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3 Kommentierte Muster-Betriebsvereinbarung zum Einsatz von Leiharbeitnehmer/innen Vorbemerkung: Bitte den Mustertext nicht 1:1 übernehmen. Betriebsvereinbarungen sind das Ergebnis konkreter betrieblicher Situationen. Der Text ist eine Formulierungs- hilfe. Er gibt Hinweise auf mögliche und essenzielle Regelungsinhalte. Betriebsvereinbarung Leiharbeit Die Geschäftsführung der X GmbH und der Betriebsrat der X GmbH schließen folgende Betriebsvereinbarung: § 1 Präambel Die Betriebsvereinbarung hat das Ziel, einen Ausgleich der unterschiedlichen Interessen des Arbeitgebers an einer höheren Flexibilität der Ressource Personal und der Beleg- schaft an gesicherter Arbeit zu realisieren. Dem berechtigten Anspruch der Leihar- beitnehmer/innen auf faire Arbeitsbedingungen wird insbesondere durch sorgsame Auswahl der Vertragsunternehmen und die weitestgehende Gleichstellung der Leih- arbeitnehmer/innen mit der Stammbelegschaft während ihres Einsatzes Rechnung getragen. Arbeitspapier für Betriebs- und Personalräte zum Umgang mit Leiharbeit Ausgabe #3 | 10/2009 Inhalt Kommentierte Muster-Betriebsverein- barung zum Einsatz von Leiharbeitnehmer/ innen § 1 Präambel 1 § 2 Geltungsbereich 2 § 3 Betriebliche Voraussetzungen 2 § 4 Personalplanung 3 § 5 Quotenregelung 3 § 6 Vertragsverhältnis zum Verleih- unternehmen 4 § 7 Einstellungs- verfahren 5 § 8 Gleichbehand- lungsgebot 5 § 9 Gesundheitsschutz 6 § 10 Übernahme von Leiharbeits- beschäftigten 7 §11 Verfahren bei Streitigkeiten 7 § 12 Inkrafttreten/ Laufzeit 7 Literaturtipp 8 Impressum 8

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3 Kommentierte Muster-Betriebsvereinbarung zum Einsatz von Leiharbeitnehmer/innen

Vorbemerkung: Bitte den Mustertext nicht 1:1 übernehmen. Betriebsvereinbarungen sind das Ergebnis konkreter betrieblicher Situationen. Der Text ist eine Formulierungs-hilfe. Er gibt Hinweise auf mögliche und essenzielle Regelungsinhalte.

Betriebsvereinbarung Leiharbeit

Die Geschäftsführung der X GmbH und der Betriebsrat der X GmbH schließen folgende Betriebsvereinbarung:

§ 1 Präambel

Die Betriebsvereinbarung hat das Ziel, einen Ausgleich der unterschiedlichen Interessen des Arbeitgebers an einer höheren Flexibilität der Ressource Personal und der Beleg-schaft an gesicherter Arbeit zu realisieren. Dem berechtigten Anspruch der Leihar-beitnehmer/innen auf faire Arbeitsbedingungen wird insbesondere durch sorgsame Auswahl der Vertragsunternehmen und die weitestgehende Gleichstellung der Leih-arbeitnehmer/innen mit der Stammbelegschaft während ihres Einsatzes Rechnung getragen.

Arbeitspapier für Betriebs- und Personalräte zum Umgang mit Leiharbeit Ausgabe #3 | 10/2009

I n h a l t

Kommentierte Muster-Betriebsverein-barung zum Einsatz von Leiharbeitnehmer/innen

§ 1 Präambel 1§ 2 Geltungsbereich 2§ 3 Betriebliche Voraussetzungen 2§ 4 Personalplanung 3§ 5 Quotenregelung 3§ 6 Vertragsverhältnis zum Verleih- unternehmen 4§ 7 Einstellungs- verfahren 5§ 8 Gleichbehand- lungsgebot 5§ 9 Gesundheitsschutz 6§ 10 Übernahme von Leiharbeits- beschäftigten 7§11 Verfahren bei Streitigkeiten 7§ 12 Inkrafttreten/ Laufzeit 7

