte .a l so in diesen 4 F~llen m i t den Vorg~ngen in d e m bet ref fenden Organismus f i b e r e i n ; die Esch. konnte hier du t ch die anderen kl inischen und Labora to r iumsun te r suchungen ausgesrhlossen werden I m 5. FM1 wurde auf Grund des Verdachtes und d e r p o s i t i v e n F r i e d m a n s c h e n Reak t ion znr Laparotora ie geschri t ten, wobei sich ein einseitiger, s u b a k n t e r A d n e x p m z e g . vo r fand ; hier hat.re sich demnach die Reak t ion als unr icht ig erwiesem AUS diesen 5 Fi~llen ist. zu sehen, daft mitunter aueh das Uberein- stimmen der:F'riedmanschen Reaktion mit dem ktinischen Be- fund und der Vorgeschivhte nleht geniiu2en, um die: Diagnose der Each, aufzustetten. ~Daneben di~rfen die i~brigen Unter- suehungsver]ahren - - wie qualitatives und quantitatives Blut- bild, ffgirbeindex, Senkungsgesehwindigkeit usw~ - - sowie die genaueste lclinisehe Beobachtung .der Kranken nicht vernaeh- Idssigt werden; faltsweise wird :re,an such die Probepunktion oder die histoIogische Untersuchung des Gebgrm~ttterinhaltes auszufi~hren haben.

Zusammenfassung : A uf Grund eige~,er Beobachtungen sehreiben die Verfasser der ~riedmanschen S~hwanqerschafts- reaction folgenden dia#nostischen Weft zu:~.tn :alkuten F~illen yon Extrauterinschwangerseha]t kommt dieser Rec~ktion keine Bedeutung zu. Sie hat nut i~a unversehrten bzw. lit _~dlten mit chronischem Verlau] und dann diagnostisehen Weft, wen~'eine etwaige ExtrauterinschWangerschaft auszusehlieflen : ist. Das Er-

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gebnis der Reaktion dart abet such in derartigen Fdlten blofl als eines der wichtigen diagnostischen Zeichen.angesprochen werden ; daneben sind die i'tbrigen klinischen un@: Laboratoriumsunter- suchungen unerldfllich, um die richtige Diagnose stellen zu k6nnen.

Li t e r a t u r: FORTO, Riv. ital. Ginec. 15, 254 (I 933). - - GtA~ELLA, Schweiz. reed. Wsehr. ~933, 544. GYULAI, Magy. N6orv. Lapja z, 311 (I938). -- tlAUPTST~IN, Zbl. Gyn~k. 55, I67o (I93I). -- HIRSCH- HOFFMANN, K i ln . W s c h r , I 9 3 2 , i 791 . --- KOVATS, OrVosk'~pzds 22, 236 (1932); 24, I49 (t934). - - MORtLLO, Z. Geburtsh. Izo; 18 (1935).

RUN'GE, Zbl. Gyn~k. 56, 2862 (t932). - - W L A D I K A , Zbl. Gyn~k. 55, z43 (I93I) . ZONDEK, Die Hormone des Ovariums usw. Berlin: Julius Springer I93I.

KNOCHENBROCHE BEI CARDIAZOLKRAMPF- BEHANDLUNG DER SCHIZOPHRENIE

UND IHRE VERHOTUNG. V o n

THEODOR and V I C T O R ~ T R U P P L E R , Assiszenzen der Kliniken.

Aus dez" Universit~its~Nervenklinik Mtinchen (Letter: Geh.-Rat BUMKE) und aus tier Chirurgischen Updversitatsklinik Mtincheal (Leiter: Prof. Dr. GEORG MAGNUS).

(Eingegangen am x8. II . I939.)

Berei ts in den ers ten Tagen nach Einff ihrung der Cardia- zolbehandlung der Schizophrenie in unserer I~21inik ere ignefe sich als Zwischenfall eine SchenkelhMsfraktnr . K u r z vorh er war ein Kranke r aus der Hel l - and Pf legeans ta l t Eg]f ing-Haar mi t dem Befund einer Schenkelhalsfraktu• zuver legt worden, die ebenfalls im Cardiazolkrampfanfa l l en t s tanden war, E r soltte bet uns w/ihrend seiner chirnrgischen ]3ehandlung ver - wah r t werden.

