1
KOLUMNE Gegen eine falsche Armutsromantik VON AXEL BERND KUNZE Wie reich darf die Kirche sein? Diese Frage beschäftigt schon das Neue Testa- ment. Und sie erlebt gegenwärtig neue Konjunktur. Zweihundert Jahre nach der Säkularisation sollten endlich jene Kom- pensationszahlungen abgelöst werden, die der Staat weiterhin hierfür leistet, so eine Forderung. Nicht wenige erhoffen sich von einer Entflechtung von Kirche und Staat oder Abschaffung der Kirchensteuer einen Aufbruch inmitten der Kirchenkrise. Berufen sich die einen auf die Forderung Benedikts XVI. nach einer spürbaren „Entweltlichung der Kirche“, mahnen an- dere, den „Katakombenpakt“ aus der Kon- zilszeit endlich umzusetzen. Die Beweggründe, eine arme Kirche zu fordern, gleichen sich keineswegs. Groß allerdings sind die damit verbundenen Hoffnungen: Eine arme Kirche sei weniger anfällig für Machtmissbrauch und Korrup- tion, unabhängiger von staatlichen Erwar- tungen, weniger bequem, reformbereiter und insgesamt glaubwürdiger. Hier soll nicht eine persönliche Spirituali- tät der Armut als Ausdruck gelebter Nach- folge Christi in Frage gestellt werden. Diese hat es zu allen Zeiten der Kirche ge- geben, und das ist auch gut so. Doch Vor- sicht vor einer falschen Armutsromantik, wenn es um die Sozialgestalt der Kirche geht! – … zumal dann, wenn entsprechen- de Forderungen von Theologen oder Laienvertretern kommen, die selber nicht bei der Kirche arbeiten. Kirchlicher Besitz ist kein Selbstzweck, wohl aber notwendig für eine Kirche, die sich ihrer Verantwortung als Arbeitgeber, Vertragspartner, Immobilienbesitzer, Kul- turträger, Bewahrer von Kunstschätzen, Bildungsträger oder Sozialpartner bewusst ist. Wo etwa die kirchliche Zusatzversor- gungskasse wackelt, sollte dies als Warn- zeichen verstanden werden. Die Qualität kirchlicher Dienste steigt nicht, wenn die soziale Absicherung kirch- licher Mitarbeiter sinkt. Ohne Tarifbin- dung wie im öffentlichen Dienst wären Caritas und Diakonie als Arbeitgeber nicht mehr attraktiv. Doch steht mehr auf dem Spiel. Unser ko- operatives Staat-Kirche-Modell verhindert staatliche Machtkonzentration, führt zu einem Trägerpluralismus und wirkt frei- heitsichernd. Wo Kirche als verlässlicher Akteur, etwa im Sozialbereich, ausfällt, muss der Staat die Lücke füllen. Er erhält so mehr steuernden Einfluss auf gesell- schaftliche Bereiche oder die private Le- bensführung. Eine Umwandlung kirch- licher Rechtstitel, die als Entschädigung für die Säkularisation dienen, müsste sorg- fältig verhandelt werden; denn mit staat- lichem Zentralismus wäre für die Hand- lungsfähigkeit der Kirche wenig gewonnen. Nicht Besitz an sich ist ein Problem, son- dern der kirchliche Umgang damit. Nur zwei Beispiele: Die Kirche sollte sich immer wieder fragen, ob sie als Arbeitge- ber überzeugt und arbeitsrechtliche Stan- dards nicht unterläuft. Und eine kirchliche Verwaltungsgerichtsbarkeit könnte für mehr Transparenz und Glaubwürdigkeit sorgen als wohlfeile Armutsrhetorik. Der Autor, Sozial- und Bildungsethiker, arbeitet als Schulleiter einer Fachschu- le für Sozialpädagogik. Er lehrt als Pri- vatdozent für Erziehungswissenschaft in Bonn. Die Kolumne erscheint in Kooperation mit der Katholischen Sozialwissen- schaftlichen Zentralstelle in Mönchen- gladbach.

