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HMD 261 51 Christoph Lattemann, Marc Fetscherin, Guido Lang Kundenintegration im Produktentwicklungsprozess in virtuellen Welten Eine Bestandsaufnahme in Second Life Schon heute nutzen namhafte Unternehmen vir- tuelle Welten, insbesondere Second Life (SL), als Kommunikationskanal zu Kunden und als Instru- ment der Kundenintegration. Forschungen im Bereich des Customer Relationship Manage- ment zeigen, dass Kundenintegrationskonzepte in der Produktentwicklung strategische Wettbe- werbsvorteile generieren können. Jedoch ist noch wenig darüber bekannt, ob und wie die Kunden- integration für die Produktentwicklung im Kon- text virtueller Welten angewendet werden kann. Dieser Beitrag stellt Ergebnisse einer Studie dar, in der unternehmenseigene Nachrichten ei- nes Convenience Sample von 130 in Second Life aktiven Unternehmen qualitativ zu geplanten und realisierten Kundenintegrationsprojekten in Second Life analysiert wurden. Hierzu wird ein Rahmenmodell vorgestellt, das die Möglichkei- ten zur Nutzung von Second Life als Marketing- und Produktentwicklungsplattform aufzeigt. Realisierte Maßnahmen zur Kundenintegration in virtuellen Welten werden dargestellt. Die Un- tersuchungsergebnisse zeigen, dass lediglich 17 % der in Second Life untersuchten Unternehmen Kundenintegrationsansätze zu Produktentwick- lungszwecken anwenden. Unternehmen inte- grieren ihre Kunden in den untersuchten Fällen in unterschiedliche Wertschöpfungsprozesse und organisieren häufig Wettbewerbe, um Produkt- entwicklungstätigkeiten durch Kunden zu initiie- ren. Die Studienergebnisse lassen darauf schlie- ßen, dass die Potenziale virtueller Welten zur Kundenintegration in die Neuproduktentwick- lung noch nicht vollständig erkannt sind. Inhaltsübersicht 1 Einführung 2 Modelle zur Kundenintegration in der Produktentwicklung 3 Methodisches Vorgehen 4 Untersuchungsergebnisse 4.1 Ideengenerierung – Kunde als Ressource 4.2 Konzept und Design – Kunde als Koproduzent 4.3 Produkttest – Kunde als Nutzer 4.4 Markteinführung – Kunde als Käufer 4.5 Diskussion 5 Ausblick 6 Literatur 1 Einführung Innovationen werden als Schlüsselfaktor ge- sehen, um in einer globalisierten Welt Wett- bewerbsvorteile für Unternehmen zu schaffen. Forschungen zeigen, dass die Integration von externem Wissen in den Innovationsprozess des Unternehmens einen wichtigen Bestandteil bei der Entwicklung erfolgreicher Produkte dar- stellt [Leonard-Barton 1993; Piller & Stotko 2003; Lattemann & Robra-Bissantz 2006]. Ex- ternes Wissen lässt sich beispielsweise durch die Einbindung von Kunden in den Neuprodukt- entwicklungsprozess internalisieren [Leonard- Barton 1993]. In diesem Kontext bieten virtuelle Welten neue Möglichkeiten, um Kundenbedürf- nisse und deren Präferenzen frühzeitig aufzu- greifen und zu nutzen [Füller et al. 2004]. Nach [Hemp 2006] verdoppelt sich die Nutzerzahl in virtuellen Welten jedes Jahr. Der- zeit zeichnet sich die Tendenz ab, dass virtuelle Welten einem ähnlichen Trend wie andere so-

Kundenintegration im Produktentwicklungsprozess in virtuellen Welten

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Christoph Lattemann, Marc Fetscherin, Guido Lang

Kundenintegration im Produktentwicklungsprozess in virtuellen WeltenEine Bestandsaufnahme in Second Life

Schon heute nutzen namhafte Unternehmen vir-tuelle Welten, insbesondere Second Life (SL), alsKommunikationskanal zu Kunden und als Instru-ment der Kundenintegration. Forschungen imBereich des Customer Relationship Manage-ment zeigen, dass Kundenintegrationskonzeptein der Produktentwicklung strategische Wettbe-werbsvorteile generieren können. Jedoch ist nochwenig darüber bekannt, ob und wie die Kunden-integration für die Produktentwicklung im Kon-text virtueller Welten angewendet werden kann.

