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69 Kulturpolitische Mitteilungen • Nr. 122 • III/2008 Studium Kultur Von der Schublade zum System »Cultural Engineering« soll die Studierenden darauf vorbereiten, komplexe gesellschaftli- che Systeme transdisziplinär aufzuschließen und (neu) zu designen. Probleme zu lösen und Aufgaben angemessen zu bearbeiten bedeutet immer öfter, vielfältiges Expertenwissen zu Rate zu ziehen. Wer verfügbares Wissen nur in Schubladen sortiert sieht, kommt hier schwer voran. Der Studiengang »Cultural Enginee- ring« übt darin, für das Verstehen und Umge- hen mit der komplexen Welt immer mehrere Schubladen aufzuziehen und die darin abge- legten Wissensbestände systemisch zu nut- zen. Zur Realisierung der Perspektivenvielfalt und des Strategie- und Methodenmixes wurde ein Team von Lehrenden mit unterschiedli- chen disziplinären Herkünften etabliert, die gemeinsam mit den Studierenden innerhalb verschiedener gesellschaftlicher Systeme kom- plexe Aufgaben bearbeiten. Und so schieben sich die disziplinären Betrachtungsweisen der Kulturwissenschaft, des Lern- und Wissens- managements, der Logistik, aber auch der Wirtschaftsinformatik und der Ökonomie all- mählich ineinander und schließen in der Pro- jektarbeit Komplexität auf. Nicht in engen Fachbegriffen und Modellen von Spezialisten zu denken, sondern in Kategorien mit Beiträ- gen der benannten Disziplinen zu Kultur, Wis- sen, Prozessen und Innovationen sowie zu Methode und Methodologie – das ist der Stu- diengang »Cultural Engineering«. Er schafft die Basis für die Analyse und das (Re)Design von Systemen in verschiedenen gesellschaft- lichen Handlungsfeldern. Raum für (eigene) Ideen und Ziele »Cultural Engineering« gibt Raum, um Pro- jekte und Vorhaben gemeinsam mit außer- universitären Partnern zu entwickeln und um- zusetzen. Damit man dabei lernt, wer man selber ist und sein möchte, gibt es das so genannte »Training«, in dem man mit sich und mit der eigenen Kompetenzentwicklung und Selbstpräsentation »im Gespräch« ist. Das ist eine Gelegenheit, Engagement, Inte- resse, Verantwortungsbereitschaft, Teamfä- higkeit und Eigenständigkeit bei sich selbst und in der Gruppe im Blick zu haben und auch daran zu arbeiten. Ein bestimmtes Verständnis von Raum prägt die Programmatik von »Cultural Engi- neering«: es geht um die Rekonstruktion, Optimierung und Schaffung von Möglich- keits- und Entfaltungsräumen. Damit ope- riert das Studienangebot mit einer Leitidee, und zwar derjenigen des (zu lesenden und zu gestaltenden) Raums. Die Möglichkeits- und Entfaltungsräume sind als ›kulturelle‹ Räu- me ›ingenieurhaft‹ zu pflegen und zu gestal- ten, deshalb führt das Studienprogramm zu den Kerntätigkeiten und Aufgaben des ›Set- tings‹, ›Spacings‹ und ›Engineerings‹. Alle gesellschaftlichen Handlungsfelder werden durch systemische Gefüge geprägt. Daraus ergibt sich die Breite der Einsatzbereiche, in die die Absolventen des Studienganges ein- münden können: Sie übernehmen verantwor- tungsvolle Rollen in Systemen aus den Be- reichen Wirtschaft, Bildung, Gesundheit, Kultur, Stadt bzw. Region. Seit der Gründung des Studiengangs im Jahr 2001 kann man in dieser Disziplin seinen Bachelor machen, seit 2007 ist das neue Mas- terprogramm angelaufen. Auch dieses setzt auf Breite und leistet sich doch auch Tiefe: im gründlichen – eben kategorialen – Denken, im wirklichen Sich-Einlassen auf reale Probleme und Aufgaben, in