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PROLETARIER ALLER LÄNDER, VEREINIGT EUCH! LENIN WERKE

Lenin - Werke 8

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    PR OL E T A R IE R A L L E R L N D E R , V E R E IN IGT E U C H!

    LENINW E R K E

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    HERAUSGEGEBEN AUF BESCHLUSSDES IX.PARTEITAGES DER KPR(B) UND DES

    II.SOWJETKONGRESSES DER UdSSRDIE DEUTSCHE AUSGABE ERSCHEINT

    AUF BESCH LUSS DES ZENTRALKOMITEESDER SOZIALISTISCH EN EINHEITSPARTEI

    DEUTSCHLANDS

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    INSTITUT FQR MARXISMUS-LENINISMUS BEIM ZK DER KPdSU

    WI.LENINWERKE

    INS DEUTSCHE BERTRAGENNACH DER VIERTEN RUSSISCHEN AUSGABEDIE DEUTSCHE AUSGABEWIRD VOM INSTITUT FR MARXISMUS-LENINISMUSBEIM ZENTRALKOMITEE DER SED BESORGT

    DIETZ VERLAG BERLIN1959

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    W1.LEN1NBAND 8

    JANUAR-JULI 1905

    DIETZ VERLAG BERLIN1959

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    Rassischer Originaltitel:B.H.JIEHHH CO 1H HE HH S

    2.Aaflage 41.60. TausendDietz Verlag GmbH, Berlin 1. Auflage 1958 Printed in Germany

    Alle Rechte vorbehalten Gestaltung und Typographie: Dietz EntwurfVerlagsbogen 35,0 Druckbogen: 39,25 Lizenznummer 1

    Satz: VEB Offizin Andersen Nex in Leipzig 111/18/38Druck: Leipziger Volkszeitung 111/18/138

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    VII

    VORWORTDer achte Band enthlt die Arbeiten W. I. Lenins, die zwischen Januarund Juli 1905, also zu Beginn der ersten russischen Revolution, geschrie-ben wurden. Zum grten Teil sind es Artikel aus den illegalen bolsche-

    wistischen Zeitungen Wperjod" und Proletari".In den Aufstzen Die Selbstherrschaft und das Proletariat", Der Fallvon Port Arthur", Das europische Kapital und die Selbstherrschaft"und Die Katastrophe" analysiert Lenin den militrischen Zusammen-bruch und die politische Krise der Selbstherrschaft und weist auf die U n-ausbleiblichkeit der Revolution in Ruland hin.In den Schriften Zwei Taktiken", Sollen wir die Revolution organi-sieren?", Neue Aufgaben und neue Krfte", ber die provisorischerevolutionre Regierung", Die revolutionre demokratische Diktatur desProletariats und der Bauernschaft" und Revolutionre Armee und revo-lutionre Regierung" wird die revolutionre Taktik der bolschewistischenPartei begrndet und ausgearbeitet und die opportunistische Taktik derMenschewiki entlarvt und kritisiert.Die Artikel Es ist Zeit, Schlu zu machen", Kurze Darstellung derSpaltung in der SD APR", Gesamtplan der Beschlsse des III. Partei-tags", Der erste Schritt", Winkelzge der Bonapartisten", Der zweiteSchritt" und Offener Brief an den Vorsitzenden des Rats der SDAPR,Genossen Plechanow" sind Beispiele fr den Kampf, den Lenin gegen dieSpaltungsttigkeit der M enschewiki und fr die Vorbereitung des III. Par-teitags der SDAPR, des ersten bolschewistischen Parteitags, fhrte.Einen betrchtlichen Teil des Bandes bilden Dokumente vom III. Par-teitag der SDAPR, Referate, Reden und Diskussionsbeitrge Lenins aufdem Parteitag, die von ihm verfaten Resolutionen ber den bewaffnetenAufstand, ber die provisorische revolutionre Regierung, ber die Unter-sttzung der Bauernbewegung, die Resolution zu den Ereignissen im Kau-kasus und andere.