Da bet beiden Kranken ~rgendwelche in te rkur ren ten Zwischeuf~J le als Ursache nicht in lVrage kamen, rout]ten die F r a k t u r e n als Folge der C a r d i a z o l k r a m p f b e h a n d l u n g auf- gefaBt werden.

Die Bereeht igung dieser A n n a h m e so l l -d i e Schi lderung eines Krampfes zeigen. Sie ghneln in ihrem ganzen Ablau t wei tgehend den epi lept ischen Anf~llen, un t e r sche ide t i~s i ch yon diesen abe t zweifellos durch einen vie l Ioudroyan~eren Ablaut. Wir h6ren such bM einem epHepfischen Anfa lLnie- rams yon F rak tu ren , nur ganz ve re inze l t wird yon Luxa t i~nen ber ich te t .

Der Card iazo lkrampf verlXuft fo lgendermagen : Gleich nach der Injektion wird das Gesicht des Kranken blaB.

Nach ether Latehzzeit yon 9 85 sec beginnt der Anfall mit kloni- schen Zuckungen, die dann sehr bald in den tonischen Nrampf fiber- gehen. Der K6rper erstarrt und der Kranke vollffihrt mit den Extre- mit~ten unkoordinierte Bewegungen. P16fzlich: sink~ d'er Ober- k6rper zurfick, da sich der K6rper dutch das Uberwiegen der Strecker in der tonisehen Phase fiberstreckt. Der Mund 6finer sieh ffir ungef~hr IO sec. -Nach L6sung des Starrkrampfes beginnen kloni- sche Kr~mpfe, die h~ufig yon spontanem Urinabgang begleitet stud. Die Pupillen sind welt und lichtstarr. Nach dem Anfall schl~ift der Kranke. Der Krampf dauert 35--8o sec. Die Krampfdosis betragt 4,5--5 ccm Ioproz. Cardiazol, das rasch intraven6s in]iziert werden mug.

Wahrend des Krampfes ist die Muskulatur bretthart gespannt und kann.auch mit XuBerster Kraft nicht eingedellt werden . Der Streckkrampf tr i t t nfit so elementarer Wucht auf, dab wit hAufig bet seinem Eintr i t t krachende bzw. knallende Ger~usche in den Ge- Ienken der Kranken h6ren konnten.

M~DU~'~ selbst, der Begrfinder de r Cardiazolkrampf- therapie , ber ichte t , dab er in I~4 % der F~lle F r a k t u r e n in E r f a h r u n g gebrach t habe, sich aber diesem Ph~nomen gegen- fiber vor e inem RXtsel befinde. 13is zu Beginn des Jahres I938 seien i h m bet ~ 472 mi t Cardiazol behandel ten F~llen 7 Schen- kelbrfiche mi tge te i l t worden.

STXHLI und t~RINt~R erw~hnen als Kompl ika t ionen Kiefer- und Schu l t e rge lenks luxa t ionen und in der tonischen Phase F r a M u r e n der Scapula.

BRo~GI h a t an Zwisehenf~llen bet z70 m i t 2ooo Anf/itlen behande l ten Kranken 2 Schul ter- und !o Kiefer luxa t ionen gesehen, die le icht reponie r t werden konnten.

[n der ers t kfirzlieh ver6ffent l ich ten L i t e ra tu r ~4rd yon 23 F r a k t u r e n ber ichtet , zu denen noch unsere beiden F~lle kommen, also im ganzen 25:

Klinische Wochenschfift, z8. Jahrg. 53

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12 Oberschenkelfrakturen, davon io sichere mediale Schellkelhalsfrakturen, bei 2 keine weiteren Angaben. Ill 2 Fallen handelte es sich urn eille doppelseitige Fraktur (NYBERG, JANZEN, BLUMENTtlAL, CSAJAGHY und MEZEI, DELGADO, DOMBROWSKI, NIGHTINGALE, BOTELHO, SATTA, STRUPPLI~R).

I Beckenfraktur im Bereich der H~ftgelenkspfallne (NY~ERG).

70berarmfraktnren, davoll I doppelseitig und 4 mit Luxationen (KEAuSS, BECKER, DOMBROWSKI).

3 Frakturen der Scapula, davon I doppelseitig (BAEZ- FINOL, STAHLI und BRINER).

I Schtfisselbeinfraktur (GILLNIANN). I Wirbelfraktur (WEsPt), desgleichen I i m Insulinkrampf

(FRoMME). Sollen diese Verletzungen dem Cardiazol alleill zur Last

gelegt werden, so ist die erste Bedingung, dab begiinstigende Momente, die durch Verallderungell des Muskel-oder Knochen- systems verursacht sind, ausgeschlossen werden k611nen.

