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M P F Platzierungen in den Subkategorien MEDIEN FORSCHUNG POLITIK Punkte (gesamt) sind gerundet Das vollständige Ranking Um im Ranking aufzuscheinen, muss man in der Kategorie Forschung (Punkte zählen doppelt) und mindestens einer weiteren Kategorie punkten. 1 18 12 1 Universität Zürich Ernst Fehr 539 Punkte 2 1 4 11 Wifo Wien Karl Aiginger 417 Punkte 3 2 1 20 Economica Institut Wien Bernhard Felderer 358 Punkte 4 5 6 2 Universität Linz Friedrich Schneider 236 Punkte 5 10 2 17 Donau-Universität Krems Gottfried Haber 225 Punkte 9 12 6 8 Universität St. Gallen Christian Keuschnigg 153 Punkte 6 4 6 6 IFO Institut München Hans-Werner Sinn (D) 206 Punkte 7 6 5 10 Industriellenvereinigung Wien Christian Helmenstein 201 Punkte 8 18 3 13 Wifo Wien Stephan Schulmeister 177 Punkte 10 7 9 19 Wifo Wien Margit Schratzenstaller 152 Punkte 11 3 11 14 IHS Wien Hemut Hofer 133 Punkte Ernst Fehr war immer stark in der For- schung, hat aber in den vergangenen Jah- ren wegen fehlender Punkte in den Kate- gorien Politik und Medien den Sprung ins Ranking nicht geschafft. Jetzt hat es ge- klappt. Bei den Forschungszitaten (mehr als 13.000!) lässt Fehr die Konkurrenz blass aussehen – und springt direkt auf Platz eins des heurigen Ökonomenrankings. Zum zweiten Jahr in Folge liegt Wifo-Chef Karl Aiginger in der Gunst der Medien vor- ne. Auch in der Politik bleibt sein Einfluss groß. Im Gesamtranking kann er sich um zwei Plätze verbessern. Den Platz auf dem Stockerl auch nächstes Jahr zu halten dürfte aber schwer werden: Aiginger ist mit September als Wifo-Chef abgetreten und hat an Christoph Badelt übergeben. Bernhard Felderer schafft den Sprung von Platz zehn aufs Stockerl und gewinnt heu- er die Einzelwertung Politik. Als Präsident des Fiskalrats gebührt ihm auch Aufmerk- samkeit: Niemand weiß besser, wie es um die Staatsschulden steht als der ehemalige IHS-Chef Felderer. Seit 2013 ist Felderer auch Senior Fellow am Economica-Insti- tut für Wirtschaftsforschung in Wien. Seit 30 Jahren lebt und lehrt der 1949 in Konstanz am Bodensee geborene Fried- rich Schneider in Linz. Der Experte für Pfusch und Schattenwirtschaft hat das Ökonomen- ranking in den vergangenen zwei Jahren gewonnen, muss sich heuer aber mit Platz vier zufriedengeben. Der 43-jährige Gottfried Haber ist nach Ernst Fehr der zweite Shootingstar im heurigen Ranking. Haber ist Professor und Vizedekan an der Donau-Uni in Krems und hat sich ne- ben allgemeineren Themen auf Gesund- heitsökonomie spezialisiert. Im Bereich Politik liegt er heuer auf Platz zwei. In den ersten zwei Ranking- jahren konnte Christian Keuschnigg von seiner Stel- lung bzw. seinem Abgang als IHS-Chef profitieren. In- zwischen hat der in St. Gallen lehrende Ti- roler sein eigenes Institut gegründet, das Wirtschaftspolitische Zentrum (WPZ). Keuschnigg verliert fünf Plätze. Er sitzt in fast jeder Talk- show zum Thema Grie- chenland: Hans-Werner Sinn ist in Deutschland und Österreich sehr bekannt. Allerdings ist das Thema Griechenland nicht mehr so aktuell, weshalb er von Platz zwei auf Platz sechs fällt. Als Präsident des IFO-Instituts ist er im März abgetreten. Der Chefökonom der In- dustriellenvereinigung schafft heuer seine bisher beste Platzierung. Christian Helmenstein ist sowohl in den Medien gefragt als auch in der Politik. Bei den Forschungszitaten profitiert der Deutsche bis heute von seiner frühen Ar- beit zum Thema „Braindrain“. Vergangenes Jahr lag Ste- phan Schulmeister in der Kategorie Politik noch auf Platz eins, heuer muss sich der leidenschaftliche Geg- ner des Neoliberalismus hier geschlagen geben. Im Gesamtranking fällt er um zwei Plätze zurück. In den Medien war Schul- meister zuletzt kaum präsent. Die Steuerexpertin des Wifo leidet wie in den vergange- nen Jahren unter ihrer ma- geren Ausbeute bei wissen- schaftlichen Zitaten. Aber Margit Schratzenstaller ist traditionell stark in den Bereichen Medien und Politik. Gegenüber dem Vorjahr fällt sie eine Posi- tion zurück. Wenn das IHS eine Progno- se zur Konjunktur abzuge- ben hat, dann steckt er da- hinter: Helmut Hofer kann sich heuer um zwei Positio- nen verbessern und schafft in der Medien- säule einen starken dritten Platz. Hofer gilt zudem als Experte für Lohnstrukturen und den Arbeitsmarkt. Felderer: „Die Steuerschraube ist jetzt schon deutlich überdreht“ Der Politikliebling. Das Steuersystem in Österreich gehöre dringend reformiert, sagt Bernhard Felderer: „Wir haben eine verrückte Besteuerung.