der Intensität einer über- schaubar kleinen Lerngruppe. Der »Master Cultural Engineering« ist für viele eine pro- duktive Weiterqualifizierungsmöglichkeit. Er richtet sich an Absolventen von Diplom-, Magister- und Bachelorstudiengängen mit kultur- und sozialwissenschaftlichen Ab- schlüssen genauso wie an solche mit informa- tischem, technischem oder ökonomischem Profil. Er lädt ein, transdisziplinär zu arbeiten, mit dem Denken nicht an Fächergrenzen auf- zuhören und Interesse daran zu haben, sich zu erproben und zu sehen, was man schafft, wenn man Wissen praktisch werden lässt. Aus Projekten werden festen Einrichtungen Das zeigt sich beispielweise an KanTe e.V.: Auf der Basis von Projekterfahrungen bei der Kon- zeption und Durchführung verschiedener Kul- turevents gründeten Studenten des Studiengangs 2003 den Kulturverein KanTe e.V., der das Ziel verfolgt »Kultur auf neuem Terrain erlebbar (zu) machen«. Inzwischen wurden über zehn Projekte organisiert, darunter die Band-Festival- reihe »upgrade« mit Bands aus Magdeburg und Sarajewo und das Projekt »Nimmerland«: eine Ausstellungs- und Veranstaltungsreihe über »Helden der Kindheit« und kollektive Gedächt- nisräume oder »f/12 – ein experimenteller Foto- wettbewerb zum Stadtbild«. Ein anderes Beispiel ist die Cubix GbR: Neu aus dem Umfeld des Studienganges tritt die Cubix GbR 2008 ans Licht der Öffentlich- keit. Die studentische Beratungswerkstatt ist ein transdisziplinäres Projekt für den Wis- senstransfer aus den Bereichen der Kultur- wissenschaft, des Wissensmanagments und der Logistik in Felder der Praxis. Das Leistungspaket der Cubix GbR beinhal- tet Beratungs- und Konzeptionisierungsleis- tungen in den Bereichen Stadtentwickung, Un- ternehmens- und Organisationsberatung, Even- tentwicklung und qualitative Marktforschung. Cubix funktioniert auch als Schleuse und Ak- quisitionsfenster für die Projektarbeit mit Stu- dierenden dieses und anderer Studiengängen. Renate Girmes, Thomas Düllo, Deborah Riemann und Lena Shimada Infos:www.uni-magdeburg.de/cultural-engineering, C. Schernick (T 0391/67-16940, [email protected]) oder Prof. Dr. R. Girmes ([email protected]) Cultural Engineering – Wissenschaft, die sich einmischt Der Studiengang »Cultural Engineering« an der Universität Magdeburg Facts BA CE: Kulturwissenschaft – Wissensmanagement – Logistik (8 Semester) Kerndisziplinen: Kulturwissenschaft Wissensmanagment Logistik Nebenmodule: Ökonomische Bildung Wirtschaftsinformatik Recht Projektmodule: Entfaltung von Möglichkeitsräumen (Stadt/ Event/Raumsettings) Trainingsmodule: Entwicklung personaler Kompetenz Berufsentwicklung Methodik/Methodologie Famulaturmodul Wahlpflichtbereich: Frei wählbar aus dem Angebot der Universi- tät Magdeburg Facts MA CE: Kultur – Wissen – Prozesse – Innovation (konsekutiv: 2–3 Semester) (nicht konsekutiv: 4 Semester – für externe BA- Absolventen oder berufsbegleitend) Basismodule: Transdisziplinäre Theorie- und Wissensbe- stände, die helfen, Systeme zu »lesen« Studienmodule: Disziplinäre Sichtweisen, Strategien, Metho- den der an CE beteiligten Disziplinen zur Analyse und zum Design in exemplarischen Anwendungsfällen und Projekten (Konzepti- on, Implementation, Evaluation, Intervention) Trainingsmodule: Persönlichkeitsentwicklung Berufsentwicklung Wissenschaftstheoretisches und methodo- logisches Wissen Wahlpflichtbereich: Frei wählbar aus verschiedenen Systemwelten Masterthesis inkl. Kolloquium

