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107 Naturschutz und Landschaftsplanung 39, (4), 2007 1 Einführung Siedlungserweiterungen fanden bisher in aller Regel mittels Aufstellen eines Bauleit- plans gemäß § 5 bzw. § 9 BauGB statt. Die Siedlungsflächenausdehnung kann aber nur eingeschränkt werden, wenn gleichzeitig im Innenbereich die vorhandenen städtebauli- chen Potenziale erschlossen werden. Auch die Novelle des BauGB zielt auf die Verrin- gerung der Flächeninanspruchnahme durch Wiedernutzung von Flächen, Nachverdich- tung und andere Maßnahmen der Innenent- wicklung ab, um die erstmalige Inanspruch- nahme von Flächen zu verringern (vgl. Be- gründung zum Gesetzesentwurf, Drs. 16/2496). Innenentwicklung stellt somit ei- nen wichtigen Beitrag zur Schonung von Flächenressourcen dar und steht deshalb zu Recht weit oben auf der politischen Agenda. Gerade wegen der Dringlichkeit des Prob- lems ist es aber wichtig, dabei „das Kind nicht mit dem Bade auszuschütten“ – will heißen: die Siedlungsdichte soll aus ver- Landschaftsplanung und Eingriffsregelung im Innenbereich Plädoyer für einen „Landschaftsplan für den Innenbereich“ Von Christian Küpfer, Sascha Arnold, Jürgen Deuschle und Klaus Müller-Pfannenstiel Zusammenfassung Innenentwicklung zur Verringerung der zusätz- lichen Inanspruchnahme von Flächen für bau- liche Nutzungen und gleichzeitiger Erhalt be- deutender Freiflächen sowie deren Entwicklung im Innenbereich sind nicht nur ökologisch, son- dern auch (makro-)ökonomisch und sozial be- gründbar. Forschung und Planung stehen be- züglich der im Stadtumbau virulenten Aufgaben noch am Anfang eines mühsamen, aber notwen- digen Lern- und Anpassungsprozesses. Dort, wo die Innenentwicklung eine besondere Rolle spielt, wird der Flächennutzungsplan der Zu- kunft ein städtebauliches Innenentwicklungs- konzept beinhalten müssen. In diesem Zusam- menhang sollte die Landschaftsplanung den Innenbereich in derselben Tiefenschärfe wie den Außenbereich berücksichtigen. Geeignetes Planungsinstrument hierfür wäre ein „Land- schaftspan für den Innenbereich“ (LPi). Ein LPi zum Innenentwicklungskonzept gibt dann die Legitimation, die Strategie und so das Funda- ment für geplantes Handeln im Siedlungsbe- reich vor. Vor dem Hintergrund der Novelle des Baugesetzbuches durch das Gesetz zur Erleich- terung von Planungsvorhaben für die Innenent- wicklung der Städte vom 21.12.2006 und dem damit einhergehenden teilweisen Wegfall der Umweltprüfung sowie der Kompensationsver- pflichtung erscheint eine stärkere Berücksichti- gung landschaftsplanerischer Belange im Rah- men der vorbereitenden Bauleitplanung umso mehr von Bedeutung. Vorhandene Methoden und Inhalte sind wei- terzuentwickeln und festzulegen, damit ein „Ziel- katalog Landschaftsplanung im Innenbereich“ erstellt werden kann. Dabei spielen artenschutz- rechtliche Belange eine herausragende Rolle. Weiterhin ist wichtig, Akzeptanz bei Stadtpla- nern und Kommunalpolitikern zu erreichen, weil über eine fundierte Landschaftsplanung stadtstrukturelle Fehler vermieden, Planungen beschleunigt und dadurch Kosten gespart wer- den. Entsprechende Handlungsvorschläge wer- den unterbreitet. Summary Landscape Planning and Impact Regulation in Inner Urban Areas Plea for a ‘Landscape Plan for Inner Urban Areas’ Development of inner urban areas to reduce ad- ditional land consumption as well as protection and advancement of valuable open space with- in settled areas have not only an ecological but also a (macro-)economic justification. In view of the virulent tasks of urban renewal research and planning are still at the beginning of a te- dious but necessary process of learning and ad- justment. In areas of particular importance for the in- ner urban development future land use plans have to include a specific urban development concept. In this context landscape planning should consider these areas in the same depth as in the open country. Suitable planning instru- ment could be a ‘Landscape Plan for Inner Ur- ban Areas’ (LPi), providing the legitimation, strategy and at the same time the grounding for planning activities in urban areas. A stronger consideration of landscape plan- ning aspects in the preliminary development planning process has gained particular impor- tance in view of the amended German Building Code. The amendment of January 21, 2006 has introduced a law to facilitate planning projects in inner urban areas, partly abandonning the du- ty to conduct environmental assessments and the need to compensate for environmental in- terferences. Existing methods and contents have to be fur- ther developed and defined in order to establish a ‘Target Concept for Landscape Planning in In- ner Urban Areas’. Additionally it is important to gain acceptance of town planners and local politicians, since well-founded landscape plan- ning helps to avoid errors of urban structure and to reduce costs by accelerating planning processes. Finally, the study provides respective recommendations. schiedenen Gründen optimiert, nicht aber maximiert werden. Ein verantwortungsbe- wusstes, nachhaltiges Siedlungsflächenma- nagement muss deshalb zum Ziel haben, den Siedlungsraum möglichst effektiv und effizi- ent zu nutzen. Dieses umfasst eine zumindest ausreichende Quantität und eine hohe Qua- lität der innerstädtischen Freiflächen (KÜP- FER 2003). Aus dieser Forderung ergibt sich ein wesentlicher Handlungsbedarf auf meh- reren Ebenen: Ü Landschaftsplanung: Die städtebauliche Innenentwicklung birgt zwar einerseits die Gefahr, dass im Prozess des Umnutzens wichtige Freiräume verloren gehen, etwa durch Nachverdichten oder Schließen von Baulücken auf ökologisch und landschafts- ästhetisch sensiblen Innenbereichsflächen. Andererseits ist damit aber auch eine große Chance verbunden: Wenn Gebäude abgeris- sen oder Parkplatzflächen entsiegelt werden, können zumindest partiell auch wichtige neue Freiflächen geschaffen werden. Insbe- sondere für den Verbund von Grünflächen, das Öffnen von Gewässerverdolungen oder die Möglichkeit, attraktive Fuß- und Radwe- geverbindungen durch bisher völlig abge- schirmte Bereiche hindurch zu schaffen, können sich ganz neue Möglichkeiten er- öffnen (z.B. BALDAUF & BÜCHNER 2003, Hochschule Nürtingen 2004). Für solche Konzepte fehlen bisher übertragbare metho- dische Grundlagen. Ü Eingriffsregelung: Für eine Umweltprü- fung können fachlich-methodische Proble- me vorliegen, wenn z.B. die notwendige Da- tengrundlage im Innenbereich nicht existiert oder nur mit hohem Aufwand generiert wer- den kann. Hinzu kommen Schwierigkeiten hinsichtlich der Bewertung, weil die meisten entwickelten Bewertungsmaßstäbe für die Schutzgüter nach § 1 BauGB Abs. 6 Nr. 7 auf die freie Landschaft ausgerichtet sind. Aus den artenschutzrechtlichen Anforderungen nach § 19 (3) Satz 2 BNatSchG resultieren zudem bei einer Betroffenheit streng oder besonders geschützter Arten spezifische ju- ristische und praktische Probleme des Arten- schutzes, deren Auswirkungen die Zulässig- keit eines Vorhabens beeinflussen können (vgl. ALBIG et al. 2003, GASSNER 2004, GEL- LERMANN 2003). Konventionen zur Lösung dieser Probleme sind nicht zuletzt wegen der gesetzlichen Vorgabe von großer Dringlichkeit. Nachfol- gend werden zum einen Konventionsvor- schläge unterbreitet und zum anderen wird

Landschaftsplanung und Eingriffsregelung im Innenbereich · Plan for Inner Urban Areas’ Development of inner urban areas to reduce ad-ditional land consumption as well as protection

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107Naturschutz und Landschaftsplanung 39, (4), 2007

