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ORION 375 5 Wissenschaft & Forschung Wissenschaft & Forschung Wissenschaft & Forschung Um heute im Forschungsgebiet der Astrophysik und Kosmologie Fort- schritte erzielen zu können, braucht es Daten (Bilder, Spektren und wei- teres). Es gibt viele verschiedene Ideen und Theorien, welche die Ent- wicklung des Kosmos mit den Gala- xien beschreiben, doch welches ist die richtige? Mit neuen Daten und den daraus folgenden Erkenntnis- sen kann man die richtige Theorie bestätigen, oder zumindest viele fal- sche ausschliessen. Hierfür braucht es extrem leistungsfähige Tele- skope, welche das ganze Spektrum des Lichts – von der Gammastrah- lung über ultraviolett, optisch und infrarot bis Funkwellen – abdecken. Die Beobachtungszeit an diesen professionellen Teleskopen, wie zum Beispiel dem Hubble Welt- raumteleskop, dem Very Large Tele- skop (VLT) in Chile oder dem Keck Teleskop in Hawaii, ist sehr be- gehrt. Nachdem man eine Idee für ein Experiment hat, muss man ei- nen Vorschlag – ein sogenanntes Proposal – schreiben, um Teleskop- zeit zu beantragen. Normalerweise gibt es einen bis zwei Zeitpunkte im Jahr, an welchen diese Observato- rien Proposals entgegennehmen. Doch es gibt etwa zehn Mal mehr Anfragen als Beobachtungszeiträu- me zur Verfügung stehen. Auf dem Weg zum Keck In unserem Fall verlief das Ganze ein bisschen anders. ANDREAS FAISST und ich sind Doktoranden am Insti- tute für Astronomie an der ETH Zürich in der Forschungsgruppe von Professorin MARCELLA CAROLLO, welche sich mit extragalaktischer Astrophysik beschäftigt. Aufgrund der engen Zusammenarbeit der ETH mit dem California Institute of Technology (CALTECH), im Spe- ziellen mit Dr. PETER CAPAK, konnten wir recht einfach Beobachtungszeit am Keck Observatorium, welches sich auf dem Gipfel des 4200 Meter hohen schlafenden Vulkans Mauna Kea auf der Insel Hawaii befindet, buchen. Die beiden riesigen Kup- peln beherbergen zwei baugleiche Spiegelteleskope, von denen jedes einen (aus 36 kleineren, sechsecki- Lohn eines Astrophysikstudenten Beobachten am Keck-Teleskop Gerademal 10 Stunden nach dem ich aus dem Militär entlassen wurde – sass ich bereits im Flieger nach Hawaii, um dort für drei Nächte am leistungsfähigsten Keck- Teleskop zu beobachten. Eine Woche Hawaii ist kurz, doch freute ich mich auf diese Zeit. Es war mein erstes Mal, an einem professionellen Teleskop arbeiten zu dürfen. Von Sandro Tacchella gen Segmenten zusammengesetz- ten) Hauptspiegel von 10 Metern Durchmesser besitzt. FAISST war be- reits am Keck, hatte jedoch Pech mit dem Wetter. Das zweite Mal durfte ich mitgehen, um nicht nur für das gute Wetter zu sorgen, son- dern gewissermassen als «Lehrling» den Umgang mit dem gigantischen Teleskop zu erlernen. Am Keck I-Teleskop wurde im April 2012 ein hochmodernes neues In- strument installiert, genannt MOS- FIRE (Multi-Object Spectrometer for Infra-Red Exploration, http://ir- lab.astro.ucla.edu/mosfire/), ein In- frarot-Instrument, mit dem man Spektren von Galaxien fotografie- Abbildung 1: Das W.-M.-Keck-Observa- torium ist Teil des Mauna-Kea-Obser- vatoriums am Gipfel des 4200 Meter hohen Mauna Kea auf der Insel Hawaii (Big Island). Es beherbergt zwei bau- gleiche Spiegelteleskope, von denen jedes einen Hauptspiegel von 10 m Durchmesser aufweist. (Quelle: https://www.keckobservatory.org, Image credit: Rick Peterson.)

