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Konformationsanalyse, XXV. Konformationen von Octasaccharid- und Pentasaccharid-Sequenzen in N-Glycoproteinen des Lactosamin-Typs

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H . Paulsen, T. Peters, V. Sinnwell, R. Lebuhn und B. Meyer

Liebigs Ann. Chem. 1985, 489 - 509

489

Konformationsanalyse, XXV l )

Konformationen von Octasaccharid- und Pentasaccharid- Sequenzen in N-Glycoproteinen des Lactosamin-Typs

Hans Paulsen *“, Thomas Petersa, Volker Sinnwella, Rolf Lebuhna und Bernd Meyer

Institut fur Organische Chemie der Universitat Hamburga, Martin-Luther-King-Platz 6, D-2000 Hamburg 13 Fachbereich Chemie der Universitat Oldenburgb, Postfach 2503, D-2900 Oldenburg

Eingegangen am 21. Mai 1984

Die bevorzugten Konformationen der in N-Glycoproteinen vorkomrnenden Oligosaccharid- Sequenzen ( [P-D-Gd(l + 4 ) P - ~ - G l c N A c ( l - + 2)n-o-Man(l+ 3)] P-D-Gal(i-, 4)P-o-GlcNAc- (1 + 2)a-o-Manfl -+ 6))P-~-Man( l+ 4)-~-GlcNAc (2), p-D-Gal(l+ 4)P-~-GlcNAc(l-+ 2)a-D- Man(1 + 6 ) P - ~ - M a n ( l - + 4)-o-GlcNAc (3), (3-D-Ga1(1 + 4)P-~-GlcNAc(l + 2 ) a - ~ - M a n ( l - + 3)- P-D-Man(1 -+ 4)-~-GlcNAc (4) und D-D-Gal(1 + 4)P-o-GlcNAc(l-+ 2)a-o-Man-OMe (5) wurden durch HSEA-Berechnungen mit dem Programm GESA bestimrnt. Die Uberpriifung der Rech- nungen erfolgte durch ‘H- und ‘3C-NMR-spektroskopische Experirnente wie NOE-Unter- suchungen, Spin-Gitter-Relaxationszeitmessungen und Beobachtung spezieller Abschirmungs- effekte. Die Interpretation der NMR-Spektren erfolgte mit Hilfe von 2-D-NMR-Techniken. Die in 2, 3, 4 und 5 gemeinsam auftretenden Sequenzen haben alle sehr ahnliche bevorzugte Konfor- mationen. Wahrend 4 eine weitgehend gestreckte Konformation aufweist, zeigt 5 bevorzugt eine gebogene gt-Konformation, bei der die a-o-Man-Einheit der reduzierenden o-GlcNAc-Einheit nahe steht. Beide Formen kommen in 2 entsprechend vereint vor.

Conformational Analysis, XXV 1). - Conformations of Octasaccharide and Pentasaccharide Sequences in N-Glycoproteins of the Lactosamine Type

The oligosaccharide sequences ( [P-D-Gal(l + 4)P-~-GlcNAc( l + 2 ) a - ~ - M a n ( l + 3)] D-D-Gal- (1 + 4)P-~-GlcNAc(l-+ 2)a-~-Man( l -+ 6) )P-~-Man( l -+ 4)-o-GlcNAc (Z), P-D-Gal(l-+ 4)P-0- GlcNAc(1 + Z)n-o-Man(t + 6)P-~-Man(l + 4)-o-GlcNAc (3), P-D-Gal(1 + 4)P-~-GlcNAc(l+ 2)- a-o-Man(1 + 3)P-~-Man(l -t 4)-~-GlcNAc (4, and P - ~ - G a l ( l + 4)P-~-GlcNAc(l+ 2)a-~-Man- OMe (S), found in N-glycoproteins, were investigated by means of HSEA calculations with the program GESA to reveal the preferred solution conformations of these compounds. Experi- mental evidence of the calculated conformations was given by ‘ H and I3C NMR studies like NOE experiments, spin-lattice relaxation-time measurements and observation of special deshielding effects. NMR spectra analysis required application of 2-D-NMR techniques. As a conclusion of the experimantal and theoretical results the common sequences in the saccharides 2, 3, 4, and 5 exhibit very similar conformations. The pentasaccharide 4 takes up a linear conformation whereas 5 shows a bent arrangement of the pyranose rings (“gt conformation”) which results in a relatively close contact between the a-D-Man unit and the reducing D-GIcNAc unit. Analogously, both conformations, the linear and the bent one, occur in the octasaccharide 2.

0 VCH Verlagsgesellschaft mbH, D-6940 Weinheim, 1985 0170 - 2041/85/0303 - 0489 $02.50/0

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In einer vorherigen Mitteilung') haben wir die Konformation des Tetrasaccharides 1 bestimmt. Das Tetrasaccharid 1 stellt die wichtige verzweigte Sequenz der invarianten Core-Struktur der N-Glycoproteine dar, die am reduzierenden Ende uber eine weitere N-Acetylglucosamin-Einheit an das L-Asparagin der Petpidkette gebunden ist. In der vorliegenden Arbeit wird die Konformation des von uns kurzlich synthetisierten Octa- saccharides 22) untersucht, das zwei zusatzliche Lactosaminketten enthalt. Die Octasac- charid-Kette in 2 stellt die Basisstruktur des Kohlenhydratteils der N-Glycoproteine vom Lactosamin-Typ dar. Zum Vergleich werden ferner die Konformationen der bei- den gleichfalls synthetisierten Pentasaccharide2) 3 und 4 untersucht, die jeweils nur ei- nen Lactosamin-Arm sowohl in (1 -+ 6)-glycosidischer als auch in (1 - 3)-glpcosidischer Bindung enthalten. Ferner war es nutzlich, das Trisaccharid 5 mit in die Untersuchun- gen einzubeziehen, da es die unbeeinfluBte Seitenkette darstellt, die jeweils am Verzwei- gungspunkt der P-o-Mannose gebunden ist. Das Schema der Bezeichnung der einzelnen Saccharid-Einheiten (a - e) der Oligosaccharide ist aus den Formeln 1 bis 5 zu ersehen.

e' P-o-Gal( 1

e [l-D-Gal( 1

e'

-i

-+

C'

a-u-Man( 1 -+ 6) a

P-D-Man(1 + 4)-~-GlcNAc 1

C / a-D-Man(1 4 3)

d' C'

4)P-D-GICNAC( I -+ Z)a-o-Man( 1 -+ 6 )

\ b a P-D-Man(1 -+ 4)-~-GlcNAc 2

d C / 4)P-~-GlcNAc(l -+ Z)a-o-Man(l + 3)

d' C' b a

e d c b a (I-o-Gal(l+ 4)P-~-GlcNAc(l-+ Z)a-o-Man(l -+ 3)b-~-Man( l -+ 4)-o-GlcNAc 4

e d C

B-D-Gal( I + J)fi-o-GlcNAc(l -+ 2)a-D-Man-OMe 5

Die Frage der Konformation des Oligosaccharidteiles der Glycoproteine ist von erheb- lichem Interesse, da dieser Teil haufig die Determinante darstellt, die mit anderen Pro- teinen in Wechselwirkung treten kann3). Bei in Membranen eingelagerten Glycoprote- inen kann der in den exozellularen Raum ragende Kohlenhydratteil als Receptor oder Antigen wirksam sein und fur dessen Spezifitat bestimmend sein. Konformationsanaly- tische Untersuchungen an den Kohlenhydrat-Sequenzen konnten somit zur Klarung dieser aktuellen Problematik beitragen4).

