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Nephrologe 2014 · 9:48–50 DOI 10.1007/s11560-013-0785-5 Online publiziert: 27. Januar 2014 © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2014 N. Obermüller 1  · C. Bartel 1  · S. Büttner 2  · C. Betz 1  · O. Jung 1  · E.F. Gröne 2  · H. Geiger 1  ·  I.A. Hauser 1 1  Funktionsbereich Nephrologie, III. Med. Klinik, Universitätsklinikum Frankfurt am Main 2  Abt. f. Zelluläre und Molekulare Pathologie, Deutsches Krebsforschungszentrum Heidelberg Langzeitremission eines  nephrotischen Syndroms Erfolgreiche 2-malige Rituximabgabe  bei einer jungen Patientin mit  komplikationsbelasteter Vorgeschichte Anamnese Die damals 25-jährige Patientin (60 kg, 149 cm) mit Spina bifida und inkomplet- ter Paraplegie beider Beine wurde erst- mals im Mai 2005 aufgrund einer beidsei- tigen tiefen Beinvenenthrombose mit pul- monaler Embolisierung in unserer Klinik stationär aufgenommen. Hierbei zeigte sich ein massives nephrotisches Syndrom (>20 g Proteinurie/24 h) mit Anasarka und einem Serumkreatininanstieg bis auf über 3 mg/dl. Aufgrund der notwendigen strikten Antikoagulation bei akuter Lun- genembolie/Koagulopathie konnte eine Nierenbiopsie nicht durchgeführt wer- den. Die weitere nephrologische Umfeld- diagnostik ergab hinsichtlich der renalen Ätiologie keine weiteren richtungsweisen- den Befunde. Bei Erstvorstellung in unserer Klinik war die Patientin in einem reduzierten Allgemeinzustand; sie zeigte einen intra- vasalen Volumenmangel bei Hypoalbu- minämie, großer Proteinurie mit über- wiegendem Albuminanteil und unauffäl- ligem Sediment. Unter dem klinischen Verdacht einer Minimal-Change-Nephropathie erfolgte die Gabe von Steroiden (1 mg/kg). Hier- durch konnte – bei normalisierten Se- rumkreatininwerten – eine partielle Re- mission der Proteinurie erzielt werden, jedoch kam es nach Dosisreduktion wie- der zu einem Anstieg der Proteinurie auf über 10 g/24 h im September 2005. Nach Erhöhung der Steroiddosis auf 1 mg/kg, zeigte sich ein nur marginales klinisches und laborchemisches Ansprechen, sodass ab Ende 2005 zusätzlich Cyclosporin A (2,5–3 mg/kg, Zieltalspiegel: 100–130 ng/ ml) unter langsamer Steroidreduktion in- itiiert wurde. Unter diesem Regime gelang eine Remission der Proteinurie. Weitere 5 Monate später erfolgte wie- derum die notfallmäßige stationäre Auf- nahme unter dem Bild einer Urosepsis. Zeitgleich bestanden Anasarka und eine Serumkreatininerhöhung auf 1,8 mg/dl. Die Proteinurie stieg im Verlauf dieses stationären Aufenthalts auf über 23 g/24 h an. In dieser Situation führten wir nach temporärer Reduktion der Antikoagula- tion, welche nun knapp ein ganzes Jahr lang bestand, komplikationslos eine Nie- renpunktion durch. Hierbei ergab sich der histopathologische Befund einer fokal- segmentalen Glomerulosklerose (FSGS) mit leichtgradiger Fibrose (. Abb. 1). Histologisch konnten zudem in der Biop- sie fokal Lymphozyteninfiltrate mit zahl- reichen CD20-positiven Zellen detektiert werden (. Abb. 2). Redaktion G. Wolf, Jena Hier kann auch Ihr Fall dargestellt werden Wenn Sie eine interessante Falldarstellung  haben, schicken Sie bitte Ihren Vorschlag mit  Beschreibung und Bildmaterial an: Prof. Dr. G. Wolf Klinik für Innere Medizin III Universitätsklinikum Jena Erlanger Allee 101 07740 Jena [email protected] 48 | Der Nephrologe 1 · 2014 Bild und Fall

