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Kurt Tucholskys »Deutschland, Deutschland fiber alles« im Spiegel der Presse der Weimarer Republik Ein Beitrag zur Rezeptionsgeschichte eines kontroversen ,Bilderbuches'

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Kurt Tucholskys »Deutschland, Deutschland fiber alles«im Spiegel der Presse der Weimarer Republik

Ein Beitrag zur Rezeptionsgeschichteeines kontroversen ,Bilderbuches'

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AbschlieBender Exkurs:

Zur Vor- und Rezeptionsgeschichte von

»Tiere sehen dich an«

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4. AbschlieBenderExkurs:Zur Vor- und Rezeptionsgeschichtevon »Tiere sehen dich an«

Das Blatt" Tiere sehen dich an"ist nichtvon mir. Es stammtvon dem

Bildermann John Heartfield, derdas Buch ausgestattet hat

Kurt Tucholskyl

Mit Bezug auf John Heartfie1ds Fotomontage »Tiere sehen dich an«2, die zweife1sohnezu den umstrittensten Bild- Text-Kompositionen der provokanten Streitschrift »Deutsch-land, Deutschland iiber alles« zahlt, fuhrt der Tucholsky-Forscher Hans Joachim Beckerzutreffend aus:

Den besonderen Zorn nationalistischer Kritiker des Deutschlandbuches erregte - neben derTitelgraphik - eine Montage, auf der die Fotos yon acht hohen Offizieren der kaiserlichenAnnee im Kreis angeordnet sind Dies allein hatte man sich vielleicht noch gefallen lassen,wenngleich die Altherrenportrlits alles andere als schmeichelhaft sind Waren nicht Ordens-spangen und Kragenspiegel, Militlirmiitze und Achselklappen - man hatte den hier Ver-sammelten das kriegerische Handwerk gewill nicht am Gesicht ablesen konnen. Was denProtest auf der politischen Rechten hervorrief, war freilich die Bildunterschri:ft: "Tiere se-hen dich an"?

Hinzuzufugen ist in diesem Zusammenhang allerdings, daB das erwahnte Arrangementaus Fotografien von betagten kaiserlichen Generalen4

, das sich in der Tat erst durch dieUnterschrift »Tiere sehen dich an« zu einer polemisch-satirischen Anklage gegen denpreuBischen Militargeist wandelte, nicht nur in rechtsorientierten Kreisen auf Ableh-nung stieB. So ist im Rahmen dieser Untersuchung bereits herausgearbeitet worden, daBJohn Heartfields Fotomontage nicht zuletzt von namhaften Vertretern der liberaldemo-kratischen Presse - zu erwahnen sind hier etwa die Kritiker Valeriu Marcu5 und HerbertIhering6

- rigoros abgelehnt wurde. RolfNiirnberg7, der Rezensent des iiberregional be-

achteten Diskussionsorgans Der Scheinwerfer, konnte der problematischen Bildseite ausTucholskys »Deutschland, Deutschland iiber alles« ebenfalls kaum etwas abgewinnen.Lediglich Franz Carl Weiskopf, ein linksstehender Kritiker, war von Heartfields aggres-

1 Kurt Tucholsky: Ausgewiihlte Brieft 1913-1935. Reinbek bei Hamburg 1962, S. 212. Kurt Tucholsky anJakob Wassermann, 1. Man 1931.

2 DD, S. 63. Siehe auch Dokument Nr. 1 im Anhang dieses Bandes.3 Becker, Mit geballter Faust, a.a.a., S. 64.4 Vgl. hierzu die »ErHiuterungen zu den Fotos und Fotomontagen«, DD, Anhang. Dort werden die Gene-we namentlich aufgefiihrt.

5 Vgl. Untersuchungsabschnitt 3.3.3. (Berliner Tageblatt).6 Vgl. Untersuchungsabschnitt 3.3.4. (Berliner-Borsen-Courier).7 Vgl. zumKontext S. 171 dieserUntersuchung.

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siver Bildsatire in besonderem MaBe angetan.1 Den uberaus polemischen Deutschland-Buch-Kritiken, die in den rechtsstehenden Presseorganen Der Angriffund Der national-deutsche Jude veroffentlicht wurden2

, war wiederum unschwer zu entnehmen, daB dieFotomontage »Tiere sehen dich an« vor allem im Lager der politischen Rechten einenSturm der Entriistung hervorrief So gehorte auch Helmut Schutting, ein Mitarbeiter derextrem rechtsstehenden Deutschen Zeitung, zu den Kritikern3 der provokanten Bildseite,die man namentlich in konservativen Kreisen als einen unerhorten Affront betrachtete,der einer Schmahung vaterlandischer Werte gleichkam.

In der erwahnten Deutschen Zeitung erschien am 10. September 1929 zudem ein ublerHetzartikel, in dessen Rahmen das Blatt» Tiere sehen dich an« ein weiteres Mal einemaBgebliche Rolle spielte. Indessen wurden neben Kurt Tucholsky, dem vehement ange-feindeten Verfasser des Deutschland-Buchs, auch dessen prominente Zeitgenossen Er-win Piscator, George Grosz und Alfred Kerr angeprangert. Dnd dies ironischerweise inder bekannten Manier4 des bedeutenden Berliner Theaterkritikers:

I.

Erwin Piscator ist wiedererwacht. Sein Ungeist zerrt Kreuze in den Staub. Seine Maschine-rie wirft tote Soldaten auf den Kehrichthaufen.5 Sein Gedanke: Agitation. Sein Werk: Par-teitheater statt Kunst. Sein Ziel: Moskau.

II.Kurt Tucholsky vergiftet Seelen mit seiner Feder. Ein wahrer Piscator des Schrifttums. Voruns eine Photographie. Auf dieser mehrere deutsche Generale. Darunter yon Kurt Tuchols-ky: "Tiere schauen Dich an!"

III.

George Grosz Moot Gott. Er sieht den Christengott nur in der Karikatur.G Er ist der Piscatormit dem Zeichenstift.

IV.

Alfred Kerr griillt und ermuntert alle Piscatoren. Er seIber ist ein Piscator der Kritik JedesHerunterreillen, jedes "in den Dreck zerren" lobt er; den Kulturbolschewismus fordert er.Jede Verachtlichmachung yon Religion, Vaterland und Tradition stempelt er zurn Erlebnis,zurKunst.7

1 VgL Untersuchungsabschnitt 3.5.2. (Berlin am Morgen), S. 178-188. So hatte Franz Carl WeiskopfimRahmen seiner Deutschland-Buch-Kritik ausge:fiihrt: »Wunderbar z. B. die Bildseite ,Tiere sehen dichan', eine Montage yon kaiserlichen Generalskopfen.«

2 Vgl. So sieht er aus! In: Der Angriff, 3. Jg., Nr. 35 yom 2. September 1929 (vgl. Untersuchungsabschnitt3.1.2.). Vgl. weiterhin Max Naumann: Jiidische Literaten als Judenftinde. In: Der nationaldeutsche Ju-de, Jahrgang 1929, Dezember, Nr. 12 (vgl. Untersuchungsabschnitt 3.2.3.).

3 Helmut Schiitting: "Deutschland, Deutschland iiber alles". Tucholsky unter aller Kritik In: DeutscheZeitung, 34. Jg., Nr. 221a (Morgenausgabe) yom 20. September 1929. So schrieb Helmut Schiitting, daBTucholsky den Lesern des Deutschland-Buchs »Generale als Tiere aufbinden« wolle.

4 Alfred Kerr, der prominente Kritiker des Berliner Tageblatts, unterteilte seine Rezensionen gewohnlichin kurze Sentenzen, die er jeweils mit romischen Zahlen nurnerierte.

5 Hierbei handelt es sich urn polemische Anspielungen auf die Piscator-Inszenierung des Mehring-StiicksDer Kaufmann von Berlin.

G 1m Jahre 1928 war George Grosz wegen angeblicher Gotteslasterung vor Gericht zitiert worden. DieAnklage richtete sich gegen ein satirisch-antimilitaristisches Blatt aus der Grosz-Mappe Hintergrund,auf dem Chrisms am Kreuz mit Gasmaske und Soldatenstiefeln dargestellt ist.

7 Paul W. Palm: Deutsche Piscatoren vor die Front! In: Deutsche Zeitung, 34. Jg., Nr. 212a (Morgenaus-gabe) yom 10. September 1929.

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Der aufwieglerische Artikel »Deutsche Piscatoren vor die Front!«, :fur den ein gewisserPaul W. Palm verantwortlich zeichnete, ist in mehrfacher Hinsicht aufschluBreich undinteressant. Einerseits agitierte der rechtsstehende Mitarbeiter der antirepublikanischenDeutschen Zeitung rucksichtslos gegen die linksorientierten beziehungsweise progressi-ven Kiinstler und SchriftsteUer1

, andererseits wurden die wirksamen Waffen des politi-schen Gegners ausdrucklich der eigenen Propagandamaschinerie anempfohlen.2 Festzu-halten ist auBerdem, daB der reaktionare Journalise dabei auf eine erfolgversprechendeForm der antisemitischen Propaganda zu sprechen kam, die schlieBlich im Jahre 1933 indem judenfeindlichen Bildwerk »Juden sehen Dich an«4 - einer nationalsozialistischenAntwort auf» Tiere sehen dich an« - zur Anwendung gelangen soUte. So hetzte derAgitator in bezug auf die Juden in Deutschland: »Zeigt ihre Verlogenheit. Zeigt ihrenZersetzungsgeist. Zeigt ihren Kramergeist. Zeigt den Kaufmann in Berlin, der nicht vonBerlin ist. «5

Vor dem Hintergrund des fast durchweg negativen Echos6 auf die Fotomontage »Tieresehen dich an« wird deutlich, daB Heartfield und Tucholsky mit der ebenso provokantenwie problematischen Bildseite offenbar einen gehorigen Schritt zu weit gegangen wa-ren. Zwar halt Jochen Meyer zutreffend fest: »Von heute aus ist daran zu erinnern, daBes damals noch durchaus gangige Miinze war, literarisch-polemische Angriffe auf Men-schen mit Tiervergleichen zu pfeffern.« 7 Auf der anderen Seite ist zu bedenken, daB essich bei der zur Diskussion stehenden Bild- Text-Montage urn eine Bildsatire handelt,die gegen Ende des Jahres 1929 eine beachtliche Menge politischen Sprengstoffs ent-hielt und sich insbesondere dadurch von den von Meyer erwahnten Mensch-Tier-Ver-

1 Vgl. Paul W. Palm, Deutsche Piscatoren vor die Front!, a.a.O. So fuhrte der rechtsstehende Journalistunter anderem aus: »Immer schamloser treten die Piscatoren auf. Immer frecher schleudern sie uns ihreVerachtung ins Gesicht. Immer hOher hauft sich der Dreck, der yon der anderen Seite zu uns heriiberge-worfen wird Wollen wir darin verkommen? [...] Die Piscatoren, ihre SchUler und Forderer arbeiten mitGift. Sie vergasen die Groflst:adte und dringen 1angsam ins Land vor. Da helfen keine Gasmasken derEntriistung mehr. Arbeitet mit Gegengift!«

2 Vgl. ebd.: »Entriistet Euch nicht und protestiert nicht. Jene Frechlinge 1egen es Euch nur als Unduldsam-keit aus. Wehrt Euchl [...] Ihr willt, wie Ihr es machen miillt. [...] Nehmt Euch Piscator zurn Beispiel.Werft alle Piscatoren auf den Kehrichthaufen. Schleppt sie mit den Karren davon. Seht Grosz und lestKerr. Und Euch wird nichts entgehen, was getan werden mufl und wann es getan werden mufl. Machtgute Arbeit. Macht ganze Arbeit. Und: vergeflt die Zinsen nicht.«

3 Vgl. ebd.: »Macht den Namen "Reaktion" zu einem Ehrennamen. [...] Es 1ebe die Reaktion! Die Reakti-on gegen eine Pest, die uns zur Gesundung und zur wahren Kunst zuriickfiihrt.«

4 Vgl. hierzu vor allem den nachstfo1genden Untersuchungsabschnitt: »Juden sehen Dich an« - Hetzschriftund Feindbildfibe1, S. 275-282.

5 Paul W. Paltn, Deutsche Piscatoren vor die Front!, a.a.a. An anderer Stelle fiihrte der Mitarbeiter derDeutschen Zeitung aus: »Zeigt ihre Diamanten. Zeigt ihre Villen, zeigt ihre unaufrichtige Hetze.«

6 Zu den Kritikern der Fotomontage gehOrte auch Monty Jacobs, der Feuilletonchef der Vossischen Zei-tung, der zu Tucho1skys Freundeskreis ziihlte. So schrieb Tucho1sky mit einem Unterton yon Ironie anseine Frau Mary: »Ganz besonders schOn, daB Monty tiber eine Zeile empOrt ist, die - a1s fast einzige -nicht yon mir ist. Ich decke sie natiirlich, aber sie ist nicht yon mir.« Vgl. Tucho1sky, Unser ungelebtesLeben, a.aO., S. 526. Bei der erwahnten »Zeile« handelte es sich urn die Bildunterschrift »Tiere sehendich an«. Vgl. hierzu Brief yon Mary an Kurt Tucho1sky, 26. August 1929, Tucho1sky-Archiv.

7 Vgl. "Entlaufime Burger". Kurt Tucholsky und die Seinen. Eine Ausstellung des Deutschen Literaturar-chivs im Schil1er-Nationahnuseutn, Marbach am Neckar. Ausstellung und Katalog Jochen Meyer in Zu-sammenarbeit mit Antje Bonitz. Matbach am Neckar 1990, Abschnitt »Am wirksamsten b1eiben Photo-graphien«, S. 553-581, hier: S. 576.

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gleichen1 unterschied, die in den nicht selten polemisch gefuhrten Literaturdebatten derzwanziger Jahre in der Tat an der Tagesordnung waren. Der Journalist Valeriu Marcu,der zu den zeitgenossischen Kritikern des Deutschland-Buchs gehorte, erkannte in die-sem Zusammenhang denn auch die Kehrseite des riskanten Spiels mit ,physiognomi-schen Wahrheiten'. Er schrieb im Rahmen seiner instruktiven Deutschland-Buch-Kritik,die am 16. Oktober 1929 im liberaldemokratischen Berliner Tageblatt erschien: »DieIllustration wird Anklager und Richter zugleich. 1m politischen Verkehr mochte sie dieSchande des Feindes aus dessen Gesicht lesen.«2

Der yon Marcu erwahnte »Feind« - dies sollte nicht auBer acht gelassen werden - kamim Rahmen der umstrittenen Bildseite »Tiere sehen dich an« freilich unubersehbar indeutschen Generalsuniformen daher. Mithin spiegelte sich die »Schande des Feindes« indiesem Fall zusatzlich in dessen Nationalitat, dessen Rang sowie in dessen Kriegshand-werk wider. Genau diese Form der Agitation wiederum muBte den meisten zeitgenossi-schen Betrachtern des brisanten Arrangements durchaus bekannt vorkommen - warendeutsche Soldaten und Offiziere des ersten Weltkriegs doch nicht zuletzt in der feindli-chen Kriegskarikatur wiederholt als Tiere portratiert worden.3 Ein in diesem Zusam-menhang naheliegender Vergleich, der nicht wenige der zeitgenossischen Rezipientendes Blattes »Tiere sehen dich an« recht unangenehm beruhrt haben durfte.

Vor diesem Hintergrund lautet Beckers unzureichender Erklarungsversuch: »Moglich, daBhier noch einmal der Dadaist und Burgerschreck fur einen Augenblick hinter dem poli-tischen Agitator hervorgetreten ist.«4 Dabei ubersieht Becker freilich das Faktum, daBder Dadaismus selbst als revolutionare und politisch engagierte Bewegung in Erschei-nung trat5, die sich unter anderem durch eine radikale Ablehnung des Krieges auszeich-nete.6 Mithin sah John Heartfield - zeitweilig mit dem simplifizierenden Titel »Dada-Monteur« versehen - seine kunstlerische Aufgabe yon Anfang an auch in der politi-schen Agitation.

I Vgl. Otto Baur: Bestiarium Humanum. Mensch-Tier-Vergleich in Kunst und Karikatur. Mfulchen 1974.2 Valeriu Marcu: Kurt Tucholsky zwischen Photographie und Alphabet. In: Berliner Tageblatt, Ausgabe

yom 16. Oktober 1929. Vgl. ausfiihrlich Untersuchungsabschnitt 3.3.3. (Berliner Tageblatt).3 Vgl. in diesem Zusammenhang Ferdinand Avenarius: Das BUd als Narr. Die Karikatur in der Volker-

verhetzung, was sie aussagt ~ und was sie verrat. Mfulchen 1918, S. 174-175, 188-191. Vgl. weiterhinPeter Panter: Das BUd als Narr. In: Die Weltbuhne, 15. Jg., Nr. 19 yom 1. Mai 1919, S. 516-517 (GW,Bd. 2, S. 82-84). So fiihrte Tucholsky mit Bezug auf Avenarius' Sammlung feindlicher Kriegskarikatu-ren aus (S. 83): »Es bleibt die Konstatierung yon wirklichen Geschmacklosigkeiten, die nicht entschul-digt werden konnen und sollen. [...] Es bleiben Lfigen und ungeheuerliche Ubertreibungen. Aber, HerrAvenarius, erlauben Sie mir eines zu sagen: Lieber noch das als die yon llmen geschatzte deutsche Kari-katur, die zu mau und zu flau - Sie sagen: zu vomehm - ist, urn wirklich aufzupeitschen.«

4 Becker, Mit geballter Faust, a.a.a., S. 65.5 Dies galt zumindest :fur den Berliner Dadaismus, der »im Gegensatz zu dem in ZUrich und Paris mdika-

listisch-kommunistisch war«. Vgl. Wieland Herzfelde: George Grosz, John Hearifield und die Zwanzi-gerJahre. In: Die Weltbuhne, Nr. 27, Ausgabevom 1. Juli 1964.

6 George Grosz fUhrte in diesem Zusammenhang aus: »Der Dadaismus war keine ,gemachte' Bewegung,sondem ein organisches Produkt, entstanden als Reaktion auf die Wolkenwandertendenzen der soge-nannten heiligen Kunst, deren Anhanger fiber Kuben und Gotik nachsannen, wahrend die Feldherren mitBIut maiten. Der Dadaismus zwang die Kunstbeflissenen, Farbe zu bekennen.« George Grosz und Wie-land Herzfelde: Die Kunstistin Gefahr. DreiAufsatze. Berlin 1925, S. 22-23.

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Es ist in diesem Zusammenhang besonders erwahnenswert, daB John Heartfield bereitsim Jahre 1919 zu den wichtigsten Mitarbeitem eines radikal antimilitaristischen Blatteszahlte, das yom Berliner Dadaismus sichtlich die Freude an der Schockwirkung, das po-litische Engagement, aber auch das Rebellische und Anarchische iibemommen hatte. Soverstand sich die Zeitschrift Der blutige Ernst, die anfangs yon John Hoexter herausge-geben wurde, ausdriicklich als »politisch-satirische Wochenschrift«t, deren Stiche undHiebe moglichst noch »durch die dickste Haut«2 gehen sollten. Mit den neuen Heraus-gebem Carl Einstein und George Grosz3 gewann das schrille Periodikum, in dem fortanetliche Zeichnungen des Berliner Karikaturisten veroffentlicht wurden, bald merklich anNiveau. Gleichzeitig wurde die radikal antimilitaristische Kritik in Wort und Bild zuse-hends akzentuiert. Infolge dieser Neuorientierung erschien bereits in der dritten Num-mer der Zeitschrift die iiberaus scharf gegen die militarischen Machthaber agitierendeGrosz-Karikatur »Zuhalter des Todes«4. Die sechste - und letzte - Ausgabe des pub li-zistischen Experiments namens Der blutige Ernst konfrontierte ihre Leser dariiber hin-aus mit mehreren antimilitaristischen Collagen des sozialkritischen Zeichners.5

Zu den politisch-satirischen Zeitschriften, die nicht nur hinsichtlich ihrer Typographiedem Dadaismus nahestanden, gehorte in der nachrevolutionaren Phase der Jahre 1919und 1920 auch die illustrierte Halbmonatsschrift Die Pleite, die ihren Lesem zunachstvorwiegend eine »Mischung aus verschiedensten Arten yon Texten, Informationen, Sa-tiren und Annoncen«6 prasentierte. Mit der Zeit zeichnete sich die Zeitschrift, :fur derenInhalt laut Impressum Helmut Herzfeld - also John Heartfield - verantwortlich zeich-nete, jedoch zusatzlich durch eine radikal antimilitaristische Kritik aus, was unter ande-

1 Der blutige Ernst, 1. Jg., Nr. 3, S. IX. Die Zeitschrift Der blutige Ernst, die vor aHem »Kritiken dieserZeit« veroffentlichte, die »plakatartig fur die breiten Massen abgefasst« waren (vgl. Selbstanzeige, Nr.3, S. X.), agitierte vor allem nach dem unmillverstandlichen Motto: »Gegen die Ausbeuter! Gegen diebiirgerlichen Ideologien!« In der dritten Ausgabe hiefi es unter anderem (S. X): »Der blutige Ernst ver-zichtet, Kunst urn der Kunst und Schrift urn der Schrift zu betreiben [...]. 1m verzweifelten Niederbruchhaben SchOnschreibereien und Formvergotzung keinen Platz mehr.« Zuvor hatte man ausdriicklich aufdie antimilitaristische Ausrichtung und den klassenkampferischen Charakter der Wochenschrift hinge-wiesen (S. IX): »Wir arbeiten nicht fur eine literarische Klique, nicht fur eine einzelne Partei, wir gehenin die breite Masse des Yolks. Der blutige Ernst nagelt die Krankheiten Europas fest, verzeichnet denrestlosen Zusammenbruch des Kontinents, bekampft die todlichen Ideologien und Einrichtungen, dieden Krieg verursachten, stellt den Bankerott der abendlandischen Kultur fest.«

2 Der blutige Ernst, 1. Jg., Nr. 3, S. X. Weiterhin hiefi es: »Der blutige Ernst peitscht die Schadlichen bisaufs BIut. [...] Der blutige Ernst blutet, weil er gegen geflihrliche Gegner kampft.«

3 Yon der dritten Ausgabe an wurde die Wochenschrift Der blutige Ernst, zu deren Mitarbeitem unter an-deren Walter Mehring, Raoul Hausmann, Richard Huelsenbeck und Max Herrmann-Neille zahlten, yonCarl Einstein und George Grosz herausgegeben. John Heartfield wiederum war - zusannnen mit GeorgeGrosz - im wesentlichen fur den Aufgabenbereich »Drucktechnische Anordnung« zustandig. Vgl. Derblutige Ernst, 1. Jg., Nr. 4, S. XVI, Impressurn.

4 Die Karikatur »Zuhalter des Todes« wurde aufierdem in der Grosz-Mappe »Gott mit uns« (1920) verOf-fentlicht. Vgl. hierzu den AussteHungskatalog George Grosz: Berlin - New York. Herausgegeben yonPeter-Klaus Schuster. Berlin 1995, S. 457. Vgl. auch Dokument Nr. 28 im Anhang dieses Bandes.

5 Vgl. Der blutige Ernst, 1. Jg., Nr. 6, Titelblatt und S. 5. Uber das Grosz-Arrangement, das die Titelseiteder sechsten Ausgabe der politisch-satirischen Wochenschrift ziert, schreibt Herta Wescher: »Auf einerweiteren Nummer dieser Zeitschrift illustriert Grosz den Titel Das Geheimnisvollste und Unerkliirlich-ste was je gezeigt wurde mit grotesken Portratfiguren, die aus Photos, Zeichnungen und Texten zusam-menmontiert sind« Herta Wescher: Die Geschichte der Collage. Koln 1974, S. 175.