Die anzuwendenden Methoden der Konformationsanalyse wurden in der vorherigen Mitteilung l) eingehend beschrieben. Sie wurden in weiterentwickelter Form auch in der

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Konforrnationsanalyse, XXV 49 1

vorliegenden Arbeit angewandt. Zunachst wird durch ein Rechenverfahren nach der HSEA-(Hard-Sphere-Exo-Anorneric-)Methode5) die Konforrnation der niedrigsten Energie ermittelt. Dies geschieht rnit dem Prograrnm GESA (Geometry of Saccharides)6), bei dern die Torsionswinkel @,y und w der noch variablen glycosidischen Verknupfun- gen zwischen allen Saccharid-Einheiten so lange variiert werden, bis die Konforrnation mit der rninirnalen Energie erreicht ist. Experimentell kann durch NMR-Messungen der Substanz in Losung gepriift werden, o b die gefundenen NMR-Daten rnit der berechne- ten Konforrnation rninirnaler Energie vereinbar sind.

Fur die NMR-Untersuchungen ist die vollstandige Analyse des IH-NMR-Spektrums der Oligosaccharide erforderlich. Durch NOE-(Nuclear Overhauser Effect-)Experi- rnente') werden dann raurnlich benachbarte Protonen aufgesucht. Interglycosidische NOEs konnen Inforrnationen uber die Anordnung zweier Pyranoseringe zueinander geben. Durch NOE-Differenzspektroskopie*) ist auch eine quantitative Auswertung der Signal-Verstarkungen bzw. -Abschwachungen moglich, die einen Vergleich rnit theore- tisch berechneten Effekten erlaubt. Auch die lH-Spin-Gitter-Relaxationszeiten T, sind mit der Molekiilgeometrie der Oligosaccharide verknupft. Sie sind - wie die NOEs - vorn Abstand der Protonen abhangig und konnen, wie von uns beschrieben wurde, zur Bestimrnung der Konforrnation herangezogen werden1,4.s).

13C-Spin-Gitter-Relaxationszeiten und Beweglichkeiten der Oligosaccharid- Ketten

Die vollstandige Analyse des 'H-NMR-Spektrurns eines so kornplizierten Molekuls wie des Octasaccharides 2 bereitet erhebliche Schwierigkeiten. Die Ringprotonen der verschiedenen Saccharid-Einheiten haben sehr ahnliche chernische Verschiebungen und weisen vollstandige Uberlappung auf. Mit Hilfe 'H-'H-korrelierter 2-D-NMR-Spek- trenY) lassen sich gewisse Zuordnungen zu einzelnen Saccharid-Einheiten treffen. Als besonders erfolgreich fur die Zuordnung hat sich allerdings die 'H-13C-korrelierte 2-D- NMR-SpektroskopielO) erwiesen (s. Abb. 8). Von 2, 3 und 4 wurden daher zunachst die l3C-NMR-Spektren vollstandig zugeordnet. Die gefundenen Werte sind in Tab. 1 zusarnrnengefal3t. Die Zuordnung ergab sich durch Vergleich der beobachteten l3C- chernischen Verschiebungen rnit den bekannten I3C-NMR-Daten der Verbindungen 1 und 5") sowie der einzelnen Di- und Monosaccharidbausteine"). Es lieBen sich weitge- hend das a- und P-Anornere nebeneinander beobachten, wobei in der Regel das 0-Ano- mere in erheblich hoheren Anteilen vorlag.

Von Interesse sind ferner die 13C-Spin-Gitter-Relaxationszeiten, da sie ein Ma13 fur die Beweglichkeit der entsprechenden C-Atorne sind. Fur eine quantitative Berechnung der NOEs und T,-Werte ist es notwendig, da13 die Bewegung des Molekuls weitgehend isotrop ist, d. h., da13 die Korrelationszeiten T~ fur die verschiedenen I3C-Kerne des Mo- lekuls konstant sindI2). Da, wie von uns berichtet, 1/NT, = const. T, ist, konnen an- stelle der Korrelationszeiten auch die NT,-Werte betrachtet werden. Fur das Molekul 1 war ein konstanter NT,-Wert gefunden worden. Bei den grol3en Molekulen 2, 3 und 4 war zu prufen, o b eine einheitliche Beweglichkeit vorliegt, oder ob Teile des Molekuls eine gro13ere Beweglichkeit aufweisen. Zu diesern Zweck wurden von allen in Tab. 1 aufgefuhrten I3C-Signalen die 13C-Spin-Gitter-Relaxationszeiten gernessen und die ent-

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Tab. 1. 13C-NMR-chemische Verschiebungen (6-Werte) fur 2, 3 und 4 in D,O (innerer Standard: Aceton, 6 = 30.50; T = 308 K)

C-2 C-3 C-4 C-5 C-6 co CH3 Saccharid- c-l

Einheit

a-Anomeres von 2 a 90.81 53.77 69.91 80.34 70.21 60.32 174.60 22.24 b 100.64 70.50 80.72 65.93 74.67 66.14 C 99.75 76.72 68.82 67.61 73.82 61.91 C' 97.36 76.58 68.82 67.61 73.15 61.91 d und d' 99.75 55.17 72.23 78.91 75.01 60.32 174.90 22.63 e und e' 103.22 71.25 72.83 69.71 75.61 61.26

f3-Anomeres von 2 a 95.11 56.43 72.35 79.97 74.75 60.32 174.60 22.63

Fur b, c, c' , d, d' , e und e' werden gleiche chemische Verschiebungen wie bei dem a-Anomeren gefunden.

a-Anomeres von 3 a 90.75 53.90 69.65 80.29 70.20 60.45 174.22 22.61 b 100.76 70.71 73.15 66.89 74.84 66.44 C' 97.40 76.74 68.81 67.67 73.06 61.89 d' 99.76 55.15 72.33 78.95 74.98 60.32 174.22 22.61 e' 103.22 71.24 72.82 69.43 75.59 61.23

p-Anomeres von 3 a 95.15 56.41 72.58 79.98 74.75 60.54 174.04 22.81 b 100.80 70.71 73.15 66.89 74.84 66.38

Fur c', d' und e' werden gleiche chemische Verschiebungen wie bei dem a-Anomeren gefunden.

a-Anomeres von 4 a 90.80 53.92 69.46 79.70 70.37 60.39 174.66 22.62 b 100.26 70.63 80.69 66.24 76.43 61.11 C 99.77 76.78 68.82 67.60 73.81 61.97 d 99.77 55.16 72.22 78.89 75.02 60.31 174.92 22.19 e 103.21 71.25 72.83 69.70 75.62 61.26

P-Anomeres von 4 a 95.18 56.45 72.60 79.32 74.89 60.50 174.66 22.50

Fur b, c, d und e werden gleiche chemische Verschiebungen wie bei dem a-Anomeren gefunden.

sprechenden NT,-Werte errechnet. Um das erhaltene Datenmaterial iibersichtlicher in- terpretieren zu konnen, wurden die NT,-Werte der Pyranosering-C-Atome C-I bis C-5 gemittelt und die erhaltenen NT,-Mittelwerte iiber den zugehorigen Saccharid- Einheiten in den Verbindungen 2, 3 und 4 vermerkt. Die C-6-Atome der Hydroxy- methyl-Gruppen miissen gesondert betrachtet werden, da sie oft groBere NT,-Werte als die C-Atome der Pyranoseringe aufweisen. Die NT,-Werte der C-6-Atome sind daher

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in der Tab. 2 als zweiter Wert in Klammern bei den jeweiligen Saccharid-Einheiten an- gefuhrt.