Es liegt natfirlich nahe, als Ursache der Zwischenf~tlle eille Atrophie der Nnochen anzunehmen, da eille ganze 1Reihe Schizophrene r h~ufig bettl~tgerig oder wenigstells k6rperlich wenig tS.tig ist. Bei vielell besteht vielleicht auch die M6g- lichkeit rol l Avitamillosell dutch ungfinstige Erll~hrullg.

Die Muskulatur dfirfte als begiinstigend wohl llur bei eiller besollders kr~ftigen EntwieMung ill Frage kommen. Null gilt abet als die klassische Kollstitutionsform der Schizo- phrenie gerade allgemein die wenig muskul6se asthenisch- lepfos0me, es sei denn, es handle sich um andere Konstitutions- typen.

Weiterhin ware es m6glich, dab 5.1tere Leute mit ihren weniger elastischen Knochen leichter zu Frakturen neigen.

Nach diesen 3 Richtullgen ist also die Li teratur zu nnter- suchen.

Bei 3 Fiillen hat die r6ntgeilologische Untersuchung Ver- ~nderungen am Knochen ergeben. Bei einem Krankell hatte eine Pagetsche Erkrallkung vorgelegen, bei eillem Krallken mit einer Oberarmfraktur stand die r6ntgenologische Diagnose nicht lest, sicher war nur eine Atrophie. Ebenso handelte es sich bei der Beckellfraktllr hm ein atrophisches Kiloehellsystem bei einem schon seit Jahrell bettl~gerigell ~lteren Mann.

Dallach bleiben abet immer noch 22 F~lle, unter denen yon 7 Krankell ausdrficklich vermerkt wird, dab die Knochell- s truktur r6ntgenologisch intakt gewesen sei. Es weist also sicher ein grol3er Tell ein r6utgenologisch einwandfreies Knochellsystem auf.

l~ber die Beschaffenheit der Muskulatur werden wenig Angaben gemacht. Nur 2mal wird ausdrficklich yon einer besonders kraftigen gesprochen. In mehreren anderen FAllen wird als auffallelld yon einer nur mal3ig oder gar schwach entwickelten beriehtet. Eine Tatsache, die anscheillend allen Autoreu als geradezu paradox erschiellell ist.

Soweit Angaben fiber das Alter der Krankell vorliegen, handelte es sich bei den yon den Zwischenf~llen Betroffenen um solche im Alter yon 34--54 Jahren. Ein 23j~hriger wies den obenerw~hnten unklaren R6ntgenbefund auf. Berfick- sichtigen wir, dab der Shock- bzw. Krampfbehandlullg vor- wiegend frische F~lle zugeffihrt werden und dab dies ganz fiberwiegend Kranke in den 2oer Jahren sind, so glauben wir daraus schlieBen zu dtirfen, dab nicht mehr ganz ]unge eher zu solehen Verletzungell lleigen. Derartigen Anforderungen, wie sie der Cardiazolkrampfanfall all das Skeletsystem zu stellen pflegt, seheillt das ihre weniger gewachsen zu sein, auch wenll es rSntgenologisch lloch als durchaus ill takt all- geseheI1 werden muB.

Nach diesem Ergebllis mfil3tell danll folgerichtig alle Kranken mit atrophischen Kllochen, wie wit ale llach jahre- langer Bettl~tgerigkeit beobachten, yon der Krampttherapie ausgeschlossell werden. Bei alteren t(ranken ist also immer Vorsicht gebotell. Von jellen 3 Fallell abgesehen, die r6ntgeno- logisch llachweisbare Knochenveranderungen aufgewiesen haben, waren bei alien anderell Kranken die Befunde derart, dab wit die Verletzungen der Heftigkeit des Cardiazolkrampf- anfalls selbst zur Last legen mfissell.