KOLUMNE K ein S olo für den S oli Ge gen eine fals che€¦ · K ein S olo für den S oli Der Solidaritätszuschlag: Ist er noch ber echtigt # Eine Anal yse VON RICHARD SCHÜTZE

  • Upload
    others

  • View
    0

  • Download
    0

Embed Size (px)

Citation preview

Page 1: KOLUMNE K ein S olo für den S oli Ge gen eine fals che€¦ · K ein S olo für den S oli Der Solidaritätszuschlag: Ist er noch ber echtigt # Eine Anal yse VON RICHARD SCHÜTZE

Die Tagespost ñ22. August 2019

742 Wirtschaft & Soziales

KOLUMNE

Gegen eine falscheKein Solo für den Soli

13.000 28.000

Armutsromantik

DAX: ANGST VOR EINER REZESSION will Kinder weitgehend vom Unterhalt

Der Solidaritätszuschlag: Ist er noch berechtigt – Eine Analyse V O N R I C H A R D S C H Ü T Z E

V O N A X E L B E R N D K U N Z E

Wie reich darf die Kirche sein? DieseFrage beschäftigt schon das Neue Testa-ment. Und sie erlebt gegenwärtig neueKonjunktur. Zweihundert Jahre nach derSäkularisation sollten endlich jene Kom-pensationszahlungen abgelöst werden, dieder Staat weiterhin hierfür leistet, so eineForderung. Nicht wenige erhoffen sich voneiner Entflechtung von Kirche und Staatoder Abschaffung der Kirchensteuer einenAufbruch inmitten der Kirchenkrise.Berufen sich die einen auf die ForderungBenedikts XVI. nach einer spürbaren„Entweltlichung der Kirche“, mahnen an-dere, den „Katakombenpakt“ aus der Kon-zilszeit endlich umzusetzen.Die Beweggründe, eine arme Kirche zufordern, gleichen sich keineswegs. Großallerdings sind die damit verbundenenHoffnungen: Eine arme Kirche sei wenigeranfällig für Machtmissbrauch und Korrup-tion, unabhängiger von staatlichen Erwar-tungen, weniger bequem, reformbereiterund insgesamt glaubwürdiger.Hier soll nicht eine persönliche Spirituali-tät der Armut als Ausdruck gelebter Nach-folge Christi in Frage gestellt werden.Diese hat es zu allen Zeiten der Kirche ge-geben, und das ist auch gut so. Doch Vor-sicht vor einer falschen Armutsromantik,wenn es um die Sozialgestalt der Kirchegeht! – … zumal dann, wenn entsprechen-de Forderungen von Theologen oderLaienvertretern kommen, die selber nichtbei der Kirche arbeiten.Kirchlicher Besitz ist kein Selbstzweck,wohl aber notwendig für eine Kirche, diesich ihrer Verantwortung als Arbeitgeber,Vertragspartner, Immobilienbesitzer, Kul-turträger, Bewahrer von Kunstschätzen,Bildungsträger oder Sozialpartner bewusstist. Wo etwa die kirchliche Zusatzversor-gungskasse wackelt, sollte dies als Warn-zeichen verstanden werden.Die Qualität kirchlicher Dienste steigtnicht, wenn die soziale Absicherung kirch-licher Mitarbeiter sinkt. Ohne Tarifbin-dung wie im öffentlichen Dienst wärenCaritas und Diakonie als Arbeitgeber nichtmehr attraktiv.Doch steht mehr auf dem Spiel. Unser ko-operatives Staat-Kirche-Modell verhindertstaatliche Machtkonzentration, führt zueinem Trägerpluralismus und wirkt frei-heitsichernd. Wo Kirche als verlässlicherAkteur, etwa im Sozialbereich, ausfällt,muss der Staat die Lücke füllen. Er erhältso mehr steuernden Einfluss auf gesell-schaftliche Bereiche oder die private Le-bensführung. Eine Umwandlung kirch-licher Rechtstitel, die als Entschädigungfür die Säkularisation dienen, müsste sorg-fältig verhandelt werden; denn mit staat-lichem Zentralismus wäre für die Hand-lungsfähigkeit der Kirche wenig gewonnen.Nicht Besitz an sich ist ein Problem, son-dern der kirchliche Umgang damit. Nurzwei Beispiele: Die Kirche sollte sichimmer wieder fragen, ob sie als Arbeitge-ber überzeugt und arbeitsrechtliche Stan-dards nicht unterläuft. Und eine kirchlicheVerwaltungsgerichtsbarkeit könnte fürmehr Transparenz und Glaubwürdigkeitsorgen als wohlfeile Armutsrhetorik.

