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Herbsttagung der Arbeitsgemeinschaft für Verwaltungsrecht im Deutschen Anwaltverein Landesgruppe Nordrhein-Westfalen Kommunalabgabenrecht Rechtliche Einordnung, gesetzliche Grundlagen und Schranken Univ.-Prof. Dr. Christoph Brüning Lehrstuhl für Öffentliches Recht und Verwaltungswissenschaften Christian-Albrechts-Universität zu Kiel

Kommunalabgabenrecht...Kosten t Erforderlichkeit der Kosten 28.10.2015 Nicht alle betriebsbedingten, d. h. durch die Leistungserstellung verursachten, sondern nur die für die Aufgabenerfüllung

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Herbsttagung der Arbeitsgemeinschaft für Verwaltungsrecht im Deutschen Anwaltverein Landesgruppe Nordrhein-Westfalen

Kommunalabgabenrecht

Rechtliche Einordnung, gesetzliche Grundlagen und Schranken

Univ.-Prof. Dr. Christoph Brüning Lehrstuhl für Öffentliches Recht und Verwaltungswissenschaften Christian-Albrechts-Universität zu Kiel

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Agenda

• Überblick über die Kommunalabgaben

• Öffentliche Einrichtung

• Grundlagen der Gebührenkalkulation – Verfahren

– Veranschlagungsmaxime

– Kosten

– Prinzipien der Kostenverteilung

– Gebührenarten

• Grundlagen der Abgabenerhebung

• Rechtsschutz

• Entwicklungspotenziale der Kostenkontrolle

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Überblick – Kommunalabgabenrecht

• Bsp.: Finanzierung der Abwasserbeseitigungseinrichtung:

– Anschlussbeitrag (§ 8 KAG):

• Einmalig für die Herstellung, Anschaffung, Erweiterung der öffentlichen Einrichtung und Anlagen

• Kann erhoben werden, anderenfalls vollständige Refinanzierung über Abwassergebühren

– Abwassergebühr (§ 6 KAG):

• Schmutzwasserbeseitigung

• Niederschlagswasserbeseitigung

– Kostenersatz (§ 10 KAG)

• Haus- und Grundstücksanschlüsse

• von der Gemeinde hergestellt, erneuert, verändert, beseitigt, unterhalten werden und nicht Bestandteil der kommunalen Abwasserbeseitigungseinrichtung

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Überblick – Kommunalabgabenrecht

• Abgrenzung: Beitrag und Gebühr – Grundsatz der Einmaligkeit der Beitragserhebung

Argument: Vorteil der Anschlussmöglichkeit

– Folge: Keine nochmalige Herstellung/Anschaffung Argument: Der Anlagenbegriff ist im Gegensatz zum Erschließungs- und Straßenbau-Beitragsrecht weiter.

Beispiel: Austausch einzelner Kanalteile ist keine beitragsfähige Maßnahme, sondern Instandhaltungs- bzw. Sanierungsmaßnahme und deshalb über die Abwassergebühr als Benutzungsgebühr zu finanzieren.

– Gemeinde kann die Erhebung von Beiträgen zugunsten einer vollständigen Gebührenfinanzierung abschaffen.

• Folge: Doppelbelastung derjenigen Grundstückseigentümer, die in der Vergangenheit Beiträge gezahlt haben, weil ab dem Stichtag die Herstellungskosten über höhere Abwassergebühren finanziert werden.

• Deshalb: Pflicht der Gemeinde, diese Doppelbelastung z.B. durch unterschiedliche Abwassergebührensätze oder durch Rückzahlung der Beiträge zu beseitigen.

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Überblick – Kommunalabgabenrecht

• Abgrenzung: Beitrag und Kostenersatz – Gegenstand des Ersatzanspruches nach § 10 KAG ist der Aufwand für die Herstellung,

Erneuerung, Veränderung, Unterhaltung, Beseitigung der Haus- und Grundstücksanschlüsse.

– Haus- und Grundstücksabschlüsse sind nicht Bestandteil der öffentlichen Abwassereinrichtung; Rechtsfolge: Kanalanschlussbeiträge und Kostenersatzanspruch können nebeneinander geltend gemacht werden.