Literaturtipp 8Impressum 8

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Ausgabe #3 | Oktober 2009 | Arbeitspapier für Betriebs- und Personalräte zum Umgang mit Leiharbeit

§ 2 Geltungsbereich

Diese Betriebsvereinbarung gilt für alle Beschäf-tigten und Auszubildenden in den Betrieben und Betriebsstätten der X GmbH mit Ausnahme der leitenden Angestellten nach § 5 Abs. 3 BetrVG. Die Betriebsvereinbarung erstreckt sich ausdrück-lich auch auf alle Beschäftigten, die in den Betrie-ben und Betriebsstätten im Rahmen von Leiharbei-tsverhältnissen im Einsatz sind.

Kommentierung:Es ist sinnvoll, sowohl die Stammbelegschaft wie auch ausdrücklich die Leiharbeitnehmer/innen in die Betriebsvereinbarung einzubezie-hen. Die Stammbelegschaft bekommt durch die Betriebsvereinbarung Rechte und Pflichten im Rahmen der Zusammenarbeit mit den Leih-arbeitnehmer/innen, die wiederum selbst auch Rechte, z.B. auf Integration in den Betrieb, erwerben.

§ 3 Betriebliche Voraussetzungen

(1) Der Einsatz von Leiharbeitnehmer/innen ist grundsätzlich nur zum Ausgleich eines vorüber-gehenden, nicht vorhersehbaren personellen Engpasses zulässig. Die Kompensation qualifizie-rungsbedingter Abwesenheiten von Belegschafts-mitgliedern wird als zusätzlicher Grund für den Einsatz von Leiharbeitnehmer/innen anerkannt. Das Ausgangsereignis für den Leiharbeitseinsatz wird zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat einver-nehmlich festgestellt.

(2) Ausgeschlossen ist jeder Leiharbeitseinsatz, wenn der personelle Engpass durch Zeitausgleiche, Versetzungen oder ähnliche innerbetriebliche Maßnahmen oder durch befristete Arbeitsver-hältnisse behoben werden kann. Der Einsatz von Leiharbeit steht unter dem ständigen Vorbehalt, dass sich keine geeignete innerbetriebliche Perso-nallösung findet.

(3) Bevor in einem Betrieb Kurzarbeit eingeführt wird, ist der bestehende Einsatz von Leiharbeit abzubauen und nicht zu ersetzen.

Kommentierung:Wichtig ist die Mitbestimmung des Betriebs-rats bei der Feststellung des Ausgangsereig-nisses. Hierüber erwirbt der Betriebsrat die Definitionshoheit über die unbestimmten Rechtsbegriffe „vorübergehend“ und „nicht vorhersehbar“. Die Einbeziehung von Qualifi-kationszeiten als mögliche Einsatzzeiten von Leiharbeitnehmer/innen dient der Verbesse-rung der in vielen Unternehmen noch unter-entwickelten Weiterbildungsvereinbarungen. In Betrieben, die eine ausgeprägte Weiter-bildungskultur entwickelt haben, ist dieser Zusatz nicht erforderlich. Sollte der Betriebsrat weitere betriebliche Voraussetzungen für sinnvoll erachten, z.B. Urlaubszeiten, wäre dies zusätzlich zu vereinbaren.Innerbetriebliche personelle Ausgleichsmaß-nahmen, die im Interesse der Belegschaft sind, haben Vorrang. Dieser Grundsatz leitet sich aus dem Fürsorgegedanken des Betriebsrats für die Stammbelegschaft ab. Der Einsatz von Leiharbeit sollte gegenüber möglichen Einstel-lungen stets nachrangig sein. Dies gilt umso mehr in Fällen der Beschäftigungssicherung.

