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Informationen für Rinderhalter www.msd-tiergesundheit.de LEITFADEN ZUM ATEMWEGWEISER FÜR KÄLBER UND RINDER DIE ENZOOTISCHE BRONCHOPNEUMONIE Autorin: Professor Dr. Kerstin Müller, Klinik für Klauentiere, Berlin

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Informationen für Rinderhalter

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Leitfaden zum atemwegweiser für KäLber und rinder die enzootische bronchopneumonie

Autorin: Professor Dr. Kerstin Müller, Klinik für Klauentiere, Berlin

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Leitfaden zum atemwegweiser für KäLber und rinder2

Abb. 1 Risikoperioden

Risikoperioden mit Stressbelastungen schwächen die Abwehr

Geburt 7 Tage

GruppenhaltungEnthornen

6 Wochen

Risiko

Einstallen Fleckvieh

14 Tage

Risiko

Einstallen Holstein-Friesian

Risiko

Einleitung

Erkrankungen der Atemwege beim Kalb verursachen in Zucht- und Mastbetrieben

erhebliche wirtschaftliche Verluste. Je nach Betriebsrichtung (Aufzucht, Mast)

beträgt die Sterblichkeitsrate bei Kälbern bis zum Absetzen weltweit zwischen 3,6 %

und 8,8 %.1 Die größte Bedeutung haben Lungenentzündungen bei Kälbern und

Jungrindern. Diese „Enzootische Bronchopneumonie“ (abgekürzt EBP, enzootisch =

regional begrenzt auftretend) tritt in zwei Formen auf: die saisonale EBP wird vor

allem in den Herbstmonaten beobachtet und durch Virusinfektionen ausgelöst, die

die Abwehrmechanismen der Atemwege der Tiere schwächen. Die von der Jahres-

zeit unabhängige (asaisonale) Form der EBP tritt im Anschluss an Stresssituationen

auf, die zu einer Schwächung der Abwehr beitragen. Zu den stressauslösenden

Faktoren (Stressoren) gehören Tiertransporte und die Aufstallung von Tieren aus

Betrieben unterschiedlicher Herkunft. Daher auch der Name „Händlerhusten“.

Weitere Stressoren sind das Enthornen, das Umstallen, die Umstellung auf ein

automatisches Tränkesystem und das Absetzen.

Die Bezeichnung „Rindergrippe“ ist ein wenig irreführend, denn die Erreger ent-

sprechen nicht den Grippeviren des Menschen. Da der Begriff aber weit verbreitet

ist, wird er im Folgenden zusammen mit dem Begriff „EBP“ verwendet.

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Einstallen Fleckvieh

10 Wochen

Risiko

Absetzen

16 Wochen

Risiko

Verlust maternaler Antikörper

9 Monate

Risiko

Umstallen

Masttiere Zuchttiere

Aufwand und Kosten

Im Zusammenhang mit der EBP/Rindergrippe entstehen finanzielle Verluste

durch Behandlungskosten, den Mehraufwand für die Betreuung der Tiere, die

Tierverluste, das Kümmern von Tieren nach Abklingen der akuten Symptome

sowie Beanstandungen am Tierkörper anlässlich der Fleischbeschau. Außerdem

haben Rinder nach akuter und behandelter EBP/Rindergrippe nur noch ein

eingeschränktes Leistungspotential, welches sich langfristig in schlechteren

Wachstumsraten und einer schlechteren Milchleistung zeigt. Der finanzielle

Schaden wird bei leichtem Verlauf mit etwa 90 € veranschlagt, bei schwerem

Verlauf mit etwa 234 € pro Fall. 2

Ursachen und Verlauf

Die EBP/Rindergrippe ist eine Faktorenkrankheit und entsteht durch Wechselwir-

kungen zwischen dem Kalb sowie vielen belebten und unbelebten Komponenten,

die die verschiedenen Abwehrmechanismen der Tiere schwächen. Als „Stressoren“

lösen sie beim Tier eine messbare Stressreaktion aus.3 Schon zwei Tage nach einer

Stressbelastung werden in den Beständen die ersten Erkrankungsfälle beobachtet.