1 Einführung

Siedlungserweiterungen fanden bisher inaller Regel mittels Aufstellen eines Bauleit-plans gemäß § 5 bzw. § 9 BauGB statt. DieSiedlungsflächenausdehnung kann aber nureingeschränkt werden, wenn gleichzeitig imInnenbereich die vorhandenen städtebauli-chen Potenziale erschlossen werden. Auchdie Novelle des BauGB zielt auf die Verrin-gerung der Flächeninanspruchnahme durchWiedernutzung von Flächen, Nachverdich-

tung und andere Maßnahmen der Innenent-wicklung ab, um die erstmalige Inanspruch-nahme von Flächen zu verringern (vgl. Be-gründung zum Gesetzesentwurf, Drs.16/2496). Innenentwicklung stellt somit ei-nen wichtigen Beitrag zur Schonung vonFlächenressourcen dar und steht deshalb zuRecht weit oben auf der politischen Agenda.Gerade wegen der Dringlichkeit des Prob-lems ist es aber wichtig, dabei „das Kindnicht mit dem Bade auszuschütten“ – willheißen: die Siedlungsdichte soll aus ver-

Landschaftsplanung und Eingriffsregelung imInnenbereichPlädoyer für einen „Landschaftsplan für den Innenbereich“

Von Christian Küpfer, Sascha Arnold, Jürgen Deuschle und Klaus Müller-Pfannenstiel

Zusammenfassung

Innenentwicklung zur Verringerung der zusätz-lichen Inanspruchnahme von Flächen für bau-liche Nutzungen und gleichzeitiger Erhalt be-deutender Freiflächen sowie deren Entwicklungim Innenbereich sind nicht nur ökologisch, son-dern auch (makro-)ökonomisch und sozial be-gründbar. Forschung und Planung stehen be-züglich der im Stadtumbau virulenten Aufgabennoch am Anfang eines mühsamen, aber notwen-digen Lern- und Anpassungsprozesses. Dort,wo die Innenentwicklung eine besondere Rollespielt, wird der Flächennutzungsplan der Zu-kunft ein städtebauliches Innenentwicklungs-konzept beinhalten müssen. In diesem Zusam-menhang sollte die Landschaftsplanung denInnenbereich in derselben Tiefenschärfe wieden Außenbereich berücksichtigen. GeeignetesPlanungsinstrument hierfür wäre ein „Land-schaftspan für den Innenbereich“ (LPi). Ein LPizum Innenentwicklungskonzept gibt dann dieLegitimation, die Strategie und so das Funda-ment für geplantes Handeln im Siedlungsbe-reich vor. Vor dem Hintergrund der Novelle desBaugesetzbuches durch das Gesetz zur Erleich-terung von Planungsvorhaben für die Innenent-wicklung der Städte vom 21.12.2006 und demdamit einhergehenden teilweisen Wegfall derUmweltprüfung sowie der Kompensationsver-pflichtung erscheint eine stärkere Berücksichti-gung landschaftsplanerischer Belange im Rah-men der vorbereitenden Bauleitplanung umsomehr von Bedeutung.

Vorhandene Methoden und Inhalte sind wei-terzuentwickeln und festzulegen, damit ein „Ziel-katalog Landschaftsplanung im Innenbereich“erstellt werden kann. Dabei spielen artenschutz-rechtliche Belange eine herausragende Rolle.Weiterhin ist wichtig, Akzeptanz bei Stadtpla-nern und Kommunalpolitikern zu erreichen,weil über eine fundierte Landschaftsplanungstadtstrukturelle Fehler vermieden, Planungenbeschleunigt und dadurch Kosten gespart wer-den. Entsprechende Handlungsvorschläge wer-den unterbreitet.

Summary

Landscape Planning and Impact Regulation inInner Urban Areas – Plea for a ‘LandscapePlan for Inner Urban Areas’

Development of inner urban areas to reduce ad-ditional land consumption as well as protectionand advancement of valuable open space with-in settled areas have not only an ecological butalso a (macro-)economic justification. In viewof the virulent tasks of urban renewal researchand planning are still at the beginning of a te-dious but necessary process of learning and ad-justment.

In areas of particular importance for the in-ner urban development future land use planshave to include a specific urban developmentconcept. In this context landscape planningshould consider these areas in the same depth asin the open country. Suitable planning instru-ment could be a ‘Landscape Plan for Inner Ur-ban Areas’ (LPi), providing the legitimation,strategy and at the same time the grounding forplanning activities in urban areas.

A stronger consideration of landscape plan-ning aspects in the preliminary developmentplanning process has gained particular impor-tance in view of the amended German BuildingCode. The amendment of January 21, 2006 hasintroduced a law to facilitate planning projectsin inner urban areas, partly abandonning the du-ty to conduct environmental assessments andthe need to compensate for environmental in-terferences.

Existing methods and contents have to be fur-ther developed and defined in order to establisha ‘Target Concept for Landscape Planning in In-ner Urban Areas’. Additionally it is important togain acceptance of town planners and localpoliticians, since well-founded landscape plan-ning helps to avoid errors of urban structure andto reduce costs by accelerating planningprocesses. Finally, the study provides respectiverecommendations.

schiedenen Gründen optimiert, nicht abermaximiert werden. Ein verantwortungsbe-wusstes, nachhaltiges Siedlungsflächenma-nagement muss deshalb zum Ziel haben, denSiedlungsraum möglichst effektiv und effizi-ent zu nutzen. Dieses umfasst eine zumindestausreichende Quantität und eine hohe Qua-lität der innerstädtischen Freiflächen (KÜP-FER 2003). Aus dieser Forderung ergibt sichein wesentlicher Handlungsbedarf auf meh-reren Ebenen:Ü Landschaftsplanung: Die städtebaulicheInnenentwicklung birgt zwar einerseits dieGefahr, dass im Prozess des Umnutzenswichtige Freiräume verloren gehen, etwadurch Nachverdichten oder Schließen vonBaulücken auf ökologisch und landschafts-ästhetisch sensiblen Innenbereichsflächen.Andererseits ist damit aber auch eine großeChance verbunden: Wenn Gebäude abgeris-sen oder Parkplatzflächen entsiegelt werden,können zumindest partiell auch wichtigeneue Freiflächen geschaffen werden. Insbe-sondere für den Verbund von Grünflächen,das Öffnen von Gewässerverdolungen oderdie Möglichkeit, attraktive Fuß- und Radwe-geverbindungen durch bisher völlig abge-schirmte Bereiche hindurch zu schaffen,können sich ganz neue Möglichkeiten er-öffnen (z.B. BALDAUF & BÜCHNER 2003,Hochschule Nürtingen 2004). Für solcheKonzepte fehlen bisher übertragbare metho-dische Grundlagen.Ü Eingriffsregelung: Für eine Umweltprü-fung können fachlich-methodische Proble-me vorliegen, wenn z.B. die notwendige Da-tengrundlage im Innenbereich nicht existiertoder nur mit hohem Aufwand generiert wer-den kann. Hinzu kommen Schwierigkeitenhinsichtlich der Bewertung, weil die meistenentwickelten Bewertungsmaßstäbe für dieSchutzgüter nach § 1 BauGB Abs. 6 Nr. 7 aufdie freie Landschaft ausgerichtet sind. Ausden artenschutzrechtlichen Anforderungennach § 19 (3) Satz 2 BNatSchG resultierenzudem bei einer Betroffenheit streng oderbesonders geschützter Arten spezifische ju-ristische und praktische Probleme des Arten-schutzes, deren Auswirkungen die Zulässig-keit eines Vorhabens beeinflussen können(vgl. ALBIG et al. 2003, GASSNER 2004, GEL-LERMANN 2003).

Konventionen zur Lösung dieser Problemesind nicht zuletzt wegen der gesetzlichenVorgabe von großer Dringlichkeit. Nachfol-gend werden zum einen Konventionsvor-schläge unterbreitet und zum anderen wird

dargestellt, welcher Bedarf an weiterfüh-renden Untersuchungen notwendig ist, umverlässliche methodische Grundlagen zu er-halten.

2 Landschaftsplanung im Innenbereich

2.1 Problemstellung

Stadtplanung schafft Fakten von hoher Dau-erhaftigkeit. Geschehen beim Stadtumbau(z.B. Nachverdichtung, Brachflächenrecy-cling, Nutzungsoptimierung) strukturelleFehler, so werden diese im wahrsten Sinnedes Wortes „zementiert“; sie können nichtoder nur mit hohem Aufwand rückgängig ge-macht werden. Aus ökologischen, aber auchaus sozioökonomischen Gründen (s. hierzuGRUEHN 2006) sollte das Vermeiden solcherFehler oberstes Gebot der Stadtplanung sein.Folgende stadtstrukturelle Fehler mit ent-sprechenden Folgen für die Stadtökologielassen sich häufig feststellen:Ü Verbau von Kaltluftabflussbahnen: Unter-binden von Kaltluftzufuhr sowie -transportdurch den Siedlungskörper,Ü zu hohe Verdichtung zulasten wertvollerGrünstrukturen: Verringern des wohn- undzentrumsnahen Erholungspotenzials, Unter-binden des Biotopverbunds,Ü Riegelbildung durch überdimensioniertebzw. falsch gestellte Gebäude: Unterbrechendirekter Verbindungen für den nicht motori-sierten Verkehr (Arbeiten, Einkaufen, Erho-len), Unterbinden des Biotopverbunds,Ü Heranrücken von Baukörpern an Fließge-wässer: „Einmauern“ der Gewässer, Zunah-me der Hochwassergefährdung im Gewäs-sersystem.

