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Walther, Konsens in der Kommune Seite 1
Konsensuale Konfliktlösungen im kommunalen Sektor –
Mediation als modernes Medium der Streitbeilegung
Von Harald Walther, Wiesbaden/Speyer
1. Die Ausgangslage in Hessen: Das Kommunalisierungsgesetz 2005
2. Wachsende Konfliktfelder für die Kommunen
2.1. Zunahme von gerichtlichen Verfahren
2.2. Steigende Entwicklung gesellschaftspolitischer Streitpunkte
3. Mediation als neue Streitbeilegungsmethode
4. "Kundenorientierung" durch Mediation in der Verwaltungsgerichtsbarkeit
5. Das Modellprojekt "Mediation in der hessischen Verwaltungsgerichtsbarkeit"
5.1. Rekrutierung, Ausbildung und Organisation
5.2. Resultate
5.3. Wissenschaftliche Begleitforschung
6. Effizienz und Effektivität der Mediation – Das Kostenproblem
7. Ausblick
* * *
1. Die Ausgangslage in Hessen: Das Kommunalisierungsgesetz 20051
Knappe Kassen regieren das Feld. Die hessische Landesverwaltung sieht sich in der
Verantwortung, zum Erhalt des Gemeinwesens drastische Einsparmaßnahmen zu
realisieren.2,3 Damit einher geht eine zunehmende Inanspruchnahme der kommuna-
len Gebietskörperschaften in ihrer Mitverantwortung für einen effizienten Staat. Die
Der Verfasser ist Richter am Verwaltungsgericht Wiesbaden, Diplom-Verwaltungswirt und Lehrbe-
auftragter an der Deutschen Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer. 1 Kommunalisierungsgesetz vom 21.0.2005, GVBl. 2005, S. 229; zu den im Jahr 2004 eingebrach-
ten Initiativen zur Änderung der Kommunalverfassung vgl. den Überblick von Dreßler, HSGZ 2005, 2 ff.; zu den einzelnen Regelungen vertiefend Amerkamp/Dreßler/Klein/Meireis, Die hessische Kommunalrechtsnovelle 2005, in: Die neuen Bücher 1/2005, S. 30 ff.
2 allein bei den Mittelbehörden (Regierungspräsidien) sollen nach dem Entwurf des Dritten Verwal-tungsstrukturgesetzes über 908 Stellen wegfallen.
3 Thüringer Verfassungsgerichtshof, Urteil vom 21.06.2005, VerfGH 28/03; vgl. auch: Hennecke, Gemordete Kommunen – neue Rechtsprechung des NdsOVG zur Umlagefinanzierung, NdsVwBl. 2005, 145 ff.
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Stellung der Gemeinden im Gefüge zwischen mittelbarer und unmittelbarer Staats-
verwaltung verändert sich. In geradezu signifikanter Weise vollzieht das hessische
Kommunalisierungsgesetz einen von den Landkreisen augenscheinlich begrüßten4
legislativ bewirkten Funktions- und Bedeutungswandel im Aufgabenkanon der Kom-
munen. Durch das ungebrochen nachhaltige Tätigwerden des Bundes- wie auch
Landesgesetzgebers bei zugleich steigender Finanzinsuffizienz der Kommunen mu-
tieren Selbstverwaltungsaufgaben quasi zu Auftrags- bzw. Weisungsangelegenhei-
ten. In diesem Zusammenhang werden zu Recht der Verlust kommunaler Hand-
lungsspielräume und eine hieraus resultierende "Entmündigung der Gemeindebür-
ger" beklagt.5 Hiermit einher geht der die Gemeinden und Kreise ebenfalls belasten-
de Ausbau der "Neuen Verwaltungssteuerung".6 Durch die Zunahme der Zuständig-
keiten ist ein Anstieg der in diesem Kontext zu befürchtenden Konflikte zwischen
Bürgern und Kommunen die zwingende Folge. Mehr als früher werden Gemeinden
und Kreise in verwaltungsgerichtliche Streitigkeiten gezwungen werden. Allein der
projektierte Wegfall der Widerspruchsverfahren beispielsweise im Baurecht wird
nach allen vertretbaren Prognosen die Landkreise und Gemeinden mit eigener Bau-
aufsicht mit einer bisher noch nicht festgestellten, neuen Dimension prozessualer
Fallzahlen beschäftigen.
2. Wachsende Konfliktfelder für die Kommunen7
Unaufhörlich steigende Finanznöte zwingen zur Anpassung bzw. dem Erlass neuer
kommunaler Satzungen etwa in dem Bereich gemeindlicher Benutzungsgebühren.
Auch hier wird die sich weiter öffnende Schere zwischen fehlender Akzeptanz und
zunehmend geringerer Liquidität der Bürger die Zunahme von (gerichtlichen) Konflik-
ten begünstigen. Seit der direkten Legitimation der Vorsitzenden von Gemeindevor-
4 Hessische Landkreise begrüßen Reform der staatlichen Verwaltung auf Kreisebene, Der Landkreis
2005, 43 5 Pitschas, Rainer, Kommunale Selbstverwaltung und Mediation. Zur Notwendigkeit neutraler Streit-
schlichtung in Konflikten der lokalen Zivilgesellschaft, in: Ibler/Lorenz, Festschrift für Wolfgang Brohm, München 2002, Seite 139 ff. (143).
6 Schwarting, Gunnar, Effizienz in der Kommunalverwaltung, Dezentrale Verantwortung, Produkte, Budgets und Controlling, 2. Aufl. 2004. Zu Controlling und Mediation, vgl. Büscher in: Pitschas/Walther (Hrsg.), Mediation in der Verwaltungsgerichtsbarkeit, Speyerer Arbeitsheft 173, 2005, Seite 209 ff.