Der Autor, Sozial- und Bildungsethiker,arbeitet als Schulleiter einer Fachschu-le für Sozialpädagogik. Er lehrt als Pri-vatdozent für Erziehungswissenschaftin Bonn.

Die Kolumne erscheint in Kooperationmit der Katholischen Sozialwissen-schaftlichen Zentralstelle in Mönchen-gladbach.

12.500

12.000

11.500

11.000

10.500

10.000

23.000

22.000

21.000

24.000

25.000

26.000

27.000

2018 2019 2018 2019

Jun Jul AugSep Okt Nov Dez Jan Feb Mrz Apr Jun Jul AugSep Okt Nov Dez Jan Feb Mrz Apr MaiMai

In der vergangenen Handelswocheherrschte bedrückte Stimmung an denHandelsmärkten. Der Deutsche Aktien-index fiel in den vergangenen Tagenzeitweise auf den tiefsten Stand seitMärz. Geprägt von Unsicherheit, derAngst vor einer Rezession und dem Auf

und Ab im Handelskonflikt zwischenden USA und China beendete der DAXdie Handelswoche im Minus. Somitwurde der dritte Wochenverlust in Folgeerreicht und auch die längste Serie seiteinem knappen dreiviertel Jahr. Trotzalledem weist der DAX gegenüber demJahresende ein Plus von neun Prozentaus. Die aktuelle Konjunktur bereitetweiterhin Sorgen: Als ein Schwachpunktder heimischen Wirtschaft wird die ex-portorientierte Industrie gesehen.Durch sinkende Auslandsnachfragendroht ein negativer Einfluss auf In-landsnachfragen und die damit verbun-denen, bisher stabilen, Sektoren könn-ten ebenfalls schwächer werden.

HANDELSSTREIT ZWISCHENCHINA UND USADer Streit zwischen den USA undChina sorgt bei den Anlegern weltweitfür große Verunsicherung. Es ist weiter-hin keine klare Richtung auszumachen;vielmehr sprechen Beobachter voneinem „...ökonomische(n) Kräftemessenzweier Supermächte, bei dem die rest-liche Welt am Rand steht und zusehenmuss, wie sie mit den Ergebnissen ambesten leben“, so Daniel Schär von derWeberbank. US-Präsident Trump rech-net zwar nach eigener Aussage nicht mitVergeltungsmaßnahmen Chinas, trotz-dem wurde der Start der Verschärfungder Strafzölle auf Dezember verscho-ben. Sowohl diese Verschiebung, alsauch die Pläne Chinas, die Konjunkturdurch Erhöhung der Einkommen anzu-

kfüAweSgägscvriZd

DVUgmKd

0,2

0,4

0,0

-0,2

-0,6

-0,4

1,

1,1,1,

1,1,

1,1,

1,

Deutscher Aktienindex (DAX)seit Jahresbeginn: +9,51%Jahresende: 10.558 Aktuell: 11.648(19.08.2019/ 10:39 Uhr)

2018 2019Jun Jul AugSep Okt Nov Dez Jan Feb Mrz Apr Mai

Zinsen (Umlaufrendite)Aktuell: -0,71%

(16.08.2019 / Börsenschluss)

urbeln und gleichzeitig die Kreditkostenr Unternehmen zu senken, gaben denktienmärkten einen Impuls. Allerdingsird hinter der aktuellen Entspannung

her eine taktische Maßnahme gesehen.owohl das bevorstehende Weihnachts-eschäft mit Smartphones, Tablets undhnlichem würde unter den neuen Zöllenravierend leiden, als auch die Präsident-

haftswahl. Hier will man in den USAermeiden, dass eine Belastung der ame-kanischen Konsumenten durch höhereölle sich negativ auf das Ansehen ihreserzeitigen Präsidenten auswirkt.

