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Kriminologie IGrundlagen
Kriminologie I WS 2012 - 2013 Page 2
Schwerpunkt Strafrechtspflege
Vorlesungen– Kriminologie I– Kriminologie II– Jugendstrafrecht– Strafvollzugsrecht– Sanktionenrecht
Seminar Materialien, Links, Vorträge, Seminare, Stellenangebote
– Homepage des Schwerpunkts– http://www.mpicc.de/schwerpunkt– http://www.mpicc.de/ww/de/pub/aktuelles/veranstaltungen/lehrveranstaltungen.htm
– http://www.jura.uni-freiburg.de/pruefungsamt/SPB-Studium
Kriminologie I WS 2012 - 2013 Page 3
Spiegel Online, 8. Juni 2012
Ex-Sicherungsverwahrte in Insel "Das nimmt ein böses Ende" Das Dorf Insel in Sachsen-Anhalt ist tief gespalten. Immer wieder demonstrieren
Einwohner gegen zwei aus der Sicherungsverwahrung entlassene Sexualstraftäter. Wer den beiden Männern helfen will, wird ausgegrenzt und bedroht.
Hans-Peter W. und Günther G. haben im Alkoholrausch mehrfach Frauen vergewaltigt, wurden 1985 und 1986 verurteilt. "Der Alkohol ist ihr größter Feind", sagt Nicole Maurer, "aber die trinken seit fast 20 Jahren nichts mehr, weil sie das wissen".
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Gegenstandsbereiche der Kriminologie
Täter/Kriminalität– Entwicklung, Trends – Ursachen/Bedingungen
Soziale Kontrolle/Strafrechtspraktiken– Entwicklung, Trends
» Strafen» Sicherheit und Sicherheitsgefühle» Medien und Kriminalitätsberichtserstattung
– Implementation, Evaluation von Kriminalpolitik– Kritik
Opfer/Viktimologie– Häufigkeit und Ursachen der Viktimisierung– Folgen der Viktimisierung für das Opfer– Kriminalitätsfurcht– Opferschutz
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Kriminalistik – Forensische Wissenschaften
Aufklärung und Tatnachweis– DNA, Fingerabdrücke– Vernehmungstechniken– Polizeiliche Informationssysteme– Profiling
Sachverständige im Strafverfahren (Forensik)– Schuldfähigkeit (§§20, 21 StGB)– Gefährlichkeit und Anordnung von Maßregeln (§§63, 64,
66) oder die Entlassung aus Maßregeln– Glaubwürdigkeit (von Zeugenaussagen)– Blutalkoholkonzentration– Todesursachen
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Wann beginnt die Suche nach den Ursachen von Verbrechen?
Ursachenforschung fällt zusammen mit der Entstehung eines folgenorientierten Strafrechts
Bedarf an empirischem Wissen über Verbrechen und Straftäter
– Kriminalprävention und Rückfallvermeidung
– Schuld und Schuldfähigkeit; psychiatrische und medizinische Sachverständige
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Entwicklungslinien der Kriminologie
Empirische (positivistische) Linie der Kriminologie
– Lombroso „Der geborene Verbrecher“, kriminalanthropologische Schule
– Soziologische Schule: Tarde, Lacassagne (Milieu ist entscheidend)
Klassische Schule der Kriminologie
– Beccaria: Verbrechen und Strafe, Kritik des Strafrechts
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Lombroso (1835 - 1909)
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Lombroso: Kriminalität ist anlagebedingt
Der Verbrecher ist an äußeren Merkmalen (stigmata) zu erkennen
1876 erscheint die Schrift „Der geborene Verbrecher“ (l´ uomo delinquente
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Lombroso´s „Verbrechermenschen“
1. Mörder und Dieb. Stark entwickelte Augenbrauenbögen, enorme Jochbeine und Kiefer, Stirnrunzeln.2. Mörder. Starke Runzeln, enorme Kiefer und Jochbeine, stark disproportioniert.3. Mörder und Dieb. Sehr langes Gesicht, langer Kiefer, dichtes und struppiges Haar, Bartlosigkeit.