“ VON NIKOLAUS JILCH Wien. Bernhard Felderer ist der El- der Statesman unter den österrei- chischen Ökonomen. Er bekleidet sogar das entsprechende Amt: Als Präsident des Fiskalrats wird er gern „oberster Schuldenwächter“ genannt. In der Realität ist seine Macht aber gering: Der Schulden- stand befindet sich auf einem Re- kordhoch, trotz der mahnenden Worte des Professors. Der ehemalige IHS-Chef war im vergangenen Jahr trotzdem der politisch einflussreichste Ökonom – auch wenn er es gar nicht so recht glauben mag: „Die Politiker hören selten auf mich. Die Ideen, denen ich anhänge, sind in den letzten zehn Jahren häufig verletzt worden“, sagt Felderer. Das Ranking von „Presse“, „Frankfurter Allgemeinen“ und „Neuen Zürcher Zeitung“ hat dennoch Wirkung gezeigt. Heuer liegt bereits die dritte Auflage die- ser Hitparade der einflussreichs- ten Ökonomen vor. „Die wirt- schaftspolitische Debatte in Ös- terreich wird heute mit mehr wis- senschaftlichem Sachverstand ge- führt als noch vor Einführung des Rankings“, sagt Tobias Thomas, Forschungsdirektor bei Media Te- nor International. Seit dem ersten Ranking im Jahr 2014 hat sich auch die Anzahl der Ökonomen, die sich qualifi- zieren konnten, mehr als verdop- pelt. Hatten 2014 nur 17 Wirt- schaftswissenschaftler die Krite- rien erfüllt, so waren es heuer schon 36. Felderer landet zum ersten Mal auf einem Spitzen- platz: „Er hat sich von Jahr zu Jahr in der Politikumfrage verbessert und Stephan Schulmeister auf Rang eins abgelöst“, sagt Thomas. „Zinsen können steigen“ Eigentlich ein Wunder. Der 75-jährige gebürtige Kärntner ge- hört in der Republik sozusagen zum Inventar. Als junger Mann hatte er in Wien Jus studiert, bevor er sich in Paris der Ökonomie widmete. Es folgten lehrreiche Jahre unter dem damals bereits berühmten Österreicher Fritz Machlup an der Uni Princeton. Nach einigen Stationen in Deutschland und einem Zwi- schenstopp in der damaligen Sowjetunion (Novosibirsk und Moskau), führte es Felderer 1991 wieder zurück nach Wien. Bis 2012 war er dann 21 Jahre lang Chef des Instituts für Höhere Stu- dien (IHS). In Sachen Politikein- fluss hat er schon bessere Zeiten gesehen: „Ich kann mich gut an den Bundeskanzler Franz Vranitz- ky erinnern. Ich war oft bei ihm. Das war eine andere Atmosphä- re.“ Heute seien die Politiker oft der Meinung, Geld sei uneinge- schränkt vorhanden. Da helfen die extrem niedrigen Zinsen na- türlich nicht, die Österreich be- rechnet werden. „Aber Zinsen können eben auch wieder stei- gen“, sagt Felderer: „Wir denken heute zu viel über Verteilungsge- rechtigkeit nach – und zu wenig darüber, wo das Geld eigentlich herkommen soll.“ Die Steuern könnten keines- wegs weiter steigen. Im Gegenteil: „Wir haben eine verrückte Be- steuerung, die Steuerschraube ist jetzt schon deutlich überdreht.“ Dem Land stellt er deswegen kein perfektes Zeugnis aus: „Wir sind nicht dort, wo wir eigentlich sein sollten, angesichts der guten Un- ternehmer und Manager im Land.“ Anders als etwa Italien oder Frankreich müsste man in Österreich auch nicht sofort den Arbeitsmarkt reformieren – wohl aber das Steuersystem. Ex-IHS-Chef Bernhard Felderer ist erstmals auf einem Topplatz. [ Fabry ] Ökonomen-Ranking. Zum dritten Mal hat „Die Presse“ mit der „Frankfurter Allgemeinen“ und der „Neuen Zürich lehrende Österreicher Ernst Fehr schafft dank seines Einflusses in der Forschung den Sprung von null Fehr: „Politik ist Der Gesamtsieger. Laut dem Verhaltens- ökonomen Ernst Fehr nutzt die Politik den „Werkzeugkasten“ der Mikroökonomie noch viel zu wenig. VON JAKOB ZIRM Wien. Ernst Fehr ist vor allem inner- halb der wissenschaftlichen Ge- meinde ein Begriff. Während die Medienzitate noch gering ausfallen und auch in der Politik viele den Namen des aus Vorarlberg stam- menden und an der Universität Zü- rich forschenden Pioniers der Ver- haltensökonomie noch nicht ken- nen, gilt er unter Wissenschaftler- kollegen als Koryphäe auf seinem Gebiet. Dies zeigt auch die schiere Zahl seiner Zitierungen in wissen- schaftlichen Arbeiten: 13.039 Mal wurde Fehr im für das Ranking re- levanten Untersuchungszeitraum 2012 bis 2016 von Kollegen in de- ren Papieren zitiert. Er lässt damit auch den bisherigen Spitzenreiter in dieser Disziplin, den Vorjahres- sieger Friedrich Schneider von der Uni Linz, der auf 1498 Zitierungen kommt, weit hinter sich. Doch zeigt nicht gerade diese Diskrepanz zwischen wissen- schaftlicher Bedeutung und (noch) geringem Widerhall in Medien und Politik eigentlich ein mangelndes allgemeines Verständnis für die Bedeutung der Mikroökonomie? „Die Politik könnte viel von den Erkenntnissen profitieren, die in der angewandten Mikroökonomie erzielt werden. Vor allem eine Politikevaluation mit diesen Me- thoden wäre wichtig, also ob eine Maßnahme wirkt oder nicht“, sagt Fehr. Was das konkret bedeuten würde, erklärt er anhand eines Pro- jekts, das die Uni Zürich unter sei- ner Leitung zusammen mit der UNO-Hilfsorganisation Unicef durchgeführt hat. So würden die Regierungen, die für Unicef Geld spenden, immer gern wissen, was für Wirkung diese Mittel entfalten. Etwa wenn es darum geht, ge- schlechterspezifische Abtreibun- gen oder Mädchenbeschnei- dungen zu verhindern. Daher Der gebürtige Vorarlberger Ernst Fehr studierte in versität Zürich und leitet dort die empirische Ver- 14 ECONOMIST SAMSTAG, 3. SEPTEMBER 2016

