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Kurzbericht zu Forschungsreise nach Teheran, Tabriz und in einige Gebiete Aserbaidschans, Iran von: Daniel Zakrzewski (Lorenz Just) Vom 26.5. bis zum 16.6. 2010 war ich im Rahmen des Teilprojekts B8 auf einer Forschungsreise, auf der mich Lorenz Just, der als Studentische Hilfskraft im Projekt arbeitet, begleitete. Aus Termingründen war die Reise in mehrere Blöcke aufgeteilt; den zentralen bildete eine einwöchige Rundreise durch Gebiete der iranischen Provinzen Ardabil, Ost- und Westaserbaidschan, die wir gemeinsam mit Prof. Birgitt Hoffmann von der Uni Bamberg, einigen ihrer Mitarbeiter und Hartmut Niemann, der die Tour geplant hatte, unternahmen. Die Reise diente in erster Linie dem Aufbauen nützlicher Kontakte, der Beschaffung projektrelevanter Literatur und dem Kennenlernen des gebirgigen und zuweilen von Wasserläufen gekennzeichneten Terrains, das mit seinem Zentrum Tabriz insbesondere seit der türkischen Eroberung ein Hauptschauplatz der Interaktion zwischen nomdischen und sesshaften Bevölkerungsgruppen war. Fotografisch wurde dieses Terrain zum großen Teil von Lorenz Just festgehalten. Nach unserer Ankunft in Teheran am frühen Morgen des 27.5. verbrachten wir die ersten Tage dort mit dem Beschaffen von Literatur. Am Abend des 31.5. sind wir gemeinsam mit Prof. Hoffmann nach Tabriz gefahren, wo am 2.6. Frau Hoffmanns Mitarbeiter mit den Fachgebieten Iranistik, Geschichte und Historische Geographie zu uns stießen. In Tabriz konnten wir einerseits weitere regionalspezifische Literatur, vor allem zur Geschichte und Topographie, bekommen, die in Teheran nicht erhältlich ist, sowie einige historische Gebäude und Museen besichtigen, andererseits von dort aus Fahrten in Regionen unternehmen, die im Rundreiseprogramm keinen Platz oder keine Zeit gefunden hatten. Aufschlussreich war vor allem der Ausflug am 4.6., der uns an einen Ort namens Shahyurdi im Sahandmassiv südlich der Stadt Bostanabad führen sollte. Die Gegend diente wegen der ausgezeichneten Sommerweiden vom 13. bis mindestens ins 18. Jahrhundert zahlreichen Herrschern als Sommerresidenz. Da unsere Fahrzeuge nicht entsprechend ausgestattet waren, konnten wir Shahyurdi nicht erreichen, aber dennoch einen guten Eindruck der naturräumlichen Gegebenheiten bei Einsetzen des Sommers bekommen. Auf der Rundreise, die uns zwischen dem 6.6. und dem 12.6. jede Nacht in einen anderen Ort führte, verbrachten wir die Tage mit der Besichtigung von Baudenkmälern und Landschaftsformationen. Am ersten Tag kamen wir entlang der Südflanke des Savalanmassivs nach Ardabil mit seinen zur mystischen Bruderschaft, und später Dynastie, der Safawiden gehörenden Gebäuden, deren Herrschaftsantritt 1501 gewissermaßen das Ende der im Projekt untersuchten Epoche markiert. Der zweite Tag führte uns über Meshkin nach Kaleybar unterhalb der historischen Babak-Festung. Die Gegend, Qara Dagh, gehört zu den Sommerweidegebieten mehrerer Untergruppen der Shahsevan, von denen einige ihren Namen nach bereits Mitglieder der über Teile des Projektuntersuchungszeitraums herrschenden turkmenischen Konföderationen

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Kurzbericht zu Forschungsreise nach Teheran, Tabriz und in einige

Gebiete Aserbaidschans, Iran

von: Daniel Zakrzewski (Lorenz Just)

Vom 26.5. bis zum 16.6. 2010 war ich im Rahmen des Teilprojekts B8 auf einer Forschungsreise,

auf der mich Lorenz Just, der als Studentische Hilfskraft im Projekt arbeitet, begleitete. Aus

Termingründen war die Reise in mehrere Blöcke aufgeteilt; den zentralen bildete eine einwöchige

Rundreise durch Gebiete der iranischen Provinzen Ardabil, Ost- und Westaserbaidschan, die wir

gemeinsam mit Prof. Birgitt Hoffmann von der Uni Bamberg, einigen ihrer Mitarbeiter und Hartmut

Niemann, der die Tour geplant hatte, unternahmen. Die Reise diente in erster Linie dem Aufbauen

nützlicher Kontakte, der Beschaffung projektrelevanter Literatur und dem Kennenlernen des

gebirgigen und zuweilen von Wasserläufen gekennzeichneten Terrains, das mit seinem Zentrum

Tabriz insbesondere seit der türkischen Eroberung ein Hauptschauplatz der Interaktion zwischen

nomdischen und sesshaften Bevölkerungsgruppen war. Fotografisch wurde dieses Terrain zum

großen Teil von Lorenz Just festgehalten.