In den folgenden drei bis vier Wochen kommt es zu einem sprunghaften Anstieg

der Anzahl erkrankter Tiere.4,5

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Leitfaden zum atemwegweiser für KäLber und rinder4

Deshalb sollte gerade in diesen Risikoperioden (Abb. 1) nach einer Stressbelastung

den Tieren besondere Aufmerksamkeit gewidmet werden, um Krankheitsanzeichen

frühzeitig wahrnehmen zu können. Die einzelnen Faktoren der EBP/Rindergrippe

(Abb. 2) werden nun im Wei teren besprochen und ihr jeweiliger Einfluss auf die

Lungengesundheit der Rinder dargestellt.

Abb. 2 Stressoren als Verursacher von Atemwegsinfektionen beim Kalb

Das Zusammenwirken verschiedener Faktoren bedingt Atemwegs - erkrankungen, denn Rindergrippe/EBP ist eine Faktorenerkrankung

ManageMent

• Abkalbebereich• Versorgung des

Neugeborenen• Biestmilchgabe• Fütterung• Hygiene• Umgang

Kalb

• Genetik• Abwehrsystem• Allgemein-

befinden

MaKro- und MiKroKliMa

• Zugluft• reizende Gase• Temperatur• Luftfeuchte• zu geringer Luftaustausch

MiKroorganisMen

schwächen die Abwehr / breiten sich bei Abwehrschwäche aus

• Viren • Parasiten• Bakterien • Pilze

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LUNGENVoLUmEN sAUERsToFFBEDARF

Abb. 3 Vergleich Lungenvolumen und Sauerstoffbedarf bei Pferd und Rind

100 %

30 %

100 %

250 %

Die Lunge des Kalbes

Die Lunge führt dem Körper Sauerstoff zu und transportiert das durch Stoff-

wechselprozesse entstehende Kohlendioxid ab. Die Lunge des Rindes besitzt

Eigenschaften, die sie im Hinblick auf Atemwegserkrankungen anfällig machen.

Sie ist im Verhältnis zum Körpergewicht wesentlich kleiner als die Lunge des

Pferdes (Abb. 3). Zudem sind beim Rind die beiden Lungenhälften in zahlreiche

Untereinheiten gegliedert.5 Jede Untereinheit der Rinderlunge wird nur durch

einen einzelnen Bronchus, der sich dann innerhalb dieser Untereinheit verzweigt,

mit Luft versorgt. Bei einer Lungenentzündung kann zäher Schleim die Bronchien

verstopfen, so dass das hinter der Verstopfung liegende Lungen gewebe nicht

mehr belüftet wird und für den Gasaustausch nicht mehr zur Verfügung steht.

KALB

Quelle: Pypendop et al. in Recent Advances in Anaesthetic management in large Doemstic Animals

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Die kräftige Bronchialmuskulatur des Rindes reagiert sehr empfindlich auf Sauer-

stoffarmut und Entzündungen, indem sie sich zusammenzieht und dadurch den

Querschnitt des Bronchus verkleinert. Somit gelangt weniger Luft in das krank-

haft veränderte Lungengewebe. Die Blutzufuhr wird in den erkrankten Bezirken

der Lunge ebenfalls gedrosselt und den gesunden Anteilen der Lunge zugeführt.

Dieser an sich sinnvolle Mechanismus kann bei Kälbern mit schweren Lungen ent-

zündungen zu einer erheblichen Belastung des Kreislaufs führen.

Erst ab einem Alter von einem Jahr ist die Rinderlunge vollständig ausgereift.