7 10. Speyerer Forum zur Rechts- und Verwaltungszusammenarbeit (Kommunalwissenschaftliches Forum) unter der wissenschaftlichen Leitung von Univ.-Prof. Dr. Rainer Pitschas, 19. bis 21. Sep-tember 2005, Deutsche Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer, www.dhv-speyer.de/Pitschas/Weiterbildung.htm
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ständen und Kreisausschüssen im Jahre 1993 durch den Wähler steigt ständig das
Risiko der unmittelbaren Auswirkung der negativen Einschätzung von nicht bewältig-
ten Unzufriedenheiten bei der nächsten Kommunalwahl. Ein neuer, den tatsächlichen
Interessen der Bürger verstärkt Rechnung tragender Umgang mit der Lösung kom-
munaler Konflikte kann dazu beitragen, dieses Risiko zu vermindern. Die eingehende
Kommunikation mit dem Bürger gerade in einem Konflikt erweist sich als ebenso
rechtsstaatlich geboten wie kommunalpolitisch effektiv. Gerade in dem Dauerverhält-
nis Bürger – Gemeinde sollten Träger öffentlicher Gewalt und insbesondere kommu-
nale Wahlbeamte bei Wahrung ihrer rechtlich schützenswerten Positionen den Nut-
zen konsensualer Konfliktlösungsmodelle nicht unberücksichtigt lassen. Die Diskus-
sion um Mediation im öffentlichen Sektor versteht sich insoweit auch als Impuls für
eine größere Kommunikationsbereitschaft mit dem Bürger und damit zu einer besse-
ren Einbindung der Mitglieder der Gemeinde in die kommunalen Entscheidungsfin-
dungsprozesse.8
2.1. Zunahme von gerichtlichen Verfahren
Eine Vielzahl der von der Verwaltungsgerichten zu entscheidenden Verfahren zwi-
schen dem Bürger und "seiner" Kommune resultieren aus in ihrer Sprache unver-
ständlichen Behördenentscheidungen, aus der fehlenden Nachvollziehbarkeit von
Bescheiden für den verwaltungsrechtlich nicht ausgebildeten Empfänger, aus unter-
bliebenen Anhörungen bzw. der fehlerhaften oder unzureichenden Berücksichtigung
von Beteiligungsrechten Dritter. Als Negativbeispiel für Letzteres mag der Normen-
kontrollbeschluss des VGH Mannheim vom 12. Juli 2004 dienen (8 S 351/04), wo-
nach die Bekanntmachung nach § 3 Abs. 2 Satz 1 BauGB allein mit dem Hinweis,
dass Anregungen bei der Stadtverwaltung während der Dienststunden, abgegeben
werden können, als nicht ausreichend und damit rechtsverletzend angesehen wurde;
zusätzlich ist erforderlich den Bürger auf die Möglichkeit einer schriftlichen Äußerung
hinzuweisen.9 Aus Entscheidungen dieser Art wird erkennbar, wie sehr auch die
Rechtsprechung auf die Wahrung der Beteiligungsrechte von Bürgern achtet. Durch
bessere Kommunikation und optimierte Konfliktlösungsmodelle kann eine Gemeinde
dieses petitum Rechnung tragen. Die Erfahrung durch die gerichtliche Arbeit lehrt,
8 auf europäischer Ebene ist aktuell auf das Konsultationsverfahren zum zukünftigen Programm für
eine aktive Bürgerschaft hinzuweisen; HSGZ 2005, 59 f. 9 vgl. Die Gemeinde 2005, 69.
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dass einer Fülle von Verwaltungsstreitverfahren unzureichende Anhörungen der Be-
troffenen voran gehen. Zwar sind diese formellen Fehler wegen der im Verfahrens-
recht immer weiter ausgeweiteten Heilungs- bzw. Unbeachtlichkeitsbestimmungen10
(§§ 45, 46 HVwVfG; § 114 Satz 2 VwGO) in der Regel für die Behörde rein rechtlich
folgenlos; die damit einher gehende Nichtkommunikation allerdings begünstigt die
Entwicklung von zwischen den Beteiligten liegenden Barrieren, die eine mögliche
einfache Beilegung von Streitigkeiten verhindern und die Verfestigung langwieriger
Konflikte bedingt. Diese deutliche Kritik trifft nicht allein einzelne Bedienstete wegen
fehlerhafter Verwaltungsakte sondern umso mehr auch den Normgeber, der in zu-
nehmendem Maße Gesetze, Verordnungen und Satzungen in rascher Folge, hoher
Zahl und mit einer immer schwer verständlicheren Sprache erlässt, deren Umset-
zung den Mitarbeitern der Exekutive immer größere Schwierigkeiten bereitet. Das auf
diese Weise erzeugte Kommunikationsdefizit zwischen der Basis des Staates, der
Gemeinde und ihren Bürgern kann immer schwerer durch die Verwaltungen ausge-
glichen werden.
2.2. Steigende Entwicklung gesellschaftspolitischer Streitpunkte
Nicht nur Konflikte des Einzelnen erschweren die Arbeit vor allem der Bürgermeister
und Landräte in der gemeindlichen Praxis. Die weitreichenden Auswirkungen von
Konflikten im Umwelt-, Bau- und Planungsbereich11, aber auch die bei der Ansied-
lung von Gewerbeflächen12 im Rahmen wirtschaftlicher Erweiterung der Gemeinden
liegen auf der Hand. Ein nicht zu unterschätzender Faktor sind auch wachsende
Problemfelder im Bereich der Sozialhilfe, Kinder- und Jugendhilfe sowie im öffentli-
chen Gesundheitswesen.13 Aktuell wird im Kontext mit Hartz IV eine verbesserte Ko-
operation zwischen der Arbeitsverwaltung und den Kommunen eingefordert.14
10 Schon früh beklagt von Kopp, Der Beteiligtenbegriff im Verwaltungsverfahren, Festschrift zum 50-
jährigen Bestehens des Richard-Boorberg-Verlages, 1978, ders., Beteiligung, Rechts- und Rechts-schutzpositionen im Verwaltungsverfahren, FS BVerwG 1978, 387.
11 überzeugende Beispiele für den kommunalen Bereich finden sich bei Kostka, Kooperationsma-nagement, in: Fürst, Dietrich/Scholles, Frank (Hrsg.), Handbuch Theorien und Methoden der Raum und Umweltplanung, 2001, Seite 334 ff.; Hill, Kommunikative Problembewältigung bei umweltrele-vanten Großvorhaben, in: Fisch/Beck, Entsorgungsnotstand und Verwaltungshandeln, 1997, S. 235 ff.