Dieser Beitrag stellt Ergebnisse einer Studiedar, in der unternehmenseigene Nachrichten ei-nes Convenience Sample von 130 in Second Lifeaktiven Unternehmen qualitativ zu geplantenund realisierten Kundenintegrationsprojekten inSecond Life analysiert wurden. Hierzu wird einRahmenmodell vorgestellt, das die Möglichkei-ten zur Nutzung von Second Life als Marketing-und Produktentwicklungsplattform aufzeigt.Realisierte Maßnahmen zur Kundenintegrationin virtuellen Welten werden dargestellt. Die Un-tersuchungsergebnisse zeigen, dass lediglich 17 %der in Second Life untersuchten UnternehmenKundenintegrationsansätze zu Produktentwick-lungszwecken anwenden. Unternehmen inte-grieren ihre Kunden in den untersuchten Fällen inunterschiedliche Wertschöpfungsprozesse undorganisieren häufig Wettbewerbe, um Produkt-entwicklungstätigkeiten durch Kunden zu initiie-ren. Die Studienergebnisse lassen darauf schlie-ßen, dass die Potenziale virtueller Welten zurKundenintegration in die Neuproduktentwick-lung noch nicht vollständig erkannt sind.

Inhaltsübersicht1 Einführung 2 Modelle zur Kundenintegration in der

Produktentwicklung3 Methodisches Vorgehen4 Untersuchungsergebnisse

4.1 Ideengenerierung – Kunde als Ressource4.2 Konzept und Design – Kunde als

Koproduzent 4.3 Produkttest – Kunde als Nutzer4.4 Markteinführung – Kunde als Käufer4.5 Diskussion

5 Ausblick6 Literatur

1 Einführung Innovationen werden als Schlüsselfaktor ge-sehen, um in einer globalisierten Welt Wett-bewerbsvorteile für Unternehmen zu schaffen.Forschungen zeigen, dass die Integration vonexternem Wissen in den Innovationsprozessdes Unternehmens einen wichtigen Bestandteilbei der Entwicklung erfolgreicher Produkte dar-stellt [Leonard-Barton 1993; Piller & Stotko2003; Lattemann & Robra-Bissantz 2006]. Ex-ternes Wissen lässt sich beispielsweise durchdie Einbindung von Kunden in den Neuprodukt-entwicklungsprozess internalisieren [Leonard-Barton 1993]. In diesem Kontext bieten virtuelleWelten neue Möglichkeiten, um Kundenbedürf-nisse und deren Präferenzen frühzeitig aufzu-greifen und zu nutzen [Füller et al. 2004].

Nach [Hemp 2006] verdoppelt sich dieNutzerzahl in virtuellen Welten jedes Jahr. Der-zeit zeichnet sich die Tendenz ab, dass virtuelleWelten einem ähnlichen Trend wie andere so-

Kundenintegration mittels virtueller Welten

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ziale Netzwerke unterliegen, wie beispielswei-se YouTube oder Facebook, die innerhalb kür-zester Zeit mehrere Millionen Nutzer gewin-nen konnten.

Second Life (SL) ist eine der derzeit bekann-testen und meistgenutzten virtuellen Welten.Die Nutzer kreieren ihre eigenen Avatare. Sieentwickeln ihre eigenen virtuellen Objekte undProdukte und besitzen darüber Urheber- undVerwertungsrechte. Die Avatare können virtuel-le Produkte und Dienstleistungen kaufen undverkaufen. Die offizielle Währung in SL, der Lin-den Dollar, ist über einen Wechselkurs, der amSL-Kapitalmarkt bestimmt wird, an den US-Dol-lar gebunden. Dies erlaubt es Nutzern, entspre-chende Transaktionen direkt in SL abzuwickeln.Bereits heute werden nach Angaben des Betrei-bers Linden Labs in SL täglich virtuelle Güter imWert von mehr als 1 Million US-Dollar gehandelt.

Doch trotz der zunehmenden Bedeutungvirtueller Welten ist derzeit kaum bekannt, obund wie Unternehmen virtuelle Welten zuKundenintegrationszwecken im Neuprodukt-entwicklungsprozess einsetzen. Ziel dieses Bei-trags ist es daher, entsprechende Unterneh-mensaktivitäten in SL aufzuzeigen und BestPractices vorzustellen. Hierzu wurden unter-nehmenseigene Mitteilungen eines Convenien-ce Sample von 130 in SL aktiven Unternehmenqualitativ analysiert und Best Practices darge-

stellt. Um die verschiedenen Unternehmens-aktivitäten systematisch einordnen zu können,wird hierzu zunächst im Folgenden ein Rah-menmodell abgeleitet, des den Entwicklungs-prozess neuer Produkte mit Kundenintegra-tionsfunktionen kombiniert.

2 Modelle zur Kundenintegration in der Produktentwicklung

Um den steigenden Innovationsgeschwindig-keiten entgegenzuwirken, wird von Theorie undPraxis vorgeschlagen, Kunden in die Wertschöp-fungskette und speziell in den Produktentwick-lungsprozess zu integrieren [Leonard-Barton1993]. In der Forschung wird der Prozess derNeuproduktentwicklung häufig in Phasen mo-delliert [Füller et al. 2004]. Bekannte Modellereferenzieren auf vier bis sechs Phasen (u. a.[Füller & Matzler 2007], [Dahan & Hauser 2002],[Nambisan 2002], [Enkel et al. 2005]), weisenaber alle in Hinsicht auf den Untersuchungs-gegenstand Schwächen auf, sodass keines derModelle als Referenzrahmen verwendet werdenkann. Aus diesem Grund wird ein eigenesModell abgeleitet, um Konzepte der Kundenin-tegration in der Neuproduktentwicklung in SLanalysieren zu können. Hierzu werden zunächstdie in Tabelle 1 dargestellten Phasenmodellegegenübergestellt und kurz diskutiert.