Deshalb sind vor allem Jungtiere anfällig für Atemwegserkrankungen. Die Lungen-

gesundheit lässt sich über züchterische Maßnahmen sowohl positiv als auch negativ

beeinflussen.6

© Dr. Gelfert

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Angeborene Abwehrmechanismen

Da die Lunge fortwährend in Kontakt zur Außenluft steht, verfügt sie über

besondere Abwehrmechanismen. Ein Teil der Bronchialschleimhaut ist mit mikro-

skopisch kleinen, beweglichen Flimmerhärchen ausgestattet, auf denen sich ein

Flüssigkeits film be findet. Staubteilchen aus der Umgebungsluft, denen Bakterien

anhaften, können mit der Atemluft in die Bronchien gelangen. Sie werden von

dem Flüssigkeitsfilm umhüllt und mit Hilfe des Schlages der Flimmerhärchen kopf-

wärts transportiert, wo sie entweder abgehustet oder abgeschluckt werden. Im

Lungengewebe patrouillieren Zellen des Immunsystems. Sie spüren Eindring-

linge auf, zerstören diese und setzen gleichzeitig Botenstoffe frei, die weitere

Entzündungszellen anlocken.7 Je schneller dieser Prozess vonstatten geht, desto

eher werden die eingedrungenen Keime unschädlich gemacht. Verzögert sich

die Einwanderung von Abwehrzellen in das Lungengewebe, vermehren sich die

Bakterien im Gewebe und lösen eine übermäßige Entzündungsreaktion aus, die

das Lungengewebe schädigt. Ein derart geschädigtes Gewebe heilt oft nicht voll-

ständig aus, sondern wird durch Bindegewebe (Narbengewebe) ersetzt und fällt

für den Gasaustausch aus. Es können sich sogar Abszesse bilden, aus denen immer

wieder Bakterien in den Blutkreislauf gelangen und zu Fieber führen können. Tiere,

deren Lunge derart verändert ist, werden aufgrund des wiederkehrenden Fiebers

immer wieder mit Antibiotika behandelt, bleiben aber im Anschluss an die Lungen-

entzündung häufig in ihrer Entwicklung zurück. Neben den Antibiotika, die zur

Behandlung der bakteriellen Infektion dienen, stehen Arzneimittel (nichtsteroidale

Entzündungshemmer = NSAID) zur Verfügung, die eine übermäßige Entzündungs-

reaktion unterbinden, so dass Schäden am Lungengewebe begrenzt werden.

Abwehrmechanismen

© Dr. Gelfert

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Erworbene Abwehrmechanismen

Die Basis für die Lungengesundheit beim Kalb wird schon mit der Geburt gelegt.

Unzureichende Lungenreife, das Einatmen von Fruchtwasser, die zu späte oder un-

genügende Versorgung mit Biestmilch /Kolostrum sowie die Hygiene bei der Kalbung

und im Kälberstall spielen eine wesentliche Rolle.8 Je später die Kälber Biestmilch

erhalten und je geringer die verabreichte Menge Biestmilch ist, umso größer ist das

Risiko, dass das Kalb noch vor dem Absetzen an einer Atemwegserkrankung leidet.

Zum Thema Kolostrum-Management hat Intervet* ein Informationsblatt erarbeitet,

das über den Tierarzt kostenlos angefordert werden kann. Mit der natürlichen

Abnahme der aus der Biestmilch stammenden Antikörper etwa 4 Monate nach

der Geburt, ist das Kalb auf seine eigene Immunabwehr angewiesen. In dieser Zeit

der immunologischen Lücke (Abb. 4) müssen die Tiere ihre eigene aktive Immun-

abwehr aufbauen und setzen sich dabei vermehrt mit Virusinfektionen auseinander,

in deren Folge dann Lungen entzündungen entstehen können.9, 10

Vorsorgliche Impfungen können die Tiere schützen oder – im Falle eines Rinder-

grippe-Ausbruchs – dazu beitragen, dass die Krankheit milder verläuft. Impfstrategien

müssen auf den jeweiligen Betrieb zugeschnitten sein. Sie beruhen auf einer Ein-

schätzung des Risikos, ob unter den gegebenen Umständen mit einer Einschleppung

von bestimmten Viren zu rechnen ist.

