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Kapitel 2 Laplace-Transformations- Methoden Es sei an dieser Stelle angemerkt, dass der Inhalt des folgenden Kapitels ei- ne Vorlesung füllen würde. In nachstehender Ausführung beschränken wir uns aber ledigleich auf die Grundkonzepte. Infolgedessen werden wir auch auf Exi- stenz und Eindeutigkeitsprobleme der Lösungen verzichten und setzen eine eindeutige Lösung der Probleme voraus. Wir bitten Sie daher diese in ange- messener Literatur nachzuschlagen. Das Ziel der nachfolgenden Einführung wird eine Variablentransformation darstellen, mit dem Ziel alle Differentiatio- nen und Integrationen zu eliminieren, um schlussendlich eine rein algebrai- sche Gleichung zu erhalten. Den Preis den man für diese scheinbare Verein- fachung zahlen muss, ist neben der Lösung der algebraischen Gleichung die Rücktransformation, die oft nicht trivial ist. Um uns nun vorsichtig an den Laplace-Transformationsmechanismus anzunä- hern, wollen wir zuvor einige Grundlagen besprechen, die uns hinterher das Verständnis erleichtern werden. Betrachten wir dazu das uneigentliche Integral Z 0 f (t)dt (2.0.1) Unter der Annahme, dass die Funktion f (t) eine stetige Funktion im Intervall 0 t h ist, für h> 0, kann das obige Integral für h →∞ in die Form lim h→∞ Z h 0 f (t)dt (2.0.2) gebracht werden. Wenn nun der Wert des Integrals sich einem endlichen Wert W annähert, so sagt man, dass das uneigentliche Integral 2.0.1 existiert und gegen W konvergiert. Ist dies der Fall so kann man dieses Szenario in folgen- der Weise beschreiben: Z 0 f (t)dt = lim h→∞ Z h 0 f (t)dt = W 85

Laplace-Transformations- Methodenhomepage.univie.ac.at/ingo.philipp/Downloads/2_LaplaceTransformation.pdf · Kapitel 2 Laplace-Transformations-Methoden Es sei an dieser Stelle angemerkt,

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Kapitel 2

Laplace-Transformations-Methoden

Es sei an dieser Stelle angemerkt, dass der Inhalt des folgenden Kapitels ei-ne Vorlesung füllen würde. In nachstehender Ausführung beschränken wir unsaber ledigleich auf die Grundkonzepte. Infolgedessen werden wir auch auf Exi-stenz und Eindeutigkeitsprobleme der Lösungen verzichten und setzen eineeindeutige Lösung der Probleme voraus. Wir bitten Sie daher diese in ange-messener Literatur nachzuschlagen. Das Ziel der nachfolgenden Einführungwird eine Variablentransformation darstellen, mit dem Ziel alle Differentiatio-nen und Integrationen zu eliminieren, um schlussendlich eine rein algebrai-sche Gleichung zu erhalten. Den Preis den man für diese scheinbare Verein-fachung zahlen muss, ist neben der Lösung der algebraischen Gleichung dieRücktransformation, die oft nicht trivial ist.

Um uns nun vorsichtig an den Laplace-Transformationsmechanismus anzunä-hern, wollen wir zuvor einige Grundlagen besprechen, die uns hinterher dasVerständnis erleichtern werden. Betrachten wir dazu das uneigentliche Integral∫ ∞

0f(t)dt (2.0.1)

Unter der Annahme, dass die Funktion f(t) eine stetige Funktion im Intervall

0 ≤ t ≤ h

ist, für h > 0, kann das obige Integral für h→∞ in die Form

limh→∞

∫ h

0f(t)dt (2.0.2)

gebracht werden. Wenn nun der Wert des Integrals sich einem endlichen WertW annähert, so sagt man, dass das uneigentliche Integral 2.0.1 existiert undgegen W konvergiert. Ist dies der Fall so kann man dieses Szenario in folgen-der Weise beschreiben:∫ ∞

0f(t)dt = lim

h→∞

∫ h

0f(t)dt = W

85

KAPITEL 2. LAPLACE-TRANSFORMATIONS-METHODEN 86

Dass dies nicht stets der Fall ist, ist allen bekannt. So kann es auch dazu füh-ren, dass dieses uneigentliche Integral sich keinem finiten Wert nähert und imfolgenden divergiert. Folglich ist die Existenz des Integrals 2.0.1 keineswegsgesichert. Um die Sachlage zu verdeutlichen betrachten wir folgendes Bei-spiel.

Bsp.: uneigentliches Integral ∫ ∞0

11 + t

dt (2.0.3)

Wir wollen nun überprüfen, ob dieses Integral existiert und daher sich einembestimmten endlichen Wert nähert. Dazu setzen wir voraus, dass die Funktionf(t) = 1

1+t im Intervall 0 ≤ t ≤ h für h > 0 stetig ist. Wir eliminieren demnachdie singuläre Stelle an t = −1 , um uns ein Aufspalten des Integrationsinter-valls zu ersparen. Für h→∞ können wir 2.0.3 umformen auf:∫ h

0

11 + t

dt = ln(1 + t)h|0

= ln(1 + h) + ln(1) = ln(1 + h)

Da wir nun ein uneigentliches Integral mit h → ∞ betrachten, ist auch sofortzu erkennen, dass ln(1+h)→∞ geht und somit kein Grenzwert existiert. Dasuneigentliche Integral divergiert.

limh→∞

∫ h

0

11 + t

dt→∞

Zur Vervollständigung wollen wir ein Problem behandeln, welches einen Grenz-wert besitzt. Dazu versuchen wir das uneigentliche Integral∫ ∞

0

11 + t2

dt

auf seine Existenz zu prüfen. Im Gegensatz zum vorangegangenen Beispielkann die Lösung dieses uneigentlichen Integrals mit geschickter Variablen-transformation herbeigeführt werden, ohne dazu Stetigkeitsintervalle zu defi-nieren oder sämtliche Grenzwertberechnungen durchführen zu müssen. MitHilfe der Substitution

t = tan(x) =sin(x)cos(x)

dt =1

cos2(x)und der Kenntnis des Theorems

sin2(x) + cos2(x) = 1

kann das obige Integral mit entsprechender Grenzenänderung, tan(x)→∞⇒x→ π

2 , in die Gestalt ∫ π2

0dx =

π

2

KAPITEL 2. LAPLACE-TRANSFORMATIONS-METHODEN 87

geschrieben werden. Es ist zu erkennen, dass das besprochene Integral exi-stiert und gegen π

2 konvergiert.∫ ∞0

11 + t2

dt =π

2

Natürlich war dies nur ein extrem kurzer Überblick über die Verfahrenswei-sen mit uneigentlichen Integralen und ihren Grenzwerten. Jedoch reicht die-ses Wissen aus, um uns mit der folgenden Materie näher auseinandersetzenzu können. Im Laufe dieses Skriptums werden wir uns demnach ausführlichermit uneigentlichen Integralen und singulären Integranden befassen müssen.

2.1 Laplace-Transformierte einer Funktion

Führen wir nun als erstes die Laplace-Transformierte ein.

Definition 2.1.1. Sei f(x) eine Funktion, die im Intervall 0 ≤ x < ∞definiert ist, so nennt man

L(f) ≡ F (s) =:∫ ∞

0exp(−sx) · f(x)dx (2.1.1)

die Laplace-Transformierte von f(x) , sofern das Integral mit der Funk-tion f(x) für sämtliche reelle oder komplexe Werte von s einen Grenz-wert besitzt und somit existiert. Die Funktion soll demnach für positivex definiert und integrabel sein. Da in dieser Transformation nur positivereelle x Werte eingehen, definiert man sich

f(x < 0) = 0

Dies ist z.B. der Fall, wenn wir einen zeitlich veränderlichen Vorgang betrach-ten, der zur Zeit t = 0 beginnt und durch eine Funktion f(t) mit f(t < 0) = 0beschrieben wird.

Die Transformationsvariable s kann reell oder komplex sein. Zur Vereinfachungwerden wir im weiteren nur reelle Werte von s betrachten. Diese Transforma-tion ist linear und bewirkt somit eine Variablentransformation von x nach s ,die wiederum unter den oben genannten Voraussetzungen eindeutig ist. Umim nachfolgenden an einer eindeutigen Nomenklatur festhalten zu können, be-nennen wir die Funktion f(x) als Ober- oder Originalfunktion, die stückweisestetig sein soll, d.h. sie darf in jedem Teilintervall nur endlich viele Sprungun-stetigkeiten aufweisen um dem Laplace-Integral 2.1.1 seine Existenz nicht zunehmen. Die Laplace-Transformierte F (s) ist in sämtlicher Literatur oft auchals Unterfunktion oder Bildfunktion zu finden.

Um nun ein Gefühl für diese Integraltransformation zu bekommen, versuchenwir in den nachstehenden Beispielen die Laplace-Transformierte einiger be-kannter Funktionen zu berechnen.

