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man den Blick über den Bereich des Naturschutzrechts hinaus auf alle von der Abweichungsgesetzgebung betroffenen Regelungsmaterien richte. Hier gebe es nicht immer ein eindeutig definiertes Schutzgut. Es müssten aber einheitliche Anwendungsregelungen für die Abweichungsgesetzgebung gefunden werden. Erhellend war in diesem Zusammenhang auch der Hinweis auf die teilweise gleichen Problemfelder bei Art. 31 GG und Art. 142 GG. Schließlich wurde auch in der Diskussion nochmals die Problematik
deutlich, eine Abweichung als solche zu definieren und zu erkennen. Im Zusammenhang mit dem Konflikt mit abweichenden Vorschriften in Landesverfassungen wurde angemerkt, dass der Landesverfassungsgeber nicht an den Kompetenzkatalog des Grundgesetzes gebunden sei. Ob eine bundesrechtliche Regelung vorgehe, richte sich nach Art. 31 GG. Der Workshop hat erneut deutlich gemacht, wie vielschichtig, und problembehaftet das Thema der Abweichungsgesetzgebung ist.
Am 28. und 29. November fand nach 2011 zum zweiten Mal die Bremer Konferenz zum Maritimen Recht im Haus Schütting statt. Zu der von der Kieserling Stiftung und dem Forschungsverbund für Maritimes Recht der Metropolregion BremenOldenburg, bestehend aus den Universitäten und Hochschulen Bremens und Bremerhavens, veranstalteten Konferenz versammelten sich rund 150 Teilnehmer. Die Konferenz wurde in zwei voneinander getrennten Themenbereichen abgehalten. Am ersten Tag beschäftigten sich insgesamt fünf Fachvorträge samt anschließender Diskussion mit öffentlichrechtlichen Fragestellungen zum Thema „Probleme und Perspektiven der Meeresnutzung“, die hier Gegenstand des Konferenzberichtes sind. Am zweiten Tag standen zivilrechtliche Aspekte in dem Themenbereich „Seehandelsrecht – Made in Germany“ im Vordergrund. Zu Beginn der Konferenz wurden die Referenten und Teilnehmer von dem Präses der Handelskammer Bremen, Chris-toph Weiss sowie Dr. Heiner Heseler, Staatsrat beim Senator für Wirtschaft, Arbeit und Häfen der Freien Hansestadt Bremen begrüßt und auf die zunehmende Bedeutung und Aktualität der beiden Themenbereiche hingewiesen.
Der von Dr. Till Markus, Universität Bremen, moderierte Themenbereich „Probleme und Perspektiven der Meeresnutzung“ begann mit dem Vortrag „Es wird eng auf der hohen See! Einführung in das Thema der Meeresnutzung“ von Prof. Dr. Karen Wiltshire, stellvertretende Direktorin des AWI und Leiterin der Biologischen Forschungsanstalt auf Helgoland und Sylt. In diesem stellte sie die verschiedenen Meeresnutzungen sowie deren Auswirkungen auf die Meeresökologie vor und bildete damit die wissenschaftliche Grundlage für den gesamten ersten Konferenztag. Wiltshire erklärte die den jeweiligen Nutzungen zugrundeliegenden Techniken und Prozesse, anhand derer den Teilnehmern ein umfassender Einblick in die jeweiligen nutzungsspezifischen Risiken und Gefahren für die Meeresumwelt gegeben werden konnte. Zum Schluss ihres Vortrags deutete Wiltshire an, dass auch sie einen stärker werdenden Ruf nach einem eigenen rechtlichen Regime für die deutsche AWZ vernehme. Diese abschließende Äußerung leitete inhaltlich in den Vortrag von Prof. Dr. Dr. h. c. Peter Ehlers, German Association for Marine Technology
David Gehrmeyer LL.M.; Wissenschaftlicher Mitarbeiter, Forschungsstelle für Europäisches Umweltrecht (FEU), Universität Bremen, Bremen, Deutschland