12 vgl. nur: BVerwG, Urt. v. 1.8. 2002 – 4 C 5.01 –, BVerwGE 117, 25 = NVwZ 2003, 86; grundle-gend: Krausnick, VerwArch 2005, 191 ff.
13 dazu auch Pitschas, Kommunale Selbstverwaltung und Mediation, S. 147. 14 HSGZ 2005, 166.
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Abgerundet wird die Problematik durch die allenthalben zu konstatierenden Voll-
zugsdefizite. Nur allzu selten sind Verwaltungen als Vollstreckungsbehörden in der
Lage, gegen den Willen der in Anspruch genommenen Bürger Verwaltungsentschei-
dungen durchzusetzen. Die Umsetzung abstrakt genereller Normen auf den Einzel-
fall ist nur allzu oft unzureichend. Weder garantieren die Anerkennung eines Asylbe-
werbers oder die Gewährung von Aufenthaltsrechten für ausländische Mitbürger de-
ren Integration in die Gemeinschaft, noch werden andererseits Abschiebungen und
Ausweisungen konsequent vollstreckt. Dieses bundesrechtlich orientierte Beispiel
findet seine Entsprechung auch im kommunalen Bereich. Unzureichende Finanzaus-
stattungen, mangelnde Entschlussfreude im Einsatz des rechtlichen Instrumentari-
ums seitens der Dienststellen und auf der anderen Seite die korrespondierende Be-
reitschaft der Betroffenen, sich – ggf. mit Unterstützung von Rechtsschutzversiche-
rungen – durch die Inanspruchnahme eines kommod ausgestatten Rechtsschutzsys-
tems über lange Zeit erfolgreich dem Zugriff der Vollstreckung zu entziehen, verhin-
dern Effizienz und Effektivität des Verwaltungshandelns in besonderem Maße. Auf
diese Weise werden beachtliche personelle Ressourcen bei den Kommunen blo-
ckiert, die sich mit der in der Regel fruchtlosen Vollstreckung um ihrer selbst Willen
beschäftigen.
3. Mediation als neue Streitbeilegungsmethode
Die Methode der Mediation hat in den letzten Jahren als neue Methode der Streitbei-
legung in nahezu allen auch prozessrelevanten Lebensbereichen Einzug gehalten.15
Ausgehend von einer in den USA16 gewonnenen Vorreiterrolle als Antwort auf das
dort als völlig unzureichend empfundene Justizsystem hat sich Mediation über den
familienrechten, nachbarschaftlichen und wirtschaftsrechtlichen Bereich hinaus auch
eine zunehmende Bedeutung in der Konfliktlösung zwischen Bürger und Staat ero-
bert.
Was ist Mediation? Sehr oft ist die festzustellende Unkenntnis die Ursache für eine
nur zögerliche Annahme des neuen Angebotes.17 Anders als das in der Bundesre-
15 zu den vielfältigen Anwendungsfeldern vgl. nur Haft/Schlieffen, Handbuch der Mediation, 2000. 16 zur Entwicklung der Mediation in den USA und anderen Ländern siehe Seifert, in: Pitschas/Walther
(Hrsg.), oben (Fn. 6). 17 Auf der ersten Sitzung des am Forschungsinstitut für öffentliche Verwaltung bei der Deutschen
Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer eingerichteten Arbeitskreises "Rechtspre-
Walther, Konsens in der Kommune Seite 6
publik vorherrschende System des gerichtlichen Rechtsschutzes durch streitige Ent-
scheidungen knüpft die Mediation an die erkannte Eigenverantwortlichkeit der Betei-
ligten, der Medianden, zur Lösung ihres eigenen Konflikts an. Bei der auf Freiwillig-
keit beruhenden Mediation übernimmt sodann ein neutraler, allparteilicher Dritter, der
Mediator, die Vermittlung des Streites zwischen den Beteiligten. Dem Mediator
kommt – anders als dem (Verwaltungs-)Richter im gerichtlichen Verfahren – weder
Kompetenz noch Verpflichtung zu, den Streit zu entscheiden. Er enthält sich darüber
hinaus im Idealfall jeglicher eigener Entscheidungsvorschläge, sondern leitet die Me-
dianden allein durch besonders geschulte Kommunikationsstrukturen und ermöglicht
bzw. unterstützt so deren eigene Entscheidungsfindung. Die Mediation lebt in beson-
derem Maße von der Vertraulichkeit, die Teil einer von den Beteiligten eines Mediati-
onsverfahrens zu treffenden Mediationsvereinbarung ist. Entscheidendes Kriterium
der Mediation gegenüber einer gerichtlichen Entscheidung ist der Umstand, dass die
Mediation nicht allein die Prüfung von Rechtspositionen zum Gegenstand hat. Viel-
mehr besteht das Ziel in der Regel darin, über rechtliche Positionen resp. Rechtsan-
sprüche hinaus die Beteiligten darin zu unterstützen, ihre eigentlichen, hinter den mit
Rechtsnormen stehenden Interessen herauszuarbeiten und damit eine für einen
tragbaren Konsens breitere Basis zu erlangen. In der Einbeziehung des auf diese
Weise ermittelten "Konflikts hinter dem Konflikt" werden oftmals grundlegende Be-
ziehungsstörungen zwischen den Beteiligten offen gelegt und dauerhaft befriedet. IM
Idealfall gelingt durch die Mediation das Herbeiführen einer sog. "win-win-
Situation"18, durch die es – wie sonst im gerichtlichen Verfahren – keine Gewinner
und Verlierer gibt, vielmehr die Interessen der streitenden Parteien umfassend Be-
rücksichtigung finden und damit eine für alle zufrieden stellende Lösung erarbeitet
wird.
Gerade auch in Konflikten zwischen Bürger und Staat spielen die unter Hinweis auf
die vermeintlich strenge Gesetzesbindung der Verwaltung in der Regel vernachläs-
sigten "weichen" Faktoren zwischen den Beteiligten eine bedeutsame Rolle. Nur all-
zu oft verbergen sich hinter dem die Motivation für ein Verwaltungsstreitverfahren
chungsmanagement und gerichtsgebundene Mediation in der Verwaltungsgerichtsbarkeit" am 1. Dezember 2003 (dazu Gille/Siegel, NVwZ 2004, 322 und Schoppa, NVwZ 2005 (in Kürze)) war die Reservierung zum Mittagstisch charmant noch mit "Arbeitskreis Meditation" benannt.
