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Kurz- und Langzeitfolgen der Sectio aus neonatologischer Sicht; Short-term and long-term effects of cesarean delivery: focus on the neonate;

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Page 1: Kurz- und Langzeitfolgen der Sectio aus neonatologischer Sicht; Short-term and long-term effects of cesarean delivery: focus on the neonate;

Gynäkologe 2013 · 46:735–738DOI 10.1007/s00129-013-3183-1Online publiziert: 28. August 2013© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2013

A. BergerAbt. für Neonatologie, Pädiatrische Intensivmedizin und Neuropädiatrie, 

Universitätsklinik für Kinder- und Jugendheilkunde, Wien, Österreich

Kurz- und Langzeitfolgen der Sectio aus neonatologischer Sicht

Sectioraten steigen in vielen Ländern weltweit mit zuletzt Werten um 30% in Österreich, was nahzu einer Ver-doppelung über die letzten 15 Jahre entspricht. Historisch hat die Einfüh-rung der Kaiserschnittentbindung zu einer signifikanten Reduktion der geburtsassoziierten kindlichen und mütterlichen Mortalität und Morbi-dität geführt. Es gibt klare Indikatio-nen zur Kaiserschnittentbindung aus kindlicher Indikation, unter ande-rem geburtsunmögliche Lage, Schä-del-Becken-Missverhältnis, fehlender Geburtsfortschritt, spezielle fetale Anomalien wie Neuralrohrdefekte, gewisse mütterliche Infektionen und höhergradige Mehrlinge. Weniger eindeutig ist der Benefit bei ande-ren Sectioindikationen wie Zwillings-geburt oder Resectio bis hin zur elek-tiven Kaiserschnittentbindung ohne Risiko am Termin, eine Indikation, die in den letzten Jahren deutlich zuge-nommen hat [4, 17]. Kaiserschnittent-bindungen auf mütterlichen Wunsch machen geschätzte 2,5% aller Gebur-ten in den USA aus [1].

Erhöhte respiratorische Morbidität nach elektiver Sectio am Termin

Es steht außer Zweifel, dass Neugeborene nach elektiver Kaiserschnittentbindung am Termin ein erhöhtes Risiko für re­spiratorische Morbidität inklusive Respi­ratory­Distress­Syndrom (RDS), transi­torische Tachypnoe des Neugeborenen (TTN) und persistierende pulmonale

Hypertension des Neugeborenen (PPHN) sowie Pneumothorax aufweisen [7, 9, 25, 28]. Obwohl diese respiratorischen Prob­leme in der Regel mild und selbstlimitie­rend verlaufen, müssen doch viele dieser Kinder zumindest kurzzeitig an eine neo­natologische Intensivstation aufgenom­men werden, und mitunter ergeben sich auch schwere Verläufe bis hin zur ECMO­Therapie (extrakorporale Membranoxy­genierung; [14]).

Elektive Sectio ohne medizinische Indikation bei Reifgeborenen nicht vor SSW 39+0

Obwohl eine Entbindung ab der Schwan­gerschaftswoche (SSW) 37+0 definitions­gemäß als Normalgeburt (im Unterschied zu Frühgeburt) gilt, haben sich die Emp­fehlungen zur elektiven Kaiserschnittent­bindung für reifgeborene Kinder in den letzten Jahren deutlich geändert. Wir wis­sen heute, dass eine elektive Sectio vor der abgeschlossenen 39. SSW (also vor SSW 39+0) zu einer signifikanten neo­natalen Morbidität im Sinne einer erhöh­ten Rate an Intensivaufenthalten für das Neugeborene führt [7, 25]. So zeigte die Studie von Tita et al. [25] an einem Low­Risk­Patientengut von über 24.000 elekti­ven Resectiones, dass die neonatale Mor­bidität zwischen SSW 37 und 39 mit jeder steigenden Schwangerschaftswoche signi­fikant sinkt. Auch bei spontan entbunde­nen Kindern ist heute bewiesen, dass Reif­geborene in SSW 37 und sogar 38 eine sig­nifikant höhere Mortalität haben als Reif­geborene der SSW 39 und 40 [6, 29].