Ökonomen-Ranking. Felderer:„DieSteuerschraubeist … · 2016-09-06 · 12 Wirtschaftsuniversität Wien 20 10 4 Sigrid Stagl 122 Punkte 13 8163 DIW Berlin Marcel Fratzscher (D)

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Page 1: Ökonomen-Ranking. Felderer:„DieSteuerschraubeist … · 2016-09-06 · 12 Wirtschaftsuniversität Wien 20 10 4 Sigrid Stagl 122 Punkte 13 8163 DIW Berlin Marcel Fratzscher (D)

M P FPlatzierungen in den Subkategorien

MEDIEN FORSCHUNGPOLITIK

Punkte (gesamt) sind gerundetDas vollständige Ranking

Um im Ranking aufzuscheinen, muss man in derKategorie Forschung (Punkte zählen doppelt) undmindestens einer weiteren Kategorie punkten.

1 18 12 1Universität ZürichErnst Fehr

539 Punkte 2 1 4 11Wifo WienKarl Aiginger

417 Punkte 3 2 1 20Economica Institut WienBernhard Felderer

358 Punkte

4 5 6 2Universität LinzFriedrich Schneider

236 Punkte 5 10 2 17Donau-Universität KremsGottfried Haber

225 Punkte

9 12 6 8Universität St. GallenChristian Keuschnigg

153 Punkte

6 4 6 6IFO Institut MünchenHans-Werner Sinn (D)

206 Punkte 7 6 5 10Industriellenvereinigung WienChristian Helmenstein

201 Punkte

8 18 3 13Wifo WienStephan Schulmeister

177 Punkte 10 7 9 19Wifo WienMargit Schratzenstaller

152 Punkte 11 3 11 14IHS WienHemut Hofer

133 Punkte

Ernst Fehr war immer stark in der For-schung, hat aber in den vergangenen Jah-ren wegen fehlender Punkte in den Kate-gorien Politik und Medien den Sprung insRanking nicht geschafft. Jetzt hat es ge-klappt. Bei den Forschungszitaten (mehrals 13.000!) lässt Fehr die Konkurrenz blassaussehen – und springt direkt auf Platz einsdes heurigen Ökonomenrankings.