6 Uwe M. Schneede: George Grosz. Der Kunstler in seiner Gesellschaft. Koln 1975, S. 98.

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rem dazu fuhrte, daB das engagierte Blatt, das sich entschieden gegen das Erstarken vonMilitarismus und Kapital aussprach, regelmaBig verboten wurde.1 Zu den wohl schiirf-sten antimilitaristischen Beitragen zahlte in diesem Zusammenhang das karikaturistischverzerrte Portrat eines Reichswehrangehorigen, das zusammen mit der Bildunterschrift»Die deutsche Pest«2 auf der Titelseite des funften Heftes der Pleite erschien. Die Ver-offentlichung der entlarvenden Grosz-Zeichnung »Kapital und Militar wiinschen sich:Ein gesundes Neues Jahr!«3 zog im Januar 1920 sogar das endgtiltige Verbot der poli-tisch-satirischen Zeitschrift nach sich.4

Ein Blick in die sechste Ausgabe der Pleite zeigt freilich, daB sich die Macher und Mit-arbeiter der kritischen Zeitschrift nicht a11einauf die Wirkung von Text und KarikaturverlieBen. So venat etwa die Bild- Text-Komposition »Hindenburg-Friihstiick«5, daBman in der Redaktionsstube der Zeitschrift zusatzlich mit der politischen »Tendenzfoto-grafie« operierte, jener agitatorischen Waffe also, fur die Tucholsky seit 1912 immerwieder geworben hatte.6 In den vier illegalen Ausgaben der Pleite, die in den Jahren1923 bis 1924 erschienen, wurde das Medium Fotografie ebenfalls sporadisch als agi-tatorisches Kampfmittel eingesetzt? Etwa zur gleichen Zeit solI auch John Heartfieldserste politische Fotomontage entstanden sein: »Nach zehn Jahren: Vater und Sohne1924«8.

Der Heartfield-Forscher Michael Toteberg schreibt tiber die beriihmte Fotomontage, dieanlaBlich des zehnten Jahrestages des Kriegsbeginns fur das Schaufenster der BerlinerMalik-Buchhandlung gefertigt wurde: »Auf der Montage zieht ein Trupp Kinder in Ka-

J Schon die satirische Zeitschrift Jedermann sein eigner Fussball, die Vorgangerin der Pleite, war wegen»Verachtlichmachung der Reichswehr« verboten worden. Vgl. Alexander Maier: Die Pleite. In: Lexikonsozialistischer Literatur, a.a.a., S. 374-375.

2 Das erwiihnte Portrat eines ReichswehrangehOrigen gehOrt zu den Details der Grosz-Zeichnung »Fried-richstra6e«, die 1922 in der Grosz-Mappe Ecce homo reproduziert wurde. Vgl. auch Rosamunde Neu-gebauer Gratin von der Schulenburg: George Grosz: Macht und Ohnmacht satirischer Kunst. Berlin1993, S. 81-122 und S. 236. Vgl. femer Lothar Kusche: Beim Bliittern in der "Pleite ". In: Die Weltbiih-ne, Ausgabe vom 29. August 1978, S. 1092-1094. Vgl. zudem Dokument Nr. 29 im Anhang.

3 Vgl. Die Pleite, 1. Jg., Nr. 6, Januar 1920. Vgl. auch Lothar Fischer: George Grosz. Reinbek bei Ham-burg 1976, S. 63. Vgl. zudem Dokument Nr. 30 im Anhang dieses Bandes.

4 In den Jahren 1923 bis 1924 erschienen - wegen des offIziellen Verbots - vier illegale Hefte der Pleite.Vgl. Die Pleite. lllustrierte Monatsschrift. EinscWieBlich der nur in einer Nummer erschienenen Zeit-schrift "Jedermann sein eigner Fussball". Fotomechanischer Neudruck der Originalausgaben 1919-24utit einer Einleitung von Wieland Herzfelde. Zentralantiquariat der Deutschen Demokratischen Repu-b1ik. Leipzig 1978.

5 Vgl. Die Pleite, 1. Jg., Nr. 6, Januar 1920. Unter eine KriegsfotografIe, die vermutlich die grauenhaftenFolgen eines artilleristischen Volltreffers in eine Gruppe von Soldaten zeigt, setzten die Mitarbeiter derPleite die Unterschrift »Hindenburg-Frtihstiick«. Moglicherweise handelt es sich bei diesem Beitrag urneine Anspielung auf Hindenburgs Ausspruch: »Der Krieg bekommt mir wie eine Badekur!« Vgl. hierzuauch Die Aktion, 15. Jg., Nr. 7/8 vom 18. April 1925, Titelseite. Dort wird das Hindenburg-Zitat eineranklagenden KriegsfotografIe gegeniibergestellt.

6 Vgl. hierzu etwa Peter Panter: Briefbeilagen. In: Die Weltbiihne, 14. Jg., Nr. 24 vom 13. Juni 1918, S.545-547 (GW, Bd. 1, S. 302-304).

7 Vgl. etwa Die Pleite, Nr. 7, Juli 1923, Beitrage: »Rettet die Repub1ik« (Collage) bzw. »Der Stolz derFamilie«. Vgl. zudem Die Pleite, Nr. 10/11, Juni 1924, Beitrag: »Eine reiche Familie in ihrem ganzenUngliick«.

8 Vgl. Michael Toteberg: Heartfield. Reinbek bei Hamburg 1978, S. 52-53.

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dettenuniform mit geschulterten Gewehren vorbei an den Totengerippen ihrer Vater, dieihrerseits vor einem General strammstehen.«l Es war mithin ein hochdekorierter Heer-fuhrer, der fur den ebenso sinnlosen wie grausamen Tod unzahliger Soldaten des erstenWeltkriegs verantwortlich gemacht wurde. Mit Sicherheit ein typischer Vertreter jenerGenerale, die - so beschrieb es der Zeitzeuge Hans Sahl - in den Jahren der Nachkriegs-zeit hochst ungeduldig auf den »Tag der Abrechnung mit einem verhaBten Regime«2warteten. Moglicherweise sogar einer yon den Heerfuhrern, die im Jahre 1929 zu Be-standteilen der Fotomontage »Tiere sehen dich an« mutieren sollten.

Zu den Blattern, die in den Nachkriegsjahren regelmaBig antimilitaristische Beitrage inWort und Bild veroffentlichten, gehorte nicht zuletzt das USPD-Periodikum Freie Welt,nach eigenem Selbstverstandnis eine »Wochenschrift des revolutionaren Proletariats«3,die in Berlin yon dem linksstehenden Journalisten Felix StOssinger herausgegeben undredigiert wurde. In dieser sozialistischen Zeitschrift erschienen - neben sozialkritischenZeichnungen und Karikaturen - auch immer wieder agitatorisch wirksame Fotografien,die zusammen mit den dazugehorigen Bildunterschriften und Kommentaren bevorzugtjene Erscheinungen geiBelten, an denen die Weimarer Republik uniibersehbar krankte:Massenelend, Monarchistenkult, Klassenjustiz und Korpsstudententum. 1m Rahmen derSonderausgabe »Krieg dem Kriege!«4, in der auch das Tucholsky-Gedicht »1. August1914«5 erschien, brachte die Freie Welt damber hinaus eine tendenzfotografische Ge-geniiberstellung mit der entlarvenden Unterschrift: »Wie ein in der Etappe gestorbenerGeneral begraben wurde - und wie die an der Front Geschlachteten in ein Massengrabverladen wurden«6. Auf der Titelseite des Sonderheftes erschien zudem eine graphischeDarstellung des Zeichners Karl Holtz, deren antimilitaristische Tendenz nicht zu iiber-sehen war. Die Bildunterschrift lautete: »Zum Jahrestag der deutschen Kriegserklarung:Die Bestien, die auf die Menschheit losgelassen wurden.« 7

Neben den Arbeiten yon Karl Holtz wurden in der Wochenzeitschrift Freie Welt in denJahren 1919 und 1920 immer wieder sozialkritische und antimilitaristische Beitrage desKarikaturisten George Grosz gebracht. So erschien bereits im funften Heft des ersten

1 Toteberg, Hearifield, a.a.O., S. 54.2 Vgl. Hans Sahl: George Grosz oder Die Vertreibung aus dem Paradies. In: Hans Sahl: "Und doch ... "

Essays und Kritiken aus zwei Kontinenten. Herausgegeben yon Klaus Blanc. Frankfurt am Main 1991,S. 187-202, hier: S. 196.

3 Vgl. Freie Welt, 2. Jg., Heft 9 yom 6. Man 1920. An gleicher Stelle wurde yermeldet: »Die Freie Weltist die beste deutsche illustrierte Wochenschrift. Selbst ihre politischen Gegner anerkennen ihre groBeArbeit fUr Kultur und VolksaufkHirung.«

4 Vgl. Freie Welt, 2. Jg., Heft 29 yom 8. August 1920. Vgl. zum Kontext Dietrich Harth, Dietrich Schu-bert, Michael Schmidt (Hrsg.): Pazifismus zwischen den Weltkriegen. Deutsche Schriflsteller und Kiinst-ler gegen Krieg und Militarismus 1918-1933. Heidelberg 1985. Vgl. zudem Theobald Tiger: Krieg demKriege. In: Wk, 48. Jg., Nr. 24 yom 13. Juni 1919, S. 2 (GW, Bd. 2, S. 112-113).

5 Theobald Tiger: 1. August 1914. In: Freie Welt, 2. Jg., Heft 29 yom 8. August 1920, S. 2. Jetzt in: KurtTucholsky: Gedichte. Herausgegeben yon Mary Gerold-Tucholsky. Reinbek bei Hamburg 1992, S. 325-327.

6 Vgl. Freie Welt, 2. Jg., Heft 29 yom 8. August 1920, S. 5.7 So wurde das deutsche Militiir - neben weiteren »Bestien« wie etwa »Hunger« und »Wuchertum« - yon

einem affenahnlichen Wesen yerkorpert. Vgl. Dokument Nr. 27 im Anhang dieses Bandes.

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Jahrgangs der Freien Welt eine Grosz-Zeichnung, die gegen den seinerzeit bekanntenPolitiker Konstantin Fehrenbach agitierte1

; weitere Beitrage des engagierten Kiinstlers,meist antimilitaristische Pamphlete in Wort und Bild, sollten folgen.2 1m Oktober 1920veroffentlichte die Freie Welt - trotz eines Verbots - eine Karikatur aus der kurz zuvorbeschlagnahmten Grosz-Mappe »Gott mit uns«3. Bereits zwei Wochen zuvor hatte derRedakteur der Zeitschrift, Felix Stossinger, konstatiert:

George Grosz ist den Lesem der "Freien Welt" kein Fremder mehr. Seine Bilder und Map-pen sind im Malik-Verlag und in verschiedenen Zeitschriften des Verlags ("Der Gegner","Die Pleite") erschienen. Seine Zeichnungen sind die scharfste, die radikalste, die bolsche-wistische Vernichtung des Militarismus in der Kunst. Niemand hat vor ihm so das Tier imOffIziersgesicht, den bmtalen Morder im Feldwebel gezeichne10 Seine Menschen sind yoneiner ungeheuerlichen fleischlichen Kraft und zynischen Lebendigkei10 Sein Strich ist wiemit dem Messer gezogen.4

Zu den vielen Bewunderern des Zeichners, der »das Tier im Offiziersgesicht« festzu-halten verstand, gehorte auch Kurt Tucholsky, der sich erstmals im Rahmen des Welt-buhnen-Artikels »Die lebendigen Toten«5 mit dem bekannten Karikaturisten auseinan-dergesetzt hatte. In seiner Betrachtung »Dada«, die im Juli 1920 im Berliner Tageblatterschien, urteilte der Journalist iiber Grosz' Zeichenkunst: »Seine Mappe ,Gott mit uns'sollte auf keinem gut biirgerlichen Familientisch fehlen - seine Fratzen der Majore undSergeanten sind infernalischer Wirklichkeitsspuk. «6 AnlaBlich des aufsehenerregendenProzesses gegen Grosz wegen Beleidigung der Reichswehr beschrieb Tucholsky erneutdie »Fratzen yon [...] unerhorter BrutaliHit«7, die in der antimilitaristischen Mappe »Gottmit uns« zu sehen seien. 1m Lager der Nationalisten reagierte man unterdessen auBerstungehalten auf das Bilderbuch des sozialkritischen Kiinstlers aus dem Kreis der BerlinerDadaisten. So hieB es etwa in der deutschgesinnten Zeitung Wiener Stimmen:

Kaum noch iiberraschen diirfte es, zu vemehmen, daB auch der - Dadaismus sich an derOffiziershetze beteiligt und damit bewiesen hat, daB er keineswegs nur eine harmlose und

1 Fehrenbach, ein Vertreter des rechten Zentmmsfliigels, wurde wegen eines revanchistischen Ausspmchsangeprangert. Die Unterschrift der Grosz-Zeichnung lautet in diesem Zusammenhang: »Fehrenbach inder Nationalversannnlung: ,Die Kinder werden die Schmach abwischen. '«

2 Vgl. etwa Die freie Welt, 1. Jahrgang: Heft 7, S. 5; Heft 23, S. 5; Freie Welt (ab Heft 28 TiteHmderung),1. Jahrgang, Heft 29, S. 3; Freie Welt, 2. Jahrgang, Heft 27, S. 8; Heft 37, S. 8; Heft 39, S. 5.

3 Vgl. Freie Welt, 2. Jg., Heft 41 yom 31. Oktober 1920, S. 2. In dem dazugehOrigen Begleittext (»GeorgeGrosz wieder beschlagnahmt!«) heillt es unter anderem: »Die Reichswehr, das Polizeiprasidium und derOberstaatsanwalt machen gemeinsam Jagd auf einen der genialsten Zeichner, die wir in Deutschland ha-ben: George Grosz. [...] Die ,Freie Welt' wird sich auch durch die neue Verfolgung des Kiinstlers nurdarin bestiirken lassen, Blatter yon ihm so oft zu veroffentlichen, als es fur und dem Kiinstler paBt, z. B.gleich heute.«

4 F. S10[d i. Felix StOssinger]: Moderne revolutioniire Kunst. In: Freie Welt, 2. Jg., Heft 39 yom 17. Ok-tober 1920, S. 4 und S. 8.

5 Ignaz Wrobel: Die lebendigen Toten. In: Die Weltbiihne, 15. Jg., Nr. 21 yom 15. Mai 1919, S. 564-568(GW, Bd. 2, S. 95-99).

6 Peter Panter: Dada. In: Berliner Tageblatt, 49. Jg., Nr. 337 yom 20. Juli 1920, S. 5 (GW, Bd. 2, S. 382-383, hier: S. 382).

7 Ignaz Wrobel: Dada-Prozefi. In: Die Weltbiihne, 17. Jg., Nr. 17 yom 28. April 1921, S. 454-457 (GW,Bd. 3, S. 26-30, hier: S. 26).

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geschmacklose Fexerei ist, sondem vielmehr das giftige Produkt des modemen geistigenZersetzungsprozesses. In der Dadaistenausstellung war, an der Decke hangend, ein ausge-stopfter feldgriiner Soldat zu sehen, mit OfflZiersachselstiicken und dem Kopf eine Schwei-nes unter der Feldmiitze!2 Das Ehrenzeichen des Eisemen Kreuzes aber hatte man an einerebenfalls ausgestopften weiblichen Puppe an einer Stelle befestigt, durch die man es offen-sichtlich degradieren wolltd Damit noch nicht genug, lag in dieser sauberen Ausstellungauch ein Album auf, dessen Bilder ausschliefilich der Aufreizung zum Hasse und zur Ver-achtung gegen das Offizierskorps dienten. [...] Der Zeichner dieser und ahnlicher Bilder istein gewisser Georges [sic] Grofi [sic]. Yon einem anderen Produkte dieses Herm wird ge-sagt, sein Inhalt habe aIle bildlichen Verunglimpfungen der auslandischen Hetzpropagandagegen Deutschland weit in den Schatten gestellt. Das will etwas besagen!4

Bei dem erwahnten »Produk:t«, das mit den »bildlichen Verunglimpfungen der auslandi-schen Hetzpropaganda gegen Deutschland« aus den Jahren des ersten Weltkriegs gleich-gesetzt wurde, handelte es sich urn die sozialkritische und weitgehend antimilitaristischeGrosz-Mappe »Das Gesicht der herrschenden Klasse«, die im Jahre 1921 im »Malik-Verlag« von Wieland Herzfelde erschienen war. In einer Besprechung, die gleich nachdem Erscheinen des Bildwerks in der Weltbiihne veroffentlicht wurde5

, urteilte PeterSquenz6 ausgesprochen positiv iiber das neueste Grosz-Album, in der Glocke wiederum,einer »Wochenschrift fur Politik, Wirtschaft, Kunst und Kultur«, wurde das Pamphletscharf abgelehnt? Tucholsky besprach das aus seiner Sicht »meisterlichste Bildwerk derNachkriegszeit« - genau zwei Wochen nach der Veroffentlichung der Rezension von,Squenz' - ebenfalls in der Weltbiihne. Sein Fazit lautete: »Viechskerle von Soldaten,Bulldoggen und Sergeanten, Herren und Generale«8.

1 Gemeint ist die »Erste intemationale Dada-Messe«, die seinerzeit in Berlin stattfand Vgl. ausfuhrlichHanne Bergius: Das Lachen Dadas. Die Berliner Dadaisten und ihre Aktionen. Giefien 1989.

2 Hierbei handelte es sich urn die Deckenplastik »Preufiischer Erzengel«, die yon John Heartfield und Ru-dolf Schlichter ,montiert' worden war. Die Figur trug eine Bauchbinde mit der Aufschrift: »Vom Him-mel hoch, da komm' ich her«, auf einem dazugehOrigen Schild stand zu lesen: »Dm dieses Kunstwerkyollkommen zu begreifen, exerziere man tiiglich zwolf Stunden mit yollgepacktem Affen [gemeint ist:Tornister, R. B.] und feldmarschmaBig ausgeriistet auf dem Tempelhofer Feld«. Vgl. Ausstellungskata-log George Grosz: Berlin - New York, a.a.O., S. 143.

3 Es ging in diesem Zusammenhang urn die yon George Grosz und John Heartfield montierte Plastik »Derwildgewordene Spiefier«. Vgl. George Grosz: Berlin-New York, a.a.O., S. 143.

4 Miles: Aus der Kloake. In: Wiener Stimmen, Ausgabe yom 26. Juli 1922 (Tucholsky-Archiy). Im Rah-men dieses Artikels hiefi es aufierdem: »Ein gewisser Dr. Kurt Tucholsky, der, ein literarischer Proteus,auch als ,Ignaz Wrobel' und ,Theobald Tiger' sein pamphletisches Dnwesen treibt, tat sich in Fufitrittengegen den toten Lowen deutsches OfflZierskorps besonders hervor.«

5 Peter Squenz: Das Gesicht der herrschenden Klasse. In: Die Weltbuhne, 17. Jg., Nr. 31 yom 4. August1921, S. 131.

6 Peter Squenz ist eine Dramenfigur aus der deutschen Adaption des Sommernachtstraums yon WilliamShakespeare. Mithin handelt es sich hierbei mit grofier Wahrscheinlichkeit um ein Pseudonym. Diesenwichtigen Hinweis yerdanke ich Prof. Dr. Klaus Jeziorkowski.

7 Vgl. Paul Mochmann: Das gezeichnete Pamphlet. In: Die Glocke, 7. Jg., Nr. 50 yom 6. Marz 1922, S.1380-1385. Mochmann bezeichnete die Grosz-Mappe unter anderem als »Hetzartikel in 57 Folgen ge-gen die deutsche Republik«. Gegen Ende seiner Ausfuhrungen konstatierte Mochmann: »Es scheint, alsseien es die antimilitaristischen Gefuhle, die Grosz' politische Stellung bestimmen. Man kann geradezuyon einer fixen Idee, yon einem Graukoller bei ilnn reden. Grosz predigt nicht Reform, sondem Aus-rottung, ob er nun, mit peinlicher Sauberkeit im Detail, blutrunstige Anekdoten erzahlt oder einfach Ty-pen yon ReichswehrangehOrigen zeichnet, wie sie des Kiinstlers hafierfullte Seele sieht und - wie er sieyon andem gesehen wissen will.«

8 Ignaz Wrobel: Fratzen von Grosz. In: Die Weltbuhne, 17. Jg., Nr. 33 yom 18. August 1921, S. 184-185(GW, Bd. 3, S. 41-43, hier: S. 42).

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Die yon Tucholsky erwahnten »Herren und Generale« tauchen in der Mappe »Das Ge-sicht der herrschenden Klasse« unter anderem in Gestalt yon Erich Ludendorff (ehemalsGeneralquartiermeister) und Paul yon Hindenburg (ehemals Chef der Obersten Heeres-leitung) auf So thematisiert das Blatt »Ludendorffs Ruckkehr«l auf satirische Art undWeise die Ruckkunft des ausgerissenen Generals2 nach kurzem Exil in Schweden, wah-rend eine weitere Karikatur aus dem Grosz-Album die genannten Militars als kriegslu-sterne und infolgedessen schuldbe1adene »Vampire der Menschheit«3 darstellt. Geradedie letztgenannte Zeichnung weckte allem Anschein nach das besondere Interesse KurtTucholskys. Nach eingehender Betrachtung des karikaturistisch verzerrten Ludendorff-Portrats hielt der Bewunderer des Karikaturisten jedenfalls fest: »Grosz hat sich liebe-voll in dieses Gesicht versenkt - es ist dem Gesicht nicht gut bekommen.«4

Wahrend Grosz und Heartfield den preuBischen Militarismus im allgemeinen - und dieverantwortlichen Generale5 im besonderen - mit Hilfe yon Karikatur und Fotomontageanprangerten, bekampfte Tucholsky die Ikonen der ehemals ,ruhmvollsten Armee allerNationen' rege1maBig in seinen kritischen Artikeln und Aufsatzen. 1m Rahmen des Ge-dichts »Strafgericht?«, das im August des Jahres 1919 in der Weltbuhne veroffentlichtwurde, hielt der Pazifist beispielsweise fest: »Dnd schaut ein General noch so verruchtaus: Man steckt ihn nie und nimmermehr ins Zuchthaus.«6 Einige Monate daraufhieB esin bezug aufLudendorff »Hunderttausende sind in Ackergraben verdreckt und verrecktund viele Knaben bluteten vor Ypern, weil einem General auf der fettgepolsterten Brustnoch ein Orden fehlen mochte.«7 In einem Beitrag fur die Freie Welt, der sich mit demausgepragten Monarchistenkult und der fortdauernden Verherrlichung des Militars inder Weimarer Republik auseinandersetzte, spottete Kurt Tucholsky schlieBlich uber die»Ansichtskarten mit den grinsenden Gesichtern fetter Heerfiihrer«8. In einem weiterenArtikel fur die illustrierte Wochenzeitschrift der DSPD - »Menschenmaterial« - hieB eshingegen kritisch und anklagend: »54 Generale der Reichswehr sind wichtiger als ver-reckte und verdorrte deutsche Mutter. «9

1 George Grosz: Das Gesicht der herrschenden Klasse. Dritte erweiterte Ausgabe. Berlin 1921, S. 33.2 Vgl. Ignaz Wrobel: LudendorfJ In: Die Freiheit, 3. Jg., Nr. 167 vom 9. Mai 1920, S. 2 (GW, Bd. 2, S.

323-325). So konstatierte Tucho1sky unter anderem (S. 324): »Erich Ludendorff verlor den Krieg, flohund verdiente auf recht unmilitarische Weise Geld.« Vgl. auch Ignaz Wrobel: Kadett LudendorfJ In:Die Welt am Montag, 28. Jg., Nr. 15 vom 10. April 1922, S. 2 (GW, Bd. 3, S. 166-169).

3 George Grosz, Das Gesicht der herrschenden Klasse, a.a.G., S. 11. Vgl. hierzu auch Dokument Nr. 31im Anhang dieses Bandes.

4 Ignaz Wrobel: Fratzen von Grosz. In: Die Weltbuhne, 17. Jg., Nr. 33 vom 18. August 1921, S. 184-185(GW, Bd. 3, S. 41-43, hier: S. 42).

5 In diesem Zusannnenhang hielt George Grosz fest: »Der Ausbruch des Krieges machte mir kIar, daB dieMasse, die unter der Suggestion der Presse und des militarischen Gepranges begeistert durch die StraBenzog, willenlos war. Der Wille der Staatsmanner und Generale beherrschte sie.« Vgl. George Grosz undWieland Herzfelde, Die Kunst ist in Gefahr, a.a.G., S. 19.

6 Kaspar Hauser: Strafgericht? In: Die Weltbuhne, 15. Jg., Nr. 34 vom 14. August 1919, S. 200 (GW, Bd.2, S. 142-143, hier: S. 142).