– Grundstücksanschlüsse gehören zur öffentlichen Abwassereinrichtung; Rechtsfolgen:

Finanzierung der Kosten der Herstellung über Beiträge; sonstige Kosten z.B. der Erneuerung werden über Abwassergebühren finanziert.

Werden keine Anschlussbeiträge erhoben, so wird auch die Herstellung über Abwassergebühren finanziert, wenn Haus- und Grundstücksanschluss Teil der öffentlichen Einrichtung ist.

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Überblick – Anschlussbeitragsrecht

• Beitragsarten:

– Anschlussbeitrag: leitungsgebundene öffentliche Einrichtung (KAG)

– Ausbaubeitrag: öffentliche Straßen, Wege und Plätze sowie weitere

selbständige Anlagen (z.B. Grün- und Parkflächen) (KAG)

– Erschließungsbeitrag: nichtleitungsgebundene öffentliche Anlagen (§§

127 ff. BauGB)

• Zwar nur Ausschnitt beitragsfähiger Maßnahmen (nur Herstellung, nicht

Verbesserung, Erneuerung usw.) und Anlagen (nicht z.B.

Wirtschaftswege, vgl. § 127 Abs. 2 BauGB),

• aber als Bundesrecht vorrangige Sonderregelung.

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Überblick – Anschlussbeitragsrecht

• Rechtsgrundlage: § 8 KAG

• Beitragstatbestand: – Öffentliche Einrichtung

• Leitungsgebundene öffentliche Anlage

• Widmung

• Notwendigkeit: Organisationsermessen

– Beitragsfähige Maßnahme • Herstellung, Anschaffung, Erweiterung

• Aufwand Aufwandsüberschreitungsverbot, Veranschlagungsmaxime

Grundprinzipien der Kalkulation

Kosten nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen

– Anschlussmöglichkeit • Tatsächlich: betriebsfertiger und objektiv geeigneter Straßenkanal

• Rechtlich: Ortsrecht

• Vorteilsbegründend: baulich nutzbares Grundstück

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Überblick – Anschlussbeitragsrecht

• Sachliche Beitragspflicht:

– Satzung

• Tatbestand, Abgabenschuldner, Maßstab und Satz, Zeitpunkt der Fälligkeit

• Zeitpunkt der (erstmaligen) Entstehung der Vorteilslage

• Ggf. Rückwirkung

– Maßstab

• Besonderer wirtschaftlicher Vorteil

• Aufgrund der Anschlussmöglichkeit

– Prinzipien der Aufwandsverteilung

• Vorteilsgerechtigkeit

• Beitragserhebung:

– Heranziehungsbescheid

– Festsetzungsverjährung

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Überblick – Benutzungsgebührenrecht • Rechtsgrundlage: § 6 KAG

• Gebührentatbestand: – Öffentliche Einrichtung

• Sachgesamtheit

• Widmung

• Umfang: Organisationsermessen

– Kostenträchtiger Betrieb • Leistungserbringung

• Kosten Kostendeckungsgebot, Veranschlagungsmaxime

Grundprinzipien der Kalkulation: Erforderlichkeit, Betriebsbezogenheit, Periodengerechtigkeit

Kosten nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen

– Benutzung, Inanspruchnahme • Tatsächlich, nicht fingiert aufgrund A.- u. B.-Zwangs

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Überblick – Benutzungsgebührenrecht • Sachliche Gebührenpflicht:

– Satzung • Tatbestand, Abgabenschuldner, Maßstab und Satz, Zeitpunkt der Fälligkeit

• Zeitpunkt der (erstmaligen) Benutzung der Einrichtung

• Ggf. Rückwirkung

– Maßstab • Wirklichkeit der Inanspruchnahme

• Wahrscheinlichkeit der Inanspruchnahme

– Prinzipien der Kostenverteilung • Äquivalenz

• Willkürverbot

• Leistungsproportionalität

• Gebührenerhebung: – Heranziehungsbescheid

– Festsetzungsverjährung

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Öffentliche Einrichtung

• Begriff genannt in §§ 6, 8 KAG, aber dort nicht definiert.

