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Christina Frangen aus der Eifel hat sich mit der Arbeit und dem Leben auf einer Alm im Berchtesgadener Land einen lang ersehnten Traum erfüllt. Wie das Almfieber mich gepackt hat Christina Frangen war einen Sommer lang Sennerin auf einer Alm im Berchtesgade- ner Land. Was reizt eine junge Frau aus der Eifel an der harten Arbeit auf über 1 000 m Höhe? D as monotone Rumoren des But- terfasses wechselt in ein dumpfes Schlagen. Jetzt kommt es auf jede Umdrehung an – nur eine zu viel, und alle Mühe ist umsonst. Es folgt das stun- denlange Formen der Buttermasse unter eisigem Wasser. Das Buttern fordert meine Muskeln und Ausdauer heraus. Doch am Ende liegen die verzierten Butterkugeln vor mir – jede einzelne ein unverwechsel- bares Handwerksstück. Dieser Anblick entlohnt für die harte Arbeit. Der Alltag einer Bergbäuerin besteht aus einem Leben in einer vielfältigen und schönen Natur, die aber auch hart und erbarmungslos sein kann. Deshalb hat das Leben einer Sennerin für mich einen besonderen Reiz. Am Fuße des Watzmanns: Aufge- wachsen bin ich, Christina Frangen, auf dem Ulmenhof, einem Biolandmilch- viehbetrieb in der Vulkaneifel. Einen Großteil der Milch verarbeiten wir in unserer Hofkäserei selbst und vermark- ten die Produkte direkt. Den Traum, als Sennerin auf einer Alm zu arbeiten, hatte ich schon seit meiner Kindheit. Die Liebe zu den Ber- gen und der Landwirtschaft habe ich von meinen Eltern in die Wiege gelegt bekommen. Nach meinem Bachelorab- schluss in den ökologischen Agrarwis- senschaften zog ich 2014 als Sennerin auf die Fischunkel-Alm am Königssee in den Berchtesgadener Alpen. Dort hat mich das Almfieber gepackt. Im darauffolgenden Sommer ver- schlug es mich auf die Schapbachalm am Fuße des Watzmanns. Die Alm liegt auf 1 040 m Seehöhe und ist eine Nie- 70 top agrar südplus Landleben

Landleben Wie das Almfieber mich gepackt hatLandleben. Jeden Morgen und Abend trieb Christina die Kühe von der 25 ha großen Weidefläche in den Stall zum Melken. Neben der Arbeit

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Page 1: Landleben Wie das Almfieber mich gepackt hatLandleben. Jeden Morgen und Abend trieb Christina die Kühe von der 25 ha großen Weidefläche in den Stall zum Melken. Neben der Arbeit

Christina Frangen aus der Eifel hat sich mit der Arbeit und dem Leben auf einer Alm im Berchtesgadener Land einen lang ersehnten Traum erfüllt.

Wie das Almfieber mich gepackt hat

Christina Frangen war einen Sommer lang Sennerin auf einer Alm im Berchtesgade-ner Land. Was reizt eine junge Frau aus der Eifel an der harten Arbeit auf über 1 000 m Höhe?

Das monotone Rumoren des But-terfasses wechselt in ein dumpfes Schlagen. Jetzt kommt es auf jede

Umdrehung an – nur eine zu viel, und alle Mühe ist umsonst. Es folgt das stun-denlange Formen der Buttermasse unter eisigem Wasser.

Das Buttern fordert meine Muskeln und Ausdauer heraus. Doch am Ende liegen die verzierten Butterkugeln vor mir – jede einzelne ein unverwechsel-bares Handwerksstück. Dieser Anblick entlohnt für die harte Arbeit.

Der Alltag einer Bergbäuerin besteht aus einem Leben in einer vielfältigen und schönen Natur, die aber auch hart und erbarmungslos sein kann. Deshalb hat das Leben einer Sennerin für mich einen besonderen Reiz.

Am Fuße des Watzmanns: Aufge-wachsen bin ich, Christina Frangen, auf dem Ulmenhof, einem Biolandmilch-viehbetrieb in der Vulkaneifel. Einen Großteil der Milch verarbeiten wir in unserer Hofkäserei selbst und vermark-ten die Produkte direkt.

