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XIX. JAHRG. 1943 Heft 1 INHALT ESCHERICH, K., Leben und Forschen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 WI~.SMAS~, R., Eine neue Methode der Be'l~mpfung der Fliegenplagen in St~illen . . . . . . . . . 5 BLUSCK, H., Ameisen als Rosenschiidlinge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 Kleine Mitteilungen: Neue Ergebnisse der Wollhandkrabbenforschung. - - Katastrophaler Meisenrtick- gang 1939--1941. - - Uber die Ern~hrung des Storches. - - Bisamratten als Gartensch~idlinge. ~ Ministerial- dirigent L~rowm SCHUSTER 60 Jahre . . . . . . . . . . . . : . . . . . . . . . . . . 10 Leben und Forschen9 Kampf um eine angewandte Wissenschaft Von K. ESCHERICH Zweite Reihe Aus dem Kapitel: Forschungsinstitut fiir angewandte Zoologie Das ~GroBe ~ und das ,Kleine ~ Institut Die wirtschaftlichen Verh~ltnisse in, Deutsch- land wurden immer scMechter und damit die Aussichten auf die mir bei meinen Berufungs- verhandlungen im Jahr 1914 zugesagten Er- weiterungsbauten des Mfinchener Institutes immer geringer. Ich suchte daher auf anderen Wegen vorwartszukommen. Mit Vortr~geu und Al~ikeln in allen mSglichen Zeitschriften und Tages- zeitungen wurde immer wieder in dieselbe Kerbe gehauen, namlich, in welch trauriger Verfassung sich bei uns die angewandte Entomologie befand und wie wichtig ffir unser gesamtes Wirtschafts- leben, ja, ffir unsere Zivilisation tier Ausbau dieser Wissenschaft sei. Der erste Erfolg dieser Propaganda war ein Schreiben yore Chef der groBen Holzfirma KLOEPFER & K~uG~I~ in ]Ktinchen, der sich auf einen Artikel ,Waldkrankheiten '~ in den ,~fiinchener Neuesten Nachrichten ~ kin bereit erkl~te, mir 25000 M. zur freien Ver~gung zu stellen. Ich he~ diese Summe der Universit~t fiberweisen zur Errichtung einer Stiftung (KLo~-Stiftung), aus deren Mitteln die Arbeiten des Institutes unterstfitzt werden sollten. Ermutigt durch diesen Anfang reifte in mir allm~hlicb GrSBeres: Ein Forschungsinstitut fiir angewandte Zoologie soUte es sein. Es war an ein Institut gro~en Stils gedacht mit mSglichst freier unbflrokratischer Verfassung. Die Mittel hierzu sollten dutch Stiftungen aufgebracht werden. Ich trug den Gedanken an den Reichsrat FR~NZ veer B ~ (Deidesheim) heran, der als einer der I) Siehe diese Zeitschriit 1942. S~ 109. grS•ten Weingutsbesitzer starkes Interesse an der Schadlingsbekampfung und gro~es Verst~udnis ffir unsere Wissenschaft hatte. Dieser setzte sich in der Kammer der Reichsr~te (22. Marz 1917) mit Leidenschaft ffir die Errichtung eines In- stitutes ein, in welchem die Sehadlinge nach allen j Richtungen hin wissenschaftlich erforscht ~erden sollten, um so Wege zu deren wirksamen Bekampfung zu finden. Auf die v.o~ Bunnsche Rede hin beauftragte reich der bayerische Kultusminister eine Denk- schrift fiber diese Frage auszuarbeiten. Zugleich wurde mir die Vollmacht gegeben, die mir als geeignet erscheinenden Sehritte zur Herbei- schaffung ~r Mitteln zu unternehmen; auch das Ministerium selbst wollte in dieser Richtung tatig sein. ]Kit viel Freude und Begeisterung ging ich an diese letztere Aufgabe und ich hatte auch gute Er- folge zu verzeichnen. Psychologisches Verst~tnd- his, Takt und Vorsicht sind die Grundbedingungen ffir solche Unternehmungen, bei denen es vor allem darauf ankommt, den schwachen Punkt, der in der Brust des ~Gegners ~ schlummert, herauszufinden. Hat man diesen entdeckt (z. B. die Hoffnung auf eine Auszeichnung usw.), so kann man ruhig deutlicher kommen. Man darI sich dann auch durch etwaige ablehnende Gesten nicht verbl~iffen lassen -- denn schliel~lich kommt doch die Zusage, vor aUem wenn man vorgibt die Ablehnung ffir ernst zu nehme.n und sich darauf- ban enffernen will. Meine Menschenkenntnis hat sich im Verlauf dieser =Gesch~iftsreisen ~ wesent- lich erweitert 2). 2) Eine Episode aus vielea verdient wegeu ihrer Besondero hoiten hier kurz erwtthnt zu werden: Eines Tages wurde ich sp~t abends telefonisch angerufen, etwa wie folgt: ,Ich h~rte heute auf der Plattform der Elektrischen einem Gesprlich zur in dem Sie lhren Begleiter fragten, ob er nlcht einen MRcen nennen 1