Nach unserer Ankunft in Teheran am frühen Morgen des 27.5. verbrachten wir die ersten Tage

dort mit dem Beschaffen von Literatur. Am Abend des 31.5. sind wir gemeinsam mit Prof.

Hoffmann nach Tabriz gefahren, wo am 2.6. Frau Hoffmanns Mitarbeiter mit den Fachgebieten

Iranistik, Geschichte und Historische Geographie zu uns stießen. In Tabriz konnten wir einerseits

weitere regionalspezifische Literatur, vor allem zur Geschichte und Topographie, bekommen, die in

Teheran nicht erhältlich ist, sowie einige historische Gebäude und Museen besichtigen,

andererseits von dort aus Fahrten in Regionen unternehmen, die im Rundreiseprogramm keinen

Platz oder keine Zeit gefunden hatten. Aufschlussreich war vor allem der Ausflug am 4.6., der uns

an einen Ort namens Shahyurdi im Sahandmassiv südlich der Stadt Bostanabad führen sollte. Die

Gegend diente wegen der ausgezeichneten Sommerweiden vom 13. bis mindestens ins 18.

Jahrhundert zahlreichen Herrschern als Sommerresidenz. Da unsere Fahrzeuge nicht

entsprechend ausgestattet waren, konnten wir Shahyurdi nicht erreichen, aber dennoch einen

guten Eindruck der naturräumlichen Gegebenheiten bei Einsetzen des Sommers bekommen.

Auf der Rundreise, die uns zwischen dem 6.6. und dem 12.6. jede Nacht in einen anderen Ort

führte, verbrachten wir die Tage mit der Besichtigung von Baudenkmälern und

Landschaftsformationen. Am ersten Tag kamen wir entlang der Südflanke des Savalanmassivs

nach Ardabil mit seinen zur mystischen Bruderschaft, und später Dynastie, der Safawiden

gehörenden Gebäuden, deren Herrschaftsantritt 1501 gewissermaßen das Ende der im Projekt

untersuchten Epoche markiert. Der zweite Tag führte uns über Meshkin nach Kaleybar unterhalb

der historischen Babak-Festung. Die Gegend, Qara Dagh, gehört zu den Sommerweidegebieten

mehrerer Untergruppen der Shahsevan, von denen einige ihren Namen nach bereits Mitglieder der

über Teile des Projektuntersuchungszeitraums herrschenden turkmenischen Konföderationen

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waren. Vieles davon begegnete uns auch am folgenden Tag, bevor wir am Tal des Aras entlang

bis nach Jolfa und dann südlich auch andere Landschaftstypen sehen konnten. Ein ähnliches Bild

zum Teil schnell wechselnder Landschaftsverhältnisse, auch in Bezug auf augenscheinliche Fülle

oder Kargheit, präsentierte sich uns am 9.6. im Nordwesten der Region Aserbaidschan bis nach

Khoi, Salmas, wo in Chalderan 1514 für die Safawiden eine entscheidende Schlacht gegen die

Osmanen verloren ging. Am nächsten Tag umquerten wir den Urmiyeh-See vollständig in Richtung

Maraghe und kamen in die Region, in der die mongolischen Eroberer im 13. Jahrhundert zuerst

ihren Hauptort wählten. Am letzten Tag schließlich durchquerten wir einen weiteren Abschnitt des

zwischen Tabriz und Maraghe verlaufenden Sahandvorlandes, in dem Honigproduktion bedeutend

ist, und kehrten darauf nach Tabriz zurück.

Der weitere Tag in Tabriz diente dazu, Termine mit Personen wahrzunehmen, deren

Bekanntschaft die Projektarbeit in einigen Bereichen erleichtern kann. Zum einen handelt es sich

dabei um Behruz Omrani, der selbst Schriften zur Geschichte und Historischen Geographie von

Tabriz und Aserbaidschan veröffentlicht hat und momentan Direktor der regionalen Sektion der

Behörde für kulturelles Erbe (Mīrāṯ-e Farhangī) ist, zum anderen um Said Jalali, der in Tabriz die

Niederlassung des Verlagshauses Sotudeh leitet. Dieses hat in der Vergangenheit häufig Werke

und insbesondere Quellen mit regionalhistorischer Bedeutung zugänglich gemacht und verfolgt

auch zur Zeit interessante Editionsprojekte im Bereich der Historiographie und lokalen

Hagiographie. Während der letzten Tage auch vor der Abreise in Teheran konnten wir die

Bücherkoffer weiterauffüllen und bei manchen Begegnungen die Anfangsphase der Fußball-WM

2010 diskutieren, an der Iran wegen eines nicht ausreichenden 1:1 Unentschieden in der

Qualifikation gegen Nordkorea nicht teilgenommen hat.

