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Kontrolle chemischer Reaktionen mit Elektronenstrahlung Dissertation zur Erlangung des Doktorgrades der Naturwissenschaften - Dr. rer. nat. - Vorgelegt dem Promotionsausschuss des Fachbereichs 2 (Biologie/Chemie) der Universität Bremen von Esther Böhler Bremen 2014

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Kontrolle chemischer Reaktionen

mit

Elektronenstrahlung

Dissertation

zur Erlangung des Doktorgrades der Naturwissenschaften

- Dr. rer. nat. -

Vorgelegt dem Promotionsausschuss

des Fachbereichs 2 (Biologie/Chemie)

der Universität Bremen

von

Esther Böhler

Bremen 2014

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II

Erstgutachterin: Prof. Dr. Petra Swiderek

Zweitgutachter: Prof. Dr. Oddur Ingólfsson

Kolloquium am 18. März 2014

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III

Diese Dissertation wurde in der Zeit von Oktober 2010 bis Februar 2014 am Institut für

Angewandte und Physikalische Chemie (IAPC) der Universität Bremen erstellt.

Hiermit erkläre ich, dass ich die vorliegende Arbeit selbstständig angefertigt und keine außer

den angegebenen Hilfsmitteln verwendet habe. Diese Arbeit wurde nicht vorher an anderer

Stelle eingereicht.

Bremen, den 24. Mai 2014

_______________________

Esther Böhler

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IV

Lebenslauf

Persönliche Daten Name: Esther Böhler

Geburtsdaten: 26.10.1982 in Hildesheim Schulausbildung August 1995 – Sekundarstufe I

Juli 1999 Schulzentrum an der Schaumburger Str., gymnasialer Zweig

28205 Bremen

August 1999 – Sekundarstufe II Juli 2002 Schulzentrum des Sekundarbereichs II am Rübekamp

Gymnasiale Oberstufe 28219 Bremen Berufsausbildung August 2002 – Ausbildung zur Chemielaborantin im Januar 2005 Niedersächsischen Landesamt für Bodenforschung

Außenstelle Bremen Studium Oktober 2005 – Chemiestudium an der Universität Bremen März 2010 Titel der Diplomarbeit: » Verteilung von Arsen in

Lösung und kolloidalen Fraktionen in drei tropischen Ästuarsystemen« in der Arbeitsgruppe von

Professor Wolfgang Balzer Oktober 2010 – Promotionsstudium an der Universität Bremen

März 2014 Titel der Dissertation: » Kontrolle elektroneninduzierter Reaktionen Elektronenstrahlung« in der Arbeitsgruppe von

Professorin Petra Swiderek

Berufliche Erfahrungen März 2005 – Technische Angestellte im Niedersächsischen

August 2005 Landesamt für Bodenforschung Referat N.2.7-Analytik

Mai 2010 – wissenschaftliche Mitarbeiterin im Fachbereich 2 September 2010 Studiengang Chemie an der Universität Bremen in der

Arbeitsgruppe von Professorin Petra Swiderek

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In dieser Dissertation sind folgende Artikel enthalten

I. Reactions and anion desorption induced by low-energy electron

exposure of condensed acetonitrile

A.D. Bass, J.H. Bredehöft, E. Böhler, L. Sanche, and P. Swiderek

THE EUROPEAN PHYSICAL JOURNAL D (2012) 66: 53

http://link.springer.com/article/10.1140/epjd/e2012-20670-y

II. Control of chemical reactions and synthesis by low-energy electrons

E. Böhler, J. Warneke, P. Swiderek

Chemical Society Reviews (2013), 42, 9219-9231

http://pubs.rsc.org/en/content/articlehtml/2013/cs/c3cs60180c

III. Electron-induced dissociation of chlorosilanes: Role of aromatic side groups in gas

phase and solution chemistry

E. Böhler, D. Gschliesser, J. Postler, T. Borrmann, P. Scheier, S. Denifl, J. Beckmann, P.

Swiderek

International Journal of Mass Spectrometry (2014) in Print

http://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S1387380613004478

VI. Low-energy electron-induced hydroamination reactions between different amines and

olefins

E. Böhler, J.H. Bredehöft, P. Swiderek

J. Phys. Chem. C (2014), 118, 6922−6933

http://pubs.acs.org/doi/abs/10.1021/jp501192v

Weiterer Artikel, der für diese Arbeit nicht verwendet wurde:

V. Amino functionalization of a self-assembled monolayer driven by low-energy

electron exposure

T. Hamann, L. Kankate, E. Böhler, J.-H. Bredehöft, F. M. Zhang,

A. Gölzhäuser, P Swiderek

Langmuir (2012), 28, 267-376

http://pubs.acs.org/doi/abs/10.1021/la2027219

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VI

Anmerkungen zum eigenen Anteil an den unter I bis IV genannten Publikationen:

Die nachfolgend aufgeführten Veröffentlichungen wurden durch die Zusammenarbeit mehrerer

Wissenschaftler erstellt.

Artikel I: Ich habe die Experimente zur thermischen Desorptionsspektrometrie durchgeführt und

ausgewertet sowie die Abbildungen dieser Ergebnisse und deren Beschreibung für die

Publikation erstellt.

Artikel II: An den Diskussionen zur Konzeption und an der Erstellung des Reviews habe ich

mitgearbeitet. Ich war insbesondere verantwortlich für das Verfassen der Textpassagen zur

Chemie der Radikalkationen sowie für die Erstellung mehrerer Abbildungen und

Reaktionsschemata.

Artikel III: Ich war verantwortlich für Planung, Durchführung und Auswertung der Experimente

zur dissoziativen Elektronenanlagerung in der Gasphase und zur reduktiven Kupplung an

Chlorsilanen sowie für die Erstellung der Abbildungen und Beschreibung der Ergebnisse im

Manuskript.

Artikel IV: Ich war verantwortlich für Planung, Durchführung und Auswertung der Experimente,

für die Erstellung der Abbildungen und Tabellen sowie, gemeinsam mit Petra Swiderek, für das

Verfassen des Manuskripts.

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VII

Danksagung

Hiermit möchte ich allen Personen danken, die direkt oder indirekt zum Gelingen dieser Arbeit

beigetragen haben

Frau Prof. Dr. Petra Swiderek danke ich sehr herzlich für die Überlassung des interessanten

Themas, ihre stete Diskussionsbereitschaft, ihre intensive Unterstützung bei der Durchführung

der Forschungsarbeiten und dem kritischen Durchsehen der vorliegenden Schrift.

Herrn Prof. Dr. Oddur Ingólfsson danke ich für die Übernahme der Zweitbegutachtung.

Herrn Prof. Dr. Paul Scheier, David Gschließer und Johannes Postler für die freundliche

Aufnahme in Innsbruck und die Unterstützung bei der Durchführung von Experimenten zur

dissoziativen Elektronenanlagerung in der Gasphase.

Christopher Arumainayagam und seiner Arbeitsgruppe für ihre Gastfreundschaft, für die

Möglichkeit das Wellesley College kennenzulernen, die Unterstützung und den Spaß beim

Durchführen der experimentellen Arbeiten.

Den derzeitigen und ehemaligen Mitgliedern meiner Arbeitsgruppe Dr. Jan Hendrik Bredehöft,

Dr. Tobias Borrmann, Dr. Laxman Kankate, Dr. Alena Ryzhkova, Jonas Warneke, Thorben

Hamann, Katrin Prenzel, Evgeni Jolondz, Fengmiao Zhang, Vera Suling, Ute Jarzak und Cornelia

Rybarsch-Steinke für das angenehme Arbeitsklima, die Hilfsbereitschaft,die konstruktiven

Diskussionen und die schöne Zeit an der Universität Bremen.

Meinen Eltern Iris und Manfred Böhler, sowie meinem Partner Ralf Uecker danke ich für die

aufmunternde Unterstützung während meiner Promotionszeit.

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VIII

Zusammenfassung der Dissertation:

Kontrolle chemischer Reaktionen mit Elektronenstrahlung

In der vorliegenden Arbeit wurden die Wechselwirkungen zwischen niederenergetischen

Elektronen mit Molekülen untersucht. Dies kann zum einen für den Aufbau größerer Moleküle

aus kleineren Edukten eingesetzt werden, zum anderen können Wechselwirkungen zwischen

Elektronen und Molekülen aber auch zur Aufklärung der Energie von Molekülorbitalen und

Reaktionsmechanismen beitragen. Im Idealfall finden sich bei einer Synthese sämtliche Atome

der Edukte im Produkt wieder (atom efficient synthesis). Da in diesem Fall keine Nebenprodukte

entstehen, sind solche Reaktionen besonders gut geeignet, um Reaktionsmechanismen

aufzuklären. Typischerweise handelt es sich bei solchen Reaktionen um Additionsreaktionen.

Um diese zu bewirken, müssen in einem ersten Schritt reaktive Teilchen gebildet werden. Bei

den in dieser Arbeit vorgestellten Reaktionen entstehen unter Elektronenbestrahlung zunächst

Radikale durch die resonante dissoziative Elektronenanlagerung (DEA), oder Radikalkationen

durch nicht-resonante dissoziative elektroneninduzierte Ionisation (DI). Anhand verschiedener

Beispiele wird gezeigt, wie die nachfolgenden Reaktionsschritte zur Synthese neuer Produkte

führen.

An dünnen Schichten kondensiertem Acetonitril wurde untersucht inwieweit aus der Gasphase

bekannte Elektronenanlagerungsprozesse auch in kondensierter Phase auftreten. Bei

Bestrahlungen mit niederenergetischen Elektronen in der Gasphase wurde in zwei

Energiebereichen der Zerfall von Acetonitril in CN- und ein Methylradikal beobachtet. Die

beobachteten Ionen besitzen in der kondensierten Phase bei niedrigen Bestrahlungsenergien

(kleiner als 5 eV) jedoch nicht ausreichend kinetische Energie, um zu desorbieren und direkt

detektiert zu werden. Durch Rekombination der ebenfalls gebildeten Methylradikale wurden

jedoch größere Moleküle gebildet, deren Detektion ein indirekter Nachweis für die

Zerfallsreaktion darstellt.

Experimente zur DEA an unterschiedlichen Chlorsilanen wurden in der Gasphase durchgeführt,

um durch die Energien, bei denen Elektronen angelagert werden, Erkenntnisse über die

energetische Lage von Molekülorbitalen zu erhalten. Dies geschah mit dem Ziel, mittels dieser

Energien das unterschiedliche Verhalten von verschiedenen Chlorsilanen in der präparativen

Synthese zu erklären. Es stellte sich bei diesen Versuchen allerdings heraus, dass

Solvatationseffekte für die unterschiedlichen Beobachtungen in der Synthese ursächlich sind.

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An kondensierten Gemischen von Ammoniak und Ethen wurden die Reaktionsmechanismen, die

zur Addition von Aminogruppen führen, untersucht. In früheren Arbeiten konnte gezeigt

werden, dass bei der Bestrahlung Ethylamin entsteht. Dies wurde durch einen elektrophilen

Angriff eines durch Ionisation gebildeten Radikalkations auf den Reaktionspartner erklärt. Ein

vergleichbarer Prozess konnte im Rahmen dieser Arbeit auch für Reaktionen zwischen Propen

und Ammoniak, sowie für die Bildung sekundärer und tertiärer Amine in Form von Diethyl- und

Triethylamin gezeigt werden.

Die Bildung von Formamid aus Ammoniak und Kohlenmonoxid durch Bestrahlung mit

niederenergetischen Elektronen konnte ebenfalls nachgewiesen werden. Formamid hat eine

Struktur, die der Peptidbindung entspricht und könnte daher möglicherweise als Vorstufe für

den Aufbau größerer biologischer Moleküle gedient haben. Da niederenergetische Elektronen

bei der Interaktion von Strahlung mit Materie in Form von Sekundärelektronen in großer Zahl

gebildet werden, kommen sie bei vielen natürlichen Strahlungsprozessen vor. Zudem haben

Wechselwirkungen von Elektronen mit Molekülen in diesem Energiebereich oftmals einen

hohen Wirkungsquerschnitt. Es kann daher angenommen werden, dass Sekundärelektronen

einen großen Teil der strahlungsbedingten chemischen Prozesse auslösen, und eine derartige

Reaktion ein erster Schritt zur Bildung biologischer Moleküle sein könnte.

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X

Inhaltsverzeichnis

1 Motivation 1

2 Aufbau und Umfang dieser Arbeit 3

3 Grundlagen 4

3.1 Wechselwirkungen von Elektronen mit Molekülen 4

3.1.1 Resonante Wechselwirkungen 5

3.1.2 Nicht-Resonante Wechselwirkungen 9

3.2 Einfluss der Umgebung auf elektroneninduzierte Prozesse 11

4 Experimentelle Methoden 14

4.1 Elektronenstimulierte Desorption (ESD) 14

4.2 Thermische Desorptionspektrometrie (TDS) 16

4.3 UHV-Aufbau für ESD und TDS-Experimente 19

4.4 Gasphasen-Experimente zur Dissoziativen Elektronenanlagerung (DEA) 22

4.5 Apparatur zur Untersuchung von DEA-Prozessen 22

4.6 Experimente zum reduktiven Abbau von Chlorsilanen 23

5 Experimente zur dissoziativen Elektronenanlagerung 24

5.1 Die Bildung von Ethan in Acetonitril als indirekter Nachweis des Cyanidions 25

5.2 Versuche zur Kupplung von Chlorsilanen 30

5.2.1 Reaktion der Silane mit Lithium und NMR-Spektroskopie 31

5.2.2 Dissoziative Elektronenanlagerung in der Gasphase 32

5.2.3 Diskussion der Ergebnisse 34

6 Ionisationsgetriebene Reaktionen 37

6.1 Elektroneninduzierte Hydroaminierung 39

6.1.1 Elektroneninduzierte Reaktionen in Gemischen von Ethen und Ammoniak 39

6.1.2 Elektroneninduzierte Reaktionen in Gemischen von Propen und Ammoniak 47

6.1.3 Elektroneninduzierte Reaktionen in Gemischen von Ethen und Aminen 50

6.2 Die Bildung von Formamid aus CO und NH3 54

7 Schlussfolgerungen und Ausblick 61

8 Literatur 64

9 Änderungen 69

10 Anhang: eigene Artikel 70

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1 Motivation

In der chemischen Synthese ist es von großer Bedeutung, Bindungen selektiv spalten und neu

formen zu können unter möglichst vollständiger Umsetzung der Atome der Edukte (atom

efficient synthesis). Die Wechselwirkung zwischen Elektronen und Molekülen eröffnet einen

Zugang zur Kontrolle von chemischen Reaktionen, da Moleküle durch Bestrahlung mit

Elektronen in einen reaktiven Zustand überführt werden können[1,2]. Besonders bei Verwen-

dung niederenergetischer Elektronen können auch spezifische Bindungsbrüche initiiert werden.

Kenntnisse, die aus solchen Experimenten gewonnen werden, können helfen, aus der präpa-

rativen Chemie bekannte Phänomene zu erklären oder Strategien für neue Synthesen zu ent-

wickeln.

Zahlreiche Beispiele belegen die Bedeutung von Reaktionen, die durch Elektron-Molekül-

Wechselwirkungen ausgelöst werden. So werden diverse natürliche Prozesse durch hochener-

getische Strahlung, wie UV-, γ-, Röntgen- oder Partikelstrahlung ausgelöst. Da hierbei durch die

hohe Energie dieser Strahlung ein Vielfaches an niederelektronischen Elektronen aus dem Mate-

rial herausgelöst wird, kann davon ausgegangen werden, dass ein Großteil der Prozesse durch

diese initiiert wird[2]. Zudem treten diese sogenannten Sekundärelektronen bei Energien

größtenteils in einem Energiebereich unterhalb 20 eV auf[2]. In diesem Bereich liegen auch Bin-

dungsenergien, so dass viele Reaktionen in diesem Energiebereich effektiv ablaufen.

Um beispielsweise den Einfluss hochenergetischer Strahlung auf DNA zu untersuchen, wurden

unterschiedliche Bestrahlungsexperimente mit niederenergetischen Elektronen durchge-

führt[3], die neben DNA-Basen[4,5] und Zuckern[6,7] auch die vollständige DNA[8-10] betrafen.

Es wurde gezeigt, dass niederenergetische Elektronen sehr effektive Prozesse zur Schädigung

von DNA sowie ihrer Komponenten auslösen können. Strahlungsschäden können allerdings

nicht ausschließlich durch direkte Wechselwirkung der DNA mit Sekundärelektronen entstehen.

Auch Radikale, die durch Bestrahlung der die DNA umgebenden Moleküle entstanden sind,

können die DNA selber schädigen[11]. Vor allem Hydroxylradikale sind sehr reaktiv und können

durch den hohen Anteil an Wasser in biologischen Zellen in großer Anzahl entstehen.

Auch im Weltall tritt hochenergetische Strahlung unterschiedlicher Art auf, die neben Röntgen-

und γ-Strahlen auch Protonen und α-Teilchen enthält[12]. Diverse organische Moleküle konnten

auf Kometen[13], aber auch schwingungsspektroskopisch im interstellaren Raum nachgewiesen

werden[14] und im Umfeld von Kometen. Es wird angenommen, dass diese Moleküle in

kondensierter Materie auf interstellaren Staubpartikeln entstanden sind. Diese Partikel

bestehen aus einem Silikatkern, an dem zunächst bei niedrigen Temperaturen Wasser,

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Kohlenmonoxid und zu einem geringen Anteil auch weitere Moleküle kondensieren. Durch die

im Weltall vorhandene Strahlung und durch Aufheizen, wenn das Partikel wärmere Regionen

erreicht, können größere Moleküle gebildet werden. Insbesondere Methanol findet sich in

hoher Konzentration auf interstellaren Staubpartikeln[15]. Bestrahlungsexperimente mit

niederenergetischen Elektronen werden üblicherweise bei niedrigen Drücken und Temperatu-

ren durchgeführt. Dies ähnelt den Bedingungen im interstellaren Medium, sodass Labor-

versuche auch Hinweise auf dort stattfindende Reaktionen liefern können[16,17].

