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BÜCHER | MAGAZIN © 2009 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim www.biuz.de 5/2009 (39) | Biol. Unserer Zeit | 345 LEBENSRÄUME Zwischen Nord- und Ostsee Der Autor dieses Buches hat vor einigen Jahren in „Biologie in unserer Zeit“ (BIUZ 5/2005) einen Einblick in die jüngere Geschichte Norddeutschlands gegeben. „Paläo- Ökologie an der Nordsee. Die Botanik als Schlüssel für die Um- weltgeschichte”hieß sein interes- santer Beitrag, der den Lesern die besonders raschen Veränderungen speziell in dieser Region vorführte, die kürzlich zum Weltnaturerbe ernannt wurde. Jetzt ist von ihm ein umfangreicher, großformatiger und reich bebilderter Band er- schienen. Der Untertitel „Umwelt und Siedlung von der Steinzeit bis zur Gegenwart“ steckt den zeit- lichen Rahmen ab. Zunächst werden die großen Naturräume Norddeutschlands behandelt (Jung- und Altmoränenlandschaf- ten, Nord- und Ostseeküste sowie Moore), dann die Geschichte der Kulturlandschaft sowie die Sied- lungsgeschichte. Ein weiteres Kapitel ist den landschaftsgebun- denen Wirtschaftsformen gewid- met. Zusammenschau, Zeittafel und ein umfangreiches Literatur- verzeichnis schließen dieses gelungene Werk ab. Das Buch ist speziell für dieje- nigen zu empfehlen, die an Land- schafts- und Klimageschichte Inter- esse haben. Naturgemäß erfahren innerhalb der Biologie botanische Aspekte besondere Berücksichti- gung. Landschaftsgeschichte Nord- deutschlands. Karl-Ernst Behre, Wachholtz- Verlag, Neumünster, 2009. 293 S., 29,90 R. ISBN 978-3-529-02499-3. Volker Storch, Universität Heidelberg ZOOLOGIE Sagenumwobene Vogelfamilie Kaum eine Artengruppe hat in den vergangenen Jahrzehnten zu mehr Diskussionen bis hin zu erbitterten Kontroversen geführt wie die Rabenvögel. Sowohl im Disput zwischen Jägern und Naturschüt- zern, wie auch innerhalb des Naturschutzes und in der breiten Öffentlichkeit haben die „Schwar- zen“ eine bedeutende Rolle ge- spielt und tun dies noch heute. Der Münchner Zoologe Josef H. Reichholf schickt sich an, in diesen teilweise tiefgreifenden Dissens einzusteigen und präsen- tiert mit seinem Werk „Raben- schwarze Intelligenz: Was wir von Krähen lernen können“ ein ein- drucksvolles Beispiel: den kom- plexen Sachverhalt um den ökolo- gischen Stellenwert der Raben- vögel und den (Un)Sinn einer Rabenvogelbejagung. Nach den ersten Kapiteln zur systematischen Stellung der Raben-/ Krähenvögel, die mit den tropi- schen Paradiesvögeln verwandt sind, schildert Reichholf seine Er- fahrungen mit Dohle, Rabenkrähe und Kolkrabe und demonstriert die „Intelligenz“ der Tiere eindrucks- voll. In den weiteren Kapiteln be- leuchtet der Zoologe die komplexe Populationsdynamik, zunächst all- gemein, später aber getrennt nach Arten und Lebensräumen. Sicher- lich ist hier das Kapitel „Stadtkrä- hen“ eines der zentralen und wich- tigen, so kann sich der Leser für eine fundierte Auseinandersetzung zum Thema wappnen. Als Leser gewinnt man den Ein- druck, dass die Zusammenfassung der Erlebnisse mit diesen so intelli- genten Vögeln geschickt als Vehi- kel dient, um die Problematik un- seres Umgangs mit den Raben- vögeln in den Vordergrund zu rücken. Reichholf engagiert sich leidenschaftlich für eine Vogelfami- lie, die nach wie vor den Vorurtei- len (Rabenmythen) aus finsterer Vergangenheit zum Opfer fällt und gnadenlos verfolgt und dezimiert wird. Mit wissenschaftlicher Akri- bie rechnet Reichholf dem Leser vor, wie ein Totalabschuss von Raubwild und Raubzeug sich auf die Bestände von Niederwild und Singvögeln auswirkt: nämlich in keiner Weise. Eher ist die Wirkung gegenteilig: nach Flächenabschüs- sen von Krähen wurden die Ver- luste an Gelegen von Singvögeln und Niederwild nicht nur nicht ge- senkt, sondern angehoben. Und der Bestand an Rabenkrähen blieb hochproduktiv, da Nichtbrüter in der folgenden Saison die dezimier- ten Brutpaare ersetzten. Manches bleibt nur angerissen, etwa die Frage nach der schwar- zen Gefiederfarbe der Rabenvögel – hier wünscht sich der weiterge- hend Interessierte mehr Detail- schärfe. Auch der Umgang mit dem Intelligenzbegriff ist proble- matisch. Z.B. beruht das Futterver- stecken (wobei die Konkurrenz getäuscht werden soll) nicht aus- schließlich auf Einsicht; Untersu- chungen in der „Konrad Lorenz Forschungsstelle für Ethologie“ in Grünau (Austria) zeigen, dass die motorischen Abläufe des Verste- ckens als Instinkthandlungen ange- legt sind und nach dem Flüggewer- den rabenspezifisch reifen müssen. Aber gerade hier, wo die For- schung auch noch keine hinrei- chend fassbaren Ergebnisse produ- ziert hat, würden vermutlich zu viele wissenschaftliche Theorien den Spaß beim Lesen trüben. Rabenschwarze Intelligenz. Josef H. Reichholf, Herbig Verlag, München, 2009. 253 S., 19,95 R. ISBN 978-3-7766-2600-1. Wolfgang Kricke, Nettetal

