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© Reich, K. (Hg.): Methodenpool. In: URL: http://methodenpool.uni-koeln.de 2007 ff 1 Leittextmethode 1. Kurze Darstellung der Methode Die Leittextmethode ist eine heute noch vorwiegend berufliche Ausbildungs- methode, bei der sich die Lerner selbstständig in Kleingruppen von 3-5 Personen in eine Aufgabe/Problemstellung einarbeiten. Dazu erhalten die Lerner Unterlagen mit Leitfragen und Leittexten und/oder Quellenhinweisen, die sich mit der Thematik befassen, wobei die Leitfragen als Orientierungshilfe beim Bearbeiten der Leittexte dienen. Anschließend folgt eine praktische oder theoretische Um- setzung des zuvor gelesenen. Diese Methode ist für den Lehrenden bei der Ersterstellung mit einem hohen Arbeitsaufwand verbunden, da vor Beginn die Informationen lernergerecht, d.h. dem Kenntnisstand der Lerner entsprechend, aufgearbeitet werden müssen. Vom Lerner verlangt die Methode einen hohen Grad an Eigeninitiative und Selbst- ständigkeit und trainiert neben der Fach- und Methodenkompetenz auch die Sozialkompetenz. 2. Primäre und sekundäre Quellen 2.1 Primäre Quellen: Die Leittextmethode entstand aus der beruflichen Bildungspraxis. Sie wurde in den 70er Jahren in den Ausbildungsstätten von Daimler-Benz in Gaggenau in An- sätzen entwickelt, dann bei Modellprojekten der Ford Werke in Köln und in den Stahlwerken der Peine-Salzgitter AG sowie der Hoesch-Stahl AG in Dortmund weiterentwickelt. Die Methode wurde stark von der Theorie der „vollständigen Handlung“ angeregt. Nach W. Hacker [Allgemeine Arbeits- und Ingenieurs- psychologie. Bern/Stuttgart/Wien (Huber) 1986] werden berufliche Arbeits- abläufe auf folgende notwendige und »vollständige« Handlungsschritte bezogen: Informieren, Planen, Entscheiden, Ausführen, Kontrollieren, Bewerten. Unter einer »vollständigen Handlung« versteht man eine Handlung, die von der Planung über die Ausführung bis zur Kontrolle alle notwendigen Teilschritte einer Tätigkeit umfasst. In der „Konstruktivistischen Didaktik“ werden diese Hand- lungsschritte als Vorbereiten, Informieren, Durchführen, Präsentieren, Evaluieren bezeichnet. Sie gelten hier aber nicht als »vollständige Handlung«, da wir nicht immer angeben können, wann ein Beobachter feststellen soll, wann eine Hand- lung vollständig ist [vgl. Reich: Konstruktivistische Didaktik. Neuwied u.a. (Luchterhand) 2002, 212 ff.]. Handlungen im Sinne der konstruktivistischen Didaktik werden nicht durch- gehend nach einer unterstellten Vollständigkeit im Blick auf Routinehandlungen, die bei Hacker im Vordergrund stehen, beschrieben, da Lernhandlungen nur be- grenzt Routinehandlungen sind. Es handelt sich bei den von Hacker be- schriebenen Handlungen um Zweck-Mittel-Operationen, die in dieser Form und Reihenfolge vorwiegend bei beruflichen Arbeitsabläufen oft vorkommen. Auf der Basis einer solchen Handlungsfolge wurde die Leittextmethode zunächst vor allem in der technischen und später kaufmännischen Berufsbildung entwickelt. J.

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© Reich, K. (Hg.): Methodenpool. In: URL: http://methodenpool.uni-koeln.de 2007 ff 1

Leittextmethode

1. Kurze Darstellung der Methode

Die Leittextmethode ist eine heute noch vorwiegend berufliche Ausbildungs-

methode, bei der sich die Lerner selbstständig in Kleingruppen von 3-5 Personen

in eine Aufgabe/Problemstellung einarbeiten. Dazu erhalten die Lerner Unterlagen

mit Leitfragen und Leittexten und/oder Quellenhinweisen, die sich mit der

Thematik befassen, wobei die Leitfragen als Orientierungshilfe beim Bearbeiten

der Leittexte dienen. Anschließend folgt eine praktische oder theoretische Um-

setzung des zuvor gelesenen.

Diese Methode ist für den Lehrenden bei der Ersterstellung mit einem hohen

Arbeitsaufwand verbunden, da vor Beginn die Informationen lernergerecht, d.h.

dem Kenntnisstand der Lerner entsprechend, aufgearbeitet werden müssen. Vom

Lerner verlangt die Methode einen hohen Grad an Eigeninitiative und Selbst-

ständigkeit und trainiert neben der Fach- und Methodenkompetenz auch die

Sozialkompetenz.

2. Primäre und sekundäre Quellen

2.1 Primäre Quellen:

Die Leittextmethode entstand aus der beruflichen Bildungspraxis. Sie wurde in

den 70er Jahren in den Ausbildungsstätten von Daimler-Benz in Gaggenau in An-

sätzen entwickelt, dann bei Modellprojekten der Ford Werke in Köln und in den

Stahlwerken der Peine-Salzgitter AG sowie der Hoesch-Stahl AG in Dortmund

weiterentwickelt. Die Methode wurde stark von der Theorie der „vollständigen

Handlung“ angeregt. Nach W. Hacker [Allgemeine Arbeits- und Ingenieurs-

psychologie. Bern/Stuttgart/Wien (Huber) 1986] werden berufliche Arbeits-

abläufe auf folgende notwendige und »vollständige« Handlungsschritte bezogen:

Informieren, Planen, Entscheiden, Ausführen, Kontrollieren, Bewerten.

Unter einer »vollständigen Handlung« versteht man eine Handlung, die von der

Planung über die Ausführung bis zur Kontrolle alle notwendigen Teilschritte einer

Tätigkeit umfasst. In der „Konstruktivistischen Didaktik“ werden diese Hand-

lungsschritte als Vorbereiten, Informieren, Durchführen, Präsentieren, Evaluieren

bezeichnet. Sie gelten hier aber nicht als »vollständige Handlung«, da wir nicht

immer angeben können, wann ein Beobachter feststellen soll, wann eine Hand-

lung vollständig ist [vgl. Reich: Konstruktivistische Didaktik. Neuwied u.a.

(Luchterhand) 2002, 212 ff.].

Handlungen im Sinne der konstruktivistischen Didaktik werden nicht durch-

gehend nach einer unterstellten Vollständigkeit im Blick auf Routinehandlungen,

die bei Hacker im Vordergrund stehen, beschrieben, da Lernhandlungen nur be-

grenzt Routinehandlungen sind. Es handelt sich bei den von Hacker be-

schriebenen Handlungen um Zweck-Mittel-Operationen, die in dieser Form und

Reihenfolge vorwiegend bei beruflichen Arbeitsabläufen oft vorkommen. Auf der

Basis einer solchen Handlungsfolge wurde die Leittextmethode zunächst vor

allem in der technischen und später kaufmännischen Berufsbildung entwickelt. J.

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Koch und R. Selka [Leittexte – ein Weg zu selbständigem Lernen. Bonn (Bundes-

institut für berufliche Bildung) 19912] geben eine knappe Einführung in die ur-

sprünglichen Ansätze zu der Methode und stellen mehrere Beispiele aus der

beruflichen Bildung dar.

2.2 Sekundäre Quellen:

Ein Vorläufer der Leittextmethode könnte im Dalton-Plan von Helen Parkhurst

[Education on the Dalton-Plan 1922] gesehen werden, aber dieser Plan war zu-

nächst eher individuell angelegt [vgl. heute zum Dalton-Plan:

http://www.dalton.org/AboutDalton/about_plan.shtml],

wohingegen die Leittextmethode immer auf Teams (etwa 3 bis 5 Lerner) bezogen

ist, um neben der Fach- und Methodenkompetenz auch die Sozialkompetenz zu

verbessern.