<Deutlich geschädigte Lunge nach einer Erkrankung (rote Bereiche)

Kälber mit geschädigter Lunge (wie im Bild links) bleiben im Wachstum zurück (rechtes Kalb) >

© Dr. Gelfert

* Ein Unternehmen der MSD Tiergesundheit

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Viren

Mehr als 20 verschiedene Virusarten wurden im Zusammenhang mit Atemwegs-

erkrankungen bei Kälbern und Jungtieren nachgewiesen (Abb. 5). Vor allem das

Parainfluenza-3-Virus (PI-3-V), das Bovine Respiratorische Synzytial-Virus (BRSV),

das Bovine Herpesvirus-1 (BHV-1, IBR-Virus) und das Bovine Virus-Diarrhoe-Virus

(BVDV) haben eine besondere Bedeutung für die EBP/Rindergrippe. Die Rolle

von Adenoviren und Bovinen Coronaviren (BCV) ist noch nicht endgültig geklärt.

Die Viren schwächen die Immunabwehr und schädigen die Barrieren, die den

Atmungstrakt vor einer bakteriellen Infektion schützen.4, 10 Auf diese Weise er -

füllen sie die Funktion eines Wegbereiters für die Bakterien.

MIKRooRGAnISMEn

Abb. 4 Übergang von der passiven zur aktiven Immunität

Zeit© Dr. Gelfert

Antik

örpe

r-Kon

zent

ratio

n

immunologische Lücke

kalbeigene Antikörper nach Impfungmaternale Antikörper

Schutz-Level

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Bakterien

Mannheimia haemolytica, Pasteurella multocida, Histophilus somni

Die Nasenschleimhaut, die Mandeln und der Rachenraum des gesunden Kalbes

beherbergen zahlreiche Bakterien, die sich in einem natürlichen Gleichgewicht

befinden. Unter Einwirkung der Stressoren gewinnen Mannheimia haemolytica,

Pasteurella multocida und Histophilus somni die Oberhand, verdrängen die anderen

Arten und können mit der Atemluft in die Lunge gelangen.11 Daher werden diese

Erreger regelmäßig im Zusammenhang mit EBP/Rindergrippe-Ausbrüchen nach-

gewiesen. Die Lungen gesunder Rinder sind normalerweise entweder steril oder

es sind nur vereinzelt und vorübergehend Bakterien nachweisbar. Solange die

Ein dringlinge mit Hilfe der beschriebenen Abwehrmechanismen wirkungsvoll

be seitigt werden können, werden die Tiere nicht krank.

Das Bakterium Mannheimia haemolytica wird als bedeutendster Erreger der EBP/

Rindergrippe angesehen.12 Es kann ohne Mitwirkung anderer Komponenten

bereits sehr schwere Lungenschäden verursachen, während Pasteurella multocida

die Lunge erst bei einer bestehenden Abwehrschwäche und häufig gemeinsam mit

anderen Bakterien besiedelt. Bei der vorbeugenden Schutzimpfung sollte der Impf-

stoff optimalerweise auch die Bakterien (v.a. Mannheimia haemolytica) abdecken.

Dadurch besteht die Chance, den Antibiotikaverbrauch im Betrieb zu senken.

Risikoperiode Einstallung Holstein-Friesian: neue Umgebung, neues Futter bedeuten Stress für die Kälber und erhöhtes Risiko für Atemwegs-erkrankungen

© Dr. Stemme

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Abb. 5 Belebte Komponenten

In den letzten Jahren haben Mykoplasmen im Zusammenhang mit Atemwegs-

erkrankungen bei Kälbern immer mehr an Bedeutung erlangt, allen voran

Mycoplasma bovis.13 Fütterung mykoplasmenhaltiger Milch führt zur Besiedelung

der Schleimhäute der oberen Atemwege. Über den Zukauf von Tieren werden

Mykoplasmen in Aufzucht- und Mastbetriebe eingeschleppt, wo in der zweiten

Woche nach Ankunft erste Symptome beobachtet werden.4 Neben ernsten

Lungen entzündungen, die zu Rückfällen neigen, treten gehäuft Mittelohrent-

zündungen auf, so dass die Tiere den Kopf schräg halten. In Betrieben mit einem

durch Mykoplasmen verursachten Mastitisproblem wird die Pasteurisierung der

Vollmilch vor der Verfütterung empfohlen.14

Die Aussichten einer antibiotischen Behandlung, besonders bei nicht mehr

frischen Infektionen, sind begrenzt.