Quelle: www. http://schulung.m-daniel.ch/index.php?nav=384,385,875,902
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Lombroso´s Verbrechenstheorie
Verbrechen ist anlagebedingt
Grundlage der Erklärung
– Darwins Evolutionstheorie
– Verbrechen entsteht, weil ein Mensch auf einer frühen Entwicklungsstufe stehen geblieben ist
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Darwin: Evolutionstheorie und Sozialdarwinismus
Leben beruht auf einem Prozess der Evolution Evolution verläuft graduell und über lange Zeit Evolution beruht auf natürlicher Selektion Die verschiedenen Arten entstanden aus einer einzigen Lebensform
und zwar im Verlaufe eines Prozesses der Spezialisierung Unterschiede zwischen den Arten entstehen durch Zufallsprozesse Überleben und Aussterben der Arten sind bestimmt durch die Fähigkeit
von Organismen, sich an ihre Umwelt anzupassen
"On the Origin of Species by Means of Natural Selection, or the Preservation of Favoured Races in the Struggle for Life" (1859)
Versuch der Übertragung der biologischen Evolution auf soziale Evolution (Sozialdarwinismus)
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Die Kriminalanthropologie Lombroso´s
Verbrecher sind primitive Menschen
Verbrechen sind atavistisch (Rückfall in überholte Verhaltensweisen)
Modell des „freien Willens“ ist ungeeignet: Verhalten ist determiniert
Konzept der Gleichheit (jeder Mensch wählt Handlungen frei aus, auf der Grundlage einer rationalen (vernünftigen) Entscheidung) wird abgelehnt
Verbrechen hat biologische Grundlagen– Forschungsmethode: systematischer Vergleich von Gefängnisinsassen
mit nicht auffällig gewordenen Personen– Einbezogene Merkmale in der Erklärung: äußere Merkmale
Kriminalpolitische Konsequenzen– Eugenik, Sicherung
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Milieutheorien
Lacassagne (1843-1924), Tarde (1843-1904) “Der Mensch wird zum Verbrecher, weil ihn seine Umwelt dazu macht”
– Französische kriminalsoziologische Schule: These: Die Umwelt determiniert die Entwicklung und die Handlungen
eines Menschen– Vorstellungen: Der Mensch ist formbar, erziehbar und von seiner
Umwelt abhängig (Rousseau)– Konsequenzen: Ein Schuldstrafrecht ist nicht begründbar. Aus der
Französischen kriminalsoziologischen Schule entwickelt sich insoweit konsequent die Doktrin der
Défence Sociale– Maßnahmen gegen einen Straftäter begründen sich nicht aus dessen
Schuld und Verantwortung für das begangene Unrecht, sondern aus dem Recht einer Gesellschaft, sich gegen Straftäter verteidigen zu dürfen (Maßregelansatz)
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Ferri (1856-1929)
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Ferri: Anlage-Umwelt-Formel
These: Verbrechen ist eine Funktion von Anlage des Menschen und dessen Umwelt
Hieraus entsteht in Deutschland die Vereinigungstheorie und - im 20. Jahrhundert - die Vorstellung, dass lediglich ein sog.
– multifaktorieller Ansatz in der Erklärung von Kriminalität plausibel sei.
Zusammenfassung:
Die hiermit skizzierte Entwicklungslinie der Kriminologie ist– ätiologisch (an der Suche nach Ursachen orientiert)– deterministisch (Verbrechen als Schicksal - für das
Individuum)
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Klassische Schule der Kriminologie
Beccaria (1738-1794): “Über Verbrechen und Strafen” (1764)
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Jeremy Bentham (1748-1832)
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Klassische Schule
Unterschied zur positivistischen Linie der Kriminologie:
Aufgreifen der Fragestellung des Strafrechts und der Strafrechtlichen Sozialkontrolle
– Beeinflusst durch:
– Aufklärung
– Staatsvertragstheorie» Individuum, Staat/Gesellschaft, Kausalität
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Inhalt der klassischen Linie der Kriminologie
Grundlagen– Freier Wille– Gleichheit
Bentham – Konstanten des menschlichen Lebens sind Leid und Freude– Entscheidend ist das Nutzenkalkül– Jeder Einzelne kann am besten beurteilen, was für ihn am
nützlichsten ist Strafrechtskritik
– Forderungen Beccarias– Willkürverbot– Gesetzlichkeitsprinzip– Prävention anstelle Vergeltung (Nützlichkeit)– Abschaffung grausamer Strafen– Abschaffung der Todesstrafe
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Zusammenfassung
Zwei Entwicklungslinien
–Ursachenforschung
–Strafrechtskritik
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Weitere Entwicklungen der Kriminologie
Forschungen zu kriminologischen Fragestellungen aus der Soziologie
– Durkheim– Bonger– Tarde– Tönnies– Engels/Marx
– Themen: Wirtschaftliche Bedingungen, Armut, Arbeitslosigkeit, Verelendung, Klassenjustiz
aus der Psychiatrie/Medizin/Rechtswissenschaft– Themen:
– Ursachen des Verbrechens– Täterpersönlichkeit– Wirkungen strafrechtlicher Sanktionen– Programm Franz v. Liszt: Jugendstrafrecht, Besserungsstrafrecht
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Regional unterschiedliche Entwicklungen der Kriminologie
Nordamerika:
–Soziologische Kriminologie
Europa (Deutschland):
–Psychiatrisch-juristische Kriminologie