18 Die "win-win-Situation" wird schlagwortartig auch im Rahmen des Contracting (einer Form des Public Private Partnership) gesehen; vgl. dazu, Grabatin, Günther, Contracting – Flexible Lösun-gen für Kommunen, HSGZ 2005, 42 ff.
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bildenden vordergründigen Ärger über einen belastenden Verwaltungsakt Konfliktpo-
tentiale, die weit über den vom Richter zu berücksichtigenden Streitgegenstand hin-
ausgehen. Es sollte von den Verantwortlichen in den Gebietskörperschaften nicht
verkannt werden, dass ungeachtet des neutralen öffentlichen Auftrages, den staatli-
che Stellen gegenüber dem Bürger zu erfüllen haben, auch zwischen Verwaltungen
und Gemeinde- bzw. Kreisangehörigen Dauerbeziehungen einer besonderen Art be-
stehen, die die Entstehung und Vertiefung eines Konflikt fördern bzw. seine Unlös-
barkeit verfestigen können. Die hierdurch gebundenen Ressourcen sowie ein ggf.
eintretender Imageverlust bei den politischen Gremien sollten nicht unterschätzt wer-
den.
Durch den Einsatz der Mediation wird diesen hinter vordergründigen Rechtspositio-
nen versteckten Interessen Rechnung getragen. Im Ergebnis führt das neue Institut
mit durchweg hoher Erfolgsquote19 zu einer nachhaltigen Befriedung des Konflikts
zwischen Bürger und Gemeinde. Nicht nur die Recht- und ggf. Zweckmäßigkeit einer
Behördenentscheidung allein sondern dazu begleitend auch die dahinter stehenden
Interessen werden von den Beteiligten selbst in die zur Streitlösung gefundene Me-
diationsvereinbarung mit eingebunden. Zugleich wird bei erfolgreicher Mediation ein
sich an das herkömmliche Verwaltungs- bzw. Verwaltungsstreitverfahren anschlie-
ßendes Vollstreckungsverfahren entbehrlich. Durch die erkannte Eigenverantwort-
lichkeit zur Streitbeilegung und die in deren Folge von den Medianden selbst erarbei-
tete einvernehmliche Lösung des Konflikts, bedarf es keiner Vollstreckungsmaßnah-
men (mehr). Der sinnvolle Einsatz konsensualer und kooperativer Elemente im Ver-
waltungsverfahren, etwa der Ersatz belastender Verwaltungsakte durch öffentlich-
rechtliche Verträge, wird durch das Institut der Mediation nur konsequent weiter ge-
dacht und -geführt.
4. "Kundenorientierung" durch Mediation in der Verwaltungsgerichtsbarkeit
Kundenzufriedenheit20 ist ein Schlagwort, das erst in jüngerer Zeit im Zusammen-
hang mit einem gewandelten Selbstverständnis des Staates21 an Bedeutung gewon-
19 zu den statischen Angaben, siehe unten unter… 20 In ihrem aktuellen Positionspapier vom 7. März 2005 (www.bdvr.de) haben der Präsident des
BVerwG und die Präsidentin/Präsidenten der Oberverwaltungsgerichte/Verwaltungsgerichtshöfe "Standards verwaltungsgerichtlicher Arbeit" formuliert. Diese sind zurzeit Gegenstand der Diskus-
Walther, Konsens in der Kommune Seite 8
nen hat.22 Gerichtsnahe Mediation erweist sich im Idealfall als eine neue Streitbeile-
gungsmethode mit einer auf die Streitenden eingehenden Sprache. Mediation er-
schließt neue Kommunikationsebenen zwischen Bürger und Staat, ohne Funktion
und Verpflichtung der Verwaltungsgerichtsbarkeit und die Bindung an Recht und Ge-
setz nach Art. 20 Abs. 3 GG außer Acht zu lassen. Mit dem Wechsel staatlicher
Handlungsformen (New Public Management, Public Private Partnership) korrespon-
diert die nötige Flexibilität der hessischen Verwaltungsgerichtsbarkeit; sie hat sich
der neuen Streitbeilegungsmethode angenommen und diese in den Kanon der vom
Prozessrecht vorgegebenen Konfliktlösungsmodule (mündliche Verhandlung, Erörte-
rungstermin, Vergleich) integriert.23 Das dem Staat obliegende Justizmonopol ist in
einer besonderen Weise einem Wandel ausgesetzt: Die oftmals unzureichenden und
nicht selten zu langwierige Behandlung von Rechtsstreitigkeiten durch die Gerichte
führen mit der zunehmenden Verlagerung der Streitigkeiten zu außergerichtlichen
Schieds- bzw. Schlichtungsstellen zu einer deutlich festzustellenden Abkehr vom
System des staatlichen Rechtsschutzes.24 Außergerichtliche Streitschlichtungsinstitu-
te erfahren einen gewaltigen Zulauf. Staatssprache als Kommunikationsproblem25 ist
ein damit einher gehendes, längst erkanntes Phänomen. Auch die Verwaltungsge-
richte erreichen mit der Sprache ihrer Entscheidungen bei weitem nicht mehr alle
Beteiligten der Verwaltungsstreitverfahren. Die Forderung nach kürzeren, klareren
Urteilen bei gleich bleibend hoher Qualität ist in ihrer Selbstverständlichkeit ebenso
banal und zutreffend, wie sie auch mit Blick auf die gewachsene "Urteilskultur" eher
als der Versuch einer Quadratur des Kreises empfunden werden mag.26 Das Land
Rheinland-Pfalz hat für die dortige Verwaltungsgerichtsbarkeit jüngst eine Kundenbe-
fragung27 durchgeführt. Diese Anregung aufgreifend sollte auch in Hessen im Rah-
sion im Gerichtszweig. Über Mediation sagt das Papier nichts aus; im Vordergrund stehen die Be-schleunigung der Verfahren und der optimale Ressourceneinsatz.