Zum zweiten Jahr in Folge liegt Wifo-ChefKarl Aiginger in der Gunst der Medien vor-ne. Auch in der Politik bleibt sein Einflussgroß. Im Gesamtranking kann er sich umzwei Plätze verbessern. Den Platz auf demStockerl auch nächstes Jahr zu haltendürfte aber schwer werden: Aiginger istmit September als Wifo-Chef abgetretenund hat an Christoph Badelt übergeben.

Bernhard Felderer schafft den Sprung vonPlatz zehn aufs Stockerl und gewinnt heu-er die Einzelwertung Politik. Als Präsidentdes Fiskalrats gebührt ihm auch Aufmerk-samkeit: Niemand weiß besser, wie es umdie Staatsschulden steht als der ehemaligeIHS-Chef Felderer. Seit 2013 ist Feldererauch Senior Fellow am Economica-Insti-tut für Wirtschaftsforschung inWien.

Seit 30 Jahren lebt und lehrtder 1949 in Konstanz amBodensee geborene Fried-rich Schneider in Linz. DerExperte für Pfusch undSchattenwirtschaft hat das Ökonomen-ranking in den vergangenen zwei Jahrengewonnen, muss sich heuer aber mit Platzvier zufriedengeben.

Der 43-jährige GottfriedHaber ist nach Ernst Fehrder zweite Shootingstar imheurigen Ranking. Haber istProfessor und Vizedekan ander Donau-Uni in Krems und hat sich ne-ben allgemeineren Themen auf Gesund-heitsökonomie spezialisiert. Im BereichPolitik liegt er heuer auf Platz zwei.

In den ersten zwei Ranking-jahren konnte ChristianKeuschnigg von seiner Stel-lung bzw. seinem Abgangals IHS-Chef profitieren. In-zwischen hat der in St. Gallen lehrende Ti-roler sein eigenes Institut gegründet, dasWirtschaftspolitische Zentrum (WPZ).Keuschnigg verliert fünf Plätze.

Er sitzt in fast jeder Talk-show zum Thema Grie-chenland: Hans-WernerSinn ist in Deutschland undÖsterreich sehr bekannt.Allerdings ist das Thema Griechenlandnicht mehr so aktuell, weshalb er von Platzzwei auf Platz sechs fällt. Als Präsident desIFO-Instituts ist er imMärz abgetreten.

Der Chefökonom der In-dustriellenvereinigungschafft heuer seine bisherbeste Platzierung. ChristianHelmenstein ist sowohl inden Medien gefragt als auch in der Politik.Bei den Forschungszitaten profitiert derDeutsche bis heute von seiner frühen Ar-beit zum Thema „Braindrain“.

Vergangenes Jahr lag Ste-phan Schulmeister in derKategorie Politik noch aufPlatz eins, heuer muss sichder leidenschaftliche Geg-ner des Neoliberalismus hier geschlagengeben. Im Gesamtranking fällt er um zweiPlätze zurück. In den Medien war Schul-meister zuletzt kaum präsent.

Die Steuerexpertin des Wifoleidet wie in den vergange-nen Jahren unter ihrer ma-geren Ausbeute bei wissen-schaftlichen Zitaten. AberMargit Schratzenstaller ist traditionellstark in den BereichenMedien und Politik.Gegenüber dem Vorjahr fällt sie eine Posi-tion zurück.

Wenn das IHS eine Progno-se zur Konjunktur abzuge-ben hat, dann steckt er da-hinter: Helmut Hofer kannsich heuer um zwei Positio-nen verbessern und schafft in der Medien-säule einen starken dritten Platz. Hofer giltzudem als Experte für Lohnstrukturen undden Arbeitsmarkt.

Felderer: „Die Steuerschraube istjetzt schon deutlich überdreht“Der Politikliebling. DasSteuersystem in Österreichgehöre dringendreformiert, sagt BernhardFelderer: „Wir haben eineverrückte Besteuerung.“

VON NIKOLAUS JILCH

Wien. Bernhard Felderer ist der El-der Statesman unter den österrei-chischen Ökonomen. Er bekleidetsogar das entsprechende Amt: AlsPräsident des Fiskalrats wird ergern „oberster Schuldenwächter“genannt. In der Realität ist seineMacht aber gering: Der Schulden-stand befindet sich auf einem Re-kordhoch, trotz der mahnendenWorte des Professors.

