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Bauwelt 27 | 2008 22 Thema Spanischer Pavillon Bauwelt 27 | 2008 23 Kraftvolle Illusion Spanischer Pavillon: Francisco José Mangado Beloqui Kritik: Kaye Geipel Fotos: Roland Halbe Während das Kongresszentrum von Nieto Sobejano relativ un- behelligt auf der Westseite des Expogeländes positioniert ist, muss der Spanische Pavillon von Patxi Mangado seinen Stand- ort mitten im Pavillongedränge auf der östlichen Seite behaup- ten. Der Bau ist umgeben von den erdnussförmig gebauchten Anbauten des Expo-Hauptgebäudes, von dem aus Würfeln zu- sammengestöpselten Flussaquarium von Alvaro Planchuelo und von der grell spiegelnden Flechtkorbfassade des Pavillons von Aragonien. Dass Mangado für den Spanischen Pavillon ausgewählt wurde, deutete zunächst auf ein Missverständnis. Die Frage war, ob der stille Minimalismus, den der Architekt aus Pamplona in seinen Bauten zur Perfektion entwickelt hat, in solch einem Ambiente würde bestehen können. Macht es Sinn, für eine solche Nachbarschaft eine anpassungsfähige und bescheidene Architektursprache zu entwerfen, die sich um Verbindungen des Außenraums kümmert, unterschiedliche Seiten ausbildet und die Innenräume mit der Flusslandschaft des Ebro in Beziehung setzt? Patxi Mangado hat in den letzten zehn Jahren bei einer Reihe von Bauten gezeigt, dass er mit wenigen Elementarbau- steinen eine große Form städtebaulich zusammenhalten kann. Der Lageplan zeigt, wie dicht die anderen Expobauten an den Spanischen Pavillon her- angerückt sind. Die 750 Säu- len des Pavillons fungieren als Filter. Lageplan im Maßstab 1 : 5000 Sein vielleicht bekanntestes Bauwerk ist das Kongresszen- trum in Pamplona, das durch seine simple L-Form ein Rückgrat für einen offenen Platz ausformt. Bei der Expo geht es aber zu- nächst nicht um städtebaulich überzeugende, sich nach außen öffnende Grundfiguren, selbst wenn für die Zeit nach der Expo eine entsprechende Nutzung als gemischtes Dienstleistungs- gebiet vorgesehen ist. Das Expokonzept fragt nach einem iko- nischen Einzelbau, der in der Lage ist, sich bei geringstmögli- chem Abstand zum Nachbarpavillon offensiv zur Schau zu stel- len. Mangados Antwort führt auf den ersten Blick nur knapp am Kitsch vorbei. Er entwarf einen Wald aus 750 Stahlsäulen, die mit Terrakotta-Manschetten verkleidet sind und auf einem trapezförmigen Grundriss die Ausstellungsräume umgeben. Der Architekt realisierte damit ein eklektisches Konzept, das mit einer ins Unzählbare vervielfältigten Masse an schlanken Stützen im Wirbel der Eventarchitektur mitspielt. Das Überzeugende an dieser Idee wird bei der Annähe- rung an den Pavillon deutlich. Schon beim Betreten des Pa- villons durch den Säulenwald auf der Ost-Seite entsteht ein Distanzraum, der die großen, sauber detaillierten Räume im In- neren mit ihren hohen Glasflächen, ihren schlichten Fassa-

Kraftvolle Illusion - bauwelt.de · sammengestöpselten Flussaquarium von Alvaro Planchuelo und von der grell spiegelnden Flechtkorbfassade des Pavillons von Aragonien. Dass Mangado

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Page 1: Kraftvolle Illusion - bauwelt.de · sammengestöpselten Flussaquarium von Alvaro Planchuelo und von der grell spiegelnden Flechtkorbfassade des Pavillons von Aragonien. Dass Mangado

Bauwelt 27 | 200822 Thema Spanischer Pavillon Bauwelt 27 | 2008 23

Kraftvolle IllusionSpanischer Pavillon: Francisco José Mangado BeloquiKritik: Kaye Geipel Fotos: Roland Halbe

Während das Kongresszentrum von Nieto Sobejano relativ un-behelligt auf der Westseite des Expogeländes positioniert ist, muss der Spanische Pavillon von Patxi Mangado seinen Stand-ort mitten im Pavillongedränge auf der östlichen Seite behaup-ten. Der Bau ist umgeben von den erdnussförmig gebauchten Anbauten des Expo-Hauptgebäudes, von dem aus Würfeln zu-sammengestöpselten Flussaquarium von Alvaro Planchuelo und von der grell spiegelnden Flechtkorbfassade des Pavillons von Aragonien. Dass Mangado für den Spanischen Pavillon ausgewählt wurde, deutete zunächst auf ein Missverständnis. Die Frage war, ob der stille Minimalismus, den der Architekt aus Pamplona in seinen Bauten zur Perfektion entwickelt hat, in solch einem Ambiente würde bestehen können. Macht es Sinn, für eine solche Nachbarschaft eine anpassungsfähige und bescheidene Architektursprache zu entwerfen, die sich um Verbindungen des Außenraums kümmert, unterschiedliche Sei ten ausbildet und die Innenräume mit der Flusslandschaft des Ebro in Beziehung setzt?