Aus diesen Erkenntnissen heraus erhebtsich die Forderung nach konsequenter Be-gleitung des Nachverdichtungs- bzw. Um-nutzungsprozesses durch eine umfassende,frühzeitig eingeschaltete Landschaftspla-nung im Innenbereich.

Für eine effektive Begleitplanung derstädtebaulichen Entwicklung reicht eineKartierung der vorhandenen Grünstrukturenim Innenbereich nicht aus. Neben einer dif-ferenzierten Betrachtung des städtischenGrüns hinsichtlich dessen Schutzwürdigkeitist darüber hinaus notwendig, die Entwick-lungspotenziale für neue Freiräume auf-zuzeigen, insbesondere in Bezug auf dieVernetzungsmöglichkeiten für Arten undBiotope und den nichtmotorisierten Indi-vidualverkehr. So benennt z.B. § 15a Land-schaftsgesetz NRW den so genannten Stadt-ökologischen Fachbeitrag als gutachterli-chen Landschaftsplan für den baulichenInnenbereich, der u.a. Leitbilder und Emp-fehlungen zur Sicherung, Pflege und Ent-wicklung von Natur und Landschaft sowiefür eine ökologische Stadtentwicklung ent-hält. Einige Kommunen nutzen dieses Pla-nungsinstrument und steuern die Innenent-wicklung in diesem Sinne, indem sie Land-schaftsplanungen auf Ebene des Flächen-nutzungsplans auch für den Innenbereicherstellen (s. PETER 1998). Auch enthält z.B.der Landschaftsplan der Stadt WiesbadenAnsätze zur Inwertsetzung von Frei- undGrünflächennutzungen im Siedlungsbe-

reich. Ein Schwerpunkt der Darstellung sinddabei die aus dem Außenbereich in denInnenbereich hinein und durch den Innen-bereich hindurch führenden großen Vernet-zungsachsen und größere innerörtliche zu-sammenhängende Freiflächen (Stadt Wies-baden 2004).

2.2 Erhalt und Schaffung von Frei-flächen über den Landschaftsplanim Innenbereich

Der Erhalt und noch stärker die Neuschaf-fung von öffentlichen Grünstrukturen im In-nenbereich ist kein leichtes Unterfangen: Öf-fentliche Grünflächen haben den Ruf, teuerin der Herstellung und v.a. im Unterhalt zusein sowie hohe Opportunitätskosten zu ver-ursachen. Zudem ist häufig die Flächenver-fügbarkeit für Neuanlagen gering. Allge-mein werden sie eher aus betriebs- statt aus„stadtwirtschaftlicher“ Sicht bewertet. DerSpielraum für Freiraum begünstigende Än-derungen im Siedlungsbestand ist umsogeringer, je weniger korrigierbar die stadt-strukturellen Fehler sind. Die Attraktivitäts-steigerung der Städte innerhalb und auchaußerhalb der Stadtkerne ist aber wichtig,um Sub- und Desurbanisierungsprozesse imSinne der Stadt- und Regionalplanung unterBerücksichtigung der Wohnwünsche der Be-völkerung beeinflussen zu können. Planungdarf nicht erst reparierend auf Objektebeneansetzen, sondern soll vorsorgend über dieVermeidung stadtstruktureller Fehler initiiertwerden und ist um die ganzheitliche Betrach-tung des Freiflächenpotenzials von Sied-lungsräumen und ihrer Wirkungen auf denMenschen und seiner Umwelt zu ergänzen.Das leistet z.B. der Stadtökologische Fach-beitrag (s.o.), der (derzeit noch) von der Lan-desanstalt für Ökologie, Bodenordnung undForsten in Abstimmung mit den Städten undGemeinden in Nordrhein-Westfalen erarbei-tet wird (der Entwurf des Gesetzes zur Än-derung des Landschaftsgesetzes sowie sons-tiger Vorschriften vom 05.12.2006 sieht dieAbschaffung des stadtökologischen Fachbei-trages für den baulichen Innenbereich vor).

Es geht also nicht nur um die Anlage einesqualitätsvollen Platzes oder eines wertvollenStadtbiotops („Objektebene“). Vielmehr istdie konzeptionelle Arbeit zur Schaffungdurchgehender Grünstrukturen, die den In-nen- mit dem Außenbereich verbinden, ent-scheidende Grundlage für nachhaltigesGrünflächenmanagement („Konzeptebene“).Die Verzahnung von Innen- und Außenbe-reich ist ein klassischer Bereich der Land-schaftsplanung. Die sich über die Nutzungs-optimierung im Innenbereich eröffnendenPotenziale sollten deshalb konsequent ge-nutzt werden. Entsprechend lassen sich fürden Innenbereich folgende Fragen formu-lieren:Ü Welches sind die Frei- und Grünflächeneiner Stadt bzw. Gemeinde, die auch beieiner forcierten Innenentwicklung (Nachver-dichtung, Wiedernutzbarmachung etc.) er-halten werden sollen?Ü Wo bestehen Möglichkeiten der Rückfüh-rung überbauter bzw. versiegelter in offene,evtl. begrünte Freiflächen?

Ü Wo bestehen Flächen mit aktuell geringerBedeutung, aber hohem Entwicklungspoten-zial?Ü Welche Punkte, Linien und Flächen imstädtischen Freiraumgefüge lassen aufgrundmultifunktionaler Wirkungen den größten„stadtwirtschaftlichen“ Nutzen erwarten?Ü Wie lassen sich die Belange des Arten-schutzrechtes ohne naturschutzfachlicheZielkonflikte (z.B. Minimierung des Land-schaftsverbrauchs vs. Betroffenheit strenggeschützter Arten) in den Planungsablauf in-tegrieren?

108 Naturschutz und Landschaftsplanung 39, (4), 2007

Exkurs: Beispiel Stadt PfullingenEin gutes Beispiel für ein vorausschauen-des Grünflächenmanagement bietet dieStadt Pfullingen (Baden-Württemberg).Die bauliche Entwicklung der Stadt istnach wie vor dynamisch; die Ausdeh-nungsmöglichkeiten des Siedlungsraumsnach außen sind aber topografisch be-dingt sehr begrenzt. Aufgrund erhebli-cher gegebener städtebaulicher Defizitewurde im Jahr 1973 (!) ein Stadtentwick-lungsplan erstellt, dessen Grundaussagennach wie vor Gültigkeit haben. Viele in-nerstädtische, u.a. direkt am „Stadtfluss“Echaz gelegene Gebäude waren stark sa-nierungsbedürftig oder mussten abgeris-sen werden (Stadt Pfullingen 1973).Auch die alten innerstädtischen Indust-rieflächen haben nach und nach ihre Be-deutung verloren und wurden in den letz-ten Jahrzehnten aufgegeben. Für dieBrachflächen wurden neue Nutzungengesucht. Mittlerweile wurden einige die-ser Industriebrachen neu strukturiert undin Wohn- oder Gewerbeflächen umge-wandelt; der Umnutzungsprozess ist nachwie vor im Gange.

Dieser Stadtentwicklungsplan ist einfrühes Beispiel für interdisziplinäre Zu-sammenarbeit: Der Gutachterkommis-sion gelang es, ein stimmiges, in die ge-samte Stadtentwicklungsplanung inte-griertes innerstädtisches Grünflächen-konzept auf den Weg zu bringen. Nebender Renaturierung der Echaz sieht dasKonzept Fuß- und Radwege entlang derGewässer vor. Seit Mitte der 70er Jahrewerden z.B. die Renaturierungsmaßnah-men mit multipler Funktionalität Stückfür Stück umgesetzt (s. Abb. 1).

Das Beispiel Pfullingen zeigt deutlich,welche Bedeutung ein funktionierendes,zusammenhängendes System vernetzterGrünflächen hat: Indem ökologisch be-sonders wichtige Bereiche von einer Be-bauung ausgespart werden, wird zwardie potenzielle Fläche teuren Baulandesnicht völlig ausgeschöpft. Durch ihremultifunktionale Bedeutung sind sieaber sehr wichtige ökologische und so-ziale Bausteine der Stadtstruktur. Aucheine ökonomische Dimension ist er-kennbar: Die Attraktivität der Wohnla-gen an den Grünzonen und die Nachfra-ge nach ihnen ist seit den Maßnahmen-umsetzungen stark gestiegen (POHL

2004, mdl.)