• Rückgriff auf §§ 8, 9 GO, danach:

Sachgesamtheit

Öffentlicher Zweck

Benutzerkreis

• Voraussetzung: Widmung = Willenserklärung

• Folge: Benutzungsanspruch, ggf. sogar Anschluss- und Benutzungszwang

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Öffentliche Einrichtung

• Öffentliche Einrichtung muss nicht im Eigentum, schon gar nicht im Alleineigentum des Einrichtungsträgers stehen!

• Vgl. § 53 Abs. 1 S. 3 LWG

• Voraussetzung ist dauerhafter und sicherer Zugriff des Ei ri htu gsträgers auf „fre de“ A lage teile. – Geschäftsbesorgungs- oder Gesellschaftsvertrag zwischen

Gemeinde und Dienstleister

– Einwirkungs-/Ingerenzbefugnisse der Gemeinde: Weisungen, Kontrolle

– Zustimmung des Fremdeigentümers zur Widmung

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Grundlagen der Gebührenkalkulation

• Bezugsgröße der Ge ühre e essu g: „Inanspruchnahme“, § 6 Abs. 3 KAG

• Quantifizierung des Wertes der jeweiligen Leistung im Wettbewerb: durch

Preisbildung

• Bei Monopolbetrieb, ggf. mit Anschluss- und Benutzungszwang: über Kosten

unterschiedliche Leistungen wertmäßig erfassen und voneinander abgrenzen

– Auf der ersten Stufe: Reglementierung der berücksichtigungsfähigen Kosten

Grundprinzipien: Erforderlichkeit, Betriebsbezogenheit, Periodengerechtigkeit

– Auf der zweiten Stufe: Kostenverteilung, die vertikal nicht zu übermäßigen

Belastungen bestimmter Benutzer(gruppen) und horizontal nicht zu

ungleichen Belastungen zwischen gleichen Benutzer(gruppen)

Grundprinzipien : Äquivalenz, Gleichheit

Sog. Leistungsproportionalität betrifft sowohl die Kostenveranschlagung als auch

die Maßstabsregelung (vgl. OVG Münster, U. v. 16.1.2014 – 14 A 2794/12 – ZKF

2014, 93 f.)

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Verfahren zur Berechnung des Gebührensatzes

• Divisionskalkulation: Kosten : Maßstabseinheiten = Satz

• Kostendeckungsgebot, ggf. Kostenüberschreitungsverbot (vgl. § 6 Abs. 1 S. 3 KAG NW)

Kostendeckungsprinzip bezieht sich auf das gesamte Gebührenaufkommen

Gegenüberstellung sämtlicher Gebühren für eine bestimmte Art von Leistungen und den Kosten dieser Leistungen

Keine Maßgaben für individuelle Gebührenveranlagung und Zulässigkeit von Kostensätzen

• Veranschlagungsmaxime

§ 6 A s. 1 Satz 3 KAG: „ era s hlagtes Ge ühre aufko e “

Gebührenkalkulation ist Gebührenbedarfsberechnung

Schätzung voraussichtlicher Kosten und voraussichtlicher Maßstabseinheiten

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Veranschlagungsmaxime

Maßgeblich ist nicht die noch unbekannte tatsächliche Entwicklung in der Rechnungsperiode, sondern die Sachgerechtigkeit der Veranschlagung.

Prognostische Ermittlung

Schätzungen und Wertungen

Jede Schätzung (Prognose) kann sich als falsch erweisen.

Unvorhergesehene Entwicklungen im Kalkulations- und Veranlagungszeitraum, insbesondere Kostensteigerungen, wirken sich auf die Richtigkeit der Kalkulation nicht aus; dies folgt aus der Normqualität der Satzung.

Die Entstehung von Gebührenüberschüssen in einem Haushaltsjahr, berührt die Rechtmäßigkeit der Gebührenerhebung nicht.