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Ausgabe #3 | Oktober 2009 | Arbeitspapier für Betriebs- und Personalräte zum Umgang mit Leiharbeit

§ 4 Personalplanung

(1) Der Arbeitgeber erstellt zum Jahresende schrift-lich eine Personalplanung für das kommende Jahr, die er mit dem Betriebsrat im Sinne des § 92 Abs. 1 BetrVG berät. Bestandteile sind: Verschiebungen im Stellenpool, voraussichtliche Abgänge und geplante Nachbesetzungen, Personalreserven zur Abdeckung der Urlaubsplanung bzw. Krankenquo-te. Im Rahmen der kurzfristigen Personalplanung wird eine Fremdleistungsplanung eingeführt, in der die Bereiche und der voraussichtliche Umfang des Leiharbeitseinsatzes dokumentiert werden.

(2) Vorschläge des Betriebsrats zur Beschäftigungs-sicherung nach § 92a BetrVG, zur Rückführung ausgegliederter Arbeiten oder vor Vergabe an an-dere Unternehmen werden im Rahmen der Fremd-leistungsplanung mit positiver Grundausrichtung auf ihre Machbarkeit geprüft und soweit möglich realisiert. Zur Beratung hinzugezogen wird eine Wirtschaftlichkeitsrechnung zu Kosten und Nutzen des Leiharbeitseinsatzes, die die Betriebsleitung auf Anforderung zu erstellen hat.

Kommentierung:Die strukturell vorgesehenen Personalpla-nungsverhandlungen dienen dem Ziel der verbesserten Personalausstattung und des optimierten Einsatzes der Stammbelegschaft, auch z.B. durch rechtzeitig erkannte Qualifizie-rungsanforderungen. Durch die Vorlagepflicht der genannten Unterlagen ist der Betriebsrat besser in der Lage, die reale Situation zu über-blicken und damit seine Interessen sachge-recht wahrzunehmen. Plötzliche Personaleng-pässe und in der Folge Leiharbeitseinsätze können minimiert werden.

Eine Fremdleistungsplanung macht die vorgesehene Dauer und Intensität von Leih-arbeitseinsätzen in den unterschiedlichen Betriebsteilen überschaubar. Eine eventuelle Zusammenarbeit zwischen Ver- und Entleihbe-triebsrat wird so erst ermöglicht, die Integra-tionsaufgabe des Betriebsrats gegenüber den Leiharbeitarbeitnehmer/innen wird auf eine qualifizierte Grundlage gestellt.

§ 5 Quotenregelung

(1) Für den nicht vermeidbaren Einsatz von Leih-arbeitnehmer/innen darf im Monatsdurchschnitt eine Höchstquote von xxx Einsatzstunden/ xxx Prozent der im Betrieb festgestellten Berechtigten zur Betriebsratswahl mit Ausnahme der Fremdfir-menbeschäftigten nicht überschritten werden. Befinden sich Leiharbeitnehmer/innen in betrieb-licher Weiterbildung, werden diese Zeiten nicht in die Quote einbezogen. Weitergehende Einsätze sind nur in besonders begründeten Ausnahme-fällen nach vorheriger Zustimmung durch den Betriebsrat einzuleiten.

(2) Der Betriebsrat erhält einmal monatlich eine Liste der beschäftigten Leiharbeitnehmer/innen sowie die erreichte Einsatzquote. Stellt sich heraus, dass Einsätze nicht mehr nur vorübergehender Natur sind, werden Betriebsleitung und Betriebs-rat in Personalplanungsgespräche eintreten mit dem Ziel, durch Neueinstellungen die nicht mehr betriebsvereinbarungskonforme Situation zu beenden.

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Ausgabe #3 | Oktober 2009 | Arbeitspapier für Betriebs- und Personalräte zum Umgang mit Leiharbeit