In die Leittextmethode gehen Ideen vor allem aus der Projektmethode und der

Vier-Stufen-Methode ein. J. Rottluff [Selbständig lernen. Arbeiten mit Leittexten.

Weinheim und Basel (Beltz) 1992] beschreibt ähnlich wie Koch/Selka positive

Erfahrungen mit der Methode in der Industrie. In S. Greif und H.-J. Kurtz [Hg.:

Handbuch Selbstorganisiertes Lernen. Göttingen (Verlag für Angewandte Psycho-

logie) 19982] werden zusätzlich Minimale oder Info-Leittexte von den herkömm-

lichen Leittexten als Varianten unterschieden. Damit bieten sich drei Aus-

prägungen an: Leittexte dienen der komplexen und handlungsbezogenen Ver-

mittlung von Wissen und Handlungskompetenzen (Schlüsselqualifikationen).

Minimale Leittexte dienen überwiegend der Vermittlung einer engeren Wissens-

und/oder Handlungsanleitung. Info-Leittexte dienen reiner Wissensvermittlung.

Wir halten diese Unterscheidungen allerdings nicht für sehr trennscharf und ge-

brauchen hier nur die Unterscheidung nach Leittexten (= maximaler Einsatz) und

Minimalen Leittexten (= zeitlich kürzere Varianten). Für die Entwicklung der

Leittextmethode in der beruflichen Bildung hat das BIBB Modellversuche durch-

geführt (http://www.bibb.de).

3. Theoretische und praktische Begründung

In der praktischen beruflichen Bildung stand man in den 70er Jahren vor

folgendem Problem. Man arbeitete, z.B. in den Metallberufen, sehr oft in Projekt-

gruppen, die eine unterschiedliche Lerngeschwindigkeit aufwiesen. In der Aus-

bildung entstanden Leerlaufzeiten, da schnelle und langsame Lerngruppen auszu-

gleichen waren. Zudem wurde in der Industrie das Nachahmen von Tätigkeiten

mehr und mehr durch Verfahren abgelöst, die auch eigenständige Kompetenzen

bei der Aneignung von Wissen und Handlungskompetenzen notwendig machten.

Bei gleichzeitig oft für die berufliche Bildung nicht hinreichenden Vorkenntnissen

der Auszubildenden entstand ein Innovationsdruck für die Ausbildung, der mit

unterschiedlichen Varianten gelöst wurde und wird (vgl. z.B. auch Juniorfirma,

Lerninseln, Schülerfirmen, Cognitive Apprenticeship und weitere). Facharbeiter

mussten z.B. insbesondere mit oft komplizierten Handbüchern für Werk-

maschinen und automatisierten Systemen umgehen. Ausbilder mussten Zeit ge-

winnen, sich auch mit langsameren Lernern differenzierend zu beschäftigen. Hier

war es nahe liegend, Selbstlernmaterialien in der Praxis zu entwickeln. Diese

Entwicklung erfuhr insbesondere eine arbeitspsychologische Interpretation in

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Hackers Stufen der »vollständigen Handlung«: Der Mensch lernt nach Hacker,

indem er sich aktiv reflektierend ein Bild von der auszuführenden Handlung

macht. Dabei beobachtet er das eigene Handeln und vergleicht es mit dem inneren

Abbild. Durch diesen Vergleich kann sowohl die Handlung als auch das Abbild

mittels beobachtender Korrekturen verändert werden. Bei neuen Aufgaben kommt

es nach Hacker, der hier eine widerspiegelnde Tätigkeit im Sinne der Marxschen

Erkenntnistheorie vor Augen hat, darauf an, sich zunächst eine erste gedankliche

Vorstellung vom Ziel und vom Gegenstand der Handlungen zu machen. Die

nötigen Handlungsschritte werden dabei durch ein geistiges Probehandeln durch-

gespielt.

Auch wenn aus konstruktivistischer Sicht die Dominanz des Abbildungsdenkens

an diesem Ansatz zu kritisieren ist, weil damit innere Selbststeuerungsprozesse,

Imaginationen und Begehren, Ambivalenzen im Handeln u.a.m. ausgeklammert

bleiben, so sollte erkannt werden, dass insbesondere bei Zweck-Mittel-Hand-

lungen die kognitive Repräsentation von Handlungsschritten in Kombination mit

Handlungsausführungen sinnvoll ist. Durch die Leittextmethode werden die

Lernenden veranlasst, selbständiges Informieren, Planen, Entscheiden, Ausführen,

Kontrollieren und Bewerten in eine Handlungskonsequenz zu bringen. Sie er-

halten dabei ein Bild vom Ziel ihrer Handlungen, den nötigen Schritten zu diesem

Ziel, und sie müssen ihre Vorstellungen über die Tätigkeit und im Tun umfassend

überprüfen. Zugleich dokumentieren sie ihre Reflexionen und ihr Tun, so dass sie

ein semantisches Netzwerk hierüber aufbauen und kommunizieren lernen, wobei

sie das Gelernte so leichter im Gedächtnis behalten können.

Die »vollständige Handlung« besteht aus sechs Bausteinen, die alle die Selbst-

ständigkeit fördern sollen. Damit entstehen Stufen der theoretischen Begründung

und Notwendigkeiten einer praktischen Arbeit mit Leittexten:

1. Informationen sichten oder beschaffen

2. die Vorgehensweise und mögliche Alternativen in einer Gruppe planen

(individuelle Leittexte wären problematisch, denn sie entsprechen nicht

hinreichend dem Ziel der Verbesserung der Sozialkompetenz)

3. über die Vorgehensweise gemeinsam entscheiden

4. die Arbeit arbeitsgleich oder arbeitsteilig durchführen

5. das Arbeitsergebnis allein und/oder in der Gruppe kontrollieren

6. die Vorgehensweise in der Gruppe und mit dem Lernberater reflektieren

In Theorie und Praxis weisen Leittexte etliche Varianten auf. So versuchte man

beispielsweise eine zeitlang in den Leittexten nur einen Teil der Informationen zu

geben, um die Lernenden zu motivieren, sich die fehlenden Inhalte eigenständig

zu beschaffen. Oder ein zusätzlicher Katalog von Leitfragen diente dazu, dem

Lernenden jeweils komplette Antwortmöglichkeiten im Fachwissen aufzuzeigen.

Dies führte teilweise zu einem sehr engen Verständnis, da nur sehr spezifisches

Fachwissen als »vollständig« aufgefasst werden kann. Die konstruktivistische

Didaktik strebt ein eher offenes Verständnis der Leittexte an. Man könnte auch

von Leitfragenmethode sprechen, insofern Fragen ein handlungsorientiertes

Arbeitsprogramm organisieren helfen, das dann sehr eigenständig von Lernern

durchlaufen wird. Allerdings verliert die Methode schnell ihre Wirksamkeit, wenn

der Zwang zur Handlungsorientierung, effektiver Selbstkontrolle und Präsentation

des Ergebnisses (mindestens gegenüber dem Lernberater) entfällt.

Die Leittext-Methode wird künftig verstärkt auch in computergestützten, multi-

medialen Anwendungen umgesetzt werden. Für diese Bereiche sind leitfragen-

orientierte Verfahren sehr geeignet. Auch lassen sich die Kontrollbögen hier sehr

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effektiv einsetzen. Bereits in der bisherigen, sehr auf Papier bezogenen Form,

werden verschiedene Materialien miteinander verbunden und Medien bei der

Recherche und Umsetzung genutzt. Im Rahmen eines computerbezogenen Unter-

richts lässt sich hierbei eine vielschichtig programmierte Anwendung realisieren.

4. Darstellung der Methode

Es lassen sich prinzipiell zwei Leittextarten unterscheiden: normale (große) Leit-

texte und minimale Leittexte (teilweise auch als Info-Leittexte bezeichnet). Sie

unterscheiden sich in der Breite und im zeitlichen Umfang der Aufgaben-

bearbeitung. Für beide gelten folgende Grundlagen:

Leittexte bestehen aus Leitfragen, die das Durcharbeiten eines Info- oder

Quellenmaterials, das sich der Lernende möglichst selbständig beschafft (oder

teilweise/ganz auch vom Lehrenden erhält) in systematischer Absicht ermög-

licht.