Der ehemalige IHS-Chef warim vergangenen Jahr trotzdem derpolitisch einflussreichste Ökonom– auch wenn er es gar nicht sorecht glauben mag: „Die Politikerhören selten auf mich. Die Ideen,denen ich anhänge, sind in denletzten zehn Jahren häufig verletztworden“, sagt Felderer.

Das Ranking von „Presse“,„Frankfurter Allgemeinen“ und„Neuen Zürcher Zeitung“ hatdennoch Wirkung gezeigt. Heuerliegt bereits die dritte Auflage die-ser Hitparade der einflussreichs-ten Ökonomen vor. „Die wirt-schaftspolitische Debatte in Ös-terreich wird heute mit mehr wis-senschaftlichem Sachverstand ge-führt als noch vor Einführung desRankings“, sagt Tobias Thomas,Forschungsdirektor bei Media Te-nor International.

Seit dem ersten Ranking imJahr 2014 hat sich auch die Anzahlder Ökonomen, die sich qualifi-zieren konnten, mehr als verdop-pelt. Hatten 2014 nur 17 Wirt-schaftswissenschaftler die Krite-

rien erfüllt, so waren es heuerschon 36. Felderer landet zumersten Mal auf einem Spitzen-platz: „Er hat sich von Jahr zu Jahrin der Politikumfrage verbessertund Stephan Schulmeister aufRang eins abgelöst“, sagt Thomas.

„Zinsen können steigen“Eigentlich ein Wunder. Der75-jährige gebürtige Kärntner ge-hört in der Republik sozusagenzum Inventar. Als junger Mannhatte er in Wien Jus studiert, bevorer sich in Paris der Ökonomiewidmete. Es folgten lehrreicheJahre unter dem damals bereitsberühmten Österreicher FritzMachlup an der Uni Princeton.

Nach einigen Stationen inDeutschland und einem Zwi-schenstopp in der damaligenSowjetunion (Novosibirsk undMoskau), führte es Felderer 1991wieder zurück nach Wien. Bis2012 war er dann 21 Jahre langChef des Instituts für Höhere Stu-dien (IHS). In Sachen Politikein-fluss hat er schon bessere Zeitengesehen: „Ich kann mich gut an

den Bundeskanzler Franz Vranitz-ky erinnern. Ich war oft bei ihm.Das war eine andere Atmosphä-re.“ Heute seien die Politiker oftder Meinung, Geld sei uneinge-schränkt vorhanden. Da helfendie extrem niedrigen Zinsen na-türlich nicht, die Österreich be-rechnet werden. „Aber Zinsenkönnen eben auch wieder stei-gen“, sagt Felderer: „Wir denkenheute zu viel über Verteilungsge-rechtigkeit nach – und zu wenigdarüber, wo das Geld eigentlichherkommen soll.“

Die Steuern könnten keines-wegs weiter steigen. Im Gegenteil:„Wir haben eine verrückte Be-steuerung, die Steuerschraube istjetzt schon deutlich überdreht.“Dem Land stellt er deswegen keinperfektes Zeugnis aus: „Wir sindnicht dort, wo wir eigentlich seinsollten, angesichts der guten Un-ternehmer und Manager imLand.“ Anders als etwa Italienoder Frankreich müsste man inÖsterreich auch nicht sofort denArbeitsmarkt reformieren – wohlaber das Steuersystem.

Ex-IHS-Chef Bernhard Felderer ist erstmals auf einem Topplatz. [ Fabry ]

Ökonomen-Ranking. Zum dritten Mal hat „Die Presse“ mit der „Frankfurter Allgemeinen“ und der „NeuenZürich lehrende Österreicher Ernst Fehr schafft dank seines Einflusses in der Forschung den Sprung von null

Fehr: „Politik istDer Gesamtsieger.Laut dem Verhaltens-ökonomen Ernst Fehrnutzt die Politik den„Werkzeugkasten“ derMikroökonomie nochviel zu wenig.

VON JAKOB ZIRM

Wien. Ernst Fehr ist vor allem inner-halb der wissenschaftlichen Ge-meinde ein Begriff. Während dieMedienzitate noch gering ausfallenund auch in der Politik viele denNamen des aus Vorarlberg stam-menden und an der Universität Zü-rich forschenden Pioniers der Ver-haltensökonomie noch nicht ken-nen, gilt er unter Wissenschaftler-kollegen als Koryphäe auf seinemGebiet. Dies zeigt auch die schiereZahl seiner Zitierungen in wissen-schaftlichen Arbeiten: 13.039 Malwurde Fehr im für das Ranking re-levanten Untersuchungszeitraum2012 bis 2016 von Kollegen in de-ren Papieren zitiert. Er lässt damitauch den bisherigen Spitzenreiterin dieser Disziplin, den Vorjahres-sieger Friedrich Schneider von derUni Linz, der auf 1498 Zitierungenkommt, weit hinter sich.