Die Cardiazoltherapie ist aber auBerordentlich ver- breitet und hat bei der Behandlung der Schizophrenie, die lloch bis vor wenigen ]ahrell kein aktives Eingreifen gekannt hat, sch6ne Erfolge gezeitigt. Sie bildet eine wichtige Er- g~llzung der Insutinbehandlung der Sehizophrenie in der sog. Summatiollstherapie. Diese Kombination wird in vielen Klilliken wie auch in der unseren durchgeffihrt. Denn viele schizophrene Prozesse pflegen auf die Insulinkur allein nicht anzuspreehen, wohl aber auf eine zus~tzliche Krampfbehand- lung. Wir selbst m6ehten auf diese Behandlungsart nicht mehr verzichten. Vorerst kennell w;r keillen anderen Weg der Einwirkung auf die Schizophrenie als tiber den Insulin- shock bzw. den kfinstlich erzeugten epileptisehen Anfall. Bis je tz t haben sich die Hoffnungen MEDUNAS noch nicht erffillt, dab es nach illtensivem Studium nicht mehr n6tig sein werde, die zur Sehizophrellie ffihrenden Vorg~nge mit Gewalt zu durchbrechen und das Koma des Insulins und die epilepti- formen Kr/impfe des Cardiazols weglassen zu k6nllen und s ta t t beider llur die langsamell chemischen Vorgange zu er- zeugen, die je tz t durch die explosionsartigeWirkungder beiden Behandlungsmethoden angeregt werden.

Nun handelt es sich aber bei den FrakturzwischenfSllen um Verletzungell, die nach einer in psychiatriseher Hillsicht erfolgreich durchgeffihrten Behandlung unter Umstanden zu recht erheblicher Erwerbsbeschrankung yon chirurgischer Seite aus ffihren k611nen. Es Iragt sich also, ob es llicht Mittel und Wege gibt, derartige Zwischellfalle zu verhillderll.

Einmal w~Lre an die M6glichkeit zu denken, das Cardiazol selbst so zu verbessern, daB.es bei gleicher therapeutischer Wirksamkeit den Krampfallfall milder, etwa wie bei der Epilepsie, verlaufen laBt. Ein solches Pr~parat scheint auch bereits im Azomall vorzuliegem

Zweitens mul3 erwogen werden, ob sich diese Verletzungen nicht dutch einfache Vorkehrungell w~hrend des Anfalls ver- meiden lassen.

Dazu haben wir zunachst eine Gruppierung der vor- gekommenen Frakturell vorgenommen. Abgesehen yon der einmaligell Wirbelfraktur, scheillt es sich durchweg um Ver- letzungen des Schultergelenks oder des Hfiftgelenks gehandelt zu haben.

Beim Schultergelenk ist voll Frakturen und Abrissen im Bereieh des Oberarmkopfes, des Coracoids und des Sternums die Rede. Meistens fehlen allerdings genauere Angaben, einige Male wird fiberhaupt ganz einfach yon Oberarm- frakturen gesprochen, wobei es dahillgestellt bteibt, was die Verfasser n~her darunter meinell. Es lassell jedenfalls diese Allgaben zulliichst keine exakten Schlfisse fiber das Zustande- kommen der Fraktur zu. Von chirurgischer Seite wird ver- sucht, genauere chirurgische Berichte und vor allem die R6ntgenbilder zu erhalten. Es ist durchaus m6glich, dab der eine oder andere der Zwischenfiilie auf Fahrl~ssigkeit zurfick- zufiihrell ist. Andere aber sind sicher durch den heftigen Muskelzug allein verursacht. Da ihr Studium aus den oben- erw~thnten Grfindell noch nicht abgeschlossen werden konnte, kanll fiber ihre Entstehung und Verhfitllng erst ill einer sp~teren Arbeit yon chirurgischer Seite berichtet werdell.

Wir mtisseu un~ also vorerst auf die ebellso h~ufigell Ver- letzungen des I-Itiftgelenks beschranken. Zehn voll ihnen werden ill der Literatur eilldeutig als mediale Schenkelhals-

f r a k t u r e n geschildert. Bei zwei wird allerdings gallz eillIach yon Oberschenkelfrakturen gesprochen, ohne dab irgend- welche naheren Angabell gemacht wfirden. Im Zweifelsfall diirfte es sich abet wohl auch bei ihnen um Schellkelhals- Irakturell gehalldelt haben.