2.3 Vorschläge zur Weiterentwicklungder vorhandenen Planungs-methoden: Inhalte eines LPi

Grundlage der nachfolgenden Vorschlägebilden die Ergebnisse eines Schwerpunkt-projektes an der Hochschule Nürtingen(2004), die von den Autoren weiterentwi-ckelt wurden.

BestandsaufnahmeWelche Inhalte benötigt ein Landschaftsplanim Innenbereich, der den skizzierten Anfor-derungen genügt? Die Bestandsaufnahmesoll die relevanten, von Überbauung eventu-ell betroffenen Flächen, Linien und Punkteaufzeigen. Darüber hinaus bereitet sie dieErmittlung des Handlungsbedarfes vor. Siesollte idealerweise luftbildunterstützt an-hand einer Kartierung vor Ort erfolgen (etwaim Maßstab 1: 2 500). Beispielhafte Mindes-tinhalte des LPi-Bestandsplanes sind inTab. 1 dargestellt.

Bewertung des Bestands hinsichtlich Ge-fährdung und Freiraumentwicklungspo-tenzialDie Bewertung liefert Informationen überdie Schutzwürdigkeit und das Entwicklungs-potenzial bestimmter Flächen. Sie ist nichtstandardisierbar, denn in jeder Kommunesind die besonderen naturräumlichen Eigen-schaften zu berücksichtigen. Dennoch gibtes Idealtypen, für die nachfolgend eine bei-spielhafte Trendbewertung versucht wird,die an die jeweiligen konkreten lokalen Ver-hältnisse anzupassen ist (s. Tab. 2).

Konfliktanalyse, Leitbild und Maßnah-menDie Konfliktanalyse erfolgt verbal und kannkartographisch unterstützt sein. FolgendeFragen sind dabei relevant:Ü In welchen Bereichen bestehen aus land-schafts- resp. stadtökologischer Sicht Defizi-te? (z.B. Verdolung, Versiegelung, Unterbre-chung von Verbundlinien)Ü Welche Grünbereiche sind aus land-schafts- resp. stadtökologischer Sicht beson-ders erhaltenswürdig, sind aber von Über-bauung bedroht?Ü Welche naturschutzfachlichen und arten-schutzrechtlichen Konflikte mit stadtplaneri-schen Zielsetzungen bestehen?

Die Beantwortung dieser Fragen führt un-mittelbar zu den Kernaussagen des LPi, wel-che flächigen, linien- und punktförmigenLandschaftselemente wo erhalten bzw. neugeschaffen werden sollen („Leitbild“). Be-sonders wichtig ist dabei eine fundierteBegründung, weil Freiflächen hinsichtlichErhalt, Schaffung und Unterhalt Kosten her-vorrufen. Die Realisierbarkeit der Maßnah-men, die sich aus dem Leitbild ergeben,steigt proportional zum Nutzen, den die Frei-flächen bieten. Multifunktionalitäten spielendabei eine besondere Rolle.

Die Ergebnisse eines standardisierten„Landschaftsplans für den Innenbereich“(LPi) sollten dann in ein städtebauliches (In-nen-)Entwicklungskonzept nach §1 (6) Nr.11oder direkt in den Flächennutzungsplan ein-fließen. Ein LPi könnte Bestandteil eines Ge-

samt-Landschaftsplans sein oder zusätzlichzu einem „Außenbereichs-Landschaftsplan“erstellt werden. Die zwischen Landschafts-plan und Innenentwicklungskonzept abge-stimmten planerischen Schritte könnten fol-gendermaßen aussehen (n. Hochschule Nür-tingen 2004):Ü Bestandskarte Landschaftsplan im Innen-bereich (LPi): Der Bestand an für relevant er-achteten Grünstrukturen und Arten im Sied-lungsbereich wird erfasst und kartographischdargestellt (z.B. Parks, Spiel- und Sport-plätze, Gewässer mit Randstreifen, Ruderal-flächen, Kleingärten oder markante Einzel-gehölze).

Ü Bewertungs- und Konfliktkarte LPi: DieStrukturen werden unter Gesichtspunktendes Arten- und Biotopschutzes, des Stadtbil-des und der Erholung bewertet. Hieraus kön-nen Restriktionen für die Bebauung abgelei-tet und Konflikte aufgezeigt werden. Ü Bestandskarte Innenentwicklungskonzept:Der besiedelbare Raum wird abgegrenzt undpotenzielle Bauflächen werden dargestellt(u.a. Baulücken, untergenutzte Grundstückeoder Flächen, die erst durch Zusammenle-gen mit Nachbargrundstücken bebaubar wä-ren). Ü Bewertungs- und Konfliktkarte Innenent-wicklungskonzept: Durch Überlagerung der

109Naturschutz und Landschaftsplanung 39, (4), 2007

Abb. 1: Renaturierungsmaßnahmen an der Echaz im besiedelten Bereich (2004).Foto: Archiv der Stadt Pfullingen

Tab. 1: Vorschlag für die Bestandserhebung im Rahmen eines Landschaftsplans für den Innenbereich.

Nutzungsart Einzelstruktur (Beispiele)

Grünflächen (Kartierung z.B. nach Biotopschlüssel LfU 2001)

Grünfläche flächig Hänge, Auen, Parks, Stadtwald, Friedhöfe, Sportplätze, Sukzessions-und Ruderalflächen, Klein- und Schrebergärten

Grünfläche linear Gehölzzüge (Alleen, Hecken, Ufergehölze), Bahnlinien, Verkehrsgrün

Grünfläche punktuell Einzelbäume, Erhebungen, Stillgewässer, Spielplätze, Verkehrsinseln

Siedlungsflächen, Ortsränder

Einfamilienhausgebiet bebaute Flächen mit hohem Grünflächenanteil

Mehrfamilienhausgebiet bebaute Flächen mit hohem bis mittlerem Grünflächenanteil

Stadt-/Dorfkerngebiet bebaute Flächen mit geringem Grünflächenanteil

Gewerbegebiet bebaute Flächen mit geringem Grünflächenanteil

Freiflächen alle sonstigen unbegrünten freien, auch versiegelten Flächen

Ortsrand verzahnt Bebauung mit offener Landschaft verzahnt

Ortsrand abgeschirmt kräftige Bepflanzung/ Eingrünung

Ortsrand bebaut durch Gebäude geprägte Kante

Infrastruktur

Fuß- und Radwege Flächen für den nicht motorisierten Verkehr

Straßen Flächen für den motorisierten Verkehr /

Gleisanlagen Flächen für den Schienenverkehr

potenziell bebaubaren Flächen mit den land-schaftsplanerischen Restriktionen resultie-ren die bei Inanspruchnahme von hinsicht-lich Natur und Landschaft hochwertigen Flä-chen zu erwartenden Konflikte. Ü Maßnahmenkarte LPi/Innenentwicklungs-konzept: In dieser Karte werden möglicheBauflächen (etwa in den Kategorien kurz-fristig bebaubar – mittelfristig bebaubar –Bebauung nicht sinnvoll) und die zu berück-sichtigenden Maßnahmen bzw. Restriktio-nen (z.B. Abstände von hochwertigen Flä-chen, Entsiegelung/Rückführung besonderswichtiger Naturbereiche) dargestellt.

Mit einer solchen Planung verfügt eineKommune über ein Instrumentarium zurnachhaltigen Innenentwicklung.

Integration des Artenschutzes in den LPiZusätzlich zu den originären Aufgaben derLandschaftsplanung ist auch die Berücksich-tigung von Zielen und Maßnahmen desArtenschutzes zu beachten, der neben demGebietsschutz über die Natura 2000-Gebie-te hinaus eine herausgehobene Bedeutungfür die Umsetzung der Ziele des Naturschut-zes und der Landschaftspflege bekommenhat. Neben der naturschutzfachlich sinnvol-len Integration von Artenhilfsprogrammenim Rahmen der kommunalen Landschafts-planung ist der Artenschutz von besondererZulassungsrelevanz für die Bauleitplanung,da die artenschutzrechtlichen Anforderun-gen ebenso wie die FFH-Belange nicht derbauleitplanerischen Abwägung zugänglichsind, sondern striktes Recht mit spezifischenZulassungs- und Befreiungsanforderungenbeinhalten (GASSNER 2004, GELLERMANN

2003, 2004).