Folge: Ausgleich von Über- und Unterdeckungen, § 6 Abs. 3 S. 3 KAG

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Kosten – Begriff

Kostenbegriff bundesrechtlich nicht vorgegeben, sondern landesrechtlich geprägt.

Fragmentarische gesetzliche Bestimmungen zu ansatzfähigen Kosten

Entgelte für in Anspruch genommene Fremdleistungen

Abschreibungen und eine angemessene Verzinsung des aufgewandten Kapitals (vgl. § 6 Abs. 2 S. 4 u. 5 KAG NW)

I Ü rige Geltu g „ etrie s irts haftli her Gru dsätze“ ( gl. § 6 Abs. 2 S. 1 KAG NRW)

Danach sog. wertmäßiger Kostenbegriff: Wertverzehr an Gütern und Dienstleistungen an, welcher durch die Leistungserbringung in einer Periode bedingt ist.

≠ pagatoris her Koste egriff: Ausgaben

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Kosten – Betriebsbedingtheit der Kosten

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durch die Leistungserstellung verursacht

Nicht ansatzfähig sind Kosten, die bloß bei Gelegenheit des

Betriebs anfallen und keinen Bezug zur Leistungserstellung

haben

Kostenwirksamkeit von Güterverzehr nur bei kausalem

Zusammenhang mit den Sachzielen des Unternehmens

Keine Betriebsbedingtheit bei zufälligen oder nicht

leistungsorientierten Wertverzehr

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Kosten – Erforderlichkeit der Kosten

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Nicht alle betriebsbedingten, d. h. durch die

Leistungserstellung verursachten, sondern nur die für die

Aufgabenerfüllung erforderlichen Kosten

Nicht berücksichtigungsfähig sind überflüssige und/oder

übermäßige Kosten.

Einrichtungsbezogen und kostenbezogen

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Kosten – Periodengerechtigkeit der Kosten

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Zeitliche Komponente: Berücksichtigungsfähig sind nur diejenigen Kosten, die für die Leistungserstellung in einer Rechnungsperiode entstehen.

kein Kassenwirksamkeitsprinzip

Identität von Kalkulations- und Veranlagungszeitraum

Durchbrechung durch Möglichkeit des Ausgleichs von Über-/Unterdeckungen

Problemfälle: – Kosten für Vorfinanzierung – Anlagen im Bau – Investitionsruinen – Rückstellungen

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Kosten – Beispiele

Personalkosten

Materialkosten (Sachkosten) für Verbrauch in einer Rechnungsperiode

Abnutzung des Anlagevermögens durch Abschreibungen

Finanzierungskosten durch kalkulatorische Zinsen

Fremdleistungskosten

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Grundlagen der Kostenverteilung

• Zusammenhang von Kostendeckung und Maßstab Gesamtkosten als Dividend Summe der Maßstabseinheiten als Divisor Verteilungsregelung ohne Einfluss auf die Kostendeckung Aber: Kostenüberdeckung bei Veranschlagung von zu wenig

Maßstabseinheiten

• Wirklichkeits- oder Wahrscheinlichkeitsmaßstab, § 6 Abs. 3 KAG • Ausgestaltung des Gebührenmaßstabs im Ermessen der

Gemeinde nicht notwendig den zweckmäßigsten oder vernünftigsten Maßstab

zu wählen auch nicht zwingend denjenigen Wahrscheinlichkeitsmaßstab, der

dem Wirklichkeitsmaßstab am nächsten kommt

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Verteilungsprinzipien

• Äquivalenzprinzip

Grundsatz der Verhältnismäßigkeit

Kein Missverhältnis zwischen Gebühr und Wert der Leistung für den Gebührenpflichtigen

Verletzung nur bei gröblicher Störung des Ausgleichsverhältnisses

• Willkürfreiheit des Art. 3 Abs. 1 GG

Sachlicher Grund für Differenzierung zwischen Gebührenpflichtigen ist Maß der Inanspruchnahme der Einrichtung.