(GMT), Hamburg, Präsident des Bundesamtes für Seeschifffahrt und Hydrographie a. D., über. In diesem warf Ehlers die allgemeine Frage nach der Notwendigkeit eines AWZGesetzes auf. Er stellte fest, dass in Deutschland eine zunehmende Einbeziehung der AWZ in die nationale Rechtsordnung erfolge. Dies geschehe durch Erstreckungsklauseln und sei zunächst unter völkerrechtlichen Gesichtspunkten nicht ganz unproblematisch, da das Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen (SRÜ) Küstenstaaten in ihrer AWZ nur eine funktional beschränkte Souveränität zuspreche. Die Erstreckungsklauseln seien jedoch in Gesetze eingefügt, die den besonderen Territorialstatus der AWZ im Regelfall nicht berücksichtigen und somit von einer unbeschränkten Souveränität ausgehen. Darüber hinaus herrsche in Bezug auf Erstreckungsklauseln eine enorme Uneinheitlichkeit des deutschen Rechts: Teilweise fehlen ausdrückliche Erstreckungsklauseln in einigen Fachgesetzen, andererseits konnte Ehlers in Bezug auf existente Erstreckungsklauseln eine Vielzahl von unterschiedlichen Formulierungen feststellen, die zu einem „Formulierungs und Regelungswirrwarr“ führen. Diese Feststellung war sodann auch Grundlage für seine Befürwortung eines eigenständigen AWZGesetzes, in welchem die ausdrückliche Erstreckung der deutschen Rechtsordnung auf die AWZ und den Festlandsockel geregelt werden müsse. Des Weiteren sei auch eine Klarstellung im Grundgesetz bzgl. der Bundes bzw. Länderkompetenzen notwendig. In der dem Vortrag nachfolgenden Diskussion wurde die Frage aufgeworfen, ob nicht alternativ zu dem Vorschlag von Ehlers ein AWZGesetz unter sektoraler Berücksichtigung des Umweltrechts möglicherweise vorzugswürdig sei, wie dies z. B. kürzlich in Neuseeland geschehen sei. Ehlers zufolge sei ein solches Gesetz zwar durchaus denkbar, würde dem „Formulierungs und Regelungswirrwarr“ jedoch nicht abhelfen.
Der anschließende Vortrag von Tobias Pierling, Oberregierungsrat, Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie und Präsident des Rates der Internationalen Meeresbodenbehörde (IMB) 2013/2014, Kingston, beschäftigte sich mit der Nutzung der Tiefsee und den deutschen Interessen dort. Mit dem Begriff „Tiefsee“ ist „das Gebiet“ nach dem SRÜ gemeint, also der Meeresboden und Meeresuntergrund jenseits nationaler Hoheitsbefugnisse. Die dort anzufindenden Tiefseerohstoffe, bei welchen es sich um polymetallische Knollen, Massivsulfide und kobalthaltige Krusten handelt, werden von der IMB verwaltet. Pierling
DOI: 10.1007/s10357-014-2642-3
Konferenz zum Maritimen RechtBericht zum 1. Tag der 2. Bremer Konferenz zum Maritimen Recht vom 28.–29. 11. 2013
David Gehrmeyer
© Springer-Verlag 2014
NuR (2014) 36: 337–338 337Berichte
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erklärte das Prinzip des gemeinsamen Menschheitserbes, welches auf das Gebiet Anwendung finde und als dessen „Hüterin“ sich die IMB verstehe. Das sich daraus ergebene Aufgabenfeld für die IMB umfasse zum einen den Zugang, die Verwaltung und entwicklungspolitisch gerechte Nutzung des Gebiets, als auch den Schutz und die Erhaltung der Umwelt. Er identifizierte im Wesentlichen drei deutsche Interessenschwerpunkte in der Tiefsee: Die finanzielle, institutionelle und operative Funktionsfähigkeit der IMB, die Verwirklichung von Umweltschutz sowie insbesondere die eigene Rohstoffgewinnung in dem Gebiet. Insoweit gebe es seit 2006 zwei Explorationsverträge für polymetallische Knollen im Pazifik, die sich insgesamt über ein Gebiet von 75 000 