Im Rahmen der Integration der Arten-schutzbelange in den LPi können die ent-sprechenden artenschutzrechtlichen Frage-stellungen für die gemäß § 10 Abs. 2 Nr. 11BNatSchG streng und besonders geschütz-ten Tier- und Pflanzenarten behandelt wer-den, die sich aus den einschlägigen europäi-schen Richtlinien (FFH- und Vogelschutz-Richtlinie, VS-RL) sowie aus der nationalenGesetzgebung (BNatSchG) ergeben.

Bei der planerischen Bewältigung vonEingriffen wurden Aspekte des speziellenArtenschutzes in der Vergangenheit kaumbeachtet. Das hat sich in den letzten Jahrendurch die Aufnahme der streng geschütztenArten in die Eingriffsregelung, insbesondereaber durch verschiedene Gerichtsentschei-dungen zum Artenschutz verändert (z.B.EuGH, Urteil v. 30.01.2002, Hess. VGH, Ur-teil v. 24.11.2003, EuGH, Urteil v. 06.01.2006). Die zentralen Vorschriften des beson-deren Artenschutzes finden sich in § 42BNatSchG, der für die besonders und diestreng geschützten Tiere und Pflanzen unter-schiedliche Zugriffs- und Störungsverbotevorsieht. Der Schutz umfasst Nist-, Brut-,Wohn- oder Zufluchtstätten wie z.B. Nesterund Höhlen von Vögeln sowie Wochenstu-ben-, Tages- und Balzquartiere von Fleder-mäusen.

Die Nennung der streng geschützten Artenim § 19 Abs. 3 S. 1 BNatSchG ist als zusätz-liche Gewichtung der Belange im Rahmender Vorrangentscheidung zugunsten des Na-turschutzes zu verstehen, nicht jedoch alsVerfahrensregelung zur Umsetzung der eu-roparechtlichen Artenschutzanforderungenoder zur Umgehung der Befreiungsregelungnach § 62 BNatSchG .

Der LPi wäre das geeignete Instrument,um die erforderlichen Informationen, die zurBerücksichtigung des Artenschutzrechtes imSinne der europäischen Artenschutzanforde-rungen und des BNatSchG erforderlich sind,frühzeitig zu liefern und damit spätere Kon-fliktpotenziale zu minimieren. In seinemRahmen können die ergänzenden Anforde-rungen aus dem Artenschutzrecht sowohlhinsichtlich entsprechender Artenschutz-konzepte im besiedelten und unbesiedeltenBereich als auch im Rahmen der Bauleit-planung und Zulassung von Bauvorhabenabgearbeitet werden. Die Belange des Ar-tenschutzes lassen sich dergestalt integrie-ren, dass die Bestandserfassung und Bewer-tung der einzelnen relevanten Arten mit denErhebungen der Biotopstrukturen und Nut-zungen einhergehen.

3 Eingriffsregelung im Innenbereich

3.1 Problemstellung

Die Eingriffsregelung in der Bauleitplanungist methodisch stark auf Vorhaben ausgerich-tet, die bisher unbebaute Landschaft in An-spruch nehmen. Für den Innenbereich lassensich diese Methoden nur bedingt anwenden.Dieses hat mehrere Ursachen:

schlechte DatenlageIn vielen Fällen sind landschaftsplanerischverwertbare Daten für Freiflächen im Sied-lungsbestand in aller Regel in weit geringe-rem Umfang verfügbar als für bisher unbe-baute Flächen am Ortsrand o.ä. Hierzu gibtTab. 3 eine Übersicht.

kleinflächige Bauvorhaben im besiedeltenBereichStädtebauliche Erneuerung findet nicht nurauf Dutzende Hektar großen Gewerbebrach-flächen statt, sondern auch auf nur wenige Arumfassenden Einzelparzellen z.B. in oderam Rande der Innenstadt.

§ 13a BauGB 2007 sieht vor, dass für Be-bauungspläne der Innenentwicklung miteiner Grundfläche von maximal 2 ha die for-melle Umweltprüfung und die aus Eingriffenresultierenden Kompensationsverpflichtun-gen entfallen, sofern keine Pflicht zur Um-weltverträglichkeitsprüfung nach UVPGoder nach Landesrecht besteht und keine Be-einträchtigung von Gebieten von gemein-schaftlicher Bedeutung nach FFH-RL odervon europäischen Vogelschutzgebieten ge-geben sind (JESSEL et al. 2006). Dennochsind die Umweltbelange gemäß § 1 (6)BauGB bei der Aufstellung der Bauleitplänezu berücksichtigen. Für die Einstellung undGewichtung der Belange in die planerischeAbwägung ist die Erfassung bzw. Dokumen-tation der Umweltbelange erforderlich, wasbisher im Rahmen des Umweltberichts er-folgte. Dieses Defizit könnte von einem LPiaufgefangen werden. Ansonsten fehlt dasentsprechende „Medium“ für die unabhän-gig von der Pflicht zur Umweltprüfung bzw.Eingriffsregelung notwendige Abarbeitungder artenschutzrechtlichen Anforderungenauf der vorgelagerten Planungsebene. Die

110 Naturschutz und Landschaftsplanung 39, (4), 2007

Tab. 2: Modellhaftes Bewertungsschema für einen Landschaftsplan im Innenbereich.Grünfläche mit Wirkung auf Schutzgut* Gefährdung Freiraumentwick-(Grünstruktur) (Bestand) * lungspotenzial

(Neuanlage) *

Flächen

Hänge Klima, Biotope, Erholung mittel bis gering gering

Auen Wasser, Biotope, Klima, Erholung (da Akzeptanz und Sensi- (kleinflächig: mittel)

Parks Klima, Erholung, Biotopebilität sind i.d.R. gegeben) (da hohe Opportuni-

Stadtwälder Klima, Biotope, Erholung, Wasser)tätskosten)

Linien

an Flussläufen Wasser, Biotope, Klima, Erholung, gering gering bis hochMobilität (da gesetzlich geschützt, (stark variierende

Gehölzzüge Biotope, Erholung, Mobilität, oder wegen gegebener Einzelfälle)

Klima Abstandsregelungen etc.) (wichtigstes Kriterium:

Gehrechte Mobilität, (Biotope, Erholung)ist Durchgängigkeit

Bahnlinien Mobilität, Biotope, (Erholung)möglich?)

Verkehrsgrün Mobilität, (Erholung)

Punkte

Plätze Erholung gering bis hoch hoch

Erhebungen Erholung (stark variierende (wegen geringen

Einzelbäume Erholung, BiotopeEinzelfälle) Platzbedarfs; Nischen-

Stillgewässer Erholung, Biotope(i.d.R. hohe Ersetzbarkeit) situationen)

Spielplätze Erholung

Verkehrsinseln (Erholung, Biotope)

fett: besonders bedeutend, Normalschrift: bedeutend, (in Klammern): nachrangig bedeutend* Standardbewertung, ist auf den Einzelfall anzupassen

dadurch bedingte Abarbeitung auf der Zulas-sungsebene erschwert die Zulassungsent-scheidung, da übergeordnete Artenhilfsmaß-nahmen in diesem Rahmen nicht mehr mög-lich sind.Des Weiteren bestehen bei kleinflä-chigen Bauvorhaben folgende Probleme:Ü Die Beurteilung kleiner Flächen erweistsich häufig als schwierig, weil Randeffekteund Wechselwirkungen mit der von demBauvorhaben nicht unmittelbar betroffenenUmgebung teilweise nur schwer einschätz-bar sind. Die zu betrachtenden Wirkräumesind häufig nicht klar abgrenzbar. Je kleinerdie zu beurteilende Fläche, desto bedeuten-der werden in der Tendenz die Ab- bzw. Ein-strahlungseffekte. Ü Ebenfalls nicht unterschätzt werden darfder verhältnismäßig hohe Erhebungsauf-wand z.B. für die Flächennutzungen undBiotoptypen: Die Grundstücke sind i.d.R.nicht frei betretbar, die Nutzungen wechselnauf kleinster Fläche und hoch auflösende Or-thofotos für eine korrekte Verortung und Flä-chenquantifizierung liegen ebenfalls nicht injeder Gemeinde vor.