Gemeinsam mit dell Chirurgen haben wit nun den Anfalls- ablauf studiert. Es lag die Vermutung nahe, dab die Frak- turen immer dutch den gleichell Mechanismus zustande kommen wfirden, da unsere beiden 1R6ntgenbefunde geradezu als idelltisch zu bezeichnen wareI1. W~.hrend des Anfalls war die Haltullg der Oberschellkel immer die gleiche, so dab all- zunehmen war, dab besolldere Muskeln daffir verantwortl ich seien. DaB der Muskelzug eill gallz ungeheurer seii1 muB, bewiesen die schon geschilderten krachenden und kllallenden GerAusche in den Gelellken. Daraufhin wurde versucht,

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dutch eine besondere Lagerung der Kranken die in Frage kommende Muskulatur derart zu el~tspannen, dab erneute Schenkelhalsfrakturen vermieden werden k6nnten. Darfiber wird nun im folgenden Tell yore Chirurgen eingehend berichtet werden. VVir m6chten nut vorwegnehmen, dab wir jetzt bet allen Kranken diese Lagerung vor jedem Anfall vorneh- men. Die die Frakturen verursachende !VIuskulatur findet jetzt keine so gtinstigen Angriffspunkte mehr, ist entspannt und kann dadurch ihre Kraft nicht mehr v611ig zur Auswir- kung bringen. Nach auBen gewinnt man den Eindruck, als wenn dadurch der Anfall weniger heftig verlaufeu wfirde.

Wir haben seither keine Zwisehenf~tlle mehr erlebt. Der Schenkelhalsbruch bei der Cardiazolbehand!ung der

Sehizophrenie stellt zweifellos eine sehr unangenehme Ver- letzung dar, die sicherlich der Art der Behandlung zur Last gelegt werden muB. Freilich ist es eine verh~ltnismXgig seltene Komplikation. Sie kann jedoch deshalb unangenehm werden, weiI zu teicht yon nichtchirurgiseher Seite eine der- artige Verletzung fibersehen werden kann. Klinisch macht der Schenkethalsbruch h~ufig nu t wenig Erscheinungen. Die Schenkelhalsbrfiche werden bekanntlich in 2 Gruppen ein- geteitt, in die sog. ra, ediaten Brfiche, jene geffirchtete Bruch- form, die nahe am Schenkelkopf verl~uft und nur schwer zur kn6chernen Ausheilung zu bringen ist, und in die lateralen Brtiche, die n~her zum Trochantermassiv gelegen sind und eine etwas gr613ere Iteilungsneigung besitzen. Die dureh das Trochantermassiv verlaufenden Brfiche werden besser Idcht als Schenkelhalsbrfiche, sondern als Oberschenkelbrfiche bezeich- net. Sie heilen ja vorzfiglich a u s und unterscheiden sieh y o n den beiden erstgenannten Formen vor allem dadurch, dab entspre- chend der nahe unter der t I au t ge- legenen Bruchstelle die Schmerz- haftigkeit ~del gr613er ist und infotgedessen diese Bruchform nicht tibersehen werden kann. Die drei erw~hnten Brucharten ffihren alle zu einer mehr oder weniger grot3en Verkfirzung des verletzten Beines. tnfolge des Gewichtes des Beines, aber auch durch den Muskelzug (GlutXen, Abb. i. Kraftrichtung bet Ileopsoas, Adductoren) dreht sieh Abscherungsbrfichen des

Schenkelhalses. (Aus: das Bein im ganzen nach aul3en, MAGNUS, Frakturen und SO dab hi~ufig der Ful3 mit seinem Luxationem Berlin: AuBenrand auf der Unterlage auf- julius Springer 1937.) liegt. Selbstverst~ndlich ist an- fangs die Funkt ion des Beines gest6rt und besteht eine gewisse Schmerzhaftigkeit. Nach einigen Tagen lassen aber die Schmerzen beim medialen Schenkelhalsbruch nach und kehrt ein TeiI der Beweglichkeit wieder ztarfick. Es bleibt dann nur noch die geringe Verkfirzung und Aul3endrehung des Beines, dm aber gerade beim psychiatriseh Kranken allzu leicht fibersehen werden kann, vo r attem im Stuporzustand des Patienten. Vr also die M6gliclakeit eines Schenkel- halsbruches bet der Untersuchung nicht in Erw~Lgung gezogen, so kann dieser Bruch leicht unerkannt bleiben und ffihrt zu sehr unangenehmen Sp~tfolgen, Ohne Behandlung heilen die gew6hnlichen (nicht eingekeitten) medialen SchenkelhMs- brfiche niemals kn6ehern aus. Es komnlt zur Pseudarthrosen- bildung mit entsprechender Verkfirzung des Beines und mit erheblicher EinschrXnkung der Gebrauehsf~higkeit. Die Er- werbsminderung durch Falschgelenkbildung am Oberschenkel- hals wird auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt mit 50--75 % eingesch~tzt. Ist der Kranke nach Abschlug der psyehiatri- schen Behandlung vielleicht als vSllig geheilt zu betrachten, dann kommt erst der traurige k6rperliche Zustand ans Tages- licht, der, rechtzeifig erkannt und behandelt, zur folgenlosen Ausheilung h~.tte gebracht werden kSnnen, Die rechtzeitige Erkennung und vor allem die Vermeidung dieser so unange- nehmen Komplikation der Cardiazotshocktherapie der Schizo- phrenie ist die Veranlassung ftir die vorliegende MKteitung.