KAPITEL 2. LAPLACE-TRANSFORMATIONS-METHODEN 88

Bsp.: Berechnung der Laplace-Transformierten für f(x) = 1

Mit der Kenntnis des uneingentlichen Integrals 2.1.1 kann der Laplace-TransformationsoperatorL(f) in folgender Gestalt angeschrieben werden:

L(f) = L(1) =∫ ∞

0exp(−sx)dx

Nehmen wir nun Rückschluss auf die eingangs erwähnten Lösungsmethodeneines uneigentlichen Integrals. Demnach kann das obige Integral in der Form

L(1) = lima→∞

∫ a

0exp(−sx)dx

geschrieben werden. Durch einfache Integration erhalten wir für s > 0 :

L(1) = lima→∞

[−exp(−sx)

s

] a|0

= lima→∞

[−exp(−sa)

s+

1s

]=

1s

Man geht nun so vor, dass man für möglichst viele Funktionen die Laplace-Transformierte bestimmt und so eine Tabelle aufstellt, die einem bei der Rück-transformation, der sogenannten inversen Laplace-Transformation, behilflichist. Aus diesem Grund versuchen wir uns nun an weiteren Funktionen.

Bsp.: Berechnung der Laplace-Transformierten für f(x) = xn

L(f) = L(xn) =∫ ∞

0exp(−sx) · xndx = lim

a→∞

∫ a

0exp(−sx) · xndx

Bei genauerer Betrachtung dieses Integrals wir sofort klar, dass nur eine par-tielle Integration uns zum Ziel führen kann.

h(x) = exp(−sx)

g(x) = xn

Mit Hilfe der definierten partiellen Integrationsmethode

∫ d

ch(x)g(x)dx = H(x)g(x)

d|c−∫ d

cH(x)g′(x)dx (2.1.2)

kann die Integration mit den Hilfsfunktionen

H(x) = −exp(−sx)s

g′(x) = nxn−1

KAPITEL 2. LAPLACE-TRANSFORMATIONS-METHODEN 89

durchgeführt werden. Dies in 2.1.2 eingesetzt ergibt das Laplace-Integral

L(xn) = lima→∞

(−exp(−sx)s

· xn) a|0

+1s

∫ a

0exp(−sx) · nxn−1dx

⇒ L(xn) = lim

a→∞

[−exp(−sa)

s· an +

1s

∫ a

0exp(−sx) · nxn−1dx

]Da nun die Exponentialfunktion im ersten Term schneller gegen Null geht alsdie Funktion an anwächst, konvergiert dieser Term gegen Null.

lima→∞

(−exp(−sa)

s· an)

= 0

Es bleibt uns nun lediglich der Ausdruck:

L(xn) =n

s· lima→∞

[∫ a

0exp(−sx) · xn−1dx

]Um nun den Verlauf dieser Berechnung etwas klarer zu gestalten, wählen wirwiederum die partielle Integration und interpretieren anschließend das Ergeb-nis.

h(x) = exp(−sx)→ H(x) = −exp(−sx)s

g(x) = nxn−1 → g′(x) = n(n− 1)xn−2

Dieser Schritt führ uns auf:

L(xn) =1s· lima→∞

(−exp(−sx)s

· nxn−1

) a|0

+1s

∫ a

0exp(−sx) · n(n− 1)xn−2dx

Wiederholt ist zu erkennen, das der erste Term nach Einsetzen der entpsre-chenden Grenzen gegen Null konvergiert. Als Laplace-Transformierte erhaltenwir nun den Ausdruck

L(xn) =n(n− 1)

s2· lima→∞

∫ a

0exp(−sx) · xn−2dx

Wiederholt man nun anschließend die partielle Integration n-mal so sieht manam obigen Ausdruck, dass nach n Rechenschritten nur noch ein Term übrig-bleibt, der sich darstellt als:

1s· n · (n− 1) · (n− 2) · (n− 3) · · · · · · (n− (n− 2)) · 1

s · s · s · · · · · s=

n!sn+1

Die Laplace-Transformierte der Funktion f(x) = xn lautet somit

L(xn) =n!sn+1

Im Vergleich zum vorangegangenen Beispiel zeigt sich für n = 0 , dass L(x0) =L(1) = 1

s ist.

Wir sehen, dass die Berechnung der entsprechenden Laplace-Transformiertennicht allzu schwierig ist. Versuchen wir uns im nächsten Beispiel mal an einertrigonometrischen Funktion.

KAPITEL 2. LAPLACE-TRANSFORMATIONS-METHODEN 90

Bsp.: Berechnung der Laplace-Transformierten für f(x) = sin(bx)

Mit Zuhilfenahme des Laplace-Transformationsoperators 2.1.1 können wir zumwiederholten Male die Laplace-Transformierte berechnen.

L(f) = L(sin(bx)) =∫ ∞

0exp(−sx) · sin(bx)dx = lim

a→∞

∫ a

0exp(−sx) · sin(bx)dx

Auch hier ist abzusehen, dass nur eine partielle Integration zum Erfolg führenkann. Demnach definieren wir uns analog zum vorhergegangenen Beispiel dieHilfsfunktionen

h(x) = exp(−sx)→ H(x) = −exp(−sx)s

g(x) = sin(bx)→ g′(x) = b cos(bx)

Dies nun in die bekannte Integrationsmethode reimplantiert ergibt:

L(sin(bx)) = lima→∞

(−exp(−sx)s

sin(bx)) a|0

+b

s·∫ a

0exp(−sx) cos(bx)dx

Da nun erneut die Exponentialfunktion im ersten Term für a → ∞ gegen Nullkonvergiert und der Sinus für die untere Grenze ebenfalls Null ergibt verein-facht sich die Berechnung auf:

L(sin(bx)) =b

s· lima→∞

∫ a

0exp(−sx) cos(bx)dx

Fahren wir nun fort und integrieren abermals partiell. Im zweiten Durchlauferhalten wir

L(sin(bx)) =b

s· lima→∞

(−exp(−sx)

scos(bx)

) a|0︸ ︷︷ ︸

α

− bs·∫ a

0exp(−sx) sin(bx)dx

Da das zu lösende Integral auch Winkelfunktionen beinhaltet, ist besondersdarauf Acht zu geben, dass man diese trigonometrischen Funktionen beimEinsetzen der entsprechenden Grenzen gegenüber der Exponentialfunktionnicht aus den Augen verliert. Der erste Term α konvergiert für die obere Grenzeaufgrund der Gesetzmäßigkeiten der Exponentialfunktion wieder gegen Null.Nach der Einpflanzung der unteren Grenze transformiert sich dieser Ausdruckzu 1

s . Schreiben wir dies nun in kompakter Form.

L(sin(bx)) =b

s2− b2

s2· lima→∞

∫ a

0exp(−sx) sin(bx)dx

Führt man dies noch ein paar mal durch, so ist ein deutlicher Trend zu erken-nen, der sich in der Form

L(sin(bx)) =b

s2− b3

s4+b5

s6−+.......

KAPITEL 2. LAPLACE-TRANSFORMATIONS-METHODEN 91

darstellt. Durch Herausheben des Termes bs2

aus dem obigen Ausdruck erhal-ten wir eine Reihenlösung, die sich schreiben lässt als:

L(sin(bx)) =b

s2·[1− b2

s2+b4

s4−+.....

]=

b

s2·∞∑k=0

(−1)k(b

s

)2k

=b

s2·∞∑k=0

(−1)k1(sb

)2kDa nun der nächste Rechenschritt etwas willkürlich erscheint, werden wir ihnnachstehend ohne größeren Aufwand beweisen. Mit Hilfe der wohlbekanntenSummenformel für geometrische Reihen

∞∑k=0

a · qk =a

1− q(2.1.3)

für |q| < 1 , kann der obenstehende Ausdruck mit q =(− 1

( sb )2

)und a = 1 in

die Gestalt

L(sin(bx)) =b

s2· 1

1 + 1

( sb )2

=b

s2·(sb

)2(sb

)2 + 1=

b

s2 + b2

gebracht werden. Die Laplace-Transformierte der Funktion f(x) = sin(bx) wur-de somit auf einfache Weise gefunden. Im Laufe dieses Beispiels war eindeu-tig zu sehen, dass die Ermittlung der Laplace-Transformierten einer einfachenFunktion schon einige Probleme mit sich bringen kann. Damit ist klar, dassdie Rücktransformation das Hauptproblem darstellen wird. Die Stärke dieserLaplace-Transformierten liegt nun bei ihrer Anwendung auf Ableitungen undIntegrationen, da sie diese in algebraische Funktionen umwandelt.

2.2 Laplace-Transformierte einer Ableitung

Betrachten wir zunächst die Laplace-Transformierte einer Ableitung L(f ′(x)) .