Bei technischen Verfahren wird oft Strahlung oder Plasma eingesetzt, um Materie zu verändern.

Beispiele dafür sind die Lithographie[18,19] oder die elektroneninduzierten Abscheidung kleiner

Strukturen (Electron beam induced Deposition, EBID)[20,21] Versuche mit niederenergetischen

Elektronen sind auch hier ein nützliches Werkzeug, um die zugrunde liegenden Reaktionen

besser zu verstehen. Allerdings können niederenergetische Elektronen auch unmittelbar genutzt

werden, um aromatische selbstassemblierende Monolagen (Self-assembling monolayers, SAMs)

zu vernetzen und damit ein ultradünnes und gleichzeitig extrem stabiles Membranmaterial zu

produzieren[22].

Ein mögliches Ziel von Verfahren, die elektroneninduzierte Reaktionen nutzen, kann auch die

Funktionalisierung von Oberflächen sein. In Experimenten wurde kürzlich gezeigt, dass eine

Addition einer Aminogruppe an ungesättigte Self-Assembling Monolayers (SAMs) über einen

elektroneninduzierten Mechanismus möglich ist und der mit aus der organischen Chemie

bekannten Hydroaminierungen vergleichbar ist[23,24].

Das zentrale Thema der vorliegenden Dissertation ist die Erforschung von Verknüpfungs-

reaktionen unter Verwendung niederenergetischer Elektronen. Dieser Aspekt wird auf unter-

schiedliche Weise in den einzelnen der Dissertation zugehörigen Artikeln und den jeweiligen

Kapiteln dieser Zusammenfassung aufgegriffen. Ein großer Teil der vorliegenden Arbeit befasst

sich mit elektroneninduzierten Verknüpfungsreaktionen in kondensierter Phase. Zusätzlich wird

auch mit aus der Gasphase erhaltenen Resultaten verglichen, um ein besseres Verständnis für

die zugrunde liegenden Mechanismen zu erhalten.

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2 Aufbau und Umfang dieser Arbeit

Im Folgenden werden zunächst die unterschiedlichen Arten der Elektron-Molekülwechsel-

wirkung und die unmittelbar daraus folgenden dissoziativen Prozesse vorgestellt (Kapitel 3). Der

Einfluss einer kondensierten Phase auf diese Prozesse wird ebenfalls diskutiert. Kapitel 4 befasst

sich mit dem apparativen Aufbau und den im Rahmen dieser Dissertation verwendeten Metho-

den. Kapitel 5 behandelt Beispiele von Reaktionen, die durch Anlagerung von Elektronen an die

untersuchten Moleküle und der daraus resultierenden Dissoziation (dissoziative Elektronenan-

lagerung, DEA) ausgelöst werden. In Abschnitt 5.1 (Artikel I) werden die elektroneninduzierten

Reaktionen des Acetonitril in kondensierter Phase durch elektronenstimulierte Desorption und

thermische Desorptionsspektrometrie untersucht und mit aus der Gasphase bekannten

Reaktionen verglichen. Abschnitt 5.2 (Artikel III) befasst sich damit, ob sich bekannte Phäno-

mene aus der präparativen Chemie mit Untersuchungen zur dissoziativen Elektronenanlagerung

in der Gasphase erklären lassen. Das unterschiedliche Verhalten dreier Chlorsilane bei der

reduktiven Kupplungsreaktion unter Beteiligung von Lithium wurde untersucht. Dabei wurde

zunächst die Reaktion selber unter definierten Bedingungen im Labor durchgeführt und die Ge-

schwindigkeit der Reaktion betrachtet. In einem Experiment mit gekreuzten Molekül und Elek-

tronenstrahlen wurden die durch dissoziative Elektronenanlagerung in der Gasphase entstehen-

den Anionen in Abhängigkeit von der Elektronenenergie aufgezeichnet, um Erklärungen für die

unterschiedliche Reaktivität der beiden Chlorsilane zu erhalten.

Kapitel 6 befasst sich mit Reaktionen, die durch Elektronenstoßionisation der Reaktanden

ausgelöst wird. In früheren Experimenten konnte gezeigt werden, dass die elektroneninduzierte

Bildung von Aminoethan aus Mischungen aus Ammoniak und Ethen in kondensierter Phase über

die Ionisation eines der beiden Edukte verläuft[24]. In Weiterführung dieser Versuche be-

schreibt Kapitel 6.1 (Artikel IV) zum einen Nebenreaktionen, die unter den damals beschriebe-

nen Bedingungen auftreten. Außerdem wurde untersucht, ob sich eine entsprechende Ad-

ditionsreaktion auch mit anderen Olefinen oder Aminen unter vergleichbaren Bedingungen

durchführen lässt. Die elektroneninduzierte Produktion von Formamid aus Ammoniak und

Kohlenmonoxid wird letztlich in Kapitel 6.2 beschrieben. Diese Reaktion ist zum einen von

Interesse, da es sich ebenso wie in Kapitel 6.1 beschriebenen, um eine Addition von Ammoniak

an ein ungesättigtes System handelt. Zudem wurden sowohl Formamid als auch die beiden

Edukte im Weltall nachgewiesen. Bei Formamid handelt es sich um das kleinste Molekül, das

eine Peptidbindung besitzt und somit möglicherweise zum Aufbau größerer organischer

Moleküle beigetragen haben kann. Die in diesem Kapitel beschriebenen Ergebnisse sind bisher

nicht veröffentlicht.

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4

3 Grundlagen

3.1 Wechselwirkungen von Elektronen mit Molekülen

Niederenergetische Elektronen können auf unterschiedliche Weise mit Materie wechselwirken.

Im einfachsten Fall kommt es zu einer elastischen Streuung, bei der das Elektron ohne Änderung

seiner Energie mit der Materie wechselwirkt. Bei einem Stoß zwischen einem Elektron mit

einem Molekül kann jedoch auch Energie übertragen werden. Gibt das Elektron Energie ab, so

bezeichnet man dies als inelastische Streuung, wird Energie von einem angeregten Molekül auf

das Elektron übertragen, ist die Streuung superelastisch[25]. Man unterscheidet zwischen

resonanten Wechselwirkungen, welche nur in einem engen Energiebereich auftreten (Kapitel

3.1.1), und den nicht resonanten Wechselwirkungen, die oberhalb einer Mindestenergie bei

jeder beliebigen Energie auftreten können (Kapitel 3.1.2). Abbildung 1 gibt einen Überblick über

die möglichen Produkte dieser beiden Arten von Elektron-Molekülwechselwirkung.

Abb. 1: Übersicht der durch niederenergetische Elektronen initiierten Prozesse und ihre primären Folgereaktionen. Oben: resonante Prozesse (Kapitel 3.1.1.), unten: nichtresonante Prozesse (Kapitel 3.1.2.).

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3.1.1 Resonante Wechselwirkungen

Bei resonanten Elektron-Molekülwechselwirkungen verbleibt das Elektron länger (>10-15 s)[2]

am Molekül, als es für die reine Durchquerung des Moleküls notwendig wäre. Diesen Vorgang

nennt man Resonanz, es entsteht dabei ein kurzlebiges Anion (temporär negatives Ion = TNI). Da

die Anlagerung des Elektrons erheblich schneller ist als die Atombewegung, erfolgt sie ohne

Änderung der Molekülgeometrie durch einen vertikalen Franck-Condon Übergang. Dies führt zu

einem angeregten Zustand des Anions. Die Lebensdauer des kurzlebigen Anions und die

Wahrscheinlichkeit weiterer Reaktionen hängen von unterschiedlichen Faktoren ab, wie

beispielsweise der Art der Resonanz, der Anregungsenergie und der Umgebung des Anions.

Resonanzen können nach der Art ihrer Entstehung in single-particle (Einteilchen-)und core–

exited (Mehrteilchen-) Resonanzen unterteilt werden (Abb. 2). Bei single-particle Resonanzen

bleibt die elektronische Konfiguration des Moleküls erhalten und das zusätzliche Elektron belegt

ein unbesetztes Molekülorbital, während bei core-excited Resonanzen ein weiteres Elektron des

Moleküls angeregt wird. Single-particle-Resonanzen treten bei geringeren Energien auf

(E0 ≤ 4 eV) als core excited Resonanzen (≈5-15 eV)[2]. Die Lebensdauer der Resonanzen hängt

von der energetischen Anordnung der Potentialenergiekurve des (angeregten) Anions zu der

des neutralen Moleküls im selben Anregungszustand ab. Ist das neutrale Molekül energetisch

günstiger, so kann die Abspaltung des Elektrons ohne weitere Änderung der elektronischen

Anordnung erfolgen. Dieses Phänomen tritt sowohl bei single-particle, als auch bei core-excited

Resonanzen auf. Diese Resonanzen werden als shape-Resonanzen bezeichnet, da das Elektron

nur aufgrund der Form des von Elektron und Molekül gebildeten Potentials gehalten wird.

Dieses Potential in Abhängigkeit des Abstandes zwischen Elektron und Molekül (r) setzt sich

zusammen aus der Anziehungskraft zwischen Elektron und Molekül,

( )

, (3-1)

wobei α die Polarisierbarkeit des Moleküls und e die Elementarladung ist, und dem durch die

Zentrifugalkraft des Elektrons gebildeten repulsiven Potentials

( ) ( )

. (3-2)

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das sich aus der Drehimpulsquantenzahl (l), der Masse des Elektrons (me), und dem Planckschen

wirkungsquantum/2π (6,582*10-16 eVs) berechnet

In Summe ergibt sich damit für das Potential einer shape-Resonanz[26]:

( )

( )

(3-3)

Die Lebensdauern von shape-Resonanzen ist üblicherweise verhältnismäßig kurz (10-15-10-10 s),

kann jedoch bei symmetrischen Molekülen wie Schwefelhexaflourid deutlich verlängert

sein[27].

Abb. 2: Übersicht der unterschiedlichen Resonanzen. Untere Kurve: single particle shape Resonanz. Hierbei erfolgt keine elektronische Anregung der zuvor am Molekül M befindlichen Elektronen. Die durch die Zentrifugalbarriere des Elektrons gebildete Potentialbarriere hält das Elektron am Molekül. Mittlere Kurve: core excited Feshbach Resonanz. Hierbei ist das gebildete Anion M- energetisch günstiger als das neutrale Molekül im selben Anregungszustand. Obere Kurve: core excited shape Resonanz. Hierbei handelt es sich um ein elektronisch angeregtes temporäres Anion, das wiederum durch die Potentialbarriere entsteht. Die Abbildung wurde entnommen aus[29].

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Die energetische Breite der Resonanz(𝛤) kann von ihrer Lebensdauer(τ) abhängen. Es gilt nach

der Heisenbergschen Unschärferelation für die minimale Breite der Resonanz[28]:

𝛤

(3-4)

mit =6,582*10-16 eVs. Die energetische Breite der Resonanz, die sich aus dem Franck-

Condon-Übergang ergibt, ist jedoch im Normallfall größer als die aus ihrer Lebensdauer

resultierende Breite, so dass ersterer in den meisten Fällen die Breite der Resonanz bestimmt

[29].

Abb. 3: Reflexionsprinzip: Die Anlagerung des Elektron erfolgt näherungsweise ohne Änderung der Atompositionen durch einen senkrechten Franck-Condon Übergang. Der Energiebereich dieser Anlagerung wird durch E* und die Elektronenaffinität EA definiert. Da eine Anlagerung des Elektrons (σAT) im unteren Energiebereich der Resonanz einem weiteren Bindungsabstand entspricht, ist eine Dissoziation (σDEA) in diesem Fall wahrscheinlicher. Die Abbildung wurde entnommen aus [27].

Mögliche Reaktionen des temporären Anions sind die Abgabe des Elektrons (Autodetachment,

AD) oder der Zerfall durch Dissoziation (dissociative electron attachment, DEA). Auch die Bil-

dung eines stabilen Anions kann möglich sein. Die dafür notwendige Stabilisierung tritt in

kondensierter Phase oder bei Clustern auf, da in diesem Fall Energie an benachbarte Moleküle

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abgegeben werden kann. Unter Einzelstoßbedingungen kann die Abgabe der Energie nur durch

strahlende Deaktivierung unter Abgabe eines Photons erfolgen. Dieser Prozess dauert jedoch

erheblich länger (≈10-9-10-8 s) als die Konkurrenzprozesse Elektronenabgabe und Molekül-

dissoziation[30]. und spielt daher bei Molekülen keine Rolle. Die Wahrscheinlichkeit der

Dissoziation des TNI ergibt sich aus dem Verhältnis der Zeiten, die zur Elektronenabgabe (τAD)

und zur Dissoziation (τDEA)benötigt werden[27]:

(3-5)

Dabei ist σ0 die Wahrscheinlichkeit des Elektroneneinfangs. Sofern der Schnittpunkt Rc der

Energiediagramme (Abbildung 3) überschritten ist, ist die Abgabe des Elektrons nicht mehr

möglich. Das Elektron kann bei Energien innerhalb des Franck-Condon Bereiches angelagert

werden. Eine geringere Energie des Elektrons innerhalb dieses Bereiches bedeutet jedoch nach

dem Reflexionsprinzip (Abbildung 3) einen größeren Abstand entlang der zu spaltenden

Bindung. Die Dissoziation wird daher in diesem Energiebereich im Verhältnis zur Abspaltung des

Elektrons wahrscheinlicher. Sofern die Lebensdauer des Anions lang genug ist, kann es zudem zu

Umlagerungen des Moleküls[27], oder der Spaltung entlang einer anderen Bindung kommen als

es dem Orbital, in das das Elektron eingelagert wurde, entspräche[30].

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3.1.2 Nicht-resonante Wechselwirkungen

Abb. 4: Schematische Darstellung nicht-resonanter Prozesse im Vergleich mit dissoziativer Elektronenanlagerung (DEA): Während bei der resonanten dissoziativen Elektronenanlagerung scharfe Resonanzen in einem engen Energiebereich mit hohem Wirkungsquerschnitt beobachtet werden, steigt der Wirkungsquerschnitt der nicht-resonanten Prozesse neutrale Dissoziation (ND), dissoziative Ionisation (DI) und dipolare Dissoziation (DD) oberhalb des Schwellenwertes langsam bis zu einem breites Maximum an.

Nicht-resonante Elektron-Molekülwechselwirkungen können oberhalb einer spezifischen unte-

ren Grenze bei beliebigen Energien auftreten. Sie gehören zu den direkten Streuprozessen. Eine

Übersicht des typischen Verhaltens der Wirkungsquerschnitte verschiedener nicht-resonanter

Anregungen im Vergleich mit DEA ist in Abbildung 4 gezeigt. Gibt das Elektron einen Teil seiner

Energie an das Molekül ab, wird dieses vibratorisch oder elektronisch angeregt. Die aufge-

nommene Energie kann durch das Aussenden eines Photons oder in Clustern, sowie in konden-

sierter Phase, an benachbarte Moleküle abgeben werden.

Eine elektronische Anregung des Moleküls kann dieses in einen reaktiven oder dissoziativen Zu-

stand überführen. Dies kann zu neutraler oder zu dipolarer Dissoziation führen. Die neutrale

Dissoziation kann bei Anregung eines Elektrons in einen repulsiven Zustand erfolgen und

erfordert Energien ab einem Bereich von etwa 5 eV, während der maximale Wirkungsquer-

schnitt bei 30-70 eV liegt[31].

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Bei der dipolaren Dissoziation zerfällt das Molekül in ein Anion und ein Kation. Dieser Prozess

erfordert höhere Energien (≈13 eV) als die neutrale Dissoziation, da in diesem Fall zusätzlich die

Coulombanziehungskraft zwischen den beiden Ionen überwunden werden muss.

Trifft ein Elektron mit hinreichender Energie auf ein Molekül, kann ein weiteres Elektron aus

dem Molekül entfernt werden und so ein Radikalkation erzeugt werden. Die minimale dafür

erforderliche Energie bezeichnet man als Ionisationsschwelle. Bei organischen Molekülen liegt

sie üblicherweise bei etwa 10 eV. Der maximale Wirkungsquerschnitt der Ionisation liegt bei

70-100 eV[31].

Radikalkationen sind reaktive Verbindungen, die auf vielfältige Weise weiterreagieren können.

Neben der Neutralisation können sie fragmentieren oder eine Reaktion mit umgebenden

Molekülen eingehen. Auch in der organischen Chemie sind Radikalkationen bekannt und ihre

Reaktionen untersucht. Sie entstehen dort typischerweise bei Elektronentransferreaktionen

durch Entfernung eines Elektrons aus dem untersten besetzten Energieniveau (HOMO). Bei der

Bildung von Radikalkationen durch Elektronenstoß kann dagegen auch ein Elektron aus tieferen

Energieniveaus entfernt werden.