Tab. 2. AT,-Werte [s] fur 2, 3 und 4. Die angegebenen Werte sind Mittel-Werte aus den NT,-Daten fur die Pyranosering-C-Atome C-1 - C-5 der jeweiligen Saccharideinheit. In Klam- mern sind die NT,-Werte der C-6-Atome der betreffenden Einheiten angegeben. Bei den Messun- gen wurden die im UberschuB vorliegenden a-Anomeren berucksichtigt. Die (J-Anomeren zeigen

nur unwesentliche Abweichungen.

0.26 (0.54) 0.29 (0.30) 0.24 (0.28) P-D-Gal(1 + 4)(J-~-GlcNAc(l + 2 ) a - ~ - M a n ( l + 6)

\0.23 ( - ) 0.27 (0.30) P-D-Man(l+ ~)-D-GIcNAc (2)

/ P-D-Gal(l+ 4 ) ~ - ~ - G l c N A c ( l - + 2)a-~-Man( l+ 3) 0.26 (0.54) 0.29 (0.30) 0.24 (0.28)

0.36 (0.54) 0.28 (0.36) 0.28 (0.34) 0.27 (0.28) 0.31 (0.38) P-D-Gal(l+ 4)(J-~-GlcNAc(l+ 2)a-~-Man( l + 6)(J-~-Man(l + 4)-~-GlcNAc (3)

0.33 (0.54) 0.28 (0.32) 0.26 (0.36) 0.30 (0.38) 0.32 (0.26) P-D-GaI(1- 4)(J-~-GlcNAc(l-+ 2 ) a - ~ - M a n ( l + 3)P-~-Man(l + 4)-~-GlcNAc (4)

Eine Diskussion der in Tab. 2 angegebenen NT,-Mittelwerte der Pyranosering- C-Atome fuhrt zu folgenden Uberlegungen. Bei den beiden Pentasacchariden 3 und 4 weisen die terminalen Monosaccharid-Einheiten groljere Relaxationszeiten auf und sollten damit eine grol3ere Beweglichkeit als die mittleren Einheiten haben. Besonders die nicht reduzierenden Galactose-Einheiten zeigen bgtrachtlich hohere Werte12). Die Ketten haben somit eine gewisse Flexibilitat, die bei dem Pentasaccharid 3 mit (1 + 6)- glycosidischer Bindung etwas groljer zu sein scheint. So wird zwischen den AT,-Werten der Einheiten P-D-Man und P-D-Gal (b und e’) bei 3 eine Differenz von 0.09 s gefunden.

Bei der Verbindung 4 ist die entsprechende Differenz (zwischen b und e ) dagegen nur 0.07 s. Bei der Verbindung 3 weist C-6 von P-o-Man (b) mit einem kleinen NTl-Wert von 0.28 s eine Besonderheit auf. Dies durfte durch die (1 + 6)-glycosidische Anknup- fung der a-D-Mannose c’ bedingt sein, die die Beweglichkeit des benachbarten C-6 of- fensichtlich erheblich einschrankt.

Das verzweigte Octasaccharid 2 scheint nach den gefundenen NT,-Werten etwas we- niger flexibel als die Pentasaccharide 3 und 4 zu sein. Es ist aber ebenfalls ein deutlicher Anstieg der NTl-Werte fur die Endgruppen zu erkennen, die somit beweglicher sind als der relativ starre mittlere Teil der verzweigten Mannose-Einheiten. Fur das Octasaccha- rid 2 ist zu bedenken, dalj fur die beiden N-Acetyllactosamin-Einheiten der (1 + 6)- und (1 + 3)-glycosidisch gebundenen Seitenketten die NT,-Werte nicht separat bestimmt werden konnen, da die chemischen Verschiebungen der einander entsprechenden 13C- Kerne identisch sind. Uber eine unterschiedliche Flexibilitat beider Seitenarme laljt sich somit keine Aussage machen.

Zusammenfassend ergibt sich aus den 13C-Relaxationszeitmessungen, dalj die be- trachteten groljen Molekule eine nicht mehr zu vernachlassigende Flexibilitat aufweisen und dalj daher hierfur nur eingeschrankt eine isotrope Molekulbewegung anzuneh-

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men ist. Hieraus ist zu folgern, dafi eine quantitative Auswertung der 'H-NOE- Verstarkungen und 'H-T,-Relaxationszeitmessungen nur rnit Vorbehalt moglich ist, so dal3 sich hier die Grenzen des Verfahrens anzeigen. Fur eine qualitative Auswertung zur Konformationsanalyse sind die 'H-NOE- und 'H-T,-Werte jedoch gut geeignet.

Konformation des Octasaccharides 2

Von dem Octasaccharid 2 wurde zunachst rnit dem Programm GESA eine Berech- nung der Konformationen der niedrigsten Energie durchgefuhrt. Hierbei zeigte sich, dal3 fur die Sequenz a, b, c, d, e, die nur glycosidische Bindungen rnit sekundaren Hy- droxygruppen enthalt, fur jede Verknupfung relativ steile Minima gefunden werden, so dal3 sich fur diesen Teil des Molekuls eine stark bevorzugte Konformation angeben lafit. Dies entspricht den bisherigen Ergebnissen I ) .

Was die (1 -+ 6)-glycosidisch gebundene Seitenkette c', d', e' von 2 betrifft, so sind hier mehrere Konformationen moglich, da an der (1 -+ 6)-glycosidischen Bindung freie Drehbarkeit um drei Einfachbindungen gegeben ist. Die Berechnungen zeigen, dal3 in grol3eren Anteilen ein Konformeres vorliegen sollte, bei dem die C-5 - C-6-Bindung der 0-D-Mannose b annahernd eine gt-Konformation (w = 38") einnimmt. Die Anteile an gg-Konformeren sowie gt-Anordnungen rnit anderen Torsionswinkeln an der C-5 - C-6- Bindung am Konformerengleichgewicht sollten gering sein. In Tab. 3 sind die berech- neten Torsionswinkel an den glycosidischen Bindungen in 2 fur das gt- und gg-Konfor- mere zusamrnengestellt. Abb. 1 zeigt das energetisch gunstigste gt-Konformere als Ste- reodarstellung.