L(f ′(x)) =∫ ∞

0exp(−sx)︸ ︷︷ ︸

g(x)

· f ′(x)︸ ︷︷ ︸h(x)

dx

Unter Verwendung der wohlbekannten Relation der partiellen Integration 2.1.2schreibt sich das obige Integral in der Form:

L(f ′(x)) = [f(x) · exp(−sx)]∞|0︸ ︷︷ ︸

A

−s ·∫ ∞

0f(x) · exp(−sx)dx︸ ︷︷ ︸

B

Analog zu den vorangegangenen Berechnungen konvergiert der Ausdruck Afür x → ∞ gegen Null, sofern die Exponentialfunktion stärker abfällt als jedeFunktion f(x) anwächst.

limx→∞

f(x) · exp(−sx) = 0

KAPITEL 2. LAPLACE-TRANSFORMATIONS-METHODEN 92

Dies muss immer gelten, wenn f(x) laplacetransfomierbar ist, sonst wäre dieLaplace-Transfomation unbeschränkt. Demnach reduziert sich A , nach demEinsetzen der unteren Grenze, auf −f(0) . Unter Betrachtung der Definitionder Laplace-Transformierten 2.1.1 lässt sich B als s · L(f(x)) schreiben. DieLaplace-Transformierte einer Ableitung einer Funktion wurde somit mit

L(f ′(x)) = −f(0) + s · L(f(x)) (2.2.1)

ermittelt. Unser Ziel wird nun sein, die Laplace-Transformierte der n-ten Ab-leitung einer Funktion darzustellen. Um einen Trend erkennen zu können ver-suchen wir uns an der Berechnung der Laplace-Transformierten der zweitenAbleitung einer Funktion, um dann auf das Gesuchte zu kommen. Um uns nunvon diesen lästigen partiellen Integrationen lösen können, substituieren wir in2.2.1 auf triviale Weise mit

g(x) = f ′(x)

⇒ L(f ′′(x)) = L(g′(x)) = −g(0) + s · L(g(x))

Ohne weiteren Bedenken rücksubstituieren wir.

⇒ L(f ′′(x)) = −f ′(0) + s · L(f ′(x))︸ ︷︷ ︸K

Der Ausdruck K wurde in obenstehender Ausführung schon berechnet. Durcheinfaches einsetzen dieser Relation erhalten wir die Laplace-Transformiertevon f ′′(x) , die sich darstellt als

L(f ′′(x)) = −f ′(0)− s · f(0) + s2 · L(f(x))

Die Laplace-Transformierte der n-ten Ableitung einer Funktion kann demnachin der Gestalt

L(f (n)(x)) = −f (n−1)(0)− s · f (n−2)(0)......− sn−1 · f(0) + sn · L(f(x)) (2.2.2)

angegeben werden. Somit kann also die Laplace-Transformierte jeder Ablei-tung durch L(f(x)) ausgedrückt werden, wobei alle Ableitungen bei x = 0berechnet wurden. Diese Beobachtung, wie wir noch später erfahren wer-den, führt zu einem eleganten Lösungsverfahren für Differentialgleichungen.Im Laufe dieser Rechnung wurde aber stets implizit angenommen, dass dieAbleitungen von f(x) stetig sind. Falls dies nicht der Fall sein sollte, kanndie Laplace-Transformierte trotzdem verwendet werden, da man ja auch nicht-stetige Funktionen integrieren kann. Man geht dann so vor, dass man dasIntegral einfach in mehrere Teilintegrale aufbricht, sodass diese in den jewei-ligen Bereichen stetig sind. Tritt z.B. eine solche Unstetigkeit bei x = x0 auf,dann erhält man einfach

L(f ′(x)) = s · L(f(x))− f(0) + [f(x0+)− f(x0−)] exp(−sx0)︸ ︷︷ ︸D

wobeif(x0+) = lim

x→x0+

f(x0)

KAPITEL 2. LAPLACE-TRANSFORMATIONS-METHODEN 93

Der Ausdruck D kommt zustande indem man das uneigentliche Ausgangsin-tegral, welches ja eine Unstetigkeit bei x = x0 aufweist, in zwei stetige Teilin-tegrale mit den entsprechenden Grenzen x0+ und x0− aufbricht, um somit umdie Diskontinuität integrieren zu können.∫ ∞

0exp(−sx)·f ′(x)dx = lim

x0+→x0

∫ x0+

0exp(−sx) · f ′(x)dx︸ ︷︷ ︸ψ

+ limx0−→x0

∫ ∞x0−

exp(−sx) · f ′(x)dx︸ ︷︷ ︸χ

Durch partielle Integration der beiden Teilintegrale erhalten wir:

ψ : limx0+→x0

[f(x0+) exp(−sx0+)− f(0) + s ·

∫ x0+

0f(x) · exp(−sx)dx

]

χ : limx0−→x0

[−f(x0−) exp(−sx0−) + s ·

∫ ∞x0−

f(x) · exp(−sx)dx

]Durch einfache Addition der beiden Integrale in ψ und χ ergibt sich:

[lim

x0+→x0

∫ x0+

0f(x) · exp(−sx)dx+ lim

x0−→x0

∫ ∞x0−

f(x) · exp(−sx)dx

]= s·

∫ ∞0

exp(−sx)·f(x)dx

⇒ s ·∫ ∞

0exp(−sx) · f(x)dx = s · L(f(x))

Die übriggebliebenen Terme der Teilintervallintegrale ψ und χ ergeben nacherfolgreicher Grenzwertberechnung

f(x0+) exp(−sx0)−f(0)−f(x0−) exp(−sx0) = exp(−sx0) [f(x0+)− f(x0−)]−f(0)

Damit kann ohne weitere Probleme die Laplace-Transformierte der ersten Ab-leitung der Funktion f(x) mit einer Diskontinuität bei x = x0 mit

L(f ′(x)) = s · L(f(x))− f(0) + [f(x0+)− f(x0−)] exp(−sx0)

dargestellt werden. Falls nun die Unstetigkeitsstelle bei x0 = 0 liegt, musslogischerweise aufgrund der Voraussetzung, x > 0, gelten, dass

f(x0 = 0) = f(x0+)

entspricht.

KAPITEL 2. LAPLACE-TRANSFORMATIONS-METHODEN 94

2.3 Laplace-Transformierte eines Integrals

Nachdem wir nun in ausführlicher Manier die Ableitungssätze besprochen ha-ben, versuchen wir im Laufe dieses kurzen Abschnitts das Verhalten der Laplace-Transformierten eines Integrals einer Originalfunktion f(t) zu erforschen. Wirwollen demnach ergründen, wie sich das Integral∫ t

0f(x)dx

einer Oberfunktion f(t) bei der Laplace-Transformation verhält. Unter Zuhil-fenahme der Definition der Laplace-Transformierten 2.1.1 schreiben wir dieLaplace-Transformierte in folgender Weise an

L(∫ t

0f(x)dx) =

∫ ∞0

dx · exp(−sx)︸ ︷︷ ︸h(x)

·(∫ t

0f(x)dx

)︸ ︷︷ ︸

g(x)

Mit Unterstützung von 2.1.2 steht einer partiellen Integration nicht mehr imWege.

L(∫ t

0f(x)dx) =

(−exp(−sx)

s·∫ t

0f(x)dx

) ∞|0︸ ︷︷ ︸

=0

+1s·∫ ∞

0exp(−sx) · f(x)dx︸ ︷︷ ︸F (s)=L(f(t))

Der erste Ausdruck fällt weg, da nach dem Einsetzen der oberen Grenze derAbfall der Exponentialfunktion gegenüber jeder anderen Potenz dominiert. Daszweite Integral entspricht L(f(t)) , wenn man dort formal die Variable x durcht ersetzt. Für die Laplace-Transformierte des Integrals

∫ t0 f(x)dx einer Ober-

funktion f(t) gilt demnach:

L(∫ t

0f(x)dx) =

1s· L(f(t))

KAPITEL 2. LAPLACE-TRANSFORMATIONS-METHODEN 95

2.4 Fehlerfunktion & Euler’sche Gamma-Funktion

Im Laufe der künftigen Berechnungen der Laplace-Transformierten scheinbartrivialer Funktionen, werden wir mit unseren bekannten Verfahrenweisen anunsere Grenzen stoßen. Die Transformation wird dann nur mit Hilfe der obengenannten speziellen Funktionen möglich sein. Da diese exotischen Funktio-nen des öfteren ihre Anwendung finden, versuchen wir ihre Grundkonzepte zudurchleuchten, um somit die Scheu zur Verwendung zu vermeiden.