Leben und Forschen

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XIX. J A H R G . 1943 Hef t 1

I N H A L T ESCHERICH, K., Leben und Forschen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 WI~.SMAS~, R., Eine neue Methode der Be'l~mpfung der Fliegenplagen in St~illen . . . . . . . . . 5 BLUSCK, H., Ameisen als Rosenschiidlinge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 Kleine Mitteilungen: Neue Ergebnisse der Wollhandkrabbenforschung. - - Katastrophaler Meisenrtick-

gang 1939--1941. - - Uber die Ern~hrung des Storches. - - Bisamratten als Gartensch~idlinge. ~ Ministerial- dirigent L~rowm SCHUSTER 60 Jahre . . . . . . . . . . . . : . . . . . . . . . . . . 10

Leben und Forschen9 K a m p f u m e i n e a n g e w a n d t e W i s s e n s c h a f t

Von

K. ESCHERICH

Zweite Reihe

Aus dem Kapitel: F o r s c h u n g s i n s t i t u t f i ir a n g e w a n d t e Z o o l o g i e

Das ~GroBe ~ und das , K l e i n e ~ I n s t i t u t

Die wirtschaftlichen Verh~ltnisse in, Deutsch- land wurden immer scMechter und damit die Aussichten auf die mir bei meinen Berufungs- verhandlungen im Jahr 1914 zugesagten Er- weiterungsbauten des Mfinchener Institutes immer geringer. Ich suchte daher auf anderen Wegen vorwartszukommen. Mit Vortr~geu und Al~ikeln in allen mSglichen Zeitschriften und Tages- zeitungen wurde immer wieder in dieselbe Kerbe gehauen, namlich, in welch trauriger Verfassung sich bei uns die angewandte Entomologie befand und wie wichtig ffir unser gesamtes Wirtschafts- leben, ja, ffir unsere Zivilisation tier Ausbau dieser Wissenschaft sei.

Der erste Erfolg dieser Propaganda war ein Schreiben yore Chef der groBen Holzfirma KLOEPFER & K~uG~I~ in ]Ktinchen, der sich auf einen Artikel ,Waldkrankheiten '~ in den ,~fiinchener Neuesten Nachrichten ~ kin bereit erkl~te, mir 25000 M. zur freien Ver~gung zu stellen. Ich he~ diese Summe der Universit~t fiberweisen zur Errichtung einer Stiftung ( K L o ~ - S t i f t u n g ) , aus deren Mitteln die Arbeiten des Institutes unterstfitzt werden sollten.

Ermutigt durch diesen Anfang reifte in mir allm~hlicb GrSBeres: Ein Forschungsinstitut fiir angewandte Zoologie soUte es sein. Es war an ein Institut gro~en Stils gedacht mit mSglichst freier unbflrokratischer Verfassung. Die Mittel hierzu sollten dutch Stiftungen aufgebracht werden. Ich trug den Gedanken an den Reichsrat FR~NZ veer B ~ (Deidesheim) heran, der als einer der

I) Siehe diese Zeitschriit 1942. S~ 109.

grS•ten Weingutsbesitzer starkes Interesse an der Schadlingsbekampfung und gro~es Verst~udnis ffir unsere Wissenschaft hatte. Dieser setzte sich in der Kammer der Reichsr~te (22. Marz 1917) mit Leidenschaft ffir die Errichtung eines In- stitutes ein, in welchem die Sehadlinge nach allen j Richtungen hin wissenschaftlich erforscht ~erden sollten, um so Wege zu deren wirksamen Bekampfung zu finden.