Tab. 3. Torsionswinkel der mit GESA berechneten giinstigsten Konformationen von 2

C-5 - C-6 (3-D-Man e ' ( l -4)d ' d'(1 --t 2 ) ~ ' ~ ' ( 1 + 6)b

@ Y @ Y @ Y 0

Konformeresa)

€5 55" 2 O 41" 0" -54" 79" 38" . gg 54" 2" 54" 21" -55" 147" - 57"

e( 1 + 4)d d( 1 + 2 ) ~ c(l + 3)b b(l -* 4)a Q Y @ Y Q Y Q Y

gt 55" 2" 52" 23" -47" - 14' 51" -5" gg 55" 2" 52" 24" - 41" - 14" 57" 7"

a) Nach der Berechnung sollen im Konformerengleichgewicht bei 310 K 94% des gt- und 6% des gg-Konformeren vorliegen.

Sowohl im gt- als auch im gg-Konformeren sind keine Wechselwirkungen der bei- den Lactosamin-Einheiten zu erwarten. Fur das nach der Berechnung bevorzugte gt-Konformere wird dagegen eine Nachbarschaft zwischen der (I + 6)-glycosidisch ver- knupften D-Mannose c' und der N-Acetylglucosamin-Einheit a am reduzierenden Ende von 2 vorhergesagt (siehe Abb. 1). Bei anderen gt-Anordnungen an der C-5-C-6- Bindung, wie auch fur das gg-Konformere sind diese beiden Saccharideinheiten wesent- lich weiter voneinander entfernt. Weitere Rechungen rnit GESA zeigen, dal3 sich die

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Minima fur das gt- und gg-Konformere von 2 in ihrer Form erheblich unterscheiden sollten. Das gt-Konformere befindet sich in einem sehr steilen, das gg-Konformere in einem sehr flachen Minimum.

a-l

Abb. 1. Stereodarstellung der energetisch giinstigsten Konformation von 2 (Plot-Programm PLATOZo))

Die 'H-NMR-Spektren von 2 lienen sich mit den beschriebenen Methoden analysie- ren, wobei sich die 'H-I3C-korrelierte 2-D-NMR-Technik als besonders hilfreich erwies. Die 'H-NMR-Daten von 2 sind in Tab. 4 wiedergegeben. Weiterhin wurden von 2 NOE-Differenz-Spektren hergestellt. Bei den Einstrahlungen wurden Signal-Abschwa- chungen beobachtet, die in Tab. 5 zusamrnengefafit sind.

Die Auswertung der NOE-Experimente zeigt, dafi die beobachteten Overhauser- Abschwachungen in der durch GESA-Berechnung gefundenen bevorzugten Konforma- tion von 2 zu erwarten sind. Es treten interglycosidische NOES auf, wenn auf die ano-

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meren Protonen eingestrahlt wird. In Abb. 2 sind schernatisch die beobachteten inter- glycosidischen NOE-Abschwachungen dargestellt.

Tab. 4. 'H-chemische Verschiebungen (6-Werte) und Kopplungskonstanten J [Ha] von 2 in D,O (innerer Standard: Aceton, 6 = 2.22; T = 300 I<)

4-H 5-H 6-H 6'-H NAc Saccharid- 2-H 3-H Einheit

a-Anomeres von 2 a

b

C

C'

d, d'

e, e'

[l-Anomeres von 2 a

b

C

C'

5.21 3.98

4.78 4.22 (1.0) (3.8) 5.12 4.19

(1.5) (3.3)

4.92 4.11 (1.5) (3.3) 4.58 3.76

4.46 3.54

(3.0)

(8.2)

(7.9) (10.0)

4.14 (8.3) 4.77 4.21 (1.0) (3.8) 5.11 4.19

(1.5) (3.3) 4.93 4.11

(1.5) (3.3)

3.75

3.92 3.50 (9.6) (10.0)

3.92 3.50 (9.6) (10.0) 3.73 3.75

3.66 3.91

(9.5)

(3.4) (1.2)

3.75 (9.5) 3.92

(9.6) 3.91

(9.6)

3.61

3.78

3.65

3.57

3.72

3.91

3.62 (7.6)

(1 1.9)

3.98 (2.0) 3.78

(8.3) (1 1.3)

3.89

3.84 (5.3) 3.13

2.04

2.05

2.05

Fur d, d' , e und e' werden gleiche chemische Verschiebungen wie bei dem a-Anomeren gefunden.

Tab. 5. Differenz-NOE-Spektren von 2

Bestrahltes Proton (To Sattigung)

Beobachtete NOES (070)

1-HC (100) 1 -HC' (1 00)

I-Hd und 1-Hd' ( 100)

1-He und l-He' ( 100)

1-Hd (-9.7), 2-HC (-8.4), 3-Hb (-11.0). 1-Hd' ( - 7.4), 2-He' ( - 3.7), 6-Hb und 6'Hb ( - 3.7), 5-Hb (zu klein, um beobachtet zu werden). 1-HC (-3.1). l-HS' (-2.6), 2-HC (-2.6), 2-HC' (-2.6), 2-Hd, 2-Hd', 3-Hd und 3-Hd' ( - 9.2), 5-Hd und 5-Hd'

6-Hd und 6-Hd' ( - 0.5), 4-Hd, 4-Hd', 5-He und 5-He' ( - 12.3), 3-He und 3-He' ( - 5.1), 2-He und 2-He' (Dispersion).

(-6.1).

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Konformationsanalyse, XXV 497

0

Abb. 2. Interglycosidische NOES in 2

Hieraus lassen sich die Nachbarschaften zwischen Protonen unterschiedlicher Sac- charidringe ableiten. Insgesamt ergibt die Auswertung der beobachteten NOEs und der Vergleich mit der berechneten Konformation (Abb. 1 ) eine gute Ubereinstimmung zwi- schen Experiment und Berechnung. Dies gilt besonders fur das relativ starre Teilstiick a, b, C, d, e. Fur die flexible c’(1 + 6)b-Bindung sind die NOE-Ergebnisse sowohl mit einer gt- als auch mit einer gg-Konformation vereinbar. Nachstehend diskutierte Diffe- renzen zwischen chemischen Verschiebungen bestimmter Protonen liefern jedoch gute Argumente fur eine erhebliche Bevorzugung der berechneten gt-Konformation.

NOE-Wechselwirkungen zwischen den beiden Seitenketten in 2 werden, wie erwar- tet, nicht beobachtet. Da die Protonen der endstandigen Lactosamin-Reste identische chemische Verschiebungen aufweisen, ist zwar eine getrennte konformationsanalyti- sche Untersuchung des (1 + 6)- und des (1 -+ 3)-gebundenen Seitenarmes nicht moglich, die Rechnung zeigt jedoch, dal3 beide eine nahezu gleiche Konformation aufweisen soll- ten. Das anomere Proton 1-Hb der ~ - ~ - M a n n O S e b wurde nicht gesattigt, da sein Signal durch das vom HDO im Solvens uberdeckt ist. Die Untersuchung der Konformation des Tetrasaccharides 1 laRt jedoch darauf schlierjen, daR den durch die Berechnung in 2 vorhergesagten Torsionswinkeln in der 8(1+ 4)-glycosidischen Bindung zwischen a und b ein hohes MaR an Realitat zukommt.