Langzeitremission eines nephrotischen Syndroms; Long-term remission of nephrotic syndrome;

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Page 1: Langzeitremission eines nephrotischen Syndroms; Long-term remission of nephrotic syndrome;

Nephrologe 2014 · 9:48–50DOI 10.1007/s11560-013-0785-5Online publiziert: 27. Januar 2014© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2014

N. Obermüller1 · C. Bartel1 · S. Büttner2 · C. Betz1 · O. Jung1 · E.F. Gröne2 · H. Geiger1 · I.A. Hauser1

1 Funktionsbereich Nephrologie, III. Med. Klinik, Universitätsklinikum Frankfurt am Main2 Abt. f. Zelluläre und Molekulare Pathologie, Deutsches Krebsforschungszentrum Heidelberg

Langzeitremission eines nephrotischen SyndromsErfolgreiche 2-malige Rituximabgabe bei einer jungen Patientin mit  komplikationsbelasteter Vorgeschichte

Anamnese

Die damals 25-jährige Patientin (60 kg, 149 cm) mit Spina bifida und inkomplet-ter Paraplegie beider Beine wurde erst-mals im Mai 2005 aufgrund einer beidsei-tigen tiefen Beinvenenthrombose mit pul-monaler Embolisierung in unserer Klinik stationär aufgenommen. Hierbei zeigte sich ein massives nephrotisches Syndrom (>20 g Proteinurie/24 h) mit Anasarka und einem Serumkreatininanstieg bis auf über 3 mg/dl. Aufgrund der notwendigen strikten Antikoagulation bei akuter Lun-genembolie/Koagulopathie konnte eine Nierenbiopsie nicht durchgeführt wer-den. Die weitere nephrologische Umfeld-diagnostik ergab hinsichtlich der renalen Ätiologie keine weiteren richtungsweisen-den Befunde.

Bei Erstvorstellung in unserer Klinik war die Patientin in einem reduzierten Allgemeinzustand; sie zeigte einen intra-vasalen Volumenmangel bei Hypoalbu-minämie, großer Proteinurie mit über-wiegendem Albuminanteil und unauffäl-ligem Sediment.

Unter dem klinischen Verdacht einer Minimal-Change-Nephropathie erfolgte die Gabe von Steroiden (1 mg/kg). Hier-durch konnte – bei normalisierten Se-rumkreatininwerten – eine partielle Re-mission der Proteinurie erzielt werden, jedoch kam es nach Dosisreduktion wie-

der zu einem Anstieg der Proteinurie auf über 10 g/24 h im September 2005. Nach Erhöhung der Steroiddosis auf 1 mg/kg, zeigte sich ein nur marginales klinisches und laborchemisches Ansprechen, sodass ab Ende 2005 zusätzlich Cyclosporin A (2,5–3 mg/kg, Zieltalspiegel: 100–130 ng/ml) unter langsamer Steroidreduktion in-itiiert wurde. Unter diesem Regime gelang eine Remission der Proteinurie.

Weitere 5 Monate später erfolgte wie-derum die notfallmäßige stationäre Auf-nahme unter dem Bild einer Urosepsis. Zeitgleich bestanden Anasarka und eine Serumkreatininerhöhung auf 1,8 mg/dl. Die Proteinurie stieg im Verlauf dieses stationären Aufenthalts auf über 23 g/24 h an.

