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Alle Autoren haben gleichermaßen zu diesem Beitrag beigetragen. Notfall Rettungsmed 2014 · 17:32–38 DOI 10.1007/s10049-013-1818-3 Online publiziert: 25. Januar 2014 © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2014 C.J. Diepenseifen 1  · G. Baumgarten 2  · J.-C. Schewe 2 1 Rettungsdienst Oberbergischer Kreis 2 Klinik und Poliklinik für Anästhesiologie und Operative Intensivmedizin, Universitätsklinikum Bonn Krankenhausalarmplanung Aufgaben der Krankenhäuser bei  einem Massenanfall von Verletzten Die Notfallvorsorge und ein funktio- nierendes Krisenmanagement gehören zu den vordringlichsten Aufgaben ver- antwortlicher Entscheidungsträger. Bei sämtlichen Vorkehrungen bleibt das schützenswerteste Gut die Gesund- heit und das Leben der Menschen. Die Daseinsvorsorge des Staates impliziert die gesundheitliche Versorgung der Bevölke- rung und ist im Grundgesetz der Bundes- republik Deutschland verankert. Im De- tail werden notwendige Maßnahmen der Notfallvorsorge und die bedarfsgerech- te Versorgung der Bevölkerung bei Scha- densereignissen (z. B. ausreichende Kapa- zitäten für stationäre Versorgung) durch die jeweilige Landesgesetzgebung gere- gelt [28]. Allerdings sollten nicht nur recht- liche Vorgaben Anlass für eine Vorberei- tung auf Ausnahmezustände sein. Gera- de im gesundheitlichen Versorgungsbe- reich spielen auch ethische und morali- sche Aspekte eine entscheidende Rolle. Ein funktionierendes Notfallmanage- ment und eine praxistaugliche Notfallpla- nung sind die zwingende Konsequenz aus diesen Verpflichtungen. So muss auch im Fall der Konfrontation mit einer Vielzahl von Verletzten das Gesundheitssystem leistungsfähig bleiben und jedes Kran- kenhaus als kleinste Einheit entsprechen- de Versorgungsstrukturen im Notfall auf- rechterhalten können. Im Rahmen der ständigen professio- nellen Verbesserung von Prozess- und Behandlungsabläufen ist die Etablierung einer entsprechenden Notfallvorsorge un- abdingbar. Dazu gehört u. a. die Erweite- rung der Aufnahme- und Behandlungska- pazität im Fall eines Unglücks mit vielen Verletzten. Die Vorgehensweise für diese Ausnahmefälle wird in einem Kranken- hausalarmplan (KAP) fixiert und ist ein wichtiger Teilaspekt des Qualitätsma- nagements. Krankenhäuser müssen sich entspre- chend der jeweiligen Landesgesetzge- bung auf den Massenanfall von Verletzten (MANV) vorbereiten [4]. Die Notwen- digkeit einer derartigen Alarmplanung ist letztlich unstrittig [5]. Fraglich bleibt, wie eine sinnvolle Ausarbeitung und lo- kale Umsetzung des KAP aussehen kann. So müssen einerseits komplexe Vorberei- tungen standardisiert werden und ande- rerseits sollten die Ansätze und Vorgaben pragmatisch und leicht verständlich blei- ben. Die konkrete Anwendung des KAP wird glücklicherweise selten notwendig sein, vielleicht auch nie ausgelöst werden. Am ehesten wird der Einsatzerfolg durch eine im KAP abgebildete einfache, prak- tikable und an die lokalen Gegebenhei- ten angepasste Organisationsstruktur ge- währleistet. Die im KAP niedergelegten Maßnah- men gelten dabei nicht nur für die Ver- sorgung der neuen Notfallpatienten, son- dern dienen gleichzeitig dem Schutz der vorhandenen stationären Krankenhaus- patienten. Wird ein Krankenhaus ohne entsprechend vorbereitende Planungs- maßnahmen mit einem MANV konfron- tiert, können sich negative Auswirkungen bis hin zur Gefährdung von stationären Patienten oder Mitarbeitern ergeben. Notfallereignisse mit einer Vielzahl zu versorgender Verletzter kommen regel- mäßig vor und nehmen weltweit insge- samt zu [24]. Beispiele sind Unglücke aus dem Verkehrsbereich [1, 21], aber auch Massenveranstaltungen [2]. Eine weitere Gefahr stellt der zunehmende Terror dar [6, 24]. In Europa gibt es in den letz- ten Jahren mit den Anschlägen in Mad- rid und London dafür zwei tragische Bei- spiele [11, 20]. Auch in Deutschland gab es ähnliche Bedrohungslagen mit bereits konkreten Planungen für Sprengstoffan- schläge in Personenzügen [26]. Krankenhäuser sind als Endglied einer verzahnten Rettungskette anzusehen. Da- raus ergibt sich eine große Bedeutung für die Versorgung von Notfallpatienten. Im Krankenhaus wird der idealerweise be- reits präklinisch stabilisierte Notfallpa- tient einer weiteren Diagnostik und The- rapie zugeführt. Der Hauptbehandlungs- prozess findet somit im Krankenhaus statt. Ein Notfallpatient erreicht norma- lerweise das Krankenhaus mit Hilfe eines geeigneten Rettungsmittels. Gerade unter Ausnahmebedingungen kommt es je- doch zu einer Umgehung der regulären Notfallrettung durch zahlreiche Selbst- einweisungen. Größere Unglücke aus der Vergangenheit belegen dies [11, 20]. Diese Patienten sind dabei keiner präklinischen Sichtung unterzogen worden, haben die Transportorganisation umgangen und folglich eine Anmeldung durch die Ret- tungsleitstelle im Krankenhaus unmög- lich gemacht. Davon betroffen sind pri- mär Krankenhäuser mit räumlicher Nähe zur Schadenslage [12]. Derartige Selbst- einweiser binden im Extremfall unver- hältnismäßig viel Personal und sind zah- lenmäßig schwer kalkulierbar [25]. Der Anspruch der Selbsteinweiser auf eine 32 | Notfall +  Rettungsmedizin 1 · 2014 Konzepte - Stellungnahmen - Leitlinien