ViRENschwächen die Immunabwehr und zerstören die natürlichen Barrieren der Atemwege • Parainfluenza-3-Virus (PI-3-V)• Bovines Respiratorisches Synzytial-Virus

(BRSV)• Bovines Herpesvirus-1 (BHV-1, IBR-Virus) • Bovines Virus-Diarrhoe-Virus (BVDV)

BAkTERiENbewohnen oft die Nasenschleimhaut und die Mandeln und nutzen eine Abwehrschwäche, um sich in der Lunge anzusiedeln und sich dort zu vermehren • Mannheimia haemolytica• Pasteurella multocida• Histophilus somni• Arcanobacter pyogenes• Mykoplasmen (M. bovis, M. dispar)• Chlamydien

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Leitfaden zum atemwegweiser für KäLber und rinder12

Zu dunkel, zu dreckig, schlechte Belüftung: Atemwegserreger haben hier ein leichtes Spiel

Makro- /Mikroklima und Management

Unbelebte Komponenten (Abb. 2), die das Auftreten der EBP/Rindergrippe

begünstigen, schließen die Aufstallung, das Stallklima, das Management und

die Mensch-Tier-Beziehung ein.

In Kälbermastbetrieben spielen neben dem Transport und der Aufstallung von

Tieren unterschiedlicher Herkunft vor allem Defizite hinsichtlich des Platzange-

botes, der Bodenbeschaffenheit, der Verfügbarkeit von Tränken, des Stallklimas

und der Möglichkeit zur Äußerung eines normalen Sozialverhaltens eine Rolle. In

der Kälberaufzucht werden vornehmlich Defizite beim Stallklima, der Hygiene

und der Fütterung festgestellt.1

Zahlreiche Empfehlungen und Richtwerte für die tiergerechte Haltung von Kälbern

stehen in Deutschland (Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung) und Österreich

(1. Tierhaltungsverordnung) zur Verfügung und sollten zur Verbesserung der Hal-

tungsbedingungen herangezogen werden.15, 16, 17, 18 Neben den betriebseigenen

Daten zur Tiergesundheit können die baulichen Gegebenheiten und auch das

Tierverhalten als Indikatoren zur Beurteilung verwendet werden.

© Dr. Gelfert

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Die Aufstallung der jungen Kälber in Einzeliglus beugt Atemwegserkrankungen vor

Für neugeborene Kälber ist vor allem die direkte Umgebung der Tiere von

Bedeutung (Mikroklima). Die Fähigkeit, die Körpertemperatur bei wechselnden

Außenbedingungen konstant zu halten, ist bei den jungen Kälbern noch nicht

ausgeprägt. Vor allem in mit Stroh eingestreuten Ställen können sich die Tiere wie

in einem Nest mit Stroh umgeben. Auf diese Weise wird auch angesichts kühler

Außentemperaturen ein tiergerechtes Mikroklima gewährleistet.

Weist das Klima im gesamten Stall (Makroklima) hohe Staubbelastung, eine

Luftfeuchtigkeit < 50 % bzw. > 80 %, Temperaturschwankungen von über 10 °C

zwischen Tag und Nacht, Belastungen durch Schadgase und hohe Keimzahlen in

der Luft (Anwendung des Dampfstrahlgerätes bei Anwesenheit der Tiere) auf,

führt das zu einer Schädigung der Abwehrmechanismen des Kalbes und begünstigt

das Entstehen von Atemwegserkrankungen.3 Über eine Erhöhung der Luftwechsel-

rate (in Außenklimaställen 6 Mal pro Stunde) lassen sich solche Fehler vermindern.