Kommentierung:Die Quote ist wichtig, um die Dichte der Leih-arbeitseinsätze zu begrenzen und damit auch die Betriebskultur zu sichern. Eine Quotierung nach Einsatzstunden hat gegenüber einer personellen Quote den Vorteil, dass im Nach-hinein nicht über die Anrechnung von Teil-zeitstellen gestritten werden muss. Die zweite Variante, Quotierung nach Beschäftigtenzahl gemäß Betriebsratswahlausschreiben hat den Vorteil, dass der Arbeitgeber hier regelmäßig versucht, die Personalzahl zu drücken, ihm dies aber bei der Quote dann „auf die Füße fällt“. Zwingend notwendig ist dann aber der Zusatz, dass Leiharbeitnehmer/innen nicht in die Beschäftigtenzahl einbezogen werden, an-sonsten würde sich eine korrekte Quote nicht berechnen lassen. In den durch die Verfasserin dieser Betriebsvereinbarung ausgewerteten Betriebsvereinbarungen zur Leiharbeit lag die Quote zwischen 3 und 20 Prozent. Die zu vereinbarende Quote sollte möglichst nied-rig liegen; bei einer Quote von mehr als 10 Prozent dürfte die Betriebskultur Nachteile erleiden. Die Weiterbildungszeiten der Leih-arbeitnehmer/innen sollten nicht in die Quote einbezogen werden, um deren berechtigtes Interesse nach Qualifikation zu stützen.Die Auflistung der Einsätze ist notwendig, um den tatsächlichen Einsatz überwachen zu kön-nen. Sie dient auch als Indikator für eventuell notwendige neue Stellen. Da die Feststellung der „vorübergehenden Natur“ bereits im Vorfeld des Einsatzes mit Zustimmung des Betriebsrats (siehe § 3) festgestellt wurde, ist dieser unbestimmte Rechtsbegriff im Einzelfall konkretisiert.

§ 6 Vertragsverhältnis zum Verleihunternehmen

(1) Die zur Auswahl stehenden Vertragsunter-nehmen werden einvernehmlich zwischen dem Arbeitgeber und dem Betriebsrat festgelegt.

(2) Der Arbeitgeber verpflichtet sich, nur mit Ver-leihunternehmen zusammenzuarbeiten, die den zwischen dem Bundesverband Zeitarbeit Personal-Dienstleistungen e.V. (BZA) oder dem Interessen-verband Deutscher Zeitarbeitsunternehmen e.V. (iGZ) und den Mitgliedsgewerkschaften des DGB abgeschlossenen Tarifverträgen kraft Verbands-zugehörigkeit unterliegen. Es sollen vorzugsweise Verleihunternehmen zum Zuge kommen, bei denen ein gewählter Betriebsrat als Kooperations-partner für den Betriebsrat im Entleihbetrieb zur Verfügung steht.

(3) Der Arbeitgeber wird die Verleihunterneh-men vertraglich verpflichten, den eingesetzten Leiharbeitsbeschäftigten ab dem ersten Tag des Einsatzes entsprechend dem Equal-Pay-Gebot die betriebsübliche Vergütung einschließlich Zulagen und Leistungslohn zu gewähren. Der Nachweis der Vereinbarung mit den Leiharbeitnehmer/innen über die vorgenannte Entlohnung ist Bestandteil der vertraglichen Verpflichtung des Verleihunter-nehmens.

Kommentierung:Die einvernehmliche Festlegung sichert die Mitbestimmung des Betriebsrats bei der Auswahl. Der Betriebsrat kann hierüber die Einhaltung der vereinbarten Auswahlkriterien sichern. Verleihunternehmen, die die Dum-pingtarifverträge der CGZP anwenden, werden ausgeschlossen. Die Begünstigung von Verlei-hunternehmen mit Betriebsrat ist sowohl po-litisch wie aber auch im Interesse der Integra-tion der eingesetzten Leiharbeitnehmer/innen vorteilhaft. Da es aber kaum Verleihunterneh-men mit Betriebsrat gibt, kann dies zumindest

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Ausgabe #3 | Oktober 2009 | Arbeitspapier für Betriebs- und Personalräte zum Umgang mit Leiharbeit

derzeit kaum zwingend gefordert werden.Das Equal-Pay-Gebot sollte in der Betriebs-vereinbarung durchgesetzt werden, um den eingesetzten Leiharbeitnehmer/innen zumin-dest im Einsatz eine adäquate Entlohnung anzubieten. Sie können dann auch nicht mehr als Lohndrücker im Einsatzbetrieb fungieren.