Ebenso wurde in der Studie von De Luca et al. [7] an mehr als 56.000 Frauen mit Geburt in SSW 34–42 gezeigt, dass Mortalität und Morbidität einen strengen gestationsalterbezogenen Trend mit den niedrigsten Raten zwischen SSW 38 und 40 zeigten und dass die respiratorische Morbidität sowie Notwendigkeit der Auf­nahme auf eine neonatologische Intensiv­station bei geplanter Sectio signifikant er­höht war im Vergleich zu vaginaler Ge­burt. Somit ist eine geplante, elektive Kai­serschnittentbindung ohne medizinische Indikation aus neonatologischer Sicht vor SSW 39+0 unsachgemäß, wie auch vom American College of Obstetricians and Gynecologists empfohlen [1].

Kaiserschnitt und Stillen

Nach Kaiserschnittentbindung wurde ein erhöhtes Risiko für Stillprobleme berich­tet, speziell am ersten Lebenstag [8, 9, 13, 21, 26]. Ursächlich wird die verzögerte Mutter­Kind­Interaktion nach Kaiser­schnittentbindung durch räumliche Tren­nung, speziell bei Notwendigkeit der Auf­nahme des Neugeborenen an die Neo­natologie, genannt. Die Langzeitauswir­kungen auf das Stillverhalten sind we­niger gut untersucht, legen aber nahe, dass die verzögerte Etablierung des Stil­lens nach Kaiserschnitt keine negativen Auswirkungen auf die Stillhäufigkeit und ­dauer nach Entlassung nach sich zie­hen dürfte. So wurde in einer dänischen Arbeit zwar gefunden, dass Kinder nach Kaiserschnittentbindung später zu saugen begannen, häufiger in den ersten 4 Tagen Formula bekamen und weniger in der

Leitthema

RedaktionP. Husslein, Wien

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Nacht gestillt wurden, dass sich aber kein Effekt auf die Prävalenz des Stillens nach Entlassung zeigte [26]. In ähnlicher Weise wurde in einer Nachuntersuchung von fast 1000 Geburten kein Unterschied in der Rate des Stillens mit 3 Monaten zwi­schen Kaiserschnittentbindung und vagi­naler Geburt gefunden [12]. In jedem Fall unterstützen diese Daten aber die Sinn­haftigkeit der forcierten Unterstützung und speziellen Laktationsanleitung von Müttern in den ersten Tagen nach Sectio.

Vorteil bei extrem unreifen Frühgeborenen

Wenn auch nach wie vor kontrovers dis­kutiert, zeichnet sich doch in der aktuel­len Literatur ein deutlicher Vorteil der Kai­serschnittentbindung bei extrem unreifen Frühgeborenen (FG) ab [2, 11, 15, 16, 19, 27].

Lee u. Gould zeigten eine signifikant reduzierte Mortalität durch Kaiserschnitt­entbindung im Vergleich zu vaginaler Entbindung bei FG bis 1300 g Geburtsge­wicht, unabhängig von mütterlichen me­dizinischen und demographischen Risi­kofaktoren [15]. Die gleichen Autoren fan­den in einer zweiten Arbeit an einem gro­ßen Patientenkollektiv bis SSW 30 eine si­gnifikant erniedrigte Mortalität nach Kai­serschnittentbindung im Vergleich zu vaginaler Entbindung bei hypotrophen (SGA, small­for­gestational­age) FG, also solchen, die mit einem Geburtsgewicht unter der 10. Perzentile geboren wurden, jedoch nicht bei eutrophen (AGA, appro­priate­for­gestational­age) FG [16].