Der Versuch, beobachtete und berechnete NOEs quantitativ zu vergleichen, erweist sich jedoch bei 2 als problematisch, da, wie aufgrund der 13C-Spin-Gitter-Relaxations- zeiten gezeigt wurde, fur das Molekul nur eingeschrankt eine isotrope Bewegung anzu- nehmen ist. Selbst bei der relativ starren c( l --* 3)b-Bindung ergeben sich fur die gt- Konformation die folgenden Werte: Bei Sattigung von 1-HC finden sich fur 2-HC, I -Hd und 3-Hb berechnete NOEs von 0.43,0.38 und 0.28 sowie beobachtete NOEs von 0.29, 0.34 und 0.31.

Eine weitere Moglichkeit, das Ergebnis der Konformationsberechnung zu stutzen, bietet sich, wie von uns beschrieben, in der Beobachtung und Berechnung von ‘H-Spin- Gitter-Relaxationszeiten. In Tab. 6 sind die berechneten Verhaltnisse der jeweiligen

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498 H. Paulsen, T. Peters, V . Sinn well, R. Lebuhn und B. Meyer

'H-Spin-Gitter-Relaxationszeiten den beobachteten gegenubergestellt. Die Uberein- stimmung, besonders rnit der gt-Konformation, ist relativ gut.

Tab. 6. Beobachtete und berechnete Verhaltnisse von 'H-Spin-Gitter-Relaxationszeiten TI in 2

Tl-Verhalt iiis Beobachtet Berechnet gt gg

0.98 0.72 0.79

0.92 1.05 0.85 0.97 0.83 0.83

Eine genaue Betrachtung der chemischen Verschiebungen der Protonen liefert ferner gute Beweise dafiir, daR in 2, wie es die Berechnung fordert, in der Tat bevorzugt eine gt-Konformation vorliegt. In der berechneten giinstigsten gt-Konformation sol1 die (1 + 6)-glycosidisch gebundene D-MannOSe c' in enger Nachbarschaft zum N-Acetyl- glucosamin a stehen. Diese Nachbarschaft lal3t sich uberzeugend demonstrieren. Das Proton 3-Hc' der o-Mannose c' weist im u-Anomeren eine andere chemische Verschie- bung als im b-Anomeren auf. Dies zeigt deutlich ein Ausschnitt aus dem 2-D-COSY- Spektrum von 2 in Abb. 3. Der Cross-Peak fur die Spin-Spin-Kopplung zwischen 2-Hc'und 3-H'' ist verdoppelt, was auf unterschiedliche chemische Verschiebung von 3-Hc' im a-und 0-Anomeren zuriickzufiihren ist. Fur die D-MannOSe c treten diese Un- terschiede nicht auf, da hier fur 3-Hc die chemische Verschiebung im a- und b-Anomeren identisch ist. Die entsprechenden Beobachtungen kann man rnit den Teil- sequenzen, den Pentasacchariden 3 und 4 machen. Bei 3 mit der (1 + 6)-glycosidischen Sequenz e ' , d', c', b und a wird im 2-D-COSY-Spektrum fur 3-HC' eine entsprechende Verdopplung festgestellt. Bei 4 mit der (1 + 3)-glycosidischen Sequenz e, d, c, b, a wird dagegen diese Verdopplung nicht beobachtet. Abb. 6 zeigt diesen Effekt eindrucksvoll an Hand zweier Ausschnitte aus den entsprechenden 2-D-COSY-Spektren.

Als Ursache fur die Anderung der chemischen Verschiebung von 3-Hc' beim Uber- gang vom a- zum P-Anomeren ist eine direkte Wechselwirkung zwischen der D-Mannose c' und dem N-Acetylglucosamin a anzusehen. Fur die (1 -+ 3)-glycosidisch gebundene Einheit c tritt entsprechend diese Wechselwirkung nicht ein. Die GESA- Berechnung des gt-Konformeren von 2 zeigt, daR tatsachlich kurze Abstande zwischen 3-Hc' und 3-Oa sowie dem Carbonyl-Rest der N-Acetylgruppe des N-Acetylglucosamins a zu erwarten sind. Kleine Anderungen der Stellung der N-Acetylgrupe im a- und 0-Anomeren konnten also Unterschiede der chemischen Verschiebung von 3-HC' bewir- ken. Der Effekt stutzt somit die Konformationsberechnungen.

Auch andere Anderungen der chemischen Verschiebungen sprechen fur die Anwe- senheit der berechneten gt-Konformation. Die deutliche Tieffeldverschiebung von 0.24 ppm des Protons 2-Hb der o-Mannose b gegenuber dem 2-H des Methyl-B-D- mannopyranosides") weist auf eine Wechselwirkung von 2-H rnit Sauerstoffatomen anderer Pyranoseringe hin. In der Tat findet man in der rnit GESA berechneten gun- stigsten Konformation kurze Abstande von 2-Hb zu den Sauerstoffatomen 6-Oa, S O c und 6-0° . Dabei scheint insbesondere die Wechselwirkung rnit der D-MannOSe c von

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Kon formationsanalyse, XXV 499

Bedeutung zu sein, da die Tieffeldverschiebung von 0.24 ppm an 2-Hb ebenfalls im Pentasaccharid 4 auftritt. l m Pentasaccharid 3 findet man dagegen fur 2-Hb nur eine Tieffeldverschiebung von 0.09 ppm. Ferner sind die Protonen 2-HC und 2-Hc' von c und c' in 2 gegeniiber 2-H des Methyl-cc-o-rnannopyranoside~~~) um 0.2 ppm zu tiefem Feld verschoben. Die GESA-Rechnung zeigt, da13 dies auf einen geringen Abstand zwi- schen 2-HC und SOd, bzw. 2-HC' und SOd ' (250 pm) zuruckgefiihrt werden kann.

L.0 3.5 pprn

Abb. 3. 400-MHz-COSY-Spektrum von 2 Verwendete Impulssequenz: 90" - tl - 90" - t2. Die Aufnahme erfolgte mit 512 Inkrementen in tl und I K Datenpunkten in r2. In t , wurde ein Zerofilling auf 1 K und in r, auf 2 K Datenpunkte

durchgefhhrt. Die Spektrenbreite betrug 2000 Hz in F, und F,.

Es sei erwahnt, da8 bisher eine Rontgenstrukturanalyse eines Glycoproteins bekannt ist, bei der auch die Kohlenhydrat-Kette lokalisiert werden konnte. Es handelt sich urn das Immunglobulin IgGl, dessen raumliche Struktur von Deisenhofer und Huber auf- geklart wurde 14). Es enthalt ein sogenanntes Fc-Fragment, an das N-glycosidisch eine Kohlenhydrat-Kette gebunden ist. Die von uns synthetisierte Basissequenz des Octasac- charides 2 2, ist in der im Fc-Fragment lokalisierten Decasaccharid-Kette vollstandig enthalten, so da8 auch ein Vergleich der Konformationen des Octasaccharides mit der Rontgenstrukturanalyse moglich ist. Dieser Vergleich zeigt, da13 fur den Sequenzteil e, d, c, b und a irn Rahrnen der Fehlergrenze eine gute Ubereinstimmung zwischen der nach GESA berechneten bevorzugten Konformation und der durch Rontgenstruktur- analyse gefundenen Konformation im Kristall besteht. Unterschiede findet man fur den flexibleren (1 + 6)-gebundenen Teil e', d', c', der im Kristall zwar ebenfalls eine gt-Anordnung, allerdings mit einem Winkel von w = 70" zeigt. Die GESA-Rechnung

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500 H . Paulsen, T. Peters, V. Sinnwell, R. Lebuhn und B. Meyer

liefert w = 40". Die Abweichung ist aber sehr gut zu erklaren, da in der rnit GESA be- rechneten Konformation eine erhebliche Wechselwirkung rnit einer benachbarten Peptid-Kette auftreten miirjte, so darj die Seitenkette entsprechend verschoben wird. Eine detaillierte Diskussion der noch verfeinerten Rontgenstrukturanalyse sowie ein Vergleich mit den Konformationen des Octasaccharides und des inzwischen ebenfalls rnit GESA berechneten Decasaccharides wird an anderer Stelle erfolgenli).