§ 7 Einstellungsverfahren

(1) Soweit im Betrieb Leiharbeitnehmer/innen eingesetzt werden sollen, ist der Betriebsrat recht-zeitig nach § 99 BetrVG zu beteiligen. Im Rahmen der Anhörung sind die Unterlagen – über die unter § 3 genannten betrieblichen Voraussetzungen, – der sich auf den Einsatz beziehenden Personalplanung, – über die Auswahlentscheidung bezüglich des Verleihunternehmens und – die Vertragsentwürfe mit dem Verleihunter- nehmen beizufügen.

(2) Es besteht Übereinstimmung, dass vorzugs-weise Leiharbeitnehmer/innen eingestellt werden, die durch vorhergehende Einsätze bereits eine Bindung an den Betrieb gewonnen haben. Im Rahmen der Einstellung wird festgestellt, wel-chen Betriebsabteilungen/ Schichten/ Linien die Leiharbeitnehmer/innen zugeordnet werden. Dort beschäftigte Stammarbeitnehmer werden nicht durch Leiharbeitnehmer/innen in ihrer Entwicklung beeinträchtigt.

(3) Der Betriebsrat kann über die gesetzlich vor-gesehenen Zustimmungsverweigerungsgründe hinaus auch die Zustimmung verweigern, wenn der Einsatz einer der unter §§ 3 bis 6 dieser Betriebsvereinbarung genannten Bestimmungen entgegenstehen würde.

Kommentierung:Das Einstellungsverfahren ist der Dreh- und Angelpunkt der Beschäftigung von Leiharbeit-nehmer/innen. Hier ist durch die Einbeziehung der Leiharbeitnehmer/innen in die von der Mit-bestimmung erfassten Personen (vgl. Fitting u.a., § 99 BetrVG, Rn. 18) das originäre Recht des Betriebsrats auf Einflussnahme angesie-delt. Durch die Pflicht des Arbeitgebers zur Vorlage der den Einsatz begründenden Unter-lagen kann der Betriebsrat sowohl die gesetz-lichen wie auch seine sich aus der Betriebs-vereinbarung ergebenden weitergehenden Zustimmungsverweigerungsrechte nutzen.Bei der Auswahl der Leiharbeitnehmer/in-nen ist ein Vorrang der bereits im Betrieb bekannten Leiharbeitnehmer/innen für alle Beteiligten von Vorteil; für die Leiharbeitneh-mer/innen schon deshalb, weil sie die ohnehin häufigen Wechsel ein wenig minimieren kön-nen. Die Festlegung des konkreten Arbeits-orts sichert die vorgegebene Zielsetzung und ermöglicht den Mitgliedern des Betriebsrats den Erstkontakt.

§ 8 Gleichbehandlungsgebot

(1) Arbeitgeber und Betriebsrat haben darauf zu achten, dass alle im Unternehmen beschäftigten Leiharbeitnehmer/innen mit der Stammbelegschaft gleich behandelt werden. Den Leiharbeitnehmer/innen stehen für die Zeit der Beschäftigung die gleichen Rechte aus dem Betriebsverfassungsge-setz zu wie der Stammbelegschaft.

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Ausgabe #3 | Oktober 2009 | Arbeitspapier für Betriebs- und Personalräte zum Umgang mit Leiharbeit

(2) Geltende Betriebsvereinbarungen sind, soweit möglich, auch auf die Leiharbeitnehmer/innen anzuwenden. Dies gilt bei einer Einsatzdauer von mehr als xxx Monaten auch für den Zugang zu betrieblichen Weiterbildungsmaßnahmen. Die Betriebspartner werden, soweit dies erforderlich ist, Anpassungsregelungen für die bestehenden Betriebsvereinbarungen treffen, um eine weiter-gehende Anwendung der Betriebsvereinbarungen entsprechend ihres beabsichtigten Sinn und Zwecks auf die Leiharbeitnehmer/innen zu ermög-lichen. Die Überarbeitung der Betriebsvereinba-rungen ist Bestandteil der Personalplanung.