21 Der hessische Ministerpräsident spricht von einem "Konzern Hessen" (Regierungserklärung vom 25.01.2005); dessen neu geschaffenes Logo dazu dient, das "Land Hessen von anderen Bundes-ländern und vergleichbaren Großunternehmen auf dem Markt abzugrenzen (Kabinettsbeschluss vom 01.03.2004).
22 Umfrage in Rheinland-Pfalz bei der Verwaltungsgerichtsbarkeit, BDVR-Rundschreiben 2004, 256. 23 Im einzelnen dazu: Walther, Mediation in der Verwaltungsgerichtsbarkeit – Eine Einführung in die
Speyerer Mediationsinitiative, in: Pitschas/Walther (Hrsg.), siehe oben (Fn. 6), Seite 7 ff. 24 Bericht von VRiBVerwG Dr. Ulrich Storost über den Vortrag von VRiVG Prof. Dr. Ramsauer am 22.
April 2005 in Berlin, BDVR-Rundschreiben 2005, Heft 3/4. 25 Mertin, Recht und Sprache, ZRP 2004, 269. 26 Hessen hat im Juni 2005 eine Arbeitsgruppe "Qualitätsmanagement in der Verwaltungsgerichts-
barkeit" eingerichtet; vgl. auch den Bericht der Arbeitsgruppe "Qualitätsdiskussion in der Verwal-tungsgerichtsbarkeit" aus Nordrhein-Westfalen, Februar 2005 (www.vg-koeln.de).
27 BDVR-Rundschreiben. 2004, 256.
Walther, Konsens in der Kommune Seite 9
men des Qualitätsmanagements eine die gerichtsnahe Mediation ebenso wie die
richterliche Arbeit einbeziehende Erhebung erwogen werden.
5. Das hessische Modellprojekt
Bislang beschränken sich die laufenden Modellprojekte28 und eine entsprechend be-
grenzte wissenschaftliche Begleitforschung29 in anderen Bundesländern auf den sin-
gulären Einsatz der Mediation bei einzelnen Gerichten in verschiedenen Gerichts-
zweigen.30 Am 31. März 2004 hat der Hessische Minister der Justiz, Staatsminister
Dr. Christean Wagner, den Startschuss zu einem in der Bundesrepublik vergleichslo-
sen Modellprojekt gegeben. Mediation als ein im öffentlichen Sektor noch junges
Medium der Streitbeilegung wird seit dem 1. Mai 2004 an allen hessischen Verwal-
tungsgerichten erster und zweiter Instanz angeboten und wissenschaftlich beglei-
tet.31
5.1. Rekrutierung, Ausbildung und Organisation
Gegenwärtig sind an den hessischen Verwaltungsgerichten insgesamt zwölf Media-
toren tätig32; gegen "gerichtsübergreifende" Einsätze oder wechselseitige Hilfe am
Standort Kassel (Verwaltungsgericht und Verwaltungsgerichtshof) bestehen im Hin-
blick auf die Freiwilligkeit als herausgehobenes Element der Mediation keine Beden-
ken – einen gesetzlichen Mediator gibt es nicht.33 Selbst eine Verwendung eines Ge-
richtsmediators eines Verwaltungsgerichts in der Sozialgerichtsbarkeit34, soweit dort
noch keine vergleichbaren Strukturen existieren, ist – gerade wegen der Aufgaben-
28 Walther, Recht ohne Gericht, BDVR-Rundschr. 2004, 26; ders., Mediation in der Verwaltungsge-
richtsbarkeit, in: Zeitschrift für Konfliktmanagement (ZKM) 2005, 44 ff.; von Bargen, Mediation im Verwaltungsprozess, DVBl. 2004, 468; Ortloff, Mediation innerhalb und Außerhalb des Verwal-tungsstreitverfahrens, NVwZ 2004, 385;
29 Zu Niedersachsen vgl. ; Olenhusen, ZKM 2004, 104; Böttger/Hupfeld, ZKM 2004, 155. 30 Reitz, in Fritz/Karber/Lambeck (Hrsg.), Mediation statt Verwaltungsprozess?, 2005, S. 131. Aus
Bayern stammt eine Bundesratsinitiative zur Einführung eines "Güterichters" im Zivilprozess (BR-Drs. 747/04); ein entsprechender Modellversuch läuft bereits.
31 Pressemeldung des Hessischen Ministeriums der Justiz vom 31. März 2004; Rust, NJW 2004, XVI.; Fritz/Karber/Lambeck (Hrsg.), Mediation statt Verwaltungsprozess? - Möglichkeiten und Grenzen außergerichtlicher / gerichtsnaher Streitschlichtung in Europa, Europäische Verwaltungs-gerichtsbarkeit, Band 2, 2005.
32 Koordinator des hessischen Modellprojekts ist Richter am HessVGH Dr. Günter-Richard Apell. 33 So etwa im niedersächsischen Modellprojekt als gerichtsübergreifende Mediation; vgl. dazu Kleine-
Tebbe, in: Fritz/Karber/Lambeck (Fn. 26), S. 165. Ein Gerichtsmediator des VG Wiesbaden hat z. B. beim VG Darmstadt Mediationen durchgeführt.
34 Zur gerichtsnahen Mediation in der Sozialgerichtsbarkeit zuletzt: Schümann, Mediation außerhalb und innerhalb des sozialgerichtlichen Verfahrens, SGb 2005, 27.