Den Traum, als Sennerin auf einer Alm zu arbeiten, hatte ich schon seit meiner Kindheit. Die Liebe zu den Ber-gen und der Landwirtschaft habe ich von meinen Eltern in die Wiege gelegt bekommen. Nach meinem Bachelorab-schluss in den ökologischen Agrarwis-senschaften zog ich 2014 als Sennerin auf die Fischunkel-Alm am Königssee in den Berchtesgadener Alpen. Dort hat mich das Almfieber gepackt.

Im darauffolgenden Sommer ver-schlug es mich auf die Schapbachalm am Fuße des Watzmanns. Die Alm liegt auf 1 040 m Seehöhe und ist eine Nie-

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Page 2: Landleben Wie das Almfieber mich gepackt hatLandleben. Jeden Morgen und Abend trieb Christina die Kühe von der 25 ha großen Weidefläche in den Stall zum Melken. Neben der Arbeit

Jeden Morgen und Abend trieb Christina die Kühe von der 25 ha großen Weidefläche in den Stall zum Melken.

Neben der Arbeit im Stall bewirtete die junge Sennerin Wanderer und Mountainbiker mit deftiger Käse- oder Speckbrotzeit.

Beim Melken achtete die Sennerin besonders auf Hygiene, denn alle Milchprodukte stellte sie aus Rohmilch her. Eine Eimermelkanlage erleichterte das Melken.

Die Käselaibe hat Christina täglich gewen-det und mit Rotschmierkultur geschmiert.

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deralm, auf der die acht Milchkühe den Sommer über weiden. Das Jungvieh wird im Sommer auf die Hochalm „Kühroint“ auf 1 400 m getrieben.

Das Almgebiet nutzen zwei Milch-viehhalter aus der Ramsau. Es liegt im Herzen des Nationalparks der Berchtes-gadener Alpen und umfasst rund 25 ha Weidefläche, die zu einem Drittel aus Waldweide besteht.

Der Alm-Alltag: In den ersten Tagen zeigte mir Almbauer Andreas Keilhofer alles Nötige. Das Käsen kannte ich glücklicherweise schon von zu Hause. Die nächsten Monate war ich dann

komplett auf mich allein gestellt. Mein Arbeitstag auf der Alm begann um 5.00 Uhr in der Früh mit dem Einhei-zen des Ofens, um Warmwasser für den Tagesbedarf zu erhalten.

Bei Sonnenaufgang die Kühe in den Stall zu treiben und zu melken, hatte jeden Morgen seinen eigenen Charme. Ich genoss dabei die Ruhe und die Berg-kulisse. Eine Eimermelkanlage, betrie-ben durch ein Stromaggregat, erleich-terte die Arbeit.

Beim Melken musste ich besonders auf Hygiene achten, denn aus der Rohmilch produzierte ich später Käse und Butter.

Nach dem Melken trieb ich die Kühe wieder aus dem Stall und reinigte Stall und Melkgeschirr. Dann ging es sofort mit der Verar beitung der Milch weiter. Damit war ich für die folgenden zwei bis drei Stunden beschäftigt. Neben Butter stellte ich auf der Schapbachalm auch Schnittkäse und Bergkäse her. Von zu Hause war mir die Milchverarbei-tung und Käseherstellung vertraut. Doch es ist ein besonderes Gefühl, die selbst ermolkene Milch zu verarbeiten.

Den Käse pflegen. Zu der Käseherstel-lung gehört auch die Käsepflege. Nach dem Salzbad habe ich die Laibe täglich

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Rund um die Alm liegt die Weidefl äche für die acht Fleckviehkühe, die Christina einen Sommer betreut hat. Die Flächen nutzen die Almbauern nur im Sommer.

Alm sichert Futtergrundlage im SommerDie Almbauern haben über jahr-

hundertelange mühevolle Arbeit eine wertvolle Kulturlandschaft mit ei-nem artenreichen Ökosystem ge-schaff en. Mein Almgebiet setzt sich aus Mager- und Waldweiden sowie aus Nass- und Fettweiden zusam-men. Die Kräutervielfalt der Weiden sorgt für eine hochwertige Weide-milch und wirkt sich auch positiv auf die Tiergesundheit aus.