Des Weiteren fand Malloy an einem Kollektiv von über 120.000 Geburten in SSW 22–31 auch nach Korrektur für di­verse mütterliche und kindliche Risiko­faktoren, die eine Indikation für eine Kai­serschnittentbindung darstellen würden, einen statistisch signifikanten Vorteil in Bezug auf die neonatale Mortalität bei Schnittentbindung im Vergleich zu vagi­naler Geburt in SSW 22–25 [19]. In dieser Arbeit wurde diskutiert, dass die Bereit­schaft zu Reanimation an der Grenze der Überlebensfähigkeit, speziell in SSW 22 und 23, nach Sectio höher sein könnte als nach vaginaler Geburt und dass dies die signifikant niedrigere Mortalität nach Sectio erklären könnte. Diesem Argu­ment wurde Rechnung getragen, indem

in einer Subanalyse nur die Kinder unter­sucht wurden, welche am ersten Lebens­tag mechanisch beatmet (und somit aktiv reanimiert) worden waren: Auch in die­ser Untergruppe zeigte sich weiterhin ein statistisch signifikanter Überlebensvorteil extremer Frühgeborener nach Sectio im Vergleich zu vaginaler Geburt [19].

In gleicher Weise konnte an einer schwedischen Kohorte gezeigt wer­den, dass ein proaktives Management an der Grenze der Überlebensfähigkeit in SSW 22–25 inklusive Antenataltransport in ein Level­3­Zentrum sowie großzügi­gem Entschluss zur Kaiserschnittentbin­dung einen signifikanten Vorteil in Bezug auf das Überleben hatte, ohne zu einer Er­höhung der Morbidität der überlebenden FB zu führen [11]. Wilson et al. [27] zeig­ten bei FG <1000 g Geburtsgewicht eine signifikant erhöhte Wahrscheinlichkeit für Überleben mit einem intakten ent­wicklungsneurologischen Outcome bei Sectio im Vergleich zu vaginaler Geburt. In einer aktuellen Arbeit an einem riesi­gen Patientenkollektiv (Geburtskohor­te USA 1990–2004 SSW 24–36) wurde ein Vorteil der Kaiserschnittentbindung in Bezug auf Totgeburt und perinatale Mor­talität inklusive Totgeburt für Frühgebo­rene aller Gestationsaltergruppen gezeigt, mit dem größten Effekt bei den unreifs­ten FG der SSW 24–27 [2]. Für neonata­le Mortalität alleine zeigte sich der Vorteil durch Kaiserschnittentbindung nur für die unreifste Gruppe aus SSW 24–27 [2].

Die Ursache für diese reduzierte neo­natale Mortalität nach Sectio bei extrem unreifen FB, speziell der SSW 22–25, ist unklar. Es wurden Faktoren wie vermin­derter Stress und geringeres Trauma im Vergleich zu Wehen und vaginaler Ge­burt diskutiert, aber deren Gültigkeit nie bewiesen. Schlüssig erscheint in jedem Fall ein klarer Vorteil durch die Möglich­keit der Planung der Geburt und Erstver­sorgung dieser extrem fragilen Patien­tengruppe mit Bereitstellung des besten Teams auf geburtshilflicher und neo­ natologischer Seite für die intrapartale und unmittelbar postpartale Betreuung.

„Late preterm infants“

Während also ein verbessertes Überle­ben durch Sectio im Vergleich zu vagi­

naler Geburt bei extrem unreifen Früh­geborenen ≤SSW 25 sehr wahrscheinlich ist, stellt sich die Situation bei FB höherer Schwangerschaftswochen komplex dar.