2.4.1 Fehlerfunktion (error-function)

Die Fehlerfunktion spielt eine zentrale Rolle in den Berechnungen in der Sta-tistik. Sie stellt das Integral der Gauß- oder Normalverteilung dar, die einerkontinuierlichen Wahrscheinlichkeitsverteilung gleicht.

erf(z) =2√π

∫ z

0exp(−t2)dt (2.4.1)

Ihre Wahrscheinlichkeitsdichte wird auch oft als Gauß-Funktion, Gauß-Kurve,Gauß-Glocke oder Glockenkurve bezeichnet. Diese Wahrscheinlichkeitsver-teilung besagt, dass eine Summe von n unabhängigen, identisch verteiltenZufallsvariablen im Grenzfall, n → ∞ , normalverteilt ist. Mit Hilfe dieser Ver-teilung lassen sich Prozesse in weiten Bereichen der Naturwissenschaften inguter Näherung erklären. Die Normalverteilung wird somit durch die Wahr-scheinlichkeitsdichtefunktion

f(t) =1

σ√

2πexp−1

2

(t− µσ

)2

beschrieben, wobei σ die Standardabweichung, µ den Erwartungswert undt eine Zufallsgröße, die im Intervall ]−∞,∞[ liegt, darstellen. Das Quadratder Standardabweichung σ2 ist wohlbekannt als Varianz. Sie nimmt an derStelle t = µ ihr Maximum an und hat Wendepunkte bei µ ± σ . Diese Ver-teilungsdichte gilt für beliebige µ und σ Werte. Normiert man nun die Stan-dardnormalverteilung auf σ = 1 und µ = 0 so erhält man die sogenannte(0,1)-Wahrscheinlichkeitsdichtefunktion der normierten oder standardisiertenNormalverteilung

ϕ(t) =1√2π

exp(− t

2

2

)Dies entspricht dem einfachsten aller Fälle. Die Dichtefunktion ist spiegelsym-metrisch bezüglich der Geraden bei t = µ . Es sei noch anzumerken, dass diegesamte Fläche unter der Kurve der Normalverteilung gleich 1 ist, und dem-nach der Wahrscheinlichkeit eines sicheren Ergebnisses entspricht. Betrach-ten wir nun weiters dir Verteilungsfunktion der normierten Normalverteilung

F (x) =∫ x

−∞f(t)dt =

1σ√

∫ x

−∞exp−1

2

(t− µσ

)2

dt (2.4.2)

KAPITEL 2. LAPLACE-TRANSFORMATIONS-METHODEN 96

Die Wahrscheinlichkeit wird des weiteren auf 1 normiert, sodass gelten muss

limx→∞

F (x) = 1

Wir wollen nun diese Normalverteilung, die wiederum für beliebige µ und σWerte gilt, durch eine lineare Transformation in eine (0,1)-Normalverteilungüberführen. Dazu substituieren wir in 2.4.2 mit

p =t− µσ⇒ dp

dt=

1σ⇒ dt = σdp

Dies nun eingesetzt ergibt

F (x) =1

σ√

∫ x−µσ

−∞exp

(−p

2

2

)σdp =

1√2π

∫ x−µσ

−∞exp

(−p

2

2

)dp = Φ

(x− µσ

)Durch eine weitere lineare Substitution mit z = x−µ

σ erhält man die Verteilungs-funktion der Standardnormalverteilung bzw. die (0,1)-Normalverteilung.

Φ(z) =1√2π

∫ z

−∞exp

(− t

2

2

)dt

Diese Verteilungsfunktion ist nun eng mit der oben erwähnten Fehlerfunktionverwandt. Die Beziehung der beiden stellt sich dar als

Φ(z) =12

[1 + erf

(z√2

)]Die Fehlerfunktion 2.4.1 ist ebenfalls normiert, sodass gilt

limz→∞

erf(z) = 1 (2.4.3)

Wir wollen nun in nachstehender Ausführung zeigen, dass die Relation 2.4.3ihre Richtigkeit besitzt. Unter Betrachtung der Gleichung 2.4.1 wollen wir dem-nach zeigen, dass

erf(∞) =2√π

∫ ∞0

exp(−t2)dt︸ ︷︷ ︸K

= 1

ist. Dazu definieren wir uns die Hilfsfunktionen

g(x) = exp(−x2)

g(y) = exp(−y2)

wobei h(x, y) = g(x)g(y) ist. Infolgedessen nehmen wir das Quadrat des Inte-grals K :

K2 =4π

∫ ∞0

∫ ∞0

h(x, y)dxdy =4π

∫ ∞0

∫ ∞0

g(x)g(y)dxdy

KAPITEL 2. LAPLACE-TRANSFORMATIONS-METHODEN 97

⇒ K2 =4π

∫ ∞0

exp(−x2)dx∫ ∞

0exp(−y2)dy =

∫ ∞0

∫ ∞0

exp−(x2 + y2)dxdy

(2.4.4)Nun transformieren wir die kartesischen Koordinaten (x, y) in Polarkoordinaten(r, ϕ) mit den bekannten Relationen

x = r cos(ϕ)

y = r sin(ϕ)

Unter Verwendung der Jacobi-Determinante führen wir unser Flächenelementdxdy in drdϕ über.

dxdy

drdϕ=

∣∣∣∣∣ ∂x∂r

∂x∂ϕ

∂y∂r

∂y∂ϕ

∣∣∣∣∣ =∣∣∣∣ cos(ϕ) −r sin(ϕ)

sin(ϕ) r cos(ϕ)

∣∣∣∣ = r

Nun ist gewährleistet, dass dxdy = rdrdϕ ist, wobei x2 +y2 = r2 entspricht. Dader Leser an dieser Stelle noch nicht mit dem Begriff der Jacobi-Determinantebzw. Funktionaldeterminante vertraut ist, verweisen wir auf die Ausführungenin den nachfolgenden Kapiteln. Da wir es mit 2.4.4 mit einem zweidimensiona-len Bereichsintegral im ersten Quadranten zu tun haben, transformieren sichdie neuen Grenzen auf triviale Art und Weise auf

0 ≤ r <∞

0 ≤ ϕ ≤ π

2Demnach ist es uns möglich das Integral 2.4.4 in folgender Form anzuschrei-ben

K2 =4π

∫ ∞r=0

r exp(−r2)dr∫ π

2

ϕ=0dϕ︸ ︷︷ ︸

π2

⇒ K2 = 2∫ ∞

0r exp(−r2)dr

Mit Hilfe der Substitution

a = r2 ⇒ da = 2rdr ⇒ dr =da

2r

wird es nun möglich sein das Integral zu lösen. Durch das Einsetzen dieserneuen Variable erhalten wir

K2 = 2∫ ∞

0r exp(−a)

da

2r=∫ ∞

0exp(−a)da

⇒ K2 = [− exp(−a)]∞|0

= [0 + 1] = 1

KAPITEL 2. LAPLACE-TRANSFORMATIONS-METHODEN 98

Da aus K2 = 1 auch K = 1 folgt, wurde bestätigt, dass

limz→∞

erf(z) = 1

ist.

Bsp.: Zu lösen sei das Integral∫ ∞0

y2 · exp(−y2)dy

Solch ein Integral hat schon so einige Studenten zur Verzweiflung gebracht.Man sieht, dass dieses uneigentliche Integral nicht mit den üblichen Verfah-rensweisen zu lösen ist. Mit der Kenntnis der oben besprochenen Fehlerfunk-tion, ist aber sofort zu sehen, dass sich im Integrand eine Fehlerfunktion ver-steckt, die nur darauf wartet gefunden zu werden. Diesem Wunsch folgend,versuchen wir das Integral durch geschicktes Umformen abzuändern.∫ ∞

0y2 · exp(−y2)dy =

12

∫ ∞0

y︸︷︷︸g(y)

· 2y exp(−y2)︸ ︷︷ ︸h(y)

dy

Im Großen und Ganzen gibt diese Umgestaltung den richtigen Weg zum Zielan. Da sich der Integrand im Ausgangsintegral aus zwei Faktoren zusammen-setzte war klar, dass hier partiell integriert werden muss. Ohne diese Abän-derung wäre eine Lösung aber nicht möglich gewesen. Der eigentliche Witzdabei ist, dass die Funktion h(y) die Stammfunktion − exp(−y2) besitzt unddie Funktion g(y) im Integrand nach der partiellen Integration konstant wird.Um dies auch in mathematischer Vollständigkeit anzugeben, integrieren wirpartiell nach 2.1.2 :

∫ ∞0

y2 · exp(−y2)dy =12[−y exp(−y2)

] ∞|0︸ ︷︷ ︸

B

+12

∫ ∞0

exp(−y2)dy

Da nun die Exponentialfunktion im Ausdruck B für y →∞ schneller abfällt alsy wächst fällt er weg. Demnach bleibt uns∫ ∞

0y2 · exp(−y2)dy =

12

∫ ∞0

exp(−y2)dy

Nach Definition 2.4.1 entspricht∫ ∞0

exp(−y2)dy =√π

2erf(∞)

Da nun, wie oben gezeigt wurde,

limy→∞

erf(y) = 1

KAPITEL 2. LAPLACE-TRANSFORMATIONS-METHODEN 99

ist, ist die Lösung des Integrals trivial.∫ ∞0

y2 exp(−y2)dy =√π

4

Anhand solcher Beispiele soll gezeigt werden, dass des öfteren mehrere Ge-dankengänge von Nöten sind, um derartige Problemstellungen zu lösen.