Diese Umstände bedingen für die Arbeits-schritte Bestandserhebung und Bewertungerfahrungsgemäß einen im Vergleich zumFreiland deutlich erhöhten Zeitaufwand –selbst dann, wenn bereits auswertbare Grund-lagen wie z.B. eine Stadtbiotopkartierungvorliegen.

rechtliche Unwägbarkeiten und derenpraktische FolgenHinsichtlich besonders und streng geschütz-ter Arten wurden die Anforderungen an die

Zulässigkeit von Eingriffen insbesondere informeller Hinsicht deutlich verschärft. Bisvor wenigen Jahren erlaubten die zugrundeliegenden Rechtsvorschriften eine verein-fachte Abarbeitung des Artenschutzes imRahmen der Bauleit- und Grünplanung. Inder Praxis führte das aufgrund fehlenderrechtlicher Konsequenzen vielerorts jedochzu dessen Ignorierung.

Resultierend aus der FFH- und VS-RL istzumindest für die durch diese Richtlinien ge-schützten Arten ein strenges Schutzregimezu beachten. Inwieweit die national ge-schützten Arten über die Anforderungen des§ 42 BNatSchG eine Zulassungsrelevanzentfalten, wird die laufende Fachdiskussionzeigen. Naturschutzfachlich ist das nicht im-mer nachvollziehbar oder gerechtfertigt undkann im Extremfall sogar kontraproduktivwirken (z.B. LUTZ & HERRMANNS 2003). Daswird durch die aktuelle Rechtssprechung aufnationaler und internationaler Ebene bestä-tigt. Die teilweise sehr restriktive aber pra-xisfremde Rechtsinterpretation (GELLER-MANN 2003) dürfte v.a. darin begründet sein,dass einerseits eine einheitliche Rechtsspre-chung und andererseits erprobte Handlungs-empfehlungen für eine „gute fachliche Pra-xis“ fehlen, welche u.a. die Belange der ausfachlicher Sicht tatsächlich „streng“ zuschützenden Arten gegenüber anspruchsar-men, weit verbreiteten Arten mit derselbenrechtlichen Einstufung entsprechend stärkergewichten und angepasste Lösungsansätzeeröffnen würden.

Die Erarbeitung solcher Vorgaben undPrüfkriterien ist jedoch dringend geboten, da

die sich aus dem Artenschutzrecht und deraktuellen Rechtssprechung resultierendenEinschränkungen bei einer extremen Ausle-gung ohne entsprechendes Augenmaß undLösungsmöglichkeiten in der Praxis immerschwieriger darstellbar und insbesondereauch vermittelbar werden.

Vor diesem Hintergrund steigen die Anfor-derungen an die Fachkompetenz: Es bedarfvertiefter Kenntnisse im Artenschutzrechtsowie zur Aut- und Populationsökologie derbetroffenen Arten; funktionale ökologischeProzessabläufe müssen in die Planungspra-xis stärker implementiert werden als bisher.Von besonderer Bedeutung ist, den tatsäch-lichen Erhebungsaufwand und die notwendi-ge Erhebungstiefe bereits im Rahmen desvorgeschalteten Scopings sach- und auf-wandsgerecht abzuschätzen, um einen un-vorhergesehenen zeitlichen und finanziellenMehrbedarf für Nachuntersuchungen aus-schließen zu können. Konkret bedeutet dasauch, entsprechende Stellungnahmen zumUntersuchungsumfang geschützter Tier- undPflanzenarten im Rahmen der frühzeitigenBehörden- und Öffentlichkeitsbeteiligungeinzuholen.

Der Entwurf des Gesetzes zur Änderungdes BNatSchG (Stand 12/06) sieht vor, dassnach § 19 BNatSchG zugelassene Eingriffevon den artenschutzrechtlichen Verboten des§ 42 BNatSchG ausgenommen werden. Fürgeschützte Arten nach Anh. IV FFH-RL so-wie geschützte Vogelarten nach VS-RL giltdiese Ausnahme nur, sofern die ökologi-schen Funktionen der von dem Eingriff be-troffenen Fortpflanzungs- und Ruhestättenim räumlichen Zusammenhang weiterhin er-füllt werden. Damit wäre zumindest dieDiskussion um eine individuenbezogeneAuslegung hinsichtlich der artenschutzrecht-lichen Vorschriften gelöst. Zudem werdendie bisher bestehenden Befreiungsvorausset-zungen sowie die Ausnahmeregelungen desArt. 16 FFH-RL in Ausnahmetatbeständeüberführt. Dabei sind die europarechtlichenVorgaben der FFH- und VS-RL „nur noch“zu beachten, ein direkter Bezug insbesonde-re zu Art. 9 VS-RL entfällt.

3.2 Vorschläge zur Weiterentwicklung

Kleine, aber hochwertige Biotopstrukturenkönnen im dicht bebauten Innenbereich einegrößere naturschutzfachliche Bedeutung ha-ben als dieselbe Struktur im Umfeld größe-rer Biotopkomplexe im Außenbereich: Dereinzelne Stadtbaum wirkt sich häufig auf al-le Schutzgüter gleichermaßen positiv aus,sein Verlust ist an dieser Stelle möglicher-weise gravierender als der Verlust desselbeneinzelnen Baums im Außenbereich. Insoferngilt es, Bewertungsmethoden zu entwickeln,die dieser Bedeutung Rechnung tragen kön-nen.

Einen Ansatz hierfür liefert z.B. das Ein-griffsmodell der LUBW Baden-Württem-berg (Stand Oktober 2005). Gerade für Er-heblichkeitsuntersuchungen im Innenbereichist die im Modell betonte verbale Einschät-zung von großer Bedeutung und kann in vie-len Fällen auch hinreichend für die Quantifi-zierung des Kompensationsumfangs sein.

111Naturschutz und Landschaftsplanung 39, (4), 2007

Tab. 3: Datenquellen und Datenverfügbarkeit zur Eingriffsbeurteilung im Innenbereich.

Schutzgut Datenquellen, Datenverfügbarkeit DatenverfügbarkeitBewertungsgrundlagen außerhalb des im besiedelten Bereich(Parameter) besiedelten Bereichs

Boden Bodenschätzung in Ver- i.d.R. für alle Flächen i.d.R. nicht verfügbar (nicht bindung mit Heft 31 außer Wald verfügbar erhoben oder veränderte (Bewertung von Boden- Böden)funktionen; Umweltminis-terium Baden-Württem-berg 1995)

Wasser Geologische Karten, entweder aktuell verfüg- entweder aktuell verfügbar (Grund- und Baugrundgutachten, bar oder zumindest oder zumindest mittelfristig Oberflächen- ökomorphologische mittelfristig ermittelbar ermittelbar; Altlastenproble-wasser) Gewässeruntersuchungen matik

Klima und Luft Klimagutachten, Klima- entweder aktuell verfüg- i.d.R. aktuell nicht verfügbar, atlanten (Topographie bar oder über Land- nur über (kleinräumig auflö-und Nutzung, Luftqualität) schaftsplanung zumindest sende) Gutachten ermittelbar

mittelfristig ermittelbar

Landschaftsbild Kartierungen, Karten- entweder aktuell verfüg- i.d.R. aktuell nicht verfügbar; bzw. Ortsbild material zur landschafts- bar oder über Land- über die Landschaftsplanung und Erholung im gebundenen Erholung schaftsplanung auch aber kurzfristig ermittelbar; Wohnumfeld (z.B. Vielfalt und Eigenart, kurzfristig ermittelbar; (Problem: häufig sind keine

Erreichbarkeit) i.d.R. sind klare Gebiets- klaren Gebietseinheiten ab-einheiten abgrenzbar grenzbar)

Tiere und Kartierung der Biotop Flächennutzungen sind Flächennutzungen sind i.d.R. Pflanzen typen, Flora u. Fauna i.d.R. klar abgrenzbar, klein und häufig nicht klar

(insbes. geschützte Arten) Erhebungsaufwand und abgrenzbar-tiefe ist abschätzbar

Mensch Schadstoff-, Erschüt- verbal begründbar, meist verbal begründbar, z.T. aber terungs- und Lärmgut- ist eine räumliche Ab- keine eindeutige räumliche achten, (z.B. Schadstoff- grenzbarkeit des Wirk- Abgrenzbarkeit des Wirk-belastung, Wohnqualität) raums gegeben raums gegeben

Eine darüber hinaus gehende numerischeQuantifizierung kann über fünf Bewertungs-stufen (von „sehr hoch“ (Stufe A) bis „sehrgering“ (Stufe E)) vorgenommen werden.Beim Schutzgut Pflanzen und Tiere sind dieWertstufen für eine differenzierte Betrach-tung auf eine 64 Punkte-Skala aufgeweitet.Gerade für die Beurteilung von urban ge-prägten Lebensräumen für Pflanzen undTiere erscheint eine feine Differenzierungfachlich sinnvoller und gleichzeitig auchpraktikabler als eine grobe fünfstufige. Ins-besondere hinsichtlich der Beurteilung derSchutzgüter Landschaftsbild/Erholung undBoden sind jedoch noch Anpassungen desModells an die Verhältnisse im Innenbereichnotwendig. Eine prinzipielle Kompatibilitätist aber gegeben.