km² erstrecken; demnach also eine Fläche größer als das Bundesland Bayern. Seit 2013 werde darüber hinaus ein weiterer Explorationsvertrag für den Gewinn von Sulfiden im Indischen Ozean vorbereitet. Ausblickend erklärte er, dass sich der Tiefseebergbau zwar nach wie vor in der vorkommerziellen Phase befinde, es intern jedoch nicht mehr um die Frage des „Ob“ der Gewinnung der Tiefseerohstoffe, sondern um das „Wann“ gehe. Als frühestmöglicher Beginn der kommerziellen Phase stellte er das Jahr 2016 in Aussicht. Die Möglichkeiten Deutschlands im Tiefseebergbau bezögen sich dabei jedoch nicht nur auf die Rohstoffgewinnung als solches, sondern auch auf eine Stärkung Deutschlands als Hochtechnologiestandort sowie die Chance eines deutschen „Benchmarking“ im Umweltvölkerrechts. Im Angesicht dieser rief er abschließend zu einem unverzüglichen und strategisch orientierten Handeln auf, welches die Bündelung von gesellschaftlichen, politischen und wirtschaftlichen Kräften erfordere.
An diesen Vortrag anknüpfend thematisierte Prof. Dr. Uwe Jenisch, WaltherSchückingInstitute for International Law, ChristianAlbrechtsUniversität Kiel umweltrechtliche Aspekte des Meeresbodenbergbaus. Dazu zeigte er anhand der Darstellung des Gewinnungsprozesses von Tiefseerohstoffen mögliche Störungen der Umwelt auf. Diese vielfältigen und teilweise folgenschweren Auswirkungen reichen von der Beschädigung oder Zerstörung benthischer Habitate mitsamt den dort anzutreffenden Lebewesen und Geräuschemissionen, welche durch die Rohstoffentnahme verursacht werde über Trübungswolken durch die Rückeinleitung entnommener aber nicht nutzbarer Sedimente. Zusätzlich zu diesen speziell prozessabhängigen Störungen seien aber auch typische Gefahren resultierend aus dem Transport der Rohstoffe sowie deren Verarbeitung an Land zu bedenken. Alle denkbaren Störungen stellen Herausforderungen an das Recht dar, dessen primäre Quelle für den Umweltschutz auf den Meeren das SRÜ ist. Die dort normierten allgemeinen Umweltschutzpflichten gelten nicht nur für die Mitgliedsstaaten des SRÜ in den von ihnen verwalteten Meereszonen, sondern auch auch für die IMB in dem Gebiet. Aus diesen Schutzpflichten ergebe sich auch die Zuständigkeit der IMB in Bezug auf das gesamte Sekundärrecht für Umweltschutz. In diesem Rahmen seien insbesondere die drei von der IMB erlassenen MiningCodes für die Prospektion und Erforschung von Manganknollen, Sulfiden und Krusten, sowie der 2012 beschlossene UmweltmanagementPlan für die ClarionClippertonZone und die Einrichtung von Meeresschutzgebieten zu benennen. Ein weiterer Mining Code für den Abbau von Manganknollen würde derzeit vorbereitet. Auch Je-nisch beendete seinen Vortrag mit einem Ausblick auf einen möglichen Beginn des Tiefseebergbaus. Voraussetzung dafür sei v. a. wirtschaftliche und kostenmäßige Konkurrenzfähigkeit zum Landbergbau. Sollten diese Voraussetzungen
jedoch erfüllt sein, sehe er viele Vorteile des Meeresbodenbergbaus gegenüber dem Landbergbau. Der Meeresbodenbergbau involviere weniger „Stakeholder“, habe geringere gesellschaftliche Auswirkungen, weniger Abfallprodukte und eine kleinere Eingriffsfläche, da nicht wie beim Landbergbau in den Untergrund eingedrungen werden müsse. Darüber hinaus verursache der Meeresbodenbergbau auch geringere CO2Emissionen. Er vergaß jedoch nicht anzumerken, dass wesentliche und notwendige Voraussetzung die Einhaltung von Sicherheit und Umweltstandards für die gesamte Produktionskette sei.