Nachdem diese Leitfragen beantwortet wurden, hilft ein Kontrollbogen den

Lernenden, eigenständig die Ergebnisse auf Richtigkeit/Angemessenheit hin

zu kontrollieren.

Zum Abschluss wird das Verfahren bewertet, indem sich die Lerner mit Hilfe

von Checklisten, Bewertungsbögen und dergleichen mehr selbst bewerten

(Feedback). Diese Form minimaler Präsentation ist unbedingt notwendig. Der

Lernberater rundet in einem Gespräch, in dem zu klären ist, was schon er-

reicht wurde, wo es noch hapert, was man noch tun könnte, um sich zu ver-

bessern, die Bearbeitung des Leittextes ab.

Eine größere Präsentation vor der Gesamtgruppe kann dann sinnvoll sein,

wenn arbeitsteilig vorgegangen wurde und die Resultate für alle informativ

sind. Solche Präsentationen können den Teilnehmern auch zeigen, dass ein

hoher Arbeitsaufwand lohnt. Auch zu solchen Präsentationen gehört ein Ge-

spräch mit Feedback.

Die Leittextmethode wird üblicherweise in Phasen aufgeteilt, die bei der Er-

stellung von Werkstücken relativ deutlich voneinander unterschieden werden, die

aber bei theoretischer Erarbeitung ineinander übergehen und sich nicht scharf

voneinander trennen lassen: Die in der konstruktivistischen Didaktik geplanten

Phasen Vorbereiten, Informieren, Durchführen (= Planen, Entscheiden, Machen),

Präsentieren (= Kontrollieren und Bewerten), Evaluieren (= Besprechen und Ab-

schließen) erfolgen in der Regel jeweils komplett, wobei am Ende eine Art

„Werkstück“ entsteht, das präsentiert werden kann oder mindestens in der Selbst-

kontrolle mit Kontrollbogen bewertet wird, aber erst alle beteiligten Arbeits-

schritte ergeben den komplexen Arbeitsvorgang. Hier gibt es mehrere Möglich-

keiten, Leittextarten einzusetzen: z.B. Lehrgangsleittexte, Erkundungsleittexte

(eine Art „Schnitzeljagd“ z.B. durch Institutionen), Wissensleittexte, tätigkeits-

orientierte Leittexte.

Die Leittexte können sowohl bereits erworbenes theoretisches Wissen in die

Praxis umsetzen helfen als auch zum Erwerb von gänzlich neuem Wissen führen

(letztere Möglichkeit wird in der beruflichen Bildung meist betont). Sie sind in

der Regel auf die Erstvermittlung eines Sachverhaltes ausgerichtet, um eine hohe

Motivation zu erreichen und einen Anreiz für selbst organisiertes Lernen zu

setzen.

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Die Lernenden arbeiten dabei in Teams, sie unterstützen sich gegenseitig bei der

praktischen Umsetzung ihres Wissens. Der Lehrende nimmt die Funktion eines

Lernberaters ein.

Die konstruktivistischen Handlungsstufen bei der Leittextmethode:

(1) Vorbereiten:

Leittexte (= Leitfragen erstellen und Info-Material bereitstellen) werden in der

Regel von Lehrenden gefertigt. Es ist aber auch sinnvoll, sie von einer Lerngruppe

für eine andere erstellen zu lassen, weil hiermit eine vertiefende Bearbeitung eines

Themas erreicht werden kann. Dies gilt insbesondere für die Erstellung des

Kontrollbogens, der eine richtige Lösung enthalten muss.

Vor dem ersten Leittexteinsatz bespricht der Lehrende mit seinen Lernern aus-

führlich Sinn und Einsatz des Verfahrens (eigenständiges Lernen, Selbstver-

antwortung und Selbstkontrolle des Lernens) und die organisatorische Seite

(Räume, vorhandene Zeit, Material und Quellen). Zudem gibt er eine Hinführung

zum Thema und stellt die Planung der Zusammensetzung der Teams (3-5

Personen) sicher. Die Teamregeln werden besprochen.

Für die Lerner, die anschließend mit den Leitmaterialien arbeiten, ist es wichtig,

einen Arbeitsablauf kennen zu lernen, der logisch an das Arbeitsergebnis heran-

führt und bei jedem Schritt erkennen lässt, warum dies oder jenes getan werden

muss. Dabei muss deshalb darauf geachtet werden, dass die Abfolge der Arbeits-

schritte eines erfahrenen Bearbeiters für den Lerner, der den Ablauf noch nicht

hinreichend kennt, oft nicht logisch erscheint. In der täglichen Arbeit wird

manchmal der zweite Schritt vor dem ersten gemacht, weil es so besser in den

Verfahrensablauf passt. Hier müssen die vorbereiteten Leitfragen einen klaren

Orientierungsauftrag leisten und das bereitgestellte Material muss hinreichend

instruierend sein.

(2) Informieren:

Die Lerner bekommen alle eine Mappe mit Leitfragen und -texten, sowie vor-

gedruckten Blättern mit Antwortzeilen, leeren Tabellen usw.

Die Leitfragen stellen den „roten Faden“ für die Aufgabenbearbeitung dar. Sie

sollen die Lerner eindeutig von Arbeitsschritt zu Arbeitsschritt führen. Manche

Informationen, die zur Bearbeitung des jeweiligen Arbeitsschrittes notwendig

sind, müssen in den Leitfragen vorgegeben werden. Sie sollten aber auf das un-

bedingt notwendige Maß beschränkt bleiben, da die Eigeninitiative der Lerner

nicht zu sehr eingeschränkt werden soll. Im Idealfall sollen die Leitfragen die

Diskussion im Team anstoßen und grob kanalisieren. Leitfragen bestehen nicht

nur aus Fragen, sondern auch aus Denkanstößen, Bildern, usw.

Nach Möglichkeit sollte im Leittext mit verschiedenen Quellen und Materialien

gearbeitet werden (z.B. Interviews, Erkundungsmethode usw.), damit die Lerner

eine breite Informationsbasis und auch später zu Verfügung stehende Hilfsmittel

kennen lernen. Welche Quellen genutzt werden können und wie genau die

jeweilige Quelle angegeben wird, hängt davon ab, wie komplex das Thema ist und

wie sehr die Lerner bereits die Arbeit mit Quellen gewohnt sind. Beim ersten Leit-

text, der durchgeführt wird, werden genauere Angaben erforderlich sein, um Frust

beim Studium der Fundstellen zu vermeiden. Bei späteren Leittexten wird man

versuchen, die Lerner den für sie relevanten Teil der Fundstelle auch weitgehend

selbst finden zu lassen.

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Die Informationsbeschaffung zur Beantwortung der Leitfragen soll möglichst vom

Lerner selbstständig ausgeführt werden. Festlegungen oder Impulse kommen

hierbei vom Leittext. Vorrangig wird mit Texten gearbeitet. Es hat sich aber auch

als sinnvoll erwiesen, Informationen vor Ort beschaffen zu lassen und dabei Inter-

views oder die Erkundungsmethode einzusetzen.

(3) Durchführen:

Die Durchführung besteht aus den vier Schritten: Planen, Entscheiden, Machen

(Ausführen), Kontrollieren:

Planen: Die Lerner sollen den Leittext zunächst in einem Probehandeln be-

arbeiten, um sich einen Überblick über alle Handlungsschritte zu verschaffen und

ggf. Arbeitsteilungen festlegen zu können. Ebenso müssen sie Zeiten und

Zwischenstopps zur Überprüfung der Planung und Durchführung vereinbaren.

Das Leittextmaterial muss Vorlagen enthalten, aus denen diese Planungsaspekte

eindeutig abgeleitet werden können.