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    vni VorwortWeiter sind im vorliegenden Band Arbeiten enthalten, in denen sich

    Lenin gegen den brgerlichen Liberalismus wendet: Das Agrarpro-gramm der Liberalen", Politische Sophistereien", Die ersten Schrittedes brgerlichen Verrats", ^Revolutionre' in Glacehandschuhen" undDer Kampf des Proletariats und der Servilismus der Bourgeoisie".Der Band enthlt vierzehn Arbeiten, die erstmalig in die WerkeW. I. Lenins aufgenommen wurden. In diesen Arbeiten werden die revo-lutionren Ereignisse in Ruland analysiert und Fragen des III. Parteitagsder SDAPR behandelt.In dem Artikel Revolution in Ruland" schtzt Lenin die Ereignissevom 9. Januar bereits als den Beginn der Revolution ein und begrt dasaufstndische Proletariat. Die Arbeiten Die ersten Schritte", Der Vor-abend des Blutsonntags", Die Zahl der Toten und Verwundeten", DieKmpfe auf den Barrikaden" und Petersburg nach dem 9. Januar" schil-dern die ersten Tage des revolutionren Kampfes in Petersburg und daswachsende politische Bewutsein des Proletariats in Ruland.In dem Flugblatt Der Erste Mai" erlutert Lenin die Aufgaben desProletariats und der Bauernschaft in der Revolution und ruft zur Vorbe-

    reitung des allgemeinen bewaffneten Volksaufstands auf.In der Notiz Konferenzen der Komitees" wird ber Konferenzen vonLokalkomitees beriditet, die sich fr eine sofortige Einberufung desIII. Parteitags ausgesprochen haben. Der Artikel Aus dem Lager derNeuiskristen" entlarvt den systematischen Betrug der Menschewiki an derPartei.Zu den Materialien des III. Parteitags der SDAPR gehren die neu auf-genommenen Dokumente Resolution ber den bewaffneten Aufstand",Rede anllich der Resolutionen ber das Verhltnis zwischen Arbeiternund Intellektuellen in den sozialdemokratischen Organisationen", Reso-lution ber die Herausgabe der Parteitagsprotokolle" trad Resolutions-entwurf zu den Ereignissen im Kaukasus".In der Notiz Eine neue russische Anleihe" schildert Lenin, wie diezaristische Regierung infolge der militrischen Niederlagen und der wach-senden LInzufriedenheit im Lande immer mehr ihren Kredit beim Aus-land einbt

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    DIE SELBSTHERRSCHAFTUND DAS PROLETARIAT1

    VerftentUdht am 4."]anuar 1905 9Jadh dem 7ext des Wperjod"(22. Dezember 1904)im Wperjod" OTr. i.

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    EN AVANT

    B n E P E CEHEBA. 4 ttEBAPH iV i JIEKAEPS1

    Erste Seite der bolschewistischen Zeitung Wperjod" Nr. 1vom 4. Januar 1905 (22. Dezember 1904)mit dem Artikel W . I. Lenins Die Selbstherrschaft und das Pro letariat"Verkleinert

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    Durch Ruland geht eine neue Woge der konstitutionellen Bewegung.Die heutige Generation hat noch nichts gesehen, was dem jetzigen poli-tischen Aufschwung gleichkme. Die legalen Zeitungen wettern gegen dieBrokratie, fordern die Teilnahme von Volksvertretern an der Verwal-tung des Staates und schreiben beharrlich von der Notwendigkeit libera-ler Reformen. Alle mglichen Versamm lungen von Semstwoleuten, rzten ,Juristen, Ingenieuren, Landwirten, Stadtverordneten usw. usf. fassenBeschlsse, die sich mehr oder weniger klar fr eine Verfassung ausspre-chen, berall sind vom Standpunkt des russischen Kleinbrgers unge-whnlich khne politische Anklagen und leidenschaftliche Reden berFreiheit zu hren. Liberale Versammlungen werden unter dem Druck derArbeiter und der radikalen Jugend zu ffentlichen Volksversammlungenund Straendemonstrationen. In breiten Kreisen des Proletariats, unterden armen Bevlkerungsschichten in Stadt und Land w ird die dumpfe G-rung unverkennbar immer strker. Wenn auch das Proletariat an denpompsen und feierlichen Manifestationen der liberalen Bewegung ver-hltnismig wenig teilnimmt, wenn es sich auch offenbar von den gesitte-ten Beratungen des soliden Publikums ein wenig abseits hlt, so ist dochaus allem zu ersehen, da die Arbeiter an der Bewegung auerordentlichstark interessiert sind. Aus allem ist zu ersehen, da die Arbeiter daraufbrennen, an groen Volksversammlungen teilzunehmen und offen auf derStrae zu demonstrieren. Es ist, als ob das Proletariat sich zurckhlt undzugleich aufmerksam beobachtet, was in seiner Umgebung vor sich geht,seine Krfte sammelt und die Frage abwgt, ob der Zeitpunkt fr den ent-scheidenden Kampf um die Freiheit schon gekommen ist oder nicht.