2.4.2 Gamma-Funktion

Die Gammafunktion, das Euler’sche Integral zweiter Gattung, ermöglicht ei-ne Ausdehnung des Begriffs der Fakultät auf beliebige Zahlen x , auch aufkomplexe Zahlen, die wir aber im Laufe dieser Ausarbeitung nicht behandelnwerden. Die Euler’sche Integraldarstellung der Gammafunktion für x > 0 wirddurch das uneigentliche Integral

Γ(x) =∫ ∞

0exp(−t) · tx−1dt (2.4.5)

ausgedrückt. Obendrein lässt sich diese Funktion auch in anderen Formenangeben, wie z.B. mit der Weierstraß’schen Produktdarstellung

Γ(x) =exp(−C · x)

x·∞∏k=1

(1 +

x

k

)−1· exp

(xk

)(2.4.6)

wobei C die Euler’sche Konstante repräsentiert. Durch direkte Umformung derWeierstraß’schen Produktdarstellung lässt sich auch die Gauß’sche Produkt-darstellung ableiten, die sich wiederspiegelt in der Relation

Γ(x) = limn→∞

nxn! ·n∏k=0

(x+ k)−1 (2.4.7)

Wie man sieht lässt sich diese exotische Funktion in vielfältiger Art und Wei-se darstellen. Unserem Verwendungszweck entsprechend beziehen wir uns inden nachstehenden Berechnungen auf die Euler’sche Integraldarstellung, dadiese im folgenden Abschnitt verwendet wird, um die Laplace-Transfomierteeiner Funktion zu ermitteln.

Versuchen wir nun die Werte der Gammafunktionen für verschiedene positi-ve x−Werte zu berechnen. Durch einfache partielle Integration des Euler In-tegrals zweiter Gattung kann auf eine Rekursionsformel geschlossen werden,die uns das Leben weitaus simpler gestalten wird. Unter Verwendung von 2.1.2kann die Gammafunktion integriert werden

Γ(x) =∫ ∞

0exp(−t)︸ ︷︷ ︸

h(t)

· tx−1︸︷︷︸g(t)

dt

⇒ H(t) = − exp(−t)

KAPITEL 2. LAPLACE-TRANSFORMATIONS-METHODEN 100

⇒ g′(t) = (x− 1)tx−2

Dies in die Relation 2.1.2 eingefügt ergibt

Γ(x) =[− exp(−t) · tx−1

] ∞|0︸ ︷︷ ︸

=0

+∫ ∞

0exp(−t) · (x− 1)tx−2dt

⇒ Γ(x) = (x− 1) ·∫ ∞

0exp(−t) · tx−2dt︸ ︷︷ ︸

Γ(x−1)

Wie man sieht wurde auf triviale Weise eine Rekursionsformel der Gamma-funktion erstellt, die sich schreiben lässt als

Γ(x) = (x− 1) · Γ(x− 1)

bzw.Γ(x+ 1) = x · Γ(x) (2.4.8)

Versuchen wir nun die Gammafunktion für x = 1 zu lösen, um somit Aufschlussauf weitere Funktionswerte zu bekommen.

Γ(1) =∫ ∞

0exp(−t)dt = [− exp(−t)]

∞|0

= 1

Somit kann ohne weitere Probleme die Gammafunktion für alle positive undganzzahlige Werte für x ermittelt werden. Führen wir dieses Szenario nunscheinbar n-mal durch. Es wird uns möglich sein, mit Hilfe dieser Rekursi-onsformel Fakultäten zu berechnen.

Γ(2) = Γ(1 + 1) = 1 · Γ(1) = 1Γ(3) = Γ(2 + 1) = 2 · Γ(2) = 2

......

......

......

...Γ(n) = Γ(n− 1 + 1) = (n− 1) · Γ(n− 1) = (n− 1) · (n− 2) · · · 1 = (n− 1) !

Γ(n+ 1) = Γ(n+ 1) = n · Γ(n) = n · (n− 1) · (n− 2) · · · 1 = n!

Der aufmerksame Leser wird sich nun mit ziemlicher Sicherheit die Frage stel-len, was denn nun bei halbzahligen Argumenten passiert. Aus der Rekursions-formel 2.4.8

Γ(x) =Γ(x+ 1)

x

geht hervor, dass aus der Kenntnis von Γ(12) auf alle anderen Gammafunktio-

nen mit halbzahligen positiven oder negativen Argumenten geschlossen wer-den kann. Demnach versuchen wir uns nun an der Gammafunktion für x = 1

2.

Γ(12

) =∫ ∞

0exp(−t) · t−

12dt

KAPITEL 2. LAPLACE-TRANSFORMATIONS-METHODEN 101

Ein geschultes Auge wird hier wohl erkennen, dass dieses uneigentliche In-tegral nur mit Hilfe einer geeigneten Substitution zu lösen ist. Infolgedessentransformieren wir mit

t = u2 ⇒ dt = 2udu

t−12 =

1u

Diese nichtlineare Transformation hat keine Änderung der Grenzen zur Folge.Somit erhalten wir

Γ(12

) =∫ ∞

0exp(−u2) · 1

u· 2udu = 2 ·

∫ ∞0

exp(−u2) · du︸ ︷︷ ︸√π

2erf(∞)

Bei Betrachtung der Gleichung 2.4.1 und der Tatsache, dass

limu→∞

erf(u) = 1

ist, ergibt sich

Γ(12

) =√π

Wie man sieht ist die Kenntnis so mancher spezieller Funktion unentbehrlich.Weitere Eigenschaften der Gammafunktion lauten:

• Reflektionsformel (Angabe ohne Herleitung): Γ(x) · Γ(1− x) = πsin(πx)

, x 6= 0,±1,±2,±3, .....Wie man sieht folgt daraus der oben berechnete Wert für Γ(1

2) :

⇒ Γ(12

) · Γ(12

) =π

sin(π2

)⇒[Γ(

12

)]2

= π ⇒ Γ(12

) =√π

• Γ(n+ 12) = (2n)!·

√π

n!·22n , n = 0, 1, 2, 3, ......

2.4.3 Anwendung der speziellen Funktionen bei der Berechnungder Laplace-Transformierten einfacher Funktionen

Im folgenden wollen wir versuchen die Laplace-Transformierte der Funktionf(x) = x

12 mit Hilfe der uns nun bekannten speziellen Funktionen zu ermit-

teln. Demnach nehmen wir die Definition der Laplace-Transformierten 2.1.1zur Hand und setzen die entsprechende Funktion ein.

L(x12 ) =

∫ ∞0

exp(−sx) · x12dx

Wie wir schon im Kapitel der Differentialgleichungen und im Laufe dieses Ka-pitels gesehen haben, spielen Integralsubstitutionen eine wesentliche Rolle in

KAPITEL 2. LAPLACE-TRANSFORMATIONS-METHODEN 102

der Mathematik. Daher würden wir allen Studenten anraten, unter der Ver-wendung von Integrationstabellen, sich an den geeigneten Substitutionen derverschiedensten Integrale zu versuchen, um ein Gespür für derartige Vereinfa-chungen zu bekommen. Wir sprechen aus eigener Erfahrung. Im Falle unseresProblems eignet sich

sx = t2 ⇒ dx = 2tdt

s

Die Grenzen sind wie gehabt.

⇒ L(x12 ) =

∫ ∞0

exp(−t2) · t√s· 2tdt

s=

2

s32

·∫ ∞

0exp(−t2) · t2dt

Da wir diese Laplace-Transformirte nur mit der Unterstützung der oben ge-nannten Spezialfunktion lösen können, muss eine weitere geschickte Umfor-mung durchgeführt werden. Unser Ziel wird nun sein, den Integrand auf einebekannte Form umzuformen, um uns anschließend die Integration ersparen zukönnen. Bei genauer Betrachtung des Integranden lässt sich schlussfolgern,dass

exp(−t2) · t2 = − t2·d(exp(−t2)

)dt

entspricht. Durch Einfügen dieser Modifizierung resultiert

L(x12 ) = − 1

s32

·∫ ∞

0t︸︷︷︸g(t)

·d(exp(−t2)

)dt︸ ︷︷ ︸h(t)

dt

Durch triviale partielle Integration, wie wir sie schon kennen, erhalten wir

L(x12 ) = s−

32

(exp(−t2) · t

) ∞|0︸ ︷︷ ︸

=0

−∫ ∞

0exp(−t2)dt︸ ︷︷ ︸√π

2erf(∞)︸ ︷︷ ︸√π

2

Es ist zu erkennen, dass die Kenntnis der Fehlerfunktion uns von einer weite-ren Integration bewahrt. Somit kann die Laplace-Transformierte der gesuchtenFunktion ohne weitere Probleme angeschrieben werden.

L(x12 ) =

12

√π

s3

Unter Verwendung der abgeleiteten Relation für die Laplace-Transformierteeiner Ableitung 2.2.1

L(f ′(x)) = −f(0) + s · L(f(x))

KAPITEL 2. LAPLACE-TRANSFORMATIONS-METHODEN 103

ist es möglich mit der vorher ermittelten Laplace-Transformierten, L(x12 ) , auf

eine weitere zu schließen. Setzen wir nun einfach in 2.2.1 ein.