Krankenhausalarmplanung; Hospital emergency preparedness plan;

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Page 1: Krankenhausalarmplanung; Hospital emergency preparedness plan;

Alle Autoren haben gleichermaßen zu diesem Beitrag beigetragen.

Notfall Rettungsmed 2014 · 17:32–38DOI 10.1007/s10049-013-1818-3Online publiziert: 25. Januar 2014© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2014

C.J. Diepenseifen1 · G. Baumgarten2 · J.-C. Schewe2

1 Rettungsdienst Oberbergischer Kreis2 Klinik und Poliklinik für Anästhesiologie und Operative Intensivmedizin, Universitätsklinikum Bonn

KrankenhausalarmplanungAufgaben der Krankenhäuser bei einem Massenanfall von Verletzten

Die Notfallvorsorge und ein funktio­nierendes Krisenmanagement gehören zu den vordringlichsten Aufgaben ver­antwortlicher Entscheidungsträger. Bei sämtlichen Vorkehrungen bleibt das schützenswerteste Gut die Gesund­heit und das Leben der Menschen. Die Daseinsvorsorge des Staates impliziert die gesundheitliche Versorgung der Bevölke­rung und ist im Grundgesetz der Bundes­republik Deutschland verankert. Im De­tail werden notwendige Maßnahmen der Notfallvorsorge und die bedarfsgerech­te Versorgung der Bevölkerung bei Scha­densereignissen (z. B. ausreichende Kapa­zitäten für stationäre Versorgung) durch die jeweilige Landesgesetzgebung gere­gelt [28].

Allerdings sollten nicht nur recht­liche Vorgaben Anlass für eine Vorberei­tung auf Ausnahmezustände sein. Gera­de im gesundheitlichen Versorgungsbe­reich spielen auch ethische und morali­sche Aspekte eine entscheidende Rolle. Ein funktionierendes Notfallmanage­ment und eine praxistaugliche Notfallpla­nung sind die zwingende Konsequenz aus diesen Verpflichtungen. So muss auch im Fall der Konfrontation mit einer Vielzahl von Verletzten das Gesundheitssystem leistungsfähig bleiben und jedes Kran­kenhaus als kleinste Einheit entsprechen­de Versorgungsstrukturen im Notfall auf­rechterhalten können.

Im Rahmen der ständigen professio­nellen Verbesserung von Prozess­ und Behandlungsabläufen ist die Etablierung einer entsprechenden Notfallvorsorge un­abdingbar. Dazu gehört u. a. die Erweite­rung der Aufnahme­ und Behandlungska­pazität im Fall eines Unglücks mit vielen

Verletzten. Die Vorgehensweise für diese Ausnahmefälle wird in einem Kranken­hausalarmplan (KAP) fixiert und ist ein wichtiger Teilaspekt des Qualitätsma­nagements.

Krankenhäuser müssen sich entspre­chend der jeweiligen Landesgesetzge­bung auf den Massenanfall von Verletzten (MANV) vorbereiten [4]. Die Notwen­digkeit einer derartigen Alarmplanung ist letztlich unstrittig [5]. Fraglich bleibt, wie eine sinnvolle Ausarbeitung und lo­kale Umsetzung des KAP aussehen kann. So müssen einerseits komplexe Vorberei­tungen standardisiert werden und ande­rerseits sollten die Ansätze und Vorgaben pragmatisch und leicht verständlich blei­ben. Die konkrete Anwendung des KAP wird glücklicherweise selten notwendig sein, vielleicht auch nie ausgelöst werden. Am ehesten wird der Einsatzerfolg durch eine im KAP abgebildete einfache, prak­tikable und an die lokalen Gegebenhei­ten angepasste Organisationsstruktur ge­währleistet.

Die im KAP niedergelegten Maßnah­men gelten dabei nicht nur für die Ver­sorgung der neuen Notfallpatienten, son­dern dienen gleichzeitig dem Schutz der vorhandenen stationären Krankenhaus­patienten. Wird ein Krankenhaus ohne entsprechend vorbereitende Planungs­maßnahmen mit einem MANV konfron­tiert, können sich negative Auswirkungen bis hin zur Gefährdung von stationären Patienten oder Mitarbeitern ergeben.