In Warmställen muss der Luftwechsel über eine Zwangslüftung erfolgen. Dabei

muss Zugluft (Strömungsgeschwindigkeit der Luft > 0,2 m/s) generell vermieden

werden.

MAKRo- UnD MIKRoKLIMA

© Dr. Gelfert

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Leitfaden zum atemwegweiser für KäLber und rinder14

Zahlreiche Studien untermauern die Bedeutung des Betriebsmanagements

und der Mensch-Tier-Beziehung im Zusammenhang mit der Kälbergesundheit.

Seit langem ist bekannt, dass Tiertransporte eine Stressreaktion auslösen, die

die Immunabwehr der Tiere nachteilig beeinflusst. Die Art des Umgangs mit den

Kälbern übt einen Einfluss auf die Tiergesundheit aus, der unterschätzt wird.

Schon das Enthornen oder das Umstallen an sich oder die Umstellung auf einen

Tränke automaten ist mit einer messbaren Stressreaktion verbunden, die sich

noch verstärkt, wenn gleichzeitig mehrere Stressoren auf die Tiere einwirken oder

ruppig mit den Tieren umgegangen wird. Deshalb sollten vermeidbare Stressoren

abge stellt und eine Häufung unvermeidbarer Stressoren vermieden werden.

Die Ernährung der Kälber spielt eine große Rolle. Tränkemengen von 15 % des

Körpergewichtes werden als zu gering angesehen, da Kälber, die bei der Mutter

bleiben, bis zu 16 l Milch pro Tag aufnehmen.1 Die Erhöhung der Tränkemenge

und der Anzahl der Mahlzeiten führt zu einer Leistungssteigerung bei der

späteren Milchkuh.15 Bei Verwendung eines Milchaustauschers sollten dessen

Qualität und die Art der Zubereitung überprüft werden, da die Vorschriften

auf den Sack anhängern nicht selten zu Missverständnissen Anlass geben.

MAnAGEMEnT

Risikoperiode Ein-stallung Fleckvieh: zusammengekauft aus verschiedenen Herkünften und transportiert in eine fremde Umgebung: eine typische Stress-situation mit hohem Risiko für Atem-wegserkrankungen

© Dr. Gelfert

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Die rechtzeitige Erkennung von Atemwegserkrankungen durch den Tierhalter

und die sofortige Hinzuziehung des Tierarztes im Verdachtsfall tragen erheblich

zum Erfolg der Behandlung bei. Besonders in Risikoperioden mit erhöhtem

Stress (Abb. 1) sollten die Tiere gut beobachtet werden. Die Tränke- bzw. Futter-

aufnahme ist als alleiniger Indikator für Krankheiten ungeeignet. Da die Tränke-

aufnahme in der Anfangsphase der EBP/Rindergrippe beim Kalb meist noch

erhalten ist, wird die Erkrankung häufig zu spät erkannt und die Aussichten auf

vollständige Heilung werden ungünstig.

Die Kälber sollten einmal täglich aus der Entfernung beobachtet werden, wobei

auf die folgenden Erscheinungen geachtet werden sollte: Husten, Absondern von

der Gruppe, Trägheit, verstärkte Atmung. Verdächtige Tiere müssen aus der nähe

betrachtet werden, wobei auf die Haltung des Kopfes (aufrecht, gesenkt, schräg),

den Stand der Ohren (waagerecht, ein oder beide Ohren hängen herab), die

Art der Atembewegungen (gerade eben sichtbar, angestrengt, Flankenschlagen),

die Augen und ihre Umgebung (sauber, Sekretstraßen, Krusten, eitrig verklebt),

das Flotzmaul und die Umgebung der Nasenöffnungen (kein, wässriger, wolkiger

oder eitriger Nasenausfluss) geachtet sowie die Körpertemperatur gemessen

werden sollte. Temperaturen im Bereich 39,5 bis 40,5 °C sind verdächtig, bei noch