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3.2. Einfluss der Umgebung auf elektroneninduzierte Prozesse

Abb. 5: Dissoziative Elektronenanlagerung an ein Molekül M unter Ausbildung eines Radikalfragments R und eines anionischen Fragments X

- in kondensierter Phase im Vergleich zur Gasphase. M

-, R und X

- bezeichnen die

beteiligten Spezies in der Gasphase, M-solv, Rsolv und X-

solv die gleichen Teilchen in kondensierter Phase. Die beobachteten Resonanzen und ihre maximalen Querschnitte (σsolv) sind im Verhältnis zur Gasphase (σg) aufgrund der Stabilisierung durch die Solvathülle zu niedrigeren Energien verschoben. Desorption der entstehenden Ionen aus der kondensierten Phase (σdes) kann aufgrund der zu überwindenden Polarisationswechselwirkung stärker im höherenergetischen Bereich der Resonanz beobachtet werden. Die Abbildung wurde entnommen aus [27].

In kondensierter Phase ist im Gegensatz zur Gasphase nicht von Einzelstoßbedingungen auszu-

gehen, da die Möglichkeit besteht, dass ein Elektron mit mehr als einem Molekül wechselwirkt.

Während in der Gasphase nach Bildung eines temporären Anions im Allgemeinen nur die

dissoziative Elektronenanlagerung und die Abgabe des Elektrons als konkurrierende Prozesse

beobachtet werden, sind in kondensierter Phase weitere Reaktionen möglich. Durch Abgabe

von Energie an die Umgebung kann sich beispielsweise ein stabiles Anion bilden. Das

aufgenommene Elektron kann auch an ein benachbartes Molekül abgegeben werden.

Außerdem können die entstandenen Anionen, aber vor allem bei einem Zerfall produzierte

Radikale diverse Folgereaktionen mit umgebenden Molekülen eingehen. In Kapitel 5.1 werden

am Beispiel des Acetonitrils unterschiedliche Reaktionswege nach dissoziativer Elektronenan-

lagerung in kondensierter und gasförmiger Phase vorgestellt. In kondensierter Phase sind durch

die Polarisierbarkeit des umgebenden Mediums sowohl das Potential von Ionen als auch das der

neutralen Moleküle im Vergleich zur Gasphase abgesenkt. Diese Absenkung ist jedoch bei Ionen

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ausgeprägter, sodass die Differenz der Potentialenergiekurven von Anion und neutralem

Molekül kleiner wird (Abbildung 5).

Die unterschiedliche Absenkung der Potentiale führt in einigen Fällen dazu, dass das Anion

anders als in der entsprechenden Gasphasenreaktion energetisch günstiger ist als das neutrale

Molekül. Dies bedeutet, dass ein DEA-Prozess, der in der Gasphase zu den shape-Resonanzen

gehört, ist in der kondensierten Phase eine Feshbachresonanz werden kann. Dies führt zu einem

erheblich höheren Wirkungsquerschnitt für die dissoziative Elektronenanlagerung[32,33].

Auch bei nicht-resonanten Prozessen können reaktive Teilchen entstehen. Während unter

Einzelstoßbedingungen der Zerfall die einzige mögliche Folgereaktion ist, können diese Teilchen

in kondensierter Phase mit umgebenden Molekülen auf vielfältige Weise weiterreagieren.

Additionsreaktionen nach Ionisation werden in Kapitel 6 ausführlicher behandelt.

Die Bildung von Ionen ist in kondensierter Phase begünstigt. Ihre Desorption ist jedoch unter-

drückt, da für diesen Vorgang die Teilchen genügend translatorische Energie besitzen müssen,

um die Polarisationsbarriere durch das umgebende Medium zu überwinden. Die Polarisations-

barriere kann nach

(

) (3-6)

abgeschätzt werden, wobei ε0 die elektrische Feldkonstante und εd die Dielektrizitätskonstante

des umgebenden Mediums ist, q die Ladung und R der Radius des Ions ist. Die minimale zur

Desorption erforderliche Energie kann dann nach

(3-7)

bestimmt werden [34], wobei mi die Masse des entstandenen Fragments und M die Masse des

Muttermoleküls ist. H0 ist die minimale Energie, die thermodynamisch für die Dissoziation

benötigt wird.

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Während einer Bestrahlung kann es außerdem zur Aufladung des Films oder des Substrats

kommen[35,36] wodurch sich das Potential im Film ändert. Auch die häufig verwendeten

metallischen Substrate haben Einfluss auf elektroneninduzierte Prozesse. Durch entstehende

Ionen kann im Metall eine stabilisierende Bildladung entstehen[37]. Dies hat Einfluss auf die

dissoziative Elektronenlagerung und die dipolare Dissoziation. Bei direktem Kontakt zur

Metalloberfläche (Monolagenbereich) nimmt die Lebensdauer von temporären Anionen ab, da

das Elektron in die Metalloberfläche tunneln kann[38]. Auch die Wahrscheinlichkeit der

Desorption von gebildeten Anionen nimmt ab[39]. Da die dipolare Dissoziation über einen

neutralen Zwischenzustand erfolgt, der nicht vom Metall beeinflusst ist, die resultierenden

Ionen jedoch energetisch begünstigt sind, nimmt ihr Querschnitt durch die Nähe zum Substrat

zu[37,40].

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4 Experimentelle Methoden

Zur Untersuchung der elektroneninduzierten Reaktionen in kondensierter Phase wurden Experi-

mente im Ultrahochvakuum durchgeführt. Die Experimente an Acetonitril (Abschnitt 5.1), an

Aminen und Olefinen (Abschnitt 6.1) sowie an Kohlenmonoxid und Ammoniak (Abschnitt 6.2)

beinhalteten Elektronenbestrahlung und gleichzeitige (Elektronenstimulierte Desorption, ESD)

oder anschließende (thermische Desorptionsspektrometrie, TDS) Detektion der Bestrahlungs-

produkte. Die Experimente zur dissoziativen Elektronenanlagerung an Chlorsilanen (Abschnitt

5.2) wurden an der Universität Innsbruck in der Gasphase mittels gekreuzten Elektronen- und

Molekülstrahlen durchgeführt. Zudem wurden präparative Experimente sowie anschließende

nmr-Spektroskopie an den Chlorsilanen durchgeführt.

4.1 Elektronenstimulierte Desorption (ESD)

Bei Experimenten zur elektronenstimulierten Desorption werden Moleküle und Fragmente

detektiert, die während einer Bestrahlung mit Elektronen eine kondensierte Phase oder eine

Oberfläche verlassen (Abbildung 6). Dieses Phänomen wurde erstmals 1918 beobachtet[41],

sein höchste Wirkungsquerschnitt wird bei etwa 100 eV erreicht[42]. Sofern sich durch die

Desorption die Bedeckung des Substrats unter Bestrahlung nicht wesentlich ändert, ist dass

Verhältnis der Elektronenstroms zur Anzahl der desorbierenden Moleküle linear[43].

Anderenfalls wird ein exponentieller Abfall des ESD-Signals beobachtet[44]. Es handelt sich um

eine Kinetik erster Ordnung bezüglich des Elektronenstroms und daher anscheinend um einen

direkten Energieübertrag vom Elektron auf das Molekül[43]. Eine reine Impulsübertragung ist

allerdings nicht anzunehmen, da die Masse des Elektrons im Verhältnis zu der des Moleküls zu

klein ist, um hinreichend Energie zu übertragen. Die elektronenstimulierte Desorption wird

vermutlich durch eine elektronische Anregung oder durch Dissoziationsprozesse ausgelöst[45].

Bei höherenergetischer Bestrahlung kommt es zusätzlich zu einem Aufheizen des Substrates,

wodurch zusätzlich Desorption ausgelöst werden kann[44]. Sofern die Leistungsdichte gering

(10-5-10-3 W/cm2) ist, können diese Effekte vernachlässigt werden[45].

Neben neutralen Fragmenten können auch geladene Teilchen desorbieren. Diese können durch

dissoziative Elektronenanlagerung, aber auch bei den nicht-resonanten Prozessen Ionisation

und dipolaren Dissoziation entstehen[46]. Die Desorption von Ionen ist jedoch im Verhältnis zu

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der von Neutralteilchen durch die höhere Potentialbarriere erschwert. Ionen machen insgesamt

etwa 2% der gesamten Desorption aus[44].

Bei Experimenten zur elektronenstimulierten Desorption können entstehende Fragmente direkt

während der Bestrahlung gemessen werden, so dass Hinweise auf die Kinetik einer Reaktion

erhalten werden. Zudem können reaktive desorbierende Fragmente detektiert werden die,

sollten sie in der kondensierter Phase verbleiben, dort weiterreagieren würden. Die elektronen-

stimulierte Desorption des Methylradikals konnte bei der Bestrahlung verschiedener Amine be-

obachtet werden, während das Methylanion während der Bestrahlung von Acetonitril detektiert

wurde.

Abb. 6: Schematischer Ablauf eines ESD Experimentes: a) Aufdampfen der Substanz oder des Gemischs b) Bestrahlung mit Elektronen und gleichzeitig Analyse der desorbierenden Moleküle und Fragmente mit einem Quadrupolmassenspektrometer (QMS) Details zum apparativen Aufbau finden sich in Kapitel 4.3.

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4.2 Thermische Desorptionspektrometrie (TDS)

Bei der thermischen Desorptionsspektrometrie (TDS) wird ein Substrat erwärmt, wodurch

aufkondensierte Stoffe desorbieren und anschließend, meist massenspektrometrisch, detektiert

werden können. Dieses Verfahren wird in den Materialwissenschaften zur Bestimmung der

Substratbedeckung[47] oder zur Untersuchung des Adsorptionsverhalten [48-50] von Molekülen

auf Oberflächen genutzt. Beispiele hierfür sind die Erforschung von Katalysatoren[51] oder

Wasserstoffspeichersystemen[52].

Auch zur Untersuchung von kinetischen Desorptionsparametern[53,54] bestimmter Moleküle

auf Adsorbaten wird TDS eingesetzt. Die Desorptionsrate adsorbierter Teilchen entspricht im

einfachsten Fall der Polany-Wigner-Gleichung sofern man mehrstufige Desorption oder mehrere

gleichzeitig vorliegende Adsorbat-Substrat-Wechselwirkungen vernachlässigen kann[55].

(4-1)

Dabei ist n die Konzentration der Moleküle auf der Oberfläche und l die Desorptionsordnung.

ϑ ist der Frequenzfaktor und Ed ist die Energie, die zur Desorption eines einzelnen Teilchens

benötigt wird.

Beim TDS werden, anders als bei der elektronenstimulierten Desorption, üblicherweise aus-

schließlich intakte Moleküle detektiert, da reaktivere Teilchen bereits während der Bestrahlung

oder der anschließenden Erwärmung abreagieren.

Bei den in dieser Arbeit beschriebenen Experimenten wird TDS eingesetzt, um im Anschluss an

Bestrahlungsexperimente Produkte zu detektieren[56-58]. Die Detektion der Produkte erfolgt

massenspektrometrisch über charakteristische Masse-/Ladungsverhältnisse. Man kann davon

ausgehen, dass sämtliche in der vorliegenden Arbeit detektierten Fragmente nur einfach

geladen sind, ist im Folgenden immer nur die Masse angegeben. In Abbildung 7 ist schematisch

der Ablauf eines Experiments zur Bestrahlung mit Elektronen und die anschließende Analyse

durch TDS dargestellt.

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Abb. 7: Schematischer Ablauf eines TDS Experimentes: a) Aufdampfen der Gase oder Mischungen auf eine mittels Heliumkryostat auf 35 K gekühlte polykristalline Goldfolie. b) Bestrahlung der Probe mit Elektronen durch eine Flood gun. Für die hier beschriebenen Experimente wurden Energien zwischen 2-25 eV verwendet. Langsames Aufheizen des Targets. c) Bei den hier beschriebenen Experimenten wurde eine Heizrate von 1 K/s verwendet. Weiteres Aufheizen bis alle Substanzen desorbiert sind und detektiert sind. d) Im Anschluss an die Messung wird zur Reinigung des Targets erneut geheizt. Details zum apparativen Aufbau finden sich in Abschnitt 4.3.

Die Auftrennung verschiedener Stoffe durch unterschiedliche Desorptionstemperaturen wurde

in dieser Arbeit zunächst an unterschiedlichen Kohlenwasserstoffen erprobt. Die Desorptions-

temperaturen sollten hierbei in Abhängigkeit von der Kettenlänge und Verzweigungsgrad

bestimmt werden. Diese Experimente sollten auch die Grundlage zur Identifikation unbekannter

Produkte in thermischen Desorptionsspektren nach Bestrahlungsexperimenten dienen, da bei

den in Kapitel 6.1 beschriebenen Experimenten auch längerkettige Kohlenwasserstoffe gebildet

werden. Für die Versuche wurden Mischungen aus den n-Alkanen Pentan, Hexan, Heptan und

Octan, sowie den verzweigten Alkanen iso-Octan und Methylpentan und dem zyklischen Cyclo-

hexan verwendet.

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50 100 150 200 250 300 350

71 amu (Methypentan)

84 amu (c-Hexan)

86 amu (n-Hexan)

Kohlenwasserstoffe C6

Sig

nal Q

MS

T in K

50 100 150 200 250 300 350

KWs C5-C

8

*100

*20

*2

C8:210 K

C7:160 K

C6:129 K

C5:119 K

85 amu (C8)

100 amu (C7)

86 amu (C6)

72 amu (C5)

Sig

nal Q

MS

T in K

Abb. 8: Thermische Desorptionsspektren von Kohlenwasserstoffgemischen: links: Der Vergleich verschiedener C6-Verbindungen; rechts: n-Alkane mit einer Kettenlänge von C5-C8.

Für die Mischung wurden gleiche Volumenanteile von allen Substanzen verwendet. Aufgrund

der unterschiedlichen Flüchtigkeit der Substanzen verändert sich die Zusammensetzung jedoch

stark, wenn das Gemisch vom Einlasssystem zum Substrat strömt, so dass der Anteil an

kürzerkettigen Kohlenwasserstoffe in der TDS-Messung erheblich erhöht war. Iso-Octan konnte

nicht mehr eindeutig nachgewiesen werden und ist daher nicht dargestellt und n-Octan nur

noch in geringer Menge zu erkennen (Abbildung 8 rechts). Die verschiedenen C6-Kohlenwasser-

stoffe desorbieren ohne Unterschied bei etwa 130 K (Abbildung 8). Da auch für Ethen und Ethan

(etwa 68 K), sowie für Propen und Propan (etwa 85 K) jeweils identische Desorptions-

temperaturenen gefunden wurden, kann ferner davon ausgegangen werden, dass sich das

Adsorptionsverhalten von Alkanen und Alkenen auf dem in dieser Arbeit verwendeten Substrat

(siehe Abschnitt 4.3), bei dem es sich um eine polykristalline Goldfolie handelt, die aufgrund des

experimentellen Aufbaus nur durch Ausheizen und nicht durch Sputtern gereinigt werden kann,

nicht signifikant unterscheidet. Die Desorptionstemperaturen unbekannter Produkte, die als

Kohlenwasserstoffe identifiziert wurden, kann also nur Aufschluss über deren Kettenlänge

liefern (Abbildung 9).

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2 3 4 5 6 7 8

60

80

100

120

140

160

180

200

220

Deso

rpti

on

ste

mp

era

tur

Anzahl Kohlenstoffatome

Abb. 9: Die Abhängigkeit der Desorptionstemperaturen von Kohlenwasserstoffen von der Kettenlänge. Bei C8 ist mit hoher Wahrscheinlichkeit, bei C7 vermutlich teilweise von einem Monolagensignal auszugehen. Die Desorptionstemperaturen entsprechender Multilagen sind vermutlich bei geringerer Temperatur zu beobachten.

4.3 UHV-Aufbau für ESD und TDS-Experimente

Für die in Abschnitten 5.1, 6.1 und 6.2 beschriebenen ESD- und TDS-Experimente wurde eine

Ultrahochvakuum- (UHV-) Kammer mit einem Basisdruck von 2-3*10-10 mbar verwendet [56,

59]. Dieser Druck wird durch eine Turbomolekularpumpe erreicht, welche ein Vorvakuum

(≈10-2 mbar) benötigt, das von einer Ölpumpe erzeugt wird. Wenn der Basisdruck in der

Kammer zu hoch ist, kann zusätzlich eine Titansublimationspumpe eingesetzt werden. Die

Druckmessung in der Kammer erfolgt mit einer Bayard-Alpert-Röhre (Heißkathodenionisations-

vakuummeter). Gase oder leichtflüchtige Flüssigkeiten können in einem Einlasssystem zunächst

gemischt und dann in die UHV-Kammer eingeleitet und zur Präparation der kondensierten

Schichten auf einem Substrat abgeschieden werden. Um die Menge an aufgedampften Substan-

zen abzuschätzen, wird der Druckabfall im Einlasssystem mit einem Kapazitätsmanometer (MKS

Baratron) gemessen. Das Einlasssystem wird anschließend durch eine weitere Turbomolekular-

pumpe evakuiert. Die Belegung des Substrats wird bei wiederholter Messung mit unterschied-

lichen Gasmengen anhand des Desorptionsverhaltens abgeschätzt. Als Substrat wird eine

polykristalline Goldfolie verwendet, die durch den Kaltkopf eines Heliumrefrigerationskryostats

auf etwa 35 K gekühlt werden kann und durch eine Saphirscheibe elektrisch von ihm isoliert ist.

Da der elektrische Widerstand von Gold zu gering für eine direkte resistive Heizung ist, wurde

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das Substrat mit zwei dünnen Tantalstreifen mit höherem Widerstand verbunden, die als Heiz-

elemente dienen. Die Temperatur wurde mit einem mit der Goldfolie verbundenen Thermo-

element (Typ E) bestimmt.