7 Ignaz Wrobel, LudendorfJ, a.a.G. (Anmerkung 2), S. 325.8 Ignaz Wrobel: Die Strafte der Republik. In: Freie Welt, 2. Jg., Heft 40 vom 24. Oktober 1920, S. 4

(RwW, S. 126-128, hier: S. 127). Vgl. hierzu auch Dokument Nr. 32.9 Ignaz Wrobel: Menschenmaterial. In: Freie Welt, 2. Jg., Heft 48 vom 19. Dezember 1920, S. 2-3 (DT,

S. 252-255. hier: S. 253). Vgl. hierzu auch Dokument Nr. 33.

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Der »indianerbunte General«\ dessen reales Erscheinungsbild laut Kurt Tucholsky vonkeiner Karikatur iibertroffen werden konnte2

, muBte sich auch in den Jahren nach 1920regelmaBig die satirisch-polemischen Attacken des bekannten Weltbiihnen-Journalistengefallen lassen. 1m Rahmen des im Jahre 1924 veroffentlichten Artikels »Rudolf Her-zog - ein deutscher Mann«, der :funf Jahre spater in das Deutschland-Buch aufgenom-men werden sollte, spottelte Tucholsky beispielsweise: »Nun bin ich gar nicht so unge-bildet, wie ein General aussieht.«3 Und im Mai 1925 schrieb der Schriftsteller iiber einpazifistisches Bildwerk des Zeichners Willibald Krain: »Die Mappe sollte jeder kaufen,der da glaubt, daB er seine Kinder nicht zu dem Zweck in die Welt gesetzt habe, damitniedrigstirnige Generale, goldbetakelt und groBspurig, an den Massengrabern eine Friih-stiicksrede halten.«4 1m Weltbiihnen-Beitrag »Grimms Marchen«, der im September desJahres 1928 erschien, brachte Kurt Tucholsky erneut eine provokante Spitze gegen diehochrangigen Offiziere ins Spiel. So heiBt es in der bereits erwahnten Rezension iiberHans Grimms Buch »Die dreizehn Briefe aus Deutsch-Siidwest-Afrika«:

Dnter meinen Kindheitseindriicken an das deutsche Militar rangieren zwei an erster Stelle.Der friiheste, also starkste, ist eine nach Drin stinkende Latrine einer stettiner Kaseme; undjene, denen die Terminologie der Psychoanalyse das billchen Verstand genommen hat, mo-gen deutend ergriinden, wie schon der Knabe eine ganze Institution mit dem herben Gemchder Mannerausscheidungen identlllZierte, und tatsachlich habe ich das auch heute noch inder Nase, wenn ich einen General sehe.5

DaB Tucholsky - der die Generale unter anderem als »in Freiheit lebende Irre«6 bezeich-nete, die Tag :fur Tag »bunt, damlich, von den Kaufleuten dotiert« 7 ihr antidemokrati-sches Unwesen trieben - die ihm verhaBten Offiziere nicht ausschlieBlich mit den Mit-teln der Polemik bekampfte, geht vor allem aus einem Artikel hervor, der anlaBlich derErmordung Walther Rathenaus im Juni des Jahres 1922 in der demokratisch-pazifisti-schen Welt am Montag veroffentlicht wurde. So hielt der Journalist unter anderem fest,

1 Ignaz Wrobel: Der gestohlene Brieftrager. In: Der Montag im Osten, 1. Jg., Nr. 1 vom 10. Oktober1921, S. 2 (DT, S. 268-272, hier: 272).

2 Vgl. Peter Panter: Das falsche Plakat von Paris. In: Vossische Zeitung, Nr. 353 vom 26. Juli 1924, S. 2(GW, Bd 3, S. 416-419, hier: S. 418): »Jede Nation hat sich innner und iiberall auf der Welt von denandem ein vereinfachendes Plakatbild gemacht, das meist so vergrobert ist, daB es iiberhaupt nicht mehrstimmt (und es gibt nur einen Fall, Herr General, wo die Karikatur milder ist als das Drbild).«

3 Ignaz Wrobel: Rudolf Herzog - ein deutscher Mann. In: Die Weltbiihne, 20. Jg., Nr. 39 vom 25. Sep-tember 1924, S. 462-467 (GW, Bd. 3, S. 463-468, hier: S. 463). Vgl. auch DD, S. 67-76. In Tucho1skysDeutschland-Buch geraten Generale wiederholt in das Kreuzfeuer satirisch-po1emischer Kritik. So heilltes beispie1sweise im Beitrag »Schadlichkeit des Zivils« (DD, S. 15-16, hier: S. 16): »Denn dies ist deroberste Grundsatz:fiir Stubenmadchen und Generale: Was in Tracht ist, muB in Tracht geliebt werden.Zivi1 ist allemal schadlich.« Vgl. zudem »Lied der Steinklopfer«, DD, S. 213, 1. Strophe.

4 Ignaz Wrobel: Mappe gegen den Krieg. In: Die Weltbiihne, 21. Jg., Nr. 20 vom 19. Mai 1925, S. 756.Bei dem besprochenen Bildwerk handelt es sich urn Willibald Krains Mappe Nie wieder Krieg, Berlin1924.

5 Ignaz Wrobel: Grimms Marchen. In: Die Weltbiihne, 24. Jg., Nr. 36 vom 4. September 1928, S. 353-360(GW, Bd. 6, S. 215-222, hier: S. 219-220).

6 Ignaz Wrobel: Der Telegrammblock. In: Die Weltbiihne, 21. Jg., Nr. 31 vom 4. August 1925, S. 175-177(GW, Bd. 4, S. 175-177, hier: S. 175).

7 Ignaz Wrobel: Aufienseiter der Gesellschaft. In: Die Weltbiihne, 21. Jg., Nr. 10 vom 10. Marz 1925, S.359-360 (GW, Bd. 4, S. 59-60, hier: S. 60).

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daB die »geschlagenen und krummgepriigelten Generale sowie ihre Hintermanner yonder Schwerindustrie und dem GroBagrariertum« seit Jahren unablassig gegen die erstedeutsche Republik agitierten und dabei »dank ihrer ausgezeichneten, gutbezahlten Pro-paganda«l durchaus erfolgreich seien. In einem weiteren Artikel, der zwei Wochen dar-auf in der Weltbiihne erschien, sprach sich Tucholsky, der die junge Demokratie friih-zeitig in Gefahr sah, schlieBlich fur ein hartes und entschiedenes Durchgreifen aus. Eineseiner Forderungen lautete mithin: »Umwandlung der Reichswehr in eine Volksmiliz.Entfemung alier uberflussigen und gegenrevolutionaren Generale und Offiziere. «2

Es ist in diesem Zusammenhang yon Interesse, daB Tucholsky, der in erster Linie ErichLudendorff fur den sinnlosen Opfergang zahlioser Soldaten des ersten Weltkriegs ver-antwortlich machte3

, die Generale >>neuenSchlages«4 nicht mehr mit den Heerfuhremvergangener Zeiten gleichsetzte. 1m Weltbiihnen-Beitrag »Der General im Salon« be-zeichnete Tucholsky den neuen Typus des Generals beispielsweise als »Kommerzienratder Schlachten«5, und in einem Artikel, der Ende November des Jahres 1925 in der pa-zifistischen Zeitung Das Andere Deutschland erschien, hieB es gar: »Der modeme Ge-neral ist so wenig ein Soldat, wie der Kommerzienrat ein Handarbeiter.«6 1m Rahmendes Aufsatzes »Die Herren Helden«, der ebenfalis im Organ der deutschen Friedensbe-wegung veroffentlicht wurde, konstatierte der ehemalige Armierungssoldat Tucholsky:»Beim modemen General wird der Begriff ,Soldat' vollig aufgehoben. Er ist gar keinSoldat mehr.« 7 Die SchluBfolgerung lautete:

Sie waren fa1sch angezogen. Sie batten so wenig eine Uniform tragen sollen wie etwa Wil-helm der Ausreiller: eine Uniform ist kein Ehrenkleid, man gonnt sie ilmen geme - aber siehaben sie sich gestohlen! In Zivil batten sie gehen sollen, diese Telefongenerale. (Man stel-le sich das vor.) Aber dann batte ilmen der ganze Krieg keinen SpaB mehr gemacht, trotzder Bombengeba1ter. Sie liefen herum wie die Todgeweihten, aber sie hatten nur die Chan-ce, sich zu iiberfressen oder sich kleinere Salonkrankheiten zuzuziehen. Sie trugen die Af-fenjacke des Zwangsso1daten - aber sie waren es nicht. Es waren verkleidete Beamte, dieGenera1e.8

1 Ignaz Wrobel: Das Opfer der Republik. In: Die Welt am Montag, 28. Jg., Nr. 26 vom 26. Juni 1922, S. 1(Unter dem Tite1 Das Opfer einer Republik: GW, Bd. 3, S. 208-210, hier: S. 209). Vgl. in diesem Zu-sammenhang auch Theobald Tiger: Rathenau. In: Die Weltbuhne, 18. Jg., Nr. 26 vom 29. Juni 1922, S.653 (GW, Bd. 3, S. 214-215).

2 Ignaz Wrobel: Die zufallige Republik In: Die Weltbuhne, 18. Jg., Nr. 28 vom 13. Juli 1922, S. 25-30(GW, Bd. 3, S. 219-224, hier: 223).

3 Vgl. etwa Theobald Tiger: Rate Melodie. In: Die Weltbuhne, 18. Jg., Nr. 31 vom 3. August 1922, S.122-123 (GW, Bd. 3, S. 252-253). 1m Rahmen dieses Gedichtes, das Erich Ludendorff ,gewidmet' ist,heillt es unter anderem: »General! General! Wag es nur nicht noch einmal! Es schrein die Toten! Denkan die Roten!«

4 Ignaz Wrobel: Ludendorff. In: Die Freiheit, 3. Jg., Nr. 167 vom 9. Mai 1920, S. 2 (GW, Bd. 2, S. 323-325, hier: S. 324).

5 Ignaz Wrobel: Der General im Salon. In: Die Weltbuhne, 20. Jg., Nr. 37 vom 11. September 1924, S.401-402 (GW, Bd. 3, S. 458-459, hier: S. 459).

6 Ignaz Wrobel: Eine Schreckenskammer. In: DasAndere Deutschland, 5. Jg., Nr. 48 vom 28. November1925, S. 3-4 (GW, Bd. 4, S. 267-271, hier: 269).

7 Ignaz Wrobel: Die Herren HeIden. In: DasAndere Deutschland, 6. Jg., Nr. 47 vom 27. November 1926,S. 4 (GW, Bd. 10, S. 172-174, hier. S. 173).

8 Ebd., S. 174.

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Bei aHer lronie und Satire vergaB Tucholsky nie, daB die» Telefon-Generale« 1 und voraHem die Front-Generale, die im ersten Weltkrieg wie »Blut-Generale«2 agiert hatten,als verkleidete Zivilisten3 durchaus mit Gottern gleichgesetzt worden waren. Mit Got-tern freilich, die wieder und wieder nach Opfern verlangt hatten. In einem Artikel, derim Sommer des Jahres 1920 in der USPD-Kampfzeitung Freiheit veroffentlicht wurde,beklagte Tucholsky deshalb mit eindringlichen Worten die Opfer der Kriegshetzer undKriegsherren. So konstatierte er in seinen Erinnerungen an »Rausch, Suff und Katzen-jammer«: »Was der General Ilse, der ,Kindermorder yon Ypern\ bei Langemarck inden Tod jagte, waren gutgHiubige, frische deutsche Jungen, die, fanatisiert, nicht wuB-ten, fur welch eine schlechte Sache sie rufend und singend in den Tod gingen.«4

1m Rahmen des pazifistischen Weltbiihnen-Beitrags »Wir im Museum«, den Tucholskyunmittelbar nach seinem Besuch des franzosischen Kriegsmuseums in Vincennes ver-faBte, ging der radikale Pazifist ein weiteres Mal hart mit den Generalen - aber auch mitderen dienstbaren Hofschranzen und eilfertigen Helfershelfern: StaatssekreHiren, Feld-predigern, kriegsbegeisterten Journalisten - ins Gericht. Dabei spielte er erstmals mit demGedanken, die Generale des ersten Weltkriegs als groteske Schauobjekte einem stau-nenden Publikum vorzufuhren:

Aber muB man den ordensgeschmiickten Rechnungsraten, die sich heute noch Generalenemlen, sagen, daB sie unumschriinkter geherrscht haben, als Gott es jemals getan. Der istvor sich selbst verantwortlich - sie nicht einmal jenen kindlichen Untersuchungsausschiis-sen, die es in die Akten schreiben und es dabei bewenden lassen. Undjeder kleine Geome-ter, Rechtsanwalt, Kaufmann, Ingenieur: sie sind alle nur mitgelaufen, sie haben in der Not-wehr gehandelt, sie konnten nicht anders - und sie bereuen nicht. [...] Man stopfe ein paardieser Generalfeldmarschalle aus, ein paar Journalisten, ein paar Staatssekremre, ein paarFeldprediger, vielleicht als freundliche Attrappen, etwa als Schirmstander oder mit einerVisitenkartenschale im Maul, damit sie doch eimnal zu etwas gut sind im Leben - man stel-le diese Puppen in die Vitrinen und schreibe darunter:

AUS GROSSER ZEITDann wird die Nachwelt staunend davorstehen, schaudemd betrachten und mitleidsvoll be-greifen.5

1 19naz Wrobel: Wo waren Sie im Kriege, Herr -? In: Die Weltbilhne, 22. Jg., Nr. 13 vom 30. Marz 1926,S. 489-492 (GW, Bd. 4, S. 388-391). In diesem Zusannnenhang fiihrte Tucholsky aus: »Nicht das ist einEinwand gegen die Telefon-Generale, daB viele unter ihnen feige gewesen sind und roh, nicht nur das,daB Ungerechtigkeiten vorgekommen sind und die empOrende Praxis der Militargerichte, nicht, daB einhOherer Grad den Offizier aus der Sphare der Soldaten heraushob und einen Verwaltungsbeamten ausihm machte: der Sinn des staatlichen Krieges selbst wird von uns vemeint.«

2 19naz Wrobel: Undwer sprichtfi1r Euch? In: DasAndere Deutschland, 7. Jg., Nr. 42 vom 22. Oktober1927, S. 2-3 (GW, Bd. 5, S. 351-353, hier: S. 353).

3 1m Ralunen des Artikels Das Ding, das fliegt gab Tucholsky sich folgendem Gedankenspiel bin: »Wiesahe Krieg aus, wenn die Krieger in Zivil herumschOssen? [...] Sie glauben gar nicht, wie anders der Po-lizist, der Richter, der General aussehen, wenn man ihn sich, ganz schnell, in Zivil vorstellt - wenn mandie Rolle mit einem besetzt, der so gekleidet ist wie ich und Sie.« Peter Panter: Das Ding, das fliegt. In:Vossische Zeitung, Nr. 213 vom 6. September 1927, Unterhaltungsblatt Nr. 208, S. 1 (DT, S. 572-575,hier: S. 574).

4 19naz Wrobel: Rausch, SufJund Katzenjammer. In: Die Freiheit, 3. Jg., Nr. 311 vom 3. August 1920, S.2 (GW, Bd. 2, S. 392-395, hier: S. 393).

5 19naz Wrobel: Wir im Museum. In: Die Weltbilhne, 22. Jg., Nr. 9 vom 2. Marz 1926, S. 325-328 (GW,Bd. 4, S. 360-364, hier: S. 364).

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Rund drei Jahre spater - das Deutschland-Album erschien am 6. August 1929 - war esindessen Heartfields Fotomontage »Tiere sehen dich an«, die ihre Betrachter bisweilenstaunen machte, auf jeden Fall provozierte, aber nur in MaBen »mitleidsvoll begreifen«lieB. So war es Heartfield, der die umstrittene Fotomontage eigenverantwortlich in daspolitische Bilderbuch eingefugt hatte1

, wohl nur noch urn eine ebenso radikale wie ex-travagante Abrechnung mit den verhaBten Militars gegangen. Vielleicht nach dem un-miBverstandlichen Motto: »Einen FuBtritt aber dem Andenken der Generale, Fursten,Prasidenten, Minister und Journalisten, die das Leben der andern hingaben fur die Ehreder Bilanz des Vaterlandes.«2 GewiB aber aus der Dberzeugung: »So groB kann keineUntat sein wie das Verbrechen der Kriegsgerichtsrate auf allen Seiten, der Generale aufallen Seiten. «3

Hans Joachim Becker hat im Rahmen seiner Dissertation daraufhingewiesen, daB 1928,mnd ein Jahr vor dem Erscheinen des Deutschland-Albums, bereits ein Bilderbuch desSchriftstellers Paul Eipper unter dem pragnanten Titel »Tiere sehen Dich an« erschienenwar. Das Werk, das daraufhin yon Hermann Kasack in der Weltbiihne besprochen wur-de4

, fand dank seiner »sachlich, naturgetreu, echt und lebendig«5 wirkenden Tierportratsrasch zahlreiche Leser - auch Tucholsky durfte der Bestseller nicht entgangen sein.6 Indiesem Zusammenhang konstatiert Becker: »Was nun Heartfield bewogen haben mag,gerade jenen bekannten Titel mit seiner Montage zu verbinden, obgleich ihm [...] zumBeispiel George Grosz davon abgeraten hatte, das laBt sich nicht mit Bestimmtheit sa-gen.« 7 Kurt Tucholsky hingegen - dies ist in diesem Zusammenhang yon besonderemInteresse - hatte in seinen zahlreichen Artikeln gegen Krieg, Soldatentum und Milita-rismus bereits des ofteren yon eindringlichen Mensch- Tier- Vergleichen Gebrauch ge-macht.

1 Vgl. hienu etwaKurt Tucholsky an Walter Hasenclever, 25. Juli 1933: »DaB die Seite ,Tiere sehen dichan' mit den Generalskopfen gar nicht yon mir ist, nebenbei - ich mufi natiirlich die Verantwortung tra-gen. Sie stammt yon John Heartfield, und er hat sie knapp vor der Drucklegung eingefiigt, er hatte dasRecht, es zu tun.« In: Kurt Tucholsky: Politische Briefe. Zusammengestellt yon Fritz J. Raddatz. Rein-bek bei Hamburg 1969, S. 31. Vgl. zudem Becker, Mit geballter Faust, a.a.O., S. 65: »DaB Heartfield indiesem Fall eigenmachtig gehandelt hat, scheint jedenfalls aufier Zweifel zu stehen.«

2 Ignaz Wrobel: Martyrer. In: Die Weltbuhne, 21. Jg., Nr. 35 yom 1. September 1925, S. 325-328 (GW,Bd. 4, S. 200-203, hier: S. 203).

3 Peter Panter: Aufdem Nachttisch. In: Die Weltbuhne, 27. Jg., Nr. 18 yom 5. Mai 1931, S. 656-660 (GW,Bd. 9, S. 195-202, hier: S. 202).

4 Hermann Kasack: Tiere sehen Dich an. In: Die Weltbuhne, 24. Jg., Nr. 44 yom 30. Oktober 1928, S.686-687. Das interessante Resiimee des Rezensenten lautete in diesem Zusammenhang: »Je weiter manin dem Buch liest, urn so weniger sieht man sich die Tiere als interessante Objekte an. Urn so mehr se-hen sie uns, die Menschen an, und vor ihrem Tierblick zerfaIlt das moderne Kleid, Arger, Ekel an derZeit und die bis zurn Uberdrufi gebrachte Alltagspsychologie. Vor diesem Tierblick erwacht, was desMenschen uraltester, vielleicht sein bester Tell ist: die reine Kreatur. Tiere sehen uns an - nicht Staats-anwiilte, Kontrollbeamte, Bureauharpyien, Gasmasken, sondern Tiere, deren Ahnen sich noch heute inihrem Blick spiegeln.«

5 Robert Groetzsch: Paul Eipper: Tiere sehen Dich an [Rezension]. In: Die Bucherwarte (»Zeitschrift fursozialistische Buchkritik«), Jahrgang 1929, Heft 2, S. 25.

6 Vgl. Becker, Mit geballter Faust, a.a.a., S. 65. Becker verweist in diesem Zusammenhang auf Tuchols-kys Artikel Titelmoden (GW, Bd. 8, S. 13-15) aus dem Jahr 1930, in dem Peter Panter die Titel einigerBestseller jener Zeit mutwillig durcheinanderwarf (S. 15): »>Finden Sie, daB Juckenack sich richtig ver-hiilt?< - >Wer weint urn Constanze?< - >Blonde Frauen sehn dich an< - >Gentlemen prefer beasts«<.

7 Becker, Mit geballter Faust, a.a.O., S. 65.

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Zu den woh1 friihesten Zeugnissen gehort in diesem Zusammenhang eine private AuBe-rung des Zeitkritikers, die aus der Soldatenzeit Tucho1skys datiert. So heiBt es in einem1angeren Brief, den Tucho1sky im August 1918 - also kurz vor Kriegsende - an MaryGerold schrieb:

Er [d. i. Mary] fragt, warum die, die im Kriege Menschen toten, noch BIech angehangt be-kommen zur Belohnung. Weil alle Moral aufNutzlichkeit aufgebaut ist - bis auf einen klei-nen Rest, den man nicht erkliiren kann, und der der Philosophie so viel zu knacken gibt.Diebstahl ist deswegen so verschiien - in der Hauptsache - weil er uns schadet, Mord auch.Dnd dieser Mord soIl nutzen, und es ist noch nicht - nach 6000 Jahren noch nicht - in dieKopfe gegangen, daB BIut BIut ist und daB es keinen geheiligten Mord geben darf. Natiir-lich ist kein Unterschied Nur die Betrachtungsweise dieser Tiere macht einen: der Morderist ein Unhold, Richthofen ist ein Held. Dabei sind beide mitunter beides. Das wird nichtaufuoren, bis der Walmsinn der Staaten aufuort.1

Uber den Wahnsinn des Krieges, der nicht zu1etzt den sogenannten »Heimatkistenoffi-zier« und »all das Getier«2 hervorgebracht hatte, 1ieBTucho1sky sich kurz darauf auchin einem pazifistischen Gedicht aus, das kurz nach Kriegsende in Siegfried JacobsohnsWeltbuhne veroffentlicht wurde: »He1m ab -!«. In einem weiteren Beitrag, der im Aprildes Jahres 1919 ebenfalls in den bekannten roten Heften der Berliner Wochenzeitschrifterschien, hie1t er sodann mit Bezug auf verantwortungs1ose Offiziere yom Schlage einesErich Ludendorff fest:

Du bunte Bestie mit den tausend Annen!War dieses Yolk politisch stark und reif:es rill die Fenster auf im stubenwarmenGemach - Luft! Luft! und Friihjahrsreif!

Du kehrtest nie zuriick.Und keiner hatte mit dir Vieh Erbarmen

- dein Gluck! Dein Gluck!3

1m Weltbuhnen-Artike1 »Gute Witze aus groBer Zeit« schrieb Tucho1sky sch1ieBlichiibereinige humoristische Skizzen des Schriftstellers Roda Roda4

: »Er kann alle Leute undalle Dia1ekte und alle Tiere nachmachen, auch Kommandierende Genera1e.«5 Ein Jahrdarauf hieB es in einem parabo1isch-satirischen Bericht iiber die betriebsamen Kriegs-vorbereitungen im fiktiven »Katerstaat Angora«:

1 Kurt Tucholsky an Mary, 17. August 1918. In: Kurt Tucholsky: Unser ungelebtes Leben. Brieft an Ma-ry. Herausgegeben von Fritz J. Raddatz. Reinbek bei Hamburg 1990, S. 136-139, hier: S. 137.

2 Theobald Tiger: Helm ab -I In: Die Weltbiihne, 14. Jg., Nr. 48 vom 28. November 1918, S. 519 (GW,Bd. 1, S. 345-346, hier: S. 346).

3 Kaspar Hauser: Mit einem blauen Auge. In: Die Weltbiihne, 15. Jg., Nr. 17 vom 17. April 1919, S. 451(GW, Bd. 2, S. 77-78, hier: S. 78).

4 Eigentlich: Sandor Friedrich Rosenfeld (1872-1945). Roda Roda, Verfasser von zahlreichen Anekdoten,Humoresken und satirischen Romanen, wurde von Kurt Tucholsky ebenso bewundert wie verehrt. VgI.in diesem Zusammenhang auch Tucholskys Rezension uber Roda Rodas Reisebericht Ein Friihling inAmerika (GW, Bd. 3, S. 375-376).