Entscheiden: Die Planung wird anschließend dem Lernberater vorgelegt und

besprochen. Dabei soll der Lernberater bei Fehlern nicht seine Sicht der Gruppe

aufdrücken, sondern einen gemeinsamen Beratungsprozess initiieren, der auf das

Ausgangsmaterial bezogen ist. Wird eine Lerngruppe nicht beraten und geht in die

Irre, wird die Methode disqualifiziert. Wichtig ist auch, dass die gesamte Lern-

gruppe sich an den Entscheidungen aktiv beteiligt. Hierzu kann die Moderations-

methode in dieser Phase sinnvoll sein.

Ausführen: An dieser Stelle werden individuelle Tätigkeiten aller Gruppenmit-

glieder verlangt. Entweder wird hier arbeitsgleich oder arbeitsteilig gearbeitet.

Entscheidend ist, dass etwas konstruiert bzw. produziert wird. Dieses Arbeits-

ergebnis muss schriftlich oder in zusätzlichen Formen dokumentiert werden.

In der theoretischen Bildung tritt an die Stelle des praktischen Arbeitsablaufs eine

Phase der Sammlung konkreter Tätigkeitsschritte, die erforderlich sind, um das

gestellte Problem zu lösen.

Kontrollieren: Wenn die Durchführungsphase abgeschlossen ist, erhalten die

Lerner Kontrollbögen, mit denen sie eigenständig ihre Ergebnisse abgleichen

können.

In der Selbstkontrolle lernen die Beteiligten, dass es im Grunde im Beruf nicht auf

Noten, sondern auf die Richtigkeit von Ergebnissen ankommt. Sie lernen hier

nicht für Noten, sondern für die Verbesserung der Ergebnisse.

Der Kontrollbogen sollte nicht nur die richtigen Lösungen enthalten, sondern auch

Denkanstöße und Ausblicke auf andere Fallgestaltungen liefern, um den Lernern

eventuell vorhandene Kenntnislücken aufzuzeigen. Mögliche Alternativlösungen,

die auch richtig sein können, muss der Kontrollbogen nicht in allen Varianten

klären.

Wichtig bei dieser Methode ist die bewertende Selbstkontrolle. Sie sollen eigen-

ständig ihre Ergebnisse mit einer Musterlösung abgleichen. Lehrkräfte, die aus

Bequemlichkeit keinen Kontrollbogen fertigen wollen, unterlaufen ein wesent-

liches Ziel der Methode. Die Selbstkontrolle dient nicht nur der Sicherung des

eigenen Ergebnisses, sie zeigt auch, dass es ein eindeutiges Ergebnis überhaupt

gibt. Gibt es keine eindeutigen Ergebnisse, dann ist diese Methode für das Thema

ungeeignet. In der Selbstkontrolle lernen die Beteiligten auch, dass es im Grunde

im Beruf nicht auf Noten, sondern auch die Richtigkeit von Ergebnissen an-

kommt. Sie lernen hier nicht für Noten, sondern für die Verbesserung der Ergeb-

nisse. Die Kontrollbögen sollen so gestaltet sein, dass sie den Regelfall prüfen,

aber auch Kenntnislücken offenbar werden lassen. Die Lernenden erhalten damit

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die Chance, den Regelfall zu kontrollieren und Lücken zu schließen. Mögliche

Alternativlösungen, die auch richtig sein können, muss der Kontrollbogen nicht in

allen Varianten klären. Dies kann im Gespräch mit dem Lernberater oder der

gesamten Lerngruppe besprochen werden.

(4) Präsentieren:

Nachdem der Arbeitsauftrag ausgeführt und mit Hilfe der Kontrollbögen eigen-

ständig überprüft wurde, kann der Arbeitsprozess und das Ergebnis den

Lehrenden und anderen Lerngruppen präsentiert werden. Eine größere

Präsentation vor der Gesamtgruppe ist vor allem dann sinnvoll, wenn arbeitsteilig

vorgegangen wurde und die Resultate für alle informativ sind.

In dieser Phase geht es auch um ein bewertendes Feedback. Der Lernberater hat

zuvor die Gruppe bereits begleitet und stand mit Hilfestellungen immer zur Ver-

fügung. Er hat die Planungs- und Entscheidungsphase mit getragen. Nun muss das

bewertete Ergebnis besprochen werden. Wie ist die Bewertung ausgefallen? Wo

gab es Erfolge? Wo sind noch Lücken? Wie können die Kompetenzbereiche das

nächste Mal gesteigert werden? usw. Hier geht es nicht direkt um Noten, sondern

um die Gültigkeit des Ergebnisses, die Zufriedenheit der Lerner mit dem Ergeb-

nis, Vorschläge für die Verbesserung. Dabei können auch andere Gruppen bei

arbeitsteiligem Vorgehen einbezogen werden.

(5) Evaluieren:

Die eben beschriebene Phase der Bewertung geht oft in eine Evaluation über. Zu

besprechen sind das Ergebnis und der Prozess insgesamt. Dabei sollten die Lerner

auch ein Feedback über den Leittext (seine Qualität) und die Hilfen des Lern-

beraters geben. Bei größeren Leittexten kann es sinnvoll sein, ein Plenum mit der

Lerngruppe durchzuführen, um die Qualität und/oder Vielfalt der Lösungen zu

präsentieren. Hier schließt dann eine gemeinsame Feedbackrunde den Prozess ab.

Extra: Übungsphase

Nach Abschluss des jeweiligen Leittext-Themas findet oft noch eine Übungsphase

statt. Das bedeutet, dass jeder Lerner nun für sich alleine weitere Fälle anhand

seines neu erworbenen Wissens bearbeitet. Der Leittext kann hier dann als Nach-

schlagewerk herangezogen werden.

Wie wird das Leittextverfahren organisiert?

Zu Beginn des Leittext-Einsatzes erhalten die Lerner eine Einführung mit Be-

arbeitungshinweisen und einen erwarteten Tätigkeits- oder Arbeitsablauf, damit

sie sich zunächst mit der Aufgabenstellung vertraut machen können. An-

schließend teilt der Betreuer die Leitfragen an die Lernenden aus. Nun sind die

Lerner gefordert, indem sie anhand der vorgegebenen Leitfragen versuchen, den

gestellten Sachverhalt gemeinsam zu bearbeiten. Jedes Team hat einen

praktischen oder möglichst konkreten Fall, der gemeinsam bearbeitet werden soll.

Die Leitfragen sollen die Lerner leiten, sich das jeweilige Thema anzueignen.

Anhand von vorgegebenen (teilweise auch erst zu ermittelnden) Fundstellen, die

auf Quellen und Material verweisen, mit dem die Leitfragen beantwortet werden

können, wird die Eigeninitiative gefördert. Die Lösungen sollen im Team ohne

Hilfe des Lehrenden gefunden und schriftlich festgehalten werden. Um einen

hohen Lerneffekt zu erzielen, ist es sinnvoll, dass es sich um Erstvermittlung

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handelt. Die Lerner sollen daher möglichst vor Einsatz des jeweiligen Leittextes

noch keinen ähnlich gelagerten Fall bearbeitet haben. Nachdem die Leitfragen

durchgearbeitet und wenn der Fall von den Lernern bearbeitet wurde, wird vom

Betreuer der Kontrollbogen an die Teilnehmer ausgeteilt. Damit erfolgt die

Selbstkontrolle durch die Lernenden und nicht durch den Betreuer. Erst an-

schließend erfolgt vom Lernberater ein abschließendes Gespräch, um vorhandene

Lücken noch zu schließen und evtl. Transferfragen zu stellen.