L(12x−

12 ) = 0 + s · L(x

12 )︸ ︷︷ ︸

= 12

√πs3

Da der Ausdruck L(12x− 1

2 ) lediglich ein Integral bezeichnet, können konstanteWerte herausgezogen werden. Demnach entspricht

L(12x−

12 ) =

12L(x−

12 )

⇒ L(x−12 ) = s

√π

s3=√π

s

Unter der Verwendung der Gammafunktion kann die Berechnung von L(x−12 )

noch etwas beschleunigt werden. Wir wissen, dass

L(x−12 ) =

∫ ∞0

exp(−sx) · x−12dx =

√π

s

ist. Nehmen wir nun die Euler’sche Integraldarstellung der Gammafunktion nä-her unter die Lupe.

Γ(x) =∫ ∞

0exp(−t) · tx−1dt (2.4.9)

Unser Ziel wird es sein, den Integranden der Gammafunktion auf den derLaplace-Transformierten der Funktion f(x) = x−

12 anzugleichen. Dazu sub-

stituieren wir in 2.4.9 mitx =

12

t = sx⇒ dt = sdx

⇒ Γ(12

) =∫ ∞

0exp(−sx) · s−

12 · x−

12 · sdx = s

12

∫ ∞0

exp(−sx) · x−12dx︸ ︷︷ ︸

L(x−12 )

⇒ L(x−12 ) = s−

12 · Γ(

12

)

Da wir aufgrund der weiter oben durchgeführten Berechnungen den Wert vonΓ(1

2) mit√π schon eruiert haben, kann die gesuchte Laplace-Transformierte

mit

L(x−12 ) =

√π

s

verifiziert werden.

Da nun der Umgang mit den Laplace-Transformierten schon einige Male geübtwurde, werden wir noch einige elementare Eigenschaften dieses Transforma-tionsmechanismus erörtern.

KAPITEL 2. LAPLACE-TRANSFORMATIONS-METHODEN 104

2.5 Eigenschaften der Laplace-Transformierten

1. Dämpfungssatz: Wenn man eine Funktion f(x), mit f(x) = 0 für x < 0 ,mit exp(ax) mulipliziert, dann hat dies den Effekt, dass sich die Laplace-Transfomierte von F (s) auf F (s − a) transformiert. Zur Vereinfachungbezeichnen wir die modifizierte Funktion mit g(x) = exp(ax) · f(x) , mitg(x) = 0 für x < 0 . Dies lässt sich einfach durch Einsetzen verifizieren.

L(g(x)) =∫ ∞

0f(x) · exp(ax) · exp(−sx)dx =

∫ ∞0

f(x) · exp−x(s− a)dx︸ ︷︷ ︸F (s−a)

⇒ L(g(x)) = F (s− a),

unter der Voraussetzung, dass F (s) =∫∞

0 f(x) · exp(−sx)dx = L(f(x))ist. In diesem Fall haben wir es mit einer ”Verstärkung” zu tun. Folglich istes auch möglich eine Funktion f(x) mit f(x) = 0 für x < 0 exponentiellzu ”dämpfen”. Dies geschieht durch Muliplikation der Oberfunktion f(x)mit einer abfallenden Exponentialfunktion exp(−ax) . Analog zu vorherversuchen wir des weiteren die Laplace-Transfomierte dieser gedämpf-ten Funktion t(x) = exp(−ax) · f(x) , mit t(x) = 0 für x < 0 , zu ermitteln.

L(t(x)) =∫ ∞

0f(x)·exp(−ax)·exp(−sx)dx =

∫ ∞0

f(x) · exp−x(s+ a)dx︸ ︷︷ ︸F (s+a)

⇒ L(t(x)) = F (s+ a)

Bsp.: Dämpfungssatz

Da wir nun aus Abschnitt 2.1 die Laplace-Transformierte der Original-funktion f(x) = 1 mit L(f(x)) = 1

s kennen, bestimmen wir unter Verwen-dung des Dämpfungssatzes die Laplace-Transformierte der gedämpftenFunktion t(x) = exp(−2x) · 1 , mit a = 2 .

L(t(x)) = L(exp(−2x)) = F (s+ 2) =1

s+ 2

KAPITEL 2. LAPLACE-TRANSFORMATIONS-METHODEN 105

1. Erster Verschiebungssatz: Betrachten wir eine Funktion f(x) mit f(x) =0 für x < 0 . Diese Originalfunktion wird nun um einen Betrag b nachrechts verschoben, mit b > 0 ist. Wir verändern dadurch lediglich dieLage der Funktion gegenüber der x−Achse. Die Kurve an sich bleibt un-verändert.

x

f(x)

x

g(x)

b

Abbildung 2.5.1: erster Verschiebungssatz

Die nach rechts verschobene Funktion bezeichnen wir als g(x) . Wie wiranschließend sehen werden, entspricht eine solche Verschiebung derKurve einer Muliplikation der Laplace-Transformierten der Originalfunkti-on f(x) mit exp(−bs) , wobei b > 0 ist. Aufgrund der Verschiebung derFunktion nach rechts ändern sich die Variablen. Die Verrückung führtdemnach zu einer linearen Variablentransformation, die sich wiederspie-gelt in

x→ x− b

Die Oberfunktion f(x) geht nun in f(x − b) = g(x) über. Da wir für dieOriginalfunktion weiter oben eine Begrenzung nach links festgelegt ha-ben, müssen wir das gleiche für die verschobene Funktion g(x) machen.Die Funktion g(x) ist demnach 0 für x < b . Berechnen wir uns damit dieLaplace-Transformierte von g(x) .

L(g(x)) = L(f(x− b)) =∫ ∞

0f(x− b) · exp(−sx)dx

Dieses uneigentliche Integral kann mit Hilfe der Substitution

z = x− b⇒ dx = dz

gelöst. Dabei ist zu beachten, dass sich die Integrationsgrenzen auchändern.

x = 0⇒ z = −b

x =∞⇒ z =∞

KAPITEL 2. LAPLACE-TRANSFORMATIONS-METHODEN 106

Daraus folgt, dass f(z) = 0 für z < 0 ist. Pflanzen wir dies nun in dasgesuchte Integral ein.

L(g(x)) =∫ ∞−b

f(z) · exp−s(z + b)dz = exp(−sb) ·∫ ∞−b

f(z) · exp(−sz)dz︸ ︷︷ ︸K

Durch Auspaltung des Integrals K in zwei Teilintegrale erhalten wir:

L(g(x)) = exp(−sb)

∫ 0

−bf(z) · exp(−sz)dz︸ ︷︷ ︸

=0 aus f(z)=0 für z<0

+∫ ∞

0f(z) · exp(−sz)dz︸ ︷︷ ︸=F (s)=L(f(x))

⇒ L(g(x)) = exp(−sb) · L(f(x)) (2.5.1)

Damit wurde auf triviale Weise gezeigt, dass eine Verschiebung der Ori-ginalfunktion f(x) nach rechts einer Muliplikation der Laplace-Transfromiertender Oberfunktion mit exp(−sb) entspricht. Man nennt dieses Verhalten”Translation” um einen Betrag b .

Bsp.: erster Verschiebungssatz

Im folgenden möchten wir mit Hilfe des ersten Verschiebungssatzes dieKurve f(x) = sin(x) um den Betrag b = 3 nach rechts verschieben,um daraus die Laplace-Transfomierte der verschobenen Funktion g(x)zu ermitteln. Wie wir aus Abschnitt 2.1 wissen, entspricht die Laplace-Transfomierte der Originalfunktion f(x) = sin(x) gleich L(f(x)) = 1

s2+1.

Die um den Betrag b = 3 nach rechts verschobene Laplace-Transformierteder Funktion f(x) lässt sich nach 2.5.1 auf triviale Weise berechnen.

L(g(x)) = L(f(x− 3)) = exp(−3s) · L(f(x)) =exp(−3s)s2 + 1

KAPITEL 2. LAPLACE-TRANSFORMATIONS-METHODEN 107

1. Zweiter Verschiebungssatz: Die Oberfunktion f(x) wird nun um einenBetrag b nach links verschoben, mit b > 0 und f(x) = 0 für x < 0 .

x

f(x)

x

k(x)

-b

Abbildung 2.5.2: zweiter Verschiebungssatz

Führen wir dieses Szenario analog zu oben durch. Durch die Verrückungkommt es erneut zu einer Variablentransformation

x→ x+ b

Die verschobene Funktion wird nun als k(x) bezeichnet. Demnach erhal-ten wir einen Übergang der Originalfunktion f(x) in f(x+ b) = k(x) , mitk(x) = 0 für x < −b . Versuchen wir nun die Laplace-Transformierte derverschobenen Funktion k(x) zu ermitteln.

L(k(x)) = L(f(x+ b)) =∫ ∞

0f(x+ b) · exp(−sx)dx

Unter der Verwendung der Substitution

z = x+ b⇒ dx = dz

kann das obige Integral eruiert werden. Erneut ändern sich die Grenzen.

x = 0⇒ z = b

x =∞⇒ z =∞Schreiben wir nun die gesuchte Laplace-Transformierte mit ihren neuenVariablen an.