ÄNEMARK: GRÖNLAND SOLL NICHTERKAUFT WERDENS-Präsident Trump hat in den vergan-

enen Tagen mit seiner Idee, die autono-e Arktisinsel Grönland zu kaufen, füropfschütteln gesorgt. Mette Frederiksen,

ie Regierungschefin Dänemarks, zu der

Gvn„IgEsckNvtrwZgAkTseedliIn

15

121110

1817

1314

16

Aktuell: 1,1104

Jun Jul AugSep Okt Nov Dez Jan Feb Mrz Apr Mai

2018 2019

Dow Jones Industrials (DJIA)seit Jahresbeginn: +10,97%Jahresende: 23.327 Aktuell: 25.876(16.08.2019 / Börsenschluss)

EURO (gegen US-Dollar)seit Jahresbeginn: –3,29%Jahresende: 1,1466(19.08.2019 / 10:55 Uhr)

rönland gehört, besuchte die Insel amergangenen Sonntag und betonte er-eut, dass diese nicht zu Verkauf stehe:ch hoffe inständig, dass dies nicht ernst

emeint ist.“in Grund, warum die USA strategi-hes Interesse an einem Kauf haben

önnten, ist die Lage in der Arktis, dieähe zu Russland und wegen der dort

ermuteten Bodenschätze. Aktuell be-eibt die USA auf der Insel einen Luft-affenstützpunkt und hat bereits imweiten Weltkrieg die Lage als Aus-angspunkt für die Luftbrücke über dentlantik genutzt. Bis jetzt gab es nochein offizielles Statement von Präsidentrump zu seiner Kauf-Idee. Lediglichin Wirtschaftsberater Kudlow erklärte,

s habe Gespräche darüber gegeben unda sich der Präsident gut mit Immobi-enkäufen auskennt, wolle er sich die

sel anschauen.

Die GroKo ringt im Moment um seine Zukunft: der Solidaritätszuschlag. Foto: dpa

Entlastung fürAngehörigeBERLIN (DT/KNA) Die Bundesregierung

ihrer pflegebedürftigen Eltern befreien.Einen entsprechenden Gesetzentwurfbrachte das Kabinett Ende letzter Wocheauf den Weg. Mit dem Gesetz würden dieAngehörigen zumindest finanziell entlastet,so Heil vor Journalisten. Der Großteil derAngehörigen brauche künftig kein Geldmehr an den Staat zurückzuzahlen. Künftigmüssten dann nur noch diejenigen, die über100 000 Euro im Jahr verdienen, Geld zumUnterhalt des Pflegebedürftigen beisteu-ern. Die Entlastung sei „längst überfällig“,so Heil. Seinen Angaben zufolge würdenrund 275 000 Betroffene durch das Gesetzentlastet. Für die Kommunen entstündendamit zusätzliche Kosten von 300 Millio-nen Euro pro Jahr. Der Bundesrat mussdem Gesetz zustimmen. Bundesgesund-heitsminister Jens Spahn (CDU) erklärte,die „Pflege der Eltern darf nicht arm ma-chen“. Angehörige mit geringerem Einkom-men seien künftig geschützt. „Gutverdienerwie ich sind in der Lage, auch finanziell zurPflege in der Familie beizutragen“, soSpahn. Union und SPD hatten im Koali-tionsvertrag vereinbart, dass Kinder pflege-bedürftiger Eltern künftig erst ab einemjährlichen Einkommen von 100 000 Eurofür Pflegekosten aufkommen müssen, wenndie Eltern kein eigenes Vermögen haben.Scharfe Kritik kam von den Kommunen. Zubefürchten seien Belastungen in Milliar-denhöhe, sagte der Hauptgeschäftsführerdes Städte- und Gemeindebunds, GerdLandsberg. Heil dürfe nicht das Solidari-tätsprinzip des Sozialhilferechts aushöhlen.„Es ist grundsätzlich zumutbar, dass Kinderund Eltern gegenseitig füreinander einste-hen. Daran sollte nicht gerüttelt werden.“Heil nannte es in diesen Zusammenhang„unverschämt“, wenn der Verband voneiner Entsolidarisierung spreche. Der Fa-milienbund der Katholiken hat die Ent-scheidung begrüßt. „Die Neuregelung istlängst überfällig“, so Ulrich Hoffmann, derPräsident des Familienbundes.