Elemente und Grundaspekte bei der Leittextmethode:

(1) Tätigkeits- oder Arbeitsablauf: Der Tätigkeits- oder Arbeitsablauf beinhaltet

insbesondere in der beruflichen Bildung am Arbeitsplatz alle Arbeitsschritte, die

zur Bearbeitung des Sachverhaltes notwendig sind. Er wird durch die Leitfragen,

die die Bearbeiter Schritt für Schritt durch das Bearbeitungsprogramm lenken,

vorausgesetzt. Am einfachsten ergibt sich eine Auflistung, wenn sich ein schon

erfahrener Bearbeiter (= der Ersteller des Leittextes oder Personen, die er bei

solchen Abläufen beobachtet) einen notwendigen oder möglichen organi-

satorischen Ablaufplan erstellt. Dabei muss aber darauf geachtet werden, dass die

Abfolge der Arbeitsschritte eines erfahrenen Bearbeiters für den Lerner, der den

Ablauf noch nicht hinreichend kennt, oft nicht logisch erscheint. In der täglichen

Arbeit wird manchmal der zweite Schritt vor dem ersten gemacht, weil es so

besser in den Verfahrensablauf passt. Die Lerner sollten im Leittext aber einen

Arbeitsablauf kennen lernen, der logisch an das Arbeitsergebnis heranführt und

bei jedem Schritt erkennen lässt, warum dies oder jenes getan werden muss. In der

theoretischen Bildung tritt an die Stelle des praktischen Arbeitsablaufs eine Phase

der Sammlung konkreter Tätigkeitsschritte, die erforderlich sind, um das gestellte

Problem zu lösen. Hier kann entweder die Lernergruppe selbst einen Vorschlag

erarbeiten, es ist aber auch sinnvoll hierzu Erkundigungen bei schon erfahrenen

Lernern oder Lehrenden (z.B. bei höheren Klassenstufen, einem Lehrenden,

einem kompetenten Außenstehenden) einzuholen (= erster Arbeitsauftrag vor den

Leitfragen).

(2) Leitfragen: Bei der Durchführung des Leittextes erhält jeder Lerner einen

Leittext. Für die Antworten zu den Leitfragen werden zum besseren Merken

Antwortzeilen, leere Tabellen usw. eingefügt.

Die Leitfragen stellen den umfangreichsten Bestandteil des Leittextes, den „roten

Faden“ für die Lerner dar. Sie sollen möglichst sicher, das heißt Irrwege ver-

meidend, von Arbeitsschritt zu Arbeitsschritt führen. Gleichzeitig soll aber die

Eigeninitiative der Lerner nicht zu sehr eingeschränkt werden - im Idealfall sollen

die Leitfragen die Diskussion im Team anstoßen und grob kanalisieren. Manche

Informationen, die zur Bearbeitung des jeweiligen Arbeitsschrittes notwendig

sind, müssen in den Leitfragen vorgegeben werden. Sie sollten aber auf das un-

bedingt notwendige Maß beschränkt bleiben. Leitfragen bestehen nicht nur aus

Fragen, sondern auch aus Denkanstößen, Bildern, usw.

(3) Quellen und Material: Es werden die Quellen, aus denen sich die Lerner ihr

Wissen erarbeiten sollen, genannt und ggf. wird Material zur Verfügung gestellt

oder angegeben, wie es beschafft werden kann. Dies können sehr unterschiedliche

Quellen sein. Nach Möglichkeit sollte im Leittext mit verschiedenen Quellen und

Materialien gearbeitet werden, damit die Lerner eine breite Informationsbasis

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kennen lernen. Wie genau die jeweilige Quelle angegeben wird, hängt davon ab,

wie komplex das Thema ist und wie sehr die Lerner bereits die Arbeit mit Quellen

gewohnt sind. Beim ersten Leittext, der durchgeführt wird, werden deshalb

genauere Angaben erforderlich sein, um Frust beim Studium der Fundstellen zu

vermeiden, bei späteren Leittexten wird man versuchen, die Lerner den für sie

relevanten Teil der Fundstelle weitgehend selbst finden zu lassen.

(4) Kenntnisse: Unter den Kenntnissen ist der Teil des Wissens zu verstehen, der

bereits vor Durchführung des Leittextes vorhanden sein muss. Sie müssen zu

jedem Arbeitsschritt des Tätigkeits- oder Arbeitsablaufes möglichst genau auf-

gelistet werden (= Feststellen der notwendigen und hinreichenden Vorkenntnisse).

Dabei ist wichtig, welche Informationen die Fundstelle enthält und welches

Wissen der Lerner zusätzlich braucht, um mit Hilfe der Leitfrage zum richtigen

Ergebnis zu kommen. Dieses zusätzlich erforderliche Wissen wird in den Kennt-

nissen aufgelistet. Anders als beim Unterricht mit Gruppenarbeit kann der Leittext

beim Feststellen von Wissenslücken nicht einfach unterbrochen und das fehlende

Wissen durch eine kurze Erklärung des Lehrenden nachgeschoben werden. Bei

der Planung, wann welcher Leittext eingesetzt werden kann, muss deshalb mög-

lichst genau bekannt sein, welche Lerninhalte im Leittext vorausgesetzt werden,

damit ggf. ein vorbereitender Unterricht vor dem Leittexteinsatz stattfindet.

Außerdem erleichtert eine genaue Auflistung der Kenntnisse das Umschreiben

von Leittexten anderer Ersteller auf die eigene Lerngruppe.

(5) Der Kontrollbogen enthält die richtigen Lösungen zu den jeweiligen Leit-

fragen. Wenn die Lerner ihren Fall mit Hilfe der Leitfragen und Fundstellen voll-

ständig bearbeitet haben, erhalten Sie den Kontrollbogen zur Selbstkontrolle. Er

sollte deshalb nicht nur die Lösungen 1:1 enthalten, sondern auch Denkanstöße

und Ausblicke auf andere Fallgestaltungen liefern. Hier ist für die Planung

allerdings zu bedenken, dass die Lerner zu diesem Zeitpunkt bei größeren Leit-

texten einige Stunden anstrengender Teamarbeit hinter sich haben und wissen

möchten, ob sie bei den Leitfragen zu den richtigen Lösungen gekommen sind. Zu

viele und zu weit führende Fragen sollten im Kontrollbogen deshalb vermieden

werden - auch, weil die Antworten dazu nicht selbst kontrolliert werden können,

sondern wieder vom Lehrenden korrigiert werden müssen.

(6) Vorbereitung des Leittextes: Zur Anwendung dieser Methode ist es er-

fahrungsgemäß sehr wichtig, dass sich die Ersteller von Leittexten sehr intensiv

vorbereiten und mit dem Leittext auseinandersetzen. Dies insbesondere dann,

wenn man fremde Leittexte für eigene Gruppen übernehmen will.

(7) Einführung: Vor dem ersten Leittexteinsatz muss es immer eine Einführung

geben. Die erste Einführung sollte ausführlich Sinn und Einsatz des Verfahrens

(eigenständiges Lernen, Selbstverantwortung und Selbstkontrolle des Lernens)

beschreiben und auch die organisatorische Seite (Räume, vorhandene Zeit,

Material und Quellen) besprechen. Zudem ist eine Hinführung zum Thema zu

geben, die Zusammensetzung der Teams, die Teamregeln, die Moderatorenwahl

sind vorrangig anzusprechen.

(8) Selbstständigkeit: Bei der Leittextmethode gibt es zwar in der Ent-

scheidungsphase einen notwendigen Zwischenstopp, wo der Lernberater hinzu-

treten sollte, aber ansonsten ist diese Methode durch hohe Selbstständigkeit der

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Lerner ausgezeichnet. Während der Durchführung beschränkt sich die Rolle des

Lernberaters auf die eines Beobachters und nur bei schwerwiegenden Problemen

(z.B. massivem Zeitverzug, schwierige Gruppendynamik, auf Anfrage hin) helfen

sie im Sinne einer Hilfe zur Selbsthilfe oder als Moderator von Gruppenlösungen.

(9) Der Lehrende fungiert als Lernberater: Er führt die Lerner an die neue

Aufgabenstellung und veränderten Lernformen heran und unterstützt sie, wenn sie

nicht weiterkommen. Er muss während der Phase der Durchführung, wenn die

Lerner in ihren Teams arbeiten, immer mit einem „Ohr“ dran sein, d.h. er be-

obachtet die Lerner und bekommt den jeweiligen Prozess mit, agiert aber nicht

direkt und platziert sich nur soweit in der Nähe, dass er seiner Aufgabe gerecht

werden kann. Optimal ist es, wenn er in einem Nebenraum mit offener Tür sitzen

kann, um alles verfolgen zu können und gleichzeitig weit genug zu sein, um nicht

als Kontrolleur empfunden zu werden. Der Lernberater kann in dieser Zeit nur

einfache Routinearbeiten erledigen, weil er sonst zu sehr abgelenkt ist. Er muss

den kompletten Prozess mitbekommen, damit er zum einen fähig ist, zu ent-

scheiden, wann er eingreifen muss und zum anderen bei Rückfragen schnell die

Situation beurteilen zu können, um wirklich nur Hilfe zur Selbsthilfe zu leisten.