5 Peter Panter: Gute Witze aus grofter Zeit. In: Die Weltbiihne, 16. Jg., Nr. 43 vom 21. Oktober 1920, S.470-471 (GW, Bd. 2, S. 428-429, hier: S. 429). Tucholsky rezensierte seinerzeit Alexander Roda RodasBuchlrrfahrten eines Humoristen 1914-1919, Miinchen 1920.

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Dnd in den Schulen Angoras lehrt man die Lehre yon der Herrlichkeit des Krieges. Manlehrt: Du sollst nicht toten! und man lehrt: Du mtillt toten! -und weil niemand in der Ge-schichtsstunde an die Religion denkt, so hat beides in den jugendlichen Gehirnen sehr woWPlatz, urn so mehr, als ja das staatliche Toten mit vielen herrlichen, leuchtenden, buntenFarben verbunden ist, mit Musik: und Ehren, mit Feiem und Orden und mit sehr viel Kai-sem, die man ganz aus der Niihe ansehen darf. [...]So wird in Angora das Vaterland verteidigt. Der Deutsche liests, bejahts und nimmt sichvor, es bei nachster Gelegenheit grade so zu machen.Dnd keiner steht auf - in Angora nicht und in Potsdam schon gar nicht - und sagt dem TierMasse, dem Tier Zeitgeist, dem Tier Staat: Nein! Du, die blinde, schwarze Kollektivitiit,bist der grofie Krumme, der Teufel, ein wiitiges Tier, bar jeder Verantwortung. Denn ist dasKatzenfest voriiber, so lOst du dich in einzelne Lebewesen auf, yon denen es keiner, keinergewesen sein will. Dnd auch keiner war. Einzeln sind sie ganz vemiinftig.Dnd nicht eher wird die Kateridee der absoluten Souveranitiit des Staates schwinden, als bisdie einzelnen, die unter ilnn seufZen, sich hochrichten und klar und bestimmt sagen: Wirwollen nicht mehr.]

Tucholsky, der den »tierischen Fatalismus der letzten Kriegsjahre«2 am eigenen Leib er-fahren hatte, verwendete die Vokabeln »Tiere«, »tierisch« und »tierhaft« freilich auchdann, wenn es galt, die namenlosen Leiden der Menschen im Krieg realistisch und an-schaulich zu beschreiben. In einem langeren Brief an Mary berichtete er beispielsweisevon beklemmenden Szenen aus einem Kriegsgefangenenlager, in denen ganz deutlich»das Tierische«3 durchgekommen sei, und in einem eindringlichen Appell »An die altenSoldaten«, der im Juli 1920 veroffentlicht wurde, rief der Journalist mit Kriegserfahrungin seinen Lesern gezielt die Erinnerung an das »tierhafte Dahindammern der Muschko-ten« 4 in den verdreckten Schiitzengraben wach. Angesichts einer Reihe von au:fri.itteln-den Kriegsfotografien sprach Tucholsky, der als ehemaliger Armierungssoldat durchausiiber einschlagige Erfahrungen verfugte, schlieBlich »von Stumpfsinn, von Ungeziefer,von stinkendem Stroh, von menschlichen Niedrigkeiten, von Wahnsinn und Tierheit«5.Vier Jahre daraufurteilte er iiber den Spielfilm »Verdun«, der Anfang November 1928in der Pariser Oper uraufgefuhrt wurde: »Die grauenhaften Anstrengungen, das Leiden,die Not, die Pferdeschinderei, die tierische Existenz verkleideter Angestellter und Ar-beiter, die Sinnlosigkeit dieses Lebens - das kommt einigermaBen heraus. «6

] Ignaz Wrobel: Die Verteidigung des Vater/andes. In: Die Weltbuhne, 17. Jg., Nr. 40 yom 6. Oktober1921, S. 338-340 (GW, Bd. 3, S. 56-59, hier: S. 59). In diesem Zusammenhang schrieb Tucholsky tiberdie Militiirs des in den Kriegszustand versetzten Staates »Angora«: »Alle Generale vergessen Gicht undGallenstein und wettem wieder auf den Kasemenhofen daher, dafi es eine Lust ist; der ganze Militiir-stand wacht auf und striiubt die Katerbarte, bereit zurn Sterben der andem und froh der eignen so aktuellgewordenen Wichtigkeit.«

2 Ignaz Wrobel: Das Fe/derlebnis. In: Die Weltbuhne, 18. Jg., Nr. 33 yom 17. August 1922, S. 155-159(GW, Bd. 3, S. 261-266, hier: S. 264).

3 Kurt Tucholsky an Mary, 14. Juni 1918. In: Kurt Tucholsky, Unser unge/ebtes Leben. Briefe an Mary,a.a.G., S. 86-88, hier: S. 87. 1m selben Brief heillt es (S. 87): »Ich habe mal in einem mssischen Nesteinen Verbandsplatz gesehen, da lagen die Leute - Deutsche und Russen - auf Stroh - wie Tiere.«

4 Ignaz Wrobel: An die a/ten So/daten. In: Kar/shorster Anzeiger yom 26. Juli 1920 (RwW, S. 373-374,hier: S. 374).

5 Ignaz Wrobel: Sechzig Photographien. In: Die Weltbuhne, 20. Jg., Nr. 23 yom 5. Juni 1924, S. 768-770(GW, Bd. 3, S. 385-388, hier: S. 387).

6 Peter Panter: Deutsche So/daten in der Pariser Oper. In: Tempo,!. Jg., Nr. 51 yom 8. November 1928,S. 1 (GW, Bd. 6, S. 298-300, hier: S. 299).

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Obwohl Tucholsky, der nicht zuletzt dem standesgemaBen Attribut des siegreichen Ge-nerals - der hohen Auszeichnung ,Pour Ie merited - auBerst kritisch gegeniiberstand, inden ersten Jahren der Nachkriegszeit immer wieder die Heer:fuhrer und Offiziere2 derkaiserlichen Truppen :fur die Strapazen und Opfer des Krieges verantwortlich gemachthatte, fiel seine erste Reaktion auf die antimilitaristische Fotomontage »Tiere sehen dichan«, die mit dem Erscheinen des Deutschland-Albums im August 1929 einem groBerenPublikum prasentiert wurde, denkbar zwiespaltig aus. In einem Brief an Jakob Wasser-mann schrieb Tucholsky beispielsweise, er habe angesichts der Heartfieldschen Bildsa-tire zunachst einen »Klaps vor den Magen« erhalten. Kurz darauf, so Tucholsky weiter,habe er sich freilich bei dem Gedanken ertappt: »Schade, daB dir das nicht eingefallenist«3. Das anfangliche Hinundherschwanken des Schriftstellers miindete indessen schonbald in eine nicht zu iiberhorende Skepsis, die namentlich den erfahrenen Satiriker be-fiel. So notierte Kurt Tucholsky im SchluBteil seines vertraulichen Schreibens an JakobWassermann:

Das ist nicht meine Satire. Es ist mir zu klobig4; ich babe mit Ihnen nicht das leiseste Mit-

gefiihl fUr die dargestellten Typen, die mir in ihrer Wirksamkeit bassenswert erscheinen -aber ich hiitte das nie so formuliert. Die Beleidigung der Tiere schmeckt mir nicht, und dastrifft es auch nicht: unter "tierisch" verstehe ich in solchem Zusammenhang etwas Dump-fes, Animalisches - also etwa einen bmtalen Henker ... nicht diese da.5

1m Rahmen der Kritik »Ein besserer Herr«, die Ende Juni 1929 in der Berliner Welt-biihne erschienen war, hatte Tucholsky am Beispiel einer bekannten Zeichnung aus derantimilitaristischen Grosz-Mappe »Gott mit uns« sehr anschaulich beschrieben, was ge-nau er unter einem »brutalen Henker« verstand. Der passionierte Literaturkritiker hattesich dabei zunachst auf eine bestimmte Textstelle aus Arnolt Bronnens Oberschlesien-

1 1m Rahmen des Weltbilhnen-Artikels Wat Grotmudder vertellt, einer Besprechung von Otto RiebickesBerichtAls Schipper in der Front, konstatierte Tucholsky in bezug auf den General, der die ungeheurenBlutopfer - besonders unter denjugendlichen Freiwilligenverbanden - der Schlacht bei Ypem und Lan-gemarck zu verantworten batte: »Der Kindermorder, der diese harmlosen, ehrlich begeisterten ScWacht-opfer in das Maschinengewehrfeuer fUr seinen Pour Ie merite vortrieb, bevor er seine Autofahrten zurrheinischen GroBindustrie untemalnn, der weill, daB auBer der traurigen Kriegsanekdote von der Sturm-formation nicht vie! ubrig blieb. Berlin blutete nicht. Der General auch nicht. Andre batten sich ausge-blutet.« 19naz Wrobel: Wat Grotmudder vertellt. In: Die Weltbilhne, 18. Jg., Nr. 35 vom 31. August1922, S. 219-223 (GW, Bd 3, S. 270-276, hier: S. 272).

2 Neben dem General gehOrte auch der Leutnant zu den Militiirs, die von Tucholsky ebenso regelmaBigwie vehement attackiert wurden. In einem Beitrag, der im Jahre 1919 in der Berliner Volks-Zeitung ver-offentlicht wurde, schrieb Tucholsky alias 19naz Wrobel (Der Tag der Wahrheit, RwW, S. 98-100, hier:S. 99): »Wenn wir drauBen unter irgendeinem minderwertigen Leutnant [...] gelitten batten, entrang sichden Gequalten der Wunsch: ,Jetzt sind wir stumm. Wenn wir sprechen diirften -!'« Ein Jahr daraufbe-zeichnete Tucholsky einen seiner ehemaligen »bunten Peiniger« - einen Leutnant - als uniformiertes»Stiick Roheit«. Vgl. 19naz Wrobel: Vier Jahre und ein Tag. In: Die Freiheit, 3. Jg., Nr. 212 vom 6. Juni1920, S. 2 (DT, S. 190-193, hier: S. 192).

3 Kurt Tucholsky an Jakob Wassermann, 1. Miirz 1931. In: Kurt Tucholsky, Ausgewahlte Briefe 1913-1935, a.a.a., S. 212.

4 Rund drei Jahre spater schrieb der immer mehr resignierende Satiriker freilich an seinen Schriftsteller-kollegen Heinz Pol, daB es in der Satire im allgemeinen »gar nicht klobig und deutlich genug« zugehenkonne. Kurt Tucholsky an Heinz Pol, 18. Febmar 1934. In: Kurt Tucholsky, Politische Briefe, a.a.a., S.82. Vgl. zudemBecker,Mit geballter Faust, a.a.a., S. 66.

5 Kurt Tucholsky an Jakob Wassermann (Amnerkung 3).

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Roman »0. S.«l bezogen, in der eine sinnlose Grausamkeit des Krieges realiHitsnah ge-schildert worden war. In der erwahnten Zeichnung von Grosz - »Feierabend«2 bezie-hungsweise »L'angelus a Munich«3 - hatte Tucholsky im direkten Vergleich schlieBlichebenfalls die dunklen Abgriinde menschlicher Grausamkeit und Teilnahmslosigkeit er-kannt - festgehahen freilich von einem linksorientierten und progressiven Kunstler, deransonsten mit Amoh Bronnen, dem Verfasser des erwahnten nationalistischen Tendenz-romans4

, nur denkbar wenig gemein hatte. So war Tucholsky gegen Ende seiner Aus-fuhrungen zu dem uberraschenden SchluB gekommen:

Aber George Grosz hat aufs Haar genau das dargesteHt, was dieser hier geschrieben hat,nur yon der anderen Seite:Ein Freiwilliger bei Bronnen hockt aHein unter den gefaHenen Kameraden, er sieht auf dieLeichen yon po1nischen Gefangenen, die die deutschen HeIden mit dem Maschinengewehrzusammengeschossen haben, wei1 sie sie nicht mehr mitfiihren konnten. "Sie waren be-wundernswert getroffen, prazis, wie Ochsen im Schlachthaus. Er betrachtete sie gefiihl10s,ohne Bedauern; ohne Bedacht auf die Gerechtigkeit, die er nicht anerkannte; es war mehreine Erwagung, ob dies vereinbar mit den Spielregeln war. Aber konnte diese Frage ent-schieden werden, hier und yon ihm?"Das hat Grosz gezeichnet. Das Blatt heillt"Angelus": der Klotz einer zerhackten Leiche istan das lsarufer angeschwemmt, davor steht ein Ordnungsso1dat, ein sturer, stumpfer Unter-offIzier mit einem Bul1enkopf, einem gemeinen Nacken, mit versoffenen Augen. Wie einTier sieht er auf den Kadaver. Auch dieser erkennt die Gerechtigkeit nicht an. [...] So sindsie gewesen. Sclnnach ihrem Andenken. Fluch ihren Auftraggebem. 5

Es darf angenommen werden, daB Tucholsky, der in dem von Grosz dargestellten Ord-nungssoldaten so etwas wie einen hirn- und herzlosen Vollstrecker sah, mit den ange-sprochenen »Auftraggebern« in erster Linie jene konterrevolutionaren Offiziere ins Vi-sier nahm, die er bereits im Rahmen friiherer Artikel immer wieder angeprangert hatte.6

Freilich dachte der Weltbiihnen-Mitarbeiter nicht daran, jene hochrangigen Militars, die

1 Amo1t Bronnen: 0. S. Berlin 1929.2 Vgl. George Grosz: Berlin - New York, a.a.O., S. 457, Abbildung 3. 1m Katalog wird vermerkt, daB sich

die DarsteHung auf die MassenerschieBungen durch Regierungstruppen am 1. und 2. Mai 1919 in MUn-chen bezieht. Vgl. in diesem Zusammenhang (Motivzitat, Bi1daufbau, A11egorie) auch Neugebauer Gra-fIn yon der Schulenburg, George Grosz, a.a.O., S. 61-66. Vgl. zudem den Abdruck der Zeichnung in derUSPD-Zeitschrift Die freie Welt. Siehe Dokument Nr. 34 im Anhang.

3 Jedes Blatt der Grosz-Mappe Gott mit uns erhielt einen in Deutsch, Franzosisch und Englisch wiederge-gebenen Titel. Vgl. Neugebauer GrafIn yon der Schulenburg, George Grosz, a.a.O., S. 66-69.

4 Bronnens Oberschlesien-Roman 0. s., dessen faschistische Tendenz kaum zu tibersehen war, wurde voraHem in der sozialdemokratischen Presse scharf abgelehnt. In der sozialistischen Biicherwarte (Jg. 1929,Heft 8) urteilte Werner Richter tiber das Buch: »Kurzum, den ganzen Roman beherrscht ein Snobismusder Unreife undRoheit.« 1m SPD-Organ Vorwiirts (Ausgabe yom 4. August 1929) wurde das Werk dar-aufuin a1s »politischer Hetzroman« bezeichnet. Interessant ist in diesem Zusammenhang schlieBlich die»Oberschlesien-Debatte«, die nach dem Erscheinen des Romans im Rahmen der Zeitschrift Der Schein-werfer in Gang kam (BeiWger: Richard Bie, Karl Westhoven, Ernst JUnger, Hanns Schmitz). Vgl. hier-zu Der Scheinwerfer. Ein Forum der Neuen Sachlichkeit. Herausgegeben yon Erhard Schtitz und JochenVogt. Essen 1986, S. 349-360.

5 Peter Panter: Ein besserer Herr. In: Die Weltbiihne, 25. Jg., Nr. 26 yom 25. Juni 1929, S. 953-960 (GW,Bd. 7, S. 105-112, hier: S. 111).

6 1m Rahmen eines Weltbiihnen-Beitrags hatte Tucho1sky bereits 1922 die »Entfernung al1er tiberfltissigenund gegenrevo1utionaren Generale und Offiziere« gefordert. Vgl. Ignaz Wrobel: Die zufiillige Republik.In: Die Weltbiihne, 18. Jg., Nr. 28 yom 13. Juli 1922, S. 25-30 (GW, Bd. 3, S. 219-224).

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nach Attentaten aufrepublikanische Politiker gem eine Flasche guten Weines offneten1,

lediglich mit »brutalen Henker[n]«2 gleichzusetzen. In den »bunte[n] Bestie[n] mit dentausend Armen«3 erkannte Kurt Tucholsky dariiber hinaus die einfluBreichen Reprasen-tanten einer staatlichen Macht, der sich namentlich in Kriegszeiten kaum jemand ent-ziehen konnte. Fur den radikalen Pazifisten waren die ,Kommerzienrate der Schlach-ten,4 mithin von Anfang an eine bekampfenswerte Kaste. Insofem distanzierte sich derSatiriker - trotz aller Vorbehalte - nicht ganzlich von der Bildseite »Tiere sehen dichan«, die als agitatorisches Kampfmittel durchaus ihren Zweck erfiillen mochte.

Michael Hepp hat erstmals daraufhingewiesen, daB die Fotomontage »Tiere sehen dichan«, deren Aufnahme in das Deutschland-Album gegen den Rat von George Grosz undWieland Herzfelde erfolgt war5

, gegen Ende des Jahres 1929 auch im illustrierten »Ar-beiterkalender 1930«6 erschien. Indes hatten die Herausgeber des sogenannten ,RotenAbreiBkalenders', die auch an anderen Deutschland-Buch-Montagen Gefallen gefundenhatten, nicht nur in diesem Fall eine neue Bildunterschrift ins Spiel gebracht.7 Das neueMotto der ehemaligen Bildsatire »Tiere sehen dich an« lautete nunmehr: »Kohlriibenund Dorrgemuse. Eine Erinnerung ,aus groBer Zeit! ,«8 Ob es sich in diesem Fall jedochtatsachlich urn eine Verscharfung der satirisch-polemischen Anklage handelte, wie Heppurteilt9, ist allerdings fraglich. Kurt Tucholsky jedenfalls, das kann mit einiger Sicher-heit angenommen werden, durfte in der erwahnten Bildunterschrift neuerlich eine defi-nitorische Unscharfe erkannt haben. Und eine unangebrachte Verharmlosung der »bun-te[ n] Bestie[ n]« obendrein.

1 Einige Monate nach der Ermordung Matthias Erzbergers konstatierte Kurt Tucholsky in der Weltbiihne:»Einer Kaste kann die Verantwortung fUr die Untaten ihrer AngehOrigen nicht ohne weiteres aufgebiir-det werden. In dem Augenblick aber, wo die Kaste stillschweigend oder laut diese Untaten billigt, er-klart: sie sich mit den Verbrechem solidarisch und darf nunmehr angefafit werden, als babe sie selbst ge-siindigt. Der General, der am Tag der Ermordung Erzbergers telefonisch in Berlin erklart: hat: ,Gottsei-dank, daB das Schwein tot ist! Da hol ich mir eine ordentliche Pulle Wein aus dem Keller!' bat nur ZUlli

Ausdruck gebracht, was die iiberwiegende Mehrheit dieser gewalttiitigen, im Lande herumlungemden,stets auf Hochverrat sinnenden Landsknechtnaturen dariiber denkt. In unziihligen Zeitungsartikeln, inReden und Kundgebungen einer gewissen Schicht Offiziere ist der politische Mord als erstes und letztesMittel verherrlicht worden - ein Beweis fUr die sittliche Verrohung dieser Kreise und fUr ihre geistigeOhnmacht.« Ignaz Wrobel: Die Erdolchten. In: Die Weltbilhne, 18. Jg., Nr. 13 yom 30. Man 1922, S.309-316 (GW, Bd. 3, S. 151-160, hier: S. 153).

2 Kurt Tucholsky an Jakob Wassermann, 1. Man 1931. In: Kurt Tucholsky, Ausgewiihlte Brieft 1913-1935, a.a.O., S. 212.

3 Kaspar Hauser: Mit einem blauenAuge. In: Die Weltbilhne, 15. Jg., Nr. 17 yom 17. April 1919, S. 451(GW, Bd 2, S. 77-78, hier: S. 78).

4 Vgl. Ignaz Wrobel: Der General im Salon. In: Die Weltbilhne, 20. Jg., Nr. 37vom 11. September 1924,S. 401-402 (GW, Bd. 3, S. 458-459): »So ungefahr denke ich mir im Kriege die Tatigkeit eines Gene-rals, dieses Kommerzienrats der ScWachten. Gespannt am Telefon lauschend, iiber die Karten gebeugt,zur Seite den geschaftigen Adjutanten, so wartet er, was sich da yom begeben wird«

5 Vgl. Becker, Mil geballter Faust, a.a.O., S. 43.6 Vgl. Arbeiterkalender 1930. Verlag Carl Hoym. Hamburg, Berlin 1929.7 So setzten die Herausgeber des Kalenders unter das UmscWagmotiv des DeutscWand-Buchs etwa die

Unterschrift »Vom Maskenball der deutschen Republik«. Vgl. ebd., S. 147. Vgl. auBerdem ausfiihrlichEckhard Siepmann: Montage: John Heartfield Vom Club Dada zur Arbeiter-Illustrierten Zeitung. Ber-lin 1977, S. 93.

8 Ebd. Vgl. hierzu nochrnals die bereits zitierte Passage aus Tucholskys Wir im Museum (vgl. S. 263 die-ser Untersuchung), in der Generale ebenfalls mit der ,groBen Zeit' in Verbindung gebracht werden.

9 Vgl. Hepp, Kurt Tucholsky. Biographische Anniiherungen, a.a.a., S. 317-318.

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DaB die umstrittene Fotomontage, die uniibersehbar einen Nerv der Zeit traf, auch an-derthalb Jahre nach ihrer erstmaligen Veroffentlichung noch nichts yon ihrer politischenBrisanz verloren hatte!, geht unter anderem aus einer Reihe yon Aufsatzen und offenenBriefen hervor, die in der ersten Halfte des Jahres 1931 in der konservativ-revolutio-naren Monatsschrift Deutsche Rundschau veroffentlicht wurden.2 Eingeleitet wurde dieebenso lange wie bittere Diskussion iiber die sogenannte »Judenfrage im deutschen Lite-raturbetrieb« yon dem Kritiker und Feuilletonisten Paul Fechter3

, der damit einer bereitsaufgeflammten Debatte iiber das brisante Thema ,Antisemitismus versus Antigermanis-mus,4 neue Impulse gab. In Fechters Beitrag »Kunstbetrieb und Judenfrage« wurde dieFotomontage »Tiere sehen dich an« denn auch als eines der iibelsten Beispiele fur einedeutschfeindliche Tendenz in modemer Kunst und Literatur angeprangert.5 Eine Unter-stellung freilich, die kurz daraufvon Jakob Wassermann, der sich an dem »Briefwechselzur Judenfrage« beteiligte, relativiert werden sollte:

Ich lese weiter und mufi erfahren, daB Kurt Tucholsky, den ich als einen tapferen Mann yongerechter Denkart kenne, unter ein Blatt mit OffizierskOpfen die Worte gesetzt hat: Tiere se-hen dich an. Eine grobe UngehOrigkeit, will mich bedUnken, wenn mir dabei nur nicht eineGeschichte einfiele. Ein ehemaliger deutscher Offizier, sympathisch, beliebt und angesehenauch bei der Mannschaft, hat sie selbst erzahlt. Als er in der Ukraine lag, kam eines Tageseine Abordnung verzweifelter jtidischer Manner zu ihm. Sie wuBten, daB in der gleichenNacht ein Pogrom tiber sie herfallen sollte, sie waren waffenlos, sie flehten den OfflZier urnihre eigne Rettung und die ihrer Frauen und Kinder an. An dieser Stelle seiner Erzahlungaffte der Offizier den Jargon der Juden nacho Geantwortet hat er ihnen: erstens sympathisie-re er mit dem Vorgehen der Ukrainer - ich wiederhole, daB dies seine eigenen Worte sind-und zweitens wolle er jetzt schlafen. Wie, glauben Sie, hat das Antlitz dieses OfflZiers jenejtidischen Manner angeblickt? Sehr menschlich? Wobei den unschuldigen Tieren kein Un-recht zugefiigt werden soll.6

1 Vgl. Kurt Tucholsky an Jakob Wassermann, 1. Marz 1931. In: Kurt Tucholsky, Ausgewiihlte Briefe 1913-1935, a.a.a., S. 212: »Ich habe den Sturm, den dieses Bild seit Jahren erregt, ruhig tiber mich ergehenlassen, und ich gedenke auch weiterhin die Sache zu decken, und nicht mit einem Protest an die Offent-lichkeit zu gehen. «

2 Vgl. Anton Kaes (Hrsg.): Weimarer Republik. Manifeste und Dokumente zur deutschen Literatur 1918-1933. Stuttgart 1983, S. 537-540. Vgl. ferner Volker Mauersberger: Rudolf Pechel und die "DeutscheRundschau ". Eine Studie zur konservativ-revolutioniiren Publizistik in der Weimarer Republik (1918-1933). Bremen 1971, S. 283-299.