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Wissenschaft & ForschungWissenschaft & ForschungWissenschaft & Forschung

Um heute im Forschungsgebiet derAstrophysik und Kosmologie Fort-schritte erzielen zu können, brauchtes Daten (Bilder, Spektren und wei-teres). Es gibt viele verschiedeneIdeen und Theorien, welche die Ent-wicklung des Kosmos mit den Gala-xien beschreiben, doch welches istdie richtige? Mit neuen Daten undden daraus folgenden Erkenntnis-sen kann man die richtige Theoriebestätigen, oder zumindest viele fal-sche ausschliessen. Hierfür brauchtes extrem leistungsfähige Tele-skope, welche das ganze Spektrumdes Lichts – von der Gammastrah-lung über ultraviolett, optisch undinfrarot bis Funkwellen – abdecken. Die Beobachtungszeit an diesenprofessionellen Teleskopen, wiezum Beispiel dem Hubble Welt-raumteleskop, dem Very Large Tele-skop (VLT) in Chile oder dem KeckTeleskop in Hawaii, ist sehr be-gehrt. Nachdem man eine Idee fürein Experiment hat, muss man ei-nen Vorschlag – ein sogenanntesProposal – schreiben, um Teleskop-zeit zu beantragen. Normalerweisegibt es einen bis zwei Zeitpunkte im

Jahr, an welchen diese Observato-rien Proposals entgegennehmen.Doch es gibt etwa zehn Mal mehrAnfragen als Beobachtungszeiträu-me zur Verfügung stehen.

Auf dem Weg zum Keck

In unserem Fall verlief das Ganzeein bisschen anders. ANDREAS FAISSTund ich sind Doktoranden am Insti-tute für Astronomie an der ETHZürich in der Forschungsgruppevon Professorin MARCELLA CAROLLO,welche sich mit extragalaktischerAstrophysik beschäftigt. Aufgrundder engen Zusammenarbeit derETH mit dem California Institute ofTechnology (CALTECH), im Spe-ziellen mit Dr. PETER CAPAK, konntenwir recht einfach Beobachtungszeitam Keck Observatorium, welchessich auf dem Gipfel des 4200 Meterhohen schlafenden Vulkans MaunaKea auf der Insel Hawaii befindet,buchen. Die beiden riesigen Kup-peln beherbergen zwei baugleicheSpiegelteleskope, von denen jedeseinen (aus 36 kleineren, sechsecki-

Lohn eines Astrophysikstudenten

Beobachten am Keck-Teleskop

Gerademal 10 Stunden nach dem ich aus dem Militär entlassen wurde – sass ichbereits im Flieger nach Hawaii, um dort für drei Nächte am leistungsfähigsten Keck-Teleskop zu beobachten. Eine Woche Hawaii ist kurz, doch freute ich mich auf dieseZeit. Es war mein erstes Mal, an einem professionellen Teleskop arbeiten zu dürfen.

� Von Sandro Tacchella

gen Segmenten zusammengesetz-ten) Hauptspiegel von 10 MeternDurchmesser besitzt. FAISST war be-reits am Keck, hatte jedoch Pechmit dem Wetter. Das zweite Maldurfte ich mitgehen, um nicht nurfür das gute Wetter zu sorgen, son-dern gewissermassen als «Lehrling»den Umgang mit dem gigantischenTeleskop zu erlernen. Am Keck I-Teleskop wurde im April2012 ein hochmodernes neues In-strument installiert, genannt MOS-FIRE (Multi-Object Spectrometerfor Infra-Red Exploration, http://ir-lab.astro.ucla.edu/mosfire/), ein In-frarot-Instrument, mit dem manSpektren von Galaxien fotografie-

Abbildung 1: Das W.-M.-Keck-Observa-

torium ist Teil des Mauna-Kea-Obser-

vatoriums am Gipfel des 4200 Meter

hohen Mauna Kea auf der Insel Hawaii

(Big Island). Es beherbergt zwei bau-

gleiche Spiegelteleskope, von denen

jedes einen Hauptspiegel von 10 m

Durchmesser aufweist. (Quelle:

https://www.keckobservatory.org,

Image credit: Rick Peterson.)