höheren Temperaturen ist höchste Eile geboten. Der herbeigerufene Tierarzt wird

die verdächtigen Kälber oder mehrere Tiere aus der Gruppe verdächtiger Tiere

untersuchen. Die Untersuchung gibt Aufschluss über die Art und Ausdehnung

der Erkrankung und liefert wertvolle Hinweise für die Einschätzung der Heilungs-

aussichten und die zu erwartende Behandlungsdauer.

Erkrankte Tiere sind sofort und ausreichend zu behandeln. Gleichzeitig gilt es,

noch gesund erscheinende Tiere, die zeitgleich ein erhöhtes Risiko für eine Atem-

wegs erkrankung haben (Gruppenmitglieder erkrankter Kälber), durch eine

geeignete Metaphylaxe vor Erkrankungen zu bewahren.

Erkennung, Behandlung und Aussichten

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Leitfaden zum atemwegweiser für KäLber und rinder16

Ein nicht unerheblicher Anteil Antibiotika wird Kälbern verabreicht, die unter

verschleppten Atemwegserkrankungen leiden und später entweder euthanasiert

werden oder nicht das Ende der Mast- bzw. Aufzuchtperiode erreichen.

Im Sinne eines verantwortungsvollen Umganges mit Antibiotika ist festzuhalten,

dass mangelhafte Haltungsbedingungen nie über die Anwendung von Antibiotika

kompensiert werden können. Der Ausbruch der Rindergrippe muss vielmehr Anlass

sein, die Schwachstellen im Betrieb systematisch aufzuspüren und zu beseitigen.

Das Ziel ist ein Rückgang der Erkrankungsrate und damit eine Verminderung des

Einsatzes von Antibiotika.

In Zusammenarbeit mit Frau Prof. K. Müller,

Berlin, hat Intervet , ein Unternehmen der

MSD-Tiergesundheit, ein anschauliches und

informatives Stallposter zur Früherkennung

der Rindergrippe entwickelt.

Dieser „Atemweg weiser für Kälber und Rinder“

fasst die wichtigsten Informationen zu Risiko-

perioden und äußeren Symptomen für den

Tierhalter zusammen. Das Stallposter steht

unter www.msd-tiergesundheit.de/rindergrippe

zum Download bereit oder kann über Ihren Tier-

arzt bei Intervet kostenlos angefordert werden.

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Literatur

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Leitfaden zum atemwegweiser für KäLber und rinder18

ok Alarm höchster Alarm bleibender schaden

Verhalten

munteres kalb sondert sich ab, reagiert auf Reize sondert sich ab, ist träge und teilnahmslos liegt fest oder steht nur mit mühe auf

Nase

normal Nasenausfluss wässrig, klar Nasenausfluss fadenziehend, wolkig Nasenausfluss eitrig

Augen

normal Tränenstraßen eingetrocknete krusten eitrig verkrustet

kopfhaltung

normal kopf gesenkt, ohren hängen etwas herab kopf gesenkt und schräg kopf gesenkt, beide ohren hängen herab

Äußere Symptome*

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ok Alarm höchster Alarm bleibender schaden

Verhalten

munteres kalb sondert sich ab, reagiert auf Reize sondert sich ab, ist träge und teilnahmslos liegt fest oder steht nur mit mühe auf

Nase

normal Nasenausfluss wässrig, klar Nasenausfluss fadenziehend, wolkig Nasenausfluss eitrig

Augen

normal Tränenstraßen eingetrocknete krusten eitrig verkrustet

kopfhaltung

normal kopf gesenkt, ohren hängen etwas herab kopf gesenkt und schräg kopf gesenkt, beide ohren hängen herab

* Modifiziert nach McGuirk, S.M. 2009. Univ. of Wisconsin-Madison, School of Veterinary Medicine

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