Aber: Grundsatz der Typengerechtigkeit

• Leistungsproportionalität

Prinzip der speziellen Entgeltlichkeit

Belastung nur mit den Kosten der in Anspruch genommenen Leistung

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Gebührenarten

• Einheits- und Sondergebühren Voraussetzung: mehrere teilbare Leistungen Folge: u.U. werden nicht alle Leistungen von allen Benutzern in

Anspruch genommen Problem: Zulässigkeit der Einheitsgebühr

• Grund- und Zusatzgebühren Hintergrund: Aufrechterhaltung der Betriebsbereitschaft

verursacht invariable, verbrauchsunabhängige Betriebskosten Folge: gleiche Belastung aller Benutzer Problem: Zulässigkeit

• Mindestgebühren Zur Deckung sämtlicher Kosten der Leistungserstellung Im unteren Mengenbereich der Inanspruchnahme

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Äquivalenzziffernrechnung

• Methode: Differenzierung von Leistungsbereichen anhand von Gewichtungsfaktoren

• z.B. degressive Staffelungen: Schüttdichte, Gebührenabschlag für Selbstkompostierer, Verschmutzungsgrad, Großverbraucher

• Keine Auswirkung auf Grad der Kostendeckung, sondern Verteilungsregel

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Grundlagen der Abgabenerhebung

• Nicht unmittelbar auf kommunalabgabengesetzlicher Grundlage, sondern nur aufgrund einer Satzung.

• Satzungen sind Rechtsvorschriften, die von einer dem Staat nachgeordneten juristischen Person des Öffentlichen Rechts, hier einer kommunalen Selbstverwaltungskörperschaft, im Rahmen der ihr gesetzlich verliehenen Autonomie mit Wirksamkeit für die ihr angehörigen und unterworfenen Personen erlassen werden.

• Satzungen sind dem staatlichen Recht nachgeordnet, d.h. sie dürfen weder einem Gesetz noch einer Verordnung des Bundes oder Landes widersprechen.

• Formell: Satzungsbeschluss der kommunalen Vertretungskörperschaft

• Materielle Vorgaben: Gebote der Normenklarheit und Normenbestimmtheit

Ausformung durch § 2 Abs. 1 Satz 2 KAG

Vorgaben für die Abgabenkalkulation

Regeln für Verteilung von Aufwand bzw. Kosten

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Grundlagen der Abgabenerhebung

• Öffentlich-rechtlicher Entsorgungsträger bleibt Gebührengläubiger; möglich ist Inkasso des Privaten.

• Gebührenpflichtig ist derjenige, der die Leistung in Anspruch nimmt. § 2 Abs. 1 S. 2 KAG verlangt Festlegung des Kreises der

Gebührenschuldner in Satzung. Für sog. Hausgebühren (Entwässerung, Abfallentsorgung,

Straßenreinigung) darf auf die dem einzelnen Grundstück erbrachte Gesamtleistung abgestellt werden, deshalb i.a.R. Grundstückseigentümer.

Ausdrückliche Regelungen in § 6 Abs. 5 KAG SH.

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Grundlagen der Abgabenerhebung

• Grundbesitzabgabenbescheid § 12 KAG verweist auf Vorschriften der AO.

Irreversibles Landesrecht

Weitgehende Anwendungssperre für VwVfG, aber

Vollstreckung nach VwVG, vgl. § 12 Abs. 1 Nr. 6 KAG

Nachveranlagung, Festsetzungsverjährung

Erstellung von Gebührenbescheiden durch Dritte Gebührenbescheid muss die erlassende Behörde erkennen lassen.

Anderenfalls ist er nichtig.

Entscheidungsverantwortung zwingend bei Gemeinde, Privater nur als Verwaltungshelfer einsetzbar.