»  Analysen zeigen höhere Morbidität und neonatale Mortalität, aber geringere perinatale Mortalität

Einige Arbeiten gehen von einer erhöhten neonatalen Mortalität durch primäre Sec­tio aus [16, 18]: in einer Analyse von mehr als 400.000 Geburten aus SSW 32–36 zeig­te sich nach Korrektur für verschiedens­te Einflussfaktoren eine statistisch signifi­kant erhöhte Mortalität für alle Schwanger­schaftswochen außer Woche 34 bei elekti­ver Sectio im Vergleich zu Spontangeburt [18]. In dieser Arbeit wurde auch eine er­höhte Rate von RDS und die Notwendig­keit der mechanischen Beatmung nach Kaiserschnittentbindung im Vergleich zu Spontangeburt bei FG der SSW 32–36 ge­funden [18]. Lee et al. [16] zeigten eine er­höhte Mortalität nach Kaiserschnittent­bindung für alle eutrophen (AGA) FG der SSW 29–36 sowie für hypotrophe (SGA) FG der SSW 35–36, während hypotrophe FG der SSW 26–30 eine signifikant nied­rigere Mortalität nach Sectio aufwiesen. In der schon oben zitierten Analyse der Ge­burtskohorte USA 1990 bis 2004 fanden Ananth et al. [2], dass die perinatale Mor­talität bei allen FG bis SSW 36 durch Sec­tio vs. Vaginalgeburt signifikant reduziert wurde, wobei diese Mortalitätsreduktion in erster Linie auf eine Reduktion von Tot­geburten zurückzuführen war. Bei alleini­ger Betrachtung der neonatalen Mortalität zeigte sich umgekehrt ein statistisch signi­fikanter Vorteil durch vaginale Entbindung in SSW 28–36 [2].

Mögliche Langzeitaus-wirkungen nach Sectio

Es gibt zunehmend Daten, die auch Lang­zeitauswirkungen nach Sectioentbindung nahelegen.

Drei Metaanalysen wurden zu dem Thema publiziert, wobei sich ein statis­tisch signifikantes, etwa 20% erhöhtes Risiko sowohl für die Entstehung eines kindlichen Asthma bronchiale [3, 24],

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Leitthema

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eines frühkindlichen Diabetes melli­tus Typ 1 [5] und einer allergischen Rhi­nitis [3] zeigte. Kein Zusammenhang wur­de zwischen Sectio und atopischem Ek­zem gefunden [3]. In allen 3 Metaana­lysen wird diskutiert, dass die Zunahme an Kaiserschnittentbindungen in Europa und den USA einen – wenn auch gerin­gen – Einfluss auf die parallel steigende Prävalenz an diesen allergischen Erkran­kungen haben könnte. Allerdings kom­men die Autoren aller 3 Metaanalysen zu dem Schluss, dass – basierend auf den vorliegenden Daten – nur 1–4% aller Fälle von allergischen Erkrankungen mit Kai­serschnittentbindung in Verbindung ge­bracht werden können, sodass die Asso­ziation in jedem Fall schwach ist. In weiter Folge fanden Menezes et al. [20] in einer aktuell publizierten Studie an fast 10.000 brasilianischen Kindern keine Assozia­tion zwischen Kaiserschnittentbindung und „Wheezing“ mit 4, 11 und 15 Jahren.

»  Metaanalysen bestätigen ein erhöhtes Risiko für Asthma, Rhinitis und Diabetes mellitus Typ 1

Bei der Interpretation dieser Daten muss berücksichtigt werden, dass alle Berichte zwar eine Assoziation aufzeigen, jedoch keine Kausalität nachweisen können. Als mögliche Erklärung der Assoziation zwi­schen Entbindungsmodus und allergi­schen Erkrankungen wurde eine abhän­gig vom Entbindungsmodus unterschied­liche Darmbesiedelung mit nachfolgender unterschiedlicher Suszeptibilität für Ato­pie herangezogen [10]. Die Hygienehypo­these geht davon aus, dass die Zusammen­setzung der intestinalen bakteriellen Flora einen bedeutenden Einfluss auf die Ent­wicklung des Immunsystems hat [23]. So haben beispielsweise Bacteroides und Bifi-dobacterium species im Darm probiotische Eigenschaften, die mit einem reduzierten Risiko für die Entstehung atopischer Er­krankungen assoziiert sind. Es konnte nachgewiesen werden, dass die erste bak­terielle Kolonisierung Neugeborener nach vaginaler Entbindung dem vaginalen Mi­krobiom der Mutter mit Bevorzugung von Lactobacillus und Prevotella species entspricht, während die Besiedelung von

Neugeborenen nach Kaiserschnittentbin­dung von Staphylokokken, Corynebakte­rien und Propionibakterien dominiert ist und damit dem Mikrobiom der Haut äh­nelt [10].