Notfallereignisse mit einer Vielzahl zu versorgender Verletzter kommen regel­mäßig vor und nehmen weltweit insge­samt zu [24]. Beispiele sind Unglücke aus dem Verkehrsbereich [1, 21], aber auch

Massenveranstaltungen [2]. Eine weitere Gefahr stellt der zunehmende Terror dar [6, 24]. In Europa gibt es in den letz­ten Jahren mit den Anschlägen in Mad­rid und London dafür zwei tragische Bei­spiele [11, 20]. Auch in Deutschland gab es ähnliche Bedrohungslagen mit bereits konkreten Planungen für Sprengstoffan­schläge in Personenzügen [26].

Krankenhäuser sind als Endglied einer verzahnten Rettungskette anzusehen. Da­raus ergibt sich eine große Bedeutung für die Versorgung von Notfallpatienten. Im Krankenhaus wird der idealerweise be­reits präklinisch stabilisierte Notfallpa­tient einer weiteren Diagnostik und The­rapie zugeführt. Der Hauptbehandlungs­prozess findet somit im Krankenhaus statt. Ein Notfallpatient erreicht norma­lerweise das Krankenhaus mit Hilfe eines geeigneten Rettungsmittels. Gerade unter Ausnahmebedingungen kommt es je­doch zu einer Umgehung der regulären Notfallrettung durch zahlreiche Selbst­einweisungen. Größere Unglücke aus der Vergangenheit belegen dies [11, 20]. Diese Patienten sind dabei keiner präklinischen Sichtung unterzogen worden, haben die Transportorganisation umgangen und folglich eine Anmeldung durch die Ret­tungsleitstelle im Krankenhaus unmög­lich gemacht. Davon betroffen sind pri­mär Krankenhäuser mit räumlicher Nähe zur Schadenslage [12]. Derartige Selbst­einweiser binden im Extremfall unver­hältnismäßig viel Personal und sind zah­lenmäßig schwer kalkulierbar [25]. Der Anspruch der Selbsteinweiser auf eine

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Konzepte - Stellungnahmen - Leitlinien

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adäquate und zeitgerechte klinische Ver­sorgung im Krankenhaus bleibt aber den­noch bestehen. Diese Umstände unter­streichen die grundlegende Bedeutung des Krankenhauses in der Behandlungs­kette einerseits und die Ansprüche des Gesetzgebers sowie der Bürger anderer­seits, auch wenn diese Erwartungen ob­jektiv, je nach Größe des Patientenstroms, gar nicht zu erfüllen sind [8].

Probleme der Krankenhäuser im Fall eines MANV

Bei einer schnell aufeinanderfolgenden Einlieferung verletzter Patienten nach einem MANV kann die Notaufnahme bzw. die gesamte Krankenhausstruktur schnell an die Versorgungsgrenzen sto­ßen. Gleichzeitig treten hohe Anforde­rungen an Kommunikation und Koordi­nation auf [9]. Dies gilt für alle Kliniken bis hin zum Maximalversorger [17]. Die ersten (schwer)verletzten Patienten errei­chen − transportiert durch Rettungsmit­tel der Notfallrettung − kurze Zeit nach dem Schadensereignis die nahe gelege­nen Krankenhäuser. Unter Umständen sind die Patienten nicht identifiziert (z. B. bei Bewusstseinsverlust) oder nicht iden­tifizierbar (z. B. Verletzungsmuster). Der Normalbetrieb der betroffenen Notauf­nahme kommt durch eine Konfrontation mit ungewöhnlich hoher Patientenzahl zum Erliegen. Entgegen des Regelbetrie­bes können die Patienten in diesem Fall nicht mehr individualmedizinisch und mit gewohnter medizinischer Infrastruk­tur behandelt werden [24, 27].

Die mit der Notfallrettung im Kran­kenhaus eintreffenden Patienten sollten präklinisch gesichtet und registriert wor­den sein. Die Notaufnahmen vieler Kran­kenhäuser werden nicht per se leistungs­fähig genug sein, um eine Vielzahl von Pa­tienten erneut zu sichten, zu registrieren sowie zu dokumentieren und in ein Kran­kenhausinformationssystem (KIS) ein­zupflegen. In diesem Fall werden sich vor bzw. in der Notaufnahme provisori­sche Patientenablagen bilden. Unabhän­gig von der vorhandenen Personalstärke in der Notaufnahme kommt es mit hoher Wahrscheinlichkeit schnell zu einem Per­sonalmangel. In Bereitschaftsdienstzei­ten wird sich diese Mitarbeitersituation