Die Bestrahlung des Substrats mit Elektronen erfolgte mit einer Flood-Gun (SPECS FG 15/40),

wie sie üblicherweise zur Ladungsneutralisation von XPS- Proben eingesetzt wird. Darin werden

thermische Elektronen erzeugt und ohne Monochromatisierung oder Fokussierung beschleu-

nigt. [59]. Diese Elektronenkanone hat einen Energiebereich von ungefähr 2 bis 500 eV bei einer

Auflösung von 0,5 bis 1 eV. Für die in dieser Arbeit beschriebenen Experimente wurden jedoch

keine Energien oberhalb von 25 eV eingesetzt.

Desorbierende Fragmente werden mit einem Restgasanalysator detektiert. Es handelt sich

dabei um ein Quadrupolmassenspektrometer (QMS), mit dem jeweils 4-5 Massen während

einer Messung detektiert wurden. Die zu beobachtenden Massen wurden anhand von Daten-

bankspektren des National Institute of Standards and Technology (NIST)[60] für vermutete

Produkte ausgewählt. Da das verwendete Massenspektrometer ein Restgasanalysator, und

somit dazu konzipiert ist, auch kleinste Mengen an Substanz nachzuweisen, entsprechen die

gemessenen Spektren nicht immer exakt den Datenbankspektren.

Während bei früheren Experimenten zur Bildung des Ethylamin die Verhältnisse der gemes-

senen Massenfragmente zueinander mit den in der Datenbank [60] gefundenen gut überein-

stimmten[24], war dies bei anderen im Verlauf dieser Arbeit untersuchten Verbindungen nicht

immer der Fall. Bei einigen Experimenten fiel auf, dass höhere Massen verglichen mit den

Datenbankspektren zu schwächeren Signalen führten. Um dieses Phänomen genauer zu unter-

suchen, wurden Desorptionsexperimente mit Methylpentan durchgeführt, bei denen jeweils

verschiedene Massen aufgenommen wurden. Bei der Masse 43 amu wurde sowohl bei diesen

Messungen als auch im Datenbankspektrum die höchste Intensität ermittelt. Die Peakflächen

für andere Massen wurden auf die mehrfach aufgenommene und gemittelte Peakfläche der

Masse 43 normiert.

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10 15 20 25 30 35 40 45 50 55 60 65 70 75 80 85

Peakflächen QMS

NIST Spektrum

m/z (amu)

10 20 30 40 50 60 70 80

0,0

0,2

0,4

0,6

0,8

1,0

1,2

1,4

m/z (amu)

Verh

ält

nis

Peakfl

äch

e / N

IST

Peakfl

äch

e

Abb. 10: links: Vergleich der bei thermischer Desorption von Methylpentan erhaltenen Signalintensitäten (schwarz) mit den Intensitäten im NIST-Spektrum. Rechts: Verhältnis der gemessenen Signalintensitäten zu den Intensitäten nach NIST.

Insbesondere bei hohen Massen zeigt sich eine deutliche Abweichung zwischen den vom

verwendeten Massenspektrometer erhaltenen Intensitäten und den nach NIST zu erwartenden

(Abbildung 10). Oberhalb 70 amu wird für das Methylpentan weniger als die Hälfte des

erwarteten Signals gefunden. Die aus der Datenbank erhaltenen Massenverhältnisse können

daher nicht als alleiniger Nachweis für die Identifizierung eines Produkts herangezogen werden.

Die für das Methylpentan erhaltenen Ergebnisse lassen sich wiederum nicht zwingend auf

andere Moleküle übertragen. Während das Verhältnis der Masse-/Ladungsverhältnisse 57 amu

und 71 amu bei Methylpentan in unserer Messung stark von dem im NIST-Spektrum angegebe-

nen abweicht, ist bei Diethylamin das Verhältnis der Signale bei 58 amu und 73 amu dem in der

Datenbank gefundenen annähernd identisch (siehe auch Kapitel 6.1.3). Da die Verhältnisse der

Massenspektren notwendig zur Identifikation der Produkte sind, ist es unabdingbar, thermische

Desorptionspektren möglicher Produkte zum Vergleich aufzunehmen.

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4.4 Gasphasenexperimente zur Dissoziativen Elektronenanlagerung (DEA)

Um Prozesse der dissoziativen Elektronenanlagerung (DEA) in Gasphase zu messen, verwendet

man Apparaturen, in denen durch Kreuzung eines Elektronenstrahls mit einem Molekularstrahl

Ionen erzeugt und anschließend massenspektrometrisch detektiert werden. Es wird angenom-

men, dass der Kontakt zwischen Molekül und Elektron unter Einzelstoßbedingungen erfolgt und

es somit nicht zu Reaktionen mit weiteren Molekülen kommt. Sofern deren Lebensdauer lang

genug ist, können temporäre Anionen direkt detektiert werden[29]. Anderenfalls werden ihre

anionischen Zerfallsprodukte in Abhängigkeit von der Elektronenenergie beobachtet. Um einen

Molekularstrahl zu erzeugen, sollte eine Substanz hinreichend flüchtig sein. Ist dies nicht der

Fall, kann sie durch Erhitzen in einem Ofen in die Gasphase[61] gebracht werden. Der

Elektronenstrahl wird meistens durch Filamente erzeugt. Die Energie kann mit hemisphärischen

oder trochoidalen Monochromatoren eingestellt werden, wobei mit hemisphärischen Modellen

eine höhere Auflösung erreicht wird[63,64]. Als Detektoren werden häufig Quadrupol[35,66]-

oder Sektorfeldmassenspektrometer[66] eingesetzt. Die kinetische Energie der Anionen kann im

Anschluss durch zusätzliches time-of-flight Massenspektrometer bestimmt werden[35,68].

Experimente an Clustern von mehreren Molekülen oder in Heliumtröpfchen können oftmals an

denselben Apparaturen durchgeführt werden[68,69].

4.5 Apparatur zur Untersuchung von DEA-Prozessen

Die Gasphasenexperimente an Chlorsilanen wurden an der Universität Innsbruck in der von Paul

Scheier geleiteten Arbeitsgruppe Nano-Bio-Physik durchgeführt[5]. An der verwendeten Appa-

ratur (VG-ZAB) wird ein Molekularstrahl der untersuchten flüchtigen Verbindung mit einem

resultierenden Druck um 10-5 mbar eingelassen und in der Ionenquelle (Ionenblock) mit einem

Elektronenstrahl mit einer energetischen Auflösung von etwa 1 eV und einer Stromstärke von

10 µA gekreuzt. Die im Ionenblock entstanden Ionen werden mit einem Potential von 5 keV

beschleunigt und nach ihrem Masse-/Ladungsverhältnis durch einen magnetischen und

anschließend einen elektrischen Sektor (umgekehrte Nier Johnson Geometrie) getrennt[5] und

dann durch einen Sekundärelektronenvervielfältiger detektiert.

Durch Aufnahme von Massenspektren bei unterschiedlichen Energien wird zunächst ermittelt,

welche Anionen durch Bestrahlung entstehen. Durch die Aufnahme der Energieabhängigkeit der

Anionenproduktion können die Resonanzen in der dissoziativen Elektronenanlagerung bestimmt

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werden. Die bei den hier vorgestellten Experimenten verwendeten Chlorsilane waren aus-

reichend flüchtig für einen direkten Einlass. Die VG-ZAB bietet außerdem die Möglichkeit,

Heliumcluster herzustellen. In diesem Verfahren können einige Moleküle einer zu unter-

suchenden Substanz in kalten (0,37 K) Heliumclustern eingefangen und bestrahlt werden.

Kurzlebige Fragmente und Ionen können in diesem Medium stabilisiert und dadurch unzerstört

detektiert werden[70,71].

4.6 Experimente zum reduktiven Abbau von Chlorsilanen

Um die Unterschiede in der Reaktivität unterschiedlich substituierter Chlorsilane mit Lithium

unter kontrollierten Bedingungen bestimmen zu können, wurden Experimente mit drei unter-

schiedlichen Silanen, nämlich Chlortrimethylsilan, Chlordimethylphenylsilan und Benzylchlordi-

methylsilan, durchgeführt. Anschließend wurde mittels 1H-NMR-Spektroskopie (AVANCE NB-

360) das Verhältnis zwischen dem Edukt und dem bereits gebildeten Produkt ermittelt. Zur Syn-

these wurden unter Argonatmosphäre 0,5 g Lithiumgranulat (0,072 mol) in einen Schlenck-

kolben eingewogen. An einer Vakuumlinie wurden unter Argon 10 mL getrocknetes Tetrahydro-

furan hinzugegeben und mittels eines Ethanol/Stickstoff-Gemisches auf -18°C gekühlt.

0,0072 mol Chlorsilan wurden hinzugegeben und zu Beginn der Reaktion und nach 5, 10, 30, 60

und 120 min jeweils 0,4 mL des Reaktionsgemischs zur Analyse entnommen. Die Proben wurden

mit deuteriertem Chloroform versetzt und 1H-NMR-Spektren mit einem Avance WB-360 von

Spektrospin bei einer Frequenz von 360 MHz aufgenommen. Zur Quantifizierung der Produkt-

bildung wurde das Verhältnis der Methylsignale aus dem Produkt und der Summe aller Methyl-

signale gebildet.

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5 Experimente zur dissoziativen Elektronenanlagerung

Der Prozess der dissoziativen Elektronenanlagerung (DEA) kann zu definierten Brüchen einzel-

ner Bindungen führen. Dadurch können bei Einsatz geeigneter Elektronenenergien unterschied-

liche Bindungen mit hoher Spezifizität gebrochen werden. Dies konnte beispielsweise anhand

der selektiven Wasserstoffabspaltung an der DNA-Base Thymin[5], den unterschiedlichen

Zerfallskanälen des Formamids[66] und bei Fragmentierung des Tricarbonynitrosylcobalts[72] in

der Gasphase gezeigt werden.

Bei der DEA entstehen Anionen und Radikale, die reaktive Verbindungen sind und somit bei

Kontakt mit anderen Molekülen, etwa in Clustern oder in kondensierter Phase, zur Synthese

größerer Verbindungen führen könnten. Eine solche Reaktion könnte über die Rekombination

zweier Radikale verlaufen. Es stellt sich jedoch die Frage, ob aus der Gasphase bekannte disso-

ziative Elektronenanlagerungen in kondensierter Phase entsprechend ablaufen.

Einige Literaturbeispiele konnten zeigen, wie sich die Verbindung zwischen Ergebnissen aus der

Gasphasen und Experimenten in kondensierter Phase herstellen lässt. Bei der Bestrahlung von

CF2Cl2 kann sowohl Chlorid als auch Fluorid durch DEA abgespalten werden, wie in Gasphasen-

Experimenten gezeigt wurde[73]. In ESD-Experimenten konnte allerdings ausschließlich Fluorid

beobachtet werden, da das schwerere Chlorid nicht genügend kinetische Energie besitzt, um

den Film zu verlassen. In TDS-Experimenten zeigte sich dagegen, wie nach den Gasphasen-

resultaten zu erwarten, dass die nach Chlorid- und Fluoridabspaltung gebildeten Radikale in

statistischer Weise miteinander rekombinieren. Somit konnte indirekt gezeigt werden, dass wie

in der Gasphase beobachtet, auch bei Bestrahlungen in kondensierter Phase beide Halogene

durch dissoziative Elektronenanlagerung abgespalten wurden[74]. Auch bei der Bildung von

SF5CF3 konnten Resonanzen der dissoziativen Elektronenanlagerung, die aus der Gasphase für

SF6 und CF4 bekannt sind, in kondensierter Phase wiedergefunden werden[75]. Es wird

angenommen, dass es in kondensierter Phase durch Rekombination der Radikale SF5 und CF3,

die in einem DEA-Prozess unter Abspaltung von Fluorid entstehen, zur Bildung des Produkts

kommt. SF5CF3 ist ein Treibhausgas, das in der oberen Atmosphäre nachgewiesen wurde[76],

wo es vermutlich auf kleinen Aerosolpartikeln entsteht[75].

Im folgenden Abschnitt wird am Beispiel von Experimenten an Acetonitril ebenfalls durch den

Nachweis von Rekombination zweier Radikale im kondensierten Film gezeigt, dass aus der Gas-

phase bekannte niederenergetische Resonanzen, die aufgrund der Potentialbarriere nicht direkt

im ESD beobachtet werden konnten, auch in kondensierter Phase auftreten. Um diese Reak-

tionen zu belegen, wurde im Anschluss an die Bestrahlung thermische Desorptionsspektro-

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metrie eingesetzt. Abschnitt 4.2 beschäftigt sich anhand der Experimente zu Chlorsilanen mit

der Frage, ob aus DEA-Gasphasenexperimenten erhaltene Ergebnisse einen Erklärungsansatz für

bekannte Phänomene aus der präparativen Chemie liefern können.

5.1 Die Bildung von Ethan in Acetonitril als indirekter Nachweis des Cyanidions

Die dissoziative Elektronenanlagerung wurde in der Gasphase intensiv an halogenhaltigen

Substanzen untersucht, da diese durch die hohe Elektronenaffinität der Halogene ein stabiles

Anion bilden können und dieser Reaktionskanal somit begünstigt ist[29]. Cyanid ist ein

Pseudohalogenid, welches in vielen Fällen Reaktionen eingehen kann, die denen der Halogenide

entsprechen. Das Cyanidradikal hat mit 3,82 eV eine höhere Elektronenaffinität als die ent-

sprechenden Radikale von Flour und Chlor[77]. Während allerdings bei Halogenalkanen die

Elektronenanlagerung in ein σ*-Orbital erfolgt und so eine direkte Bindungsspaltung bewirken

kann, besetzt das zusätzliche Elektron bei gesättigten Nitrilen ein -Orbital. Motivation der

ersten Gasphasenexperimente an Nitrilen war daher der Vergleich mit bekannten

halogenhaltigen Verbindungen[77].

Acetonitril wurde zudem im Weltall nachgewiesen und kann möglicherweise am Aufbau

größerer organischer Moleküle beteiligt sein[78]. Daher wurde eine weitere Gasphasenstudie

durchgeführt, bei der zusätzlich die Wirkungsquerschnitte der Zerfallswege bestimmt

wurden[79]. Insgesamt wurde in den Gasphasenexperimenten abhängig von der Elektronen-

energie die Bildung verschiedener Anionen beobachtet (Tabelle 1).

Tab. 1: Dissoziative Elektronenanlagerung an gasförmigen Acetonitril.

Anion Energie (eV)[78] Energie(eV)[80] CH2CN

- 3,2; ≈8 3,2

CHCN- 3,2; ≈8 3,2; 8,3

CCN- 8,3 8.3

CN- 3,5; 7; 8; 9,2 1,8;7; 8; 9,2

CH3-

7 7

Auch in kondensierter Phase wurden bereits Elektronenstrahlexperimente an Acetonitril

durchgeführt. Bei der Bestrahlung von deuteriertem Acetonitril konnte in einem Energiebereich

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von 8-14 eV eine Desorption von D- beobachtet werden[80]. In diesem Energiebereich wurde

ebenfalls in der Gasphase eine C-H-Bindungsspaltung beobachtet (Tabelle 1). Bei niedrigeren

Energien wurde keine Desorption von D- beobachtet, wobei auch bei diesen Energien eine C-H

Bindungsspaltung beobachtet wurde, die zur Bildung von CH2CN- führte, welches ebenfalls bei

einem der Gasphase entsprechendem DEA-Prozess entstehen kann. Mittels thermischer

Desorptionsspektrometrie an deuteriertem Acetonitril konnte deuteriertes Methan, Ethan und

Propionitril nachgewiesen werden[81]. Die Spaltung einer C-C- Bindung muss der erste Schritt

dieser Reaktion sein. Diese verläuft bei niedrigen Elektronenenergien über den DEA-Prozess:

(5-1)

Die Rekombination zweier aus diesem Prozess entstandener Methylradikale führt zu Ethan. Die

Spaltung einer C-D-Bindung kann sowohl zur Bildung von Wasserstoffradikalen als auch zu

CD2CN-Radikalen führen. Beide Prozesse konnten in der Gasphase bei etwa 8 eV beobachtet

werden. Die Produkte der jeweiligen Rekombination mit Methylradikalen führen zu den Produk-

ten Methan und Propionaldehyd. Das Produkt der Rekombination zweier CD2CN-Radikale wurde

nicht beobachtet[81].

Ebenfalls wurde bereits eine elektroneninduzierte Oberflächenreaktion von Acetonitril be-

schrieben[82]. Acetonitril, das bei tiefen Temperaturen auf eine Diamantoberfläche aufkon-

densiert war, wurde nach Bestrahlung mit Elektronen einer Energie von 2 eV in Form von CH2CN

an die Oberfläche gebunden. Dies entspricht dem aus der Gasphase bekanntem C-H-Bindungs-

bruch bei 3,2 eV, da Resonanzen der dissoziativen Elektronenanlagerung in kondensierter Phase

bei niedrigeren Energien auftreten (siehe Abschnitt 3.2). Bei diesem Prozess entstehen Wasser-

stoffradikale und CH2CN-Anionen:

(5-2)

Das bei dieser Reaktion entstandene Wasserstoffradikal bewirkt eine Aktivierung der Oberfläche

woraufhin das Anion sowohl über den Stickstoff, als auch über den Kohlenstoff an diese

gebunden werden kann[82]. Um weiter zu untersuchen, in wie weit die aus der Gasphase be-

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kannten Prozesse der dissoziativen Elektronenanlagerung auch in kondensierter Phase auftre-

ten, wurden in der vorliegenden Arbeit vergleichende ESD und TDS Messungen durchgeführt.