Autor(en) [Jahr] Phasen der Produktentwicklung

Nambisan [2002]

Ideenfindung Design und Entwicklung Produkttest Produkt- unterstützung

Dahan & Hauser [2002]

Möglichkeits-raum & Ideen definieren

Konzept-entwicklung

Design und Entwicklung Produkttest Markt-einführung

Enkel et al. [2005]

Ideen-generierung

Konzept-entwicklung

Kernkon-zept und Design

Konzept Evalua-tion

Vorankündi-gung

Markt-einführung

Füller & Matzler [2007]

Ideengenerierung und Konzept

Design und Entwicklung Test und Einführung

abgeleitetes Modell

Ideengenerierung Konzept und Design Produkttest Markt-einführung

Tab. 1: Vierphasenmodell zur Produktentwicklung

Kundenintegration mittels virtueller Welten

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Die aufgezeigten Modelle unterscheiden sichhauptsächlich in der Abgrenzung und Defini-tion der einzelnen Phasen. [Nambisan 2002]unterscheidet vier Phasen, die Ideenfindung,das Design und die Entwicklung, Produkttestsowie Produktunterstützung. Im Gegensatz zuallen anderen vorgestellten Autoren ist hierbeijedoch nicht klar, wo konzeptionelle Tätigkeitender Neuproduktentwicklung zuzuordnen sind.Weiterhin sind in dem Modell von Nambisankeine unternehmensseitigen Marketing- bzw.Produktverbesserungsaktivitäten zulässig, dain diesem Modell die letzte Phase der Produkt-unterstützung als reine Kunde-zu-Kunde-Inter-aktion definiert wird. Die Modelle von [Dahan &Hauser 2002] sowie [Enkel et al. 2005] bieteneine breitere Basis zur Klassifizierung, indem siekonzeptionelle Tätigkeiten aufnehmen und dieletzte Phase in einem weiteren Sinne als Markt-einführung definieren, in der sowohl Kunde-zu-Kunde-Interaktionen wie auch Unterneh-men-zu-Kunde-Interaktionen möglich sind. Siedefinieren die vorgelagerten Phasen jedochwiederum sehr eng, sodass deren Ansätze fürden hier aufgezeigten Untersuchungszweckkaum geeignet erscheinen. Obwohl das Modellvon [Füller & Matzler 2007] diese Anforderun-gen erfüllt, werden hier wiederum die erstenProzessaktivitäten der Ideengenerierung undKonzeption kombiniert. Da diese Tätigkeiten inder Praxis jedoch häufig sukzessiv durchgeführtwerden, scheint die von Füller und Matzler vor-geschlagene Phasenverknüpfung für den An-wendungsfall nicht zweckmäßig.

Da keines der vorgestellten Modelle einegeeignete Phaseneinteilung darstellt, wurdeein für den Untersuchungsgegenstand geeig-netes Vierphasenmodell abgeleitet. DiesesModell umfasst die Phasen (1) Ideengenerie-rung, (2) Konzept und Design, (3) Produkttestund (4) Markteinführung (vgl. Tab. 1). Die Phaseder Ideengenerierung bezieht sich auf Aktio-nen, die die Kreativität zur Erzeugung und Iden-tifikation neuer Ideen unterstützen. Die PhaseKonzept und Design fokussiert auf die Entwick-

lung und Evaluation eines Produktkonzepts unddes daraus entstehenden Produktdesigns. DiePhase des Produkttests konzentriert sich auf dieEntwicklung und iterative Anpassung eines Pro-duktprototyps. Die letzte Phase der Marktein-führung stellt auf die Weiterentwicklung undVerbesserung eines Produktes in der Marktein-führung ab, die auch Aktivitäten im Marketing,Verkauf und After-Sales-Dienstleistungen um-fasst. Das abgeleitete Modell setzt keine strikteÜberlappungsfreiheit oder sukzessive Phasen-reihenfolge voraus. Darüber hinaus müssenauch nicht alle Phasen vollständig vorhandensein, um einen Gesamtprozess der Neuprodukt-entwicklung zu definieren.

Die Integration des Kunden in die Wert-schöpfungskette wird in der Forschung als wirk-same Gegenmaßnahme zu den steigendenInnovationsgeschwindigkeiten und den sichschnell ändernden Kundenbedürfnissen vor-geschlagen [Leonard-Barton 1993]. Die Kunden-integration in der Neuproduktentwicklungkann für ein Unternehmen besonders erfolgs-kritisch sein [Füller et al. 2004]. Um kunden-seitige Aktivitäten im Wertschöpfungsprozesszu systematisieren, hat [Lengnick-Hall 1996] imRahmen des Qualitätsmanagements erstmalsdem Kunden verschiedene Funktionen zuge-wiesen: Der Kunde kann (1) als Ressource, (2) alsKoproduzent, (3) als Nutzer und (4) als Käuferbetrachtet werden.