Auf die v.o~ Bunnsche Rede hin beauftragte reich der bayerische Kultusminister eine Denk- schrift fiber diese Frage auszuarbeiten. Zugleich wurde mir die Vollmacht gegeben, die mir als geeignet erscheinenden Sehritte zur Herbei- schaffung ~r Mitteln zu unternehmen; auch das Ministerium selbst wollte in dieser Richtung tatig sein.

]Kit viel Freude und Begeisterung ging ich an diese letztere Aufgabe und ich hatte auch gute Er- folge zu verzeichnen. Psychologisches Verst~tnd- his, Takt und Vorsicht sind die Grundbedingungen ffir solche Unternehmungen, bei denen es vor allem darauf ankommt, den schwachen Punkt, der in der Brust des ~Gegners ~ schlummert, herauszufinden. Hat man diesen entdeckt (z. B. die Hoffnung auf eine Auszeichnung usw.), so kann man ruhig deutlicher kommen. Man darI sich dann auch durch etwaige ablehnende Gesten nicht verbl~iffen lassen - - denn schliel~lich kommt doch die Zusage, vor aUem wenn man vorgibt die Ablehnung ffir ernst zu nehme.n und sich darauf- ban enffernen will. Meine Menschenkenntnis hat sich im Verlauf dieser =Gesch~iftsreisen ~ wesent- lich erweitert 2).

2) Eine Episode aus vielea verdient wegeu ihrer Besondero hoiten hier kurz erwtthnt zu werden: Eines Tages wurde ich sp~t abends telefonisch angerufen, etwa wie folgt: , Ich h~rte heute auf der Plattform der Elektrischen einem Gesprlich zur in dem Sie lhren Begleiter fragten, ob er nlcht einen MRcen nennen

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K. ESC~ER~C~: Leben und Forschen

Nachdem eine grS[~ere Summe zusammen- gebracht war (iiber eine halbe Million Goldmark!), wurde eine Sitzung im Kultusministerium anbe- raumt, in der ich an Hand der Denkschrift die Notwendigkeit der Errichtung eines derartigen Institutes ausffihrlich begriinden und das Arbeits- programm in groBen Linien darstelien sollte. Es waren zahlreiehe Einladungen hierzu ergangen an ane mSglichen Kreise aus Wissenschaft, Wirt- schaft, aus dem Innemninisterium, der Ministerial- forstabteilung usw.; auch Reichsrat vo~ Bvn~ und ferner der damalige Direktor der Biologischen Reichsanstalt und der Leiter der Bayerischen Landesanstalt fiir Pflanzenzucht und Pflanzen- schutz waren anwesend. Obwohl sich im Ver- lauf der Verhandlungen einige Gegensatze arts recht kleinlichen Gesichtspunkten oder eifer- sfichtigen Geftihlen heraus bemerkbar machten, kam die Sitzung dank dem. sehr energischen Ein- treten des Reichsrats vo~r BUHL und der geschickten Leitung des Vorsitzenden (Ministerialdirektor vo~ Wt.~TV.~xN) gut zu Ende.

his nachster Schritt wurde d)e Ausarbeitung yon Planen fiir das Institut in Angriff genommen. Ein gro.~er dreistSckiger Bau mit zahlreichen Arbeits-, Zucht- und Sammlungsraumen, einem Vortrags- und Demonstrationssaal usw. (ira ganzen etwa 4"0 Raumen) war vorgesehen. Dabei drangte sich natiirlich die Frage auf: We so l l t e das I n s t i t u t e r s t e h e n ? Das Natiirlichste ware ge- wesen, es mit dem in Aussicht genommenen neuen Zoologischen Institut zu verbinden. Die Vorteile einer solchen Vereinigung liegen so klar auf der Hand (gegenseitige Anregung, Erganzung der Biicherei, der Sammlung, des Demonstrations- materials), da~ nicht naher auf sie eingegangen zu werden braucht. Doch wir fanden damals wenig @egenliebe, web] aus dem Grunde, well damals die ,angewandte Zoologie" noch nicht ,standesgemal~" erschienen ist, mit der theo- retischen Zoologie unter einem Dach zu wohnen. Dann wurde daran gedacht, das Institut nach Nymphenburg in die unmittelbare ]~/ahe des prachtigen Botanischen Institutes zu legen. Diese nachbarlicbe Verbindung hatte ebenfalls viele Griinde fiir sich, und der Direktor des Botanischen Institutes, K. v o ~ GOEBEL, hatte diese Idee freu-