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ren kann. Die Idee unseres Versuchswar es, das Spektrum von weit ent-fernten – d. h. weit in der Vergan-genheit liegenden – Galaxien zumessen. Kürzlich hat eine For-schungsgruppe in den USA behaup-tet, eine Galaxie mit einer Rotver-schiebung von 12 entdeckt zu haben(http://arxiv.org/abs/1211.6804). Beidieser Rotverschiebung ist das Uni-versum nur 400'000 Jahre alt unddaher wäre dies eine der ersten Ga-laxien, welche in unserem Univer-sum entstand. Die Forscher habendie sogenannte Lyman-Break-Tech-

nik (http://de.wikipedia.org/wiki/Ly-man-Break-Technik) angewandt; da-her könnte die Galaxie auch einestarke Emissionslinie haben undnur bei Rotverschiebung 2.4 liegen.Um dies auszuschliessen, haben wirbeschlossen, unter anderem diesesObjekt genauer zu untersuchen unddas Spektrum aufzuzeichnen, um sofestzustellen, bei welcher Rotver-schiebung die Galaxie tatsächlichliegt.Nach einer langen Reise kam ichdann am Sonntag in Kona (Hawaii)an, wo ich die restlichen Teammit-

glieder (FAISST, MARCELLA und CAPAK)traf, welche direkt von Los Angeleseinflogen. Wir machten uns zumVSQ (Visiting Scientist Quarters) inWaimea auf, wo den Astronomeneine Unterkunft mit Küche undWaschraum zur Verfügung stehen.Auf dem Gelände befindet sich auchder Beobachtungsraum für die KeckTeleskope, von dem aus man die Be-obachtung leitet. Das heisst, mansteuert das Teleskop und die Ka-mera nicht etwa vom Mauna Kea,sondern über unzählige Bild-schirme von Waimea (etwa 825 m ü.M.) aus. Dort sind alle Programme,die man für die Handhabung des In-struments braucht. Zudem wirdman bei jeder Beobachtung vonLeuten des Kecks unterstützt: zumeinen ist da der Support Astrono-mer (SA), welcher dabei hilft, dasInstrument (in unserem Fall MOS-FIRE) richtig zu bedienen; und zumanderen ist gibt es auch einen Ob-serving Assistant (OA), welcher fürdie grobe Steuerung bzw. Ausrich-tung des Teleskops verantwortlichist.

Erste Beobachtungsnacht

Um das Spektrum einer Galaxie auf-zuzeichnen, muss das Licht durcheinen Spalt fallen. Bei MOSFIREkann man 46 Spalten zu gleich ein-stellen, das heisst, man kann bis zu 46Galaxien gleichzeitig beobachten.Eine Konfiguration mit den 46 Spal-ten nennt man Maske, welche robo-terhaft via Computer eingestelltwerden kann. Diese sogenannte

Abbildung 3: Modell des Keck- Teles-

kops, das einen Spiegeldurchmesser

von 10.4 m hat. (Bild: Sandro Tacchella)

Abbildung 2: Das Visiting Scientist Quarters (VSQ) und Besucherzentrum in Waimea,

im Nordwesten von Big Island liegt idyllisch im Tal des Waikoloa Stream. (Bild: Sandro

Tacchella)

Abbildung 4: Das Visiting Scientist Quarters (VSQ), wo sich der Kontrollraum befindet.

Im Hintergrund sieht man den Mauna Kea (4200 m) mit verschiedenen Teleskopen,

unter anderem das Keck Observatorium. (Bild: Sandro Tacchella)

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Configurable Slit mask Unit (CSU)beruht auf einem Prototyp derFirma Swiss Centre for Micro-Elec-tronics (CSEM), welcher für das Ja-mes Webb Space Telescope ent-wickelt wurde. ANDREAS FAISST hat diese Maskenvorgängig bereits am Computer sokonstruiert, dass wir möglichstviele und interessante Objekte be-obachten konnten. Am Nachmittagdes ersten Beobachtungstag wur-den dann diese Masken auf den Ser-ver des Teleskops geladen und wirbegannen mit Kalibrationsmessun-gen, welche darin bestanden, eineArgon beziehungsweise NeonLampe einzuschalten, und dessenLicht mit dem Instrument (für jedeMaske einzeln) aufzuzeichnen. Daman die Emissionslinien von Argonund Neon genau kennt, kann manso jeden Spalt der Maske genau kali-brieren. Zu jeder Maske gibt es aucheine sogenannte Alignierungsmas-ke, welche für die genaue Ausrich-tung des Teleskops auf die Objektegebraucht wird.Als dann die Sonne kurz nach 18Uhr unterging, wollten wir die Kuppeldes Teleskops öffnen. Leider kamengenau zu diesem Zeitpunkt Windeauf, welche Wolken über den MaunaKea bliesen, so dass die Feuchtig-keit so hoch war, dass die Gefahrbestand, dass Spiegel des Teleskopssich beschlagen würden. Daherkonnten wir die Kuppel nicht öff-nen, und wir mussten uns in der er-

sten Nacht mit Kalibrationsmessun-gen zufrieden geben.