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verlagerung der Sozialhilfestreitigkeiten und der hierbei erworbenen Erfahrung der
Verwaltungsgerichtsbarkeit – gut denkbar. Gerichtsmediation erweist sich damit auch
als geeignetes Mittel der im Rahmen der Großen Justizreform angedachten gerichts-
übergreifenden ggf. auch gerichtszweigübergreifenden Personalflexibilisierung.35
Hinsichtlich der Rekrutierung und Schulung der Gerichtsmediatoren ist Hessen ein
"Self-Made-Projekt". Weitestgehend konnten in Hessen persönliche Interessen bei
der Auswahl für die "Besetzung" der Stellen Berücksichtigung finden. Problematisch
mag sich allenfalls die Bestimmung eines Mediators bzw. einer Mediatorin durch Los
darstellen, ebenso wie sich nunmehr abzeichnende Probleme wegen eines bevor-
stehenden Personalwechsels in die Sozialgerichtsbarkeit.36 Bei der Schulung der
Mediatoren hat Hessen sinnvoller Weise so genannten "Crash-Kursen" den Vorrang
vor einer mehrsemestrigen Ausbildung etwa an der Fernuniversität Hagen gewährt.37
Durch mehrere Wochenendschulungen bei bereits ausgebildeten Richtermediatoren
in Niedersachsen bzw. weitere Schulungen bei Mediatoren und Kommunikationstrai-
nern sind die Kollegen an ihre neue Aufgabe effizient und kostengünstig herange-
führt worden. Weitere Schulungen werden sich anschließen. In Hessen wird Mediati-
on als Teil der Gerichtsverwaltung im Sinne von § 4 Abs. 2 Nr. 1 DRiG qualifiziert.
Für seinen Gerichtszweig hat der Präsident des Hessischen Verwaltungsgerichtsho-
fes eine Dienstanweisung zur verwaltungsmäßigen Durchführung der Mediationsver-
fahren erlassen, die die Abwicklung des Schriftverkehrs unter einem einheitlichen
Briefkopf und einer fortlaufenden Geschäftsnummer sowie die Bestimmung einer
zentralen Mediationsgeschäftsstelle bei jedem Verwaltungsgericht ebenso erfasst
wie Regelungen über die Aktenführung und die Erstellung einer Statistik.38
5.2. Resultate
35 Arbeitsgruppe 4: "Flexibler Richtereinsatz"; Beschlussvorschlag 1.3 der JuMiKo vom 25.11.2004 36 Aktuell: Gerichtliche und außergerichtliche Mediation in der Sozialgerichtsbarkeit, Arbeitsgruppe
beim Sozialrichterratschlag am 3. und 4 Juni 2005 in Darmstadt. Ab 2006 soll nach Auskunft des Präsidenten des LSG Darmstadt, Dr. Harald Klein, auch bei den hessischen Sozialgerichten ge-richtsnahe Mediation angeboten werden.
37 Im Hinblick darauf, dass z. B. im US-amerikanischen Multi-Door-Court-House-Modell bei Amtsge-richten (Magistrate Courts) ehrenamtliche Mediatoren mit einer nur 40-stündigen Ausbildung aus-kommen, eine durchaus vertretbare Entscheidung.
38 Zu Einzelfragen des Richter- bzw. Gerichtsverfassungsrechts vgl. Walther, Richter als Mediatoren – Ein Modellprojekt in der hessischen Verwaltungsgerichtsbarkeit, DRiZ 2005, 127 ff.
Walther, Konsens in der Kommune Seite 11
Die ersten Mediationsergebnisse sind in beiden Instanzen positiv. Neben vereinzel-
ten Co-Mediationen bei Verfahren mit einer Vielzahl von Beteiligten ist insbesondere
bemerkenswert, dass allein beim Hessischen Verwaltungsgerichtshof ca. 60 Verfah-
ren erfasst und ca. 80% innerhalb des ersten Jahres erfolgreich zu Ende geführt
wurden. Für das Erkennen von Anwendungsfeldern der Mediation ist in diesem Zu-
sammenhang bedeutsam, dass offenkundig Raum für Konsens auch nach einer für
eine Behörde erfolgreichen erstinstanzlichen Entscheidung besteht. In dem Modell-
projekt sollen derartige Konstellationen auf ihre Besonderheiten untersucht und in
Erfahrung gebracht werden, welche Gründe für das Interesse an einer obergerichtli-
chen Mediation vorliegen. Aus den vorliegenden Statistiken39 geht u.a. hervor, dass
auch solche Verfahren erfasst werden, deren Mediationseignung zunächst bejaht
wird, in denen sodann aber mindestens einer der Beteiligten seine Zustimmung zur
Mediation verweigert hat. Aussagen, aus welchen Gründen die Zustimmung nicht
erfolgt ist bzw. nach welchen Kriterien im Einzelfall Verfahren in die Mediation gege-
ben werden, sind bislang nicht evaluiert worden. Auch fehlen Informationen, auf wel-
che Weise die zur Mediation nicht angenommenen bzw. in der Mediation gescheiter-
ten Verfahren zur Erledigung gebracht werden; in manchen – näher zu untersuchen-
den – Konstellationen hat auch die erfolglos durchgeführte Mediation den Boden für
einen anschließenden gerichtlichen Vergleich oder eine außergerichtliche Einigung
bereitet. Insgesamt sind Qualität und Anzahl der bearbeiteten Verfahren ein hohes
Indiz für ein sinnvolles Streitbeilegungsinstitut. Dies umso mehr vor dem Hintergrund,
als die Mediatoren weder für die Bewältigung der notwendigen, zum Teil an Wo-
chenenden durchgeführten Ausbildung noch für die zusätzlich zum Dezernat anfal-
lenden Mediationen eine Entlastung durch Justizverwaltung oder Präsidium erfahren.
Auch der hohe Wert von nahezu 90% erfolgreicher Mediationen spricht auf den ers-
ten Blick für die Qualität des Streitbeilegungsmodells.
5.3. Wissenschaftliche Begleitforschung
Die Deutsche Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer und die hessische
Verwaltungsgerichtsbarkeit kooperieren miteinander. Das Modellprojekt insgesamt
39 zu statistischen Angaben bis zum 31.12.2004 vgl. Walther, Fn. 38, S. 128 sowie die Berichte von
Büttner/Henecke, Reichenbach/Helbig und Falkenstein/Gerbracht, alle in: Pitschas/Walther (Fn.6). Die aktuelle Statistik für den Zeitraum 01.05.2004 bis 30.04.2005, d.h. das erste Kalenderjahr des Modellprojekts lag zum Redaktionsschluss noch nicht vor.