(3) Es wird ausdrücklich anerkannt, dass die Integration der Leiharbeitnehmer/innen für den Betriebsrat eine zusätzliche Aufgabe ist, die zusätzliche Zeit benötigt. Aus diesem Grunde wer-den die Leiharbeitnehmer/innen bei der Festlegung der Gesamtbeschäftigtenzahl und der Anzahl der freizustellenden Betriebsratsmitglieder mitgezählt.

Kommentierung:Das Gleichbehandlungsgebot sichert die Gleichbehandlung von Leiharbeits- zu Stamm-beschäftigten genauso wie die Gleichbehand-lung von Männern und Frauen. Die Zusiche-rung der gleichen Rechte aus dem BetrVG eröffnet dem Betriebsrat die Zuständigkeit auch für die Rechte der Leiharbeitnehmer/innen. Die gesetzliche Reichweite der Zustän-digkeit ist rechtlich umstritten; hier wird der weitestgehende Weg gewählt.Die Einbeziehung von Leiharbeitnehmer/in-nen in Betriebsvereinbarungen ermöglicht die weitgehende Angleichung der Arbeitsbedin-gungen mit der Stammbelegschaft. Es ist aber erforderlich, die Betriebsvereinbarungen auf die tatsächliche Übertragbarkeit zu überprü-fen. Damit dies nicht allein eine Absichtsbe-kundung bleibt, ist es sinnvoll, die Arbeit in die Systematik der Leiharbeitseinsatzplanung aufzunehmen.

Es ist wissenschaftlich festgestellt, dass die Integration von Leiharbeitnehmer/innen für die Betriebsräte im Entleihbetrieb zu Mehrarbeit führt. Diesem Umstand hat das Bundesarbeits-gericht bisher keine Rechnung getragen. Es hat in einem Beschluss vom 16.04.2003 (AP Nr. 7 zu § 9 BetrVG 2002) festgestellt, dass Leihar-beitnehmer/innen zwar mitwählen dürfen, aber bei der für die betriebsrätliche Arbeitsbewälti-gung wichtigen Grenzwertberechnung nicht mitzählen. Deshalb sollte durch die betriebliche Vereinbarung sichergestellt werden, dass die Zusatzarbeit auch Raum bekommt. Der Passus ist besonders wichtig, wenn die Beschäftig-tenzahl knapp unter den Grenzwerten liegt. In anderen Fällen könnte hier ein Verhandlungs-potenzial eröffnet werden.

§ 9 Gesundheitsschutz

(1) Der erhöhten Unfallgefährdung von Leiharbei-tnehmer/innen wird dadurch Rechnung getragen, dass diejenigen Arbeitsplätze, die von Leiharbeit-nehmer/innen eingenommen werden, vorab einer Gefährdungsanalyse unterzogen werden. Die Leiharbeitnehmer/innen erhalten vor Arbeitsauf-nahme eine über das betriebsübliche Maß hinaus reichende Unterweisung am Arbeitsplatz.

(2) Die Anzahl der Leiharbeitnehmer/innen wird bei der Berechnung der Einsatzzeiten von Fach-kräften für Arbeitssicherheit und von Betrieb-särzten berücksichtigt.

Kommentierung:Zur erhöhten Unfallgefährdung ist im Artikel „Leiharbeit als Handlungsfeld der gemein-samen deutschen Arbeitsschutzstrategie“ von Hanns Pauli, Gute Arbeit, 4/2008, S. 6 ff, ausführlich Stellung bezogen worden. Die in der Betriebsvereinbarung vorgeschlagenen Maßnahmen sind dem Artikel entnommen worden.

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Ausgabe #3 | Oktober 2009 | Arbeitspapier für Betriebs- und Personalräte zum Umgang mit Leiharbeit

§ 10 Übernahme von Leiharbeitsbeschäftigten

(1) Ergibt sich in einem Bereich, in dem Leiharbeit-nehmer/innen eingesetzt werden, ein dauerhafter Personalbedarf, der zu Neueinstellungen führt, sind die Leiharbeitnehmer/innen unter Berücksich-tigung der vorhandenen und benötigten Qualifika-tion bevorzugt zu berücksichtigen. Indiz für einen dauerhaften Personalbedarf sind die unter §4 vorgesehenen Personalplanungsgespräche.