Doch zeigt nicht gerade dieseDiskrepanz zwischen wissen-schaftlicher Bedeutung und (noch)geringemWiderhall in Medien undPolitik eigentlich ein mangelndesallgemeines Verständnis für dieBedeutung der Mikroökonomie?„Die Politik könnte viel von denErkenntnissen profitieren, die inder angewandten Mikroökonomieerzielt werden. Vor allem einePolitikevaluation mit diesen Me-thoden wäre wichtig, also ob eineMaßnahme wirkt oder nicht“, sagtFehr.

Was das konkret bedeutenwürde, erklärt er anhand eines Pro-jekts, das die Uni Zürich unter sei-ner Leitung zusammen mit derUNO-Hilfsorganisation Unicefdurchgeführt hat. So würden dieRegierungen, die für Unicef Geldspenden, immer gern wissen, wasfür Wirkung diese Mittel entfalten.Etwa wenn es darum geht, ge-schlechterspezifische Abtreibun-gen oder Mädchenbeschnei-dungen zu verhindern. Daher

Der gebürtige Vorarlberger Ernst Fehr studierte inversität Zürich und leitet dort die empirische Ver-

14 ECONOMIST SAMSTAG, 3. SEPTEMBER 2016

Page 2: Ökonomen-Ranking. Felderer:„DieSteuerschraubeist … · 2016-09-06 · 12 Wirtschaftsuniversität Wien 20 10 4 Sigrid Stagl 122 Punkte 13 8163 DIW Berlin Marcel Fratzscher (D)

12 20 10 4Wirtschaftsuniversität WienSigrid Stagl

122 Punkte 13 8 16 3DIW BerlinMarcel Fratzscher (D)

87 Punkte 14 9 14 9ZEW MannheimClemens Fuest (D)

72 Punkte

15 14 16 5RWI EssenChristoph Schmidt (D)

41 Punkte 16 17 13 16Wifo WienChristoph Badelt

41 Punkte 17 16 14 12Wifo WienFranz Sinabell

38 Punkte

18 10 16 15Wifo WienHelmut Mahringer

36 Punkte 19 15 16 7Ifo-Institut MünchenGabriel Felbermayr

33 Punkte 20 13 16 18Wirtschaftsuniversität WienPeter Schnedlitz

30 Punkte

METHODE

Medien. Das Schweizer Institut Media Te-nor International hat analysiert, wie häufigwelche Ökonomen von August 2015 bisJuli 2016 mit Einschätzungen in den Me-dien genannt wurden. Berücksichtigt wur-den Zitate über mehr als vier Zeilen, wennder Wissenschaftler als Ökonom oderWirtschaftsforscher bezeichnet wurde.

Politik. „Welche sind die Ökonomen, derenRat oder Publikationen Sie am meisten fürIhre Arbeit schätzen?“ Diese Frage stelltenEconwatch, das Düsseldorf Institute forCompetition Economics und die deutscheZentralbibliothek für Wirtschaftswissen-schaften in einer Umfrage Hunderten Par-lamentariern und Beamten inMinisterien.

Wissenschaft. Hier zählt die Zahl der Zitateaus den vergangenen Jahren. Diesen Indexhat der Fachverlag Elsevier aus seinerForschungsdatenbank Scopus berechnet.Scopus ist die größte Zitat- und Abstract-datenbank der Welt mit 21.000 Zeitschrif-ten. Für dieses Ranking wurden Zitate be-rücksichtigt, die in den Jahren 2012 bis2016 veröffentlicht wurden.

Gesamtwertung. In der Forschung warenmindestens fünf Zitate nötig, in der Öffent-lichkeit mindestens fünf Medienzitate oderfünf Punkte in der Politikumfrage. DasRanking konzentriert sich auf Ökonomen,die an Institutionen in Deutschland, Öster-reich und der Schweiz arbeiten. In jederSäule bekam der stärkste Ökonom 250Punkte, alle anderen proportional dazu. InSumme zählten Medien und Politik ein-fach, die Forschung doppelt. Ein Ökonomkonnte höchstens 1000 Punkte erreichen.

Die WU-Professorin war imvergangenen Jahr derhöchste Neueinsteiger, fälltheuer aber von Platz achtauf Platz zwölf zurück. Er-staunlich: Sigrid Stagl kam in den Medienpraktisch gar nicht vor, verfügt aber übersoliden Einfluss auf die Politik. Im For-schungsbereich landet sie auf Platz vier.