Kulturpolitische Mitteilungen • Nr. 122 • III/2008

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Wissenschaft, die sich einmischt. Cultural Engineering

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69Kulturpolitische Mitteilungen • Nr. 122 • III/2008

STUDIUM KULTURStudium Kultur

Von der Schublade zum System»Cultural Engineering« soll die Studierendendarauf vorbereiten, komplexe gesellschaftli-che Systeme transdisziplinär aufzuschließenund (neu) zu designen. Probleme zu lösen undAufgaben angemessen zu bearbeiten bedeutetimmer öfter, vielfältiges Expertenwissen zuRate zu ziehen. Wer verfügbares Wissen nurin Schubladen sortiert sieht, kommt hier schwervoran. Der Studiengang »Cultural Enginee-ring« übt darin, für das Verstehen und Umge-hen mit der komplexen Welt immer mehrereSchubladen aufzuziehen und die darin abge-legten Wissensbestände systemisch zu nut-zen. Zur Realisierung der Perspektivenvielfaltund des Strategie- und Methodenmixes wurdeein Team von Lehrenden mit unterschiedli-chen disziplinären Herkünften etabliert, diegemeinsam mit den Studierenden innerhalbverschiedener gesellschaftlicher Systeme kom-plexe Aufgaben bearbeiten. Und so schiebensich die disziplinären Betrachtungsweisen derKulturwissenschaft, des Lern- und Wissens-managements, der Logistik, aber auch derWirtschaftsinformatik und der Ökonomie all-mählich ineinander und schließen in der Pro-jektarbeit Komplexität auf. Nicht in engenFachbegriffen und Modellen von Spezialistenzu denken, sondern in Kategorien mit Beiträ-gen der benannten Disziplinen zu Kultur, Wis-sen, Prozessen und Innovationen sowie zuMethode und Methodologie – das ist der Stu-diengang »Cultural Engineering«. Er schafftdie Basis für die Analyse und das (Re)Designvon Systemen in verschiedenen gesellschaft-lichen Handlungsfeldern.

Raum für (eigene) Ideen und Ziele»Cultural Engineering« gibt Raum, um Pro-jekte und Vorhaben gemeinsam mit außer-universitären Partnern zu entwickeln und um-zusetzen. Damit man dabei lernt, wer manselber ist und sein möchte, gibt es das sogenannte »Training«, in dem man mit sichund mit der eigenen Kompetenzentwicklungund Selbstpräsentation »im Gespräch« ist.Das ist eine Gelegenheit, Engagement, Inte-resse, Verantwortungsbereitschaft, Teamfä-higkeit und Eigenständigkeit bei sich selbstund in der Gruppe im Blick zu haben undauch daran zu arbeiten.

Ein bestimmtes Verständnis von Raumprägt die Programmatik von »Cultural Engi-neering«: es geht um die Rekonstruktion,Optimierung und Schaffung von Möglich-keits- und Entfaltungsräumen. Damit ope-riert das Studienangebot mit einer Leitidee,und zwar derjenigen des (zu lesenden und zugestaltenden) Raums. Die Möglichkeits- undEntfaltungsräume sind als ›kulturelle‹ Räu-me ›ingenieurhaft‹ zu pflegen und zu gestal-ten, deshalb führt das Studienprogramm zuden Kerntätigkeiten und Aufgaben des ›Set-tings‹, ›Spacings‹ und ›Engineerings‹. Allegesellschaftlichen Handlungsfelder werdendurch systemische Gefüge geprägt. Darausergibt sich die Breite der Einsatzbereiche, indie die Absolventen des Studienganges ein-münden können: Sie übernehmen verantwor-tungsvolle Rollen in Systemen aus den Be-reichen Wirtschaft, Bildung, Gesundheit,Kultur, Stadt bzw. Region.