In der anschließenden Diskussion wurden die generellen Möglichkeiten einer Kompetenzerweiterung der IMB erörtert. Theoretisch vorstellbar sei auch die Zuständigkeit der IMB für die Sequestrierung von CO2 in der Tiefsee, der Regelung des Zugangs zu meeresgenetischen bzw. biologischen Ressourcen oder sogar Kompetenzen für die Nutzung der Arktis und Antarktis.
In dem letzten Fachvortrag beschäftigte sich Prof. Dr.Dr. h. c. mult. Klaus Töpfer, Exekutivdirektor des Institute for Advanced Sustainability Studies (IASS) Potsdam, ehemaliger Exekutivdirektor des Umweltprogramms des Vereinten Nationen (UNEP) sowie Bundesminister a. D., mit den Chancen für ein neues Implementationsabkommens für die Nutzung der Hohen See. Dazu gab Töpfer zunächst einen Überblick über die international geführte Diskussion zu diesem Thema. Die Notwendigkeit für ein solches Abkommen sei offensichtlich durch die fortschreitende globalisierte Nutzung der Hohen See gegeben. Das derzeitige Hochseeregime stelle kein wirksames Instrument dar um den aktuellen und zukünftigen Formen der Nutzung der Hohen See zu genügen. Diese Annahme sei auch 2012 auf dem Umweltgipfel in Rio de Janeiro (Rio +20) Konsens unter den Staats und Regierungschefs gewesen, die sich geeinigt haben, dass es dringend notwendig sei, die Hohe See als globales Erbe besser zu schützen. In der dort verfassten Abschlusserklärung wurden die Staaten aufgefordert, bis Ende 2014 eine Entscheidung über eine Weiterentwicklung des internationalen Seerechts durch die Erstellung eines neuen rechtlichen Instruments zum Schutz und zur nachhaltigen Nutzung der biologischen Vielfalt auf der hohen See zu treffen. In inhaltlicher Hinsicht nannte Töpfer vier Eckpfeiler, die für ein solches Abkommen notwendig seien. Dazu gehöre zunächst die Regelung über die Einrichtung von Meeresschutzgebieten, in dessen Rahmen er auf das Ziel der UNKonvention über die Biologische Vielfalt (CBD) verwies, bis 2020 ein Netzwerk von Meeresschutzgebieten einzurichten, welches weltweit zehn Prozent der Meeresoberfläche bedeckt. Weiter seien Regelungen über die Durchführung von Umweltverträglichkeitsprüfungen, der Technologie und Wissenstransfer an Entwicklungsländer sowie eine faire Nutzung meeresgenetischer Ressourcen erforderlich. Doch gerade auch vor dem Hintergrund, dass die Entwicklung eines neuen Abkommens Jahre in Anspruch nehmen werde, müssen regionale Organisationen und bestehende Konventionen sinnvoll weiterentwickelt und deren Regelungen harmonisiert werden. Als Basis für eine Harmonisierung könne eine durchgängige Verankerung des Vorsorgeprinzips dienen.
Gelegenheit zu einer vertieften Diskussion bot der anschließende Empfang in den Räumen der Handelskammer Bremen zu dem Jürgen Roggemann, Vorsitzender des Vorstandes der Kieserling Stiftung, sowie Prof. Dr. Mat-thias Stauch, Staatsrat, Senator für Justiz und Verfassung der Freien Hansestadt Bremen und Dr. Thomas Brinkmann, Dr. Schackow & Partner, begrüßte.
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