3
NASSLACKIEREN MASSGESCHNEIDERTES MATERIALFLUSSKONZEPT Lackiererei für Airbus- Komponenten aus CFK Der europäische Luftfahrtkonzern Airbus produziert in Stade Komponenten aus Kohlefaserverbundwerkstoffen (CFK) für seine gesamte Flugzeugfamilie, darunter das riesige Seitenleitwerk für den A380. Die in Größe, Dimension und Gewicht stark variierenden Flugzeugteile erfordern eine aufwändige, aus bis zu 50 Arbeitsschritten bestehende Oberflächenbehandlung. __ Schon Anfang der achtziger Jahre hat sich das heutige Airbus-Werk in Stade auf Kunststoffespezialisiert. Inzwi- schen fungiert es als Kompetenzzentrum für die Verarbeitung von Kohlefaserver- bundmaterialien (CFK). Der im zukunfts- orientierten Flugzeugbau fest etablierte Werkstoff gilt als besonders wider- standsfähig, korrosionsbeständig und gewichtssparend. So werden an dem Standort an der UntereIbe Druckkalot- ten, Landeklappen, Spoiler und Struk- turelemente für die gesamte Airbus- Familie aus CFKgefertigt. Das Highlight in diesem Segment verkörpert das Sei- tenleitwerk des Airbus A380: Mit einer Länge von 13 und einer Höhe von 14 Metern ist es fünfmal größer als das Seitenleitwerk der kleinsten Airbus- Maschine A318. Doch dank konsequen- ter Leichtbautechnologie wiegt es ledig- lich 3 500 Kilogramm. Bei dem doppel- stöckigen Riesenvogel, dessen Erstaus- lieferung für Ende 2006 geplant ist, wird ein Viertel aller Komponenten aus dem Hightech-Material bestehen. Perfektes Zusammenspiel Innovative Technik und Energieeinspa- rung gaben den Anstoß für die "neue Ä Ruderschale auf dem Weg in die Großraum-Spritzkabine: Die Werkstücke sind bis zu 6,5 Meter lang 18 JOT 1.2006

Lackiererei für Airbus-Komponenten aus CFK

Embed Size (px)

Citation preview

NASSLACKIEREN

MASSGESCHNEIDERTES MATERIALFLUSSKONZEPT

Lackiererei für Airbus­Komponenten aus CFKDer europäische Luftfahrtkonzern Airbus produziert in Stade Komponentenaus Kohlefaserverbundwerkstoffen (CFK) für seine gesamte Flugzeugfamilie,darunter das riesige Seitenleitwerk für den A380. Die in Größe, Dimensionund Gewichtstark variierenden Flugzeugteile erfordern eine aufwändige,aus bis zu 50 Arbeitsschritten bestehende Oberflächenbehandlung.

__ Schon Anfang der achtziger Jahrehat sich das heutige Airbus-Werk inStade auf Kunststoffespezialisiert. Inzwi­

schen fungiert es als Kompetenzzentrumfür die Verarbeitung von Kohlefaserver­

bundmaterialien (CFK). Der im zukunfts­

orientierten Flugzeugbau fest etablierteWerkstoff gilt als besonders wider­

standsfähig, korrosionsbeständig undgewichtssparend. So werden an dem

Standort an der UntereIbe Druckkalot­ten, Landeklappen, Spoiler und Struk­turelemente für die gesamte Airbus­

Familie aus CFKgefertigt. Das Highlightin diesem Segment verkörpert das Sei­

tenleitwerk des Airbus A380: Mit einerLänge von 13 und einer Höhe von14 Metern ist es fünfmal größer als dasSeitenleitwerk der kleinsten Airbus­Maschine A318. Doch dank konsequen-

ter Leichtbautechnologie wiegt es ledig­lich 3 500 Kilogramm. Bei dem doppel­stöckigen Riesenvogel, dessen Erstaus­

lieferung für Ende 2006 geplant ist,wird ein Viertel aller Komponenten ausdem Hightech-Material bestehen.

Perfektes Zusammenspiel

Innovative Technik und Energieeinspa­

rung gaben den Anstoß für die "neue

Ä Ruderschale aufdemWeg in die Großraum-Spritzkabine: DieWerkstücke sind bis zu6,5 Meter lang

18 JOT 1.2006

Malerei". So bezei chn et Airbus in

Stade die vom Uöblinger Techno logie­untern ehmen Eisenmann in nur sechsMonaten Bauzeit err ichtete Lackiererei.Deren größtes Highlight: Sie beherrschtperfekt die variabl e Prozessabfolge fürdas an der Untereibe produzierte breiteBauteilspektrum. Jeder einzelne Bear­beitungsschIitt gilt als autonom. Er lässtsich individuell mit so vielen VOI~ undnachgelager ten Bereichen verketten wieirgendwi e möglich. Dafür sorgt allein

das hochflexible Materialflusskonzept,das die Eisenmann-Ingenieure entspre­chend den Kundenanforderungen opti­mal an die Bedürfni sse der Lackierereiangepass t haben.