kSnnte~ der mehrere hunderitausend Mark fiir ein wissenschaft- ]iches Institut stiften wfirde. I c h bin der Gesuchte. Ich stifte ]hnea sofort dreihunderttausend Mark und auch mehr, wean mir ein kleiner Wunsch, in Form eiaes hohen Ordens erffillt wiirdo, a Gleieh am n~tchsten Morgen trug ieh dem Ministerfliese Begeben- heit vor. Der gro~ea Freude fiber die in Aussicht stehende Snmme fo]gte eine schwere Eatt~uschung, als ich den Namen des Stifters bekanntgab. Yon ihm wolle der Staat keine Stiftungen annehmen. Als ich diesen Bescheid an den Gebefreudigea weitergab, wollte eL" die Summe aufs Doppelte erhShen - - und nur durch Einhangen des Telefonhlirers konnte ich reich vor einer Million retten. Der Betreffende ist kurze Zeit darauf'gestorben.

digst begriii~t, da er neue hnregung und lebhafte Zusammenarbeit erhoffte.

Schlie~lich aber wurde es weder dem Zoo- [ogischen noch dem Botanischen Institut ange- gliedert oder benachbart-- es w u rd e i i b e r h a u p t n i c h t gebaut . Die Plane blieben liegen, man wollte das Kriegsende abwarten. Es kam die Inflation, die wie ein gro~er Schwamm alles wieder wegwischte. Der Traum eines grol~en, alle Gebiete der angewandten Entomologie um- fassenden Institutes war ausgetraumt!

Die Inflation hat es gut mit mir gemeint, das wurde mir spater immer klarer. Ware namlieh das Institut zustande gekommen, so wfirde die Leitung und Inganghaltung des ganzen Apparates und ferner der J~rger, der durch die unausbleib- lichen Spannungen unter den vielen Mitarbeitern und Angestellten sich eingestellt hatte, eine schwere Belastung der vorhandcnen Krafte auf Kosten der wissenschaftlichen Arbeit bedeutet haben. Wenn auch HAECKELS Ausspruch, da~ die Leistungen gewShnlich im umgekehrten Verhalt- his zur Griil~e des Institutes stehen, nicht als aUgemein gfiltige Regel aufgestellt werden kann, so kann andererseits der Segen des . K l e i n e n I n s t i t u t e s " nicht geleugnet werden. Das ~Kleine Institut ~ birgt nurwenig hblenkungs- und StSrungs- momente and bietet so yon vornherein mehr die MSglichkeit zur Entwicklung einer ruhigen und zur Versenkung in die Tiefen der Wissenschaft nStigen Atmosphare. Wenn ferner die wenigen Angestellten und hssistenten, die das .Kleine In- ~titut" braucht, mit gliicklicher Hand ausgewahlt sind - - und das ist bier viel leichter als bei dem zahlreichen Personal eines grol~en Institutes - - , dann sind auch die Voraussetzungen fiir ein reibungsloses Zusammenarbeiten und einen festen und freundschaftlichen Zusammenschlui~ zu einer nach e inem Ziel strebenden Institutsfamilie ge- geben. Auch kann in der huswahl der Schiiler in dem ,Kleinen Institut" ein strengerer Mal~- stab sowohl nach der wissenschaftlichen Fahig- keit wie in menschlicher Beziehung angelegt werden, so dal~ welt seltener unbrauchbare oder quarulierende Elemente in den Institutsverband stSrend eindringen. Sind diese Bedingungen er- Ifillt, so ist es ein leichtes, Wind in die Glut zu blasen, so dail die Flammen der Begeisterung hochgehen und yon jedem Mitglied des Institutes das Letzte hergegeben wird.