In den ersten beiden Funktionen wirkt derKunde in erster Linie als Inputfaktor in denwertschaffenden Prozessen. In den letzten bei-den Funktionen wirkt der Kunde primär direktauf Outputfaktoren im Wertschöpfungsprozessein. Agiert der Kunde als Ressource, so stellt erdem Produktionsprozess primär Informationenüber sich und seine Bedürfnisse zur Verfügung.Agiert der Kunde als Koproduzent, so wird er alseine Art externer Mitarbeiter direkt in denProduktionsprozess integriert. Wird der Kundeals Nutzer eingesetzt, kann dieser beispiels-weise Zwischenstufen im Produktionsprozessaus Endkundengesichtspunkten evaluieren und

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Ideen-generierung

Konzept &

Design

Produkt-test

Markt-einführung

Kunde als »Ressource«

Kunde als

Produzent

Kunde als Nutzer

Kunde als Käufer

Produktentwicklungsprozess

Co-

Kundenfunktionen

entsprechendes Feedback geben. Häufig habenUnternehmen nur wenige Informationen überBedürfnisse und Kaufintentionen von Kunden.In diesem Zusammenhang kann der Kunde alsKäufer eingebunden werden, um so wertvolleInformationen über bestehende Produkte zurVerfügung zu stellen.

Wird nun das Konzept der Kundenfunktio-nen nach [Lengnick-Hall 1996] mit dem zuvorabgeleiteten Phasenmodell der Neuprodukt-entwicklung zusammengeführt, so erhält manim Ergebnis das in Abbildung 1 dargestellte Rah-menmodell.

Innerhalb der Phase der Ideengenerierungwerden Kunden als Wissensressource betrach-tet, in der sie Beschwerden, Vorschläge oder ra-dikal neue Produktideen dem Unternehmenmitteilen. In der Konzept- und Designphasehandeln Kunden als Koproduzenten, indem siesich an der Konzept- und Designentwicklungaktiv beteiligen. Beim Produkttest können Kun-den als Nutzer eingesetzt werden und Feedbackzu Prototypen, wie in der Softwarebranche üb-lich, geben. In der Markteinführungsphase trittder Kunde als Käufer auf. Kundenzufriedenheitund Reaktionen auf Bedürfnisbefriedigungenkönnen beispielsweise in den Produktionspro-zess eingehen.

3 Methodisches VorgehenZur Analyse der Kundenintegrationsansätze imNeuproduktentwicklungsprozess mittels vir-tueller Welten wurde für die vorliegende Unter-suchung die Plattform SL ausgewählt. Da zumZeitpunkt der Untersuchung keine andere vir-tuelle Welt eine vergleichbare Anzahl von Un-ternehmen auf ihrer Plattform vereinen konnte,bot SL eine einzigartige Umgebung zur Durch-führung einer Fallstudie. Aufgrund der darausresultierenden Fallstudienmethodik haben dieUntersuchungsergebnisse einen explorativenCharakter. Eine Verallgemeinerung der Aussa-gen kann daher nur bedingt vorgenommenwerden.

Die Datenerhebung und Analyse erfolgtenin fünf Schritten. In einem ersten Schritt wur-den Webseiten, Wikis und Blogs im Umfeld vonSL auf relevante Informationen zu Aktivitätenvon Unternehmen in SL durchsucht. Daraus re-sultierte ein Convenience Sample von 130 Un-ternehmen in SL, das als Grundlage für die wei-teren Schritte der Datensammlung diente.

Im zweiten Schritt wurden die Webseitender zuvor identifizierten Unternehmen auf un-ternehmenseigene Mitteilungen in Bezug aufAktivitäten in SL durchsucht. In den Fällen, indenen keine entsprechenden Ankündigungenauffindbar waren, wurden einschlägige Presse-

Abb. 1: Rahmenmodell – Kundenfunktionen in der Produktentwicklung

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verteiler (Business Wire, Market Wire, PrimeNewswire, PR NewsWire) durchsucht. Hierausentstand eine Datenbank von 130 Unterneh-mensmitteilungen mit Ankündigungen zu Ak-tivitäten in SL.

Im dritten Schritt wurden die zuvor gesam-melten Unternehmensmitteilungen auf Zieleund Aktivitäten in SL qualitativ analysiert. AlsFolge dieser Inhaltsanalyse des ConvenienceSample konnten Unternehmen identifiziertwerden, die SL grundsätzlich zur Kundeninte-gration im Neuproduktentwicklungsprozessnutzen.