Das gewählte Layout vert eilt allewesentli chen Prozesss chritt e über zweimit Hub- und Senkst ationen verknüpfteEbenen. Die Auf-und Abgabezonen. diesechs Bereitstellplätze und die sechsGroßraum-Prozesskabinen befinden sichim Erdgeschoss, die zwei Trockner undder Hauptpuffer samt Abdunstplätzenauf der ersten Etage von Halle 15. Hin­zu kommt noch ein Aggregatedeck mitEinr ichtungen zur Zu- und Abluftver­sorgung sowie Wärmerückgewinnung.

158 Bauteil -Varianten

Den Transport der CFK-Komponentenübernimm t die Hängeförder technik mitbau teil spezifischen , bis zu elf Meterlangen warenträgem. Sie sind so kon­struier t, dass sechs unt erschiedli cheTypen für die insgesamt 15ß Baut eil­varianten ausreichen. Für Längsfahrt ensind Pusher zustä ndig, die - je nach

Anforderung - den Werk stü ckträgernach vorn schieben oder zurü ckziehen,ergänzt von Transferbrü cken. die sichbei Ouerfahrten einschalten.

Auf diese Weise arbeitet die Förder­technik wie ein hocheffizi ent er Ver ­schiebebahnhof,der seine Züge mit Bau­teilträgern in alle vier Richt ungenschickt. Die Flexibilität des Logistik ­systems findet auf der Verfahr ensseiteihre Entsprechung in einer Multi-Funk­tionskabine. Diese eignet sich nicht nurfür das ansons ten in zwei se para ten

JOT 1.2006

NASSLACKIEREN

A Vor dem Lack ierprozess: Ruderschale in der Auf- und Abgabestation

A Fertigungsspeicher: Der .Handlingspuffer" belegt die Hälfte der zweiten Lackierebene

A Querfahrt: Die Transferbrücke in Akt ion

19

NASSLACKIEREN

» Kabinen durchgeführte Schleifen und

Lackieren, sondern auch als Trockner.Eines ihrer Tore öffnet direkt zur Hal­

lenaußenseite, so dass im BedarfsfallTeile unter Umgehung der regulärenZugangswege per Gabelstapler oderHandwagen hereingebracht werden kön­nen. Wie alle anderen Großraumkabi­

nen ist sie mit einer Hubeinrichtungbestückt, die das Anheben und Absen­

ken der Warenträger auf die für jedenWerker passende ergonomische Arbeits­

höhe erleichtert.

Reinigen, Schleifen, Spachteln

Die Beschichtung der CFK-Komponen­

ten erfolgt im Nasslackierverfahren.Dabei setzt Airbus sowohl Wasser als

auch lösemittelbasierende Lacke ein."Genau genommen werden die meistenTeile in Stade nur vorlackiert", sagt

Guglielmo Occhipinti, der auf Seiten vonEisenmann das Projekt leitete. Denn am

Ende werde ja noch das fertige Flugzeugkomplett lackiert. Dieser Schlussstrichin Sachen Oberflächenbehandlung wirdjedoch an anderen Airbus-Standorten,

etwa in Hamburg, gesetzt.DieOberflächenqualität der CFK-Bau­

teile hängt laut Occhipinti ganz ent­scheidend von mechanischen Behand­

lungsschritten ab, die das eigentlicheLackieren begleiten. Dazu rechnet derProjektmanager vor allem das Schlei­

fen. Es dient dazu, das Trennmittel von

den direkt vom Autoklaven kommendenCFK-Komponentenzu entfernen. Außer­dem bereitet es die Bauteile für die nach­

folgende Lackapplikation vor. Nebendem Reinigen, Schleifen und Spachteln

beinhaltet der Beschichtungsprozessklassische Elemente wie Grundierenoder Lackieren, Abdunsten und Trock­

nen. Je nach Bauteilvariante und Ferti­gungsstrategie wird die eine oder ande­re dieser Stationen mehrmals durch­

laufen.Die Hinterholme für das Seitenleit­

werk des Airbus A340 unterliegen zumBeispiel einer Prozesskette aus insge­

samt 13 Schritten, die innerhalb vonsechs Stunden absolviert werden. Diewichtigsten davon: Trennmittel entfer-