Das ,Kleine Institut ~ mit 10 oder 15 Raumen kann auch viel leichter mit dem Gei s t u n d H e r z e n d e r l e i t e n d e n P e r s S n l i c h k e i t er- f t i l l t und d u r e h d r u n g e n w e r d e n als ein Mammutinstitut mit 40 oder mehr Raumen. Nichts. Trostloseres als ein groi~es Institut, in

K. Esc~RIcH: Leben und Forscheu

dem Geist und Raum in einem .~Iifiverhaltnis stehen - - hier klingt es hohl! Die Leistungen eines solchen grol~en, aber ,hohlen ~ Institutes stehen dementsprechend meist wesentlich zurtick hinter deneu eines kleinen aber richtig ,ausge- ffillten" Institutes, vor allem, wenn die Auf- wendungen der beiden Institute als Yergleichs- basis herangezogen werden. So l i eg t das Ge- h e i m n i s de r of t e r s t a u n l i c h e n L e i s t u n g e n k l e i n e r mi t e i nem ganz g e r i n g e n E t a t aus- g e s t a t t e t e r I n s t i t u t e - - so paradox dies er- seheinen mag - - eben in de r K l e i n h e i t und de r g e r i n g e n Zah l de r da r in A r b e i t e n d e n !

Ieh glaubte, hier auf diese Dinge eingehen zu mfissen, da vielfach die irrige )Ieinung be- steht, mit der Errichtung groi]er und glanzend ausgestatteter ' Institutsgebaude sei schon die Hauptsache ffir die F0rderung der Wissenschaft getan. Vielleicht ware es - - in vielen Fallen w e n i g s t e n s - richtiger, kleiner anzufangen, doch so, dal~ ohne Schwierigkeit erweitert werden kann, wenn es mit der Zeit notwendig werden sollte. Damit wiirde das driickende Gefiihl der ObergrSl~e bzw. des Vakuums vermieden werden. Aueh ich glanbte ja bei der.Griindung des ,For- schungsinstitutes ftir angewandte Zoologie" an den Zauber des ,Grol~en Institutes". Doch heute bin ich voll fiberzeugt, da~ dol~ re]ativ weniger geleistet worden ware, als in dem kleinen, von glticklicher Harmonie und Begeisterung erfiillten Institut im Gartengebiiude der Forstlichen Ver- suchsanstalt an wissenschaftlicher hrbeit geleistet wurde.

Das ,Forschungsinstitut fiir angewandte Zoo- logie" existiert weiter, auch heute noch, aller- dings nur als S t i f t u n g . Immerhin ist noch so viel yon der seinerzeit zusammengebraehten Summe vorhanden, dab jahrlich mehrere tausend Reichsmark fiir besondere hrbeiten aus der Stiftung bezogen werden kSnnen. Es ist ein aul~erordent- lich beruhigender Gedanke ffir den Institutsvor- stand, dab bei erschiipftem Normaletat immer noch einige andere Quellen fiir zusatzliche ])Iittel angesehlagen werden kSnnen.

Aus dem Kapitel: , A k a d e m i s c h e r 5Tach- w u c h s und B e r u f u n g e n ~

. . . ,Die Hauptkunst des Institutsvorstandes ist, die Mitarbeiter ftir ihre Arbeit so zu begeistern, dab sie ihre ganze Kraft mit roller Hingebung einsetzen. .~Ian glaubt nieht, was man oft mit ein bil~chen Lob und hnerkennung erreichen kann. Wenn man die ersten Mikrotomschnitte oder die ersten kleinen Entdeckungen, die ein Schiller macht, etwas wohlwollend und vielleicht auch etwas fibertreibend anerkennt, so steigert sich bei

empfanglichen und temperament'~ollen Gemiitern der Eifer ganz machtig. Und wer erst einmal die riehtige beglfickende und erwarmende Freude des Forschens und Entdeckens gekostet hat, ist fiir die Forschung gewonnen. Ich habr diese Erfahrung immer wieder gemacht und mir als Grundregel angeeignet. Mein Lehrer BOTsc~mx war in dieser Beziehung grol~artig. Wie oft sagte er mir: ,Ich k0nnte sie um diese sch6ne Ent- deckung beneiden', was mein Blur in Wallung brachte und Hochstimmung erzeugte. Ver- schiedentlich konnte man ihn auch hSren: ,Nun, mein lieber Fretmd, jetzt ist's abet bald Zeit, dab Sie sich einen Platz in der Walhalla sichern' usw."