Landschaftsgeschichte Norddeutschlands. Von Karl-Ernst Behre

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B Ü C H E R | M AG A Z I N

© 2009 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim www.biuz.de 5/2009 (39) | Biol. Unserer Zeit | 345

L E B E N S R Ä U M E

Zwischen Nord-und OstseeDer Autor dieses Buches hat voreinigen Jahren in „Biologie inunserer Zeit“ (BIUZ 5/2005) einenEinblick in die jüngere GeschichteNorddeutschlands gegeben. „Paläo-Ökologie an der Nordsee. DieBotanik als Schlüssel für die Um-weltgeschichte”hieß sein interes-santer Beitrag, der den Lesern diebesonders raschen Veränderungenspeziell in dieser Region vorführte,die kürzlich zum Weltnaturerbeernannt wurde. Jetzt ist von ihmein umfangreicher, großformatigerund reich bebilderter Band er-schienen. Der Untertitel „Umweltund Siedlung von der Steinzeit biszur Gegenwart“ steckt den zeit-lichen Rahmen ab. Zunächstwerden die großen NaturräumeNorddeutschlands behandelt(Jung- und Altmoränenlandschaf-ten, Nord- und Ostseeküste sowieMoore), dann die Geschichte derKulturlandschaft sowie die Sied-lungsgeschichte. Ein weiteresKapitel ist den landschaftsgebun-denen Wirtschaftsformen gewid-met. Zusammenschau, Zeittafelund ein umfangreiches Literatur-verzeichnis schließen diesesgelungene Werk ab.

Das Buch ist speziell für dieje-nigen zu empfehlen, die an Land-schafts- und Klimageschichte Inter-esse haben. Naturgemäß erfahreninnerhalb der Biologie botanischeAspekte besondere Berücksichti-gung.

LLaannddsscchhaaffttssggeesscchhiicchhttee NNoorrdd--ddeeuuttsscchhllaannddss..Karl-Ernst Behre, Wachholtz-Verlag, Neumünster, 2009. 293 S.,29,90 R.ISBN 978-3-529-02499-3.