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Rechtsschutz

• Hauptanwendungsfall der Kontrolle: Anfechtung

konkreter Abgabenbescheide

Rechtswidrigkeit aufgrund fehlerhafter Anwendung der

Rechtsgrundlage

Vorfrage, ob und inwieweit die Satzung selbst mit

höherrangigem Recht vereinbar ist, sog. Inzidentkontrolle

• Prinzipale Normenkontrolle nach § 47 Abs. 1 Nr. 2

VwGO nicht in Nordrhein-Westfalen

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Rechtsschutz

• Kontrolldichte

Kein automatisches Durchschlagen von

Kalkulationsmängeln auf die Rechtmäßigkeit der Satzung

Vorrang des Normgebers gegenüber den

normgebundenen Verwaltungsgerichten

• Bezugspunkt Kalkulation und Satz

• Bezugspunkt Kosten

• Bezugspunkt Kostenverteilung

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Entwicklungspotenziale der Kostenkontrolle Beitrag des Vergaberechts

• Bezugspunkt: Fremdkosten • Vermeidung von Ineffizienz durch funktionsfähigen

Wettbewerb • Beschaffung über Wettbewerbspreis als – vermeintlich –

wirtschaftlicher Weg • Kommunalabgabenrecht schweigt zur Vergabepflichtigkeit,

insoweit Rückgriff auf Unionsrecht, nationales Vergaberecht und Haushaltsrecht

• Zuschlag an das wirtschaftlichste Angebot nach ordnungsgemäßem Vergabeverfahren bedingt Gebührenfähigkeit des Fremdleistungsentgelts

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Entwicklungspotenziale der Kostenkontrolle Beitrag des Preisrechts

• Ohne Vergabeverfahren ist die Erforderlichkeit des

Fremdentgelts anhand des Öffentlichen Preisrechts

(Verordnung PR Nr. 30/53) zu bestimmen.

• Vorrang des Markt- oder Wettbewerbspreises

• Entgelte für Fremdleistungen, die den nach Leitsätzen für die

Preisermittlung (LSP) ermittelten Preisen entsprechen, sind

regelmäßig ansatzfähige Kosten.

• Fremdentgelte dürfen nach LSP ermittelte Höchstpreise nicht

überschreiten.

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Entwicklungspotenziale der Kostenkontrolle Beitrag von Regiekostenvergleichen

• Rückgriff auf Vergleich der Kosten eines Regiebetriebs mit

der entgeltlichen Zuhilfenahme privater Erfüllungsgehilfen

• Nicht erforderlich sind die Kosten ganz oder zumindest in der

Höhe, in der sie die Kosten eines Regiebetriebs übersteigen

• Umgekehrt: Keine (Re-)Kommunalisierung bei

vergleichsweise kostenungünstiger Wasserversorgung durch

die Gemeinde

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Entwicklungspotenziale der Kostenkontrolle Beitrag von Kostenkennzahlenvergleichen

• Vergleichsbetrachtung auf kongruente Erscheinungsformen

andernorts

• Ansatz des Benchmarking (freiwillige Leistungsvergleiche in der

Wasserwirtschaft)

• Schwierigkeit unterschiedlicher Rahmenbedingungen,

Produktionsverhältnisse und Produktdefinitionen

• Gebührenrecht zieht Quervergleich einzelner Kostenarten Grenzen: – Maßgeblichkeit des Gebührensatzes als Ergebnis

– Fehlertoleranz

• Aber: Benchmarks überschreitende Kostenpositionen indizieren

eine nähere Betrachtung.

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Entwicklungspotenziale der Kostenkontrolle Beitrag energiewirtschaftlicher Preisregulierung

• Vermeintliche oder tatsächliche Ähnlichkeit des Infrastruktur-elements Wasser mit anderen Sektoren wie Strom und Gas

• Berücksichtigung der Regulierungsvorgaben der §§ 4 ff. StromNEV und §§ 4 ff. GasNEV

• Aber: Besonderheiten der Wasserversorgung – Keine Trennung von Netz und Vertrieb und damit auch kein Wettbewerb

um Abnehmer – anders in den Bereichen von Strom und Gas. – Kalkulation und Regulierung von energiewirtschaftlichen Netznutzungs-

entgelten die e a dere Z e ke als Kalkulatio u d Aufsi ht o „all i lusi e“-Endkundenentgelten in der Wasserversorgung.

– Mangels Entflechtung Erzeugungskosten nicht losgelöst von den Netzkosten zu betrachten.

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Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit! Noch Fragen?

[email protected] 0431/880-1505

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