Der deutsche Wirtschafts-weise Marcel Fratzscherwar im vergangenen Jahrein aufsteigender Star, istheuer aber um zehn Plätzezurückgefallen. Der Vertraute des deut-schen Vizekanzlers, Sigmar Gabriel (SPD),ist in der Forschung stark, verfügt in Öster-reich aber nicht über politische Relevanz.

Der 48-jährige Clemens Fu-est hat im April die Leitungdes Münchner IFO-Institutsvon Hans-Werner Sinnübernommen. Fuest stehtfür ordoliberale Positionen und ist Mitglieddes wissenschaftlichen Beirats im deut-schen Finanzministerium. In der österrei-chischen Politik ist sein Einfluss schwach.

Helmut Mahringer hat imVergleich zum Vorjahr zweiPlätze einbüßen müssen.Wie schon im Vorjahr fehltes ihm an politischer Ein-flussnahme. Mahringer kann aber in derMediensäule punkten. Der 1965 geboreneWifo-Ökonom gilt als Experte für dieStrukturen des Arbeitsmarkts.

Der Oberösterreicher Gabri-el Felbermayr leitet das Zen-trum für Außenwirtschaftdes Münchner IFO-Instituts.Seit 2011 ist er Professor fürinternationale Ökonomie und Handel ander Uni München. Felbermayr ist Neuein-steiger. Er profitiert von seiner starken Per-formance in derWissenschaftssäule.

Peter Schnedlitz ist seit1992 Vorstand des Institutsfür Handel und Marketingan der WU Wien. Der ge-bürtige Steirer schafft heuererstmals den Sprung ins Ranking – undzwar aufgrund seiner Medienwertung. DerPolitik ist der Marketingexperte bishernicht aufgefallen.

Der in Australien geboreneSchmidt ist im österreichi-schen Ranking ein Neuein-steiger, der vor allem imForschungsbereich starkist. Christoph Schmidt ist Vorsitzender derdeutschen Wirtschaftsweisen und Präsi-dent des Rheinisch-Westfälischen Institutsfür Wirtschaftsforschung (RWI).

Christoph Badelt ist schon65 Jahre alt, ihm steht in die-sem Ranking aber trotzdemeine glänzende Zukunft vo-raus. Denn der ehemaligeWU-Rektor übernimmt mit September vonKarl Aiginger den Chefposten im Wifo, wasihm in den kommenden Monaten viel Me-dienaufmerksamkeit bringen sollte.

Der 1964 in Niederöster-reich geborene Wifo-Öko-nom Franz Sinabell hat sichauf die Bereiche Umwelt,Landwirtschaft und Energiespezialisiert. Im heurigen Ranking ist erein Neueinsteiger. Sinabell unterrichtet ander Uni für Bodenkultur, der Uni Wien undder Donau-Uni Krems.

„Österreich ist nicht reiffür weniger Wachstum“DerMedienstar. Imvergangenen Jahr als Wifo-Chef war Karl Aiginger inden Medien omnipräsent.Seine Zukunft widmet erEuropa statt Österreich.

VON MATTHIAS AUER

Wien. Kein anderer österreichi-scher Wirtschaftsforscher füllte inden vergangenen Monaten soviele Zeitungsseiten und Sende-minuten wie er: Karl Aiginger. Inden ersten sechs Monaten desJahres wurde der ehemalige Chefdes Wifo mehr als dreimal so oftmit seiner Einschätzung zitiertwie der zweitplatzierte FriedrichSchneider von der UniversitätLinz. Seit 1. September fällt der„Amtsbonus“ weg. Karl Aigingerhat sich von der Spitze des Wifozurückgezogen und beschäftigtsich nunmehr als Leiter der neugegründeten „Querdenkerplatt-form: Wien – Europa“.

Damit sollte der Grundsteingelegt sein, dass der Liebling derMedien auch künftig in Rankingswie diesem noch einen Platz ha-ben wird. Das Thema Österreichwill der Industrieökonom in dennächsten Monaten zwar etwasausklammern, um seinem Nach-folger beim Wifo nicht die Bühnezu stehlen. Aber auch Aigingersneue Spielwiese, die europäischeWirtschaftspolitik, bietet genü-gend Raum für schöne Zitate.

Im Zweifelsfall OptimistSo wie etwa dieses: „Es könntesein, dass das 21. Jahrhundert dasJahrhundert Europas wird“, sagtder unerschütterliche OptimistKarl Aiginger mitten in einer Zeit,in der die hohe Zuwanderungund Abspaltungsbestrebungen

Großbritanniens die EU vor ihreschwerste Belastungsprobe stel-len. Dennoch sei das europäischeModell das beste für reiche Ge-sellschaften, betont er. Nur ver-kauft werde es eben zu schlecht.Gegenüber anderen Ländern undgegenüber der Bevölkerung.