3 Vgl. zu Paul Fechter insbesondere Untersuchungsabschnitt 3.2.2. (Deutsche Allgemeine Zeitung), S.76-83.

4 Vgl. hierzu auch Hepp, Kurt Tucholsky. Biographische Anniiherungen, a.a.a., S. 316-317. Vgl. aufier-dem Eva G. Reichmann: Diskussionen uber die Judenfrage 1930-1932. In: Werner E. Mosse (Hrsg.):Entscheidungsjahr 1932. Zur Judenfrage in der Endphase der Weimarer Republik. Ttibingen 1965, S.503.

5 Paul Fechter: Kunstbetrieb und Judenfrage. In: Deutsche Rundschau, 57. Jg., Nr. 1, Januar 1931, S. 37-47, hier: S. 42: »Sie konnten nun fragen: ,Ja, was meinen Sie denn eigentlich - wollen Sie uns nicht ein-mal an ein paar Beispielen sagen, was Sie unter Antigermanismus verstehen?' [...] Die groben Falle rei-chen yon dem beriihmten Satz aus der [,,]Weltbiihne["] im Jahrgang 1918, da ein Mitarbeiter dort fest-stellen durfte, daB ihm beim Anblick der ersten franzosischen Uniform, traumhaft wohl' wurde, bis zudem Buch yon Tucholsky ,Deutschland, Deutschland tiber alles', in dem z. B. ein Blatt mit deutschenOffizierskopfen die Unterschrift erhalten hat: ,Tiere sehen dich an'.«

6 Briefivechsel zur Judenfrage. Yon Jakob Wassermann, RudolfPechel, Paul Fechter. Hier: Offener Briefyon Jakob Wassermann an Rudolf Pechel, den Herausgeber der Deutschen Rundschau, Januar 1931. In:Deutsche Rundschau, 57. Jg., Nr. 2, Februar 1931, S. 136-138, hier: S. 137.

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Wassermanns Stellungnahme, die yon RudolfPechel, dem Herausgeber der DeutschenRundschau, mit sehr gemischten Gefuhlen zur Kenntnis genommen wurde1

, provozierteaufgrund ihrer skeptischen und kritischen ZwischentOne den offentlichen WiderspruchFechters. Dabei vertrat der Schriftsteller und Kritiker aus dem Umfeld der ,konservati-yen Revolutionare,2 nochmals ausdrucklich seine Grundthese: »daB die Hauptschuld andem Uberhandnehmen der antisemitischen Bewegung das ungehinderte Treiben einerkleinen judischen Gruppe« trage, das »in einem Anti-Germanismus, der dem deutschenAntisemitismus an Heftigkeit und Niedrigkeit die Waage halt, zum Ausdruck«3 komme.Hier einen Wandel herbeizufuhren, so die Schriftleitung der Deutschen Rundschau, seinun »bei Bereitwilligkeit auf der deutschen Seite Sache der judischen.«4 Das war frei-lich eine recht fadenscheinige Argumentation5

- wie auch die folgenden AusfuhrungenFechters zeigen:

Die Anmerkungen yon Herrn Jakob Wassermann zu meinem hier veroffentlichten Vortragzeigen, wie schwer es is!, auch nur eine Diskussion, geschweige denn eine Verstandigungzuwege zu bringen. [...J Herr Wassermann verschiebt diese Diskussion wieder aus dem Sach-lichen in die Gebiete des SentinIents, um nicht zu sagen des Ressentiments. [...J Sobald wiraber yon hiiben und driiben nur unsere Gefiihle hervorholen und sie uns entgegenhalten, kom-men wir keinen Schritt weiter. [...] Die Schwierigkeiten, denen aUj:h wohlwollende und or-dentliche jiidische Leute vielfach im Leben unter uns begegnen, kenne ich [...] genau sogut, wie Herr Wassermann sie kennt. Ich habe, wo ihnen diese Schwierigkeiten yon unsererSeite offentlich gemacht wurden, mich jederzeit auch gegen sie gewandt - allerdings unterder Voraussetzung, daB auch die Gegenseite flir die ebenfalls nicht angenehmen Dinge, dieuns yon ihren AngehOrigen bereitet werden, einiges Verstandnis zu entwickeln bereit ist. DieTatsache, daB Herr Wassermann sogar versucht, das Blatt mit den Offizierskopfen und derUnterschrift ,Tiere sehen dich an' zu verteidigen, spricht nicht gerade dafiir, daB diese Vor-aussetzung allgemein richtig war. Ich verzichte darauf, das allzu naheliegende Gegenbei-spiel mit Kopfen yon seiner Seite bei der gleichen Unterschrift ihm entgegenzuhalten.6

1 Vgl. Briefivechsel zur Judenfrage. Hier: Offener Briefvon RudolfPechel an Jakob Wassermann, Januar1931. In: Deutsche Rundschau, 57. Jg., Nr. 2, Februar 1931, S. 138-139, hier: S. 139: »Ihren offenenBrief [...] werde ich selbstverstandlich in der ,Deutschen Rundschau' [...] veroffentlichen mit dieser meinerAntwort und Dr. Paul Fechters Entgegnung. Ich habe Ihnen den Aufsatz yon Dr. Paul Fechter geschickt,gerade weil ich Ihr Buch ,Mein Weg als Deutscher und Jude' seinerzeit mit innerer Erschiitterung gele-sen hatte und mit Sicherheit annehmen zu konnen glaubte, daB gerade Sie fUr unseren Versuch voIlesVerstandnis haben wiirden. Ich bin aufrichtig betriibt, in Ihrem Brief dieses volle Verstandnis nicht zufinden [...]. Mit der AufZahlung alter und neuer Siinden hiiben und driiben kommen wir nicht weiter. Auchnicht mit RessentinIent«

2 Vgl. Mohler, Die Konservative Revolution in Deutschland, a.a.G., S. 409.3 Vgl. hierzu den zusammenfassenden Kommentar der Schriftleitung der Deutschen Rundschau. In: Deut-sche Rundschau, 57. Jg., Nr. 3, Marz 1931, S. 236. Vgl. zum Kontext ausfUhrlich Max Naumann, Jiidi-sche Literaten als Judenftinde. Siehe Untersuchungsabschnitt 3.2.3. (Der nationaldeutsche Jude), S. 84-89.

4 Kommentar der Schriftleitung der Deutschen Rundschau (siehe Anmerkung 3).5 In diesem Zusammenhang schrieb Jakob Wassermann am 6. Man 1931 an Kurt Tucholsky: »Dass ichjenen Brief der [,,]Deutschen Rundschau["] gegeben babe, bereue ich heute, ich konnte nicht wissen, inwelche Entourage er geraten wiirde, aber damn ist meine Unwissenheit schuld, die Unkenntnis der jour-nalistischen Verhaltnisse; diese Leute mit ihrem sogenannten ,gnten Willen' sind vielleicht noch iiblerals die ehrlichen Hasser.« Zitiert nach: Dierk Rodewald (Hrsg.): Jakob Wassermann. Deutscher und Jude.Reden und Schriften 1904-1933. Heidelberg 1984, S. 280.

6 Vgl. Briefivechsel zur Judenfrage. Hier: AbschlieBender Kommentar yon Paul Fechter. In: Deutsche Rund-schau, 57. Jg., Nr. 2, Februar 1931, S. 139-140.

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Auf Fechters Replik folgte schon im nachsten Heft der Deutschen Rundschau ein offenerBrief des Schweizers Eduard Behrens, der sich - auf besonderen Wunsch Pechels - alsmehr oder weniger »unbefangener Auslander« in die emotionsgeladene Diskussion iiberdie »Judenfrage in Deutschland« einschaltete.1 Behrens, nach eigenen Angaben ein ehe-maliger Antisemit, auBerte sich freilich nahezu ausschlieBlich iiber Sachverhalte, die ergroBenteils nur yom Horensagen kannte. Tucholskys »Deutschland, Deutschland iiberalles« zahlte hingegen zu den Diskussionsgegenstanden, mit denen sich der Diskutantaus der Schweiz, der sich nur gelegentlich in der Metropole Berlin aufhielt, allem An-schein nach bereits naher beschaftigt hatte. Sein Urteil sollte in diesem Fall indes urn sonegativer ausfallen:

Aus einem Europa, das den Antisemitismus kaurn kennt, wo er hOchstens eine Erscheinungunter hundert Erscheinungen ist, komme ich nach DeutscWand, wo man ihn jetzt geradezuals Weltanschauung pflegt. Ich vemehme: in Berlin, der geistigen und wirtschaftlichen Zen-trale des Landes, gibt die jiidische Schicht den Ton an. Das Theater ist fast durchweg yonJuden geleitet, yon Juden geleitet und teilweise geschrieben werden die gro6ten Zeitungen,die Kritiker, auf die am meisten gehOrt wird, sind Juden, den ersten Buchverlagen stehen Ju-den vor usw. Aber vielleicht ist der deutsch-jiidische Gegensatz nur ein deutscher TmgscWufi?Offenbar nicht, denn auch viele Juden betonen ihre Exklusivitiit. Ich vemehme und sehe per-sOnlich das zuweilen abnorme Selbstbewufitsein mancher Juden, ihr Bewufitsein absoluterUberlegenheit iiber die Oois, namentlich wenn sie, die Juden, mehr unter sich sind - Selbstbe-wufitsein, das wiedemm kontrastiert mit Zeichen eines tiefen MinderwertigkeitsgefiiWs.Auch als Auslander empfinde ich zuweilen die au:ffiillende jiidische Geringschatzung allesdessen, was mit deutscher Nation und deutscher Tradition verbunden ist. DaB z. B. ein so klu-ger Mann wie Kurt Tueholsky das hanebiichene und widerwartige Bueh ,,DeutscWand iiberalles" [sic] konnte erscheinen lassen, seheint mir kaurn entsehuldbar. Gnad' 0011,wenn das beiuns in der Sehweiz passiert ware!2

Obwohl Eduard Behrens zunachst den Standpunkt Paul Fechters und Rudolf Pechels zuvertreten schien, erwies sich der lediglich gastweise in der Deutschen Rundschau pub li-zierende Intellektuelle, dem die allenthalben diskutierte »Judenfrage in Deutschland vorallem als eine Deutschenfrage«3 erschien, in seinen weiteren Kommentaren als ebensounvoreingenommener wie umsichtiger Zeitkritiker. 4 Dabei wies Behrens unter anderemdarauf hin, daB die Juden in Deutschland nicht zuletzt wahrend des ersten Weltkriegswie »Staatsbiirger minderer Art« behandelt worden seien, obschon seinerzeit »Tausendedieser Parias« im Kampf fur Deutschland den Tod gefunden hatten. Der Antisemitismus

1 Vgl. hieIZU den entsprechenden Kommentar der Schriftleitung. In: Deutsche Rundschau, 57. Jg., Nr. 3,Marz 1931, S. 236: »Wir haben den Ausfiihrungen yon Herrn Eduard Behrens urn so lieber Raurn gege-ben, als es uns wesentlieh erscheint, mit Sorgfalt die Erorterung der ganzen sehwierigen Frage, sowoWaus jiidischer wie aus deutseher Enge herauszuhalten dureh Einschaltung yon Urteilen unbefungener Aus-lander - ohne jedoch Herm Behrens in allem beipflichten zu konnen«

2 Eduard Behrens: Zur Judenfrage. Ein Brief an den Herausgeber. In: Deutsche Rundschau, 57. Jg., Nr. 3,Marz 1931, S. 234-236, hier: S. 234-235.

3 Vgl. ebd., S. 235: »Dem Auslander erscheint die Judenfrage in DeutscWand vor allem als eine Deutschen-frage, besonders jetzt sieht er die Deutschen befangen in einem Minderwertigkeitsgefiihl, einer Hysterie,wenn man so sagen darf, in einer Gespensterseherei, die als Folge der furchtbaren Jahre seit 1914 psy-ehologiseh woW verstandlich ist, die aber der Wirklichkeit gewill nieht mehr entspricht«

4 Vgl. ebd.: »Ich mufi gestehen, daB mir z. B. gewisse nationalistisehe deutsehe Sehriftsteller in Gedankenund Sprachform mindestens so fremd und undeutseh erscheinen wie gewisse jiidische.«

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der Kriegs- und Nachkriegsjahre, so Behrens weiter, sei jedoch keinesfalls vergleichbarmit den judenfeindlichen Umtrieben und Schikanen, die namentlich seit 1930 in ganzDeutschland zu verzeichnen seien. In diesem Zusammenhang erinnerte Behrens mit ein-dringlichen Worten an einen GroBaufinarsch nationalsozialistischer Hetzer und Antise-miten, der vor allem im europaischen Ausland mit Besorgnis und Abscheu zur Kenntnisgenommen worden war:

Vergangenen Dezember begleitete ich den Zug der Zwanzigtausend durch den Berliner We-sten, Zwanzigtausend schrien drei Stunden lang "Juda verrecke, Juda verrecke"! Und Poli-zei folgte ihnen noch auf Lastwagen zum Schutz gegen Uberfalle. Darf ich als Fremder ineiner deutschen Zeitschrift sagen, daB Exzesse dieser Art in jedem anderen zivilisierten Landunmoglich waren, und daB dieser antisemitische Nationalismus :fiirDeutschland drauBen beiden anderen Volkem eine Katastrophe zu werden droht?Ein Volksteil ruft auf zum Totschlag und Mord an einem anderen Volksteil! Wie mag sichda der Jude salvieren? Entweder bricht er in einem durchbohrenden Gefiihl zusammen oderer strafft sich erst recht und "kompensiert" das Pariagefiihl, das ihm eingebleut wird, mitnoch verstarktem ,jiidischem Hochmut". Und das ist es, was geschieht. Der Nationalsozia-lismus bewirkt das Gegenteil dessen, was er will. 1

Wahrend Eduard Behrens, der sich im Rahmen einer abschlieBenden Bemerkung auchgegen die unnachgiebige HaItung Paul Fechters aussprach2

, im erstarkten Nationalso-zialismus eine Gefahr fur Deutschland erblickte, kaprizierte sich der ultrakonservativeMax Naumann3

, ein Vorstandsmitglied des rechtsorientierten und germanozentrischen»Verbandes nationaldeutscher Juden«, ganz im Sinne Fechters darauf, die »Literaturan-tisemiten judischen Stammes«4 fur das bedrohliche Anwachsen der antisemitischen Be-wegung in Deutschland verantwortlich zu machen. Unterstutzt wurde Naumann in die-sem Zusammenhang yon einem gewissen Arthur Prinz, der in seiner Stellungnahme»Zur Entgiftung der Judenfrage«5 gezieIt jene judischen »Salonbolschewisten« anpran-gerte, die im »Verband nationaldeutscher Juden« als »Haupttrager des Antigermanis-mus« und mithin als »Haupterreger des Antisemitismus«6 gaIten. Gegen Ende seiner

1 Eduard Behrens, ZurJudenfrage, a.a.O., S. 235.2 Vgl. ebd., S. 236: »Zusammenfassend ware meiner Meinung nach zu sagen: die Judenfrage in Deutsch-

land ist die Folge zweier sich gegenseitig immer wieder an sich selbst entziindenden und sich steigem-den ,Ressentiments', Gespenstersehereien: die Deutschen haben vor den Juden Angst, und die Juden vorden Deutschen. Heilen kann der Zustand nur, wenn die Ressentiments verschwinden. Aber dazu miilltendie Deutschen als der weitaus starkere und wichtigere Partner doch wohl den Anfang machen, und nichtumgekehrt, wie Paul Fechter verlangt. Die Judenfrage in ihrer jetzt unertraglichen Form ist im Grundmehr eine Deutschenfrage.«

3 Vgl. zu Max Naumann auch ausfiihrlich Untersuchungsabschnitt 3.2.3. (Der nationaldeutsche Jude), S.84-89.

4 Vgl. Max Naumann: Zur Judenfrage. Der Kernpunkt der Judenfrage. In: Deutsche Rundschau, 57. Jg.,Nr. 4, April 1931, S. 66-69, hier: S. 68. Vgl. in diesem Zusammenhang auch Naumanns Deutschland-Buch-KritikJiidische Literaten als Judenfeinde. In: Der nationaldeutsche Jude, Jahrgang 1929, Dezem-ber, Nr. 12, S. 4-5.

5 Arthur Prinz: Zur Entgiftung der Judenfrage. In: Deutsche Rundschau, 57. Jg., Nr. 4, April 1931, S. 69-72.

6 Vgl. ebd., S. 71: »Sind aber die echten Boischewisten wenigstens emste und konsequente Feinde des Ju-dentums, [...] so erscheinenjene ,Salonbolschewisten', die bei uns die Haupttrager des Antigermanis-mus und damit Haupterreger des Antisemitismus sind, vor allem als verachtlich, weil sie mit Gedankenkokettieren, vor deren Konsequenzen sie wohl zuriickschrecken diirften [...].«

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Ausfuhrungen brachte Naumann, der zu diesem Zeitpunkt bereits mit den Nationalso-zialisten sympathisierte\ die Fotomontage »Tiere sehen dich an«2 ins Spiel. Dabei kamder rechtsorientierte Intellektuelle, der den »Briefwechsel zur Judenfrage«3 offenbar vonAnfang an verfolgt hatte, schlieBlich auch auf den bereits zitierten Diskussionsbeitrag 4

Jakob Wassermanns zuruck:

Und Jakob Wassermann? Er ist gewill ein anderer Typ, a1s die Kunstbetriebsamen, die Dr.Fechter im Auge hat. Aber er ist ein Schulfal1 des Ressentiment-Juden, der ZUlli Nationa1-deutschtum, das er fiihlt, verstiindnisnUillig nicht hindurchfinden kann, wei1 er jedes uner-quickliche Einze1erlebnis verallgemeinert - wie sonst seiner Meinung nach wohl nur Anti-semiten veral1gemeinem. DaB er es fiber sich bringt, die schnoddrige Redensart eines fiber-reizten Fe1dso1daten zu der ungeheuerlichen Beschimpfung in Paralle1e zu setzen, mit derein Tucho1sky unsere Heerfiihrer zu "Tieren" stempe1t, ist ein trauriges Zeichen da:fi.tr,inwelchem Mafie auch ein geistig hochstehender Mensch die Klarsicht verlieren kann, wenner der personlichen Verbitterung unterliegt.Aber gerade der Fall Wassermann zeigt, wo die Arbeit der verstandigungsbereiten Nichtju-den einsetzen mul3. Zfichtet ein einziger Tucho1sky Zehntausende yon Antisemiten, so zUchtetjede Enttiiuschung, die einem ehrlich zum Deutschtum strebenden Juden zutei1 wird, Tau-sende yon Verbitterungs-Juden, die wieder das Heer der "Antigermanen" vermehren. Ge-genseitige Rficksichtnahme nicht nur auf sachlich berechtigte, sondem auch auf nur ver-standliche Gefiihle der anderen, das ist der Weg, der zur Einigung fiihrt.5

DaB der Weg, der fortan beschritten wurde, nicht zur »Einigung«, sondern vielmehr zursystematischen Vernichtung der Juden in Deutschland fuhrte, hatten freilich auch jeneNationalisten zu verantworten, die - wie Naumann und Fechter - in der Endphase derWeimarer Republik zu Sympathisanten des Nationalsozialismus mutierten.6 Indes sollteMax Naumann, der einen Teil der Juden in Deutschland kurzerhand in die Abteilungen»Ressentiment-Juden« und »Verbitterungs-Juden« einteilte, von Johann von Leers, demVerfasser des antisemitischen Bildwerks »Juden sehen Dich an«, in puncto Hetze undAgitation noch bei weitem ubertroffen werden.

1 Vgl. hierzu aus:fiihrlich Untersuchungsabschnitt 3.2.3. (Der nationaldeutsche Jude), siehe insbesondereS.88-89.

2 Hans Friedrich Blunck, Verfasser yon zahlreichen volkisch-nationalistischen Bfichem und Schriften, kamim Ralnnen eines Aufsatzes, der im Mai 1931 in der Deutschen Runr1<;chauveroffentlicht wurde, eben-falls auf Heartfie1ds Fotomontage zu sprechen. Vgl. Hans Friedrich Blunck: Anti-Germanismus. Aus demAspekt einer Landschaft. In: Deutsche Rundschau, 57. Jg., Nr. 5, Mai 1931, S. 158: »Man weill, bis aufden 1etzten Mann durch dies Jahrzehnt be1ehrt, daB auch der vergangene Krieg:fiir unser Volkstum einVerteidigungskrieg war, und hat deshalb keinen Sinn und Verstand:fiir sinnlose Se1bsterschUtterungen,die nur die Lage des westlichen Kapitalismus er1eichtem, noch :fiir die Verachtlichmachung der altenFUhrer bis zu jenem furchtbaren Bi1d des ,Tiere sehen dich an'.«

3 An der Diskussion fiber die »Judenfrage« betei1igte sich auch Ludwig Hollander, der Direktor des »Cen-tra1-Vereins deutscher Staatsbfirger jfidischen G1aubens«. Uber Tucho1sky fUhrte Hollander in diesemZusammenhang beschwichtigend aus: »Erst kiirzlich fand einer der scharfsten und verfehmtesten Ruferim Streite, Tucholsky, in seinem neuen Roman ,Schlo6 Gripsho1m' starke Worte voll Wiirme :fiir den ge-liebten niederdeutschen Teil dieses Landes [...].« Vgl. Dr. Ludwig Hollander: Klarheit und Wahrheit inderJudenfrage. In: Deutsche Rundschau, 57. Jg., Nr. 5, Mai 1931, S. 159-163, hier: S. 162.

4 Vgl. Briefwechsel zur Judenfrage, Brief yon Jakob Wassermann an Rudolf Peche1, a.a.O., S. 137 (sieheS. 270 dieser Untersuchung).

5 Max Naumann, Zur Judenfrage, a.a.O., S. 69.6 Vgl. hierzu ausfiihrlich die Untersuchungsabschnitte 3.2.2. (Deutsche Allgemeine Zeitung) und 3.2.3.(Der nationaldeutsche Jude) dieser Studie.

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Damit jedermann sieht, welcheTeufel in Menschengestalt Deutschland

mit neuer Judenherrschaft bedrohen,haben wir sie hier abgebildet.