Im Rahmen der Umweltprüfung zumBebauungsplan kommt dem Scoping einezentrale Rolle zu, weil dort u.a. der Untersu-chungsrahmen festgelegt wird. Vor demHintergrund der genannten fachlichen Un-terschiede zur Beurteilung von Vorhaben imAußen- und Innenbereich erscheint eine me-thodische Differenzierung sinnvoll.

Die artenschutzrechtlichen Zulassungs-voraussetzungen lassen sich über einen ent-sprechenden Fachbeitrag „Artenschutz“ indie Umweltprüfung bzw. den LPi integrieren(vgl. WACHTER et al. 2004). Dieser würdegrundsätzlich die Frage beantworten, wel-che Arten im Innenbereich überhaupt pla-nungsrelevant sind und ggf. Schutzmaßnah-men darstellen, die geeignet sind den Ein-griff so zu gestalten, dass die Schädigungs-und Störungsverbote nicht eintreten.

Die Ermittlung möglicher Beeinträchti-gungen und notwendiger Erhaltungsmaß-nahmen der Populationen der geschütztenArten erfolgt auf zwei Ebenen im Rahmender Konfliktanalyse und der Maßnahmenpla-nung (vgl. EU-Kommission 2006, WACHTER

et al. 2004):Ü Ermittlung und Bewertung der artspezifi-schen Beeinträchtigungen sowie Prüfung, obfür die relevanten Arten die spezifischen Ver-botstatbestände zutreffen können,Ü Ausnahmeprüfung als Voraussetzung fürdie Befreiung gemäß den Vorgaben des § 62BNatSchG.

Hierzu führt die EU-Kommission aus:„Der Erhaltungszustand einer Art (auf demNiveau der Biogeographischen Region oderder Population) ist das Herzstück einer fle-xiblen und ausgewogenen Erteilung von Be-freiungen. Für jede Befreiung gilt, dass sienicht gewährt werden kann, sofern die ge-nehmigte Tätigkeit einen nachhaltig negati-ven Effekt auf den Erhaltungszustand oderdas Erreichen eines günstigen Erhaltungszu-standes für alle Niveaus eines Artvorkom-mens hat.“ Zielführend erscheint eine un-dogmatische artspezifische Betrachtung, dienicht nur einem dynamischen, zeitlich undräumlich diskontinuierlichen Auftreten vonArten gerecht wird, sondern auch lokale undregionale Verbreitungsmuster und Empfind-lichkeiten berücksichtigt.

Objektives Merkmal ist, ob der Eingriff indie Lebensstätte über das Individuum dielokale Teilpopulation (die Individuenge-meinschaft an einer Lebensstätte) und damit

die Funktionalität der Lebensstätte nachtei-lig beeinflusst oder ob der Eingriff bzw. derStörreiz aufgrund der Anpassungsfähigkeitdes Individuums bzw. der lokalen Teilpo-pulation z.B. durch Ausweichen vermiedenoder kompensiert werden kann. Fachlichkommen also populationsbiologische Krite-rien bzw. Merkmale zur Ausfüllung und Ab-grenzung in Betracht (EU-Kommission2006, STOCK 1995, WACHTER et al. 2004).Bei der Umsetzung der Artenschutzanforde-rungen wird nicht zwischen Außen- und In-nenbereich unterschieden. Dabei muss füreine fachlich korrekte Umsetzung ein Bezugzwischen Eingriffswirkung und verschiede-nen Habitatfunktionen der Lebensstättenhergestellt werden (einzelfallbezogene Prü-fung der Schädigungs- und Störungsverbotevon z.B. Nist, Wohn- und Brutstätten), dersich nur bei einer räumlichen, vom Einzelfalllosgelösten und eingriffsunabhängigen Ge-samtbetrachtung darstellen lässt (s. Kap. 2).

Damit wird auch die aus der herrschendenRechtsunsicherheit resultierende Frage Indi-viduenschutz contra Populationsschutz ob-solet. Bei artspezifischer Betrachtung wirdfür viele „streng geschützte“ Arten ein güns-tiger Erhaltungszustand auch ohne vertiefen-de Maßnahmen gegeben sein (z.B. die meis-ten Gebäudebrüter unter den Greifvögelnoder einzelne Fledermausarten). Bei anderenkönnen entsprechende Restriktionen erfor-derlich werden. Hierunter finden sich wie-derum Arten, für deren Erhaltungszustandausschließlich populationsökologisch wir-kende Maßnahmen geeignet sind (z.B.Schmetterlinge). Schutzbemühungen fürdiese Arten müssen je nach Empfindlichkeitmöglicherweise auch eine vorgezogeneFunktionsfähigkeit von Schutzmaßnahmensicherstellen. Nur im Extremfall ist dannnoch bei einigen besonders seltenen oderempfindlichen Arten auch der Schutz einzel-ner Individuen oder Reproduktionsstadienfür die lokale Überlebensfähigkeit und damitden günstigen Erhaltungszustand zwingend(z.B. Umsiedlung von Amphibien und ihrerLarvenstadien). Bei hochgradig gefährdetenArten sind weitreichende Schutzmaßnahmenplausibel darstellbar und damit meist auchderen Akzeptanz gegeben. Sind hingegenweit verbreitete und anspruchsarme Artenbetroffen, werden tiefgreifende Restriktio-nen kaum auf Akzeptanz stoßen. Diesem An-satz wird auch die vorgesehene rechtlicheRegelung der Novelle des BNatSchG, dieauf die ökologische Funktion der betroffenenLebensstätten abzielt, gerecht.

Die Grundlagen hierfür könnten aus ei-nem entsprechend erarbeiteten Landschafts-plan für den Innenbereich (LPi, s. Kap. 2) ab-geleitet werden. Er ist geeignet, als Teil einer„guten fachlichen Praxis“ Konfliktpotenzia-le mit dem Artenschutzrecht frühzeitig dar-zustellen und aufzuarbeiten. Er stellt dabeidie Ergebnisse einerseits dem Scopingpro-zess eines konkreten Vorhabens zur Verfü-gung und ermittelt andererseits den Bedarfan ggf. vorzuziehenden Maßnahmen zur Si-cherung eines günstigen Erhaltungszustan-des der betroffenen Arten, z.B. im Rahmenvon Nachverdichtungsvorhaben. Vor allemdokumentiert er vor dem Hintergrund der

derzeitigen Rechtsunsicherheit das Bemü-hen, die Aspekte des Artenschutzes im Sin-ne geltenden Rechtes zu berücksichtigen undmacht Prozesse der Entscheidungsfindungnachvollziehbar und für alle beteiligten Ak-teure transparent.

4 Ausblick

Methoden der Landschaftsplanung und Me-thoden zur Beurteilung von Eingriffen außer-halb des besiedelten Bereichs können ausverschiedenen Gründen nicht ohne Anpas-sung auf den Siedlungsraum angewandt wer-den. Eine Weiterentwicklung ist auch des-halb notwendig, um erstens der in § 1a (2)BauGB erhobenen Forderung nach verstärk-ter Berücksichtigung von Innenentwick-lungspotenzialen nachzukommen und zwei-tens die neuen Anforderungen insbesonderedes europäischen Artenschutzrechtes zu er-füllen. Im Innenbereich sind solche Beurtei-lungen aber tendenziell eher schwierig undaufwändig. Zudem stoßen sie auf fachlicheProbleme und solche der Datenverfügbar-keit. Diese Aspekte sind bei der Methoden-anwendung zu berücksichtigen.

Es gilt daher eine Bewertungsmethode fürden Innenbereich zu standardisieren. Es bie-tet sich an, diese Methode von existierendenBewertungsmodellen abzuleiten. Zusätzlichwäre zu klären, wie die speziellen stadtöko-logischen und spezifischen Belange desArtenschutzes in den Planungsprozess inte-griert werden können, um künftig Zielkon-flikte zwischen einer naturschutzfachlichsinnvollen und wünschenswerten baulichenEntwicklung des Innenbereichs und den Be-langen geschützter Arten zu vermeiden.

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LG NRW-E – Entwurf des Gesetzes zur Änderungdes Landschaftsgesetzes sowie sonstiger Vor-schriften vom 05.12.2006.

VS-RL – Richtlinie 70/409/EWG vom 02.04.1979über die Erhaltung der wildlebenden Vogelarten,zuletzt geändert durch RL 97/49/EWG vom29.07.1997 (ABl. EG Nr. L 223 S. 9).