So sei es etwa auch falsch,Fortschritt in saturierten Gesell-schaften nur an immer mehrWirtschaftsleistung festzuma-chen. Ein wachsendes BIP alleinmache noch niemanden glückli-cher, sagt der Wirtschaftsforscher.„Wir brauchen ein breiteres Er-folgsmaß und schlagen dafür diesteigende Lebensqualität vor.“

Manche europäische Länder,etwa Österreich, seien aber fürein niedrigeres Wachstum nochnicht bereit. Zu schwer würdenAltlasten wie steigende Arbeitslo-sigkeit, hohe Staatsschulden undungleich verteilte Einkommenauf dem Rücken dieser Gesell-schaften lasten. Sein Lösungsan-satz: eine staatliche Ausgaben-bremse und der radikale Umbaudes Steuersystems, der Arbeitenbilliger und dafür Rauchen, Trin-ken und Autofahren teurer ma-chen soll. In Österreich ist die Po-litik diesen (oft vorgebrachten)Forderungen Aigingers bis datonicht gefolgt. Ganz egal, wie oftdie Medien ihn damit zitierten.

Karl Aiginger ist jetzt Querdenker. [ Fabry ]

Zürcher Zeitung“ die einflussreichsten Ökonomen des Jahres ermittelt. Es gibt einen neuen Sieger: Der inauf Platz eins. Bernhard Felderer hat den stärksten Einfluss auf die Politik, Karl Aiginger ist Medienliebling.

konstant zu evaluieren“

wurden von den Verhaltensökono-men zusammen mit FachexpertenMethoden überlegt, wie man diegewünschten Ziele erreichen kann.Also beispielsweise Familien finan-zielle Subventionen für die Bildungvon Mädchen zukommen zu las-sen, unter der Voraussetzung, dassdiese nicht beschnitten werden.Wie bei einem Medikamententestwurde diese Maßnahme bei einersogenannten Treatment-Gruppeausprobiert und dann mit einer

Kontrollgruppe verglichen. Sokonnte dann festgestellt werden,ob die erwünschte Wirkung wirk-lich erreicht wird.

„Mit solchen Methoden könnteman auch überprüfen, ob be-stimmte Bildungsmaßnahmen fürArbeitslose die Arbeitslosen auchwirklich stärker in die Beschäfti-gung zurückbringen“, sagt Fehr.Internationale Studien würdennämlich zeigen, dass bei Männernab einem gewissen Alter Schu-

lungsmaßnahmen nur noch sehrwenig für den Erfolg auf dem Ar-beitsmarkt bringen. Diesen Men-schen wäre dann wohl besser da-mit geholfen, das dafür notwendigeGeld anders einzusetzen. „Die lau-fende Evaluation der einzelnenMaßnahmen würde der Politikeinen ständigen Lernprozess er-möglichen“, so Fehr. In der Praxiswerde dies bisher allerdings durchden politischen Wettbewerb weit-gehend verhindert.

Fairness spielt große RolleHintergrund dieser Forderung desVerhaltensökonomen ist die Er-kenntnis der Mikroökonomie, dasses den reinen Homo oeconomicusnicht gibt. Wie durch verschiedens-te Experimente herausgefundenwurde, entscheiden Menschennicht immer rational und stellenauch den Eigennutz nicht immer inden Vordergrund. Vielmehr spie-len auch andere Beweggründe,etwa der Wunsch nach Fairness,eine große Rolle.

Bestes Beispiel dafür ist das so-genannte Ultimatumspiel. Hierbeierhält ein Proband eine gewisseSumme. Er kann dann entschei-den, wie viel er davon an einen an-deren Probanden abgibt. Nimmtdieser das Angebot an, erhaltenbeide das Geld. Lehnt er ab, erhältniemand etwas.

Ökonomisch wäre es für denzweiten Probanden sinnvoll, jedesAngebot anzunehmen, da auch eingeringer Geldbetrag besser alsnichts ist. In der Praxis hat sichaber herausgestellt, dass die Men-schen das Angebot ablehnen,wenn der Anteil am insgesamt ver-teilten Betrag zu gering ist. Das er-kläre, warum Wirtschaft in derRealität oft nicht so funktionierewie im Lehrbuch, so Fehr, der vor25 Jahren als einer der erstenauf dem Gebiet der Verhaltensöko-nomie mit der Forschung begon-nen hat.

Wien Volkswirtschaftslehre und war Professor an der TU Wien. Seit 1994 arbeitet er an der Uni-haltensforschung. Die Uni gilt als eine der weltweit führenden auf dem Gebiet. [ Teichmann/picturedesk.com ]

SAMSTAG, 3. SEPTEMBER 2016 ECONOMIST 15