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8/13/2019 Kopfmenschen - aus Jung's Biografie.pdf
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Alles, was mich am Anderen irritiert, kann mir so zur Erkenntnis
meiner selbst werden.....Meine nchste Reise fhrte mich zu den
Indianern Neu-Mexikos......zu Huptling Ochwi Biano (Gebirgs-
See).
>Siehe, sagte Ochwi Biano, wie grausam die Weien aussehen.
Ihre Lippen sind dnn, ihre Nasen spitz, ihre Gesichter sind von
Falten gefurcht und verzerrt, ihre Augen haben einen starren Blick,
sie suchen immer was. Was suchen sie? Die Weien wollen immer
etwas, sie sind immer unruhig und rastlos. Wir wissen nicht, was sie
wollen. Wir verstehen sie nicht. Wir glauben, dass sie verrckt sind.
Ich fragte ihn, warum er denn meine, die Weien seine alle
verrckt.Er entgegnete: Sie sagen, dass sie mit dem Kopf denken.
Aber natrlich. Wo denkst du denn? fragte ich erstaunt.
Wir denken hier, sagte er und deutete auf sein Herz. Ich versank
in langes Nachsinnen. Zum ersten Mal in meinem Leben, so schien es
mir, hatte mir jemand ein Bild des wirklichen weien Menschen
gezeichnet. Es war mir, als htte ich bis jetzt nur sentimentalistisch-
beschnigende farbige Drucke gesehen. Dieser Indianer hatte unseren
verwundbaren Fleck getroffen und etwas berhrt, wofr wir blindsind. Ich fhlte, wie etwas Unbekanntes und doch innigst Vertrautes in
mir aufstieg wie ein formloser Nebel. Und aus diesem Nebel lste sich
nun Bild um Bild, zuerst rmische Legionre, wie sie in die Stdte
Galliens einbrachen, Julius Ceasars scharf geschnittene Zge, Scipio
Africanus, Pompejus. Ich sah den rmischen Adler an der Nordsee
und am Gestade des Weien Nils. Dann sah ich Augustinus, wie er
das christliche Credo den Briten auf rmischen Lanzenspitzen
berreicht, und Karls des Groen rhmlichst bekannteHeidenbekehrungen, dann die plndernden und mordenden Scharen
der Kreuzfahrerheere, und mit einem heimlichen Stich wurde mir die
Hohlheit der traditionellen Kreuzzugsromantik klar........
Damit hatte ich genug.