Seit der Gründung des Studiengangs imJahr 2001 kann man in dieser Disziplin seinenBachelor machen, seit 2007 ist das neue Mas-terprogramm angelaufen. Auch dieses setztauf Breite und leistet sich doch auch Tiefe: imgründlichen – eben kategorialen – Denken, imwirklichen Sich-Einlassen auf reale Problemeund Aufgaben, in der Intensität einer über-schaubar kleinen Lerngruppe. Der »MasterCultural Engineering« ist für viele eine pro-duktive Weiterqualifizierungsmöglichkeit. Errichtet sich an Absolventen von Diplom-,Magister- und Bachelorstudiengängen mitkultur- und sozialwissenschaftlichen Ab-schlüssen genauso wie an solche mit informa-tischem, technischem oder ökonomischemProfil. Er lädt ein, transdisziplinär zu arbeiten,mit dem Denken nicht an Fächergrenzen auf-zuhören und Interesse daran zu haben, sich zuerproben und zu sehen, was man schafft, wennman Wissen praktisch werden lässt.

Aus Projekten werden festen EinrichtungenDas zeigt sich beispielweise an KanTe e.V.: Aufder Basis von Projekterfahrungen bei der Kon-zeption und Durchführung verschiedener Kul-turevents gründeten Studenten des Studiengangs2003 den Kulturverein KanTe e.V., der das Zielverfolgt »Kultur auf neuem Terrain erlebbar(zu) machen«. Inzwischen wurden über zehnProjekte organisiert, darunter die Band-Festival-reihe »upgrade« mit Bands aus Magdeburg undSarajewo und das Projekt »Nimmerland«: eineAusstellungs- und Veranstaltungsreihe über»Helden der Kindheit« und kollektive Gedächt-nisräume oder »f/12 – ein experimenteller Foto-wettbewerb zum Stadtbild«.

Ein anderes Beispiel ist die Cubix GbR:Neu aus dem Umfeld des Studienganges trittdie Cubix GbR 2008 ans Licht der Öffentlich-keit. Die studentische Beratungswerkstatt istein transdisziplinäres Projekt für den Wis-senstransfer aus den Bereichen der Kultur-wissenschaft, des Wissensmanagments undder Logistik in Felder der Praxis.

Das Leistungspaket der Cubix GbR beinhal-tet Beratungs- und Konzeptionisierungsleis-tungen in den Bereichen Stadtentwickung, Un-ternehmens- und Organisationsberatung, Even-tentwicklung und qualitative Marktforschung.Cubix funktioniert auch als Schleuse und Ak-quisitionsfenster für die Projektarbeit mit Stu-dierenden dieses und anderer Studiengängen.

Renate Girmes, Thomas Düllo, DeborahRiemann und Lena Shimada

Infos: www.uni-magdeburg.de/cultural-engineering,C. Schernick (T 0391/67-16940, [email protected])oder Prof. Dr. R. Girmes ([email protected])

Cultural Engineering – Wissenschaft, die sich einmischt

Der Studiengang »Cultural Engineering« an der Universität Magdeburg

Facts BA CE: Kulturwissenschaft –Wissensmanagement – Logistik(8 Semester)

Kerndisziplinen:• Kulturwissenschaft• Wissensmanagment• Logistik

Nebenmodule:• Ökonomische Bildung• Wirtschaftsinformatik• Recht

Projektmodule:• Entfaltung von Möglichkeitsräumen (Stadt/

Event/Raumsettings)Trainingsmodule:• Entwicklung personaler Kompetenz• Berufsentwicklung• Methodik/Methodologie

Famulaturmodul

Wahlpflichtbereich:• Frei wählbar aus dem Angebot der Universi-

tät Magdeburg

Facts MA CE: Kultur – Wissen –Prozesse – Innovation(konsekutiv: 2–3 Semester)(nicht konsekutiv: 4 Semester – für externe BA-Absolventen oder berufsbegleitend)Basismodule:• Transdisziplinäre Theorie- und Wissensbe-

stände, die helfen, Systeme zu »lesen«Studienmodule:• Disziplinäre Sichtweisen, Strategien, Metho-

den der an CE beteiligten Disziplinen zurAnalyse und zum Design in exemplarischenAnwendungsfällen und Projekten (Konzepti-on, Implementation, Evaluation, Intervention)

Trainingsmodule:• Persönlichkeitsentwicklung• Berufsentwicklung• Wissenschaftstheoretisches und methodo-

logisches WissenWahlpflichtbereich:• Frei wählbar aus verschiedenen SystemweltenMasterthesis inkl. Kolloquium