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    IV . 3. LeninAnscheinend beginnt die Welle der liberalen Erregung schon etwas ab-zuebben. Die Gerchte und Meldungen der auslndischen Presse ber denSieg der Reaktionre in den einflureichsten Hofkreisen besttigen sich.Der in diesen Tagen verffentlichte Ukas Nikolaus' II. ist eine direkteOhrfeige fr die Liberalen.2 Der Za r will die Selbstherrschaft aufrecht-erhalten und schtzen. Der Z ar will keine nderung der Regierungsformund denkt nicht daran, eine Verfassung zu gewhren. Er verspricht ver-spricht lediglich allerlei Reformen von ganz zweitrangiger Bedeutung.Irgendwelche Garantien fr die Durchfhrung dieser Reformen werdenselbstverstndlich nicht gegeben. Die polizeilichen Maregeln gegen dieliberale Presse werden von Tag zu Tag , ja von Stunde zu S tunde schrfer.Wieder beginnt man, jede ffentliche Demonstration genauso grausamwie frher, wenn nicht noch grausamer, zu unterdrcken. W ieder beginntman, die liberalen A bgeordneten in den Semstwos und in den Stadtdumasund mehr noch die liberalisierenden Beamten an die Kandare zu nehmen.Die liberalen Zeitungen verfallen in einen verzagten Ton und bitten dieKorrespondenten, deren Briefe sie nicht abzudrucken wagen, um Verzei-hung.Es ist keineswegs ausgeschlossen, da die nach der von Swjatopolk-Mirski erteilten Erlaubnis3 rasch angestiegene Welle der liberalen Erre-gung sich nach einem neuen Verbot ebenso rasch legen wird. Man mueinen Unterschied machen zwischen den tiefen Lirsachen, die unvermeid-lich und unausbleiblich und in dem Mae, wie die Zeit fortschreitet,immer strker Opposition und Kampf gegen die Selbstherrschaft her-vorrufen, und den kleinen Anlssen einer vorbergehenden liberalen Be-lebung. Die tiefen Ursachen rufen tiefgehende, mchtige und beharrlicheVolksbewegungen hervor. Die kleinen Anlsse sind manchmal ein Perso-nenwechsel im Ministerkabinett oder einer der blichen Versuche derRegierung, nach einem terroristischen Akt fr eine kurze Zeit zur Politik

    des listigen Fuchses" berzugehen. Die Ermordung Plehwes hat der ter-roristischen Organisation offenbar gewaltige Anstrengungen und lang-wierige Vorbereitungen gekostet. Und je erfolgreicher dieses terroristischeUnternehmen war, um so krasser besttigt es die Erfahrung der ganzenGeschichte der russischen revolutionren Bewegung, eine Erfahrung, dieuns vor solchen Kampfmethoden wie dem Terror warnt. Der russischeTerror war und bleibt eine spezifisch intelligenzlerische Kampfmethode.