Anschriften der Verfasser: Prof. Dr. Christian Küpfer,FB Landschaftsarchitektur-, Umwelt- und Stadtpla-nung, Hochschule Nürtingen, Schelmenwasen 4-8,D-72622 Nürtingen, E-Mail [email protected]; Dipl.-Ing. Sascha Arnold, Büro StadtLand-Fluss, Grötzinger Straße 12/5, D-72649 Wolfschlu-gen, E-Mail [email protected], Internet:www.stadtlandfluss.org; Dr. Jürgen Deuschle, BüroTier- und Landschaftsökologie, Käthe-Kollwitz-Straße 14, D-73257 Köngen, E-Mail deuschle@ tloe-deuschle.de, Internet: www.tloe-deuschle.de;Klaus Müller-Pfannenstiel, Bosch & Partner GmbH,Schaeferstraße 18, D-44623 Herne, E-Mail [email protected].

TAGUNGSBERICHTEKormoran im DialogIn Stralsund fand eine Fachtagung zum Kormoranstatt, die gemeinsam vom Bundesamt für Naturschutz(BfN) und dem Deutschen Meeresmuseum ausge-richtet wurde. Mehr als 160 Wissenschaftler und Ver-treter der Fischerei und des Naturschutzes diskutier-ten zwei Tage intensiv über die Bestandsentwicklungdes Kormorans und die Auswirkungen auf Fischbe-stände und die Fischerei in Deutschland und Europa.In Fachvorträgen wurde das Thema unter juristi-schen, ornithologischen, fischereiwissenschaftlichenund ethischen Aspekten behandelt. Als konkretes Er-gebnis der Tagung wurde von Fischereivertretern undNaturschutzorganisationen beschlossen, die Daten-grundlange durch gemeinsame Zählungen des Kor-moranbestandes, Untersuchungen zur Nahrungsöko-logie des Kormorans und wissenschaftliche Litera-turstudien zu verbessern. Trotz kontroverser Stand-punkte wurde vereinbart, vergleichbare Veranstaltun-gen in regelmäßigen Abständen durchzuführen undden konstruktiven Dialog zwischen Fischerei undNaturschutz fortzusetzen.

BfN-Präsident Prof. Dr. Hartmut Vogtmann be-grüßte die Tagung als Chance, konstruktiv das The-ma Kormoran und Fischerei zu diskutieren. Er vertratdie Ansicht, dass durch eine solche Tagung und einenentsprechenden Dialog zu einem früheren Zeitpunktzahlreiche Konflikte in der Vergangenheit hätten ver-mieden werden können. Sowohl die Fischerei alsauch der Naturschutz, so Vogtmann, wollten die bio-logische Vielfalt in Gewässerökosystemen bewahren.

Bei den Tagungsteilnehmern bestand Einverständ-nis darin, dass lokale Managementmaßnahmen nichtgeeignet sind, um die Entwicklung der Kormoranpo-pulation nachhaltig zu beeinflussen. Eine Reduktionder Kormoranbestände wäre nach Ansicht von Exper-ten nur auf europäischer Ebene möglich. Dieses wur-de von Naturschutzvertretern mit Verweis auf die eu-ropäische Gesetzgebung zurückgewiesen. Von deut-scher Fischereiseite wurde eine Reduktion der Kor-morane auf 50 % des heutigen Bestandes gefordert.Es konnte kein Konsens zwischen der Fischerei- undNaturschutzseite gefunden werden, ob Populations-eingriffe in dieser Höhe mit der EU-Vogelschutz-richtlinie vereinbar sind und eine entsprechende po-litische und gesellschaftliche Akzeptanz finden.

Als weiteres Ergebnis der Tagung wurde deutlich,dass der Einfluss von Kormoranen auf Fischbestän-de in verschiedenen Regionen Deutschlands differen-ziert betrachtet werden muss. Während Kormorane inTeichwirtschaften und kleinen Mittelgebirgsbächenerhebliche fischereiwirtschaftliche Schäden anrich-ten können, sind erhebliche Auswirkungen auf dieFischgemeinschaften in Seen und Küstengebietenwissenschaftlich nicht nachweisbar.

BfN-Präsident Vogtmann hob die konstruktiveDiskussion zwischen der Fischerei und dem Natur-schutz hervor und beurteilte die Veranstaltung als ers-ten wichtigen Schritt, um in Zukunft das Thema Kor-

moran weiter auf einer sachlichen Ebene zwischenden Interessensvertretern zu diskutieren.

Bundesamt für Naturschutz, Bonn-Bad Godesberg

Europäische LandschaftskonventionAuf der 17. Fachtagung des LandschaftsverbandesRheinland (LVR) in Altenberg diskutierten Planer,Wissenschaftler und Politiker über den Stand der Eu-ropäischen Landschaftskonvention (European Land-scape Convention – ELC), welche 2000 in Florenzverabschiedet wurde.

In 26 europäischen Ländern wurde die ELC in derZwischenzeit in geltendes Recht überführt (http://conventions.coe.int/, Stand: 19.02.2007). ObwohlDeutschland sie bisher weder ratifiziert noch unter-zeichnet hat, nimmt sie doch auch hierzulande immerhäufiger Einfluss im alltäglichen Geschehen. Siespielt in der aktuellen landschaftspolitischen Diskus-sion eine zunehmend wichtige Rolle.

Auf der Veranstaltung berichteten zunächst Enri-co Buergi als amtierender Präsident der Konferenzder Vertrags- und Unterzeichnerstaaten der ELC so-wie Maguelonne Déjeant-Pons von der zuständigenDirektion des Europarates (Council of Europe) ausStraßburg über die Historie und den aktuellen Umset-zungs- und Anwendungsstand der ELC. Weitere Bei-träge folgten über die Bedeutung der ELC für die Ar-beit verschiedener Fachrichtungen, wie z.B. Land-schaftsarchitektur, Denkmalschutz, Landschaftspla-nung und Archäologie. In einem weiteren Tagungs-block wurden nationale und internationale Beispielepräsentiert, wie die ELC in die Arbeit von Bürgerin-itiativen und Regionalprojekten einfließt bzw. derenAnliegen unterstützen kann. Ein weiterer Themen-block behandelte das Zusammenspiel von ELC undder UNESCO-Welterbekonvention als zwei interna-tionale Abkommen zum Schutz von Landschaften imDienste der Bürger. Auch in diesem Themenfeld wur-de durch Beispiele für bottom-up-Ansätze veran-schaulicht, wie die ELC von Initiativen vor Ort ge-nutzt werden kann.

Die rege Teilnahme und die zahlreichen Diskussi-onsbeiträge verdeutlichten, welchen Stellenwert dieELC bereits jetzt in Deutschland hat und wie wichtigeine Zeichnung und Ratifizierung durch die Bundes-republik wäre, um die tägliche Arbeit von Planern,Wissenschaftlern, Politikern und nicht zuletzt Initia-tivgruppen vor Ort zu unterstützen und zu fördern. Ineinem vereinten Europa wird es immer schwieriger,erfolgreich zu arbeiten, wenn die politischen (undrechtlichen) Rahmenbedingungen hinter dem prakti-zierten Alltag zurückstehen. Bei der ELC handelt essich erstmals um eine staatenübergreifende/ völker-rechtliche Definition der Landschaft, abgestützt aufdem Kriterium der Nachhaltigkeit. Die Konventionschließt sowohl die ländliche Landschaft als auch dieperiurbane sowie urbane Landschaft ein und beziehtsich ausdrücklich auf die in ihr lebenden Menschen.Sie stellt damit eine Aufwertung der Landschaft alsalltäglicher Lebensraum, zur Erhöhung der Lebens-qualität, dar.

Der Bundesverband Beruflicher Naturschutz(BBN) hatte ein Positionspapier in Umlauf gebracht,welches im politischen Raum ein weiteres Zeichenfür die breite Unterstützung der ELC in Deutschlandsetzen soll. Dieses Positionspapier wurde von den Ta-gungsteilnehmern breit gezeichnet (Kontakt: Initiati-ve zur Zeichnung und Ratifizierung der ELC, Dr. Il-ke Marschall, www.ak-landschaftsplanung.de [email protected]).

Die Vorträge der Tagung werden in der Reihe„Beiträge zur Landesentwicklung“ des LVR erschei-nen und können dort bezogen werden. Bei Fragenwenden Sie sich bitte an Martin Pflaum ([email protected]) oder an Alexandra Kruse ([email protected]).

Dr. Alexandra Kruse, Châtillon/Frankreich

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