Zusätzlich sind Kinder nach Kaiser­schnittentbindung oft mehr von der Mut­ter getrennt, haben einen längeren Kran­kenhausaufenthalt und mitunter ein pro­trahiertes Etablieren des Stillens [21, 26] – alles Faktoren, die Einfluss auf die Bak­terienbesiedelung haben könnten. Man

geht davon aus, dass die Darmbesiede­lung einen großen Einfluss auf das sich entwickelnde Immunsystem inklusi­ve Toleranzentwicklung hat, sodass die Hypothese aufgestellt wurde, dass die unterschiedliche Darmflora nach Kaiser­schnittentbindung die Suszeptibilität für atopische Erkrankungen erhöhen könn­te [10].

Die zweite Hypothese sieht die erhöhte Rate an respiratorischen Problemen nach Sectio im Vergleich zu vaginaler Geburt

Zusammenfassung · Abstract

Gynäkologe 2013 · 46:735–738   DOI 10.1007/s00129-013-3183-1© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2013

A. Berger

Kurz- und Langzeitfolgen der Sectio aus neonatologischer Sicht

ZusammenfassungKaiserschnittentbindung ist potenziell le-bensrettend für Kinder mit geburtsunmög-licher Lage, Schädel-Becken-Missverhält-nis, gewissen fetalen Anomalien und müt-terlichen Infektionen sowie für höhergradige  Mehrlinge. Darüber hinaus dürften extrem unreife Frühgeborene an der Grenze der Überlebensfähigkeit von einer Sectio hin-sichtlich einer signifikant geringeren Mortali-tät im Vergleich zu vaginaler Entbindung pro-fitieren. Die Hauptrisiken für Neugeborene  nach Sectio ergeben sich aus den Folgen einer iatrogenen Frühgeburt und der erhöh-ten respiratorischen Morbidität auch Reifge-borener. Eine elektive Kaiserschnittentbin-dung ohne medizinische Indikation hat aus neonatologischer Sicht deshalb nicht vor der Schwangerschaftswoche 39+0 zu erfolgen. Andere Risiken für das Neugeborene beinhal-

ten eine verzögerte Etablierung des Stillens sowie ein möglicherweise erhöhtes Risiko für die Entwicklung allergischer Erkrankungen im Kindesalter, speziell Asthma bronchiale, al-lergische Rhinitis und Diabetes mellitus Typ I. Diese Langzeitauswirkungen sind auf Popu-lationsniveau gering, die Frage des kausalen Zusammenhangs ungeklärt. Aus kinderärzt-licher Sicht müssen Eltern speziell vor einer elektiven Kaiserschnittentbindung ohne me-dizinische Indikation über die Vor- und Nach-teile der Sectio im Vergleich zu vaginaler Ge-burt inklusive möglicher Langzeitauswirkun-gen aufgeklärt werden.