Weiterhin ist es auch für die Feedbackrunde nach der Selbstkontrolle wichtig,

dass er genügend Informationen zur Rückmeldung hat. Bei Lerngruppen, die nicht

durchgehend motiviert sind, muss der Lernberater strikt anwesend sein. Er sollte

sofort eingreifen, wenn Lerner versuchen, andere für sich arbeiten zu lassen, den

Prozess zu hinterlaufen, die Arbeitsaufgabe zu entwerten usw. Er muss auch

Sorge tragen, dass die Methode nicht zu einem Versuch-Irrtum-Handeln führt,

weil die Planungs- und Entscheidungsphase nicht gelöst wird. Dies kann ins-

besondere bei einem erstmaligen Einsatz geschehen. Da es in der Schule oft eher

zu Regelverstößen als in der beruflichen Bildung im Betrieb kommt, muss der

Lehrende in der Schule ein produktives Lernklima herstellen, in dem die Regeln

des Verfahrens praktiziert werden können. Sonst führt diese Methode ins Chaos.

Hier ist eine Ausbildung des Lernberaters als Coach und Moderator mittels Ein-

satz von systemischen Methoden heute unausweichlich geworden. Da Leittexte

nicht immer hochgradig motivierend ausgelegt sein können, bedarf es einer

kommunikativen Situation, in der der Sinn des Verfahrens, die Verwendbarkeit

der Ergebnisse, Neugierde und die Suche nach Anerkennung auch durch die

Haltung des Lehrenden verstärkt werden.

Bei dieser Methode ist als Ausbildungsinstrument fast ausschließlich das Medium

„Leittext“ zentral. Dieser leitet und steuert den Lernprozess und wird im Klein-

team ohne den Lernberater umgesetzt. Eine sachliche Auseinandersetzung wird

durch die schriftliche Form erleichtert, was nicht heißt, dass nicht auch heftige

inhaltliche Debatten stattfinden können. Hier sollten die Lernberater zunächst auf

keinen Fall eingreifen. Die Teams können mit Hilfe des Moderators in der Regel

ihre Diskussionen und Probleme selbständig bewältigen. Die notwendige Be-

obachtungsleistung ist deutlich höher als bei anderen Methoden. Da die

Lehrenden den Lehr- und Lernprozess nicht durch die unterschiedlichsten

Zwischenstopps steuern können, müssen sie viel Vertrauen in den Prozess und die

Lerner setzen.

(10) Anders als bei den anderen Methoden wird die Selbstkontrolle durch den

Selbstkontrollbogen komplett den Lernern überlassen. Erst zum Abschluss

werden die Lehrenden in einem Gespräch wieder tätig und gehen kurz, problem-

und ergebnisorientiert die Leitfragen und ggf. weiterführende Transferfragen

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durch. Anschließend lassen sie die Lerner ein Feedback zum Prozess, den

Inhalten, der Zusammenarbeit und dem Leittext als solchem geben und vermitteln

im Anschluss ihre eigenen Beobachtungen und Reflexionen. An dieser Stelle

sollte selbstverständlich für gute Ergebnisse auch die nötige Anerkennung ver-

mittelt werden. Sollten sich im Gespräch noch Mängel oder Wissenslücken

herausstellen, dann müssen hier Maßnahmen mit den Lernern gemeinsam fest-

gelegt werden.

(11) Nach Abschluss des jeweiligen Leittext-Themas findet oft noch eine Übungs-

phase statt. Das bedeutet, dass jeder Lerner nun für sich alleine weitere Fälle an-

hand seines neu erworbenen Wissens bearbeitet. Der Leittext kann hier dann als

Nachschlagewerk herangezogen werden.

(12) Die Lerner stehen bei dieser Methode deutlich mit ihrer Methoden-, Fach-

und Sozialkompetenz im Zentrum. Sie müssen stärker als bei anderen Methoden

zur selbstständigen Lernprozess-Steuerung in der Lage sein und sind mehr auf

sich gestellt. Das zentrale Medium ist der Leittext und die damit verbundenen

Fundstellen. Hier lernen die Teilnehmer mit den ihnen auch später zur Verfügung

stehenden Hilfsmitteln umzugehen und gewinnen einen Zugang zur eigen-

ständigen Informationsbeschaffung, die möglichst nicht durch künstliche Hilfs-

mittel erzeugt werden soll, sondern durch die Möglichkeiten, die auch im beruf-

lichen Leben oder der Lebenswelt eine Rolle spielen. Die Lerner empfinden diese

Methode insbesondere dann als sehr hilfreich, wenn sie eine Verbindung

zwischen Theorie und Praxis darstellt und hier eine Art Mittlerposition einnimmt,

die auf dem vorhandenen theoretischen Wissen aufbaut und auf eine praktische

oder konkrete Fallbearbeitung hinarbeitet. Die Teilnehmer sind gezwungen, sich

in ihrem Team zurechtzufinden und gemeinsam mit den anderen Teammitgliedern

die Lösungen anhand von Diskussionen und gleichberechtigtem Handeln zu

finden. Dadurch wird die Selbstständigkeit, die Eigenverantwortlichkeit für ihr

Tun sehr gefördert, was zur Folge hat, dass die Lernenden eine größere

Motivation aufbringen. Außerdem können sie durch eigene Zeiteinteilung (ab-

gesteckt in einem gewissen Rahmen) ihr Lerntempo gemeinsam bestimmen. Der

umfassende Handlungsvollzug wird bei Leittexten von den Teilnehmern selb-

ständig erarbeitet. Im Rahmen dieser Methode können sie sich dadurch faktisch

einen neuen Inhalt selbst beibringen. Kaum eine der anderen Methoden kann dies

inhaltlich so komplex und vollständig vermitteln wie diese Methode. Insofern

eignet sie sich vor allem bei eher komplexen und schwierigen Themen. Der vor-

her zu betreibende Aufwand (Leittexterstellung) muss durch die Bedeutung und

Komplexität des Themas gerechtfertigt sein, ansonsten sollten andere Methoden

bevorzugt werden. Der Erstellungs- und Pflegeaufwand bei der Leittextmethode

kann bei Themen, bei denen sich Voraussetzungen oder Informationen im

ständigen Wandel befinden, außerordentlich groß sein.

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5. Beispiel für die Methode

5.1 Leittext als Beispiel

Es gibt Leittexte und Minimale oder Info-Leittexte. Die Prinzipien der Leittext-

methode werden auch an einem eher Minimalen Leittext deutlich. Daher soll als

erstes Beispiel hier das Thema „Leittext“ als Minimaler Leittext dargestellt

werden. Dieser Leittext wird hier ohne ein umfassendes Layout mit Cliparts nur

kurz wiedergegeben:

1. Einleitung

Thema: Was sind Leittexte?

Ziel: Die Leittextmethode soll im Überblick erarbeitet und in ihren

Elementen, in der Vorgehensweise und möglichen Umsetzungs-

problemen dargestellt und problematisiert werden. Dabei sollen in

der Lerngruppe vor allem selbstständiges Planen und Handeln, das

Zusammenfassen von Informationen und Präsentationen sowie die

Zusammenarbeit im Team gefördert werden.

Aufgabe: Sie sollen im Team

die Leitfragen gemeinsam sichten, sich einen Arbeitsplan er-

stellen und die Fragen schriftlich beantworten;

Ihre Lösung mit dem Kontrollbogen vergleichen und eine

Bewertung Ihrer Lösung vornehmen (nicht in Noten, sondern

in einer verbalen Beschreibung);

mit dem Lernberater über Ihre Lösung sprechen;

im Plenum Ihre Ergebnisse in einer Übersicht mit Medien in

10 Minuten präsentieren, mit den anderen diskutieren und

hierüber ein Feed-back geben.