(2) Beim Zustandekommen eines Arbeitsverhält-nisses sind Zeiten der Beschäftigung als Leiharbei-tnehmer/in auf die Beschäftigungszeit anzurech-nen.

Kommentierung:Idee der gesetzlichen Ausweitung von Leihar-beit in den Betrieben war die Vorstellung, dass Beschäftigte durch den sog. Klebeeffekt in Normalarbeitsverhältnisse wechseln würden. Dieser Klebeeffekt ist bisher kaum eingetreten. Durch die bevorzugte Berücksichtigung der Leiharbeitnehmer/innen bei Neueinstellungen ist ein solcher Klebeeffekt zumindest wahr-scheinlicher. Zu beachten ist allerdings, dass nicht Leiharbeitsverhältnisse genutzt werden sollten, um die ansonsten übliche Probezeit im Normalarbeitsverhältnis über die Maßen auszudehnen.

§11 Verfahren bei Streitigkeiten

Kommt es im Zusammenhang mit einem Einsatz von Leiharbeitnehmer/innen zu Meinungsverschie-denheiten, entscheidet eine aus je zwei Mitglie-dern der Betriebsparteien bestehende paritätische Kommission. Kommt es hier zu keiner Einigung, entscheidet eine Einigungsstelle nach § 76 BetrVG verbindlich.

Kommentierung:In vielen Fällen meiden Betriebsräte aus selbstverstandener Loyalität Arbeitsgerichtsver-fahren, selbst wenn es relativ sicher ist, dass sie obsiegen würden. Eine außergerichtliche Streitschlichtung ermöglicht es, den Streit so-wohl zügig wie auch ohne Gerichtsverfahren auszutragen.

§ 12 Inkrafttreten/ Laufzeit

Diese Betriebsvereinbarung tritt am xxx in Kraft. Sie kann mit einer Frist von sechs Monaten zum Ende eines Kalenderjahres gekündigt werden. Bis zum Abschluss einer neuen Betriebsvereinbarung wirken die Bestimmungen dieser Vereinbarung nach.

Kommentierung:Eine Nachwirkung der Betriebsvereinbarung ermöglicht Verhandlungen ohne Zeitdruck seitens des Betriebsrats. Es wird hierbei davon ausgegangen, dass eher der Arbeitgeber ein Anpassungsinteresse hat.

.................................... ....................................... Arbeitgeber Betriebsrat

.................................... ....................................... Ort, Datum Ort, Datum

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66 % GehALt für 100 % eInsAtz …

LeiharbeiterInnen bekommen für die gleiche Arbeit ein Drittel weniger Lohn und Gehalt als Beschäftigte in Festanstellung. Und ganz zu schweigen von der fehlenden Anerkennung als Teil eines betrieblichen Teams.

ver.di fordert für 100 % Einsatz auch 100 % Gehalt und setzt sich für die Rechte und Interessen der LeiharbeiterInnen ein.

I m p r e s s u m

Herausgeber:

ver.di - Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft

Verantwortlich: Petra Gerstenkorn

Bearbeitung: Gerd Denzel

Autorin:

Christine Zumbeck

Leiterin Geschäftsbereich Betriebsräte-

qualifizierung im DGB Bildungswerk

Gestaltung: Hansen Kommunikation, Köln

Druck: Bunter Hund, Berlin

W-Nr. 2737-40-0909

3A u s b l i c k n ä c h s t e A u s g a b e :Arbeits- und Gesundheitsschutz in der Leiharbeit

Literaturtipp: Christine Zumbeck, Leiharbeit und befristete Beschäftigung (Auswertung von 110 Betriebs- und Dienstvereinbarungen zu Leiharbeit und Befristung), Bund-Verlag

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