5
1 Der Kreuzweg in St. Christina im Grödner Tal Im September 1998 wurde der neue Kreuzweg in St. Christina eingerichtet, gerade als ich gemeinsam mit meiner Freundin Gisela dort auf Urlaub war. Kurz nachdem wir abgereist waren, wurde er am 28. September durch den Generalvikar Dr. Josef Matzneller eingeweiht. Wir hatten während unseres Besuches dabei zusehen können, wie die Bildhauer und Schnit- zer aus St. Christina die ausdrucksvollen Bronzeskulpturen, von denen wir zutiefst beein- druckt waren, an den rötlichen Dolomit Felsbrocken angebracht haben. Der Kreuzweg zeigt in 14 Stationen den Leidensweg Christi bis zu seinem Tod am Kreuz. Er führt von oberhalb der Kirche in St. Christina vom Haus Orchidee an bis nach Col de Mëssa in Plesdinaz. Wäh- rend sich 1998 die Bronzeskulpturen noch in tief goldener Farbe vom rötlichen Dolomit ab- setzten, hatten sie in den Jahren bis zu meinem letzten Besuch in den Dolomiten 2010 eine leichte blaugrünliche Patina erhalten, in der aber immer noch die goldene Bronzefarbe her- vortrat. Die wunderschönen Skulpturen der Grödner Bildhauer waren zwölf Jahre lang der Witterung und den Elementen ausgesetzt gewesen. Nun hatte sich ihre Farbe verändert. Aber ihre ausdrucksvolle Schönheit nicht. Jedem Wanderer sei der Kreuzweg empfohlen zur inneren Sammlung und zum stillen Dankes- und Fürsorgegebet. Jesus ist diesen Weg vom Haus des Pilatus bis hoch nach Golgatha (der „Schädelstätte“) gegangen ist, wo er gekreu- zigt wurde. Zum Kreuzweg in St. Christina mit Blick auf das Die erste Station des Kreuzweges Grödner Joch Station 1: Pilatus wäscht seine Hände in vermeintlicher Unschuld Die Hohen Priester und Schriftgelehrten drängten Pilatus, Jesus zum Tode zu verurteilen. Pilatus gibt dem Drängen nach und spricht ein ungerechtes Urteil und das Todesurteil aus. Danach wäscht er seine Hände „in Unschuld“. Jesus wird gegeißelt. Dann überließ Pilatus

Kreuzweg in St. Christina

Embed Size (px)

Citation preview

Page 1: Kreuzweg in St. Christina

 

1  

Der Kreuzweg in St. Christina im Grödner Tal

Im September 1998 wurde der neue Kreuzweg in St. Christina eingerichtet, gerade als ich gemeinsam mit meiner Freundin Gisela dort auf Urlaub war. Kurz nachdem wir abgereist waren, wurde er am 28. September durch den Generalvikar Dr. Josef Matzneller eingeweiht. Wir hatten während unseres Besuches dabei zusehen können, wie die Bildhauer und Schnit-zer aus St. Christina die ausdrucksvollen Bronzeskulpturen, von denen wir zutiefst beein-druckt waren, an den rötlichen Dolomit Felsbrocken angebracht haben. Der Kreuzweg zeigt in 14 Stationen den Leidensweg Christi bis zu seinem Tod am Kreuz. Er führt von oberhalb der Kirche in St. Christina vom Haus Orchidee an bis nach Col de Mëssa in Plesdinaz. Wäh-rend sich 1998 die Bronzeskulpturen noch in tief goldener Farbe vom rötlichen Dolomit ab-setzten, hatten sie in den Jahren bis zu meinem letzten Besuch in den Dolomiten 2010 eine leichte blaugrünliche Patina erhalten, in der aber immer noch die goldene Bronzefarbe her-vortrat. Die wunderschönen Skulpturen der Grödner Bildhauer waren zwölf Jahre lang der Witterung und den Elementen ausgesetzt gewesen. Nun hatte sich ihre Farbe verändert. Aber ihre ausdrucksvolle Schönheit nicht. Jedem Wanderer sei der Kreuzweg empfohlen zur inneren Sammlung und zum stillen Dankes- und Fürsorgegebet. Jesus ist diesen Weg vom Haus des Pilatus bis hoch nach Golgatha (der „Schädelstätte“) gegangen ist, wo er gekreu-zigt wurde.

Zum Kreuzweg in St. Christina mit Blick auf das Die erste Station des Kreuzweges Grödner Joch

Station 1: Pilatus wäscht seine Hände in vermeintlicher Unschuld Die Hohen Priester und Schriftgelehrten drängten Pilatus, Jesus zum Tode zu verurteilen. Pilatus gibt dem Drängen nach und spricht ein ungerechtes Urteil und das Todesurteil aus. Danach wäscht er seine Hände „in Unschuld“. Jesus wird gegeißelt. Dann überließ Pilatus

Page 2: Kreuzweg in St. Christina

 

2  

ihn den Soldaten des Statthalters von Jerusalem. Die brachten ihn auf die Burg und hetzten die ganze Kohorte gegen ihn auf, hängten ihm einen roten Mantel um, setzten ihm eine Dor-nenkrone auf sein Haupt, schlugen und verspotteten ihn. Dann zogen sie ihm den Mantel wieder aus und seine Kleider an und brachten ihm das Kreuz (Matthäus 27). Jesus nimmt das Kreuz, lädt es sich auf und will es selbst zum Ort der Kreuzigung tragen.