Solidarität ist der dritte Grundwert,der gemeinsam mit Freiheit undGerechtigkeit als Wertetrias zent-rale Voraussetzung für die Ver-

wirklichung der Würde der menschlichenPerson in Staat und Gesellschaft ist. Solida-rität ist ausgerichtet auf die innere Verbun-denheit der Menschen und erwächst seins-

zieller Obolus die Abwesenheit deutscherSoldaten beim ersten Golfkrieg kompensie-ren und die zur Befreiung Kuwaits von ira-kischer Besetzung kämpfenden Alliiertengewogen halten, sowie zur Unterstützungder nach Ende des „Kalten Krieges“ ausdem Warschauer Pakt ausgeschiedenenLänder Mittel-, Ost- und Südosteuropas

wie immer, wenn eine Steuer kreiert wor-den ist, gewöhnen sich die Etatisten allzugern an diese Einnahmen, die mittlerweilenahezu 19 Mrd. Euro (2018) in die Kassendes Bundes spülen.

Im Jahr 2021 soll aber nach nunmehr 30Jahren, einem quälend langen Hin und Hersowie etlichen Gerichtsverfahren der „Soli“

deraten Rückführung des Spitzensteuersat-zes gewagt hatte. Flugs wurden von interes-sierter Seite nun neue Gründe als histori-sche Notwendigkeit vorgebracht wie diedringend erforderlichen Investitionen in dieInfrastruktur, die Finanzierung der Ener-gie- und Verkehrswende und nicht zuletztder Evergreen „soziale Gerechtigkeit“. Mit-

Marktüberblick

mäßig aus der Fähigkeit, sich für andere zuengagieren, aber auch aus der eigenen Be-dürftigkeit, von Leistungen und Zuwendun-gen anderer abhängig zu sein. Als „dialogi-sche Existenz“ (Martin Buber) ist derMensch auf das Mitsein mit anderen inKommunikation und Kooperation hinge-ordnet. Seine Individualnatur, die ihn zurFreiheit befähigt, und seine Sozialnatursind zwei Seiten derselben Medaille. Mitseiner Arbeit, Einkünften und Privateigen-tum übernimmt der Mensch Verantwor-tung auch für die Gemeinschaft und für dieGestaltung von Welt und Umwelt. Solidari-tät als Mitmenschlichkeit aber verlangtnachhaltig nach Menschen- und Nächsten-liebe, die letztlich in der Gottesliebe alstranszendierender Natur des Menschenihre tiefste Erfüllung findet.

Aus dieser Grundverfassung der Sozial-natur des Menschen erwächst das Recht desStaates, zur Erfüllung der Lebens- und Kul-turaufgaben der Gemeinschaft Steuern undAbgaben zu erheben. So wurde 1991 der„Solidaritätszuschlag“, kurz „Soli“, als Er-gänzungsabgabe zur Einkommens- undKörperschaftssteuer mit einem Aufschlagvon durchschnittlich 5,5 Prozent auf beideSteuerarten eingeführt. Zunächst nur aufein Jahr befristet, sollte der „Soli“ als finan-

dienen – sozusagen ein „Hoch auf die inter-nationale Solidarität“. Nicht zuletzt abersollten mit dem „Soli“ die Kosten der Deut-schen Einheit abgefedert werden. KanzlerHelmut Kohl hatte den Ostdeutschen „blü-hende Landschaften“ versprochen und ap-pellierte in dieser historischen Ausnahme-situation an die Solidarität aller Deutschen.Hoch und heilig schworen die politisch Ver-antwortlichen, dass die Bürger allenfalls vo-rübergehend stärker belastet würden. Doch

endlich doch abgeschafft werden. Zuletzthatte als Begründung für seine Erhebungnur noch der „Aufbau Ost“ herhaltenmüssen; doch Einnahmen in Höhe von 331Mrd. Euro allein im Zeitraum 1995 bis2019 standen nurmehr Ausgaben in Höhevon 262 Mrd. Euro gegenüber. In der Bi-lanz war der „Soli“ zu einer schlichten Re-vidierung der steuerlichen Entlastungenmutiert, die zuletzt der mutige Sozialrefor-mer Gerhard Schröder auch mit einer mo-

hin sollen zwar, so die zündelnde Idee desneuen Kandidaten für den Parteivorsitz undwohl auch die sozialdemokratische Kanz-lerkandidatur, Finanzminister Olaf Scholz,zwar 90 Prozent der Steuerpflichtigen vom„Soli“ befreit werden; doch die besserver-dienenden zehn Prozent sollen ihn weiteraufbringen müssen. Wer mehr als 100 000Euro pro Jahr verdient, wird weiter abkas-siert. Das ist nicht Solidarität, sondern So-zialismus.