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Kotler und Ritzer Als das Buch „The Third Wave“ von Alvin Toffler 1980 erschien, wurde speziell der Figur des Prosumenten von fachwissenschaftlicher Seite kaum Aufmerksam- keit entgegenbracht, wenn überhaupt. Toffler hatte sich bis dahin einen Namen als Futurist und Trendforscher gemacht. Dementsprechend reserviert reagierte das „scientific establishment“ auf dieses Buch. Über die Jahre änderte sich diese Hal- tung jedoch, bis dann auch Einzelwissenschaften „The Third Wave“ offiziell zur Kenntnis nahmen und dazu Stellung bezogen. So wurde 1986 in den Advances of Consumer Research, in denen die Beiträge der jährlich stattfindenden Konferenz der Association of Consumer Research, der wichtigsten Veranstaltung für akademische Verbraucherforscher in Nordamerika seit 1974, dokumentiert werden, ein Vortrag von Philip Kotler veröffentlicht. Kot- ler, schon damals einer der führenden Marketing-Professoren in den USA, nahm in diesem Beitrag erstmals in einem solchen Rahmen Stellung zu Tofflers Konzept des Prosumenten, ja er führte dessen Überlegungen sogar noch fort, indem er von einer „Prosumer Movement“ sprach, die möglicherweise so bedeutsam werden könne, daß überlegt werden müßte, ob man das gemeinsame Untersuchungsfeld „Consumer Behaviour“ nicht grundsätzlich umbenennen sollte in „Prosumer Beha- viour“, mit entsprechenden Auswirkungen auf das bisherige Selbstverständnis des Marketings. Dieser Beitrag ist hier mit abgedruckt, weil Kotler darin in systema- tischer Art und Weise die Tofflersche Argumentationskette bezüglich Prosumtion rekonstruiert, soweit dies damals für Marketing und Marktforschung bedeutsam erschien, und Tofflers Ansatz damit fachweite Anerkennung zuteil werden ließ. Was nun die wissenschaftliche Anerkennung der Tofflerschen Konzeption von Prosumtion betrifft, so hat sich nicht nur das Marketing dadurch hervorgetan, zu dieser Konzeption über viele Jahre hinweg keinerlei Stellungnahme formuliert zu haben. Denn auch die Soziologie hat lange Zeit Stillschweigen bewahrt, wenn sie überhaupt davon Kenntnis besaß, welche Vorstellungen Toffler von der Zu- kunft der Wirtschaft im besonderen und der Gesellschaft im allgemeinen in „The Third Wave“ entwickelt hatte. George Ritzer zeigt in seinem Beitrag auf, woran

Kotler und Ritzer - link.springer.com978-3-531-91998-0/2/1.pdf · Kotler und Ritzer Als das Buch „The Third Wave“ von Alvin Toffl er 1980 erschien, wurde speziell der Figur des

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Kotler und Ritzer

Als das Buch „The Third Wave“ von Alvin Toffl er 1980 erschien, wurde speziell der Figur des Prosumenten von fachwissenschaftlicher Seite kaum Aufmerksam-keit entgegenbracht, wenn überhaupt. Toffl er hatte sich bis dahin einen Namen als Futurist und Trendforscher gemacht. Dementsprechend reserviert reagierte das „scientifi c establishment“ auf dieses Buch. Über die Jahre änderte sich diese Hal-tung jedoch, bis dann auch Einzelwissenschaften „The Third Wave“ offi ziell zur Kenntnis nahmen und dazu Stellung bezogen.

So wurde 1986 in den Advances of Consumer Research, in denen die Beiträge der jährlich stattfi ndenden Konferenz der Association of Consumer Research, der wichtigsten Veranstaltung für akademische Verbraucherforscher in Nordamerika seit 1974, dokumentiert werden, ein Vortrag von Philip Kotler veröffentlicht. Kot-ler, schon damals einer der führenden Marketing-Professoren in den USA, nahm in diesem Beitrag erstmals in einem solchen Rahmen Stellung zu Toffl ers Konzept des Prosumenten, ja er führte dessen Überlegungen sogar noch fort, indem er von einer „Prosumer Movement“ sprach, die möglicherweise so bedeutsam werden könne, daß überlegt werden müßte, ob man das gemeinsame Untersuchungsfeld „Consumer Behaviour“ nicht grundsätzlich umbenennen sollte in „Prosumer Beha-viour“, mit entsprechenden Auswirkungen auf das bisherige Selbstverständnis des Marketings. Dieser Beitrag ist hier mit abgedruckt, weil Kotler darin in systema-tischer Art und Weise die Toffl ersche Argumentationskette bezüglich Prosumtion rekonstruiert, soweit dies damals für Marketing und Marktforschung bedeutsam erschien, und Toffl ers Ansatz damit fachweite Anerkennung zuteil werden ließ.

Was nun die wissenschaftliche Anerkennung der Toffl erschen Konzeption von Prosumtion betrifft, so hat sich nicht nur das Marketing dadurch hervorgetan, zu dieser Konzeption über viele Jahre hinweg keinerlei Stellungnahme formuliert zu haben. Denn auch die Soziologie hat lange Zeit Stillschweigen bewahrt, wenn sie überhaupt davon Kenntnis besaß, welche Vorstellungen Toffl er von der Zu-kunft der Wirtschaft im besonderen und der Gesellschaft im allgemeinen in „The Third Wave“ entwickelt hatte. George Ritzer zeigt in seinem Beitrag auf, woran

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das u. a. gelegen hat, nämlich an der vorherrschenden Orientierung der Soziologie am Produktionssektor, während der Konsumtionssektor demgegenüber über Jahr-zehnte hinweg weitgehend ignoriert, oder wenn, so wiederum produktivistisch be-trachtet wurde. Folglich bestand auch wenig Interesse, sich mit der anstehenden Metamorphose des Konsumenten zum Prosumenten, wie Toffl er sie wahrnahm, ernsthaft auseinanderzusetzen. Ritzer, Verfasser von „The McDonaldization of Society“ aus dem Jahre 1993, geht aber noch einen Schritt weiter, indem er eine eigene Version von Prosumtion skizziert, die sich in seine Sicht einer zunehmen-den McDonaldisierung der Gesellschaft schlüssig einfügt.