R I F T . I8. J A H R G A N G . Nr, 2i 75 1

Die Lehre yon den Knochenbrfichen kennt normalerweise zwei Entstehungsm6glichkeiten der Knochenverletznngen. Erstens die dimkte, zweitens die indirekte Gewaltein~drkung. Die erste Ents tehungsar t kSnnen ~dr bet unseren Betrach- tungen nnberficksichtigt lassen, da wir n u r den medialen Schenkelhalsbrueh ins Auge fassen wollen. Es kann durch einen StoB yon auBen gegen den groBen Rollh/igel, zu einer Zusammenstauchung, eiiler Einkeilung des Halses in den Kopf oder aber durch einen StoB in Richtung der L~ngsachse des Beines zu ei~ler Art Abscherung des Kopfes yore Schenkel- hals kommen. Wie an den Armen ether Schere, daher der Name, kommt es zur Wirkung zweier parallel laufender, aber entgegengesetzt wirkender Kr~fte. Sie lanfen aneinander vorbei, und im Bereich der Flgche, die die beiden Kra~t- wirkungen trennt, kommt es zu ether Abscherung des Knochens. Die Kraftwirkungen sind schematisch ant Abb. i dargestellt.

Bet den beiden yon uns behandelten F~llen finden sich im R6ntgenbild fast v61Iig gleiehlaufende Brnchtinien nn- mittelbar am ~bergang yore SchenkelhMs zum Schenkelkopf. Beide Beine stehen in typischer Aul3enrotation und ent- sprechender Verkfirzung (Abb. 2).

Zweifellos mug es sich also auch um die gleichen Ent- stehungsursachen und um die gleichen ]3ruehmechanismen gehandelt haben, Ein Sturz aus dem Bert oder eine Verletzung im Bert dutch Aufschlagen auf den Bettrand oder ~hnliches

Abb. 2, R6ntgenbefund bet f3bernahme der Behandlung.

konnte in beiden F~lIen mit Sicherheit ausgeschlossen werden Als Entstehung dieser Knochenbrfiche bteibt also nu t die fibergroBe 2vinskelkraft im Augcnblick des Anfalles, der durch die Cardiazolinjektion ausget6st wird. ]3eobachtungen fiber Knochenbrfiche dutch Muskelzug sind in der Cl~irurgie ver- schiedentlich bekannt.

Fast bei allen stark abtaufenden Anf~llen war ein heftiges Rucken und lautes Schlagen i n den I.ififtgelenken wahr- nehmbar, mindestens ebenso wie bet einem Springer, der aus der t-I6he herab ungeschickt auf den ganzen FuB bet ge- strecktem Knie aufspringt. DaB hierbei das Knochengerfist iiberm~Big beansprucht wird, liegt auf der Hand. Vor allem der im Winkel zum Oberschenkel stehende Schenkelhals mit seinen grol3en, das Hfiftgelenk fiberbrfickenden Muskeln ist besonders gef~hrdet. Der Druck am Schenkelhals wirkt bet Anspannung der Muskulatur genau so, wie auf der eingangs gebrachten Abbi ldung (Magnus, Frak turen und Luxationen) die abscherenden Kraftwirkungen beim StoB in der L~tngs- r ichtung des Beines dargestel l t sind.