aufgrund geringerer Personal decke noch aggravierter darstellen [9]. Das zeitliche Verhältnis der Regelarbeitszeit zu Be­reitschaftsdienstzeit beträgt in den meis­ten Krankenhäusern etwa 1:3 [30]. Da­mit einhergehend ist die Wahrschein­lichkeit während der Bereitschaftsdienst­zeiten mit einem MANV konfrontiert zu werden, höher als in der Regelarbeits­zeit [16]. Die unverzügliche Alarmierung einer größeren Anzahl von sich nicht im Krankenhaus befindlichem Personal (me­dizinische sowie technische Dienste) wird zwingend erforderlich sein, um notwen­dige Behandlungskapazitäten zu erhöhen [13, 31]. Andererseits werden während der Kernarbeitszeit die OP­Kapazitäten be­legt und das Personal zwar am Arbeits­platz, aber mit anderen Aufgaben gebun­den und somit nicht unmittelbar für die notwendige Notfallversorgung verfügbar sein [14]. Die Anzahl an Notfallpatienten, ab der eine Alarmierung von zusätzlichen Mitarbeitern aus der Freizeit erforderlich wird bzw. bei der eine individualmedizi­nische Behandlung nicht mehr sinnvoll erscheint, wird in jedem Krankenhaus unterschiedlich sein und bedarf einer in­dividuellen Definition im Vorfeld [27].

Neben der zeitlichen Abfolge des Ein­treffens der Notfallpatienten und der ab­soluten Patientenzahl spielt der Verlet­zungsgrad eine entscheidende Rolle. Die Behandlung von Schwer­ und Schwerst­verletzten ist sehr personal­ und material­intensiv. Mit zunehmender Personalver­stärkung in der Notaufnahme und der mit der Behandlung der Patienten verbunde­nen Entscheidungsdichte bei unvorher­sehbaren Lageentwicklungen wird es ggf. an einer koordinierenden Führungskraft fehlen. Häufig beherbergen Notaufnah­men mehrere Fachabteilungen, die im Normalbetrieb eine parallele Patienten­versorgung betreiben, ohne dass überge­ordnete Strukturen vorhanden sind. Das in der Notaufnahme regulär tätige Perso­nal ist sicherlich mit den alltäglichen Rou­tineabläufen und dem Arbeitsplatz ver­traut. Auf alarmiertes zusätzliches Per­sonal wird dies nur noch bedingt zutref­fen und viele Mitarbeiter werden in einer nicht gänzlich bekannten Umgebung arbeiten müssen.

Führungs- und Organisationsstruktur

In den präklinischen Konzepten zur Be­wältigung von (Groß­)Schadensereig­nissen in der Gefahrenabwehr sind klare Führungsstrukturen in der Feuerwehr­Dienstvorschrift (FwDV 100) „Führung und Leitung im Einsatz“ festgelegt. Ein Einsatzleiter (EL) trägt die Verantwortung für den Gesamteinsatz, alle weiteren Ein­satzkräfte sind ihm unterstellt. Die Tech­nische Einsatzleitung unterstützt den EL in organisatorisch­administrativen As­pekten. Bei entsprechendem Aufwand des Einsatzes werden Einsatzabschnitte gebil­det, die eigenverantwortlich von Einsatz­abschnittsleitern geführt werden. Die Ein­satzabschnittsleitung „Medizinische Ret­tung“ obliegt dem leitenden Notarzt, dem je nach Landesrecht ein organisatorischer Leiter „Rettungsdienst“ gleichberechtigt zur Seite steht oder der zumindest von einem solchen unterstützt wird.

Demgegenüber sind im Krankenhaus­bereich ähnliche Strukturen im Normal­betrieb nicht vorgesehen. Notaufnah­men haben i. d. R. keinen einzelnen defi­nierten Mitarbeiter, der allen in der Not­aufnahme tätigen Fachabteilungen wei­sungsbefugt ist. Einzelne Fachabteilungen arbeiten räumlich zentralisiert, aber in­haltlich relativ unabhängig voneinander. Fach übergreifende Fragestellungen zu Pa­tienten werden im Normalbetrieb häufi­ger durch kollegialen Dialog und Konsile gelöst als durch definierte Behandlungs­pfade. So ist eine Führungsfunktion nicht in allen Notaufnahmen rund um die Uhr vorhanden und ein fester Ansprechpart­ner für besondere Ausnahmesituationen wird häufig fehlen. Entscheidungen über einen Einsatz der Mitarbeiter oder Alar­mierungsfragen können so nicht klinik­übergreifend getroffen werden. Außer­dem ist kein unkomplizierter Rückgriff auf andere Abteilungen möglich, deren Infrastruktur womöglich dringend benö­tigt wird.