Im vierten Schritt wurden die Tätigkeitender verbliebenen Unternehmen den entspre-chenden Phasen und Kundenfunktionen imaufgezeigten Rahmenmodell zugeordnet. Dazuwurde zuerst der jeweilige Kundenbeitrag iden-tifiziert und einer Kundenfunktion zugeordnet.Anschließend wurde die dem Integrationsan-satz entsprechende Entwicklungsphase aus-gewählt. Das Ergebnis war eine eindeutige Ver-ortung eines jeden Unternehmens im beschrie-benen Rahmenmodell der Kundenintegrationim Neuproduktentwicklungsprozess.

Im fünften Schritt wurde jede Unterneh-mensmitteilung daraufhin analysiert, wie ge-nau SL zur Kundenintegration im Neuprodukt-entwicklungsprozess verwendet wird. Im Ver-gleich zwischen den Unternehmen konntendaraus Best Practices abgeleitet werden.

4 Untersuchungsergebnisse Anfang 2006 war Radio BBC 1 das wohl ersteUnternehmen in SL. Seitdem haben bis heuteetwa durchschnittlich 10 Unternehmen proMonat auf dieser Plattform eine virtuelleDependance eröffnet. Zu diesen Unternehmenzählen prominente Firmen wie IBM, Sun Micro-systems, General Motors, Reuters, Nissan, Dell,

NBC, Universal, Toyota, Mercedes Benz, STATravel, Microsoft oder Manpower. Einige Unter-nehmen haben sich jedoch bereits wieder vonihrem Engagement in Second Life verabschie-det, da SL, wie auch andere virtuelle Welten,»Kinderkrankheiten« aufweist, wie beispiels-weise rückständige Grafiken, Geschwindig-keitsprobleme, Funktionsausfälle und System-abstürze und somit nicht den Erwartungen derUnternehmen entsprach. Auch sind die vonLinden Labs dargestellten registrierten Nutzer-anzahlen von über 11 Millionen im Dezember2007 irreführend, da durchschnittlich lediglich500.000 Nutzer SL wöchentlich besuchen. In-sofern sind Marketingmaßnahmen wenigererfolgreich als häufig von den Unternehmen er-wartet.

Die Analyse der unternehmenseigenen An-kündigungen zu Aktivitäten in SL zeigt auf, dass22 (17 %) von den 130 untersuchten Unter-nehmen SL zu Kundenintegrationszweckenim Neuproduktentwicklungsprozess verwen-den (vgl. Tab. 2).

In den folgenden Abschnitten werden dieUnternehmensaktivitäten in den jeweiligenPhasen detailliert dargestellt.

4.1 Ideengenerierung – Kunde als RessourceSechs Unternehmen wurden identifiziert, dieihre Kunden als Ressource im Neuproduktent-wicklungsprozess in SL einbinden, um Ideen fürProdukte zu generieren: AKQA plant beispiels-weise laut Pressemitteilung, bei der Entwick-lung von Werbe- und MarketingmaßnahmenKünstler, Musiker und Kunden zusammenzu-bringen. Belgacom befragt Nutzer in SL, umIdeen für die Erweiterung ihres SL-Auftritts zuerhalten. Ähnlich wie AKQA baut Leo Burnett beider Entwicklung von neuen Werbekampagnenauf kreative Ideen der SL-Nutzer. Siemens hat in

Tab. 2: Nutzung von SL zur Kundenintegration im Neuproduktentwicklungsprozess

Nutzung von SL zur Kundenintegration Ja Nein Total

Anzahl Unternehmen (Prozent) N=130 17% / 22 83% / 108 100% /130

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einer Pressemitteilung angekündigt, im Bereichder Ideenentwicklung für Neuprodukte mitSL-Nutzern zusammenzuarbeiten. Visa Europebaut seinen gesamten SL-Auftritt auf Ideen undWünsche der SL-Nutzer auf. Xerox plant soge-nannte »dreaming sessions« abzuhalten, indenen zusammen mit SL-Nutzern potenzielleProduktideen entwickelt werden. Wie darge-stellt, nutzt jedes dieser sechs UnternehmenKunden, um sie in der Phase der Ideenentwick-lung zu integrieren, seien die Produkte auch zu-nächst erst auf SL bezogen.

4.2 Konzept und Design – Kunde als Koproduzent

Acht Unternehmen wurden identifiziert, dieKunden in SL als Koproduzenten im Rahmender Neuproduktentwicklung einsetzen. AmazonWeb Services beabsichtigen einen Marktplatz zuentwickeln, bei denen die Nutzer ihre in SL ent-wickelten Applikationen einstellen können.Ausgewählte Applikationen werden anschlie-ßend in das Produktspektrum von Amazon WebServices übernommen. Die Deutsche Post bietetüber SL die Möglichkeit, Briefmarken und Post-karten zu gestalten, und führt in diesemRahmen Wettbewerbe durch. Die prämiertenDesigns werden dann in der realen Welt um-gesetzt. Die Deutsche Telekom lädt Nutzer ein,Videospiele in SL zu erstellen, die dann über einPortal der Deutschen Telekom anderen Nutzernzur Evaluierung und letztendlich zum Down-load zur Verfügung gestellt werden. Endemolorganisiert einen Wettbewerb für SL-Nutzer,um Möbelstücke zu designen und zu bewerten.Die Gewinnerteams erhalten Geldprämien. Ge-neral Motors integriert aktive SL-Teilnehmer, umCommunity-Applikationen in SL zu entwickeln.General Motors stellt hierfür kostenfrei denNutzern Inseln und virtuelle Grundstücke zurVerfügung. McKinsey & Co. organisiert äußersterfolgreich einen Virtual-Venture-Wettbewerbauf SL, in dem Teilnehmer Business-Pläne fürdie virtuelle Welt ausarbeiten und umsetzen.Hiermit verfolgt McKinsey das Ziel, Nutzer- und