In Abb. 3 haben wir nun rein schematisch nile diejenigen Muskeln eingezeichnet, die bet starker Kontraktion und bet gleichzeitiger Streckstellnng des Htift- und Kniegelenkes eine abscherende ~vVir- kung ant den Schenkelhals ausfiben. Voraussetzung ist natfirlieh immer ein ZusammenspieI der Agonisten und Antagonisten und eine Gelenkstellung in Streckung. Besonders wirksam sind der Ileo-

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Page 4: Knochenbrüche bei Cardiazolkrampf-Behandlung der Schizophrenie und Ihre Verhütung

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psoas, der Gtutaeus medius und minimus, der Gtutaeus maximus im Verein mit dem Tensor fasciae latae und dem Tractus flee, t ibial is , ferner die langen Adductoren (longus und magnus) und die = Gelenke fiberbrtiekenden Muskeln, wie Sartorius, Gracilis, Semi- tendineus und Semimembranaceus, Rectus femoris and der lange Bicepskopf. Abb. 4 zeigt die Verh~ttnisse in Seitenansicht und ver- anschaulicht genfigead die St~rke der verk~rzenden Kraft auf den Oberschenkelhals, somit die Abscherwirkung bet Streckung der Ht~fte und des Knies. Nach diesen anatomischen t)berlegungen

Abb. 3. (Ansieht yea vorn.) Abb. 4. (Ansieht yon der Seite.) Darstellung der Musketu, die bet Streckuug in Hfifte and Knie eine abseherende Wirkung

ant den Sehenkelhals aus/iben. ~. lleopsoas, ~, Gtutaeus medias, minimus, 3. Glutaeus maximus, 4- Tensor fasciae Iatae, 5. Rectus femoris, 5. Adductoren (longag und magnus)~ 7. mediale Beuger (Semitendi-

neus, Semimembranaeeus), 8. Biceps eapu~ longum, 9. Sartorius, xo. Gradlis.

bestand ffir uns kein Zweifel mehr, dab unsere beiden Brfiehe sich in Streckstetlung durch reiue hiuskelzugwirkung im Angenbtick des Anfalles ereignet haben mut3ten. Es lag nahe, die Streckstellung, in der sich die Kraft der in Betracht kommenden Muskelu so stark auswirken kann, durch eine besondere Lagerung vor Einleitung des Cardiazolkrampfes zu beseitigen. Nach verschie- denen Versuehen eignete sich am besten zur Herab- setzung der Muskel~virkflngen eine Art y o n Hock- stellung mit angewinkelten Knien, die Beine v611ig

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s7. MAI ~93~

Hfif t - u n d Kniege lenke k a u m b e a n s p r u c h e n d e r K r a m p f a b l a u t erzielen. Bet m a n c h e n k o m m t es an f an g s d u t c h i)be~wiegen der Psoaswi rkung zu ether le ichten we i t e ren H f i f t b e u g u n g u n d ers t zum SchluB k o m m t es zu s t a r k e r e n Versuchen, das Knie und Hf i f tge lenk zu s t r e ck en und zu einer An- s p a n n u n g der A d d u c t o r e n . Das hef t ige a n d nnangenehme Hf i f tMappen bet den schweren F~llen, das frfiher wei th in h6r- ba r war, i s t n i ch t m e h r au fge t r e t en .

Unse re B e o b a c h t u n g e n beweisen, dab d u t c h re ine Kra f t - wi rkung der sich unkoord in i e r t k o n t r a h i e r e n d e n Muskulat t t r es zu Brf ichen a m Schenkelhals k o m m e n kann . Andere E n t s t e h u n g s u r s a c h e n muBten, bet unseren F~llen yon vorn- he re in ausseheiden. E ine Inak t iv i t / t t s a t roph ie infolge l~n- gerer L iegebehand lung oder ande re K n o c h e n v e r ~ n d m u n g e n lieBen sieh auf Grund unse re r R6ntgenbi. lder ausschl iegen. In be iden F ~ l l e n h a n d e l t es sich um sog, media le Schenkel- halsbr t iche, die d u t c h Absche rung infolge yon Muskelzug- wi rkung e n t s t a n d e n sind. Beide Male s i tzen die B~uch- lilfien in gleieher H6he. I3eide MaIe i s t die Ver l au f r i ch tung des Bruchspa l t e s die gleiche und die Versch iebung der Bruch- stf icke die n~mliche. Durch en t s p r ech en d e Lage rung k6nnen diese un l i ebsamen Zwischenfi~lle v e r m i e d e n werden ,

Die B e h a n d l u n g der Brf iche b e s t a n d j edesmal in einer Vere in igung de r Bruchs t f icke m i t e inem dreiflfigetigen Nagel, de r naeh e n t s p r e c h e n d e r E i n r i c h t u n g der ]3rnchstficke fiber e inen v o r g e b o h r t e n S t ah ld rah t d u t c h die Achse des Schenkelhatses in den Schenkelkopf e ingeschlagen w m d e (Abb. 6).