Logistik- und Materialmanagement

Die derzeitigen Rahmenbedingungen im Gesundheitswesen haben sich massiv auf notwendige Vorhaltekapazitäten ausge­

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wirkt, die bei fehlenden Reserven häu­fig bereits jetzt im Regelbetrieb zu Eng­pässen in der Patientenversorgung führen [27]. Einsparmaßnahmen, Umstrukturie­rungen und Ausgliederungen im Sinne eines vielfach geforderten wirtschaftli­chen Ressourcenmanagements können so nicht selten verantwortlich z. B. für Kür­zungen bzw. Abschaffung von Lager­ und Vorratshaltungen sein [6]. Folglich sind so ökonomisch begründete Zwänge u. U. ursächlich für geringere ( Reserve­)Kapa­zitäten der Krankenhäuser in Bezug auf die Aufnahme einer Vielzahl von Verletz­ten [27]. Für die Behandlung zahlreicher verletzter Patienten werden parallel und räumlich getrennt Versorgungsmateria­lien in großen Mengen benötigt. Selbst in Notaufnahmen von Maximalversorgern sind die Vorräte ggf. nicht ausreichend, was in Ausnahmesituationen zu Material­mangel bzw. erhöhtem logis tischen Auf­wand führt. So ist nicht nur ein Material­mangel denkbar, sondern vor allem Eng­pässe beim OP­Instrumentarium und bei Kapazitäten im Sterilisationsbereich. Ab­gesehen davon sind technische Versor­gungsprobleme in der Strom­ und Sauer­stoffversorgung möglich [23].

Kommunikation

In einer MANV­Lage wird der Kommu­nikationsbedarf im Krankenhaus massiv ansteigen. Eine Personal­ und Material­mangelsituation in der Notaufnahme, die Konzentration von Personal sowie die Notwendigkeit einer einsatztaktischen und medizinischen Kommunikation wird das reguläre und im Normalbetrieb aus­reichende Kommunikationssystem über­lasten und im ungünstigsten Fall gänzlich zum Erliegen bringen [12]. Im Alltagsbe­trieb stehen zur Kommunikation über­wiegend klinikinterne Telefonanlagen zur Verfügung. Mit dem vorhandenen Kom­munikationssystem sollte nicht für Aus­nahmesituationen geplant werden. Viel­mehr sollten Redundanzen und optiona­le Rückfallebenen vorgehalten werden [9]. Ansonsten besteht die Gefahr, dass der In­formationsfluss bei erhöhtem Kommuni­kationsbedarf kritisch gefährdet oder be­einträchtigt wird.

Verkehrssituation

Der Verkehrsbetrieb auf dem Kranken­hausgelände wird spätestens nach Ein­treffen der ersten Fahrzeuge der Notfall­rettung zunehmen und kontinuierlich an­steigen. Mit der Menge transportierter Pa­tienten wird die absolute Anzahl von Ret­tungsmitteln – im Rahmen der überregio­nalen Hilfe auch von auswärtigen Fahr­zeugen der Notfallrettung ohne Orts­kenntnis – ansteigen. So können inner­klinische Verkehrswege überlastet wer­den und eine Beeinträchtigung für den Rettungsdienstverkehr und ggf. notwen­dige Materialtransporte entstehen. Ver­stärkt wird die Überlastung, wenn Besu­cher­PKW das Gelände nach Ankündi­gung des MANV verlassen müssen. Zum Zeitpunkt des Eintreffens von zusätzli­

chen Mitarbeitern wird sich die Verkehrs­situation auf dem Klinikgelände schon zu­gespitzt haben. Auch die Straßen außer­halb des Krankenhausgeländes werden stark ausgelastet sein. Dies hat zur Fol­ge, dass es zu Verzögerungen beim Ein­treffen von Fahrzeugen der Notfallrettung und nachalarmierter Mitarbeiter kom­men wird. Diese Situation ist umso dra­matischer, da viele Krankenhäuser häufig nur über einen (ggf. beschrankten) Zu­fahrtsweg verfügen. So gehört dieser in­frastrukturelle Engpass zu den größten Schwachstellen mit möglichen schwer­wiegenden Verkehrsproblemen und kon­sekutiv potenziellen Beeinträchtigungen der Notfallversorgung [12].

Zusammenfassung · Abstract

Notfall Rettungsmed 2014 · 17:32–38 DOI 10.1007/s10049-013-1818-3© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2014

C.J. Diepenseifen · G. Baumgarten · J.-C. ScheweKrankenhausalarmplanung. Aufgaben der Krankenhäuser bei einem Massenanfall von Verletzten

ZusammenfassungDer Massenanfall von Verletzten ist ein sel-tener Notfall. Je nach Ausmaß des Ereignis-ses und der lokalen Möglichkeiten der ge-sundheitlichen Akutversorgung kann es zu einer Überlastung der Krankenhäuser und schnellen Erschöpfung der Behandlungska-pazitäten kommen. Jedes geeignete Kran-kenhaus muss jedoch in der Lage sein, auch eine größere Anzahl von Patienten als im ge-wöhnlichen Regelbetrieb gleichzeitig ver-sorgen und aufnehmen zu können. Voraus-setzung dafür ist ein angemessener zeitli-cher Vorlauf und die Priorisierung von Maß-nahmen. Ein Krankenhausalarmplan bildet

die Grundlage einer derartigen strukturierten Vorbereitung. Vor der eigentlichen Etablie-rung eines Krankenhausalarmplans zur Vor-bereitung eines Massenanfalls von Verletzten müssen allerdings mögliche Schwachstellen und Problemschwerpunkte der lokalen Gege-benheiten identifiziert werden, um eine op-timale Patientenversorgung im Notfall zu ge-währleisten.