L(k(x)) =∫ ∞b

f(z) · exp−s(z − b)dz = exp(bs) ·∫ ∞b

f(z) · exp(−sz)dz

Neuerlich kann das Integral aufgespalten werden.

L(k(x)) = exp(bs) ·

∫ 0

bf(z) · exp(−sz)dz +

∫ ∞0

f(z) · exp(−sz)dz︸ ︷︷ ︸F (s)=L(f(x))

KAPITEL 2. LAPLACE-TRANSFORMATIONS-METHODEN 108

Die Laplace-Transformierte der verschobenen Kurve k(x) = f(x + b)kann demnach mit

⇒ L(k(x)) = exp(bs) ·[L(f(x))−

∫ b

0f(x) · exp(−sx)dx

]dargestellt werden. In diesem Fall ist eine weitere Vereinfachung nichtmöglich, da die Funktion f(z) nur für negative Werte von z Null werdenwürde. Da nun b mit b > 0 festgelegt wurde, bleibt das Integral im Ge-gensatz zum ersten Verschiebungssatz erhalten.

2. Ähnlichkeitssatz: Betrachten wir dazu wiederum eine Funktion f(x)mit der üblichen Einschränkung, f(x) = 0 für x < 0 . Wir versuchenim folgenden eine Dehnung oder Stauchung der bekannten Kurve f(x)längs der x−Achse mit Hilfe einer geeigneten Variablentransformationbeschreiben zu können. Die dadurch neu erworbene Funktion p(x) bzw.Kurve zeigt demnach einen ähnlichen Verlauf, wie die Ausgangsfunkti-on. Daher auch der Name dieser Eigenschaft. Die modifizierte Funktionkommt durch die Variablentransformation

x→ c · x

zustande. Somit erhalten wir

p(x) = f(c · x)

mit p(x) = 0 für x < 0 . Wie man an der unteren Grafik erkennen kann,sprechen Werte c < 1 für eine Dehnung der Kurve und c > 1 für eineStauchung.

f(x)f(x) p(x)

Abbildung 2.5.3: Stauchung von f(x) = sin(x) (linke Abb.) mit x → 3x ⇒p(x) = sin(3x) (rechte Abb.)

Versuchen wir nun herauszufinden wie die Laplace-Transformierte dergestauchten oder gestreckten Funktion aussieht.

L(p(x)) = L(f(cx)) =∫ ∞

0f(cx) · exp(−sx)dx

KAPITEL 2. LAPLACE-TRANSFORMATIONS-METHODEN 109

Erneut können wir das Integral nur mit der Substitution

z = cx⇒ dx =dz

c

Da sich nun die Integrationsgrenzen nicht ändern kann die Laplace-Transformiertein

L(p(x)) =1c

∫ ∞0

f(z) · exp(−szc

)dz︸ ︷︷ ︸F( sc)

übergeführt werden. Ersetzt man nun formal sc durch s , so kann die

rechte Seite des oben stehenden Ausdrucks als Laplace-Transformierteder Originalfunktion f(x) angesehen werden.

⇒ L(p(x)) =1c· F(sc

)(2.5.2)

Bsp.: Ähnlichkeitssatz

Da wir in Abschnitt 2.1 die Laplace-Transformierte der Oberfunktion f(x) =sin(bx) berechnet haben, kann dies zur Erklärung herangezogen wer-den. Unter der Annahme, dass wir nur die Laplace-Transformierte derFunktion f(x) = sin(x) kennen, wollen wir mit Hilfe des Ähnlichkeits-satzes die gestauchte Funktion p(x) = f(cx) mit c = 3 berechnen. Wirwissen demnach, dass

L(f(x)) =1

s2 + 1→ f(x) = sin(x)

ist. Die Laplace-Transformierte der gestauchten Funktion p(x) = sin(3x)entspricht demzufolge nach 2.5.2

L(p(x)) =13· F(s

3

)=

13· 1(

s3

)2 + 1=

39 + s2

KAPITEL 2. LAPLACE-TRANSFORMATIONS-METHODEN 110

1. Linearität: Wenn die Laplace-Transformierte von f1(x) für s > a konver-giert und die Laplace-Transformierte von f2(x) für s > b konvergiert, sogilt für ein s > a, b , folgende Relation

L(c1 · f1(x) + c2 · f2(x)) = c1·L(f1(x)) + c2·L(f2(x))

wobei c1 und c2 Konstante darstellen. Es kann somit verallgemeinert wer-den auf

L(c1f1 + c2f2 + ......+ cnfn) = c1·L(f1(x)) + ......+ cn ·L(fn(x)) (2.5.3)

Bsp.: Linearkombination

Mit Hilfe der vorangegangenen Berechnungen der Laplace-Transfomiertentrivialer Funktionen wollen wir die Laplace-Transfomierte der Funktion

f(x) = 1︸︷︷︸f1(x)

+ 2x︸︷︷︸f2(x)

+ 6 sin(x)︸ ︷︷ ︸f3(x)

berechnen. Aus Abschnitt 2.1 wissen wir:

L(f1(x)) =1s→ f1(x) = 1

L(f2(x)) =1s2→ f2(x) = x

L(f3(x)) =1

s2 + 1→ f3(x) = sin(x)

Ohne weitere Probleme kann nun die Laplace-Transfomierte der Funkti-on f(x) nach 2.5.3 ermittelt werden.

L(f(x)) = L(1 + 2x+ 6 sin(x)) = L(1) + 2L(x) + 6L(sin(x))

⇒ L(f(x)) =1s

+2s2

+6

s2 + 1=

2 + s

s2+

61 + s2

KAPITEL 2. LAPLACE-TRANSFORMATIONS-METHODEN 111

2.6 Anwendung der Laplace-Transformation bei der Lö-sung von Differentialgleichungen

Betrachten wir dazu ein einfaches Beispiel, welches in der Praxis wesentlicheinfacher mit den bekannten Verfahrensweisen gelöst werden kann. DieseAufgabe wird lediglich zur Illustration dienen. Dieser Transformationsmecha-nismus ist, wie wir später noch erfahren werden, viel mächtiger als in die-sem Beispiel gezeigt wird. Es sei noch anzumerken, dass im Falle nicht ta-bellierter Laplace-Transformierten die Rücktransformation über Konturintegra-tion im Komplexen durchgeführt werden kann. Die Integration erfolgt demnachim Komplexen und setzt gewisse Kenntnise aus der Funktionentheorie vor-aus. Dieser Vorgang wird auch als inverese Laplace-Transformation bezeich-net. Dies geschieht durch Auffinden der Pole im Komplexen, der Wahl einergeeigneten Kontur, d.h. eines Integrationsweges im Komplexen, der die Po-le umschließt, und die Anwendung des Residuensatzes miteinbezieht. DieseVorgehensweise werden wir im nächsten Abschnitt besprechen.

Bsp.: Zu Lösen sei die homogene lineare Differentialgleichung 2ter Ordnung:

y′′(x) + y(x) = 0 (2.6.1)

mit den Anfangsbedingungen:

y(0) = A

y′(0) = B

Da wir in der folgenden Berechnung dieser Problemstellung die Übersichtlich-keit bewahren wollen, werden wir sie in vier Schritte unterteilen, um somit einKochrezept für das Lösungsverfahren zu erstellen.

1. Schritt (Laplace-Transformierte der DG): Muliplizieren wir die DG mitexp(−sx) und integrieren anschließend über x von 0 nach∞ . Demnach schreibtsich die Bewegungsgleichung 2.6.1 in folgender Gestalt∫ ∞

0exp(−sx) · y′′(x)dx+

∫ ∞0

exp(−sx) · y(x)dx =∫ ∞

00 · exp(−sx)dx

Diese Gleichung kann auch in einer kompakteren Form

L(y′′(x)) + L(y(x)) = L(0) = 0

angegeben werden. Überdies definieren wir uns:

Y (s) = L(y(x)) =∫ ∞

0exp(−sx) · y(x)dx (2.6.2)

Daraus resultiert die Differentialgleichung:

Y ′′(s) + Y (s) = 0 (2.6.3)

KAPITEL 2. LAPLACE-TRANSFORMATIONS-METHODEN 112

2. Schritt (Auffinden der assoziierten algebraischen Gleichung): Aufgrundder Kenntnis der Ableitungssätze der Laplace-Transformation können wir denAusdruck 2.6.2 ableiten und mit Hilfe der nun bekannten Relation 2.2.2 für dieAbleitung der Laplace-Transformierten einer Funktion umschreiben.

Y ′(s) = L(y′(x)) = s · L(y(x))︸ ︷︷ ︸Y (s)

−y(0) = s · Y (s)− y(0)

Anhand dieser Transformation werden wir versuchen die zu lösende Differen-tialgleichung 2.6.1 in eine rein algebraische Gleichung überzuführen. Da inunserer Bewegungsgleichung die zweite Ableitung der Originalfunktion y(x)vorkommt, müssen wir aufgrund der durchgeführten Transformation, auch denAusdruck Y ′′(s) berechnen.