Konformationen des Pentasaccharides 3 Vom Pentasaccharid 3 wurden ebenfalls die energiearmsten Konformationen berech-

net. Es wurde wie bei 2 gefunden, da13 an der (1 + 6)-glycosidischen Bindung ein Kon- formerengleichgewicht vorliegt. Die energetisch gunstigsten Anordnungen sind die gt- und die gg-Konformation. Dabei sollte das gt-Konformere im Konformerengleichge- wicht den grorjeren Anteil haben. In Tab. 7 sind die Torsionswinkel fur die gt- und die gg-Konformation von 3 zusammengefarjt. Ein Vergleich der Torsionswinkel in Tab. 7 rnit denen in Tab. 3 zeigt, da13 zwischen dem energetisch gunstigsten gt-Konformeren von 3 und dem von 2 keine wesentlichen Unterschiede in der bevorzugten Konforma- tion zu erwarten sind. In Abb. 4 ist das gt-Konformere von 3 in Stereodarstellung wie- dergegeben.

a-0-Man a-0-Man

0-GlcNAc

, P-D-Gal

(Plot-Programm PLAT020)) Abb. 4. Stereodarstellung der energetisch gunstigsten Konformation von 3

Vom Pentasaccharid 3 wurden mittels der 2-D-NMR-Technik die 'H-NMR-Spektren analysiert. Die gefundenen Daten sind in Tab. 8 enthalten. Fur 3 waren bei Raumtem- peratur bei Spektrometerfrequenzen von 400 MHz und 270 MHz keine NOEs zu beob- achten. Offensichtlich liegen Korrelationszeiten und Spektrometerfrequenzen in einern Bereich, in dem keine NOEs zu erwarten sind. In einem Losungsmittelgemisch

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Konformationsanalyse, XXV 501

D,0/CD30D (3 : 1) lienen sich Messungen bei tiefen Temperaturen durchfuhren. Es sind dann negative NOEs zu beobachten. Tab. 9 zeigt die Ergebnisse der NOE- Experimente an 3 bei 263 K.

Tab. 7. Torsionswinkel der mit GESA berechneten gunstigsten Konformationen von 3

C-5 - C-6 Konfor- e'(1 -+ 4)d' d'(1 + 2 ) ~ ' c '(1 + 6)b b( 1 + 4)a mered @ Y @ ' y @ Y J @ Y 0

gt 55" 3" 44" -5" -52" 79" 59" -6" 38 a

gg 55" 2" 55" 24" -53" 157" 58" 6" - 56"

a) Nach der Berechnung sollen im Konformerengleichgewicht bei 310 K 92% des gt- und 8% des gg-Konformeren vorliegen.

Tab. 8. 'H-chemische Verschiebungen (8-Werte) und Kopplungskonstanten J [Hz] von 3 in D20 (innerer Standard: Aceton, 6 = 2.22; T = 305 K)

Saccharid- Einheit 1-H 2-H 3-H 4-H 5-H 6-H 6'-H NAc

a-Anomeres von 3 a

b

C'

d'

e'

P-Anomeres von 3 a b

C'

5.21 3.87 (3.0) (10.0) 4.76 4.07

(0.8) (3.4) 4.92 4.09

(1.4) (3.4) 4.58 3.75 (7.7) (9.2)

4.46 3.53 (7.7) (10.0)

4.73 3.72 4.75 4.07

(0.8) (3.4) 4.92 4.09

(1.4) (3.4)

3.91 (10.0)

3.67 (10.0)

3.92 (10.0)

3.68 (9.7)

3.66 (3.4)

3.71 3.67

(10.0) 3.91

(10.0)

3.72 (9.7) 3.65

(10.0) 3.47

(9.4) 3.73

(9.7)

3.92 (1.2)

3.72 3.65

(10.0) 3.47

(9.4)

3.92 3.80 2.07

3.56 3.84

3.64 3.87 3.70

3.56 3.97 3.84 2.05 (2.9) (5.0)

(12.4) 3.72 3.80 3.77

(8.0) (2.0) (11.1)

3.56 3.80 3.56 3.84

3.64 3.87 3.70

2.06

Fur d' und e' werden gleiche chemische Verschiebungen wie bei dem a-Anomeren gefunden.

Eine Auswertung der interglycosidischen NOEs zeigt, da13 die Befunde gut mit der nach GESA berechneten bevorzugten Konformation vereinbar sind. In Abb. 5 sind schematisch die fur die Bestimmung der Konformation interessanten NOEs in 3 ange- geben. Eine quantitative Auswertung der NOE-Experimente ist problematisch, da in erheblichem Mal3e Spin-P~mping-Effekte~,~) auftreten. Eine 'H-Spin-Gitter-Relaxations- zeitmessung an 3 ergibt fur das Verhaltnis der T,-Werte 1-Hc'/2-Hc' einen Wert von

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33

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502 H. Paulsen, T. Peters, V. Sinnwell, R . Lebuhn und B. Meyer

0.84. Fur das gt-Konformere errechnet sich ein Wert von 1.39, fur das gg-Konformere einer von 0.71.

Tab. 9. Differenz-NOE-Spektren von 3 bei 263 K

Bestrahltes Proton Beobachtete NOEs ('70 Sattigung) (%)

l-HC' (100) 1-Hd' ( - 28.3), 2-HC' ( - 27.8), 6'-Hb ( - 18.2) 5-Hb ( - 12.8)

3-Hb (-44.3), 5-Hb (-33.0) 1-Hb (100) 2-Hb ( - 37.1), 6-Ha ( - 9.7), 4-Ha ( - 29.0),

HO

OH HO

HO

Abb. 5 . lnterglycosidische NOEs in 3

Wie beim Octasaccharid 2 geben auch beim Pentasaccharid 3 die chemischen Ver- schiebungen der Protonen wichtige Hinweise auf die bevorzugte Anwesenheit des gt- Konformeren. Fur das Proton 3-HC' von c' wird fur das a- und P-Anomere eine unter- schiedliche chemische Verschiebung gefunden. Dies zeigt sich an der Verdopplung der Cross-Peaks fur die Spin-Spin-Kopplung zwischen 2-HC' und 3-HC', die in Abb. 6 im Ausschnitt des 2-D-COSY-Spektrums von 3 deutlich zu erkennen ist. Zum Vergleich ist daneben der entsprechende Ausschnitt des 2-D-COSY-Spektrums von 4 wiedergege- ben, wo dieser Unterschied in der chemischen Verchiebung zwischen a- und P-Form nicht auftritt und daher eine entsprechende Verdopplung nicht zu beachten ist.