,Es herrschte durchgehend ein gr0•er, ja beinahe stiirmischer hrbeitsgeist im Mfinchener Institut. Jeder sal~ tiefversunken an seinem Tisch und mikroskopierte, mikrotomisierte, praparierte, experimentierte, zeichnete usw. Jeder geizte re_it der Zeit, keine Minute sollte verleren gehen, und so war es meist still in den hrbeitsraumen. Es wurde selten viel geredet oder gar ,geratscht' - - eine Unsitte, die nicht nur ungeheuer viel Zeit vSllig unntitz wegstiehlt, sonder.n auch gefahr- hche Keime yon StSrungen in sieh birgt, und die ich daher stets sehr energisch bekampft habe, wenn es einmal notwendig geworden sein sollte."...

. . . ,Der hssistent soll m0glichst yon den reinen Verwaltungsgeschaften befreit sein, so dal~ er sich grSlitenteils wissenschafthcher hrbeit wid- men kann. Die Assistentenzeit gehSrt zu einem der wichtigsten Entwicklungsstadien der wissenschaft- lichen Latffbahn und soll daher m0glichst unbelastet bleiben; in ihr mul~ entschieden werden, ob der Betreffende die nStige Veranlagung und den nStigen Schwung ffir wissenschaftliches Denken usw. be- sitzt oder nicht. Und so mul~ ihm die Gelegen- heir gegeben werden, zu zeigen, was er kann.~.. .

� 9 ,Hat sich der Assistent mehrere Jahre hin- durch gut bewahrt, hat er ernste wissenschaft- liehe Leistungen vollbracht, so tritt die Frage an den Chef heran: Kann man ihm mit gutem Ge- wissen raten, sich ganz der Wissenschaft zu wid- men, und kann man es vor der wissenschaftlichen Welt verantworten, ihn ihr als neuen Jfinger zu- zuffihren? Die Entscheidung ist nicht immer leicht, besonders, wenn es sich nieht um eindeutig ganz hervorragende ]~Ienschen handelt. Es miissen ebcn dabei sehr viele Seiten der mensehlichen Natur berfieksiehtigt werden. Vor allem darf nicht nut die Zahl und der Umfang der Arbeiten bestechen. Es sind im allgemeinen nicht immer die Besten, die durch Massenproduktion imponieren ~vollen. Unvergei~lich bleibt mir der angstgequalte Aus- spruch eines angehenden Jiingers der Wissenschaft : ,Der Kollege X. hatte in meinem Alter schon viel

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K. ESCH~RXCH: Leben und Forschen

mehr Arbeiten publiziert als ich, das kann ich gar nicht mehr einholen.' Jiinglingen mit dieser Einstellung ist in der Regel kein gfinstiges Pro- gnostikum zu stellen. ~ . . .

� 9 ,Bei Empfel~ung oder Begutachtung eines Schfilers bzw. Mitarbeiters zum Dozenten usw. spielen leider nicht immer nur rein sachliche, sondern nicht selten noch andere att~enstehende ~Iomente mit herein: ~Iitleid, freundschaftliche oder verwandtschaftliche (bestehende oder kom- meade) Beziehungen und Geffihle, durch die die Leistungen subjektiv vergrSBert werden, oder auch n man verzeihe mir, dab ich den Finger auf diese Wunde lege - - der Wunsch, den Be- treffenden los zu werden. Menschliches, Allzu- menschliches ! ~

Wir alle leiden gelegentlich tinter diesen Schw~hen, gegen die mit ernstem Wfllen anzu- kampfen ist. Man mSge dabei sich stets vor Augen halten, da~ solehe durch Einsehleichen yon derartigen Geffitflsmomenten mehr oder weniger verzeichneten Empfehlungen recht oft fehlsehlagen und unerfreuliche Folgen haben.~ . . .