Entschädigt in der zweiten Nacht

Nach der ein frustrierenden erstenNacht gingen FAISST und ich am Mit-tag des zweiten Tages den HawaiiVolcanoes National Park besichti-gen, in dem sich der aktivste Vulkander Welt befindet – der Kilauea. Amfrühen Abend befanden wir unswieder im Kontrollraum und startetendie Instrumente. Bei Sonnenunter-gang war die Feuchtigkeit noch bei95%, und wir machten uns Sorgen,dass wir die Kuppel erneut nicht öff-nen könnten. Wir waren optimisti-scher, da es tagsüber ziemlich be-wölkt war und die Inversions-schicht daher tiefer liegen würde.Und tatsächlich; kurz nach 20 Uhrsank die Feuchtigkeit rasch auf unter60 % und wir konnten die Kuppelöffnen und mit dem Beobachten be-ginnen. Wir begannen mit dem Fokussieren.Dazu richtete der OA zuerst das Tele-skop auf einige Sterne und stellt dieSegmente des Spiegels so ein, dassder Stern scharf war. Anschliessendwurde durch den OA das Feld derBeobachtung eingestellt. Von da anübernahmen wir: Es folgte ein gro-bes Alignment bei dem die Sterneauf die gewünschte Position im Fin-der gebracht wurden. Beim ansch-liessenden feinen Alignment wurde

Abbildung 5: Der Kontrollraum befindet sich in Waimea (Spitzname «Kamuela») auf

angenehmen 825 m ü. M. Von hier steuert man die Keck I und II Teleskope sowie das

gewählte Instrument, in unserem Fall “Mosfire”. (Bild: Sandro Tacchella)

Teleskop mittels Alignierungs-maske ausgerichtet, indem ausge-wählte Sterne in breitere Spaltenzentriert wurden. Nach Abschlussdes Alignments begannen wir mitdem Belichten. Weil MOSFIRE sehrtiefes Ausleserauschen (Read-OutNoise) hat, haben wir Belichtungs-zeiten von 180 Sekunden gewähltund diese 20 Mal wiederholt. Bei je-der Maske haben wir dann zwi-schen zwei Positionen hin und hergewechselt, um das Hintergrun-drauschen und mögliche Kamera-Defekte bei der Daten-Reduktioneinfacher beheben zu können. Dawir im infraroten Teil des Spek-trums beobachten, gibt es vieleEmissions- und Absorptionsliniender Atmosphäre, insbesondere desMoleküls OH. Für die letzteren korri-gieren wir, in dem wir einen Stan-dartstern mit einem möglichst fla-chen und kontinuierlichen Spek-trum (d.h. möglichst ohne Absorpti-onslinien) aufnehmen, bei welchemwir dann nur diese Atmosphärenli-nien sehen. Die Nacht verlief äus-serst erfolgreich und wir sammeltensehr viele Daten.

Viele Daten gesammelt

Die dritte Nacht war von Beginnweg gut. Einzig der Wind wehte einbisschen, so dass wir ein Seeing(d.h. „Verschmieren“) von circa ei-ner Bogensekunde hatten. Wirkonnten trotzdem nochmals vieleDaten sammeln, die es nun heisst,auszuwerten. Vorläufig kann mansagen, dass wir viele neue Rotver-schiebungen von Galaxien bestim-men und einige interessante Spek-tren aufnehmen konnten.Am letzten Tag meines Aufenthaltswollte ich noch das Keck Observa-torium auf dem Mauna Kea besu-chen. Leider gab es orkanartigeBöen und die Strasse war geschlos-sen. So machte ich mich wieder aufden Nachhauseweg und für weiterezwei Wochen WK im Militär bereit.

z Sandro TacchellaTrottenstrasse 72CH-8037 Zurich