20

nen, Trocknen, Abkühlen, Grundieren,

Abdunsten, Trocken und erneutesAbkühlen. Als Spitzenreiter in SachenProzessabfolge gelten die Ruderschalenfür die Airbustypen mit Mittelgang:Deren Oberflächenbehandlung vollzieht

sich in 44 Stufen. Darunter finden sichfolgende Etappen: Trennmittel entfer­

nen, Harz abziehen und schleifen,Porenfüller einreiben, Porenfüller schlei­

fen, Vorgrundieren, Spachteln, Spach­tel schleifen, Grundieren und Deck­

lackieren. Die genannten Kernprozessesind jeweils mit Abdunsten, Trocknenund Abkühlen gekoppelt.

Der Durchlauf eines solchen Bauteilsdauert bis zu 90 Stunden. Davon ver­schlingt allein das Aushärten des Anti­

statiklacks fünf Stunden. Auch dasSpachteln der CFK-Komponenten

erweist sich als sehr zeitintensiv: Esmacht fast vier Stunden der gesamtenProzesszeit aus.

Materialfluss

vollständig automatisiert

"Auch wenn in den Großraumkabinendie manuelle Bearbeitung der Oberflä­che vorherrscht, so ist doch der Materi­

alfluss komplett automatisiert", betontHans-Georg Tregel, Logistikexperte beiEisenmann. Sobald ein CFK-Bauteildie

Schwelle zur Lackiererei passiert, erfolgtdas "Aufbinden". Der mit diesem Begriffbezeichnete Vorgang bildet die Voraus­

setzung für die komplette Bauteilever­

folgung. Anders ausgedrückt: Jede zulackierende Komponente wird mit ihremWarenträger und Verfahrwagen "ver­heiratet". Dazu liest ein Scanner den auf

dem Begleitpapier des Bauteils vorhan­

denen Barcode ein. Erst dann fährt derbeladene Warenträger über die Längs­seite in die Hub- und Senkstation ein,um vom Erdgeschoss auf die darüber lie­

gende Ebene zu gelangen.

Mit dem "Aufbinden" startet die auto­matisch ablaufende, im IT-System ein­

gespeiste Prozesskette. Auf den nachoben gehievten Bauteilträger wartetzunächst ein .Handlingspuffer". Mit27 Speicherplätzen erstreckt sich die­

ser über das halbe Obergeschoss. Wird

der Werkstückträger zur Bearbeitung

abgerufen, geht es über einen weiterenSenkrechtförderer wieder nach unten:auf einen der sechs Bereitstellungsplät­ze, über die der Zugang zu den Groß­

raumkabinen "gepuffert" wird.

Schnellverbindung

zwischen beiden Trocknern

Die Einweisung auf die einzelnen Plät­

ze funktioniert nach dem Prinzip .firstin, first out". Wann immer Werkstück­

träger ihren Bereitstellungsplatz ver­

lassen, reagiert die Steuerung: Sie fülltihn mit Hilfe der Doppelbrücken undderen gegenläufig arbeitendem Pusherwieder auf. Dazu zeigt der Werker in derKabine per Taster das Ende des von ihmdurchgeführten Schleif- oder Lackier­vorgangs an. Auf das so ausgelöste Sig­

nal fährt die bearbeitete Einheit aus derKabine. Parallel dazu werden die alsnächstes vorgesehenen CFK-Kompo­

nenten aus der Bereitstellung geholt undvor der entsprechenden Kabine platziert.

Nach dem Positionstausch der Bau­teilträger wechselt die Steuerung wie­

der in den Automatikbetrieb über. DasAusschleusen der Warenträger nach

beendeter Prozesskette vollzieht sichebenfalls über die obere Etage. Dabeidient eine separate "Autobahn" alsSchnellverbindung zwischen den bei­den Trocknern und der Hub- und Senk­einrichtung, über welche die Bauteil­

träger zu Beginn ihrer Reise nach obengelangten. Ihre letzte Etappe heißt fol­

gerichtig "Abbinden".Pro Jahr passieren 13000 Bauteile die

neue Anlage. Den Löwenanteil stellendie Verkleidungen für diverse Mittel­streckenmodelle und den Langstre­

ckenklassiker A340 mit 3080 Einheiten.Die Komponenten, aus denen sich dasriesige Seitenleitwerk des künftigen Air­

bus A380 zusammensetzt, könntenebenfalls dort lackiert werden, versi­

chert Tregel: "Die Anlage in Halle 15 istauf jeden Fall dafür ausgelegt." --I

Kontakt:Eisenmann AG,Böblingen,Tel. 07031 78-0,

[email protected], www.eisenmann.de

JOT 1.2006