Das Weiden der Almfl äche im Sommer ist für die Rinderhalter von großer Bedeutung. So nutzen sie die Flächen im Tal ausschließlich für das Winterfutter. In der Regel kalben die Kühe im Spätherbst und sind wäh-rend der Almzeit im letzten Laktati-onsdrittel. Gegen Ende der Vegetati-onszeit werden sie trockengestellt.

Wie viele Tiere die Flächen im Na-tionalpark bewirtschaften dürfen, wird über die sogenannten Weide-rechte defi niert. Für die Schap-bachalm sind somit acht Milchkühe und acht Stück Jungvieh der Rasse Fleckvieh festgelegt.

Im Berchtesgadener Land ist das Fleckvieh neben dem Pinzgauer Rind die dominierende Rinderrasse. Als Grundfutter dient ausschließlich Heu und Silage.

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gewendet und mit dem Bakterium Li-nens (Rotschmierkultur) geschmiert.

Das war jeden Tag aufs Neue ein Kampf, denn die Milch war immer an-ders. Die Qualität ist abhängig vom Fut-ter, dem Wetter und den Launen der Sennerin. Doch all das macht den Alm-käse so einzigartig.

Nachdem die Kühe versorgt und die Milch verarbeitet war, hatte ich eine halbe Stunde Zeit, mich für den Alm-ausschank vorzubereiten und ein Früh-stück vor meiner Almhütte einzuneh-men. Gegen 10 Uhr schauten schon die ersten Wanderer neugierg am Türgat-terl in die Stube hinein. Den ganzen Tag bewirtete ich vorbeikommende Wanderer und Mountainbiker, die bei einer deftigen Käse- oder Speckbrotzeit mit einem Glas frischer Almmilch den Anblick des Watzmanns genossen.

Am späten Nachmittag war Kleider-wechsel angesagt und das Dirndl wurde gegen Stallkleidung getauscht. Nach ei-nem Tag mit Gästen war das Melken am Abend und die Jungvieh-Kontrolle ein wohltuender Ausgleich.

Dank der off enen und freundlichen Art der Einheimischen und dem har-monischen Verhältnis zu meiner Alm-bauernfamilie, fühlte ich mich auch in meiner freien Zeit nie einsam. Auch schauten Nachbar-Sennerinnen und Freunde nach getaner Arbeit gerne auf ein Bier zum Ratsch vorbei. Musik und bayerische Gemütlichkeit bereicherte so manchen Almabend.

Keine Heidi-Romantik: In den vier Monaten ist mir die Alm ans Herz ge-wachsen und zu einem Zuhause gewor-den. Der Sommer auf einer Alm ist sehr viel mehr als die kitschige Heidi-Ro-mantik, unter der sich viele einen sol-chen Sommer in den Bergen vorstellen.

Sie bringt einen nicht selten an seine Grenzen – und auch darüber hinaus. Den Spruch „Man kommt als ein ande-rer Mensch ins Tal, als der man auf die Alm hinaufgegangen ist“ kann ich nur bestätigen.

An den Herausforderungen des Alm-lebens und an der großen Verantwor-tung, die Tiere eines anderen Bauern

alleine zu versorgen, bin ich gewachsen. Der Sommer hat mir große Freiheit und großes Glück gebracht. Ein Almsom-mer, der garantiert nicht mein letzter gewesen sein wird. Christina Frangen

Schnell gelesen• Christina Frangen hat vier

Monate eine Alm im Berch-tesgadener Land betreut.

• Die Alm liegt auf über 1 000 m und umfasst 25 ha mit acht Kühen und acht Jungrindern.

• Gereizt hat sie die Arbeit in der Natur und den Bergen, vom harten Alltag hat sie sich nicht abschrecken lassen.

• Als Sennerin hat sie die Tiere versorgt, gemolken und die Milch verarbeitet.

• Zu ihren Aufgaben gehörte auch, Wanderer und Radfahrer zu bewirten.

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