SchlüsselwörterNotfallversorgung · Massenanfall von Verletzten · Zivilschutz · Katastrophenplanung · Triage

Hospital emergency preparedness plan. Responsibilities of hospitals in case of a mass casualty incident

AbstractMass casualty incidents (MCI) are rare. How-ever, depending on the extent of the incident and the local capacity to provide acute health care, hospitals can become overloaded, which may lead to rapid exhaustion of treat-ment capacity. However, all suitable hospi-tals must be able to provide care and also si-multaneously accommodate a larger number of patients than under normal circumstances. Prerequisite for this is a reasonable lead time and the prioritization of measures. A hospital emergency preparedness plan forms the ba-

sis of such a structured preparation. Prior to the actual establishment of a hospital emer-gency preparedness plan for mass casualty incidents, however, possible weaknesses and problem areas of local circumstances must be identified in order to ensure optimal patient care in an emergency.

KeywordsEmergency care · Mass casualty incidents · Civil defense · Disaster planning · Triage

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Auskunft über Patientenverbleib

Nach einem Großschadensereignis werden Informationen durch Medien wie Rundfunk, Fernsehen, Internet und Soci­al Media (Stichwort „Twitter“) in kürzes­ter Zeit publik gemacht. Angehörige von vermeintlich vermissten oder verletz­ten Personen werden Auskunft und Hil­fe bei öffentlichen Stellen und Aufnah­mekrankenhäusern suchen. Beispiele aus der Vergangenheit belegen, dass Kran­kenhäuser mit einer Vielzahl von Aus­kunft suchenden Personen konfrontiert werden [18]. Dies betrifft nicht nur telefo­nische Auskünfte, sondern auch vor Ort erscheinende Angehörige oder nicht ver­letzte Betroffene des Schadensereignisses. Eine massive Bindung von Krankenhaus­personal kann die Folge sein. Dadurch wird die ohnehin kritische Verkehrssitua­tion weiter verschärft, so dass auch der öf­fentliche Verkehr in Krankenhausnähe im schlimmsten Fall zum Erliegen kommt. Im Normalbetrieb genutzte Anlaufstellen für die Angehörigen können im Fall eines Schadensereignisses aufgrund mangeln­der Informations­ und Datengrundlage (z. B. nicht im KIS eingepflegte Patienten­daten) nicht als angemessene Auskunfts­stelle dienen.

Patientenaufnahme

Die Sichtung und Registrierung von Pa­tienten am Schadensort gehört zur Kern­aufgabe der Gefahrenabwehr vor Ver­

sorgungsbeginn bei einem MANV [29]. Nach Feststellung des Verletzungsgrades und der notwendigen Behandlungsmaß­nahmen (zeitlicher Beginn und Intensität) beginnt erst die medizinische Versorgung abhängig von Patientenzahl, den Sich­tungsergebnissen und verfügbaren perso­nellen und materiellen Ressourcen. Dem­gegenüber steht im Krankenhaus die klas­sische Patientenaufnahme mit Dokumen­tation im KIS. Dieser Verwaltungsakt (Pa­tientendaten, Befunddokumentation, An­meldung von Diagnostik und eigentliche stationäre Aufnahme) ist die Grundlage einer weiteren Patientenversorgung sowie der fallbasierten Abrechnung. Dieser ad­ministrative Vorgang wird im Normalbe­trieb individuell für den einzelnen Patien­ten durchgeführt und ist damit zeit­ und personalaufwendig. In Ausnahmezustän­den stehen dafür notwendige Ressourcen weder personell noch in zeitlicher Abfol­ge ausreichend zur Verfügung.

Patientenmanagement und Raumordnung

Die präklinische medizinische Versor­gung beim MANV erfolgt gemäß ärztli­cher Sichtung und Registrierung. Das ka­tegorisierte Sichtungsergebnis definiert letztlich die Behandlungsreihenfolge, den erforderlichen medizinischen Behand­lungsumfang und die Transportpriorisie­rung. Im System der täglich praktizierten klinischen Individualbehandlung wird die Verletzungsschwere des einzelnen Patien­

ten eingeschätzt. Je nach Invasivität der Diagnostik und Behandlung wird auch der Behandlungsraum ausgewählt. Ein schwer verletzter Patient wird z. B. in aller Regel in einem sogenannten Schockraum versorgt werden. Da im Allgemeinen nur einzelne oder wenige schwer verletzte Pa­tienten parallel behandelt werden müs­sen, reichen die vorhandenen Behand­lungs­ und Schockräume für die zeitglei­che Versorgung aus. In separaten Behand­lungsräumen sind dann interdisziplinäre Versorgungsteams für die Individualver­sorgung tätig. Im Fall einer in geringen Zeitabständen erfolgenden Einlieferung einer Vielzahl von Patienten werden die vorhandenen Räume jedoch nicht ausrei­chen. Außerdem erfordert die Patienten­versorgung in einzelnen Behandlungsräu­men einen in der Initialphase nicht ab­deckbaren personellen Aufwand.

Vorbereitungen in der Notfallvorsorge – Warum?