Walther, Konsens in der Kommune Seite 12
erfährt eine qualifizierte wissenschaftliche Begleitforschung40 durch die DHV Speyer,
dort insbesondere durch den Lehrstuhl von Herrn Univ.-Prof. Dr. Rainer Pitschas.41
In einem ersten Schritt wurden das Hessische Modellprojekt von einer an der Hoch-
schule durchgeführten Projekt-AG begleitet und evaluiert, bzw. durch Interviews mit
Mitwirkenden und Dritten Erkenntnisse gewonnen. In einer Projekt-Werkstatt Ende
Januar 2005 hat der Verf. mit Hörerinnen und Hörern des WS 2004/05 die ersten
Arbeitsergebnisse, ergänzt um weitere Expertisen, vorgestellt.42 Durch die wissen-
schaftliche Begleitforschung sollen Effizienz und Effektivität des neuen Instituts ermit-
telt und darüber hinaus untersucht werden, ob und wie eine etwa gebotene Imple-
mentation in das geltende oder ein künftiges Prozessrecht gelingen kann. In der
durchgeführten Projekt-AG sind erste Erfahrungen gewonnen worden; durch weitere
Lehrveranstaltungen in den kommenden Semestern43 wird die Arbeit fortgesetzt.
Das Angebot der Mediation in den Verwaltungsgerichten ist von den Beteiligten (Me-
dianden) ganz überwiegend positiv aufgenommen worden.44 In vielen Fällen wurde
durch die Mediation eine inhaltlich tragfähige Lösung gefunden bzw. konnten lang-
jährige Konflikte befriedet werden. Oft wurden auch Folgeprozesse vermieden und
damit Ressourcen der Justiz geschont. In der Regel werden die Mediationsverfahren
bei den Gerichten deutlich früher und schneller als ein klassisches Verwaltungsstreit-
verfahren abgeschlossen. Dabei ist denkbar, dass mit Blick auf das Modellprojekt der
Bearbeitung des einen oder anderen Mediationsverfahrens der Vorrang vor anderen
Verwaltungsstreitverfahren eingeräumt wird, damit also gegenwärtig die Zustimmung
der Beteiligten zur Mediation eine beschleunigte "Terminierung" bewirken kann. Noch
offen ist in diesem Zusammenhang die Frage, ob nicht ein nach klassischem Muster
handelnder Richter in einem Erörterungstermin durch den Einsatz mediativer Ele-
mente nicht im Einzelfall das gleiche Ergebnis erreichen kann. Eine neue Erkenntnis
aber scheint sich auch im Zusammenhang mit einer neuen Diskussion um Qualität
40 zu Niedersachsen: Böttger/Hupfeld, Mediatoren im Dienste der Justiz – Begleitforschung zum Mo-
dellprojekt "Schlichten statt Richten", ZKM 2004, 104; zum VG Gießen vgl. auch Reitz, Begleitfor-schung zum Projekt "Gerichtsnahe Mediation beim Verwaltungsgericht Gießen", in: Fritz/Karber/ Lambeck, (Fn. 7), S. 131.
41 Lehrstuhl für Entwicklungspolitik, Verwaltungswissenschaft und Öffentliches Recht; zum Thema: Pitschas, Verwaltungsrechtsschutz durch Gerichtsmediatoren? in: Pitschas/Walther (Hrsg.), siehe oben (Fn.6), S. 33 ff.; ders., Mediation als Methode und Instrument der Konfliktmittlung im öffentli-chen Sektor, NVwZ 2004, 398; ders. (Hrsg.), Die Reform der Verwaltungsgerichtsbarkeit, 1999.
42 Pitschas/Walther (Hrsg.), siehe oben (Fn. 6). 43 zum Lehrangebot im Sommersemester 2005: www.dhv-speyer.de/lba/Walther/Lehrangebot.htm 44 Reimers, Erwartungen an ein Modellprojekt, in: Pitschas/Walther (Hrsg.), siehe oben (Fn. 6), Seite
45 ff.
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richterlicher Entscheidungen durchzusetzen: Qualität staatlicher Streitbeilegung
durch Richtermediatoren misst sich nicht alleine an Erledigungszahlen. Der wahre
Kern eines Konflikts wird von der die Forderungen der Politik beherrschenden Be-
schleunigungsdebatte oftmals völlig verkannt. Schnelle, lediglich auf den vordergrün-
digen Streitgegenstand reduzierte streitige Entscheidungen vermögen trotz ihrer
Rechtskraft oftmals nicht den erstrebten Rechtsfrieden herbeizuführen. Je mehr der
Staat sich als Teil eines Marktes versteht ("Konzern Hessen")45, ist es auch geboten,
ein besonderes, neu zu definierendes Augenmerk auf Kundenzufriedenheit zu len-
ken.
Es ist geboten, das Projekt zu unterstützen. Zudem sind die Anstrengungen zu ver-
stärken, das Modellprojekt in Hessen und darüber hinaus bekannt zu machen. Erst
durch eine breite Kenntnis des Angebotes sowohl in der Bevölkerung als auch bei
den Körperschaften des Landes wird die Akzeptanz im Gerichtszweig und bei den
Beteiligten steigen können. Das Hessische Ministerium des Innern und für Sport un-
terstützt Mediation sowohl in Justiz und Verwaltung als auch als Element der Perso-
nalführung durch Informationsveranstaltungen für (Spitzen)Führungskräfte46, denen
für die Verbreitung des Modellprojekts Multiplikatorenfunktion zukommt, zudem durch
Seminare zur Mediation allgemein und insbesondere auch solche zum Einsatz der
Mediation in Verwaltung und Justiz.
6. Effizienz und Effektivität der Mediation – Das Kostenproblem
Die Attraktivität des Modellprojekts wird im Wesentlichen durch die gegenwärtige
Kostenneutralität mitbestimmt. Das neue Institut wird innerhalb des Modellprojekts
kostenfrei angeboten und alleine durch das Engagement der im Projekt Tätigen ge-
tragen. Das vom Justizministerium geförderte Projekt hat sich aus Sicht der Justiz-
verwaltung einer klaren Kosten-Nutzen-Analyse bzw. Wirtschaftlichkeitsberechnung
zu unterwerfen. Reformbestrebungen in der Justiz haben schon seit jeher neben der
angestrebten beschleunigten und endgültigen Beilegung von Konflikten stets die Si-
tuation der öffentlichen Haushalte mit beachten müssen. In dem Projekt wird zu erar-
beiten sein, inwieweit eine "bessere Qualität" von Konfliktbewältigung durch Mediati-
45 Ministerpräsident Roland Koch, Regierungserklärung vom 25. Januar 2005, www.hessen.de. 46 Vorträge des Verf. im Auftrag des Hessischen Ministeriums des Innern und für Sport zur (Spit-
zen)Führungskräftefortbildung im September 2004 und März bzw. Juni 2005.