Konsumentenverhalten sowie Marktreaktio-nen in virtuellen Welten besser zu verstehen.Toca Me Design hält Wettbewerbe für Grafikerund Designer ab. Die in SL entwickelten Ent-würfe werden in der realen Welt umgesetzt.Wind-Up Records überlässt den gesamten Pro-zess ihres T-Shirt-Designs SL-Kunden, ähnlichwie es in der realen Welt die deutsche Internet-firma Spreadshirt praktiziert. SL-Mitgliederkönnen in diesem Geschäftsmodell T-Shirts ge-stalten, die dann in der realen Produktion um-gesetzt und verkauft werden. Jedes der darge-stellten Kundenintegrationsmodelle kann derKonzept- und Designphase zugeordnet werden.

4.3 Produkttest – Kunde als NutzerDrei Unternehmen wurden identifiziert, die ihreSL-Kunden in die Prototypenentwicklung inte-grieren. Philips Electronics präsentiert Nutzernbereits entwickelte Prototypen aus dem Consu-mer-Electronics-Bereich, um Erfahrungsberich-te zu Ergonomie, Design und Funktionalität zusammeln. SL ermöglicht, die Prototypen in ei-nem realitätsnahen Umfeld anzuwenden undzu testen. Starwood Hotels erarbeitet zusam-men mit seinen Kunden interne und externeGestaltungselemente für ein Hotelprojekt. DieVerbesserungsvorschläge der Kunden fließenabschließend in das reale Projekt ein. Vok Damsbeabsichtigt, eine neue Marketingkampagnemithilfe des Feedbacks von SL-Nutzern auf denMarkt zu bringen. Diese Unternehmen ver-folgen somit Aktivitäten in SL, die eine Kunden-integration im Rahmen einer Produkttestphaseunterstützen.

4.4 Markteinführung – Kunde als KäuferFünf Unternehmen greifen in SL aktiv auf Kun-den im Prozess der Markteinführung zurück. Zudiesem Prozessschritt gehören neben der direk-ten Produkteinführung am Markt auch der Ver-kauf, der Kundendienst sowie die damit verbun-denen Marketingentscheidungen. Channel 4Radio ist eines der Unternehmen, die in diesemBereich ihre Kunden in den Prozess aktiv inte-

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grieren. Das Unternehmen nutzt SL als zusätz-lichen Kanal für Radiosendungen. Hörer in SLkönnen aktiv an der Programmgestaltung überpositive und negative Rückmeldungen partizi-pieren, was dann wiederum auch das Radiopro-gramm in der realen Welt beeinflusst. GabettiProperty plant, SL als Marktforschungsplatt-form zu nutzen, indem SL-Nutzer zu GabettisProdukten und Dienstleistungen in der realenWelt befragt werden. Hierzu werden Produkteund Dienstleistungen digitalisiert und in SL zurVerfügung gestellt. Galveston Island, eine US-amerikanische kleine Insel im Golf von Mexiko,hat ihre Insel fast komplett in SL nachgebildetund beabsichtigt, Rückmeldungen zur Gestal-tung der realen/virtuellen Insel von SL-Nutzernzu erhalten, um diese Vorschläge dann ggf. indie Realität umzusetzen. Die niederländischeING Group hat ihren Hauptfirmensitz und eini-ge niederländische Touristenattraktionen in SLnachgebildet, um Feedback zu ihren Produktenund Dienstleistungen zu erhalten. LichtensteinMedia, eine Medienproduktionsanstalt, inte-griert Kunden in ihre Programmgestaltung.SL-Nutzer werden eingeladen, direkt mit Produ-zenten von Radio- und Fernsehprogrammenoder Dokumentarfilmen zusammenzuarbeitenund Vorschläge für zukünftige Storyboards undProgramme zu geben. Die fünf dargestelltenBeispiele zeigen auf, dass SL genutzt werdenkann, um auch den Prozess der Produktgestal-tung zu unterstützen, indem bereits bestehen-de Produkte und Dienstleistungen durch Kun-den bewertet und Verbesserungsvorschlägeunterbreitet werden.

4.5 DiskussionDerzeit nutzen noch wenige Unternehmen(17 %) SL zur Kundenintegration im Neupro-duktentwicklungsprozess. Bei diesen Unterneh-men wird SL am häufigsten in der Konzeptionund im Design neuer Produkte eingesetzt(36 %), gefolgt von der Ideengenerierung (27 %),der Produkteinführung (23 %) und dem Pro-dukttest (14 %).