Zeit: Für die Bearbeitung stehen Ihnen 120 Minuten zur Verfügung.

2. Bearbeitungshinweise

Gehen Sie in Ihrer Arbeit bitte wie folgt vor:

Der gesamte Leittext ist Punkt für Punkt durchzugehen.

Besprechen Sie Ihr Handeln und Vorgehen zuerst im Team und planen Sie

gemeinsam Ihre Vorgehensweise.

Schreiben Sie bitte Ihre Antworten in der Chronologie der Fragen auf.

Zur Bearbeitung der Leitfragen benötigen Sie weitere Informationen. Die

jeweiligen Fundstellen finden Sie unter Infomaterial und Quellen an-

gegeben.

Erstellen Sie anhand Ihrer Ergebnisse eine geeignete Präsentation.

3. Leitfragen:

1. Geben Sie eine kurze Definition der Leittextmethode.

2. Welche Gründe führt Hans-Peter Fischer (Daimler-Benz) zur Einführung

und Wirksamkeit der Leittexte an?

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3. In welchen Bereichen liegen Leittexte vorwiegend vor? (Nutzen Sie hierzu

eine Internetrecherche mit den ersten 20 Einträgen unter Google).

4. Erstellen Sie eine tabellarische Übersicht mit den konstruktivistischen

Handlungsstufen und ordnen Sie diesen die Stufen der vollständigen Hand-

lung zu. Stellen Sie anhand dieser Tabelle dar, wie die Leittextmethode

praktisch abläuft.

5. Sammeln Sie Gründe dafür, weshalb sich Handlungen nicht immer als

vollständig bezeichnen lassen.

6. Beschreiben Sie Veränderungen in der Rolle der Lerner und der Lehrenden

nach der Leittextmethode.

7. Welche Schwierigkeiten bei der Umsetzung der Methode sind in der

Praxis zu erwarten?

4. Infomaterial und Quellen:

1. http://www.uni-koeln.de/methodenpool

2. Rottluff, J.: Selbständig lernen. Arbeit mit Leittexten. Weinheim und

Basel (Beltz) 1992, S. 15 - 16 und 86 - 91 (Kopie fertigen)

3. Alternativ (mit neu anzupassenden Leitfragen): Quellen aus dem Internet

wie z.B.

http://www.lrz-

muenchen.de/~riedlpublikationen/pdf/leitriedlschelten97refa.pdf

http://www-pu.informatik.uni-tuebingen.de/iug/dh/Leittexte.html

http://www.aid.de/lernen/azubis.php (Bereich Landwirtschaft)

5. Kontrollbogen:

1. Die Leittextmethode ist eine heute noch vorwiegend berufliche Aus-

bildungsmethode, bei der Leitfragen vorrangig vom Lehrenden entwickelt

werden und den Lernenden als Orientierungshilfe beim Finden von selbst-

ständigen Lösungen eines komplexen Problems dienen sollen. Die Leit-

texte selbst bestehen aus schriftlichen Unterlagen, die mit Hilfe der Leit-

fragen bearbeitet werden. Die Leitfragen steuern den Lern- und Arbeits-

prozess und stellen den „roten Faden“ für die Lerner dar. Man könnte die

Leittextmethode auch als eine Art „Selbstunterrichtsmethode“ bezeichnen.

2. Hans-Peter Fischer (Daimler-Benz) führt zur Einführung und Wirksamkeit

der Leittexte insbesondere folgende Gründe an:

die Methodenkompetenz soll gesteigert werden (mehr Kompetenz und

eigene Verantwortung der Lerner für ihren Lernfortschritt),

die Ausbilder sollen von Routinevermittlungen entlastet werden und

mehr Zeit für individuelle, situative und spontane Lernförderung ge-

winnen,

die Selbstbestimmung des Lernens soll insgesamt gefördert werden,

die Leittexte können durch Kontrast zum schulischen Lernen bei an-

sprechender Gestaltung motivieren,

die Ausbilder erleben sich durch das Verfassen der Leittexte als

kompetent (sie haben die Praxisbezogenheit in ihrer Hand).

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3. Die Google-Recherche ist nach aktuellem Datum vom Lehrenden einzu-

setzen. Dazu werden die ersten 20 Einträge auf das Stichwort „Leittext(e)“

unter Google deutsche Seiten im WEB ausgewertet.

4. Die Grunddaten der Tabelle könnten so aussehen:

Konstruktivistische

Handlungsstufen

Stufen der voll-

ständigen Handlung

Unterrichtsablauf

1. Vorbereiten (fehlt, muss aber im

Vorfeld der Handlung

geleistet werden)

Leitfragen und Info-

material vor dem Unter-

richt erstellen

2. Informieren Lerner soll sich

Informationen mög-

lichst selbst be-

schaffen

Leitfragen und Quellen-

angaben steuern die

Info-Beschaffung

3. Durchführen Planen der Aufgaben-

lösung in der Gruppe

Entscheiden für ein

Vorgehen

Ausführen (Machen)

der Aufgabe

Kontrollieren anhand

des Kontrollbogens

Gruppenarbeitsphase

Gruppe kontrolliert sich

selbst mit Kontroll-

bogen

4. Präsentieren Bewerten des Arbeits-

prozesses, der Ergeb-

nisse und der Team-

arbeit im Gespräch

mit dem Lernberater

und ggf. der gesamten

Lerngruppe

Gruppe präsentiert vor

dem Lernberater und

ggf. im Plenum

5. Evaluieren Feed-back

aus der Gruppe

vom Lernberater

aus dem Plenum

5. Handlungen lassen sich insbesondere dann nicht als vollständig be-

zeichnen, wenn

keine eindeutigen und klaren Arbeitsabläufe vorliegen (keine

Routinen), wie z.B. in der Kunst, im Verhaltensbereich usw.

ein Beobachter von außen nicht angeben kann, wie der Arbeitsablauf

vollständig beschrieben wird,

das Arbeitsergebnis nicht eindeutig ist (eindeutig ist es meist nur bei

klaren Konventionen und technischen Zweck-Mittel-Setzungen).

6. Wesentliche Veränderungen sind in folgender Tabelle zusammengefasst:

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Lerner

Lehrende

eigene Fach-, Methoden- und

Sozialkompetenz steht im

Mittelpunkt

wirkt als Lernberater unterstützend,

trägt und macht aber nicht mehr selbst

vor

Selbstständigkeit

gibt Hilfestellungen und berät

Praxisorientiert, auf eigenver-

antwortliches Tun hin orientiert

gewährleistet durch die Leittexte

praxisbezogene und sinnvolle Arbeiten

bestimmt Lerntempo mit

gibt Rahmen vor

Motivation wird vorausgesetzt

unterstützt Motivation durch

kommunikativen Rahmen und

Atmosphäre

Teamorientiert

greift bei Störungen ein

Ergebnisorientiert

gibt Feed-back

7. In der Praxis sind einige Schwierigkeiten beobachtet worden. Nach

Rottluff sind hier vor allem folgende mögliche Probleme zu nennen:

die Leittexte sind nicht einfach und klar genug formuliert (Umfang,

Handhabung, Sprache),

Zeitknappheit,

fehlende Hilfsmittel,

der Ausbilder zieht sich zu sehr zurück,

fehlende Anerkennung durch den Ausbilder,

unzureichende Unterstützung der Schwachen,

für Lerner ungewohnt, Anknüpfungen werden nicht beachtet,

Defizite der Lerner im schriftlichen Bereich müssen erkannt werden,

Materialien sind nicht immer hinreichend geeignet,

Entscheidungsspielräume werden durch Lerner missbraucht (Prinzip

des geringsten Aufwands) und vom Lernberater nicht unterbunden,

eine persönliche Verpflichtung und Kommunikation mit dem Lern-

berater wird nicht genügend hergestellt,

Engagement und Flexibilität werden nicht hinreichend aufgebracht,

die organisatorische und materielle Einbindung ist nicht hinreichend.