Wie beim Octasaccharid 2 diskutiert, ist die Differenz der chemischen Verschiebung von 3-HC' auf eine Nachbarschaft der Einheiten c' und a zuriickzufuhren. Eine derarti- ge Nachbarschaft tritt in der nach GESA berechneten gt-Form auf. Insbesondere sind Wechselwirkungen des Carbonyl-Restes der N-Acetylgruppe des N-Acetylglucosamins a sowie des Sauerstoffatoms 3-Oa mit 3-HC'zu erwarten, die in der a- und P-Form unter- schiedlich sein sollten. Dieser Befund ist ein gutes Argument fur die bevorzugte Anwe- senheit der gt-Konformation.

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Kon formationsanalyse, XXV 503

1-Hi lo IIY

I 1 I I

Abb. 6. 400-MHz-COSY-Spektren von 3 (links) und 4 (rechts) (Menbedingungen wie bei Abb. 4 angegeben)

Konformation des Pentasaccharides 4

Die Berechnung von 4 mit dem GESA-Programm fuhrt, wie erwartet, zu nur einer energetisch giinstigen Konformation. Die hierfur errechneten Torsionswinkel sind in Tab. 10 angegeben. Das Pentasaccharid 4 liegt als langgestreckte Kette vor, wahrend das Pentasaccharid 3, wie gezeigt, eine gewinkelte Anordnung bevorzugt. Der Ver- gleich der Torsionswinkel in 4 (Tab. 10) mit denen in 2 (Tab. 3) zeigt weitgehende Ahn- lichkeit der giinstigsten Konformation fur diese Pentasaccharid-Sequenz. In Abb. 7 ist die giinstigste Konformation von 4 in einer Stereoabbildung dargestellt.

Tab. 10. Torsionswinkel der mit GESA berechneten giinstigsten Konformation von 4

e(l -+ 4)d d(l -+ 2)c c(l -+ 3)b b(l + 4)a Q Y Q Y Q Y Q Y

55" 2" 53" 22" -47" -13" 56" 1'

Fur die Zuordnungen der 'H-NMR-Spektren von 4 wurde in hohem Mane die 'H- '3C-korrelierte 2-D-NMR-Spektroskopie eingesetzt. Sie erwies sich bei der Aufklarung aller Oligosaccharid-Spektren als unentbehrlich. In Abb. 8 ist das Beispiel eines 1H-13C-

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504 H . Pauisen, T. Peters, V. Sinnweli, R. Lebuhn und B. Meyer

Abb. 7 . Stereodarstellung der energetisch gunstigsten Konformation von 4 (Plot-Programm PLAT020))

I " I I I

50 1 5 L O 35

Abb. 8. 400-MHz-' H-'3C-korreliertes Spek- trum von 4

Angewandte Impulssequenz: 90"('H) -

D 4 - t2. Die Aufnahme erfolgte mit 128 In- krementen in und 4K Datenpunkten in /*. Durch Zerofilling wurde eine Datenmatrix von 0.5 K ( t l ) x 4K (I2) erhalten. Die Spektren- breite betrug 34000 H z i n 6 und2000Hzin4. Die Delay-Zeiten D 3 und D 4 wurden zu D 3 = 3.3 rns und D 4 = 2.2 ms gewahlt. Der

Relaxations-Delay betrug 0.1 s.

t , /2 - 180°('3C) - t,/2 - D 3 - 9O0(I3C) -

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Konformationsanalyse, XXV 505

korrelierten 2-D-Spektrums von 4 wiedergegeben. Die ermittelten chemischen Verschie- bungen von 4 zeigt die Tab. 1 1.

Tab. 11. 'H-chemische Verschiebungen (6-Werte) und Kopplungskonstanten J [Hz] von 4 in D20 (innerer Standard: Aceton, 6 = 2.22, T = 305 K)

Saccharid- Einheit 1 -H 2-H 3-H 4-H 5-H 6-H 6'-H NAc

a-Anomeres von 4 a 5.20 3.87 3.91 3.73 3.91 3.80 2.04

(3.0) (9.6) (9.8) (9.8) b 4.78 4.23 3.77 3.70 3.47 3.92 3.74

(0.9) (3.4) (10.0) (9.6) (2.7) (6.4) (12.4)

C 5.11 4.19 3.90 3.51 3.74 3.90 3.62 (1.3) (3.4) (10.0) (9.6) (2.0) (7.6)

(12.0) d 4.57 3.73 3.72 3.72 3.56 3.97 3.83 2.05

(7.5) (5.1) (2.2) (12.3)

e 4.46 3.53 3.65 3.92 3.72 3.82 3.77 (7.8) (10.0) (3.4) (1.2) (8.0) (2.0)

(12.0) a- Anomeres von 4 a 4.71 3.71 3.72 3.72 3.56 3.80 2.04 b 4.18 4.22 3.77 3.70 3.47 3.92 3.74

(0.9) (3.4) (10.0) (9.6) (2.7) (6.4) (12.4)

Fur c, d und e werden gleiche chemische Verschiebungen wie bei dem a-Anomeren gefunden.

Im Differenz-NOE-Spektrum von 4 waren bei Raumtemperatur und 4 0 MHz nega- tive NOEs zu beobachten. Das Ergebnis der NOE-Experimente an 4 f d t Tab. 12 zu- sammen. Es werden wiederum charakteristische interglycosidische NOEs beobachtet, die in Abb. 9 schematisch gezeigt werden. Die Ergebnisse stimmen sehr gut mit dem Er- gebnis der Konformationsberechnung uberein. Der Versuch einer quantitativen Aus- wertung fiihrt zu den in Tab. 13 wiedergegebenen beobachteten und berechneten Wer- ten bei Sattigung von 1-HC und I-Hd. In Anbetracht der geschilderten Problematik bei groBen Molekulen kann die Ubereinstimmung als hinreichend angesehen werden.

Tab. 12. Differenz-NOE-Spektren von 4

Bestrahltes Proton (070 Sattigung)

Beobachtete NOEs (070)

1-H' (100)

1-Hd (100)

1-He (100)

1-Hd (-7.6), 2-Hb (-8.1), 2-HC (Dispersion), 3-Hb

1-HC (-9.9, 2-HC ( - 4.0), 5-Hd ( - 6.0), 2-Hb und 3-Hd (Dispersion). 5-He und 4-Hd (-7.7), 3-He ( - 6.1), 2-He (Dispersion)

( - 9.9).