Während im Rahmen einer Kooperation an der Universität von Sherbrooke ESD während der

Bestrahlung von kondensierten Acetonitrilschichten beobachtet wurde, erfolgte in Bremen die

Analyse der Produkte mittels TDS im Anschluss an die Bestrahlung.

0

10

20

30

0,0

0,4

0,8

0,00

0,05

0,10

0,15

0 2 4 6 8 10 12 14 16 18 20

0

1

2

3

H /CH

3CN

m/z = 14

CH

2 /CH

3CN

An

ion

Yie

ld (

kc

ou

nts

)

m/z = 1

m/z = 15

CH

3 /CH

3CN

m/z = 26

CN /CH

3CN

Electron Energy (eV)

Abb. 11: ESD-Experimente an Acetonitril: Neben Wasserstoff, Cyanid und dem Methylanion konnte zusätzlich das in der Gasphase nicht entstehende Methylenanion beobachtet werden.

Bei den ESD-Experimenten erlaubt ein neuartiger Aufbau den Nachweis auch von schweren

Fragmenten. Dazu wurde das kondensierte Acetonitril durch einen 800 ns Puls mit Elektronen-

energien zwischen 2 und 20 eV bestrahlt. Jeweils 30 ns nach der Bestrahlung wird eine negative

Spannung von 2 keV auf das Substrat gegeben, wodurch die Desorption der entstandenen Anio-

nen erleichtert wird.

Durch diese Experimente konnte die Desorption von den bereits in der Gasphase beobachteten

Anionen H-, CH3- und CN- im Energiebereich von 6eV bis 12eV (Abbildung 11) detektiert werden.

Im gleichen Energiebereich lässt sich auch mittels TDS die Bildung von Ethan nachweisen

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(Abbildung 12), welches wie oben beschrieben aus einer Rekombination zweier Methylradikale

entsteht. Die Bildung von Ethan kann somit als indirekter Nachweis für den zum Cyanid

führenden DEA-Prozess angesehen werden.

Zusätzlich wurde das in der Gasphase nicht beobachtete Methylenanion detektiert. Während in

der Gasphase von Einzelstoßbedingung auszugehen ist und die Fragmente des Moleküls sich

direkt nach der Dissoziation voneinander entfernen, können sie in kondensierter Phase durch

benachbarte Moleküle gehalten werden, so dass es zu Folgereaktionen kommen kann (Cage-

Effekt).

Die Abspaltung von CH2- aus Acetonitril ist thermodynamisch günstiger (Δ

388.6 kJ mol )

als die von CH3- ( Δ

50 .6 kJ mol ), dabei ist jedoch die Migration eines Wasserstoff-

atoms erforderlich. Dies ist in der Gasphase nicht möglich, während in kondensierter Phase die

im ersten Reaktionsschritt gebildeten Fragmente CH3- und CN erneut miteinander reagieren

können.

(5-3)

Bei Energien unter 5 eV konnten keine desorbierenden Anionen beobachtet werden. Falls diese

in kondensierter Phase entstehen, reicht ihre Energie nicht aus, um die Polarisationsbarriere

durch die umgebenden Moleküle zu überwinden. Um zu untersuchen, ob eine dissoziative

Elektronenanlagerung an Acetonitril in kondensierter Phase auch bei Energien unterhalb von

5 eV stattfindet, wurde auch in diesem Bereich die Energieabhängigkeit der Ethanproduktion

mit thermischer Desorptionsspektrometrie bestimmt (Abbildung 12). Tatsächlich zeigte sich bei

3-4 eV eine Produktion von Ethan. Dies zeigt, dass bei Acetonitril auch in kondensierter Phase

bei niedrigen Energien der zum Cyanid führende Prozess der dissoziativen Elektronenanlagerung

auftritt.

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29

0 2 4 6 8 10 12 14 16

0

1x105

2x105

3x105

4x105

5x105

6x105

7x105

C2H

6 in CH

3CN (15ML) after 5000C

Peak a

rea (

arb

. u

nit

s)

Energy (eV)

Abb. 12: Energieabhängigkeit der Ethanproduktion bei Elektronenbestrahlung von kondensierten Schichten von Acetonitril. Thermische Desorptionsspektren wurden aufgenommen und die Peakflächen des Signals bei 77 K und einer Masse von 30 amu bestimmt.

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30

5.2 Versuche zur Kupplung von Chlorsilanen

Die Reaktion von Chlorsilanen mit Lithium oder anderen Alkalimetallen wird in der präparativen

anorganischen Chemie eingesetzt, um Silicium–Silicium-Bindungen zu knüpfen und so Polymere

[83,84] oder Dimere[85] zu erhalten.

R3SiCl + Li R3Si• + Cl- + Li+ (5-4)

R3Si• + Li R3Si- + Li+ (5-5)

R3Si- + R3SiCl R3Si-SiR3 + Cl- (5-6)

Der Ablauf dieser reduktiven Kupplung hängt stark von den weiteren Substituenten am Silicium

ab. Während die Reaktion vollständig abläuft, sofern einer oder mehrere Liganden aromatisch

sind, verläuft sie bei Chlorsilanen mit lediglich aliphatischen Liganden erheblich langsamer und

oft unvollständig. Aromaten können in organischen Elektronentransferreaktionen als Mediator

wirken. Dies bedeutet, dass ein Elektron, in dem hier betrachteten Beispiel vom Lithium, zu-

nächst auf den Aromaten übertragen wird. In einem weiteren Reaktionsschritt erfolgt dann die

Übertragung vom Aromaten auf den Reaktanden[86] Weitere Möglichkeiten zur Beschleunigung

der Reaktion sind der Einsatz von Ultraschall[87,88] oder der Einsatz des reaktiveren Kalium-

graphits anstelle von Lithium[89].

Eine Verstärkung von Zerfallsreaktionen durch ungesättigte Einheiten eines Moleküls wurde

auch bei DEA-Experimenten beobachtet. So konnte beim Vergleich von exo-5-Chlornorbonen

mit der entsprechenden gesättigten Verbindung in der Gasphase gezeigt werden, dass der

Wirkungsquerschnitt der Cl--Bildung bei der ungesättigten Verbindung um fast zwei Größen-

ordnungen erhöht ist[90]. Daher wurde untersucht, ob auch in der dissoziativen Anlagerung an

Chlorsilanen in der Gasphase ein ähnlicher Effekt auftritt und damit eine Erklärung für die

Wirkung der aromatischen Seitengruppen bei der reduktiven Kupplung liefern kann.

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Abb. 13: Für die Untersuchung der reduktiven Kupplung eingesetzte Chlorsilane. Für die Gasphasenexperimente zur dissoziativen Elektronenanlagerung wurden nur Me3SiCl und PhMe2SiCl verwendet.

5.2.1 Reaktion der Silane mit Lithium und NMR-Spektroskopie

Um zunächst einen quantitativen Vergleich der Reaktionen unterschiedlicher Chlorsilane zu

ziehen, wurde die Kupplungsreaktion präparativ anhand von drei unterschiedlichen Substanzen

unter definierten Bedingungen durchgeführt (Abbildung 14). Während bei der Reaktion des

Me3SiCl bereits rein optisch keine Veränderung des eingesetzten Lithiums zu beobachten war,

löste es sich bei den beiden anderen Silanen während der zweistündigen Reaktionszeit deutlich.

Die NMR-Spektren bestätigten diesen Eindruck (Abbildung 15). Während beim Me3SiCl zu allen

Zeitpunkten ausschließlich das Edukt detektiert wurde, wurde dieses bei den beiden anderen

Silanen in den ersten dreißig Minuten vollständig abgebaut. Die Reaktionsgeschwindigkeit

scheint sich zwischen den beiden Chlorsilanen mit aromatischen Liganden während dieser Zeit

nicht zu unterscheiden. Bei PhMe2SiCl und BzMe2SiCl wird in dieser Zeit anscheinend das

Produkt der Silicium-Siliciumkupplung gebildet. Während dieses beim BzMe2SiCl über den Beob-

achtungszeitraum (2 h) stabil ist, lässt sich beim PhMe2SiCl bereits nach sechzig Minuten eine

Zersetzung beobachten.

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Abb. 14: Verhältnis der nmr-Intensitäten der Methylsignale von Edukt zur Summe aller Methylsignale. Während beim Me3SiCl in der beobachtete Zeit keine Reaktion stattfand, setzten sich die anderen Chlorsilane im Verlauf von 30 Minuten um.

5.2.2 Dissoziative Elektronenanlagerung in der Gasphase

Die dissoziative Elektronenanlagerung in der Gasphase wurde für Me3SiCl und PhMe2SiCl unter-

sucht, da diese sich deutlich in der Reaktivität unterschieden. Um die durch Elektronen-

bestrahlung entstehenden Anionen identifizieren zu können, wurden zunächst Massenspektren

im negativen Modus bei drei unterschiedlichen Energien aufgenommen. Diese zeigen jeweils,

dass die Abspaltung von Cl- die bevorzugte DEA-Reaktion bei beiden Chlorsilanen ist.

Bei den folgenden Experimenten, in denen die Ionenausbeute für die wichtigsten Fragmente als

Funktion der Elektronenenergie gemessen wurde, konnten jeweils zwei Signale für die Chlorid-

bildung beobachtet werden (Abbildung 15), wobei das Signal bei niedrigeren Energien bei

wiederholter Messung nicht reproduzierbar war.

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0 2 4 6 8 10 12 14

0

1x104

2x104

3x104

0,7 eV7 eV

m/z 35

Cl-

m/z 35

Cl-

Me3SiCl

PhMe2SiCl

Electron energy (eV)

0

1x104

2x104

3x104

0,9 eV

8,5 eV

Ion

yie

ld (

Hz)

Abb. 15: Die Energieanhängigkeit der Chloridproduktion während der Bestrahlung von Me3SiCl und PhMe2SiCl. Das Signal bei niedrigeren Energien unterlag starken Schwankungen und stammt mit hoher Wahrscheinlichkeit von durch Hydrolyse entstandenem HCl.

Damit eine dissoziative Elektronenanlagerung thermodynamisch möglich ist, muss für einen

einfachen Bindungsbruch die Energie des Elektrons mindestens der Differenz aus Bindungs-

energie und der Elektronenaffinität des anionenbildenden Fragments entsprechen[91]:

( ) ( ) ( ) (5-7)

Für das Me3SiCl beträgt die Si-Cl Bindungsenergie 5,1 eV[92]. Da die Elektronaffinität des Chlors

3,6 eV[94] liefert, ist das thermodynamische Limit für diese Dissoziation 1,5 eV, während das

vordere Signal bereits bei 0,7 eV auftritt. Chlorsilane reagieren mit Wasser unter Abspaltung von

HCl, wobei Luftfeuchtigkeit für diese Reaktion ausreichend ist. Das Signal bei 0,7 eV

beziehungsweise 0,9 eV wird daher vermutlich aus HCl gebildet, das bei diesen Energien Chlorid

bilden kann[94]. Oberhalb von 1,5 eV ist allerdings bei Vergleich der beiden Kurven keine

Verstärkung des Signals von Cl- im Fall des PhMe2SiCl zu beobachten.

Neben der Abspaltung von Chlorid traten auch weitere DEA-Prozesse auf. Sowohl beim Me3SiCl

als auch beim PhMe2SiCl konnte auch der Si-C Bindungsbruch beobachtet werden, wenn auch

mit erheblich geringerer Intensität als die Si-Cl Dissoziation. Alle beobachteten Si-C-Spaltungen

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bei Me3SiCl treten bei einer Elektronenergie von etwa 7 eV auf. Bei der Bestrahlung von

PhMe2SiCl wurden zusätzlich Resonanzen um 10 eV detektiert. Die höchste Intensität konnte bei

der Abspaltung eines Methylradikals unter Bildung des PhMe2SiCl beobachtet werden, aller-

dings ist die Verstärkung im Vergleich zu Me3SiCl verglichen mit dem bei den exo-5-Chlornor-

bornen gefundenen Effekt sehr gering.

Auch der Bruch von C-H-Bindungen konnte beobachtet werden. Bei der Aufnahme der Energie-

abhängigkeit der [M-H]- Bildung zeigen beide Substanzen einen Peak um 4 eV und einen um

8 eV, das Me3SiCl weist zusätzlich ein Signal bei 10 eV auf. Eine Resonanz bei 4 eV konnte auch

in Elektronenenergieverlustspektren der vibratorischen Anregung von Tetramethylsilan bei 4 eV

beobachtet werden[95]. Eine massive Verstärkung des C-H-Bindungsbruchs tritt aber beim

PhMe2SiCl insbesondere bei 8 eV auf. In diesem Bereich befindet sich eine Resonanz für den

Bruch einer Ring-Wasserstoffabspaltung[96], so dass ein direkter Vergleich mit der aliphatischen

Verbindung hier nicht sinnvoll erscheint. Das beim Me3SiCl beobachtete Signal bei 10 eV ent-

spricht einer Resonanz des C-H-Bindungsbruchs im Methan [97].

Insgesamt gesehen lassen sich also aus den Ergebnissen der dissoziativen Elektronenanlagerung

an Chlorsilanen in der Gasphase keine Hinweise für das unterschiedliche Verhalten der Verbin-

dungen in Lösung ableiten.

5.2.3 Diskussion der Ergebnisse

Anders als beim exo-5-Chlornorbon-2-en und seinem gesättigten Analogen, ließ sich bei den

Chlorsilanen keine Verstärkung der zur Chlorabspaltung führenden DEA-Prozesse durch die

Anwesenheit der aromatischen Seitengruppe erkennen. Die Übertragung eines Elektrons, das in

ein π-System eingelagert ist, kann im Falle der C-Cl Bindung des exo-5-Chlornorbon-2-ens erfol-

gen, während dies beim Phenyldimethylchlorosilan nicht möglich scheint.

Die Ursache hierfür sind die unterschiedlichen Bindungsenergien für die Si-Cl-Bindung (4,9 eV)

und für die C-Cl-Bindung (3,7 eV für das exo-5-Chlornorbon-2-en)[92]. Die Elektronenaffinität

des Chlors beträgt 3,6 eV[93])(Abbildung 16). Während zur Abspaltung des Chlors aus dem

Norbonen also die Anlagerung eines Elektrons einer Energie knapp oberhalb 0 eV ausreicht,

werden für den Bruch der SI-Cl Bindung mindestens 1,5 eV benötigt. Dies ist jedoch mehr als die

für die Einlagerung in das π-Orbital erforderliche Energie, so dass dieser Prozess nicht zum

Bruch der Si-Cl-Bindung führen kann. Die für diese Abschätzung verwendeten Daten zur Lage

der Molekülorbitale wurden unter der Annahme berechnet, dass die Orbitalenergie mit der

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vertikalen Anlagerungsenergie (VAE) korreliert[98]. Die in Abbildung 16 rechts dargestellten

Diagramme zur vertikalen Anlagerungsenergien wurden mittels einer B3LYP-Basis berechnet.

Abb. 16 Vertikale Anlagerungsenergien der unteren unbesetzten Orbitale für das exo-5-Chlornorbon-2-en und Zusammenhang mit denen von exo-2-Chlornorbonan und 2-Buten[91] (links) und vertikale Anlagerungsenergien für PhMe2SiCl und deren Zusammenhang mit denen von Me3SiCl und Benzol (VAE für Benzol aus[26]).

Diese in Abbildung 16 gezeigten Berechnungen beziehen sich jedoch auf die Gasphase. Die

Kupplung der Chlorsilane findet allerdings gelöst in Tetrahydrofuran statt. Für Benzol ist

bekannt, dass die Bildung des Radikalanions in Tetrahydrofuran im Vergleich zum solvatisierten

Elektron thermodynamisch erheblich günstiger ist als in der Gasphase [99]. Sofern alle weiteren

Bedingungen, wie beispielsweise Temperatur, Lösemittel und Konzentration der Reaktanden

vergleichbar sind, kann man davon ausgehen, dass das Verhältnis der für die Gasphase

bestimmten vertikalen Elektronenanlagerungsenergien zueinander auch bei der Reaktion in

Lösung wiedergefunden wird. Diese Energie ist für das Me3SiCl um 1 eV höher als für das Benzol,

während sie für das PhMe2SiCl etwas niedriger ist (Abbildung 17). Es ist daher zu vermuten, dass

das thermodynamische Gleichgewicht in Tedrahydrofuran im Falle des PhMe2SiCl noch stärker

als bei Benzol auf Seiten des Radikalanions liegt, während dieses beim Me3SiCl in geringerem

Ausmaß gebildet wird. Durch die höhere Konzentration des intermediären Radikalanions ist

auch die Weiterreaktion unter Abspaltung des Cl- im Fall der aromatischen Verbindung

begünstigt, so dass die Kupplung der Silanen in diesem Fall erleichtert ist.

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Abb. 17: Gleichgewichte zwischen den Chlorosilanen und ihren Anionen in Tetrahydrofuran. Im Vergleich zum Benzol[100] ist das Anion beim Me3SiCl energetisch ungünstiger, während es beim PhMe2SiCl günstiger ist. Damit sollte das Gleichgewicht bei PhMe2SiCl eher auf der rechten Seite liegen, bei Me3SiCl dagegen eher links.