~Die gleichen menschlichen Schwachen, nur noch in verst,~rktem ~aBe, treten bei den Be- t u f u n g e n zutage, wohl das unerfreulichste Kapitel des akademischen Lebens. Auch hier trfiben oft persSnliche Zu- oder Abneigungen, oder andere unsachliehe Momente die klare Sicht. Jede Fakult~t sollte danach trachten, die beste und geeignetsto Kraft ffir eine Professur zu erhalten, eine Kraft, die fiihrend auf ihrera Wissensgebiet ist oder wenigstens (}rundlegendes darin geleistet hat. ~eist ist man auch bestrebt, nach diesem Grund- satz zu handeln, doch wie oft wird diese gerade Linie umgebogen durch irgendwelche unerwartet hineingeworfenen Einwande you seiten "eines Kollegen, der zuf~llig yon irgendwelchen unange- nehmen persSnlichen Eigenschaften des Favoriten gehSrt haben will, die ihn als zukfinftigen Kollegen nicht wfnschenswert erscheinen lassen. Dadurch kann die ganze Arbeit, die in endlosen, oft er- regten und gespannten Sitzungen geleistet wurde, fiber den Haufen geworfen werden. Also, wieder yon vorne anfangen, die Berufungsliste wieder umgestalten, wieder nach neuen Kandidaten Um- schau halten! So vergehen Monate, ja, mitunter Jahre, bis man sich endlich auf eine neue Liste geeinigt h a t . ~ . . .

. . . ,Besonders schwierig kSnnen Berufungen in W i s s e n s c h a f t e n w e r d e n , d i e noch j u n g s ind und d a h e r noch n i c h t t iber e inen g rSBeren Stature g e e i g n e t e r K r a f t e ver- ffigen. In d i e s e r Lage b e f j n d e t s ich u n s e r e W i s s e n s c h a f t , d ie a n g e w a n d t e Zoologie . Ieb weiB aus langer Erfahrtmg nur zu gut, in welche Verlegenheit man dabei kommen kann, den reohten~ ]~Iann zu finden. Doch mSchte ich trotzdem hier mit allem Nachdruck dagegen pro- testieren, dab man auf Lehrstfihle der angewandten Zoologie PersSnlichkeiten holt, die irgendwie,unter, gebracht' werden sollen. Fiir unsere junge, auf- strebende und wirtschaftlich immer bedeutsamer werdende Wissensehaft sind gerade die Besten gut genug. Volles Verantworttmgsgeffihl fiir die groBen volkswirtschaftlichen Aufgaben, starker innerer Auftrieb hierffir, klarer Bhck auch ffir die wirtschaftliche Seite sind neben einer mSg- l i ch s t b r e i t e n w i s s e n s c h a f t l i c h e n Basis Voraussetzungen ffir einen Lehrer der ange- waadten Zoologie. ~

,Nur wenn die Lehrstfihle in unserer Wissen- schaft mit PersSnlichkeiten besetzt werden, die yon dem hohen Geist der angewandten Wissen- schaft durchdrungen sind, die sich ihr roll und ganz hingeben, die nichts anderes wollen als ih r dienen und nicht etwa mit einem Auge nach der ,rein wissenschaftlichen' theoretischen, Zoologie als etwas ,HSherem' hinschielefi - - nur dann k~nnen wir erwarten, dab unsere Wissenschaft sich das Ansehen im allgemeinen Wissenschafts- gebaude erobern wird, das ihr zukommt. Und wenn einmal bei einer Berufung kein Kandidat yon der ,Zunft' zur Verfiigung steht, so halte man in nichtakademischen Instituten Umscha u, die mit angewandt-zoologisohen bzw. ento- mologischen Aufgaben betraut sind - - und es gibt eine ganze Anzahl mit gutem wissenschaft- lichem Niveau - - und man wird sieherlieh dort die eine oder andere geeignete PersSnlichkeit finden. ~ . . . ,Schon bei der Grfindung der Deut- schen Gesellschaft fftr angewandte Entomologie im Jahre 1913 habe ich diesen Standpunkt ver- treten und es als eine der Aufgaben der Gesell- schaft bezeichnet, in diesem Sinne zu wirken, und wenn nStig bei den zustandigen BehSrden mit allem Nachdruck ffir diese Grundsatze vor- stellig zu werden. ~