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OH

u Abb. 9. Interglycosidische NOEs in 4

Tab. 13. Relative beobachtete und berechnete NOEs bei 4

Sattigung von NOE beobachtet berechnet

1 -HC 1-Hd 2-H 3-Hb

0.30 0.32 0.38

0.38 0.33 0.29

I-Hd 1-HC 2-HC 5-Hd

0.49 0.20 0.31

0.41 0.31 0.28

Eine 'H-Spin-Gitter-Relaxationszeitmessung an 4 zeigt mit der Konformationsbe- rechnung eine bessere Ubereinstimmung. Fur die T,-VerhaItnisse T1(2-Hd)/T,(1-HC), Tl(l-Hb)/T,(l-HC) und 7',(2-Hb)/T1(1-Hb) findet man in der nach GESA berechneten gt-Konformation Werte von 0.88,0.66 und 1.34. Die beobachten Werte sind 1.02,0.75 und 1.36.

Konformation des Trisaccharides 5 Das zum Vergleich herangezogene Trisaccharid 5 ergibt nach der Berechnung mit

dem GESA-Programm eine bevorzugte Konformation, wie sie auch in den entspre- chenden Sequenzen in den Verbindungen 2 - 4 vorkommt. Die Diederwinkel betragen fur die e(l + 4)d-Bindung @ = 55" und Y = 4". Fur die d(l + 2)c-Bindung ergeben sich Werte von @ = 55" und Y = 9". Die Ubereinstimmung mit den fur die Verbin- dungen 2 , 3 und 4 berechneten Konformationen ist sehr gut. Abb. 10 zeigt das Molekul 5 in einer Stereodarstellung.

Die 'H-NMR-chemischen Verschiebungen von 5 sind bekannt l'). Differenz-NOE- Spektren von 5 ergeben aus gleichen Griinden wie bei 3 bei Raumtemperatur und Spek- trometerfrequenzen von 270 MHz und 400 MHz keine NOEs. Bei tiefen Temperaturen (260 K - 263 K) im Losungsmittelgemisch D,O/CD,OD (70: 30) sind jedoch starke ne- gative NOES zu beobachten. Das Ergebnis der NOE-Experimente zeigt die Tab. 14. Die

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Konformationsanalyse, XXV 507

interglycosidischen NOEs zeigt Abb. 11 schernatisch. Man erkennt eine sehr gute Uber- einstirnmung zwischen den beobachteten Werten und der berechneten energiearrnsten Konformation.

a-0-Man

m-0-Mon

P-D-GlcNAc

P-D-Gal

o-0-Man

a-0-Man

Abb. 10. Stereodarstellung der energetisch gunstigsten Konformation von 5 (Plot-Programm PLAT020))

HO

OMe

Abb. 11. Interglycosidische NOEs in 5

Tab. 14. Differenz-NOE-Spektren von 5 bei 260 K

Bestrahltes Proton (070 Sattigung)

Beobachtete NOEs (070)

1-He (100) I-Hd (100)

1-HC (loo).) 2-HC (100)a)

4-Hd und 5-He ( - 64.9), 3-He (- 32.7), 2-He ( - 16.8) 1-HC ( - 22.4), 2-HC ( - 16.1), 2-Hd und 3-Hd ( - 36.1), 5-Hd ( - 26.7) 1-Hd ( - 16.7), 2-HC ( - lO.l), OMe ( - 19.5) 1-Hd ( - 9.6), 1-HC ( - 9.0), 3-HC ( - 16.0)

a) Messung bei 263 K.

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Tab. 15. Relative beobachtete upd berechnete NOEs in 5

Sattigung von NOE Beobachtet Berechnet

I-Hd 1-HC 0.22 0.24 2-HC 0.16 0.13 2-Hd und 3-Hd 0.36 0.42 5-Hb 0.26 0.21

1-He 4-Hd und 5-He 0.57 0.56 3-He 0.28 0.18 2-He 0.15 0.26

Fur das kleine Molekiil5 ist nun wiederum eine isotrope Molekiilbewegung anzuneh- men, so dal3 ein quantitativer Vergleich der beobachteten NOEs rnit berechneten Wer- ten zu einem besseren Ergebnis fiihren sollte. Dies ist in der Tat der Fall; in Tab. 15 sind die relativen beobachteten NOEs jenen Werten gegeniibergestellt, die sich unter der Voraussetzung berechnen lassen, dal3 die nach der GESA-Berechnung angegebene Konformation niedrigster Energie (s. Abb. 10) tatsachlich vorliegt. Wie Tab. 15 zeigt, ist die Ubereinstimmung sehr gut. Dies zeigt, dal3 bei den kleinen Molekiilen das Ver- fahren auch quantitativ zu sehr guten Ergebnissen fuhrt. Bei den grijaeren Molekiilen sind, wie bei den Verbindungen 2 - 4 gezeigt wurde, hinsichtlich der quantitativen Aus- wertungen Grenzen gesetzt.

Frau H. Niirnberger danken wir fur die Praparation der Substanzen. Herrn A . Huffziger sei fur die Mitwirkung an den Untersuchungen gedankt. Die Deutsche Forschungsgemeinschuff hat die Untersuchungen wirkungsvoll unterstutzt. T. P. dankt dem Fonds der Chernischen Industrie fur ein Stipendium.

Experimenteller Teil Die NMR-Spektren wurden mit einem Bruker-WM-400-Spektrometer aufgenommen. Die

Spektrometerfrequenz fur Protonen betrug 400.13 MHz und fur I3C-Kerne 100.63 MHz. Bei den 'H-NMR-Spektren fiihrte eine Spektrenbreite von 4000 Hz und 32 K Datenpunkten zu einer digi- talen Auflosung von 0.244 Hz/Punkt. Fur die I3C-NMR-Spektren betrug die Spektrenbreite 26000 Hz, so dan sich bei 32 K Datenpunkten eine Auflosung von 1.59 Hz/Punkt ergab.

Die untersuchten Verbindungen wurden mehrmals in D,O aufgenommen und gefriergetrocknet bevor sie in hochreinem D,O (99.96% D) gelbst wurden. Nach Sattigung der Proben mit N, wur- den die NMR-Rohrchen zugeschmolzen.

NOE-Spektren wurden rnit Hilfe der Differenzspektren-Methodes) ausgewertet. In einigen Fal- len wurde eine exponentielle Multiplikation der Differenz-F1Ds durchgefuhrt. - Die Spin-Gitter- Relaxationszeiten wurden nach der ,,Nonselective-inversion-recovery-Methode"16) (fur Proto- nen) und nach der ,,Nonselective-fast-inversion-recovery-Methode" (fur 13C-Kerne) bestimmt. - Die 2-D-Messungen wurden mit Bruker-Menprogrammen durchgefuhrt. Die Auswertung erfolgte rnit einem ASPECT-2000-Computer. Die FlDs wurden in der 1'- und 1,-Domane mit einer Sinus- funktion multipliziert. 90"-Impulse wurden nach der Methode von Huupfls) bestimmt.

Die HSEA-Berechnungen rnit dem GESA-Programm wurden im Rechenzentrum Oldenburg rnit einer Telefunken-TR-440- und im Rechenzentrum Hamburg mit einer Siemens-7.882-Gron- rechenanlage durchgefuhrt.

Liebigs Ann. Chem. 1985

Page 21: Konformationsanalyse, XXV. Konformationen von Octasaccharid- und Pentasaccharid-Sequenzen in N-Glycoproteinen des Lactosamin-Typs

Konformationsanalyse, XXV 509

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