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6 Ionisationsgetriebene Reaktionen

Bei der elektronenstoßinitiierten Ionisation wird durch einen direkten inelastischen Stoß eines

Elektrons hinreichender Energie ein weiteres Elektron aus einem Atom oder Molekül entfernt.

Es entsteht ein Radikalkation, das dissoziieren, aber auch weitere Folgereaktionen eingehen

kann. In der organischen Chemie sind Radikalkationen, ihre Entstehung und ihre möglichen

Folgereaktion gut untersucht [100,101]. Radikalkationen können durch chemische oder ano-

dische Oxidation, in photochemischen Verfahren wie dem Photoelektronentransfer (PET)[102]

und durch einige nichtoxidative Verfahren gebildet werden. Bei in der organischen Chemie be-

kannten Reaktionen wird das Elektron grundsätzlich aus dem HOMO abstrahiert, welches in

diesen Reaktionen als Elektrophor bezeichnet wird. Dieser kann σ ,π oder n-Charakter haben.

Wird das Elektron aus einem σ-Elektrophor entfernt, so kann dies zur Dissoziation der ent-

sprechenden Bindung führen. Hat der Elektrophor π oder n-Charakter können weitere

Reaktionen folgen, beispielsweise die Addition von Nucleophilen oder Umlagerungsreaktion

(Abbildung 18). C-H Deprotonierungen treten bei annähernd allen π- und n-Elektrophoren

auf[100].

Abb. 18: Die Bildung von n bzw. π- Radikalkationen und eine Übersicht über mögliche aus der organischen Chemie bekannte Folgereaktionen.

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Bereits in früheren TDS-Experimenten an kondensierten Schichten nach Bestrahlung mit Elek-

tronen bei Energien oberhalb der Ionisationsschwelle konnten Produkte der Folgereaktionen

von Radikalkationen nachgewiesen werden. So wurde nach Bestrahlung von kondensiertem

Acetaldehyd 2-Propanol [57] nachgewiesen. Dieses bildete sich durch einen Protonentransfer

vom Acetaldehydradikalkation auf ein neutrales Nachbarmolekül. Anschließend zerfällt das

verbleibende Fragment und ein dabei entstehendes Methylradikal lagert sich an dem protonier-

ten Acetaldehyd an. Ebenfalls können aus Hexamethyldisiloxan (HMDSO) nach Elektronenstoß-

Ionisation im Sinne eines nukleophilen Angriffs größere Siloxane gebildet werden[58].

Ebenso konnte bereits gezeigt werden, dass eine elektroneninduzierte Addition von Ammoniak

an Ethen ebenfalls durch eine Ionisation initiiert wird[24]. Es stellte sich heraus, dass bei

Energien, bei denen eine DEA-Resonanz des Ammoniaks aus der Gasphase (5,6 und 9 eV[103])

und aus ESD-Experimenten (9 eV [104]) bekannt ist, keine Verknüpfung zwischen Alkan und

Ammoniak beobachtet werden kann, wie sie entsprechend der Funktionalisierung einer

Diamantoberfläche mit Acetonitril zu erwarten gewesen wäre[82]. Die Reaktion mit dem Alken

Ethen und Ammoniak oberhalb der Ionisationsschwelle führte dagegen zu Aminoethan[24]

sowie zur Funktionalisierung eines Self-Assembling Monolayers mit endständigen C-C-

Doppelbindungen[23]. Diese Reaktion entspricht der aus der organischen Chemie bekannten

Hydroaminierung[105], die ein direkter und effizienter Zugang zu Aminen ist. Es werden in

diesem Fall jedoch Katalysatoren benötigt, um die relativ hohe Aktivierungsbarriere der unter

thermischen Bedingungen orbitalverbotenen 2+2-Addition zu überwinden[106]. Dieses Kapitel

beschreibt weitere Beispiele von Reaktionen, die nach dem bereits beschriebenen Mechanismus

der Hydroaminierung ablaufen, diskutiert aber auch die dabei auftretenden Nebenreaktionen.

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6.1 Elektroneninduzierte Hydroaminierung

Bereits bei früheren Experimenten zeigte sich[24], dass in einem Gemisch aus Ammoniak und

Ethen durch Elektronenbestrahlung bei Energien oberhalb der Ionisationsschwelle neben

Ethylamin auch Ethan und Stickstoff gebildet wurde. Die Bildung von Ethan und Ethylamin,

sowie die Abnahme der Edukte durch die Bestrahlung sind in Abbildung 19 dargestellt.

Die Bildung dieser Produkte wurde nun unter verschiedenen Bedingungen untersucht. Außer-

dem wurden weitere Produkte, die durch Bildung von N-N- und C-C-Bindungen entstanden sind,

identifiziert. Um mögliche sterische Effekte der Hydroaminierung zu untersuchen, wurden zu-

dem Experimente an Mischungen aus Ammoniak und Propen durchgeführt. Die Bildung sekun-

därer und tertiärer Amine wurde an Ethylamin und Diethylamin sowie deren jeweiligen

Mischungen mit Ethen untersucht.

6.1.1 Elektroneninduzierte Reaktionen in Gemischen von Ethen und Ammoniak

Zunächst wurde das Verhältnis der Produktion an Ethylamin im Verhältnis zu den bereits

bekannten Nebenprodukten untersucht. Bei einer Energie von 15 eV entsteht etwa die

vierfache Menge Ethan, verglichen mit Ethylamin[23]. Der Anteil an Stickstoff, der gebildet

wurde, ist nur ungenau abzuschätzen, da dieser zu einem großen Teil bereits während der

Bestrahlung desorbiert. Da das Substrat nur auf Temperaturen knapp unterhalb der

Desorptionstemperaturen von N2 gekühlt werden kann, können geringe Schwankungen der

Temperatur den Anteil des im Film zurückgehaltenen Stickstoffs zudem gravierend beeinflussen.

Darüber hinaus überlagert sich sein thermisches Desorptionssignal bei 40 K und 28 amu mit

dem des Kohlenmonoxids, dessen Produktion aufgrund der in der UHV-Kammer vorhandenen

Filamente unvermeidbar ist. Das Verhältnis der Produkte Ethylamin, Ethan und N2 wurde für

unterschiedliche Energien, Bestrahlungsdosen und Zusammensetzungen des Gemisches ana-

lysiert. Außerdem wurden weitere Bestrahlungsprodukte des Gemisches sowie der beiden

Reaktanden identifiziert.

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40

50 100 150 200 250 300

Io

n C

ou

nt

(arb

. u

nit

s)

T (K)

NH3

0 C/cm2

0 C/cm2

C2H

5NH

2

C2H

6

C2H

4

0 C/cm2

0 C/cm2

800 C/cm2

800 C/cm2

800 C/cm2

800 C/cm2

NH3:C

2H

4 (1:1)

E0 = 15 eV

17 amu

28 amu

30 amu

x 100

x 100

x 1000

x 1000

45 amu

Abb. 19: Thermische Desorptionsspektren von Mischungen aus Ammoniak und Ethen in einem Verhältnis von 1:1 unbestrahlt sowie nach einer Bestrahlung bei 15 eV und 800 µC/cm2. Im Vergleich zu früheren Arbeiten [25] ist die Desorption des Ethylamins über einen größeren Temperaturbereich zu beobachten, da zwischen den damaligen und jetzigen Experimenten das Substrat aufgrund von Verunreinigung erneuert wurde. Dies führte zu einem veränderten Adsorptionsverhalten des Ethylamins.

Die Anteile der drei bereits zuvor identifizierten Produkte wurden zunächst bei verschiedenen

Bestrahlungsdosen bestimmt. Um die relativen Anteile der gebildeten Produkte abschätzen zu

können, wurden die aus den TDS-Kurven der jeweiligen Massen ermittelten Peakflächen mit

einem partiellen Ionisationsquerschnitt gewichtet, der sich aus dem Anteil der entsprechenden

Massen an der Summe aller Massen im Datenbankspektrum[60] und dem totalen

Ionisationsquerschnitt für die jeweilige Substanz laut NIST-Datenbank[60] errechnet. In Desorp-

tionsversuchen mit Ethan und Ethylamin hatte sich gezeigt, dass das Verhältnis der unterschied-

lichen Massenpeaks der jeweiligen Substanzen, anders als in Kapitel 2.3 für 2-Methylpentan

beschrieben, mit denen im NIST-Spektrum übereinstimmt[24]. Da der Ionisationsquerschnitt

des Ethylamins nicht bekannt ist, wurde als Abschätzung der des ähnlich großen Propans

verwendet[23].

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41

E0 = 13eV

NH3:C

2H

4(1:1)

N2 (28amu)

C2H

6 (30amu)

C2H

5NH

2 (45amu)

E0 = 9eV

0 500 1000 1500

Rela

tive p

rod

uct

am

ou

nts

(arb

. u

nit

s)

Electron exposure (C/cm2)

Abb. 20: Die Bildung der drei Produkte Stickstoff, Ethan und Ethylamin aus Mischungen von Ammoniak und Ethen im Verhältnis 1:1 bei unterschiedlichen Bestrahlungsdosen bei 9 eV (minimale Energie zur Produktbildung) sowie bei 13 eV (maximale Ethylaminbildung).

Die Experimente bei 13 eV zeigen deutlich, dass die Menge des Ethans stärker mit der Dosis

zunimmt, als die der anderen Produkte (Abbildung 20). Bei 800 µC/cm2 tritt sowohl für Ethan,

als auch für Ethylamin eine Sättigung der Produktion ein. Die Energieabhängigkeit der Produkt-

bildung wurde daher bei dieser Bestrahlungsdosis gemessen.

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42

0 2 4 6 8 10 12 14 16 18 20

N2 (28amu)

C2H

6 (30amu)

C2H

5NH

2 (45amu)

800 C/cm2

NH3:C

2H

4(1:1)

Rela

tive p

rod

uct

am

ou

nts

(arb

. u

nit

s)

Electron energy(eV)

Abb. 21: Energieabhängigkeit der Produktion von Stickstoff, Ethan und Ethylamin bei Bestrahlung von Mischungen aus Ammoniak und Ethen im Verhältnis 1:1 mit einer Dosis von 800 µC/cm2.

Die Ergebnisse zeigen, dass die Produktion des Ethans im Verhältnis zu der des Ethylamins bei

steigenden Energien zunimmt (Abbildung 21). Soll ein möglichst hoher Anteil an Aminogruppen

im Verhältnis zur Reduktion der Doppelbindung erzielt werden, empfiehlt sich daher eine

Bestrahlung bei niedrigeren Energien. Beide Produkte werden anscheinend nach einem nicht-

resonanten Mechanismus bei Energien ab 8 eV gebildet. Diese Energie liegt unterhalb der aus

der Gasphase bekannten Ionisierungsenergien des Ammoniaks (10,4 eV[60]) und des Ethens

(10,5 eV[60]). Da Ionen in kondensierter Phase im Vergleich mit der Gasphase im Verhältnis zu

neutralen Molekülen energetisch stabilisiert sind, ist eine Ionisation bei niedrigeren Energien zu

erwarten. Geringe Mengen Ethan werden außerdem bereits bei einer Energie von 5 eV produ-

ziert. Bei dieser Energie ist aus Gasphasenexperimenten eine dissoziative Elektronenanlagerung

an Ammoniak bekannt[103]. Möglicherweise findet diese Reaktion auch in kondensierter Phase

statt und bewirkt die Reduktion des Ethens.

Das Verhältnis der gebildeten Produkte kann auch von dem Verhältnis der Edukte abhängen.

Um diesen Zusammenhang zu untersuchen, wurden Mischungen aus Ammoniak und Ethen mit

Anteilen von 30 %, 50 % und 70 % Ammoniak bei einer Energie von 15 eV mit einer Dosis von

800 µC/cm2 bestrahlt.

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43

30 40 50 60 70

N2 (28amu)

C2H

6 (30amu)

C2H

5NH

2 (45amu)

E0 = 15 eV

800 C/cm2

NH3:C

2H

4(x:y)

Rela

tive p

rod

uct

am

ou

nts

(arb

. u

nit

s)

% NH3

Abb. 22: Die Bildung von Stickstoff, Ethan und Ethylamin bei unterschiedlichen Anteilen der Edukte.

Während die absolute Menge des produzierten Ethylamins nur schwach von der Zusammen-

setzung der Eduktmischung abhängt, wird bei höherem Ammoniakanteil wesentlich mehr Stick-

stoff gebildet. Gleichzeitig führt ein höherer Anteil des Ethens zu mehr Ethan. Ist die Aminierung

einer ungesättigten Verbindung das Ziel der Bestrahlung, ist vor allem die Reduktion der

Doppelbindung ein Konkurrenzprozess. Ein höherer Ammoniakanteil ist daher für diesen Zweck

sinnvoll, da das Verhältnis der Menge des produzierten Ethylamins zum eingesetzten Ethen in

diesem Fall am höchsten ist (Abbildung 22).

Während der Mechanismus der Ethylaminbildung bereits früher untersucht wurde[24], wurden

nun weitere ESD und TDS-Experimente durchgeführt, um die Produktion von Stickstoff und

Ethen sowie von weiteren Produkten näher zu untersuchen. Für die Bildung von Stickstoff aus

Ammoniak muss eine N-N-Dreifachbindung geknüpft werden und sämtliche N-H-Bindungen

müssen gebrochen werden. Mögliche Zwischenprodukte dieser Reaktion sind Diimin und

Hydrazin. Während es, im Gegensatz zu Ergebnissen bei Bestrahlung mit Elektronen einer

Energie von 5 keV[107], keinen Hinweis auf eine Produktion von Diimin gab, konnte die

Produktion von Hydrazin durch die Bestrahlung von reinem Ammoniak beobachtet werden

(Abbildung 23). Hierbei ist anzumerken, dass eine analoge Bildung von N-N-Bindungen bei tiefen

Temperaturen auf einer einkristallinen Platinoberfläche nicht beobachtet wurde, da NH2 in

diesem Fall auf der Oberfläche chemisorbiert vorliegt[108].

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44

50 100 150 200 250 300 350

before exposure

NH3

200 µC/cm2

Ion

Co

un

t at

32 a

mu

(arb

. u

nit

s)

Temperature (K)

E0 = 15 eV

E0 = 25 eV

Abb. 23: Die Produktion von Hydrazin aus Ammoniak. Thermische Desorptionsspektren wurden nach Bestrahlung von Ammoniak mit einer Bestrahlungsdosis von 200 µC/cm2 aufgenommen.

Die Produktion von Ethan in Mischungen aus Ammoniak und Ethen kann auf die Reduktion der

Doppelbindung des Ethens durch den bei der elektroneninduzierten Zersetzung des Ammoniaks

freigesetzten Wasserstoff zurückgeführt werden. Bestrahlt man reines Ethen, werden allerdings

ebenfalls kleinere Mengen an Ethan gebildet (Abbildung 24).

50 100 150 200 250

0 C/cm2

Temperature (K)

C2H

4800 C/cm

2

0 C/cm2

Ion

co

un

t at

30 a

mu

(arb

. u

nit

s)

800 C/cm2

C2H

4:NH

3 (1:1)

E0= 15 eV

Abb. 24: Vergleich der Ethanproduktion nach Bestrahlung von Ethen, sowie seiner Mischung mit Ammoniak.

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45

Neben der Bildung von Ethan kann auch die Addition zweier C2-Fragmente zu C4-Kohlenwasser-

stoffen beobachtet werden (Abbildung 25). Es stellt sich die Frage, ob hierbei hinreichende

Mengen an Wasserstoff abgespalten werden, um die Bildung des Ethan zu erklären. Dazu muss

zwischen C4-Kohlenwasserstoffen mit unterschiedlichem Gehalt an Wasserstoff unterschieden

werden. In Tabelle 2 sind daher C4-Verbindungen und die aus Datenbankspektren bekannten

Intensitäten im Massenspektrum für ihre charakteristischen Massen zusammengefasst.

Tab. 2: C4-Kohlenwasserstoffe, die sich durch Bestrahlung von Mischungen aus Ammoniak und Ethen bilden könnten, und ihre charakteristischen Massen [60].

Relative Ionenintensitäten C4-Kohlenwasserstoffen m/z

Verbindung 58 56 54 53 43 42 41 39

C4H10

n-Butan 12 1 - 1 100 12 29 14

i-Butan 3 - - 1 100 32 38 17

C4H8

1-Buten 39 2 5 - 3 100 34

2-Buten(Z) - 57 4 8 - 3 100 31

2-Buten(E) - 48 4 8 - 3 100 36

i-Buten - 56 2 5 - 4 100 -

C4H6

Butadien 95 71 - - - 100

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46

50 100 150 200 250 300

0 C/cm2

Temperature (K)

200 C/cm256 amu

0 C/cm2

58 amu 200 C/cm2

200 C/cm2

0 C/cm2

54 amu

Ion

Co

un

t (a

rb. u

nit

s)

200 C/cm2

0 C/cm2

41 amu

C2H

4

E0 = 15 eV

50 100 150 200 250 300

Temperature (K)

C2H

4

E0 = 15 eV

800 C/cm2

39 amu

41 amu

43 amu

53 amu

54 amu

56 amuIo

n C

ou

nt

(arb

. u

nit

s)

Abb. 25: Bildung von Buten und Butadien bei Bestrahlung von reinem Ethen bei einer Energie von 15 eV und Bestrahlungsdosen von 200 µC/cm2(linke Abbildung) und 800 µC/cm2 (rechte Abbildung).