Johann von Leers]

Ende Juli des Jahres 1933 - sechs Monate nach der nationalsozialistischen Machtiiber-nahme - erschien in der exilierten Arbeiter-Illustrierten Zeitunl ein aufsehenerregenderBericht, dem unschwer zu entnehmen war, daB die Nazis die sogenannte »Judenfrage inDeutschland«3 nunmehr mit den radikalsten Mitteln zu lasen beabsichtigten. Als Do-kument und Beweismitte1 diente dem Redaktionsteam der Arbeiter-Illustrierten Zeitungdie Hetzschrift »Juden sehen Dich an«, die - gewissermaBen als Fortsetzung des anti-semitischen Bildwerks »Das Buch Isidor«4 - von Johann von Leers, einem promovier-ten Juristen, bereits kurz nach der ,Machtergreifung' auf den Markt geworfen wordenwar. Als geschworener Feind der ehemaligen Weimarer »Judenrepublik« hatte der NS-Demagoge damit eine antisemitische Feindbildfibel vorgelegt, die im NS-Schrifttum nurnoch einmal mit »DER EWIGE JUDE«5 ihresgleichen find en sollte. Mithin widmeteman dem Elaborat namentlich in der Redaktion der antifaschistischen A.IZ. die denkbargraBte Aufmerksamkeit:

Vor uns liegt ein Buch, herausgegeben von Dr. von Leers, einem personlichen Freund desMinisters Goebbels und fiihrendem Funktion3r der ,,Deutschen Studentenschaft", des ,,Kampf-bundes fur deutsehe Kultur" und des deutschen Penc1ubs; verlegt von einem Parteiverlag derNSDAP, dem "NS-Druck und Verlag, SchOneberg"; angepriesen von allen nationalsoziali-stischen Blattem und empfoWen fur alle Sehulbibliotheken. Das Buch heisst "Juden sehenDich an" und enthiilt Bilder und Charakteristiken bekannter Manner der Politik, Wirtschaft,Kunst und Wissensehaft, die als Blutjuden, Liigenjuden, Betrugsjuden, Zersetzungsjuden,Kunstjuden und Geldjuden "dem deutsehen Volk" vorgestellt werden. Wir haben mehr alseinmal gesehrieben und bewiesen, dass die sogenannte Rassenkunde eine Afterwissensehaftist, nur dazu erfunden, urn die Rime der arbeitenden Massen zu vemebeln und ihren Hassvom wahren Feind, dem Ausbeuter, auf den vermeintlichen Gegner, den Andersrassigen, ab-zulenken. Es fallt uns also nicht ein, auf die gleiche Ebene der Rassenkunde hinabzusteigen

] Johann von Leers: Juden sehen Dich an. Berlin 1933. 2. Auflage. Vorwort, S. 5.2 In der Exilzeitschrift Der Gegen-Angriff (Ausgabe vom 19. November 1933) wurde die A.IZ. als »ein-

zige deutsche lllustrierte« angepriesen, die »ungeschminkte Beriehte aus dem Dritten Reich bringt«.3 Vgl. ausfiihrlich Untersuchungsabsehnitt 4.1. (»Tiere sehen dieh an« - Fotomontage und Affront), siehe

besonders S. 270-274.4 Mjolnir [d i. Hans Schweitzer] und Dr. [Joseph] Goebbels: Das Buch Isidor. Ein Zeitbild voll Lachen

und HajJ. Berlin 1928.5 1m NS-Verlag Franz Eher (Miinehen-Berlin) ersehien im Jahre 1937 der antisemitisehe Bildband DER

EWIGE JUDE Hans Diebow, der Herausgeber der Hetzsehrift, hatte das um:fangreiche PampWet mit ins-gesamt 265 Bilddokumenten ausgestattet, hinzu kamen Bildunterschri:ften und Kommentare, mit deren Hil-fe die jeweils portratierten Opfer nationalsozialistischer Agitation zusatzlich diffamiert und stigmatisiertwurden. Der Kommentar zu einer manipulierten Tucholsky-Portratfotografie lautete in diesem Zusam-menhang (Auszug, S. 45): »Kurt Tucholsky: Der unappetitliehste Zotendiehter aller Zeiten. Es widerstrebtuns, yon seinen gescWechtlieh frivolen und obszonen Reimereien nur eine Zeile abzudrucken. In der Mono-graphie ,Die Juden in DeutseWand' findet sieh eine hinreichend kennzeichnende Sammlung von Auszii-gen aus dieser Dirnen-Poesie, die er fur Siegfried Jaeobsohns ,Weltbiihne' verfaBte.«

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und uns ihre "Argumente" zu eigen zu machen, wenn wir sagen, dass es unter den "Juden",die uns in diesem Buch vorgestellt werden, eine ganze Menge yon Personen gibt, die zu-mindest so reinrassig arisch sind wie Goring und Hitler, yon dem Schrumpfgennanen Goeb-bels ganz zu schweigen. Nein, wenn wir feststellen, dass Erzberger, Miinzenberg, Liebknechtund Piscator keine Juden sind, so geschieht das nur deshalb, urn zu zeigen, dass die Nazisbei ihrer Pogromhetze ohne Lugen und Fiilschungen nicht auskonnnen. Weshalb sie denn auchaIle Bilder durch Retusche zweckentsprechend verandert haben.l

In der Schmahschrift »Juden sehen Dich an«2, die nicht von ungeHihr mit bereitwilligerUnterstiitzung der judenfeindlichen Wochenschrift Der Stiirmer an den Mann gebrachtwurde3

, prasentierte Johann von Leers4 den zeitgenossischen Lesern eine groteske »Ga-lerie von Volksverderbem«5, die sich aus »Blutjuden«, »Liigenjuden«, »Betrugsjuden«,»Zersetzungsjuden«, »Kunstjuden« und »Geldjuden« zusammensetzte. Zu den »Blutju-den« gehorten zuvorderst Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht6, es folgten die Politi-ker Albert Grzesinski und Leo Trotzki. Willi Miinzenberg, der bekannte Verleger desDeutschland-Buchs, wurde in diesem Zusammenhang als »Fiihrer der Mordkommune«7diffamiert. Die Portrats der prominenten Politiker Matthias Erzberger und Konrad Ade-nauer komplettierten schlieBlich das erste Kapitel der Feindbildfibel. 8

Dem Vorwort des Bildwerks war indes zu entnehmen, daB der »jiidische Feind« auch inseinen »weiteren Erscheinungsformen« an den »Pranger« gesteUt werden soUte. EineForm der Judenhetze, die namentlich den Stiirmer-Lesern bekannt vorkommen mu13te:

Dieses kleine Buch soIl dem Deutschen Volke noch einmallebendig zeigen, wer es poli-tisch, geistig und wirtschaftlich beherrscht hat. Auch der BeschrfuIkteste wird zugeben miis-sen, daB es sich urn eine regelrechte Beherrschung Deutschlands durch ein fremdes Volks-turn gehandelt hat, das auf allen Gebieten des Lebens zur Niederhaltung und Unterdriickung

1 Vgl. "Ungehiingtl" Greuelpropaganda von ihnen selbst besorgt. In: A.I.Z., 7. Jg., Nr. 28 yom 20. Juti1933, S. 484-485, hier: S. 484.

2 Vgl. hierzu den Schmahartikel Judenliebchen sehen dich an, der am 27. August des Jahres 1933 in derMannheimer NS-Zeitung Hakenkreuzbanner (3. Jg., Nr. 217) erschien.

3 Julius Streicher, dem das Pamphlet Juden sehen Dich an gewidmet worden war, machte in seinem Hetz-blatt Der Stiirmer wiederholt:fiir das Bildwerk Reklame. Vgl. hierzu Dokument Nr. 35.

4 Johann yon Leers (1902-1965) trat im Jahre 1929 der NSDAP bei und avancierte schon bald daraufzurnSchriftleiter der nationalsozialistischen Zeitschrift Wille und Weg. In zahlreichen Buchem und Broschii-ren vertrat der NS-Karrierist (Mai 1936 SS-Untersturm:fiihrer, November 1936 SS-Obersturmfiihrer, Ja-nuar 1938 SS-Hauptsturm:fiihrer, April 1939 SS-Stunnbannfiilirer) seine antisemitischen und rassistischenThesen, so auch in den Schriften Geschichte aufrassischer Grundlage (1934), Blut und Rasse in derGesetzgebung (1938) undDie Kriminalitiit des Judentums (1939). Als sich das Ende der nationalsoziali-stischen Herrschaft abzuzeichnen begann, floh der NS-Demagoge uber Italien nach Argentinien. Johannyon Leers starb am 5. Man 1965 in Kairo.

5 Vgl. Juden sehen Dich an, a.a.O., Vorwort, S. 4.6 Vgl. ebd., S. 9. Rosa Luxemburg wurde in Johann yon Leers' Hetzschrift unter anderem:fiir »viele kom-

munistische Terrorakte und Mordtaten« verantwortlich gemacht. Karl Liebknecht galt als »Ha1bjude«, derauf der »Flucht erschossen« worden sei.

7 Vgl. ebd. 1m nationalsoziatistischenAngriffhatte man Miinzenberg bereits im September des Jahres 1929in Wort und Bild diffamiert. Vgl. Der Angriff, 3. Jg., Nr. 39, S. 2, Rubrik: So sieht er aus.

8 Vgl. Juden sehen Dich an, a.a.O., S. 26 und S. 27. Matthias Erzberger, der am 11. November 1918 alsdeutscher Parlamentar den Waffenstillstand yon Compiegne unterzeichnet hatte, wurde in der Feindbild-fibel Juden sehen Dich an als »Zerstorer des Reiches« bezeichnet. Der Politiker Konrad Adenauer wur-de hingegen als verschwenderischer »Gro6protz yon KoIn« diffamiert.

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des Deutschtums zusammenarbeitete und das jeden Tag seine satanische Herrschaft wiederantreten wfirde, wenn das Deutschtum schwach wird Zugleich zeigt diese Galerie yonVolksverderbern durch die bloBe Tatsache, daB kein einziger yon ihnen durch die nationaleRevolution yon 1933 bisher hingerichtet worden ist, trotzdem ihre Verbrechen gen Himmelschreien, mit aller Deutlichkeit, wie auBerordentlich menschlich und gnadig das deutscheVolk selbst noch seinen schlinnnsten Verderbern gegenfiber verfahren is1o!

Zur Bekraftigung seiner abschlieBenden Ausfiihrung hatte Johann von Leers, in dessenBuch die Schriftsteller und Publizisten Ernst Toller2 und Alfred Kerr unter anderem als»Kunstjuden« und »Liigner« diffamiert wurden, die meisten Bildunterschriften mit derzynischen SchluBbemerkung »Dngehangt« versehen lassen. Vor allem das europaischeAusland, so der Herausgeber des Machwerks, sollte auf diese Weise von der »echt ger-manischen Duldsamkeit«3 des deutschen Volkes Kenntnis erlangen. Die nach Prag exi-lierte Arbeiter-Illustrierte Zeitung begegnete der Hetzschrift indes mit gezielter Gegen-propaganda. So wurden die Leser der Exilzeitschrift, die seit dem Ausbruch der soge-nannten ,nationalen Revolution' gegen das nationalsozialistische Deutschland agitierte,in knapper Form iiber den wahren Charakter der Feindbildfibel - und damit iiber dietatsachliche Situation in Hitlerdeutschland - informiert:

" UNGEHifNGT" - schreibt Herr yon Leers, ein reprasentativer Vertreter des neudeutschenSchrifttums und hoher Nazi-Funktionar, hinter die Namen politischer Gegner. Er widerlegtauf diese Weise alle Dementis seiner Regierung, die doch immer wieder behauptet, daB "imDritten Reich keinem Juden ein Haar gekrtimmt" wfirde. Jeder, der das Gegenteil behaup-tet, wird (wenn er nicht gerade Dr. yon Leers heillt und offentlich zum Hangen auffordert)zu hohen Zuchthausstrafen wegen "Greuelpropaganda" bestraft.4

In der Tat hatte der Illustrierte Beobachter, der vor allem als antisemitische Kampfzeit-schrift der NSDAP fungierte, bereits kurz nach der nationalsozialistischen Machtiiber-nahme eine aufwendige Kampagne gegen die angebliche »Greuelpropaganda« des Aus-

! Vgl. Juden sehen Dich an, a.a.a., Vorwort, S. 4.2 Ernst Toller reagierte mit Wut und Abscheu auf das Pamphlet des NS-Demagogen Johann yon Leers. In

einer Rede, die Toller auf dem Penklub-KongreB in Ragusa hielt, hieB es in diesem Zusammenhang: »DerSchriftfiihrer des deutschen Pen-Klubs ist heute ein Herr yon Leers. In seinem Buch ,Juden sehen Dichan' hat er es gewagt, die Juden als ,Teufel in Menschengestalt' zu bezeichnen. [...j Wird man diesen Aus-bmch des Walmsinns und der Barbarei verurteilen, wird man Herro yon Leers aus dem deutschen Pen-KlubausschlieBen?« Ernst Toller: Rede auf dem Penklub-Kongreft. In: Die neue Weltbiihne, 2. Jg., Nr. 24 yom15. Juni 1933, S. 741-744, hier: S. 743.

3 Vgl. Juden sehen Dich an, a.a.O., Vorwort, S. 5. In diesem Zusammenhang fiihrte Johann yon Leers zu-dem aus: »Damit jedermann sieht, welche Teufel in Menschengestalt Deutschland mit neuer Judenherr-schaft bedrohen, haben wir sie hier abgebildet; damit das Ausland sieht, wie schonsam das deutsche Volkgewesen ist, haben wir fiberall hinter ihren Namen und Bildern bemerkt: ,ungehangt'.«

4 Vgl. "Ungehtingtl", a.a.O., S. 485. Die Exilzeitschrift Die neue Weltbiihne (Prag) hatte bereits im Maides Jahres 1933 eine Rezension fiber das Bildwerk Juden sehen Dich an veroffentlicht. So urteilte derJournalist Paul Fanpol fiber die Feindbildfibel: »Wahrend sich das offizielle Deutschland bemfiht, die,Greuelpropaganda' zu bekampfen, erscheint jetzt ein kleines Bfichlein, gegen dessen kannibalischenGeist schwerer anzukampfen sein wird als die heutigen Machthaber glauben. Es wird unmoglich sein,yon der Arbeit eines Unverantwortlichen zu sprechen; das Buch heillt in Anlehnung an den Titel einesbertihmten Tierbuches ,Juden sehen Dich an', ist im NS-Druck und Verlag, Berlin, erschienen und seinVerfasser ist Doktor Johann yon Leers, einer der offiziellen Schriftsteller der Partei, der erst vor kurzerZeit Deutschland bei einer intemationalen Tagung im Ausland vertreten ha1o«Paul Fanpol: "Ungehtingt".In: Die neue Weltbiihne, 2. Jg., Nr. 20 yom 18. Mai 1933, S. 621-622, hier: S. 621.

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lands gestartet. So erschienen in einer einschHigigen Rubrik des Blattes - »Politik derWoche« - gleich mehrere Hetzartikel, die sich gezielt mit der Agitation der »feindlichenEmigrantenpresse« auseinandersetzten.1 Die kritischen Berichterstatter der antifaschisti-schen ExilbHitter wurden in diesem Zusammenhang in aller Regel als deutschfeindliche»Greuelfabrikanten«2 bezeichnet. Mit der Schrift »Juden sehen Dich an«, in der so pro-minente Personlichkeiten wie Albert Einstein3 und Charlie Chaplin4 als »Liigenjuden«und »Kunstjuden« stigmatisiert wurden, hatten die Nazis freilich selbst eine Greuelpro-paganda par excellence vorexerziert5, die yon der deutschen Exilpresse mit Abscheuund Besorgnis zur Kenntnis genommen wurde.6

Der Tucholsky-Biograph Michael Hepp hat im Jahre 1993 daraufhingewiesen, daB dasantisemitische Bildwerk »Juden sehen Dich an«, das in nur zwei Monaten vier Auflagenerreichte, durchaus als nationalsozialistische Antwort auf die Heartfieldsche Fotomon-tage »Tiere sehen dich an« verstanden werden kann.7 Tatsachlich hatte man im Rahmeneiner anonymen Deutschland-Buch-Besprechung, die im September des Jahres 1929 inder nationalsozialistischen Zeitung Der Angriff veroffentlicht wurde, zumindest kurz miteinem entsprechenden Projekt geliebaugelt.8 Ein Mitarbeiter der in Paris erscheinendenExilzeitschrift Das Blaue Heft brachte die emste Angelegenheit schlieBlich im Juli desJahres 1933 offentlich zur Sprache. Freilich las sich die kurze Bemerkung, die auf eineRezension des ebenfalls exilierten Schriftstellers Alfred Kantorowicz abzielte, wie einePhilippika gegen Kurt Tucholsky, dessen Deutschland-Album offenbar nach wie vor dieGemiiter erhitzte:

JUDEN SEHEN DICH AN: Der Titel des besprochenen Buches ist bekanntlich einem vor 3bis 4 Jahren erschienenen Tier-Bilderbuch yon Eipper nachgemacht, und zwar absichtlich,urn die Assoziation "Jude - Tier" zu wecken. Diese liebenswtirdige Entlehnung ist nun abernicht Herrn yon Leers' eigene Idee, denn sie ist ilnn yon Herrn Tucholsky bereits vorge-macht worden. In dem ungliickseligen Buch "DeutscWand, DeutscWand iiber alles" findetsich eine Seite mit Photos yon Generalskopfen der alten Annee, darunter die freundlicheTextzeile: "Tiere sehen Dich [sic] an". Es ist mir, so wenig wie Herrn Kantorowicz bei den

1 Vgl. etwa Greuelpropaganda. In: Illustrierter Beobachter, 8. Jg., Nr. 14 yom 8. April 1933. Vgl. zudemGiftmischer. In: Illustrierter Beobachter, 8. Jg., Nr. 15 yom 15. April 1933. Vgl. weiterhin Ernst HerbertLehmann: Greuelpropaganda. In: Walther Heide (Hrsg.): Handbuch der Zeitungswissenschaft. Leipzig1941, Spalten 1361-1392.

2 Vgl. hierzu die Bildreportage Greuel! Greuel! So war es schon im Weltkrieg. In: Illustrierter Beobach-ter, 8. Jg., Nr. 17vom 29. Apri11933.

3 Vgl. Juden sehen Dich an, a.a.a., S. 28. Die Bildunterschrift lautet: »Erfand eine stark bestrittene ,Re-lativitatstheorie'. Wurde yon der Judenpresse und dem ahnungslosen deutschen Volke gefeiert, danktedies durch verlogene Greuelhetze gegen Adolf Hitler im Auslande.«

4 Vgl. ebd., S. 61. Charlie Chaplin wurde in der antisemitischen Schmahschrift als »ebenso langweilige[r]wie widerwlirtige[r] kleine[r] Zappeljude« diffamiert.

5 Die Arbeiter-Illustrierte Zeitung hatte in diesem Zusanunenhang getitelt: Greuelpropaganda von ihnenselbst besorgt. Vgl." Ungehiingt!", a.a.a., S. 484.

6 Vgl. etwa Die neue Weltbuhne, 2. Jg., Nr. 16 yom 20. April 1933, S. 495.7 Vgl. Hepp, Kurt Tucholsky. BiographischeAnnaherungen, a.a.a., S. 318.8 Vgl. So sieht er aus! In: Der Angriff, 3. Jg., Nr. 35 yom 2. September 1929, S. 2. So hatte man mit Be-

zug auf eine Tucholsky-Karikatur und die Fotomontage »Tiere sehen dich an« festgehalten: »Bitte, lieberLeser, betrachte Dir das nebenstehende Bild und wisse: einJudenschwein schaut Dich an.« Vgl. hierzuauch Untersuchungsabschnitt 3.1.2.

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jfidischen Kopfen, gelungen, diese Generalskopfe abstossend oder tierisch zu tinden. Mankann Herro yon Leers in diesem Zusammenhang nur zugute halten, dass sein Text nicht ganzso plump ist wie der Tucholskysche. Es ist aber interessant festzustellen, dass die ordinar-sten Methoden intellektueller Demagogie den Reklamechefs der Nazis yon dieser Seite Yor-gemacht worden sind. Es ware im Sinne Ihrer Sache nicht unklug, wenn Sie [ d. i. AlfredKantorowicz] die Fehler, die limen nahestehende Leute frfiher gemacht haben, nicht einfachyertuschen beziehungsweise yerschweigen wollten, sondem kurz und bfindig dazu Stellungnahmen. Sie wfirden sich damit angenehm yon den jetzt in Deutschland fiblichen schein-heiligen Methoden der Publikation unterscheiden.1

Als bunter »Markt der Meinungen fur die aus Deutschland gefliichteten Schriftsteller«2stellte das von Walter Maria Ullmann herausgegebene und redigierte Blaue Heft gleich-sam das erste publizistische Sprachrohr der deutschen Exilanten dar. 3 Lieselotte Maashat in diesem Zusammenhang festgehalten, daB »sehr unterschiedliche Autoren« - biir-gerliche wie linksorientierte Schriftsteller - zu den Mitarbeitem des »Informationsfo-rums fur Emigranten«4 zahlten. Neben der Vorliebe fur die kritische Attacke zahlte vorallem eine »bunte Vielfalt von einander extrem widersprechenden Meinungen«5 zu denKennzeichen des Blauen Hefts. So erklart es sich, daB Alfred Kantorowicz, der Adressatder oben zitierten Kritik, letztlich eine ganzlich andere Sicht der Dinge entwickelte:

Dass Tucholsky sich nicht nur im Ton der Polemik seines Buches "Deutschland, Deutsch-land fiber alles" yergriffen hat, sondem dass er als Kampfgenosse grundsatzlich abzulehnenist, habe ich in einer ausfiihrlichen Besprechung seines Buches seinerzeit unzweideutig fest-gestellt. Die Formulierungen in meinem Aufsatz: "Es lohnt sich wieder - zu schreiben" [...]distanzieren, so scheint mir, unsere Sache nicht minder eindeutig yon jener Kategorie derSchriftsteller, die "yerwirrt durch Hass" Hitler und die deutsche Reaktion blind mit Deutsch-land gleichsetzen, zum Vergnfigen der Nationalisten anderer Lander.Aber: es ist dennoch yollkommen unzulassig, Herro yon Leers, einen Dummkopf, in einemAtemzug zu nennen mit einem geistreichen und leidenschaftlichen Polemiker, als den wirTucholsky auch dann achten, wenn wir uns yon ilnn distanzieren. Wir bitten, sich doch ein-mal die Objekte der Sudelei des Herro yon Leers und die Objekte der Polemik des HerroTucholsky zu betrachten. Wer findet, dass hier die gleiche Sache yorliegt und der mit dem-selben Mass zu messende Uebergriff "intellektueller Demagogie" - mit dem ist allerdingsschlecht weiterdiskutieren. Eine "Objektivitat", die das organische Verbrechertum yon rechtsauf eine Stufe stellt mit Entgleisungen yon links, ist unsere Sache nicht. 6

1 R. E. M.: Juden sehen Dich an. In: Das Blaue Heft, Ausgabe yom 1. Juli 1933 (Tucholsky-Archiy).2 Lieselotte Maas: Handbuch der deutschen Exilpresse. Herausgegeben yon Eberhard Lammert. Band 4:

Die Zeitungen des deutschen Exils in Europa von 1933 bis 1939 in Einzeldarstellungen. Mfinchen 1990,S.48.

3 Die Kulturzeitschrift Das Blaue Heft wurde 1921 yon Max Epstein gegrfindet. Zu den Mitarbeitem desPeriodikums zahlte im Jahre 1924 auch Kurt Tucholsky, der insgesamt drei Beitrage im Blauen Heft yerof-fentlichte. 1m Sommer 1932 wurde die Zeitschrift yon Dr. Jo Lherman (pseudonym: Walter Maria Ull-mann) aufgekauft. In den Jahren 1933 und 1934 zahlten unter anderen Alfred Kantorowicz, Egon ErwinKisch und Rudolf Leonhard zu den Beitragem des Blauen Hefts, das sich - wiewohl keine Neugrfindungdes Exils - nach der nationalsozialistischen "Machtergreifung" als Exilpublikation yerstand. Vgl. Maas,Handbuch der deutschen Exilpresse, a.a.a., S. 46-50.

4 Ebd., S. 48.5 Ebd., S. 49.6 Alfred Kantorowicz: Juden sehen Dich an [Entgegnung]. In: Das Blaue Heft, Ausgabe yom 1. Juli 1933

(Tucholsky-Archiy).

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Als Mitglied der KPD gehorte Kantorowicz\ der im Marz des Jahres 1933 nach Parisemigriert war, zur Riege derjenigen kommunistischen Schriftsteller2

, die ihren KollegenKurt Tucholsky gemeinhin als Vertreter einer politisch mehr oder weniger indifferenten»Linkeleuteliteratur«3 einstuften. Otto Biha, ein weiterer Journalist aus dem kommuni-stischen Lager, hatte dem bekannten Weltbiihnen-Mitarbeiter in diesem Zusammenhangsogar »schrankenlosen Nihilismus«4 vorgeworfen. Kantorowicz, dem namentlich die imBlauen Heft erhobenen Vorwlirfe zu weit gingen, nahm den prominenten Verfasser desumstrittenen Deutschland-Buchs freilich nicht zu Unrecht gegen allzu ungerechtfertigteAngriffe und Schuldzuweisungen in Schutz. Hatten die Nationalsozialisten doch schonlange vor 1933 mit antisemitischen Bildreportagen experimentiert, die hauptsachlich imIllustrierten Beobachter, der judenfeindlichen Kampfzeitschrift der NSDAP, veroffent-licht worden waren.