In dieser Situation führten wir nach temporärer Reduktion der Antikoagula-tion, welche nun knapp ein ganzes Jahr lang bestand, komplikationslos eine Nie-renpunktion durch. Hierbei ergab sich der histopathologische Befund einer fokal-segmentalen Glomerulosklerose (FSGS) mit leichtgradiger Fibrose (. Abb. 1). Histologisch konnten zudem in der Biop-sie fokal Lymphozyteninfiltrate mit zahl-reichen CD20-positiven Zellen detektiert werden (. Abb. 2).

RedaktionG. Wolf, Jena

Hier kann auch Ihr Fall dargestellt werden

Wenn Sie eine interessante Falldarstellung haben, schicken Sie bitte Ihren Vorschlag mit Beschreibung und Bildmaterial an:

Prof. Dr. G. WolfKlinik für Innere Medizin IIIUniversitätsklinikum JenaErlanger Allee 10107740 [email protected]

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Bild und Fall

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Weiterer Verlauf und Therapie

Bei therapierefraktärer FSGS, die bereits mit Steroiden und Cyclosporin A behan-delt wurde, diskutierten wir den mögli-chen Einsatz von Cyclophosphamid. Die-ser wurde letztlich aufgrund der Kons-tellation von Spina bifida und neuroge-ner Blasenentleerungsstörung mit tägli-chem Selbstkatheterismus und hierdurch erhöhtem Harnwegsinfektionsrisiko ver-worfen.

Bei bisher beobachtetem klinisch posi-tivem Effekt einer Anti-CD20-Antikör-pertherapie für die rekurrierende FSGS bei Nierentransplantatempfängern [1, 2] entschieden wir uns für eine 2-malige Ga-be von Rituximab (MabThera®) in einer Dosierung von 375 mg/m2 im Abstand von 1 Woche. Hierunter kam es bereits nach 14 Tagen zu einer kompletten Re-mission. Diese Remission zeigt sich seit-her anhaltend. Die Steroidtherapie wur-

de im Verlauf sehr schnell reduziert und im März 2007 komplett abgesetzt. Schwe-re interkurrente Infekte traten seitdem nicht auf. Einzig zeigten sich in der Fol-gezeit sporadisch Harnwegsinfekte, wel-che antibiogrammgerecht suffizient be-handelt wurden.

Aktuell, 7 Jahre nach Rituximabga-be besteht bezüglich der Proteinurie eine stabile Vollremission (Gesamtproteinurie ≤300 mg/Tag), ebenso bezüglich der Nie-renfunktion (Serumkreatinin <0,9 mg/dl, mit altersentsprechend normaler eGFR). Erwähnenswert ist auch, dass die Patien-tin keine dauerhafte ACE-Hemmer- oder Sartantherapie erhält, da diese bei arteriel-ler Hypotonie und Unverträglichkeit be-reits vor Rituximabtherapie abgesetzt wer-den mussten.

»  Histopathologische Diagnose: fokal-segmentale Glomerulosklerose

Diskussion

Das Erreichen einer langfristigen Remis-sion der Proteinurie sowie der Erhalt der Nierenfunktion bei primärer FSGS gestal-ten sich beim Erwachsenen nach wie vor schwierig. Kontrovers wird diskutiert, in-wiefern es Übergänge bzw. eine Progres-sion von einer Minimal-Change-Nephro-pathie in die FSGS gibt. Zumindest wird darauf hingewiesen, dass enge Beziehun-gen zwischen beiden Erkrankungen be-stehen [3]. Es ist auch vorstellbar, dass sich bei einer Nierenbiopsie im Sinne eines „sampling errors“ zunächst eine Minimal-Change-Glomerulopathie zeigt und die FSGS histopathologisch nicht detektiert

 D Wie lautet Ihre Diagnose?