Bere i t s nach 4 W o c h e n k o n n t e der e rs te P a t i e n t zu FuB die Kl in ik wieder ver lassen, die zweite 'Kranke s t e h t noeh in s ta t ion~rer Behand lung der NervenMinik . Wi t ha l t en be ide N e b e n v e r l e t z u n g e n der Ca rd i azo lk rampfbehand tung bet Schizophrmfie de r Mi t te i lung wer t , u m auf die M6glieh- kei t so lcher K o m p l i k a t i o n e n a u f m e r k s a m zu machen . Sie k6nnen le icht d iagnos t iz ie r t werden , wenn nur da ran ge- d a c h t wird, und k6nnen bet fr t ihzeit iger E r k e n n u n g m i t vo l lem Er fo lg b e h a n d e l t werden . Ohne Behand lung b le ib t d a u e r n d e h o h e E r w e r b s m i n d e r u n g bes tehen . D u t c h e infache en t s p r ech en d e Lage rung vor E inse t zen des Anfalles lassen sich dera r t ige Zwischenf~lle leicht ve rme iden .

L i t e r a t u r : J. A. BaEz FINOL, Diss. Caracas I938. -- N. G. B~CKER, The Psych. Exchange of .the Illinois State Insti tutions I938, Nr z. -- K. BL~JMENTHAL, Ann. d. 1. Fac. Franc. Beyrouth'7, Nr 3 (~938). -- A. BO~rELHO, Academia Nac. de Medis, Juai ~938. E. BROGOL MailXnder Psychiatertagung ~937. -- M. CSAJAGHY U. M~zEL Orv. Hetil. I938, Nr ~L -- H. DELOhDO, Rev, Neuro-

Abb. 5* Darstellung der Wirkungsloslgkeit der NIuskulatur bet Beugung vonHfifteund Knie. (DiemedialenBeugerundAdduetoren sindnieht

gezeichnet.) Die Nummem entsprechen denen yon Abb. 3 und 4.)

adduzier t Die Kranken sitzen f6rmlieh im Bert und haben die Knie fast recht-~vin!dig gebeugt und test mit Spreus~cken unter- po ls te r t Aus Abb. 5 geht hervor, wie in dieser Stellung des Hflft- und Kniegelenkes vor ahem der IIeopsoas und die Beugemuskulatur erschlafft. Die medial geIegenen Muskeln sind auf dieser schemati- schen Zeichnung aus Grfinden der besseren 17bersicht weggeblieben.

Diese neue L a g e r u n g in Hocks t e l lung m i t gebeug tem Hfif t - u n d Kniege tenk h a t sich sehr gut bew~hr t . Bet Kranken , die frf iher s s ta rke Muskelkr~mpfe b e k o m m e n haben, lieB sieh d u r c h d ie neue Lage rung ein gleichm~Biger, die

Abb. 6, R6ntgenbilder bet der Entlassung aus der chirurgischcn Behandlung.

psyquiatr. I (I938). -- E. F. DOMBROWSKI, The Trained Nurse und Hospital I{eview I938. - - FROS~IE, Dresden, 29. Tag. d, Vet. Mitteldtsch. Chirurgen in Leipzig. - - S. Vg. GILL~ANN U. D, N. PARFtTT, Lancet Nr 6oo3. - - H, M. C. JANZ~N, Psychiatr. BI. I938, Nr i. - - G . KRAUS, Psychiatr. B1. I938. - - MAGNUS, Frakturen and Luxationen. Berlin: Julius Springer I937. - M~DUNA, 39~ annual meeting amer. psych, ass. und Vortrag in Zagreb. -- G. S. NmHTI~r- GALE, J. lnent. Set. 84. --- NYB~ERG, Lakaref6renings f6rhandlingar, Ny f61jd 43, 3--4- -- A, SAa'TA, I1 Cervello x938. -- Sa's u. BEIN~, Z. Neur. I6o, 649. -- H, WEsPL Schweiz. Arch. Neut. 42 (x938).