Mit seinen standigen Rubriken »Dinge, die der Jude nicht macht«5 und »Der Judenspie-ge1«6prasentierte sich der Illustrierte Beobachter, der im nationalsozialistischen VerlagFranz Eher erschien, bereits im Jahre 1926 als die »einzige antisemitische groBe Bilder-zeitung«, in der regelmaBig illustrierte Hetzartike1 gegen die »judische Knechtung«, ge-gen »alle Feinde des deutschen Vaterlandes und gegen die Macher und NutznieBer derGaunerrevolution vom Jahre 1918«7 veroffentlicht wurden. Aufwieglerische Bildberichtewie etwa »Arbeitere1end und Judenwohlfahrt im Scheidemannstaat«8 und »Was den ju-dischen Hetzern nicht in den Kram paBt«9 zahlten in diesem Zusammenhang durchauszum einschlagigen Repertoire der extrem rechtsstehenden Zeitschrift. Reich illustrierteSondernummern wie »Die Borsenrevolution des Jahres 1918« (»Der Ausgangspunkt der

1 Alfred Kantorowicz (1899-1979), ein promovierter Jurist, publizierte seine Artikel und Kritiken unteranderem in der Literarischen Welt und in der Vossischen Zeitung, fur die er in den Jahren 1928 und 1929auch als Kulturkorrespondent tatig war. Im Herbst 1931 trat Kantorowicz in die KPD ein, im Miirz 1933emigrierte der von den Nazis verfolgte Schriftsteller gezwungenen.naBen nach Paris, wo er unter ande-rem am beriihmten Braunbuch fiber Reichstagsbrand und Hitlerterror mitarbeitete.

2 Zu den linksstehenden Schriftstellem und Joumalisten, die Tucholsky als Kampfgenossen strikt ablehn-ten, zahlte freilich auch Walter Fabian, der Tucholsky im Rahmen eines Artikels, der in der sozialdemo-kratischen Leipziger Volkszeitung erschien, als »Salonkommunisten und Kritikaster« bezeichnete. Vgl.Untersuchungsabschnitt 3.4.2. (Leipziger Volkszeitung), S. 150-164.

3 Vgl. Johannes R. Becher: Einen Schritt weiter! In: Die Linkskurve, Jahrgang 1930, Heft 1. Zitiert nach:Zur Tradition der deutschen sozialistischen Literatur. Eine Auswahl von Dokumenten 1926-1935. Berlinund Weimar 1979, S. 195-201, hier: S. 197.

4 Otto Biha: Die proletarische Literatur in Deutschland. In: Literatur der Weltrevolution, 3/1931. Zitiertnach: Zur Tradition der deutschen sozialistischen Literatur, a.a.a., S. 239-271, hier: S. 251.

5 Vgl. etwa lllustrierter Beobachter, Jahrgang 1927, Nr. 7, S. 87. Vgl. weiterhin lllustrierter Beobachter,Jahrgang 1927, Nr. 10, S. 135. 1m Rahmen der Rubrik »Dinge, die der Jude nicht macht« wurden regel-maBig Bilder von schwerster und gefahrlichster Arbeit aus der Welt der Proletarier gezeigt. Die ,Juden'brachte man hingegen qua Foto mit Tanzveranstaltungen und festlichen Diners in Verbindung.

6 Vgl. etwa Illustrierter Beobachter, Jahrgang 1926, Nr. 3, S. 4. Dort hielt man mit Bezug auf eine Por-triitzeichnung eines prominenten franzosischen Juden fest: »Boswillige Vergleiche mit dem beriihmtenMenschenaffen aus der Hagenbeckschen Tierschau sind nicht gestattet.«

7 Vgl. Aufruf! An aile Bezieher und Leser des "Illustrierten Beobachters". In: Illustrierter Beobachter, Jahr-gang 1926, Nr. 5, S. 9.

8 Vgl. lllustrierter Beobachter, Jahrgang 1926, Nr. 6, S. 3. Im Rahmen dieses Beitrags experimentiertendie nationalsozialistischen Agitatoren zudem mit tendenzfotografischen Gegeniiberstellungen, die dazudienen sollten, die deutschen Proletarier gezielt gegen die ,jiidischen Schmarotzer' aufzubringen.

9 Vgl. Illustrierter Beobachter, Jahrgang 1926, Nr. 3, S. 3.

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Judenrevolution!«) rundeten das judenfeindliche Programm des Illustrierten Beobach-ters entsprechend ab. Prominente Personlichkeiten wie Ernst Toller (»geHihrlicher De-magoge«), Gustav Landauer (»November-Betrtiger«), Erich Milhsam (»Kaffeehauspa-rasit«) und Kurt Eisner (»Kusmanowski, genannt Eisner«) wurden im Rahmen der er-wahnten Sonderausgabe unter anderem als »jildische Literaten-Hetzer« und »Gesindel«diffamiert.1

Neben den »Gestalten und Machern der Revolution« wurden im Illustrierten Beobach-ter, der es im Jahre 1926 immerhin auf eine Auflage yon 40 000 Exemplaren2 brachte,auch immer wieder die »verheerenden Folgen« der sogenannten »Judenrevolution desJahres 1918« in den Mittelpunkt der agitatorischen Berichterstattung gestellt. Mit Bei-tragen wie »Von Deutschlands Ruhm zu Deutschlands Schande«3 verbreitete die Zeit-schrift regelmaBig verf.Hschende Darstellungen geschichtlicher Ereignisse in Wort undBild. Auf bestimmte »Charakter-Kopfe der Judenrevolution«4 - Philipp Scheidemann,Karl Liebknecht, Rosa Luxemburg - hatte man sich im Illustrierten Beobachter gerade-zu eingeschossen. Galten die genannten Exponenten der Republik yon Weimar doch alsgeistige Urheber des sogenannten »Zersetzungssystems der Revolution«, das sich vor-geblich anschickte, die »bilrgerliche Zivilisation« zu vernichten:

Mit dem Untergang des Zarismus lebte der infemalische Hollenschein des roten Umsturzesso grell anI politischen Himmel auf, daB seine diistere Glut die halbe Welt zu erhitzen be-gann. Der Umsturz in DeutscWand, knapp ein Jahr spiiter, hat die Grundfesten des Staats-gebaudes erschiittert, die biirgerliche Zivilisation zerfiel wie Zunder vor dem Pesthauch derBolschewisierung des ganzen Lebens. Die Auflockerung der Lebensform und Lebenshal-tung, wie sie in wirtschaftlicher, politischer und knltureller Beziehung radikal zu wirken be-ginnt, hat bildende Kunst, Theater, Literatur, Musik und Film in gleicher Weise erfafit. Yonhier aus greift die Untergrabung yon Autoritat, Ordnung, Sitte und Moral seuchenartig urnsich.5

In der Folgezeit waren es Beitrage wie »Hoppla, wir Juden leben!«6, die den rechtsori-entierten Lesern des Illustrierten Beobachters immer wieder die angeblich »zersetzen-den« Auffiihrungen und Aktivitaten des sogenannten »bolschewistischen Propaganda-theaters in Berlin« 7 vor Augen fiihrten. Erwin Piscator, der ebenso progressive wie ex-perimentierfreudige Leiter des Theaters am Berliner Nollendorfplatz, wurde in diesem

1 Vgl. Gestalten der Revolution. In: lllustrierter Beobachter, Jahrgang 1927, Nr. 20, Sondernunnner: »DieBorsenrevolution des Jahres 1918«, S. 274-275.

2 Vgl. Illustrierter Beobachter, Jahrgang 1927, Nr. 5, S. 63.3 Vgl. Illustrierter Beobachter, Jahrgang 1928, Nr. 10, S. 126-127.4 Vgl. den Bildbericht Charakter-Kopfe der Judenrevolution. In: lllustrierter Beobachter, Jahrgang 1928,

Nr. 24, S. 294. 1m Rahmen dieses Beitrags, der den Lesern des lllustrierten Beobachters eine Collageaus Portratfotografien und Bildkommentaren prasentierte, wurden Politiker und Schriftsteller wie ErichMiihsam, Kurt Eisner und Philipp Scheidemann unter anderem als »jiidische Hochstapler« und »vertrot-telte Intellektuelle« diffamiert.

5 Vgl. Das Zersetzungssystem der Revolution. In: lllustrierter Beobachter, Jahrgang 1927, Nr. 20, S. 287.6 Vgl. Illustrierter Beobachter, Jahrgang 1928, Nr. 2, S. 25. Der Titel dieses Bildberichts spielte auf das

Toller-Drama Hoppla, wir leben! an, mit dem Piscator im Jahre 1927 sein Theater anI NollendorfplatzerOffnet hatte.

7Ebd.

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Zusammenhang kurzerhand als alkoholabhangiger Schopfer »wahnsinniger Dekoratio-nen«l diffamiert. In der Feindbildfibel »Juden sehen Dich an«, die im April des Jahres1933 erschien, fand die verleumderische Kampagne gegen Piscator schlieBlich ihre un-se1ige Fortsetzung. 2 Lanciert hatte man diese neuerliche Aktion gegen »Piscator undKonsorten« mittels einer kommentierten Fotomontage3

, die im Dezember 1932 in einerumfangreichen Sondemummer des Illustrierten Beobachters - »Die Rassenfrage ist derSchliissel zur Weltgeschichte« - veroffentlicht worden war:

Yon wo sind sie gekommen? Ahasver! Zeige mir dein auserwaWtes Yolk! [...] Gibt es nochein groBeres Drama wie dieses Land, dieses Europa im Schatten des Auserwahlten Volkes?[...] Ja, "Die StraBen kamet ihr entlanggeweht" und begannet wie damals in den Tempelnzuerst mit Konjunktur! Konjunktur und die Preise! Vor allem die Preise! Alles ist kauflich!Alles! Die Kunst, die Politik, die offentliche Meinung! Intemationalismus! [...] Fahret in denUntergrund!4

Bleibt zu bemerken, daB Kurt Tucholsky, der von den Nationalsozialisten gemeinhinebenfalls regelmaBig angefeindete Weltbiihnen-Mitarbeiter, erstaunlicherweise nicht zuden Opfem des NS-Demagogen Johann von Leers zahlte. In der Hetzschrift »Juden se-hen Dich an« ist lediglich ein kurzes Tucholsky-Zitat zu finden.5 Uber mogliche Griindefur diese unerwartete Zuruckhaltung kann in diesem Zusammenhang freilich nur speku-liert werden. Wahrscheinlich ist aber, daB Tucholsky, der im Januar 1933 seinen letztenWeltbiihnen-Artikel veroffentlicht harte, im Lager der Nationalsozialisten nicht mehr alsbesonders gefahrlicher Gegner eingestuft wurde. Hinzu kam, daB der in Schweden le-bende Schriftsteller ohnedies zu verstummen schien.

Laute Stimmen erhoben sich indes, als die ersten Exemplare der Schmahschrift »Judensehen Dich an« iiber die Grenzen Hitlerdeutschlands gelangten. Dnd genau hier be-ginnt die Geschichte der antifaschistischen Exilschrift »Nazifuhrer sehen dich an«.

1 Vgl. Hoppla, wir Juden leben! In: Illustrierter Beobachter, Jahrgang 1928, Nr. 2, S. 25. Mit ihrer pole-mischen Kritik bezogen sich die Nazis auf den typischen Piscator-Stil, der unter anderem die Einbezie-hung yon Film- und Fotosequenzen umscWoB. Darfiber hinaus ziiWten konstruktivistische Billmenbau-ten und eine aufwendige Billmenapparatur zu den Charakteristika der Piscator-Billme.

2 Vgl. Juden sehen Dich an, a.a.o., S. 61. Die entsprechende Bildunterschrift lautet: »Dr. Erwin Piskator[sic]: Boischewistischer Kunstjude, raffinierter Veranstalter zersetzender Theaterstiicke.«

3 Vgl. 1m Schatten Jehovas. In: Illustrierter Beobachter, Jahrgang 1932, Nr. 50. 1m Rahmen dieser Foto-montage wurden Prominente wie etwa Alfred Kerr, Lion Feuchtwanger, Carl Zuckmayer, Else Lasker-Schiller und Max Liebermann in Wort und Bild als deutschfeindliche Repriisentanten eines nur vorgeb-lich »auserwiiWten Volkes« priisentiert. Gertrud Ulmer weist in diesem Zusammenhang daraufhin, daBdie Technik der Fotomontage als »eines der wirksamsten Propagandamittel sehr haufig« in den erstenJahrgangen des 111ustrierten Beobachters verwandt wurde. Vgl. Gertrud Ulmer: Das Lichtbild in derMiinchner Presse. Wiirzburg-AumiiWe 1939, S. 108. Vgl. zum Kontext auch Kurt WeWau: Das Lichtbildin der Werbungfiir Politik, Kultur und Wirtschaft. Wiirzburg-AumiiWe 1939.

41m Schatten Jehovas, a.a.O. (Anmerkung 3).5 Vgl. Juden sehen Dich an, a.a.O., S. 18: »Wie groBe Teile der jiidischen Geistigkeit zum deutschen Va-

terland wirklich standen und stehen, zeigt eine AuBerung Kurt Tucholskys: ,Das Land, das ich angeblichverrate, ist nicht mein Land, dieser Staat nicht mein Staat, diese Rechtsordnung nicht meine Rechtsord-nung. '« Die feWerhaft zitierte Passage stammt aus Ignaz Wrobels Artikel Uber den sogenannten "Lan-desverrat". In: Das Andere Deutschland, 6. Jg., Nr. 36 yom 11. September 1926, S. 2 (GW, Bd. 4, S.492-494, hier: S. 494).

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Wie kliiglich ist die stiirkste Phantasie gegen-uber den Tatsachen des Dritten Reiches.!

Ende November des Jahres 1933 erschien in der yon Bruno Frei2 redigierten Exilzeit-schrift Der Gegen-Angrijf eine Anzeige, die das baldige Erscheinen einer sensationellenDokumentation ankiindigte. Das mit zahlreichen Fotografien ausgestattete Buch, gleich-sam eine »Kurzgeschichte des Dritten Reiches«3 in 33 Biographien, sollte in Willi Mun-zenbergs Pariser Exilverlag »Editions du Carrefour«4 herausgebracht werden. Der vor-Hiufige Titel der antifaschistischen Aufklarungsschrift, die ihren Lesem mit Hilfe doku-mentarischen Materials einen »erschuttemden Einblick hinter die Kulissen des DrittenReiches« gewahren sollte, lautete schlicht »Deutschlands Fuhrer, wie sie keiner kennt«5.Letztlich entschied sich der Verlag, der bereits das »Braunbuch uber Reichstagsbrandund Hitlerterror« veroffentlicht hatte, jedoch fur einen wesentlich zugkraftigeren Titel.Dnd das aus gutem Grund. So hieB es in einer weiteren Ankiindigung der »Editions duCarrefour«, die im Dezember 1933 wiederum im Gegen-Angrijfveroffentlicht wurde:

Bei Editions du Carrefour erseheint NAZI-FORRER SEHEN mCH AN als Antwort aufdas Bueh "Juden sehen Dich an ". Im Gegensatz zu dieser Selnnahsehrift bringt das BuehNAZI-FOHRER SEHEN mCH AN nur dokumentarisehe, unretouehierte Photos, nur do-kumentarisehes und unwiderlegliehes Material. Sie finden im Bueh NAZI-FORRER SE-HEN mCH AN die Biographien der Gotter, Ha1bgotter, Provinzgotter, HeIden, Barden undDrahtzieher des Dritten Reiehes. NAZI-FORRER SEHEN mCH AN ist 200 Seiten starkund enthii1t 40 unveroffentIiehte Photos.6

In der Tat war die Kampfschrift »Nazifuhrer sehen dich an«, die schlieBlich im Januardes Jahres 1934 in einer gebundenen sowie in einer broschierten Ausgabe ausge1iefert

! Nazifilhrer sehen dich an. 33 Biographien aus dem Dritten Reich. Paris 1934, Vorwort, S. 12.2 Der Journalist Bruno Frei war von 1929 bis 1933 als Chefredakteur der Iinkssozialistisehen Tageszei-

tung Berlin am Morgen tatig, in der aueh Franz Carl Weiskopfs affirmative Deutsehland-Bueh-Kritik er-sehien. Vgl. Untersuehungsabsehnitt 3.5.2. (Berlin am Morgen).

3 Der Gegen-Angriff, 2. Jg., Nr. 1 vom 7. Januar 1934, Ausgabe fUr die Tseheehoslowakei. Zitiert wirdhier und im fo1genden nach dem Kraus-Reprint der Originalausgaben 1933-1936, Zentra1antiquariat derDeutsehen Demokratisehen Republik, Leipzig 1982.

4 Der von der Kommunistisehen Intemationalen subventionierte Exi1verlag »Editions du Carrefour« ge-hOrte in den Jahren 1933 bis 1937 zu den wiehtigsten deutsehen Exilverlagen in Frankreieh. In diesemVerlag, der mit dem Braunbuch uber Reichstagsbrand und Hitlerterror (1933) erstmals eine in der Zeit-gesehiehte operierende Streitsehrift antifasehistisehen Charakters prasentierte, kam ab 1. Oktober 1933aueh die Pariser Ausgabe der Zeitsehrift Der Gegen-Angriffheraus. Vgl. Lexikon sozialistischer Litera-tur. Ihre Geschichte in Deutschland bis 1945. Herausgegeben von Simone Barek, Silvia Sehlenstedt,Tanja Biirge1 u. a. Stuttgart 1994, S. 124-126.

5 Vgl. die Werbeanzeige der »Editions du Carrefour«, die im Gegen-Angri.ff(1. Jg., Nr. 19) ersehien. Dortheillt es unter anderem: »Dieses Bueh gibt die Biographien der wiehtigsten FUhrer der Nationalsoziali-stisehen Arbeiterpartei Deutsehlands. Es ist von einem Sehriftsteller gesehrieben, der iiber eine profundeSaehkenntnis verfiigt, und der uns das Leben der GOtter, der Ha1bgotter und Provinzgotter des ,DrittenReiehes' zeiehnet, der die Barden des ,Dritten Reiehes' mit der iitzenden Lauge seines Spottes iiber-giesst, der zum Sehluss alle Figuren vor uns aufinarsehieren Hillt, die an den Driihten des ,Dritten Rei-ehes' ziehen. Das Bueh stiitzt sieh auf Dokumente. FUr jede Besehuldigung, die gegen die FUhrer des,Dritten Reiches' erhoben wird, existiert ein Dokument.«

6 Der Gegen-Angriff, 1. Jg., Nr. 23 vom 24. Dezember 1933, Ausgabe fUr die Tseheehos1owakei.

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wurde, in erster Linie eine durchdachte Kontrafaktur1 jenes antisemitischen Machwerks»Juden sehen Dich an«2, das von Johann von Leers, einem nationalsozialistischen Viel-schreiber3

, auf einen einschlagig florierenden Markt geworfen worden war. Die Gegen-propaganda der deutschen Exilanten hatte mithin nicht lange auf sich warten lassen.

Indes hatte man in den Redaktionsraumen des Gegen-Angriffs bereits im Oktober 1933eine groBangelegte »Enthullungskampagne« gegen das nationalsozialistische Gewaltre-gime gestartet, die mit Hilfe von Wort und Bild die Wahrheit uber Hitlerdeutschlandans Licht bringen sollte. Am 15. Oktober des Jahres 1933 erschien der Gegen-Angriffbeispielsweise mit der alarmierenden Schlagzeile: »Hitlers Flieger-Bomben. Hier sinddie Beweise!« Der dazugehorige Aufmacher4 bezog sich dabei im wesentlichen auf einDokument, das nach Ansicht der Mitarbeiter des Gegen-Angriffs die heimliche Aufiii-stung Nazi-Deutschlands belegte.5 Die nachstfolgende Ausgabe der Wochenzeitschrifttitelte kurz darauf mit der Feststellung: »Reichswehr bestellt Giftgasgranaten!«6 Auchin diesem Fall wurde den Lesem der Zeitschrift, die eine wochentliche Auflage von ca.12 000 Exemplaren erreichte, ein reproduziertes Dokument prasentiert, das »die heimli-chen Rustungen Hitlers« an den Tag brachte. Mitte Dezember des Jahres 1933 gingendie Redakteure und Mitarbeiter des Gegen-Angriffs jedoch dam uber, die Demontagegegnerischer Demagogie und Ideologie auf andere Weise zu betreiben. So sollten nun-mehr vor allem die zahlreichen »Gangster- Typen« charakterisiert werden, die im natio-nalsozialistischen Deutschland ihr Unwesen trieben:

1 Vgl. in diesem Zusammenhang die Werbeanzeige der »Editions du Carrefour«, die am 3. Miirz 1934 inder West-Ausgabe des Gegen-Angriffs (2. Jg., Nr. 9) erschien. So wurde eine Abbildung des markantenUmschlagmotivs der Feindbildfibel Juden sehen Dich an wie folgt kommentiert: »Eine Hetzschrift, diezum Mord an Albert Einstein und dreillig anderen deutschen Intellektuellen hetzte.« Daneben plazierteman eine Reproduktion des Umschlagmotivs der Exilschrift Nazifiihrer sehen dich an. Der Kommentardazu lautete: »Unsere Antwort. Eine Abrechnung mit den nationalsozialistischen FUhrern und Hinter-mannem. Ernst, treffend und fur die Mordhetzer vernichtend.«

2 Die deutsche Exilpresse widmete der Hetzschrift Juden sehen Dich an yon Anfang an einige Aufmerk-samkeit. So erschien bereits in einer der ersten Ausgaben des Gegen-Angriffs (1. Jg., Nr. 6) eine kurzeMeldung, die auf das Erscheinen des antisemitischen Bildwerks aufmerksam machte: », Tiere sehen dichan!' war der Titel eines Bilderbuches. In Anlehnung an diesen Titel hat der FUhrer der nationalsozialisti-schen Studentenschaft, Johann yon Leers, ein personlicher Freund des Ministers Gobbels [sic], ein derBoykott- undMordhetze dienendes Werk - ,Juden sehen dich an!' - geschrieben und in einem natio-nalsozialistischen Verlag herausgegeben.«

3 Die Liste der Bucher und Broschfiren, die yon Johalm yon Leers unmittelbar nach der MachtfibernalnneHitlers veroffentlicht wurden, ist lang. So erschienen seinerzeit beispielsweise die Bande ReichskanzlerAdolf Hitler (1933) undKurzgefaftte Geschichte des Nationalsozialismus (1933), zu nennen sind weiter-hin die SchriftenDeutschlands Stellung in der Welt (1933) und Werke am Neubau Deutschlands (1933).Die antisemitischen Pamphlete Forderung der Stunde: Juden raus! und 14 Jahre Judenrepublik wurdenyon Johalm yon Leers ebenfalls im Jahr der nationalsozialistischen Machtfibernalnne verfaBt und umge-hend an den Mann gebracht.

4 Vgl. Der Gegen-AngrifJ, 1. Jg., Nr. 13 yom 15. Oktober 1933, Titelseite. So wurde unter anderem be-richtet: »Hitler und die deutsche Regierung leugnen, dass sie aufiiisten. Sie haben behauptet, nur die Ab-rfistung der anderen zu verlangen. Sie liigen! Mit dem nebenstehenden Dokument erbringen wir den ab-solut unwiderleglichen Beweis, dass Deutschland aufiiistet, dass es verbotene Waffen herstellt.«

5 Mit Bezug auf eine Rechnung der »Berlin-Karlsruher Industriewerke«, die an das »Heereswaffenamt«(Abteilung Priifwesen) adressiert war, hielt man im Gegen-Angriff fest: »Dies ist der Sinn des Doku-mentes, das wir hier reproduzieren: das Berliner Reichswehrministerium bereitet den Giftgastod fur dieZivilbevolkerung seines kiinftigen Gegners vor.«

6 Der Gegen-AngrifJ, 1. Jg., Nr. 14 yom 22. Oktober 1933. Vgl. auch Dokument Nr. 36 im Anhang.

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In den nachsten Tagen erscheint im Verlag Editions du Carrefour ein sensationelles Buchunter dem Tite1 "Nazifiihrer sehen Dich an". Es enthalt in komprimierter Form das vernich-tendste Material iiber die FUhrer des deutschen Nationa1sozialismus. Die Welt wird stau-nen, welche Gangster-Typen heute das Deutsche Reich beherrschen. Wir sind heute in derLage, aus dem reich illustrierten Buch einen Abschnitt zu veroffentlichen.1

Der erste Vorabdruck aus der antifaschistischen AufkHirungsschrift »Nazifuhrer sehendich an«2, der in der deutschen Emigrantenzeitschrift3 Der Gegen-AngrifJveroffentlichtwurde, informierte die Leser des Periodikums iiber den wechselvollen politischen Wer-degang von Wilhelm Kube, seinerzeit Fraktionsvorsitzender der NationalsozialistischenDeutschen Arbeiterpartei im preuBischen Landtag. So wurde Kube, der vor seinem Ein-trirt in die NSDAP nachweislich alle »vaterHindischen Parteien und Parteisekten absol-viert«4 harte, vor aHem mit Hilfe von kompromirtierenden Dokumenten und Zitaten5 alshemmungslos deutschtiime1nder Phantast und ruckgratloser Opportunist gebrandmarkt.Mit Fritz Thyssen, dem altesten Sohn des bekannten Firmengrunders August Thyssen,wurde im Rahmen eines weiteren Vorabdrucks aus der illustrierten Kampfschrift »Na-zifuhrer sehen dich an« durchaus ahnlich verfahren. Freilich wurde Thyssen, der alseiner der gewichtigsten industriellen Fiirsprecher der NSDAP den ebenso erfolgreichenwie folgenreichen Auftritt Adolf Hitlers vor dem Diisseldorfer Industrieklub im Januar1932 arrangiert hatte, in erster Linie als gewissenloser »Drahtzieher« und profitgieriger»NutznieBer« des nationalsozialistischen Gewaltregimes portratiert, dessen industriellesRevier »nicht mehr allein aus Hambom und Miihlheim« bestehe, sondem sich nunmehriiber »das ganze Dritte Reich«6 erstrecke.