Y ′′(s) = L(y′′(x)) = s2 · L(y(x))︸ ︷︷ ︸Y (s)

−s · y(0)− y′(0) = s2 · Y (s)− s · y(0)− y′(0)

Durch Einsetzen von den eruierten Termen Y (s) und Y ′′(s) in die Laplace-transformierte modifizierte Differentialgleichung 2.6.3 erhalten wir die rein al-gebraische Gleichung:

s2 · Y (s)− s · y(0)− y′(0) + Y (s) = 0

3. Schritt (Bestimmung der Laplace Transformierten Y (s)): Einsetzen derentsprechenden Randbedingungen, y(0) = A und y′(0) = B , in die obenste-hende novellierte DG.

⇒ s2 · Y (s)−As−B + Y (s) = 0

⇒ (s2 + 1) · Y (s)−As−B = 0

⇒ Y (s) =As

s2 + 1︸ ︷︷ ︸Y1(s)

+B

s2 + 1︸ ︷︷ ︸Y2(s)

Dies entspricht nun der Lösung der laplace-transformierten Differentialglei-chung 2.6.3 . Y (s) spiegelt somit die Lösung im Bildbereich wieder.

4. Schritt (Rücktransformation): Da wir nun die Laplace-Transformierte dergesuchten Lösung, Y (s) = L(y(x)) , der Ausgangsrelation 2.6.1 kennen, musseine Rücktransformation auf die ursprüngliche Variable x vollzogen werdenum die gesuchte Lösungsfunktion y(x) zu erhalten. Wir wollen demnach dieLösung im Originalbereich bestimmen. Im Fall der Rücktransformation kön-nen Laplace-Transformations-Tafeln verwendet werden oder man berechnetsich ein ”Lexikon” der entsprechenden Laplace-Transformierten. Im vorange-gangenen Teil dieses Kapitels wurde die Laplace-Transformierte der Funktiony(x) = sin(bx) mit L(sin(bx)) = b

s2+b2bestimmt.

L(y2(x)) =1

s2 + 1→ y2(x) = sin(x)

KAPITEL 2. LAPLACE-TRANSFORMATIONS-METHODEN 113

⇒ Y2(s) =B

s2 + 1→ y2(x) = B sin(x)

Aus entsprechenden Laplace-Transformations-Tafeln wurde die Originalfunkti-on der Laplace-Transformierten s

s2+1ermittelt.

L(y1(x)) =s

s2 + 1→ y1(x) = cos(x)

⇒ Y1(s) =As

s2 + 1→ y1(x) = A cos(x)

Die gesuchte Lösungsfunktion y(x) setzt sich nun aus der Summe der bei-den Funktionen y1(x) und y2(x) zusammen. Schlussendlich erhalten wir dieallgemeine Lösung der DG 2.6.1 :

y(x) = y1(x) + y2(x) = A cos(x) +B sin(x)

Wie oben schon erwähnt wurde, wäre die Lösung mit Hilfe der dazu entwickel-ten Lösungsverfahren, KF und PI, einfacher und effizienter gewesen. Wir be-merken aber zugunsten dieser Lösungsmethode, dass wir direkt die allgemei-ne Lösung erhalten, und wie wir im weiteren sehen werden, weder eine parti-kuläre Lösung auffinden, noch die Randbedingungen explizit anwenden müs-sen. Diese gehen direkt in die Gleichung ein.

Bsp.: Zu Lösen sei die inhomogene lineare Differentialgleichung 2ter Ord-nung:

y′′(x)− 6y′(x) + 8y(x) = 16x+ 12

mit den Anfangsbedingungen:

y(0) = A

y′(0) = B

Wiederum führen wir eine Laplace-Transformation der Ausgangsgleichung durch

L(y′′(x))︸ ︷︷ ︸s2·Y (s)−s·y(0)−y′(0)

−6 L(y′(x))︸ ︷︷ ︸s·Y (s)−y(0)

+8L(y(x))︸ ︷︷ ︸Y (s)

=∫ ∞

0(16x+ 12) exp(−sx)dx

⇔ s2Y (s)−s y(0)︸︷︷︸A

− y′(0)︸︷︷︸B

−6sY (s)+6 y(0)︸︷︷︸A

+8Y (s) =∫ ∞

0(16x+12) exp(−sx)dx

fassen entsprechend zusammen und lösen das Integral auf der rechten Seite

⇒ Y (s)(s2 − 6s+ 8

)+A (6− s)−B =

∫∞0 (16x+ 12) exp(−sx)dx

= 16∫ ∞

0x exp(−sx)dx︸ ︷︷ ︸L(f1(x)=x)

+12∫ ∞

0exp(−sx)dx︸ ︷︷ ︸L(f2(x)=1)

= 16 · 1! · s−(1+1) + 12s

= 16s2

+ 12s

KAPITEL 2. LAPLACE-TRANSFORMATIONS-METHODEN 114

wobei die Integrale bzw. die Laplace-Transformierten der Funktionen f1(x) =x und f2(x) = 1 schon zuvor bestimmt wurden. Durch Multiplikation mit s2

und anschließender Umformung erhalten wir den Ausdruck für die gesuchteFunktion Y (s).

⇒ Y (s) =s2B +As2(s− 6) + 12s+ 16

s2 (s2 − 6s+ 8)=As3 + (B − 6A) s2 + 12s+ 16

s4 − 6s3 + 8s2

Zur Rücktransformation müssen wir die rechte Seite in einfache Brüche auf-spalten, also Y (s) = Z(s)

N(s) . Wir führen demnach eine Partialbruchzerlegungdurch, da die rechte Seite echt gebrochenrational ist. Dazu zerlegen wir denNenner in einfache Faktoren, d.h. wir benötigen die Nullstellen von

s2 − 6s+ 8 = 0

Mit Hilfe der bekannten Lösungsformel für quadratische Gleichungen erhaltenwir die Lösungen zu

s1,2 =6±√

36− 322

= 3± 1

⇒ s1 = 4 und s2 = 2

und somit gilts2 − 6s+ 8 = (s− 4)(s− 2)

Der Term N(s) stellt sich demnach folgendermaßen dar:

N(s) = s2(s− 4)(s− 2)

Der Ansatz für die Partialbruchzerlegung lautet demnach

As3 + (B − 6A) s2 + 12s+ 16s4 − 6s3 + 8s2

=α+ βs

s2+

γ

s− 2+

δ

s− 4

Um die unbekannten Konstanten α, β, γ und δ bestimmen zu können, müssendie Brüche zunächst gleichnamig gemacht werden. Die Brüche der rechtenSeite müssen daher der Reihe nach mit s2, (s−4) und (s−2) erweitert werden.Da anschließend die Brüche der beiden Seiten im Nenner übereinstimmen,müssen sie auch im Zähler übereinstimmen. Der Zählervergleich führt somitauf

As3 + (B − 6A) s2 + 12s+ 16 = (α+ βs) (s− 4)(s− 2) + γs2(s− 4) + δs2(s− 2)= s3 (β + γ + δ) + s2 (α− 6β − 4γ − 2δ) + s (8β − 6α) + 8α

Diese Gleichung gilt für alle reellen s-Werte. Um nun ein gestaffeltes linea-res Gleichungssystem für die vier Unbekannten zu erhalten führen wir einenKoeffizientenvergleich durch, womit sich die folgenden Bedingungen ergeben:

β + γ + δ = A⇒ γ = A− β − δ (2.6.4)

α− 6β − 4γ − 2δ = B − 6A⇒ δ =12

(α− 6β − 4γ −B + 6A) (2.6.5)

KAPITEL 2. LAPLACE-TRANSFORMATIONS-METHODEN 115

8β − 6α = 12⇒ β =18

(12 + 6 · 2) = 3 (2.6.6)

8α = 16⇒ α = 2 (2.6.7)

Die Auswertung dieses Gleichungssystems bleibt dem Leser überlassen undführt zu den Lösungen

α = 2

β = 3

γ = 2A− 5− B

2

δ = 2−A+B

2sodass gilt

Y (s) = α+βss2

+ γs−2 + δ

s−4

= 3s + 2

s2+ 4−2A+B

2(s−4) −10−4A+B

2(s−2)

Für die Rücktransformation, Y (s)→ y(x), benötigen wir jetzt nur noch unsereTabelle für die einzelnen Terme.

L(f(x)) f(x)3s 3

2s2

= 2 · 1! · s−(1+1) 2x1

2(s−4)exp(4x)

21

2(s−2)exp(2x)

2

Tabelle 2.1: Laplace-Transformationstabelle

Die gesuchte Funktion y(x) kann nun einfach geschrieben werden als

⇒ y(x) = 3 + 2x+(

2−A+B

2

)exp(4x)−

(5− 2A+

B

2

)exp(2x)

Da die Verwendung der oben angesprochenen LT-Tafeln vielen Lesern einDorn im Auge ist, wollen wir in den nachfolgenden Kapiteln die notwendi-gen Grundlagen für die Laplace-Rücktransformation schaffen, welche zugleicheinen Einstieg und eine Vertiefung in die komplexe Funktionentheorie darstellt.