Auch wenn die SL-Aktivitäten der 22 darge-stellten Unternehmen in der Neuproduktent-wicklung eindeutig den dargestellten Phasenund Kundenfunktionen des Rahmenmodells zu-geordnet werden können, so variieren derenAktivitäten im Detail. Tabelle 3 stellt diese Er-gebnisse vergleichend für alle 22 identifiziertenUnternehmen dar. Aus der Analyse der Aktivitä-ten ergeben sich Best Practices, die im Folgen-den diskutiert werden.

68 % der analysierten Unternehmen ver-folgen ein dauerhaftes Engagement in SL bzw.auf virtuellen Welten. Beispielsweise ist derBriefmarken- und Postkartenwettbewerb derDeutschen Post zeitlich unbegrenzt. 32 % derUnternehmen, darunter auch Starwood Hotels,haben die Nutzungsdauer von SL zur Neupro-duktentwicklung von Beginn an auf einen be-stimmten Zeitraum begrenzt. Nach Ablauf die-ser Zeit wurde die entsprechende Präsenz in SLgeschlossen.

In 64 % der Fälle wird SL genutzt, um für dasUnternehmen strategisch wichtige Kernpro-dukte zu bearbeiten. Exemplarisch hierfür sindWerbeagenturen, wie beispielsweise AKQA, diein SL neue Werbekampagnen entwickeln. An-dere Unternehmen wiederum, wie beispiels-weise Belgacom, nutzen SL, um ein neuesNebenprodukt, in diesem Fall die eigene SL-Prä-senz, zu entwickeln.

In 50 % der Fälle steht die Neuproduktent-wicklung im Zentrum der Tätigkeiten in SL. ZumBeispiel wird von Amazon Web Services imWesentlichen ein Marktplatz für neue Applika-tionen entwickelt. Für die anderen 50 % derUnternehmen ist die Entwicklung von neuenProdukten in SL ein gewünschtes, jedoch keinprimäres Ziel.

Wettbewerbliche Mechanismen, die häufigin virtuellen Communities zu finden sind, wer-den nur von 36 % der Unternehmen angewen-det. Gute Beispiele für die Integration von Wett-bewerben werden von Endemol, der DeutschenPost und von McKinsey vorgestellt. Um Nutzerzur aktiven Teilnahme zu bewegen, werden oft-

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mals Geldpreise ausgeschrieben und Kunden-beiträge öffentlich präsentiert.

Eine detaillierte Analyse der Strategien inden verschiedenen Phasen zeigt ein differen-ziertes Bild (vgl. Tab. 4).

Keines der im Convenience Sample identifi-zierten Unternehmen nutzt SL primär zur Neu-produktentwicklung im Rahmen der Markt-einführungsphase. Dies überrascht, da dieNachbildung eines bestehenden Produkts mit

Phase Ideengenerierung Konzept und Design Produkt-test

Markteinführung

Unter-nehmen

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Entwick-lung eines Kern-produkts

X X X X X X X X X X X X X X

Haupt-fokus auf Neupro-duktent-wicklung

X X X X X X X X X X X

Organisa-tion eines Wett-bewerbs

X X X X X X X X

Dauerhaf-tes Enga-gement

X X X X X X X X X X X X X X X

Tab. 3: Best Practices im Einsatz von SL in der Neuproduktentwicklung

Ideengene-rierung

Konzept und Design

Produkt-test

Marktein-führung

Entwicklung eines Kernprodukts 18% 9% 14% 23% 64%

Hauptfokus auf Neuproduktentwicklung

14% 23% 14% 0% 50%

Organisation eines Wettbewerbes

5% 32% 0% 0% 36%

Dauerhaftes Engagement 18% 18% 9% 23% 68%

27% 36% 14% 23% N=22

Tab. 4: Aggregierte Darstellung der Nutzung von SL zur Neuproduktentwicklung

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anschließendem Feedback sich in einer 3D-Um-gebung wie SL für gewisse Produkte sicherlichanbieten würde. Immerhin steht für 23 % derUnternehmen die kundenseitige Mitgestaltungneuer Produkte in der Konzept- und Design-phase im Vordergrund ihrer Aktivitäten in SL.

Kein Unternehmen nutzt wettbewerblicheMechanismen in den beiden Phasen Produkt-test und Markteinführung. Dies ist ebensoüberraschend, da die spielerische Umgebungvon SL sowie die aus einem Wettbewerb even-tuell resultierende Motivation zur Abgabe vonFeedbacks für die Neuproduktentwicklung för-derlich sind. Auch hier lässt sich ein starker Ge-gensatz zur Konzept- und Designphase ausma-chen, in der fast ein Drittel der UnternehmenWettbewerbe organisieren. Zugleich wird hierjedoch deutlich, dass die wenigsten Unterneh-men (9 %) die konzeptionelle und designerischeEntwicklung eines strategisch relevanten Kern-produkts in SL durchführen.