Patxi Mangado hat in den letzten zehn Jahren bei einer Reihe von Bauten gezeigt, dass er mit wenigen Elementarbau-steinen eine große Form städtebaulich zusammenhalten kann.

Der Lageplan zeigt, wie dicht die anderen Expobauten an den Spanischen Pavillon her-angerückt sind. Die 750 Säu-len des Pavillons fungieren als Filter.

Lageplan im Maßstab 1:5000

Sein vielleicht bekanntestes Bauwerk ist das Kongresszen-trum in Pamplona, das durch seine simple L-Form ein Rückgrat für einen offenen Platz ausformt. Bei der Expo geht es aber zu-nächst nicht um städtebaulich überzeugende, sich nach außen öffnende Grundfiguren, selbst wenn für die Zeit nach der Expo eine entsprechende Nutzung als gemischtes Dienstleistungs-gebiet vorgesehen ist. Das Expokonzept fragt nach einem iko-nischen Einzelbau, der in der Lage ist, sich bei geringstmögli-chem Abstand zum Nachbarpavillon offensiv zur Schau zu stel-len. Mangados Antwort führt auf den ersten Blick nur knapp am Kitsch vorbei. Er entwarf einen Wald aus 750 Stahlsäulen, die mit Terrakotta-Manschetten verkleidet sind und auf einem trapezförmigen Grundriss die Ausstellungsräume umgeben. Der Architekt realisierte damit ein eklektisches Konzept, das mit einer ins Unzählbare vervielfältigten Masse an schlanken Stützen im Wirbel der Eventarchitektur mitspielt.

Das Überzeugende an dieser Idee wird bei der Annähe-rung an den Pavillon deutlich. Schon beim Betreten des Pa-villons durch den Säulenwald auf der Ost-Seite entsteht ein Distanzraum, der die großen, sauber detaillierten Räume im In-neren mit ihren hohen Glasflächen, ihren schlichten Fassa-

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Bauwelt 27 | 200824 Thema Spanischer Pavillon Bauwelt 27 | 2008 25

Oben: Restaurantbereich mit Blick durch den Säulenwald. Die keramikverkleideten Stüt-zen stehen teilweise im Was-ser. Durch Absorption und Aufwind entsteht eine klima-tische Pufferzone.

Grundrisse und Schnitt im Maßstab 1 :1000, Detail im Maßstab 1:25

denprofilen und den mächtigen Holzbalkendecken eine um-fassende Wirkung zukommen lässt. Dieser Filter aus Säulen erzeugt Distanz und Abstand, ohne den Bau von der hetero-genen Umgebung zu isolieren. Der große Restaurantbereich im ersten Geschoss mit Blick auf den Ebro steht beispielhaft für eine Qualität architektonischer und räumlicher Durchar-beitung, die man auf der Expo sonst nicht findet. Der Archi-tekt hat jüngst in einem von Arquitectura Viva veröffentlich-ten Aufsatz die Architektur der spanischen Expo-Pavillons der letzten Jahrzehnte analysiert. Sein Resümee: die Architek-tur sei dort erfolgreich gewesen, wo es ihr gelungen ist, eine eigene, architekturimmanente „Illusion“ zu erzeugen, die aus sich selbst heraus begründet werden kann. Das ist auch Man-gado geglückt. Allerdings hat der Architekt nicht verhindern können, dass sein Konzept der gestaffelten Raumabgrenzun-gen mit den Anforderungen an die Ausstellungsarchitektur oft in Konflikt geraten ist. Nur an wenigen Stellen, etwa bei den inselförmigen Einbauten der jungen Madrider Architek-tengruppe Nolaster, vermag der Kontrast von Architektur und Ausstellungsdesign zu überzeugen.

1 Eingang 2 Kuppelprojektion 3 Ausstellung 4 Restaurant

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ArchitektFrancisco José Mangado Beloqui, Pamplona

MitarbeiterJosé María Gastaldo, Richard Kralovic, Cristina Chu, Hugo Mónica (Entwurf); Cris-tina Chu, César Martín Gó-mez (Ausführung); Vicente de Lucas (Bauleitung)

TragwerksplanungNB 35

EnergieplanungCener-Ciemat