Die notwendigen Vorbereitungen der Krankenhäuser auf einen MANV sind aufwendig (. Abb. 1). Dies gilt umso mehr für Krankenhäuser mit zahlreichen einzelnen Kliniken und Instituten mit je­weils eigenen organisatorischen Struk­turen, die insgesamt koordiniert werden müssen. Trotzdem und gerade aus diesem Grund sind vorausschauende Vorberei­tungen wichtig. Neben den signifikanten Sachwerten stellt das Krankenhaus durch die (z. T. immobilen) Patienten und hoch­komplexen Versorgungsabläufe ein emp­findliches Objekt dar [7, 9]. Auf innere und äußere Störeinflüsse reagiert ein der­art komplexes System sehr sensibel. Auch durch einen MANV können aufgrund mangelnder Vorbereitungen Chaossitua­tionen entstehen, die zu Beeinträchtigun­gen der alltäglichen Abläufe mit Auswir­kungen auf die stationären Patienten füh­ren. Letztlich kann in diesem Rahmen auch die wirtschaftliche Basis des Kran­kenhauses gefährdet werden [9].

Per Definition handelt es sich bei einem Krankenhaus um eine Institution, die einen besonderen Versorgungsauftrag im gesellschaftlichen System hat. Aus der außerordentlichen Bedeutung für die me­dizinische Versorgung der Bevölkerung ergibt sich eine besondere Verantwortung

ZusätzlichesPersonal

Doku-mentation

Auskunftüber

Patienten-verbleib

Kommuni-kation

Logistik undMaterial

Verkehrs-regelung

Raum-ordnung

Sichtungund

Regis-trierung

KeineIndividual-

medizin

Führungs-struktur

Handlungs-anwei-sungen

SteigerungAufnahme-

kapazität

Einlieferung

einer Vielzahl

von Patienten

Abb. 1 9 Komplexi-tät des Krankenhaus-alarmplans (KAP)

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Konzepte - Stellungnahmen - Leitlinien

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für die Vorbereitung auf unvorhersehbare Ereignisse (z. B. MANV). Diese Vorbe­reitungen müssen für jede Tages­ und Nachtzeit abrufbar, anwendbar und prak­tikabel sein. Für jedes Krankenhaus ist speziell festzulegen, bis zu welcher Patien­tenzahl, Uhrzeit und allgemeinen Bedin­gungen eine Versorgung unter individual­medizinischen Gesichtspunkten möglich sowie sinnvoll erscheint und ab wann zu­sätzliches dienstfreies Personal alarmiert werden muss. Planungen sind dabei auf die individuellen Bedürfnisse und den entsprechenden Versorgungsauftrag des Krankenhauses abzustimmen [3, 5].

Im Rahmen allgemeiner Überlegungen zur Krankenhausalarmplanung bestehen auf Seite der Krankenhäuser viele Vortei­le im Vergleich zu den objektiven Mög­lichkeiten der Notfallrettung. So lassen bekannte bauliche Voraussetzungen gute Planungen und Festlegungen im Vorfeld zu, um z. B. geschützte und sichere Be­handlungsbereiche zu definieren. Der im Vergleich zur Notfallrettung bei Groß­schadensereignissen zum Einsatz kom­mende, relativ kleine Mitarbeiterkreis im Krankenhaus führt zu einer gewohnten Zusammenarbeit in bekannter Umgebung unter Nutzung bekannter Ressourcen und Lagerorte. Weiterhin können im Vorfeld Mitarbeiterschulungen und Übungen ge­zielt und aufgabenbezogen durchgeführt werden (. Abb. 2).

Im Vergleich zur Notfallrettung liegen dabei mögliche Nachteile in mangelnder Praxis und Erfahrung der Krankenhaus­mitarbeiter im Umgang mit Situationen bei einer Vielzahl von Verletzten, da die­

se eher seltene Ereignisse im Kranken­hausbereich darstellen. Die Patienten­versorgung in einem Krankenhaus ist ge­prägt durch eine individualmedizinische Behandlung. Die im Falle eines MANV ggf. notwendige, aber ungewohnte Um­stellung auf ein niedrigeres medizinisches Versorgungsniveau dürfte vielen Kran­kenhausmitarbeitern befremdlich er­scheinen und Schwierigkeiten bereiten. Da diese Thematik keine Kernaufgabe der klinischen Tätigkeit ist und in der medizinischen Ausbildung kaum Beach­tung findet, können sich daraus eine re­duzierte Sensibilität und Motivationspro­bleme ergeben. Weiterhin wird das Kran­kenhaus, im Gegensatz zur Notfallret­tung, nicht von einem motivierten Ehren­amt unterstützt, auf das zusätzlich kurz­fristig zurückgegriffen werden kann (z. B. „Schnell einsatzgruppe Rettungsdienst“ der erweiterten Notfallrettung). Auf­grund der allgemeinen Sparmaßnahmen und Arbeitsverdichtungen ist das Perso­nal darüber hinaus ohnehin insgesamt be­reits stark beansprucht.