Abb. 1 9 Nierenbiopsie (Lichtmikroskopie, PAS-Fär-bung): a Glomerulum mit Nachweis von Synechien; b zusätzlich A. interlobu-laris mit  subendothelialer  fibröser Verbreiterung,  kollaptische Tubuli mit ver-breiterten Basalmembra-nen; insgesamt nur mäßi-ger chronifizierender tubu-lointerstitieller Schaden

Abb. 2 9 Nierenbiopsie (Anti-CD20-Färbung): foka-le Akkumulation von An-ti-CD20-positiven Lympho-zyten in interstitiellen Infil-traten (a Detailansicht, b in der kortikalen Übersicht)

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wird. Welche Konstellation im vorliegen-den Fall – mit nur einer möglichen Biop-sie im späteren Verlauf – vorgelegen hat, kann nicht genau identifiziert werden.

Inwiefern der Nachweis von CD20-postiven Zellen in der Nierenbiopsie für das Ansprechen der B-Zell-depletieren-den Therapie zusätzliche Informationen bringt, bleibt ebenfalls unklar. Der Ef-fekt der Antikörpertherapie geht jedoch zeitlich weit über die Normalisierung der CD19/CD20-Zell-Zahl im peripheren Blut hinaus, welche im vorliegenden Fall nach langsamem Wiederanstieg im Jahr 2008 normalisierte Plateauwerte von et-wa 100 bis 200 Zellen/µl erreichte.

Eine interessante Beobachtung war, dass Rituximab direkt an den Podozyten im Rahmen der FSGS günstige Wirkun-gen entfaltet [4]. Möglicherweise beein-flusst der Anti-CD20-Antikörper neben der B-Zell-Depletion auch andere Zellen des Immunsystems [5].

Fazit für die Praxis

Die Therapie der therapirefraktären und rekurrierenden FSGS (welche primär eine FSGS darstellt oder sich aus einer Mini-mal-Change-Glomerulonephritis entwi-ckelt) mit Rituximab kann im Einzelfall zu einer stabilen und anhaltenden Vollre-mission über Jahre führen.

Korrespondenzadresse

Prof. Dr. I.A. HauserFunktionsbereich Nephrologie, III. Med. Klinik, Universitätsklinikum Frankfurt am MainTheodor-Stern-Kai 7, 60596 Frankfurt am [email protected]

Interessenkonflikt.  N. Obermüller, C. Bartel, S. Bütt-ner, C. Betz, O. Jung, E.F. Gröne, H. Geiger und I.A. Hau-ser geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.

Literatur

1.  Nozu K, Iijima K, Fujisawa M et al (2005) Rituxi-mab treatment for posttransplant lymphoprolite-ratve disorder (PTLD) induces complete remission of recurrent nephrotic syndrome. Paediatr Nephrol 22:1660–1663

2.  Gossmann J, Scheuermann EH, Porubsky S et al (2007) Abrogation of nephrotic proteinuria by ri-tuximab treatment in a renal transplant patient with relapsed focal segmental glomerulosclerosis. Tranpl Int 20:558–562

3.  D’Agati VD, Fogo AB, Bruijn JA, Jennette JC (2004) Pathological classification of focal segmental glo-merulosclerosis: a working proposal. Am J Kidney Dis 43:368–382

4.  Fornoni A, Sageshima J, Wei C et al (2011) Rituxi-mab targets podocytes in recurrent focal segmen-tal glomerulosclerosis. Sci Transl Med 3:85ra46

5.  Gürcan HM, Keskin DB, Stern JN et al (2009) A re-view of the current use of rituximab in autoimmu-ne diseases. Int Immunopharmacol 9:10–25

Klinische Infektiologie

Infektiologisch tätige Ärzte müssen lebens-

bedrohliche Erkrankungen schnell erken-

nen und eine Therapie rasch initiieren. Sie 

sind Fragestellungen wie dem Abklären 

von Fieber, dem Erkennen von importierten 

Erkrankungen oder dem Differenzieren von 

opportunistischen Infektionen oder Epi-

demien konfrontiert. Damit arbeiten sie in 

einem Kernbereich 

der Inneren Medi-

zin extrem inter-

disziplinär. Zudem 

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