SchlüsselwörterSectio · Respiratorische  Morbidität · Neonatale Mortalität ·  Langzeitauswirkungen · Neugeborenes

Short-term and long-term effects of cesarean delivery: focus on the neonate

AbstractCesarean sections are potentially life-saving for neonates with certain congenital anoma-lies and maternal infections, fetal malpresen-tation, cephalopelvic disproportion, multi-ple pregnancies and failure of labor progres-sion. Additionally, there seems to be a signi-ficant survival advantage associated with ce-sarean delivery in extremely preterm infants of less than 25 weeks gestation. The main risk for neonates after cesarean section is the in-creased respiratory morbidity often requir-ing admission to an intensive care unit. Con-sequently, elective cesarean sections with-out medical indications should not be per-formed prior to 39+0 weeks of gestation. Other risks for the neonate include a de-layed initiation of breastfeeding as well as 

a potentially increased risk for allergic con-ditions, such as asthma, allergic rhinitis and type 1 diabetes mellitus. The possible im-pact of increasing numbers of cesarean deli-veries on the overall burden of allergic disea-ses is, however, small at the population level and causality has  never been proven. Howev-er, it has to be assured that parents are coun-seled on the short-term and long-term con-sequences of a cesarean section particularly  when performed electively at term on mater-nal request.

KeywordsCesarean section · Respiratory morbidity ·  Infant mortality · Long-term consequences · Newborn

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als Ursache für das erhöhte Asthmarisiko [22]. In einer schottischen Untersuchung an einem Kollektiv von fast 200.000 Ge­burten konnte gezeigt werden, dass un­abhängig vom Geburtsmodus Kinder mit der Diagnose RDS oder TTN nach der Geburt ein signifikant erhöhtes Risiko für Asthma im Kindesalter hatten, wobei die Risikoerhöhung bei Kindern nach Kaiser­schnittentbindung höher war als nach va­ginaler Geburt [22]. Ohne respiratorische Morbidität nach der Geburt bestand eine nur noch sehr schwache Assoziation zwi­schen Sectio und Asthma [22]. Allerdings ist unklar, über welchen pathophysiologi­schen Mechanismus RDS und TTN Aus­wirkungen auf die Lungenfunktion nach der Neonatalperiode haben sollen.

»  Die Frage der Kausalität zwischen Kaiserschnittent-bindung und allergischen Erkrankungen bleibt ungeklärt

Insgesamt bleibt die Frage der Kausalität zwischen Kaiserschnittentbindung und allergischen Erkrankungen unbeantwor­tet und die Auswirkungen auf Popula­tionsniveau in jedem Fall gering (basie­rend auf den vorliegenden Daten kön­nen 1–4% aller Fälle von allergischen Er­krankungen mit Kaiserschnittentbindung in Zusammenhang gebracht werden). In jedem Fall kann die Zunahme der Kai­serschnittentbindungen der letzten Jahr­zehnte nicht als Erklärung für die parallel beobachtete Epidemie an allergischen Er­krankungen herangezogen werden.

Fazit für die Praxis

FEine elektive Kaiserschnittentbindung ohne medizinische Indikation vor SSW 39+0 ist aufgrund erhöhter neo-nataler Morbidität und Mortalität aus neonatologischer Sicht kontraindiziert.

FEltern müssen aus kinderärztlicher Sicht speziell vor einer elektiven Kai-serschnittentbindung ohne medizi-nische Indikation über die Vor- und Nachteile der Sectio inklusive mög-licher Langzeitauswirkungen aufge-klärt werden.

FExtrem unreife Frühgeborene an der Grenze der Überlebensfähigkeit dürf-

ten von einer Sectio im Sinne einer si-gnifikant geringeren Mortalität profi-tieren. Ein proaktives Management in diesen frühen Schwangerschaftswo-chen sollte aus kinderärztlicher Sicht die großzügige Bereitschaft zu einer Sectio beinhalten.

Korrespondenzadresse

Prof. Dr. A. BergerAbt. für Neonatologie, Pädiatrische Intensivme-dizin und Neuropädiatrie, Universitätsklinik für Kinder- und JugendheilkundeWähringer Gürtel 18-20, 1090 WienÖ[email protected]

Einhaltung ethischer Richtlinien

Interessenkonflikt.  A. Berger gibt an, dass kein Inte-ressenskonflikt besteht.  Dieser Beitrag beinhaltet keine Studien an Menschen oder Tieren.

Literatur

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738 |  Der Gynäkologe 10 · 2013

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