Nach der Bestrahlung von reinem Ethen kann die Bildung von C4-Kohlenwasserstoffen in

thermischen Desorptionsspektren beobachtet werden. Die Masse 41 amu ist charakteristisch

für einfach ungesättigte C4-Kohlenwasserstoffe, das von 54 amu für Butadien. Da für Bildung

des Isobuten eine Doppelbindung gelöst werden muss und zwei Methylgruppen an unterschied-

licher Position addiert werden müssen, ist dieses Produkt eher unwahrscheinlich. Um Butene

mit mittelständiger Doppelbindung zu bilden, müsste die Doppelbindung zwischen den vorher

vorhandenen C2-Fragmenten neu geknüpft werden. Die Bildung von 1-Buten ist daher

wahrscheinlicher. Diese könnte über einen der kationischen Polymerisation[109] entsprechen-

den Prozess erfolgen. Bei der Addition von zwei Ethenmolekülen zu Butadien entsteht zudem

Wasserstoff. Dieser kann in einer Folgereaktion weiteres Ethen reduzieren und Ethan

produzieren, welches in geringer Menge auch nach der Bestrahlung von reinem Ethen

beobachtet wurde. In ESD-Spektren wurde außerdem die Produktion von Ethin beobachtet. Dies

ist vermutlich ein weiterer Wasserstofflieferant für die Reduktion von Ethen.

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47

6.1.2 Elektroneninduzierte Reaktionen in Gemischen von Propen und Ammoniak

Bei der Addition von Ammoniak an Ethen kann nur ein einziges Produkt entstehen, da es keine

Isomere von Ethylamin gibt. Bei der Bestrahlung von Mischungen aus Ammoniak und Propen

kann die Addition der Aminogruppe dagegen sowohl an 1- als auch an 2-Position erfolgen. Diese

Experimente sollten daher zunächst überprüfen, ob eine der Produktion des Ethylamins

entsprechende Reaktion auch in diesem System zu beobachten ist und dann gegebenenfalls die

bevorzugte Position der Addition bestimmen.

60 90 120 150 180 210 240 270 300

*25

*25C

3H

6+NH

3

C3H

6

59 amu

Temperatur (K)

C3H

6+NH

3

C3H

6

30 amu

*15

*15 C3H

6+NH

3

C3H

6

58 amu

Io

nen

str

om

(arb

. u

nit

s)

*2

*2 C3H

6+NH

3

C3H

6

44 amu

C3H

6+NH

3

C3H

6

43 amu

Abb. 26: Die Produktion der beiden Amine 1-Aminopropan (30 amu und 59 amu) und 2-Aminopropan (44 amu und 58 amu).

Die Produktion beider Amine konnte beobachtet werden. Zum Nachweis der Produktion von 1-

Aminobutan wurden die Massen 59 amu und 30 amu aufgenommen, 2-Aminopropan wurde

über die TDS-Kurven bei 44 amu und 58 amu nachgewiesen (Abbildung 26). Diese charak-

teristischen Massen sind zusammen mit denen anderer potentieller Produkte in Tabelle 3

zusammengestellt.

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48

Ebenso, wie bei den Mischungen aus Ammoniak und Ethen, konnten weitere Bestrahlungs-

produkte detektiert werden. Die Reduktion von Propen zu Propan konnte durch Aufnahme der

Massen 43 amu und 44 amu (Abbildung 26) gezeigt werden. Die Verknüpfung zweier Propen-

moleküle führte zu einem weiteren Kohlenwasserstoffpeak, der bei etwa 130 K desorbiert und

daher auf einen C6-Kohlenwasserstoff (siehe Kapitel 4.3) hindeutet (Abbildung 27). In Tabelle 3

werden daher neben den charakteristischen Masse-/Ladungsverhältnissen der Amine auch die

von einigen C6-Kohlenwasserstoffen gezeigt. Diese werden vermutlich entsprechend der

Reaktion zu C4-Kohlenwasserstoffe bei Bestrahlung von Ethen, beziehungsweise seiner Ge-

mische mit Ammoniak gebildet. Die C6-Kohlenwasserstoffe können, abhängig davon, ob jeweils

die Positionen C1 oder C2 des Propens miteinander verknüpft wurden, eine gradkettige oder

verzweigte Struktur haben. Ebenso wie die Addition des Ammoniaks an beiden möglichen

Positionen des Propens beobachtet wurde, ist dies auch bei der Bildung der C6-Kohlen-

wasserstoffe möglich. Im Falle der gesättigten C6-Kohlenwasserstoffe können so beispielsweise

n-Hexan, durch eine C1-C1-Verknüpfung, 2-Methylpentan durch eine C1-C2-Verknüpfung sowie

2,4-Dimethylbutan durch eine C2-C2-Verknüpfung produziert werden.

50 100 150 200 250 300

Temperatur (K)

69 amu

58 amu

x2

x2

x2

x2

x2

Ion

en

str

om

(arb

. u

nit

s)

56 amu

55 amu

E0 = 15 eV

800 C/cm2

44 amu

43 amu

C3H

6:NH

3 (1:1)

42 amu

41 amu

Abb. 27: Zweiter Kohlenwasserstoffpeak nach Bestrahlung von Mischungen aus Ammoniak und Propen.

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49

Tab. 3: Mögliche Produkte der Bestrahlung von Mischungen aus Ammoniak und Propen ihre charakteristischen Massen[61].

Relative Ionenintensitäten m/z

Verbindung 69 59 58 56 55 44 43 42 41 30

Propen - - - - - - 2 70 100 -

Propan - - - - - 27 23 6 13 2

1-Aminopropan - 9 2 1 - 1 2 3 5 100

2-Aminopropan - 3 8 1 - 100 7 17 11 2

C6H14

n-Hexan - - 4 45 7 3 81 41 70 1

2-Methylpentan - - - 4 5 3 100 54 29 -

2,4Dimethylbutan 1 - - 2 12 4 100 83 45 -

Hexenisomere

1-n-Hexen 24 - - 100 64 2 59 72 95 -

2-n-Hexen(Z) 27 - - 25 100 - 14 57 50 1

2-n-Hexen(E) 20 - - 23 100 - 12 45 37 -

3-n-Hexen(Z) 30 - - 27 100 1 14 61 66 1

3-n-Hexen(E) 40 - - 28 100 1 17 69 81 1

2-Methyl-pent-1-en 40 - - 100 47 4 10 32 89 1

4-Methyl-pent-2-en 17 - - 50 9 3 100 31 68 -

4-Methyl-pent-2-en(Z) 89 - - 7 10 - 6 8 100 -

4-Methyl-pent-2-en(E) 91 - - 7 11 - 7 9 100 -

2,3-Dimethyl-but-2-en 90 - - 7 8 - 7 9 100 -

C6H10

1,5-Hexadien - - - 1 6 - 1 6 100 -

1,4-Hexadien - - - 2 12 - 1 6 51 -

2,4-Hexadien(Z,Z) - - - - 6 - - 5 32 -

2,4-Hexadien(E,Z) - - - 1 7 - 1 6 35 -

2,4-Hexadien(E,E) - - - 1 6 - 1 6 36 -

4-Methyl-pent-1,3-dien - - - 2 5 - 3 8 42 -

2,3-Dimethyl-but-1,3-en 1 - - 2 6 - 5 11 58 -

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50

Während das Verhältnis der Intensitäten für die Massen 41-43 amu auf das n-Hexan oder das 4-

Methylpent-2-en hindeuten, wobei das Signal für 41 amu etwas größer ist, als es für diese

Verbindung im NIST-Spektrum angegeben ist[60]. Innerhalb dieses engen Bereichs der Masse-

Ladungsverhältnisse sind auch keinen größeren Abweichungen zwischen den von unserem

Massenspektrometer erhaltenen Spektren mit den Literaturspektren zu erwarten. Ein Signal bei

69 amu ist charakteristisch für einfach ungesättigte Kohlenwasserstoffe, bei denen in vielen

Fällen, aber nicht beim 4-Methylpent-2-en, das Signal bei 41 amu dominant ist. Insgesamt ist zu

schließen, dass sich bei der Bestrahlung von Mischungen aus Ammoniak und Propen wahr-

scheinlich mehrere verschiedene C6-Kohlenwasserstoffe gebildet haben.

6.1.3 Elektroneninduzierte Reaktionen in Gemischen von Ethen und Aminen

Die Bildung von primären Aminen konnte sowohl am primären, als auch am sekundären

Kohlenstoff des Propens gezeigt werden. Die Addition weiterer Kohlenwasserstoffeinheiten an

den Stickstoff eines Amins könnte zu sekundären oder tertiären Aminen führen. Um dies zu

überprüfen, wurden Bestrahlungsexperimente an Ethylamin und Diethylamin sowie ihren

Mischungen mit Ethen durchgeführt. Die Experimente an aufkondensiertem Diethylamin

zeigten eine starke Abhängigkeit der Desorptionstemperaturen von der Menge auf dem

Substrat. Da dies auch für das Ethylamin gilt, desorbiert entstandenes Produkt bei thermischer

Desorption nicht aus der Monolage sondern aus einer Ethylaminmatrix. Dies führt zu einem

anderen Desorptionsverhalten kleinerer Mengen an unter Bestrahlung gebildetem Diethylamins

im Verhältnis zu dem aufgedampften Produkt im Submonolagenbereich. Es stellte sich

außerdem heraus, dass die Verhältnisse der dominanten Massen 58 amu und 73 amu bei

Diethylamin, anders als in Kapitel 4 beschrieben, gut mit denen aus dem Literaturspektrum

[60]übereinstimmen.

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51

50 100 150 200 250 300 350

Temperature (K)

x100.02 mTorr

0.05 mTorr

73 amu

x4

(a) Diethylamine

58 amu

58 amu

0.21 mTorr

58 amu

Ion

co

un

t (a

rb. u

nit

s)

50 100 150 200 250 300 350

73 amu

58 amu

73 amu

58 amu

Temperature (K)

E0 = 15 eV

800 C/cm2

Ethylamine

E0 = 15 eV

800 C/cm2

C2H

4:Ethylamine (1:1)

(c)

Ion

co

un

t (a

rb. u

nit

s)

(b)

Abb. 28: links: Thermische Desorptionsspektren von aufkondensiertem Diethylamin (DEA). Die Kurve von 0,02 mTorr DEA zeigt deutlich die starke Verschiebung zu höheren Desorptionstemperaturen bei geringen Mengen. rechts: Produkte der Elektronenbestrahlung von reinem Diethylamin und seiner Mischung mit Ammoniak.

Sowohl nach der Bestrahlung von Ethylamin, als auch bei seinen Mischungen mit Ethen, ließ sich

die Bildung eines Produktes beobachten, bei dem das Verhältnis der Intensitäten bei 58 amu

und 73 amu mit dem des aufkondensierten Diethylamins übereinstimmt (Abbildung 28). Das

Signalverhältnis passt zudem nicht zu weiteren, aus rein stöchiometrischen Überlegungen

heraus möglichen Produkten wie beispielsweise Butylamin oder 1,2-Diethylhydrazin (Tabelle 4).

Tab. 4: Verhältnisse der Signale von 58 amu und 73 amu für verschiedene mögliche Bestrahlungsprodukte der Mischungen aus Ethylamin und Ethen[61].

Substanz 58 73 58/73 Butylamin - 7 -

Methylpropylamin 12 0,8 15

Diethylamin 100 22 4,5

1,4-Diaminbutan 1 0,4 2,5

N-Ethyl 1,2 Ethyldiamin 100 0,3 333

1,2-Diethylhydrazin 4 52 0,08

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52

Diethylamin wurde sowohl aus reinem Ethylamin als auch aus seiner Mischung mit Ethen in

vergleichbarer Menge gebildet. Die Bildung von Diethylamin aus reinem Ethylamin weist darauf

hin, dass C2-Fragmente entstehen. Die Desorption von Methyl- und Ethylfragmenten aus

Diethylamin wurde bereits bei Experimenten mit hochenergetischer Strahlung beobachtet[110].

Hier wurde entsprechend die Bildung von Methan, Ethan und Stickstoff anhand von ther-

mischen Desorptionsspektren des Diethylamins belegt (Abbildung 29).

40 60 80 100 120 140 160 180

Temperature (K)

16 amu

CH4

800 C/cm2

Ion

co

un

t (a

rb. u

nit

s)

C2H

4

+C2H

6N2

0 C/cm2

0 C/cm2

0 C/cm2

800 C/cm2

E0 = 15 eV

Diethylamine

800 C/cm2

28 amu

C2H

6

30 amu

50 100 150 200 250 300 350

Temperature(K)

101 amu

86 amu

E0 = 15 eV

800 C/cm2

Diethylamine

101 amu

E0 = 15 eV

800 C/cm2

C2H

4:Diethylamine (1:1)

86 amu

Abb. 29: Bestrahlungsexperimente des Diethylamins (links, rechts unten) sowie seiner Mischungen mit Ethen (rechts unten).

Die mögliche Produktion von Triethylamin durch Bestrahlung von Diethylamin und seinen

Mischungen mit Ethen wurde ebenfalls untersucht. Bei der Aufnahme der Masse 86 amu

wurden sowohl nach Bestrahlung der Mischung als auch des reinem Diethylamins zwei Signale

beobachtet, deren Verhältnis zueinander sich unterscheidet. Nach Bestrahlung der Mischung

war der Peak bei geringerer Desorptionstemperaturen (150 K) intensiver, bei der Bestrahlung

des reinen Diethylamins war dies umgekehrt (Abbildung 29). Bei dem bei 150 K detektiertem

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53

Peak konnte auch ein Signal bei 101 amu beobachtet werden, welches vermutlich die Bildung

von Triethylamin anzeigt (Abbildung 30).

Sowohl für Diethylamin, das bei der Bestrahlung von Mischungen aus Ethylamin und Ethen

entstanden ist, sowie für den Peak bei 150 K, der bei Bestrahlung von Diethylamin und Ethen

entsteht, wurde die Energieabhängigkeit der Produktbildung bestimmt. Auch in diesem Fall wird

ein nicht-resonanter Reaktionsmechanismus beobachtet, der bei der Bildung des Diethylamins

bereits bei 7 eV (IE Ethylamin 9 eV[60]) einsetzt und bei dem Bestrahlungsprodukt von

Mischungen aus Ethen und Diethylamin bei etwa 10 eV (IE Diethylamin 8 eV[60]).

0 2 4 6 8 10 12 14 16 18

200 µC/cm2

C2H

5NH

2:C

2H

4(1:1)

peak a

rea (

arb

.un

its)

Energy (eV)

0 2 4 6 8 10 12 14 16 18 20

200 µC/cm2

(C2H

5)

2NH:C

2H

4(1:1)

peak a

re (

arb

. u

nit

s)

Electron energy (eV)

Abb. 30: Energieabhängigkeit der Produktbildung durch Elektronenbestrahlung von Aminen mit Ethen.

In allen untersuchten Systemen ließ sich eine Addition von Aminen oder Ammoniak an die Dop-

pelbindungen beobachten. Auch die bereits bei Mischungen von Ammoniak und Ethen gezeigte

Reduktion der Doppelbindung durch freiwerdenden Wasserstoff ließ sich beobachten. Es zeigt

sich jedoch auch, dass mit zunehmender Komplexität der untersuchten Systeme in vielen Fällen

ein Gemisch unterschiedlicher Substanzen gebildet wird, wie am Beispiel der C6-Kohlenwasser-

stoffe gezeigt werden konnte. Zudem gerät die thermische Desorptionsspektrometrie als

alleinige Analysemethode bei Gemischen, deren Komponenten sich sowohl in ihrer Desorptions-

temperaturen, als auch in ihren charakteristischen Massen ähneln, an ihre Grenzen.

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6.2 Die Bildung von Formamid aus CO und NH3

Ersetzt man bei der in Kapitel 6.1 beschriebenen elektroneninduzierten Hydroaminierung das

Ethen durch Kohlenmonoxid, müsste dies analog zur Bildung von Formamid führen. Formamid

ist das kleinste Molekül, das eine Peptidbindung enthält und ist daher als prebiotisches Molekül

von großem Interesse. Reaktionen des Formamids könnten zum Aufbau biologischer Moleküle

beigetragen haben und somit zur Entstehung des Lebens.

Das Weltall wird als ein möglicher Entstehungsort für biologisch relevante Moleküle diskutiert.

Im Verlauf der Entstehung neuer Sterne bilden sich Wolken aus Staubpartikeln, an denen je

nach Temperatur und Umgebung Moleküle kondensieren können[111]. In Regionen, in denen

der Wasserstoff atomar vorliegt, bilden sich polare Schichten, die überwiegend aus Wasser

bestehen. Überwiegt der molekulare Wasserstoff, kondensieren vermehrt unpolare Moleküle,

wie N2 oder CO[112]. Im Verlauf der Sternentstehung bilden sich zunächst diffuse Wolken. In

diesem Stadium liegt der Wasserstoff atomar vor und es bilden sich polare Eisschichten auf

Partikeln. Verdichtet sich die Wolke, nimmt der Anteil an molekularen Wasserstoff zu.

Außerdem dringt weniger Licht in dieses Gebiet, was eine Abkühlung bewirkt und

Kohlenmonoxid auf den Partikeln adsorbiert[15]. Durch Wechselwirkung mit kosmischer

Strahlung über einen langen Zeitraum kann es zum Aufbau größerer Moleküle kommen[113]. In

vielen Fällen ist die Temperatur auf den Partikeln jedoch so niedrig, dass die entstandenen

reaktiven Teilchen nicht zueinander diffundieren können. Verdichten sich die Wolken weiter, so

kollabieren sie, da die Gravitationsanziehung die kinetische Energie der Partikel über-

steigt[114,115]. Die Temperatur steigt an, so dass Kohlenmonoxid desorbiert und durch die

höhere Beweglichkeit der Teilchen im Eis können Reaktionen ausgelöst werden[116]. Steigt die

Temperatur weiter, können die kondensierten Moleküle in den Weltraum desorbieren[117].