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Quellennachweise für Karten:

Richard Tapper: Frontier Nomads of Iran. A political and social history of the Shahsevan,

Cambridge University Press, Cambridge 1997, S. 41, 150

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Der Name Shahyurdi deutet auf herrscherliches Weideland. Heute, sagte man uns, gehört das Land dem

Staat und wird an Herdenbesitzer verpachtet. Die Tiere werden größtenteils auf Lastwagen die Hänge hinauf

transportiert.

Die Gipfel des Sahandmassivs sind bis in den Juni mit Schnee bedeckt, der neben den Felsformationen das

wenige nicht-grün der satten Landschaft bestimmt.

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Der Mausoleumskomplex von Safi ad-Din in Ardabil: Die von ihm begründete und im folgenden von seinen

Nachfahren geführte Bruderschaft wurde ab dem Ende des 13. Jahrhunderts ein wichtiger Machtfaktor in

Aserbaidschan, ging verwandtschaftliche Bindungen mit den Herrschern der turkmenischen Aq Qoyunlu-

Konföderation ein und entriss dieser 1501 als Dynastie der Safawiden die Herrschaft.

Nahe des Eingangs befindet sich das Grab der Halimeh oder Martha, Mutter des ersten Safawidenshahs

Ismail, Tochter des Aq Qoyunlu Herrschers Uzun Hasan und der trapezuntischen Prinzessin Katharina.

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Von der nach ihm benannten Festung leistete Babak lange den erobernden muslimischen Arabern

Widerstand. Auf regionaler Ebene werden zur Erinnerung daran jährlich Feierlichkeiten ausgerichtet.

Die Leute aus Kaleybar finden diesen Platz schön und begehen gern die religiösen Feiertage hier. Deshalb

bauen sie eine Moschee. Mit den Nomaden der Gegend haben sie nach eigener Aussage nichts zu tun.

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Das Gebiet hat heute die

offizielle Bezeichnung Inallu.

Eine nomadische Gruppe

dieses Namens gehörte

zuerst der turkmenischen

Konföderation der Qara

Qoyunlu, dann der der

Aq Qoyunlu an, die aus

Anatolien kommend im 15.

Jahrhundert Aserbaidschan

nacheinander beherrschten.

Heute bilden Inallu eine Untergurppe der Shahsevan-Nomaden, die in diesem Gebiet Sommerweideplätze

haben. Anfang Juni beginnen die ersten Familien, hier einzutreffen. Ihre Winterweiden befinden sich in der

Moghan-Steppe im Tal des Aras weiter nordöstlich.

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Der Talabschnitt weiter westlich, den wir entlangfuhren, bietet vor allem das Bild eines sehr naturbelassen

fließenden Stroms. Der Aras war in früherer Zeit eine wichtige natürliche Grenze und trennt heute Iran von

Armenien und der Republik Aserbaidschan. Auf iranischer Seite wird an eineigen Stellen Reis angebaut.

Der Aq Chai, hier im Gebiet von Khoi, ist einer der vielen kleineren Wasserläufe, die das Land durchziehen.

Nach Osten hin scheinen die Verhältnisse sehr karg.

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Nach Westen hin scheint alles etwas grüner. Dort liegen zahlreiche Felder, die zum Teil künstlich bewässert

werden. Aus den anatolischen Gebieten noch weiter westlich drangen im 15. Jahrhundert die turkmenischen

Konföderationen nach Aserbaidschan vor.

Um die Mitte jenes Jahrhunderts

entstand in Tabriz eines der

bedeutendsten Baudenkmäler

der Stadt: die Blaue Moschee

Reste der aufwendig einzeln bemalten blauen Kacheln

finden sich außerm am Portal nur noch an einigen

Stellen im Innenraum. Der Moscheekomplex, zu dem

noch eine Reihe anderer Gebäude gehörten, ist das

einzige erhaltene Bauwerk der Turkmenenzeit. Einen

wichtigen Bestandteil bildete der Konvent für Anhänger

mystischer Lehren, die wie die Safawiden mindestens

seit der mongolischen Eroberung im 13. Jahrhundert an

Einfluss gewinnen konnten.

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Ein Zeitgenosse des safawidischen Stammvaters Safi ad-Din, Mystikadept und wichtige Persönlichkeit in

Tabriz bis weit ins 14. Jahrhundert Sheikh Ismail aus Sis, zu dessen Gedenken auch heute noch einige

Gläubige zusammenkommen.

Es scheinen jedoch recht kleine und inoffizielle Zusammenkünfte zu sein. Das nach Sheikh Ismail benannte

Gebäude in der Kleinstadt wenige Kilometer westlich von Tabriz ist nicht beschildert und verschlossen.

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Das direkte Umland von Tabriz, wie hier in Kheljan, war auch zu den im Projekt untersuchten Perioden

nomadischer Herrschaften von Gartenwirtschaft geprägt. Durch hohe Mauern werden die einzelnen Gärten

geschützt und voneinander abgetrennt.

Nach Kandovan südöstlich von Tabriz kommen Ausflügler hauptsächlich wegen des Honigs aus lokaler

Produktion. Außerdem lockt ein Luxushotel, dessen Zimmer wie die traditionellen Häuser der Einwohner in

den Felsen geschlagen wurden.