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    Die Selbstherrschaft und das ProletariatMan mag uns noch soviel erzhlen, wie wichtig nicht an Stelle, sondernin Verbindung mit der Volksbewegung der Terror sei, die Tatsachen be-weisen unwiderleglich, da bei uns die individuellen politischen Mordemit den gewaltsamen Aktionen einer Volksrevolution nichts gemein haben.In der kapitalistischen Gesellschaft ist eine Massenbewegung nur als pro-letarische Klassenbewegung mglich. Diese Bewegung entwickelt sich inRuland nach eigenen, selbstndigen Gesetzen, sie geht ihren eigenenWeg und wird dabei immer tiefer und breiter, geht von zeitweiligemStillstand zu neuem Aufschwung ber. Nur die liberale Welle steigt undfllt in engem Zusammenhang mit dem Gemtszustand der verschiedenenMinister, deren W echsel durch die Bom benattentate beschleunigt wird. Esist deshalb kein Wunder, da man bei uns so oft auf Sympathien fr denTerror unter den radikalen (oder sich radikal gebrdenden) Vertreternder brgerlichen Opposition stt. Es ist kein Wunder, da sich unterden revolutionren Intellektuellen gerade diejenigen fr den Terror be-geistern (auf lange oder kurze Zeit), die nicht an die Lebensfhigkeitund die Kraft des Proletariats und des proletarischen Klassenkampfesglauben.Die Kurzlebigkeit und Unbestndigkeit einer liberalen Erregung, dieaus diesem oder jenem Anla entsteht, drfen uns natrlich den unber-brckbaren Gegensatz zwischen der Selbstherrschaft und den Bedrfnis-sen der sich entwickelnden brgerlichen Gesellschaft nicht vergessen las-sen. Die Selbstherrschaft kann nicht anders, sie mu die gesellschaftlicheEntwicklung hemmen. Je weiter die Entwicklung fortschreitet, um so mehrstoen d ie Interessen der Bourgeoisie als Klasse, die Interessen der Intel-ligenz, ohne die die moderne kapitalistische Produktion undenkbar ist,mit der Selbstherrschaft zusammen. Mag der Anla fr die liberalen Er-klrungen oberflchlich sein, mag die unentschlossene und zwiespltigeStellung der Liberalen ihrem Charakter nach belanglos sein ein wirk-licher Frieden ist fr die Selbstherrschaft dennoch nur mit dem Hufleinder besonders privilegierten Spitzen der grundbesitzenden und kommer-ziellen Klasse, keineswegs aber mit dieser ganzen Klasse mglich. Einedirekte Interessenvertretung der herrschenden Klasse in Form einer Kon-stitution ist notwendig fr ein Land, das ein europisches Land sein willund das wegen seiner Lage bei Strafe der politischen und konomischenNiederlage ein europisches Land werden mu. Deshalb ist es fr das

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    TV. 1 Leninklassenbewute Proletariat beraus wichtig, da es sowohl die Unver-meidlichkeit liberaler Proteste gegen die Selbstherrschaft als auch denwirklichen, brgerlichen Charakter dieser Proteste klar erkennt.Die Arbeiterklasse setzt sich gewaltige, welthistorische Ziele:,die Be-freiung der Menschheit von allen Formen der Unterdrckung und Aus-beutung des Menschen durch den Menschen. Diese Ziele strebt sie in derganzen W elt seit vielen Jahrzehnten beharrlich an , wobei sie ihren Kampfunablssig ausdehnt und sich in Millionenparteien organisiert, ohne sichdurch einzelne Niederlagen und zeitweilige Mierfolge entmutigen zulassen. Fr eine solche wahrhaft revolutionre Klasse kann es nichts Wich-tigeres geben, als sich von aller Selbsttuschung, von allen Wahnbildernund Illusionen frei zu machen. Bei uns in Ruland ist eine der verbreitet-sten und zhlebigsten Illusionen die, da unsere liberale Bewegung keinebrgerliche Bewegung sei, da die Revolution, die Ruland bevorsteht,keine brgerliche Revolution sei. Dem russischen Intellektuellen vomgemigtesten Oswoboshdenzen" 4 bis zum extremsten Sozialrevolutio-nr scheint es immer, da es hiee, unsere Revolution grau und nch-tern zu machen, sie herabzusetzen und sie zu banalisieren, wenn man fest-stellt, da sie eine brgerliche Revolution ist. Der russische klassenbewuteProletarier sieht in einer solchen Feststellung die einzig richtige klassen-mige Charakterisierung der wirklichen Lage der Dinge. Fr den Prole-tarier ist der Kampf fr die politische Freiheit und die demokratischeRepublik in der brgerlichen Gesellschaft nur eine der notwendigen E tap-pen im Kampf fr die soziale Revolution, die die brgerliche Ordnungstrzt. Die ihrer Natur nach verschiedenen Etappen streng unterscheiden,die Bedingungen, unter denen sie zurckgelegt werden, nchtern unter-suchen heit keineswegs, die Verwirklichung des Endziels auf die langeBank schieben, heit keineswegs, von vornherein das eigene Tempo ver-langsamen. Im Gegenteil, gerade zur Beschleunigung des Tempos, geradezur mglichst raschen und dauerhaften Verwirklichung des Endziels ist esnotwendig, das Verhltnis der Klassen in der modernen Gesellschaft zubegreifen. Wer den angeblich einseitigen Klassenstandpunkt scheut, werSozialist sein will und gleichzeitig Angst hat, die uns in Ruland bevor-stehende, bei uns in Ruland angebrochene Revolution offen als brger-liche Revolution zu bezeichnen, der wird nur Enttuschungen erleben,wird stndig Schwankungen unterworfen sein.