5.2 Leittext zum Thema Klimakatastrophe

In Zusammenarbeit mit German Watch hat eine Gruppe Studierender hier einen

Leittetxt zum Thema Einführung in die Klimakatastrophe erstellt. Zielgruppe ist

die Erwachsenenbildung/Weiterbildung, aber auch die Sek II.

Komplettmaterial in Word (390 KB)

Komplettmaterial in PDF (380 KB)

Infoleittext von German Watch (5,7 MB)

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6. Reflexion der Methode ´

6.1 Methodenkompetenz

Das Handlungsmodell der Leittextmethode ist idealtypisch. Es ist sehr an Hand-

lungsvollzügen in der Industrie orientiert und kann nicht auf alle Lernhandlungen

übertragen werden. Insbesondere passt es dann nicht, wenn Lernen eher komplex,

bezogen auf Interpretationen mit viel Spielraum und diskursive Verständigung,

nicht in einer erwarteten Reihenfolge, offen experimentierend, künstlerisch oder

im weitesten Sinne forschend stattfindet. Diese Grenzen sind beim Einsatz zu be-

achten.

Bei der Methode muss sehr klar an die Vorkenntnisse der Lerner angeknüpft

werden. Der Lehrende muss ein klares Bild über bisherige Fertigkeiten in der Be-

arbeitung von Quellenmaterial, der Eigenständigkeit des Zugangs, über den Ein-

satz von Schwierigkeitsstufen (Lückentext bis hin zu ganz offenen Aufgaben-

stellungen) haben, um die Leitfragen als Forderung ohne Überforderung oder

Unterforderung einzusetzen. Bei den Fragen ist stets von den Lernern und ihren

Bedürfnissen, nicht aber vom Lehrer auszugehen. Hier ist es sinnvoll, Lerner bei

der Vorbereitung an der Erstellung von Leittexten (auch für andere Gruppen) zu

beteiligen. Dies könnte in Projektform geschehen.

Wie das Beispiel zum Minimalen Leittext zeigt, können die Fragen sehr zwischen

einfach und schwieriger schwanken. Es ist allerdings das Ziel von Leittexten,

möglichst eher offene und schwierigere Fragen zu stellen, damit der Lerner vom

Speziellen auf das Allgemeinere schließen kann. Diese Forderung ist allerdings

idealtypisch und jede Lehr- und Lerngruppe sollte ihre eigenen Erfahrungen mit

dieser Methode machen.

Im Sinne der Methodenkompetenz können Leittexte sehr gut eingesetzt werden,

um konventionelle Routinen auf sinnliche Erfahrungen in Handlungen zurück zu

beziehen. Ein diskursiver Erfahrungs- und Handlungsbezug kann so allenfalls

vorbereitet werden, aber er wird bei dieser Methode kaum im Mittelpunkt stehen.

Dies liegt auch daran, dass es zunächst möglichst eindeutige Ergebnisse geben

muss, die im Kontrollbogen auch tatsächlich bewertbar sind. Dies ist für dis-

kursive Bearbeitungen meist nicht eindeutig möglich. Sofern diskursive Be-

arbeitungen mit dieser Methode verknüpft werden sollen, ließen sich Info-

Leittexte nutzen, um z.B. arbeitsteilig in einer Lerngruppe bestimmte

Informationen zu sichten, diese dann zusammen zu tragen, zu diskutieren und im

Plenum gemeinsam auf ein Problem zu beziehen. Hier könnten erarbeitete

Informationen diskursiv verarbeitet werden.

Die Methode ist ferner sehr gut geeignet, die Beziehungen der Lerner unter-

einander zu entwickeln und zu thematisieren. Hierzu ist es aber notwendig, ent-

sprechende Beobachtungsaufgaben (Reflecting Team) in die Leittextarbeit zu

integrieren.

Die Leittextmethode ist für die Lehrenden mit einem hohen Arbeitsaufwand ver-

bunden. Der vorher zu betreibende Aufwand im Rahmen der Leittexterstellung

muss durch die Bedeutung und gleichzeitig klare Strukturierbarkeit des Themas

gerechtfertigt sein, ansonsten sollten andere Methoden bevorzugt werden. Der

Erstellungs- und Pflegeaufwand bei der Leittextmethode kann bei Themen, bei

denen sich Voraussetzungen oder Informationen im ständigen Wandel befinden,

außerordentlich groß sein.

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6.2 Methodenvielfalt

Die Leittextmethode sollte zum unverzichtbaren Bestand jeden Unterrichts ge-

hören, denn mit ihr lässt sich die konventionelle Ebene des Handelns sehr gut mit

sinnlichen Erfahrungen und praktischen Routinen verbinden. Damit wird der

Wissens- und Informationserwerb handlungs- und erfahrungsbezogener. Die

Methode ist auch für die Entwicklung eines eigenen Methodenbewusstseins und

die gesamte Förderung der Schlüsselqualifikationen geeignet. Sie sollte allerdings

nicht durch zu starke oder häufige Mischung oder Variation in ihren Grund-

anforderungen verändert werden, um die Stärken der Methode zu erhalten.

6.3 Methodeninterdependenz

Im Zusammenhang mit der Leittextmethode werden Aspekte der Projektmethode

berührt. Deshalb ist eine genaue Kenntnis beider Methoden sehr hilfreich für die

Lerner, um die Lernarbeit zu effektivieren. Die Leittextmethode ist überwiegend

planungs- und handlungsorientiert, sie kann im Blick auf Methodenkompetenz

dann besonders effektiv eingesetzt werden, wenn Lerner an der Erstellung von

Leittexten (für die eigene oder fremde Lerngruppen) mitwirken. Dabei besteht

eine Interdependenz ganz ausdrücklich zu Brainstorming, Feedback-Methoden,

Reflecting Teams, Moderations- oder Stellwandtechniken, indirekte Beziehungen

gibt es vorrangig zur Anchored Instruction und zur Cognitive Apprenticeship.

Sofern die Leitfragen darauf Bezug nehmen, können auch Erkundungen, Ex-

kursionen, kleinere Fallstudien, Internetpräsentationen eine Rolle spielen.

Schwierig ist das Benoten mit dieser Methode. Da der Kontrollbogen selbst-

ständig ausgewertet werden soll, geht es weniger um eine kontrollierende Außen-

bewertung mit Notenzuschreibung, als um ein selbstreguliertes Lernen, das fach-

lichen und verhaltensbezogenen Kriterien in Selbst- und Gruppenreflexion folgen

soll. In der Regel sollte von einer Benotung Abstand genommen werden. Dafür

lässt sich jedoch eine Bewertung im Sinne von Zielvereinbarungen sehr gut

durchführen.

7. Praxiserfahrungen

Es liegen Praxiserfahrungen aus der beruflichen Bildung seit den 70er Jahren vor.

Diese Ergebnisse zeigen, dass die Methode sehr wirkungsvoll und motivierend

eingesetzt werden kann. Die oben angegebene primäre und sekundäre Literatur

geht auf diesen Erfolg ein. Aus eigenen Unterrichtserfahrungen im Rahmen der

konstruktivistischen Didaktik hat sich diese Methode als wichtiger Teil zur

Förderung der Methodenkompetenz erwiesen. Die Methode schafft nicht nur Ab-

wechslung, sondern gibt den Lehrenden auch Freiraum, um sich individuell,

situativ und dabei differenzierend mit Lernergruppen und einzelnen Lernern im

Gruppenprozess zu beschäftigen. Dabei ist der Erstellungsaufwand nicht unerheb-

lich, zwingt aber durch die Anfertigung des Kontrollbogens die Lehrenden auch,

schriftlich zu fixieren, was sie als Ergebnis von den Lernern erwarten. Dies macht

den Unterrichtsprozess nach unseren Erfahrungen teilweise transparenter als bei

der Projektmethode, die nicht mit Kontrollbögen arbeitet.