Auch ohne Anstieg der äußeren Temperatur kann es allerdings zur Desorption kommen. Wenn

durch weitere Strahlung entstandene Radikale miteinander reagieren können, ist diese Reaktion

exotherm. Durch das Aufheizen des Partikels kann es explosionsartig zu weiteren Reaktionen

kommen und durch weitere Erwärmung zur vollständigen Entfernung des Eises[118].

Abbildung 31 zeigt schematisch diese Bildung und Veränderungen von Eisschichten auf

inter-/circumstellaren Staubpartikeln.

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Abb. 31: Beispiel für die Bildung von Eis und Reaktionen auf inter-/circumstellaren Staubpartikeln: Zunächst bildet sich auf einem Silikatteilchen (a) durch Kondensation von Kohlendioxid und Wasser eine polare Eisschicht (b). Bei niedrigen Temperaturen (unterhalb 20 K) können zusätzlich Kohlenmonoxid sowie geringe Mengen weiterer Substanzen kondensieren. Unter dem Einfluss kosmischer Strahlung bilden sich reaktive Teilchen (c), die bei Erwärmen weiter reagieren und schließlich desorbieren (d).

Formamid wurde erstmalig 1971[119] im Weltall in der Region Saggitarius B2 nachgewiesen, wo

bereits einige größere Moleküle entdeckt wurden[120,121]. Außerdem wurde es an inter-

stellaren Eispartikeln[122], sowie im Umfeld des Kometen Hale Bopp[13,123] gefunden. Unter

Laborbedingungen führt das Erhitzen von Formamid an den kosmischen Staubpartikeln

nachempfundenen Materialien zu dessen Kondensation. Dabei werden diverse Purine und Pyri-

midine gebildet[124,125].

Ammoniak und Kohlenmonoxid zählen zu den häufigsten Molekülen im Weltraum, daher

können sie als Edukte der Formamidbildung angenommen werden. Kohlenmonoxid konnte so-

wohl spektroskopisch in der Gasphase, als auch kondensiert an interstellaren Staubpartikeln

nachgewiesen werden. Da Kohlenmonoxid praktisch überall im interstellaren Raum vorkommt

und nur bei sehr tiefen Temperaturen kondensiert, kann der Anteil des kondensierten

Kohlenmonoxids im Vergleich zum gasförmigen zur Abschätzung der Temperatur verwendet

werden[126]. Der schwingungsspektroskopische Nachweis in der Gasphase ist für Ammoniak

jedoch schwierig, da die Signale der NH3-Schwingungen mit denen des im Weltraum verbrei-

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56

teten Wassers und der Si-O Streckschwingung der Silikate überlagert sind[127]. Ammoniak

konnte jedoch an interstellaren Staubpartikeln sowie in Kometen[128] nachgewiesen werden.

Um die kosmische Strahlung unter Laborbedingungen zu simulieren, wurden Bestrahlungen

beispielsweise mit hochenergetischen Elektronen[129], Protonen[130] oder UV-Strahlung[116]

durchgeführt. Oftmals wurde bei diesen Experimenten mit komplexeren Mischungen

gearbeitet, um die Verhältnisse auf interstellaren Staubpartikeln besser simulieren zu können.

Bei diesen Methoden werden dann die Substanzen, die in hoher Konzentration an unterschied-

lichen Orten auf intergalaktischen Staubpartikeln nachgewiesen wurden, in einem als realis-

tisch angenommenen Verhältnis eingesetzt. Die in dieser Arbeit beschriebenen Experimente

wurden im Gegensatz dazu an Mischungen durchgeführt, die ausschließlich Kohlenmonoxid und

Ammoniak zu gleichen Anteilen enthalten. Diese wurden mit Elektronen, die Energien unterhalb

20 eV hatten, bestrahlt. Im Gegensatz zu Experimenten mit hochenergetischer Strahlung

können unter diesen Bedingungen Hinweise auf die Mechanismen gewonnen werden, die zur

Produktion von Formamid führen. Eine Möglichkeit dafür wäre die Addition über einen

ionisationsgetriebenen Prozess, vergleichbar mit dem bei der Hydroaminierung (Kapitel 6.1)

angenommenen. Im Gegensatz zu dem im vorherigen Kapitel vorgestellten Mechanismus

müsste bei einer Additionsreaktion des Ammoniaks an Kohlenmonoxid der Wasserstoff

allerdings an dasselbe Kohlenstoffatom, wie die Aminogruppe addiert werden.

Tatsächlich konnte beider in den NIST-Spektren von Formamid dominanten Masse 45 amu und

bei einer Temperatur von 240-260 K die Desorption eines Produkts beobachtet werden,

während gleichzeitig eine deutliche Abnahme des Eduktsignals auftrat (Abbildung 32).

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30 60 90 120 150 180 210 240 270 300 330

200 µC/cm2

x5

Temperature (K)

m/z=17

0 µC/cm2

200 µC/cm2

m/z=28

0 µC/cm2

Ion

Co

un

t (a

rb. u

nit

s)

E0= 9eV

25 ML CO:NH3=1:1

200 µC/cm2

m/z=45

x1500

0 µC/cm2

Abb. 32: Thermische Desorptionsspektrometrie von bestrahlten Mischungen aus Ammoniak und Kohlenmonoxid. Nach Bestrahlung bei einer Energie von 9 eV und mit einer Dosis von 200 µC/cm2 konnte ein in unbestrahlten Mischungen nicht beobachtetes Signal bei 45 amu detektiert werden.

Weitere charakteristische Massen im Massenspektrum des Formamids sind 29 amu und 17 amu

mit Intensitäten zwischen 30 % und 40 %, die aber jeweils zu stark durch den Restdruck der

Edukte in der Kammer überlagert sind, und 44 amu mit etwa 25 %. Ein Desorptionssignal bei

etwa 260 K war bei dieser Masse aufgrund der geringen Intensität leider in den TDS-Messungen

nicht klar nachzuweisen. Allerdings deutet das Signal bei 45 amu klar auf die Stöchiometrie des

Formamids hin. Weitere mögliche Konstitutionsisomere wären das Nitrosomethan (H3CNO)

sowie das Formaldehydoxim (H2C=NOH). Das Signal von Masse 30 amu, welches das intensivste

Signal des Datenbankspektrum des Nitrosomethans[60] ist, wird stark überlagert durch das

Signal von Kohlenmonoxid mit dem Sauerstoffisotop 18O, welches 0,2 % des gesamten

Sauerstoffs ausmacht. Generell gilt aber, dass für Reaktionen, die ausgehend von Ammoniak

und Kohlenmonoxid zu diesen Verbindungen führen könnten, mehrere Bindungsbrüche und

-neuformierungen nötig wären. Da bei niedriger Energie gearbeitet wurde, kann davon aus-

gegangen werden, dass es zu keiner starken Fragmentierung der Edukte kommt, und es sich bei

dem beobachteten Produkt daher tatsächlich um Formamid handelt.

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Bei vorherigen Desorptionsexperimenten mit aufkondensiertem Formamid wurden mit

205-235 K etwas geringere Desorptiontemperaturen beobachtet (Abbildung 33). Bei der

beobachteten Verschiebung der Desorptionstemperaturen handelt es sich jedoch um eine

normale Veränderung beim Übergang von der Multilagen- zur Monolagendesorption.

160 180 200 220 240 260 280 300 320 340

233 K

212 K

208 K

0,03 mTorr

0,15 mTorr

0,27 mTorr

HCONH2

Temperature (K)

Abb. 33: Thermische Desorptionsspektrometrie an aufkondensiertem Formamid. Die Desorptionstemperaturenen liegen in einem Bereich zwischen 205 und 233K.

Für die beschriebenen Bestrahlungsexperimente wurden jeweils 25 Monolagen einer Mischung

mit gleichen Anteilen an Ammoniak und Kohlenmonoxid bei 35 K aufkondensiert (siehe Kapitel

TDS). Die Bestrahlungen wurden bei unterschiedlichen Dosen und Energien durchgeführt

(Abbildung 34).

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0 100 200 300 400 500 600 700

Electron energy 9 eV

25 ML CO:NH3=1:1

peak a

rea 4

5 a

mu

(arb

. u

nit

s)

Exposure (µC/cm2)

0 2 4 6 8 10 12 14 16 18 20

Exposure 200 µC/cm2

25 ML CO:NH3=1:1

peak a

rea 4

5 a

mu

(arb

. u

nit

s)

Energy (eV)

Abb. 34: Bildung von Formamid bei unterschiedlichen Bestrahlungsdosen (a) und Energien (b). Bei einer Bestrahlungsdosis von 200 µC/cm

2 konnte das Erreichen eines Plateaus in der Produktbildung beobachtet werden.

Diese Dosis wurde zur Bestimmung der Energieabhängigkeit verwendet.

Unterhalb von 6 eV konnte keine Bildung des Produktes beobachtet werden. Im Unterschied zu

der Additionsreaktion des Ammoniaks mit Olefinen wird hier allerdings ein resonanter Prozess

bei 8-10 eV beobachtet. Bei Energien um 12 eV wurden geringere Mengen Produkt beobachtet,

während bei noch höheren Energien die Produktmenge wieder ansteigt. Der Anstieg der

Formamidproduktion bei höheren Energien wird vermutlich durch eine ionisations-gesteuerte

Reaktion, vergleichbar mit der zwischen Ammoniak und Olefinen, ausgelöst. Da die

Ionisationsschwelle des Kohlenmonoxids mit 14 eV erheblich höher ist als die des Ammoniak

(10,4 eV)[60] und der nicht-resonante Prozess vermutlich schon bei Energien auftritt, die unter-

halb denen des resonanten Peaks liegen, kann davon ausgegangen werden, dass die Reaktion

durch die Ionisation des Ammoniaks initiiert wird. Das Kohlenmonoxid hat ein Dipolmoment von

0,122 D [131] mit dem negativen Pol am Kohlenstoff. Eine Addition des Ammoniaks an dieser

Stelle ist daher zu vermuten (Abbildung 35).

C O+NH3e-

-2e-C O+NH3

+O

NH2

e- O

NH2

+

Abb. 35: Angenommener Reaktionsmechanismus für die Ionisationsgetriebene Additionsreaktion zwischen Ammoniak und Formamid.

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Bei der bei 8-10 eV beobachteten Produktion von Formamid wird vermutlich in einem ersten

Reaktionsschritt ein Elektron an Ammoniak angelagert, so dass ein temporäres Anion entsteht.

Dieser DEA-Prozess wurde bereits in kondensierter Phase beobachtet[104]. Dieses kann nun

entweder zu H- und oder zu

und zerfallen. Im folgenden Reaktionsschritt addiert

das entstandene Radikal an die Bindung. Aus der organischen Chemie ist bekannt, dass

Kohlenmonoxid sehr effektiv mit Kohlenstoffradikalen unter Bildung einer C-C-Bindung

reagiert[132,133]. Ein ähnlich verlaufender Prozess ist daher auch mit den durch dissoziative

Elektronenanlagerung entstandenen Radikalen zu erwarten (Abbildung 36). Ein DEA-Prozess bei

etwa 10 eV wurde ebenfalls für das Kohlenmonoxid beobachtet[133,134], dieser führt allerdings

zu einer Bildung von O- und eine Folgereaktion zu Formamid ist daher nicht anzunehmen.

Abb. 36: Möglicher Reaktionsmechanismus für die Bildung von Formamid nach dissoziativer Elektronenanlagerung an Ammoniak.

C O+NH3

C O+NH2 CO

NH2

e-

-H-

C O+NH2

NH2-

H-

e-

-e-

-e-

-H

O

NH2

CO

H

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7 Schlussfolgerungen und Ausblick

Erkenntnisse aus Reaktionen mit Elektronen können genutzt werden um ein besseres

Verständnis für aus der präparativen Chemie bekannte Phänomene zu erlangen. Insbesondere

Prozesse der dissoziativen Elektronenanlagerung können in vielen Fällen Hinweise auf die Lage

von Molekülorbitalen geben[135]. Gleichfalls können allerdings auch Erkenntnisse über aus der

organischen Chemie bekannte Reaktionen hilfreich sein, ein besseres Verständnis über

elektroneninduzierte Reaktionen zu entwickeln. Kommt es in Folge einer Wechselwirkung eines

Elektrons mit einem Molekül zu dessen Dissoziation, so entstehen meist reaktive Teilchen, die in

kondensierter Phase auf vielfältige Weise weiter reagieren können. Im Falle der DEA entstehen

neben Anionen auch Radikale, welche unter anderem miteinander rekombinieren können. Dies

führt in vielen Fällen zu einem Gemisch unterschiedlicher Produkte. Auch bei Acetonitril führte

die Rekombination von Radikalen zu unterschiedlichen Produkten[81]. Bei dieser Reaktion

entstehen meist stabile Verbindungen, die im Anschluss an die Bestrahlung mittels TDS analy-

siert werden können. Auf diese Weise konnte ein Prozess der dissoziativen Elektronenanlage-

rung bei niedrigen Energien nachgewiesen werden, der während der Bestrahlung nicht

beobachtet werden konnte. Bei der elektroneninduzierten Ionisation entstehen Radikalkatio-

nen. Diese sind ebenfalls aus der organischen Chemie als reaktive Verbindungen bekannt[100].

Durch die Addition an in der Umgebung befindliche Moleküle kann dies zum Aufbau größerer

Verbindungen führen. Eine vergleichbare Reaktion konnte zwischen Ammoniak und Ethen

beobachtet werden. Es stellte sich in weiteren Experimenten heraus, dass sich diese Reaktion

auch auf die Bildung größerer Amine, wie Diethylamin und Triethylamin übertragen ließ.

Abb. 37: Ioneninduzierte Bildung von Ethylamin nach Ionisation von Ammoniak oder Ethen und anschließender nucleophiler Addition.

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Es wurden bei der Bestrahlung von Ammoniak und Ethen auch zahlreiche Nebenreaktionen

beobachtet. Die Kombination zweier Alkene konnte sowohl bei Ethen, als auch bei Propen beob-

achtet werden. Bei der Bestrahlung von Ethen entstand dabei überwiegend 1-Buten. Dies läuft

vermutlich nach einem ähnlichen Mechanismus ab, wie die Reaktion, die beispielsweise für die

Produktion von Polyisobutan eingesetzt wird[109]. Im Gegensatz zu diesem Verfahren, bei dem

das Proton zunächst addiert und anschließend wieder abstrahiert wird, verläuft der Mechanis-

mus bei der elektroneninduzierten Reaktion vermutlich vergleichbar mit dem der Hydroami-

nierung über eine intramolekulare Wanderung eines Wasserstoffatoms (Abbildung 38):

Abb. 38: Die säurekatalysierte (oben)und elektroneninduzierte (unten) Bildung von 1-Buten aus Ethen.

Die Bildung von Formamid durch eine Addition von Ammoniak an Kohlenmonoxid erfolgte

ebenfalls über einen ionisationsgetriebenen Mechanismus, vergleichbar dem für die Bildung des

Ethylamins. Es konnte allerdings auch bei niedrigeren Energien eine Produktion des Formamids

beobachtet werden. Da Kohlenmonoxid sehr effektiv mit Kohlenstoffradikalen[132] reagiert, ist

zu vermuten, dass eine vergleichbare Reaktion auch mit Radikalen möglich ist, die bei einer DEA

an Ammoniak entstehen.

Die Bildung von Radikalen und Radikalkationen kann also durch ihre Neigung zur Addition zum

Aufbau größerer Strukturen führen. Dies kann zur Veränderung von Oberflächen genutzt

werden. Die Aminofunktionalisierung eines Self-assembling monolayers wurde bereits in

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63

früheren Experimenten gezeigt[136]. Diese ist erwünscht, da Aminofunktionen Antikörper und

andere biologische Moleküle binden können[137]. Das Konzept der nucleophilen Addition lässt

sich vermutlich auch auf diverse weitere Oberflächenfunktionalisierungen übertragen. Durch

lithografische Verfahren könnten so auch nur bestimmte Areale der Oberfläche durch Bestrah-

lung funktionalisiert werden, so dass beispielsweise unterschiedliche Biomarker auf einer

Testoberfläche untergebracht werden könnten. Funktionalisierungen von Nanopartikeln werden

ebenfalls durchgeführt um beispielsweise in Zellkulturen auf Krebszellen zu testen[138,139].

Auch bei solchen Verfahren könnten Bestrahlungen genutzt werden, um Belegung mit funk-

tionellen Gruppen zu verändern. Die in dieser Arbeit beschriebenen Reaktionen und Mechanis-

men können als Grundlage für die Entwicklung verschiedener Verfahren der Oberflächen-

modifizierung dienen.

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9 Änderungen

Vor der Veröffentlichung wurden Änderungen vorgenommen. Dabei handelte es sich um

sprachliche Korrekturen, Ergänzungen der Literaturstellen, sowie der Vervollständigung von

Bildunterschriften und Formeldefinitionen. Es wurde eine neue Kurzzusammenfassung der

Dissertation erstellt.

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10 Anhang: eigene Artikel

Aus Gründen des Urheberrechts wird auf ein Abdrucken der Originalarbeiten in der

Onlineversion verzichtet. Stattdessen wird der entsprechende Link zur online verfügbaren

Version (Verlagsseite) des jeweiligen Artikels angegeben.