Intention und Sinn eines KAP

Das Hauptziel eines praxistauglichen KAP ist eine effektive Vorbereitung auf spezielle Situationen und die gleichzeitige Siche­rung sowie Aufrechterhaltung der Hand­lungsfähigkeit. Dabei müssen gerade auch ungünstige Zeiten hinsichtlich der Personal anwesenheit berücksichtigt wer­den [10]. Die Einlieferung einer Viel­zahl von Verletzten führt zu Ressourcen­mangel in personeller und materieller

Hinsicht. Folglich können die Patienten auch nicht in gewohnter Weise unter in­dividualmedizinischen Gesichtspunkten klinisch behandelt werden, um das poten­tielle Überleben möglichst vieler Patien­ten zu sichern.

Die Aufgabe eines effektiven Krisen­managements ist es, die individualmedi­zinische Behandlung für jeden Patienten dennoch möglichst rasch wiederherzu­stellen, insbesondere für Patienten der Sichtungskategorie I [9, 17]. Diese For­derung ist nur zu realisieren, wenn das Missverhältnis zwischen Patientenzahl und Ressourcenmangel durch angepass­te Krankenhausalarmpläne so schnell wie möglich beseitigt wird [15, 19]. Die an­fängliche Chaosphase ist notwendiger­weise so kurz wie möglich zu halten, um die negativen Folgen auf das System zu be­grenzen [13, 27]. In der Initialphase wird sie letztlich nicht ganz zu verhindern sein. Eine der auffälligsten Besonderheiten bei der Abarbeitung von Ausnahmesituatio­nen im Krankenhaus nach effizienter Vor­bereitung ist der dadurch bedingte Zeit­gewinn. Zeit, die man nicht in schon vor­handene (planbare) Vorkehrungen inves­tieren muss, sondern für spezielle Maß­nahmen in der Akutsituation zur Verfü­gung hat [7].

Neben der allgemeinen Rückgriffmög­lichkeit bei einem MANV auf einen KAP mit klaren Anweisungen haben die da rin enthaltenen Festlegungen noch einen an­deren Stellenwert [30]. Die Vorplanun­gen bedeuten nicht nur eine Form der Anwenderunterstützung. Die Inhalte des KAP sind Verbindlichkeiten, mit denen Entscheidungsträger und Dienstherren Aufgaben sowie Zuständigkeiten festle­gen und Abläufe steuern können [22]. Die Mitarbeiter bekommen Handlungs­anweisungen und Checklisten zur Ver­fügung gestellt, die grundsätzliche Tatsa­chen regeln, jedoch Entscheidungsfreihei­ten offen lassen, um speziellen Situationen auch dynamisch gerecht zu werden [22]. So wird dem Anwender auf der einen Sei­te Sicherheit gegeben und auf der ande­ren Seite kann der Träger des Kranken­hauses davon ausgehen, dass es z. B. nicht zur Unterlassung notwendiger Maßnah­men kommt.

Abb. 2 9 Planspiel-übung während des Krankenhausnormal-betriebes

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Fazit für die Praxis

F  Krankenhäuser müssen  heutzutage für den Fall eines MANV  vorbereitet sein und dafür notwendige  Planungen durchführen sowie ent-sprechende Strukturen etablieren. Das Krankenhaus ist durch komple-xe Betriebs- und Organisationsabläu-fe gekennzeichnet, welche mit zuneh-mender Vielschichtigkeit die Emp-findlichkeit des Systems vergrößern. Unvorhergesehene Ereignisse können gravierende Störungen verursachen, welche zu Patienten- und Mitarbeiter-gefährdung führen können.

F  Gesetzliche Vorgaben, der Versor-gungsauftrag und die ethisch-mora-lische Verantwortung müssen Grund-lage und Antrieb für eine fundierte Planung sein. Möglichst viele Festle-gungen in Bezug auf z. B. Führungs-struktur, Personal- und Raumma-nagement sowie Kommunikation sollten im Vorfeld getätigt und im KAP niedergelegt werden. Dabei ist die Übernahme von bekannten und bewährten Vorkehrungen, Vorhaltun-gen und Organisationsstrukturen, die für vergleichbare Situationen schon in Verwendung sind, sinnvoll.

F  Mit einer Etablierung oder Erweite-rung eines KAP ist die Vorbereitung des Krankenhauses auf einen MANV keinesfalls abgeschlossen. Es ist le-diglich durch aktuelle Sichtweisen ein Prozess neu begonnen worden, der durch kontinuierliche Ausbildung, Be-übung und regelmäßige Reevaluie-rung fortgeschrieben werden muss, um bestmögliche medizinische Ver-sorgung, auch in außergewöhnlichen Lagen, zu ermöglichen.

Korrespondenzadresse

C.J. DiepenseifenRettungsdienst Oberbergischer KreisLockenfeld 12, 51709 [email protected]

Einhaltung ethischer RichtlinienInteressenkonflikt. C.J. Diepenseifen, G. Baumgar-ten und J.-C. Schewe geben an, dass kein Interessen-konflikt besteht.

Dieser Beitrag beinhaltet keine Studien an Menschen oder Tieren.

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38 |  Notfall +  Rettungsmedizin 1 · 2014

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