Die vorgestellte Untersuchung zeigt denStand der Nutzung sowie erste Best Practicesim Kontext der Neuproduktentwicklung mittelsSL auf. Es zeigt sich, dass die Potenziale, die SLbzw. virtuelle Welten bieten, von vielen Unter-nehmen noch nicht erkannt und somit auchnicht umgesetzt werden. Auch ist zu vermuten,dass SL eine Umsetzung von Kundenintegra-tionsansätzen ermöglicht, die heute noch nichtbekannt sind. Insofern kann diese Studie dazudienen, weitere Forschung und innovative An-wendungen auf diesem Feld zu initiieren.

Bei der Übertragung der Erkenntnisse aufandere Unternehmen mit anderen Produkt-gruppen und anderen virtuellen Welten ist dar-auf zu achten, dass die vorgestellte Studie einenexplorativen Charakter aufweist. Die Erkennt-nisse sind nicht ohne Weiteres für jede In-dustrie und Produktgruppe generalisierbar. DieErgebnisse stellen dementsprechend eher Lö-sungsansätze und nicht fertige Lösungen dar.Weiterhin basiert die Studie auf der Auswer-tung von unternehmenseigenen Mitteilungen.In Pressemitteilungen und auf Unternehmens-

webseiten angekündigte Maßnahmen werdenjedoch nicht immer komplett realisiert.

5 Ausblick Virtuelle Welten, wie SL, erreichen nicht nur dieöffentliche Wahrnehmung mit steigendenNutzerzahlen und medialer Präsenz, sondernsie bieten auch neue Möglichkeiten, Kunden inden Produktentwicklungsprozess zu integrie-ren. Solchen Integrationsansätzen wird in derForschung strategische und erfolgskritischeBedeutung beigemessen. Viele namhafte Un-ternehmen betreiben bereits eine Präsenz in SLund nutzen diese Plattform als Kommunika-tionskanal, um auf neuartige Weise mit Kundenin Kontakt zu treten. Trotzdem ist bisher wenigüber Unternehmensaktivitäten in virtuellenWelten publiziert worden. Dieser Beitrag haterstmals dargestellt, ob und wie Unternehmenvirtuelle Welten in Kundenintegrationsansätzeim Rahmen von Neuproduktentwicklungenverfolgen. Dazu wurden die Tätigkeiten einesConvenience Sample von 130 in SL aktiven Un-ternehmen anhand unternehmenseigener Mit-teilungen analysiert. Um die verschiedenen Un-ternehmensaktivitäten vergleichen zu können,wurde ein Rahmenmodell, das Phasen der Neu-produktentwicklung mit Kundenfunktionenkombiniert, abgeleitet. Die Untersuchung hatgezeigt, dass 17 % der analysierten Unterneh-men SL zur Neuproduktentwicklung nutzen.

Die Untersuchungsergebnisse weisen dar-auf hin, dass derzeit nur eine Minderheitder Unternehmen die Potenziale einer Kunden-integration für die Produktentwicklung in vir-tuellen Welten wahrnimmt. Die Auswertungder unternehmenseigenen Mitteilungen lassendarauf schließen, dass das Verständnis um vir-tuelle Welten noch in der Entwicklungsphasesteckt.

Unternehmen, die den Einsatz von virtuel-len Welten zur Kundenintegration im Neupro-duktentwicklungsprozess planen, sollten daherabwägen, ob nicht direkt ein neues Kernproduktüber mehrere der dargestellten Phasen hinweg

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entwickelt werden kann. Virtuelle Welten bie-ten neue Möglichkeiten, Produkte darzustellen,einfach anzupassen und über einen längerenZeitraum hinweg eine Community aufzubauen.Hierzu eignen sich beispielsweise Wettbewer-be, in denen Nutzer oder Gruppen von Nutzernsich eigenständig und kreativ am Neuprodukt-entwicklungsprozess beteiligen können.

Die stärkere Adaption dieser Potenziale unddie Entwicklung neuer Ideen zur Kundeninte-gration sind durchaus in den kommendenJahren zu erwarten. Die frühzeitige Nutzungvon Kundenintegrationsansätzen in virtuellenWelten verspricht, strategische Wettbewerbs-potenziale freizusetzen.

6 Literatur[Dahan & Hauser 2002] Dahan, E.; Hauser, J.: The

Virtual Customer. In: Journal of Product Inno-vation Management, Vol. 19, No. 5, 2002,S. 332-353.

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Prof. Dr. Christoph LattemannUniversität PotsdamProfessur für Corporate Governance und E-CommerceAugust-Bebel-Str. 8914482 [email protected]/u/eCommerce

Prof. Dr. Marc FetscherinRollins CollegeCrummer Graduate School of Business1000 Holt Avenue 2723 Winter Park, FL 32789, [email protected]

Guido Lang MScUniversität BernInstitut für WirtschaftsinformatikEngehaldenstr. 8CH-3012 [email protected]