Station 2: Jesus nimmt das Kreuz auf seine Schultern Station 3: Jesus fällt zum ersten Mal unter dem Kreuz Der Weg nach Golgatha ist steil und steinig. Schwer ist das Kreuz. Es drückt Jesus zu Bo-den. Keiner der gaffenden Menschen, die zusammengelaufen waren, um die Kreuzigung mit anzusehen hilft ihm. Er wird von den Schergen des Statthalters geschlagen.

Station 4: Seine Mutter Maria begegnet Station 5: Simon von Zyrene soll ihm ihm unterwegs helfen das Kreuz zu tragen Seine Mutter Maria konnte sich durch die Massen an der Straße drängen und ihn umarmen. Sie leidet mit ihm. Die Soldaten des Statthalters forderten Simon aus Zyrene auf das Kreuz tragen zu helfen. Der tat das, obgleich nur widerwillig; denn Jesus wurde immer schwächer.

Page 3: Kreuzweg in St. Christina

 

3  

Er hilft ihm, aber Jesus versuchte immer wieder, das Kreuz allein zu tragen. Er schwitzt unter der Last des Kreuzes. Veronika, die den Hohn und die Drohungen der hasserfüllten und joh-lenden Menschenmenge nicht fürchtet, bahnt sich unerschrocken einen Weg zu Jesus und trocknet sein von Schweiß und Blut überströmtes Antlitz. Auf dem Schweißtuch verbleibt sein schmerzerfülltes Gesicht.

Station 6: Veronika reicht Jesus Station 7: Jesus bricht zum zweiten Mal das Schweißtuch unter der Last des Kreuzes zusammen

Viele Frauen in der Menge beklagen und betrauern ihn. Er sagte aber zu ihnen „Ihr Töchter Jerusalems, weinet nicht über mich; weinet über euch und eure Kinder!“ (Lukas 23). Dann fällt er zum dritten Mal unter dem Kreuz. Die Kräfte verlassen ihn. Aber immer wieder richtet er sich auf und trägt die Last weiter. Sein Leidensweg ist noch nicht zu Ende. Der Kelch muss bis zur Neige getrunken werden.

Station 8: Jesus trifft die weinenden Frauen Station 9: Jesus fällt zum dritten Mal unter dem Kreuz

Page 4: Kreuzweg in St. Christina

 

4  

Nun reißen die Schergen des Statthalters Jesus die Kleider vom Leibe. Er wird bloßgestellt. Und die gaffenden Menschen können sich an seinem zermarterten Körper sattsehen. Er ist verraten, verlassen, allein, erleidet unbeschreibliche körperliche und seelische Qualen. Und wird verhöhnt. Golgatha ist erreicht. Die Soldaten werfen Jesus zu Boden und schlagen ihn mit großen Nägeln durch die Hände und Füße ans Kreuz. Dann richten sie das Kreuz empor.

Station 10: Die Kreuzwegfelsen am Wegesrand Die Soldaten reißen Jesus die Kleider vom Leib Die Felsen mit den Kreuzwegfiguren sind fest und sicher im Boden verankert oder in der Bö-schung am Berghang eingebettet. Matthäus 27: „Als sie zu einem Platz namens Golgatha gekommen waren, gaben sie ihm Wein mit Galle vermischt zu trinken; und als er gekostet hatte, wollte er nicht trinken. Nachdem sie ihn aber gekreuzigt hatten, verteilten sie seine Kleider unter sich, indem sie das Los warfen. Und sie saßen dort und bewachten ihn. Und hefteten über seinem Haupt die Tafel mit der Angabe seiner Schuld an: Dies ist Jesus, der König der Juden“. Über dem Wanderer wölbt sich der weite Himmel. Man meint die unsägli-chen Schmerzen von Jesus bei jedem Schritt zu spüren.

Station 12: Jesus stirbt am Kreuz mit den Worten: „Es ist vollbracht“.

Page 5: Kreuzweg in St. Christina

 

5  

Neben Jesus wurden auch zwei Räuber gekreuzigt. Zu einem davon, der ihn bat seiner zu gedenken sagte Jesus: „Wahrlich, ich sage dir: Heute wirst du mit mir im Paradies sein“ (Lu-kas 33). Die Frauen und seine Bekannten, die ihm von Galiläa her nachgefolgt waren, sa-hen, wie eine Finsternis über das Land kam, die Sonne verblasste und der Vorhang im Tem-pel zerriss, als Jesus verschied.

Station 13: Jesus wird vom Kreuz abgenommen Station 14: Jesus wird ins Grab gelegt

Maria, die Mutter von Jesus hält den Leichnam ihres Sohnes nach der Abnahme vom Kreuz in ihrem Schoß. Die Grablegung endet mit dem Verschließen der Grabstätte mit einem gro-ßen Felsen. Aus dem Grab wird Jesus auferstehen. Mit der letzten Station endet der Kreuzweg in Plesdinaz in St. Christina. Vielerorts in Gröden stehen außerdem noch Kruzifixe, die von den Südtiroler Holzschnitzern und Bildhauern an-gefertigt wurden und noch werden. Sie zeugen, wie auch die Bronzefiguren des Kreuzwegs in St. Christina von der hohen künstlerischen Begabung und Frömmigkeit ihrer Erzeuger.