1 Der Gegen-Angriff, Ausgabe fur die Tschechos10wakei, 1. Jg., Nr. 21 yom 10. Dezember 1933.2 Die antifaschistische Kampfschrift NazifUhrer sehen dich an zahlte zu den sogenannten »Biichern iiber

Hitlerdeutschland«, die der Exilverlag »Editions du Carrefour« seit 1933 herausbrachte. Diese Bande,die die »Wahrheit iiber Hitlerdeutschland« verbreiten sollten, erschienen unter anderem in franzosischer,englischer und hollandischer Ausgabe. Zu den antifaschistischen Aufklarungsschriften, die Anfang 1934yon »Editions du Carrefour« ausgeliefert wurden, gehOrten unter anderem Walter SchOnstedts Auf derFlucht erschossen und Braunbuch II: Dimi trojJ contra Goring.

31m Abschnitt »Die deutsche Emigration des Jahres 1933 und ihre Presse« des nationa1sozialistisch inspi-rierten Handbuchs der Zeitungswissenschaft (hrsg. yon Walther Heide, a.a.O., Spalten 897-901) wurdedie deutsche Emigrantenpresse unter anderem wie fo1gt beurteilt: »Auf ihre sozio10gische und we1tan-schauliche Struktur hin untersucht, vereint die deutsche Emigration des Jahres 1933 Menschen aus allendem Nationalsozialismus feindlich gegeniiberstehenden Parteien und Organisationen. [...] DaB dabei dasJudentum in allen emigrierten Gruppen den Ton angibt und zahlell111iiBigden hOchsten Prozentsatz stellt,versteht sich aus der rassischen Grundeinstellung des Nationalsozialismus yon se1bst. [...] Gefeiert a1s,Miirtyrer', moralisch und finanziell unterstiitzt durch gesinnungsverwandte Aus1andskreise, versuchtendie Emigranten groB ange1egte Pressefeldziige gegen das nationalsozialistische Deutschland zu inszenie-ren, urn so eine allgemeine Vergiftung der politischen Atmosphare zu erreichen. Mit Hilfe ihrer Presse,deren Aufbau schnell erfolgen konnte, da ja Presse-Leute und Literaten den Kern der Emigration bilde-ten, wurde zurn politischen und schlieBlich militarischen Kampf gegen Deutschland geschiirt. [...] In-haltlich sind die verschiedenen Emigranten-Zeitungen bzw. Emigranten-Zeitschriften lediglich in derGegnerschaft zurn Nationalsozialismus einig. 1m iibrigen spiegeln sie die Uneinheitlichkeit der demo-kratischen Welt wider.«

4 Vgl. Wilhelm Kube. In: Der Gegen-Angriff, Ausgabe fur die Tschechoslowakei, 1. Jg., Nr. 21 yom 10.Dezember 1933.

5 Vgl. ebd. So wurde unter anderem aus einem Leitartikel Wilhelm Kubes zitiert: »Der Deutsche war im-mer der beste Organisator der Welt, weil der Germane in seinem ganzen Wesen yon allen Volkern derErde den Gesetzen der gottlichen Harmonie am nachsten kommt.«

6 Vgl. Der Junge Thyssen. In: Der Gegen-AngrifJ, Prager Ausgabe, 2. Jg., Nr. 5 yom 4. Februar 1934.

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Aus den Vorabdrucken aus der neuen »Fibel aller Antifaschisten«l, die in loser Folge inder Zeitschrift Der Gegen-Angriff veroffentlicht wurden, ging klar hervor, daB es sichbei der aufwendig angektindigten Schrift2 »Nazifiihrer sehen dich an«, die vom Verlag»Editions du CarrefoUf« als Fortsetzung des ungemein erfolgreichen »Braunbuchs iiberReichstagsbrand und Hitlerterror«3 bezeichnet wurde, urn einen neuartigen, gleichsamvon der »deutschen Emigrationsliteratur geschaffenen Buchtypus« 4 handelte, mit dessenHilfe insbesondere das gewissenlose Agieren der fuhrenden Kopfe des Hitler-Regimesvor den Augen der Welt angeprangert werden sollte. So wurde nicht zuletzt im Rahmenvon plakativen Werbeanzeigen5 darauf hingewiesen, daB die neue Streitschrift aus derPariser Werkstatt von Willi Miinzenberg in erster Linie dazu beitrage, »Hitlers sozialenBetrug«, »Gorings Wahnsinn« und »Goebbels' Pogromhetze«6 aufzudecken. Dariiberhinaus sollten rund 40 Fotografien die »wahren Gesichter« der prominentesten Nazifiih-rer prasentieren. Der entsprechende Kommentar aus einer der zahlreichen Werbeanzei-gen des Exilverlags »Editions du CarrefoUf« lautete: »Sie sind ohne Verzerrung gewahltund deshalb urn so iiberzeugender.« 7

Als die Schrift »Nazifiihrer sehen dich an« schlieBlich Ende Januar 1934 erschien, warnamentlich dem Vorwort des Pamphlets zu entnehmen, welche Form der literarischenAuseinandersetzung im Kampf gegen den Nationalsozialismus und seine prominentenExponenten den Vorzug erhalten hatte. So fungierte die Kampfschrift vor allem als anti-faschistische Dokumentation in Wort und Bild:

Wer sind nun die Manner, die zwischen den gehaltenen und den gebrochenen Versprechenhindurch das Schiff des Dritten Reiches lenken? Sind es die, deren Namen die Welt kennt:Hitler, Goring, Goebbels, Rohm, Frick? Oder stehen hinter ihnen andere, stiirkere Machte,dieselben, die hinter der Szene schon im Kaiserreich und in der Weimarer Zeit das Gesche-hen in Deutschland bestimmt haben? Das Buch giN auf diese Frage Antwort. Den Autorendieses Buches wurde eine Bedingung gestellt: ihre Phantasie zu ziigeln. AIs sie das Material

1 Vgl. hierzu die Werbeanzeige: »Ein Dokument der Hitlerschmach: Nazi-FUhrer sehen Dich an.« In: DerGegen-AngrifJ, Prager Ausgabe, 2. Jg., Nr. 4 vom 28. Januar 1934.

2 Eine grofiangelegte Werbekampagne sollte von Anfang an den Absatz des »Nachschlagewerks fUr jedenAntifaschisten« fordem. So warb »Editions du Carrefour« etwa im Gegen-AngrifJvom 28. Januar 1934fUr die illustrierte Kampfschrift: »Kennen Sie den Werdegang Hitlers? Kennen Sie das Leben Gorings?Kennen Sie die Geschichte Rohms, der tiber ein Massenheer von SA-Leuten gebietet? Kennen Sie denLebenslauf von Goebbels? Wissen Sie, wieviel Verbrechen Streicher auf dem Gewissen hat? KennenSie die Machte, die in Hitlerdeutschland wirklich gebieten? AIle diese und andere wichtige Fragen tiberdie FUhrer Hitlerdeutschlands beantwortet das Buch Nazi-Fuhrer sehen dich an.«

3 Das Braunbuch uber Reichstagsbrand und Hitlerterror (Erscheinungsdatum: 1. August 1933) wurde in33 Sprachen tibersetzt und erreichte bereits 1935 eine Auflage von ca. 600 000 Exemplaren.

4 Franz Carl Weiskopf: Hier spricht die deutsche Literatur! Zweijahresbilanz der "Verbrannten" [1935].In: Heinz Ludwig Arnold: Deutsche Literatur im ExiI1933-1945. Dokumente und Materialien. Band 1.Frankfurt am Main 1974, S. 82-86, hier: S. 83. Weiskopfs Aufsatz erschien erstmals in der ZeitschriftDer Gegen-AngrifJ(Nr. 19, 1935). Weiskopf hatte den Artikel aus Anlafi des Jahrestages der faschisti-schen Bticherverbrennung (10. Mai 1935) verfafit.

5 1m Rahmen dieser Werbekampagne brachte auch die exilierte Arbeiter-Illustrierte Zeitung (Nr. 9, 1934)unter der Uberschrift Nazifiihrer sehen dich an! einen kurzen Bildbericht tiber die NationalsozialistenRobert Ley, Horst Wessel und Hans Frank.

6 Vgl. Der Gegen-AngrifJ, West-Ausgabe, 2. Jg., Nr. 8 vom 24. Februar 1934.7 Nazifiihrer sehen Dich an [Werbeanzeige]. In: Der Gegen-Angriff, Prager Ausgabe, 2. Jg., Nr. 5 vom 4.

Februar 1934.

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verarbeiteten, das in diesem Buch enthalten ist, erkannten sie, wie richtig diese Bedingungletztlich war. Wie klaglich ist die stiirkste Phantasie gegentiber den Tatsachen des DrittenReiches!Der Plan, dieses Buch herauszugeben, entstand, als das erste Exemplar eines neudeutschenKunstproduktes tiber die Grenze gelangte: der Schmiihschrift "Juden sehen dich an". Dasvorliegende Buch sollte eine Antwort auf "Juden sehen dich an" werden. In der Arbeit ist esgewachsen. Es ist ein Brevier des Dritten Reiches geworden. In 33 Biographien. Das Buchberichtet nicht tiber die Greuel in Deutschland, nicht yom Reichstagsbrand, das ist in denBraunbUchern bereits geschehen. Hier handelt es sich darum, zu zeigen: die Manner amRuder und ihre Antreiber. Sie sind geschildert nach dokumentarischem Material. Es magunglaubhaft scheinen, dass unter den Fiihrern des Dritten Reiches so viele kriminelle Ver-brecher, Psychopathen, Morphinisten zu finden sind Wir belegen diese Erscheinung mitDokumenten. - In diesem Buch ist nichts verschwiegen und nichts hinzugesetzt.]

DaB es sich bei dem antifaschistischen Bilderbuch »NazifUhrer sehen dich an«, das auswohliiberlegten GrUnden ohne Nennung der Autorennamen erschien2

, letztlich doch inerster Linie urn eine unmittelbare Antwort auf die Hetzschrift »Juden sehen Dich an«3handelte, wurde vor aHem anhand der einzelnen Abschnitte der Exilschrift4 deutlich, indenen der politische Gegner - streng nach dem Muster der antisemitischen Feindbildfi-bel - ebenfalls agitatorisch wirksam in verschiedene Kategorien eingeordnet wurde. Soprasentierte der Abschnitt »Die Gotter« unter anderem die entlarvenden Portrats derNazifUhrer Adolf Hitler, Ernst Rohm, Hermann Goring und Joseph Goebbels, wahrendim Kapite1 »Die Halbgotter« die besonders privilegierten Hitler-Gefolgsmanner RudolfHess, Wilhelm Frick, Alfred Rosenberg, Robert Ley und Heinrich Himmler an den Pran-ger gesteHt wurden. Das Kapitel »Die Provinzgotter« befaBte sich sodann mit national-sozialistischen Lokalberuhmtheiten wie Julius Streicher, Hermann Esser und GottfriedFeder. 1m Abschnitt »Die Heroen« wurde schlieBlich der zweifelhafte Werdegang derfriih verstorbenen ,HeIden' der nationalsozialistischen Bewegung nachgezeichnet: HorstWessel und Albert Leo Schlageter.

Mit den Kapiteln »Betrogene Betruger« und »Die Drahtzieher« schloB der Band »Nazi-fUhrer sehen dich an«, der in der Wochenzeitschrift Der Gegen-Angrif.fwiederholt alseines der wichtigsten »Nachschlagewerke fUr Antifaschisten« angepriesen wurde, ab.Zur ersten Kategorie zahlten Paul yon Hindenburg und Franz yon Papen. Die zweiteKategorie war Fritz Thyssen und Hjalmar Schacht vorbehalten.

] Nazifiihrer sehen dich an. 33 Biographien aus dem Dritten Reich. Paris 1934, S. 12.21m Vorwort der Schrift Nazifiihrer sehen dich an ist yon einem verantwortlichen Autorenkollektiv die

Rede. Babette Gross, die Lebensgefahrtin yon Willi Miinzenberg, nennt indes den Schriftsteller WalterMehring als Verfasser des Buches. Vgl. Babette Gross: Willi Miinzenberg. Eine politische Biographie.Leipzig 1991, S. 405. Ernst Loewy sieht falschlicherweise in Willi Miinzenberg den Verfasser yon Na-zifiihrer sehen dich an. Vgl. Ernst Loewy (Hrsg.): Literarische und politische Texte aus dem deutschenExil1933-1945. Stuttgart 1979, S. 1264.

3 In der Exilzeitschrift Der Gegen-Angriif erschien am 14. Januar 1934 der kurze Artikel Der gefiihlvolleLeers, in dem Johann yon Leers' antisemitische Schmiihschrift Juden sehen Dich an ironischerweise als»das beste Kampfbuch des Jahres gegen den Antisemitismus« bezeichnet wurde.

4 Nach einer Meldung des Verlags »Editions du Carrefour«, die am 17. Februar 1934 im Gegen-AngrifJerschien, wurden in den ersten drei Wochen nach dem Erscheinen yon Nazifiihrer sehen dich an 5600Exemplare der antifaschistischen Kampfschrift ausgeliefert.

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Die Entlarvung und BloBstellung der nationalsozialistischen Gegner wurde im Rahmender antifaschistischen Kampfschrift »Nazifiihrer sehen dich an« in erster Linie mit Hilfedes operativ eingesetzten Zitats bewirkt.1 So wurden den Biographien und Portrats inden meisten Fallen mehr oder weniger umfangreiche Zitatblocke2 vorangestellt, in de-nen sich in komprimierter Form die Personlichkeitsbilder der jeweils unter die Lupegenommenen Anhanger der nationalsozialistischen Bewegung widerspiegelten. In denLebensbeschreibungen selbst wurden gleichermaBen immer wieder entlarvende bezie-hungsweise kompromittierende Zitate gegen die Verfechter der nationalsozialistischenIdeologie ins Feld gefuhrt. In diesem Zusammenhang zitierte man beispielsweise ausErnst Rohms »Die Geschichte eines Hochverraters«3: »Europa, die ganze Welt mag inFlammen versinken; was kiimmert es uns? Deutschland muB leben und frei sein.«4 DerPropagandaminister5 Joseph Goebbels wiederum konnte unter anderem mit seiner eige-nen Waffe - dem NS-Kampfblatt Der Angriff - geschlagen werden. So wurde der Zei-tung, die 1927 yon Goebbels ins Leben gerufen worden war, anhand yon einschlagigenZitaten »ein Stilgemisch yon falschem Expressionismus und ziigelloser Pobelei« nach-gewiesen. Zudem machte man wiederholt darauf aufmerksam, daB der NS-LeitartiklerGoebbels »vom falschen Fremdwort bis zum falschen Rowdyjargon« kaum eine Pein-lichkeit auslasse. Als Beispiel diente das Goebbels-Zitat: »Die Dominante der StraBe istdie Anwartschaft auf den Staat. «6

Eine weitere Waffe im Kampf gegen den nationalsozialistischen Feind war schlieBlichauch die Fotografie, die in der Exilschrift »Nazifiihrer sehen dich an« indes nur in we-nigen Fallen jene satirisch-agitatorische Wirkung erzielte, fur die Kurt Tucholsky sichbereits seit 1912 immer wieder eingesetzt hatte.7 So erhielt etwa eine Momentaufuahmeaus dem Privatleben Hermann Gorings die lakonische Bildunterschrift: »GOring als Zi-vilist verkleidet.«8 Zu nennen ware zudem die fotografische Gegeniiberstellung »Wil-helm und seine Generale - Die Generale und ihr Hitler«.9

1 Diese Methode wurde vor allem yon Karl Kraus meisterhaft beherrscht und kultiviert, der haufig Zitatezum AnlaB fiir Glossen und gesellschaftskritische Bemerkungen nahm, die er zu hunderten in der Zeit-schrift Die Fackel veroffentlichte. Vgl. Kurt Krolop: Sprachsatire als Zeitsatire bei Karl Kraus. Berlin1992.

2 In einigen Fallen kamen auch kontrastierende Zitate zum Einsatz. So wurde etwa aus einer Presseerkla-rung Adolf Hitlers yom 14. Oktober 1933 zitiert: »Ich fasse es als Zeichen eines edlen Gerechtigkeits-sinnes auf, daB der franzosische Ministerprasident Daladier in seiner letzten Rede Worte des Geisteseines versohnlichen Verstehens gefunden hat, fiir die ilnn unziihlige Millionen Deutsche ehrlich dankbarsind.« - Das zweite Zitat, das aus Hitlers Bekenntnisschrift Mein Kampf(Ausgabe 1933) entnommenworden war, lautete: »Der unerbittliche Todfeind des deutschen Volkes ist und bleibt Frankreich.« Vgl.Nazifllhrer sehen dich an, a.a.O., S. 17.

3 Ernst Rohm: Die Geschichte eines Hochverrtiters. Miinchen 1928.4 Nazifllhrer sehen dich an, a.a.O., S. 37.5 Mit Bezug auf das agitatorische und propagandistische Taktieren des Nationalsozialisten Joseph Goeb-

bels hieB es in der Schrift Nazifilhrer sehen dich an (a.a.O., S. 66): »Dnd deutlich sichtbar wird dann daswahre Gesicht des Nationalsozialismus. Seine Mutter ist der soziale und nationale Betrug, sein Vater derTerror, sein Kind der Krieg. Dnd sein Propagandaminister ist der Doktor Goebbels.«

6 Nazifllhrer sehen dich an, a.aQ., S. 61.7 Kurt Tucholsky: Mehr Fotografien! In: Vorwtirts, 29. Jg., Nr. 48 yom 28. Juni 1912, S. 1 (GW, Bd. 1, S.

47).8 Nazifllhrer sehen dich an, a.a.O., S. 49.9 Ebd., S. 32-33.

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AbschlieBend HiBtsich festhalten, daB das Pamphlet »Nazifuhrer sehen dich an« in derdeutschen Exilzeitschrift Der Gegen-Angriff aus guten GrUnden iiberaus positiv bespro-chen wurde. So hieB es im Rahmen einer Rezension, die am 17. Februar 1934 in dempublizistischen Gegenstiickl zum nationalsozialistischen Angriff erschien:

Das Braunbuch hat die Taten unter Anklage gestellt, dieses Buch stellt die Tater unter An-klage. War dort die Rede yon den Provokationen, so hier yon den Provokateuren. Sprachman dort yon den Morden, so hier yon den Mordem. So ist dieses Buch im wahrsten Sinnedes Wortes eine Fortsetzung, eine unentbehrliche Erganzung der welterschiittemden Ankla-ge des Braunbuches. Der Einleitung ist zu entnehmen, dass das Buch als eine Antwort aufdie Schmahschrift "Juden sehen dich an" gedacht war. Aber es ist tiber diesen Rahmen weithinausgewachsen und zu einer Generalabrechnung mit den Mannem des braunen Regimesgeworden.33 Biographien der fiihrenden Manner Hitler-Deutschlands. Die Welt erfahrt, mit welcherVerbrecherbande sie es zu tun hat, welche Gangstertypen sich die deutsche Bourgeoisie als,,Retter gegen den Bolschewismus" geholt hat. Ein ungeheuerliches Material ist hier, um-gegossen in die Kunstform des Portraits, zusammengetragen. Die einzelnen "HeIden" ste-hen da, lebendig gezeichnet durch ihre eigenen Taten und ihre eigenen Worte. Der grosseVorzug dieser Darstellung liegt in ihrer Komprimierung. Sie ermoglicht wirkliche Portraits,Bilder yon lebenden Menschen erstehen zu lassen, die ohne Verzerrung, durch ihre ge-drangte Wucht, wirken. Als Begleitmusik klingt dazu eine beissende Ironie durch, die tOd-lich wirkt.Das Buch bringt ausser einer Fillie yon photographischen Illustrationen der Portraits einigeDokumente yon besonderem Interesse. "Nazi-FUhrer sehen dich an" ist eines der wichtig-sten Bucher, die gegen Hitler-Deutschland erschienen sind2

»Nazifuhrer sehen dich an« zahlte allerdings auch zu den Bildwerken, die ohne Paul Eip-pers Bilderbuch »Tiere sehen dich an« und ohne Heartfields gleichnamige Fotomontagein ihrer spezifischen Form vermutlich nie erschienen waren. Gleiches gilt natiirlich furden Bildband »Juden sehen Dich an«. Indessen: Der iiberaus pragnante Titel einer be-merkenswerten Sammlung yon Tierskizzen reizte yon Anfang an zur Nachahmung undVariation. Und zwar auf den verschiedensten Gebieten. Von »Automobile sehen dichan«3 bis »Opfer sehen dich an« 4 reicht mithin die wechselvolle Geschichte eines ebensogenialen wie unseligen Slogans, der mitunter auf gefahrliche Abwege geriet.

1 Zu den publizistischen Gegensmcken des nationalsozialistischenAngriffs gehOrte weiterhin das soziali-stische Periodikum Alarm (»Kampfblatt gegen Volksbetrug und Volksverhetzung«), dessen erste Aus-gabe im November des Jahres 1929 erschien.

2 K. L.: " Nazi-Fuhrer sehen dich anI". In: Der Gegen-AngrifJ, Prager Ausgabe, 2. Jg., Nr. 7 yom 17. Fe-bruar 1934.

3 So lautete der Titel eines Berichtes tiber eine Automobilausstellung, den Alfred Polgar am 17. Novem-ber 1928 in der Wochenschrift Das Tage-Buch veroffentlichte. Vgl. zur Bandbreite der Variationen desTitels Frank Flechtmann: Erst Spiel, dann blutiger Ernst: ein Satz von Tucholsky? In: Tucholsky-Bltitter,8. Jg., Heft 19, (Dezember 1997), S. 27-29. So berichtet Flechtmann unter anderem tiber die Variationen»Menschen sehen dich an« (Ufa-Tonfilm, 1930), »Bankiers sehen dich an« (Artikel tiber Wirtschaftspo-litik, 1931) und »Tierstars sehen dich an« (Bericht tiber den Einsatz yon Tieren im Kinofilm, 1931).

4 Dies der Titel eines Flugblatts der US-Armee, das im Jahre 1944 ZUlli Einsatz gelangte. Dieses Flug-blatt, das yon Klaus Mann fUr die »Psychological Warfare« entworfen worden war, zeigte einenjungendeutschen Soldaten mit erhobenen Handen und sollte mithin zur Desertion aufrufen. Vgl. Flechtmann,Erst Spiel, dann blutiger Ernst, a.a.a., S. 29.

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Dokument 1

Aus: Deutschland, Deutschland über alles. Ein Bilderbuch von Kurt Tucholsky

und vielen Fotografen. Montiert von John Heartfield.

Berlin 1929

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Dokument 27

Freie Welt, 2. Jahrgang, Heft 29

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Dokument 28

Aus: Der blutige Ernst, 1. Jahrgang, Nr. 3

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Dokument 29

Aus: Die Pleite, 1. Jahrgang, Nr. 5 vom 15. Dezember 1919

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Dokument 30

Aus: Die Pleite, 1. Jahrgang, Nr. 6, Januar 1920

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Dokument 31

„Vampire der Menschheit“ In: George Grosz: Das Gesicht der herrschenden Klasse.

Dritte erweiterte Ausgabe. Berlin 1921

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Dokument 34

Aus: Die freie Welt, 1. Jahrgang, Heft 7