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on deren Einsatz in der Verwaltungsgerichtsbarkeit rechtfertigen kann. Die Zeichen
hierfür stehen eher günstig. Entscheidend ist bevorstehende Auswertung des Feed-
backs der Beteiligten nach erfolgreichen Mediationen an die Gerichte und die Justiz-
verwaltung. Nur auf diese Weise kann es gelingen, eine neue, im öffentlichen Sektor
noch junge Streitkultur in ihrer Entwicklung zu unterstützen.
Das Modellprojekt wird zeigen, ob und in wieweit Mediation nicht nur in der Lage ist,
jene Fälle zu befrieden, die vom Berichterstatter resp. Einzelrichter47 nicht ohnehin in
einer für die Beteiligten vergleichbar zufrieden stellenden Weise erledigt werden
können, sondern darüber hinaus auch Konstellationen erfasst, die bislang erst durch
arbeitsaufwändigen Personaleinsatz (ggf. nach mehreren Instanzen) einem Ab-
schluss zugeführt werden konnten. Der erhoffte Erfolg des Projekts wird kaum
dadurch erreicht werden, allein die „vergleichsgeeigneten“ Fälle vom gesetzlichen
Richter auf die Gerichtsmediatoren zu verlagern.
Soweit mit dem voranschreitenden Wegfall der Widerspruchsverfahren48 den Behör-
den eine formale Kommunikationsebene mit dem Bürger verloren geht, ist neuer
Raum für eigenständige, parallel zum Verfahrensrecht laufende Überlegungen, durch
die Inanspruchnahme mittlergestützter Streitbeilegungsmodelle Potentiale zur Kon-
fliktlösung zu schaffen. Die rechtzeitige Kontaktaufnahme mit dem Bürger als Adres-
saten des Verwaltungshandelns rechnet sich bei der Gesamtbilanz der Kosten der
Konfliktbereinigung. Insoweit bietet das hessische Modellprojekt die Möglichkeit,
konsensuales Verwaltungshandeln auch nach formaler Klageerhebung weiter zu
praktizieren. Dabei unterstützt die richterlich mediative Kompetenz der am Projekt
beteiligten die Interessen der streitenden Gemeinden und Bürger bei ihrer eigenver-
antwortlichen Lösungssuche. Die Akzeptanz kommunalen Handelns erfährt dadurch
eine bedeutsame Aufwertung. Die in ein Mediationsverfahren investierte Zeit wird
sich in einer der Bilanz der Gemeinde, die in ihre Kosten-Leistungsrechnung auch
den Nutzen von Konsens und Akzeptanz mit dem und durch den Bürger einstellt,
stets positiv rechnen.
47 Ein Thema der Justizreform ist der – wegen der Proberichterproblematik noch rudimentäre –
"Abschied vom Kollegialgericht" in der Verwaltungsgerichtsbarkeit; vgl. § 17 Abs. 1 Satz 1 des Entwurfs eines Gerichtsverfassungs- und Prozessgesetzes (GVPG), www.richterverein.de.
48 Schillinger, Mediation im Verwaltungsrecht : eine Untersuchung der Möglichkeiten mediativer Verfahren in der exekutiven Praxis, Tübingen 2003; Vetter, Mediation und Vorverfahren,
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7. Ausblick
Es ist zu erwarten, dass mit der künftig steigenden Bekanntheit und der damit ein-
hergehenden Akzeptanz auch die Zahl der erfolgreichen Verfahren in der Mediation
deutlich steigen wird. Von der Bereitschaft der Rechtsschutzsuchenden zur Annah-
me des Angebotes hängt die weitere Nachfrage nach gerichtsnaher Mediation ab.
Die jüngste Justizministerkonferenz am 29. und 30. Juni 2005 hat beschlossen, die
Vorschläge zur konsensualen Streitbeilegung in den Ländern systematisch zu erfas-
sen und zu prüfen. Die Möglichkeiten, sich über das vielfältige Schlichtungsangebot
zu informieren, sollen verbessert werden. das justizielle Verfahren soll für Formen
alternativer Streitbeilegung weiter geöffnet werden, dabei wird die Mediation für eine
nicht näher definierte Übergangsphase als lohnender Weg zur konsensualen Streit-
beilegung erachtet.49 Im Sommersemester 2005 wird die Begleitforschung durch die
Fortschreibung der zielorientierten Lehrveranstaltung „Mediation in der Verwaltungs-
gerichtsbarkeit“ fortgesetzt. Vorgesehen ist eine weitere Evaluation der durchgeführ-
ten Mediationsverfahren. Für 2006 ist unter der Federführung von Univ.-Prof. Dr.
Rainer Pitschas, Inhaber des Lehrstuhls für Entwicklungspolitik, Verwaltungswissen-
schaft und Öffentliches Recht an der Deutschen Hochschule für Verwaltungswissen-
schaften Speyer ein Symposium zum Thema„Stand der Mediation in den öffentlich-
rechtlichen Gerichtsbarkeiten“ geplant. Das Projekt der gerichtsnahen Mediation bei
den hessischen Verwaltungsgerichten schreitet ebenso voran wie die Speyerer Me-
diationsinitiative. Das Land sollte für die weitere Entwicklung personell und organisa-
torisch gewappnet sein. Statistisch hat sich der Gerichtszweig in den letzten Jahren
bereits deutlich verbessert. Aber auch in einer an der inhaltlichen Zufriedenheit der
Bürger mit der Art der Streitbeilegung und damit kundenorientierten Verwaltungsge-
richtsbarkeit könnte es alsbald wieder heißen: "Hessen vorn´".
49 www.justiz.nrw.de/JM/justizpolitik/jumiko/beschluesse/fruehjahrskonferenz05/I_1.pdf