Volker Storch, Universität Heidelberg

ZO O LO G I E

SagenumwobeneVogelfamilieKaum eine Artengruppe hat in denvergangenen Jahrzehnten zu mehrDiskussionen bis hin zu erbittertenKontroversen geführt wie dieRabenvögel. Sowohl im Disputzwischen Jägern und Naturschüt-zern, wie auch innerhalb desNaturschutzes und in der breitenÖffentlichkeit haben die „Schwar-zen“ eine bedeutende Rolle ge-spielt und tun dies noch heute.Der Münchner Zoologe Josef H. Reichholf schickt sich an, indiesen teilweise tiefgreifendenDissens einzusteigen und präsen-tiert mit seinem Werk „Raben-schwarze Intelligenz: Was wir vonKrähen lernen können“ ein ein-drucksvolles Beispiel: den kom-plexen Sachverhalt um den ökolo-gischen Stellenwert der Raben-vögel und den (Un)Sinn einerRabenvogelbejagung.

Nach den ersten Kapiteln zursystematischen Stellung der Raben-/Krähenvögel, die mit den tropi-schen Paradiesvögeln verwandtsind, schildert Reichholf seine Er-fahrungen mit Dohle, Rabenkräheund Kolkrabe und demonstriert die„Intelligenz“ der Tiere eindrucks-voll. In den weiteren Kapiteln be-leuchtet der Zoologe die komplexePopulationsdynamik, zunächst all-gemein, später aber getrennt nachArten und Lebensräumen. Sicher-lich ist hier das Kapitel „Stadtkrä-hen“ eines der zentralen und wich-tigen, so kann sich der Leser füreine fundierte Auseinandersetzungzum Thema wappnen.

Als Leser gewinnt man den Ein-druck, dass die Zusammenfassungder Erlebnisse mit diesen so intelli-genten Vögeln geschickt als Vehi-kel dient, um die Problematik un-seres Umgangs mit den Raben-vögeln in den Vordergrund zurücken. Reichholf engagiert sichleidenschaftlich für eine Vogelfami-

lie, die nach wie vor den Vorurtei-len (Rabenmythen) aus finstererVergangenheit zum Opfer fällt undgnadenlos verfolgt und dezimiertwird. Mit wissenschaftlicher Akri-bie rechnet Reichholf dem Leservor, wie ein Totalabschuss vonRaubwild und Raubzeug sich aufdie Bestände von Niederwild undSingvögeln auswirkt: nämlich inkeiner Weise. Eher ist die Wirkunggegenteilig: nach Flächenabschüs-sen von Krähen wurden die Ver-luste an Gelegen von Singvögelnund Niederwild nicht nur nicht ge-senkt, sondern angehoben. Undder Bestand an Rabenkrähen bliebhochproduktiv, da Nichtbrüter inder folgenden Saison die dezimier-ten Brutpaare ersetzten.

Manches bleibt nur angerissen,etwa die Frage nach der schwar-zen Gefiederfarbe der Rabenvögel– hier wünscht sich der weiterge-hend Interessierte mehr Detail-schärfe. Auch der Umgang mitdem Intelligenzbegriff ist proble-matisch. Z.B. beruht das Futterver-stecken (wobei die Konkurrenzgetäuscht werden soll) nicht aus-schließlich auf Einsicht; Untersu-chungen in der „Konrad LorenzForschungsstelle für Ethologie“ inGrünau (Austria) zeigen, dass diemotorischen Abläufe des Verste-ckens als Instinkthandlungen ange-legt sind und nach dem Flüggewer-den rabenspezifisch reifen müssen.Aber gerade hier, wo die For-schung auch noch keine hinrei-chend fassbaren Ergebnisse produ-ziert hat, würden vermutlich zuviele wissenschaftliche Theorienden Spaß beim Lesen trüben.

RRaabbeennsscchhwwaarrzzee IInntteelllliiggeennzz..Josef H. Reichholf, Herbig Verlag,München, 2009. 253 S., 19,95 R.ISBN 978-3-7766-2600-1.

Wolfgang Kricke, Nettetal