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    Die Selbstherrschaft und das ProletariatEine bezeichnende T atsache: Gerade als die jetzige konstitutionelle Be-

    wegung ihren Hhepunkt erreicht hatte, machte sich der demokratischsteTeil der legalen Presse die ungewhnliche Freiheit zunutze, um nicht nurdie Brokratie", sondern auch die angeblich wissenschaftlich unhalt-bare", ausschlieliche und daher falsche Klassenkampftheorie" anzugrei-fen (Nascha Shisn" [Unser Leben] Nr. 28). Man habe das Problem derAnnherung der Intelligenz an die Massen bisher ausschlielich unterBetonung der Klassengegenstze aufgeworfen, die zwischen den Volks-massen und jenen Schichten der Gesellschaft bestehen, denen... ein gro-er Teil der Intelligenz entstamm t". Es erbrigt sich, zu sagen, da dieseDarstellung der Wirklichkeit direkt widerspricht. Gerade das Gegenteilist der Fall. Die ganze Masse der legal wirkenden, kulturreformerischenrussischen Intelligenz, alle alten russischen Sozialisten, alle Politiker vomTypus der Oswoboshdenije"-Leute ignorierten und ignorieren vllig dieTiefe der Klassengegenstze in Ruland berhaupt und im russischenDorf im besonderen. Sogar die uerste Linke der russischen radikalenIntelligenz, die Partei der Sozialrevolutionre, begeht vor allem den Feh-ler, eben dies zu ignorieren; man erinnere sich nur an ihr bliches Geredeber die Arbeitsbauern" oder darber, da uns nicht eine brgerliche,sondern eine demokratische" Revolution bevorstehe.Nein. Je nher der Zeitpunkt der Revolution heranrckt, je intensiverdie konstitutionelle Bewegung wird, um so strenger mu die Partei desProletariats ihre Klassenselbstndigkeit wahren, um so weniger darf siezulassen, da ihre Klassenforderungen in dem Schwall der allgemein-demokratischen Phrasen untergehen. Je hufiger, je entschiedener dieVertreter der sogenannten Gesellschaft mit ihren Forderungen, angeblichForderungen des ganzen Volkes, hervortreten, um so schonungsloser m udie Sozialdemokratie den Klassencharakter dieser Gesellschaft" enthl-len. Man nehme die vielerwhnte Resolution der geheimen" Semstwo-tagung vom 6. bis 8. November5. Man wird darin, in den Hintergrundgeschoben und absichtlich unklar gehalten, schchterne konstitutionelleWnsche finden. Man wird Hinweise auf das Volk und die Gesellschaftfinden, und zwar viel hufiger auf die Gesellschaft als auf das Volk. Manwird eine besonders ausfhrliche und bis ins einzelne gehende Aufzh-lung von Reformen auf dem Gebiet der Semstwo- und der stdtischenInstitutionen finden, das heit der Institutionen, die die Interessen der

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    10 W. 1 LeninGrundbesitzer und der Kapitalisten vertreten. Man wird darin eine Re-form der Lebensverhltnisse der Bauernschaft, ihre Befreiung von derBevormundung und die Gewhrleistung eines korrekten Gerichtsverfah-rens erwhnt finden. Es ist vllig klar, da wir Vertreter der besitzendenKlassen vor uns haben, die von der Selbstherrschaft nur Zugestndnissezu erlangen trachten und gar nicht daran denken, die Grundlagen derkonomischen Ordnung zu verndern. Wenn solche Leute eine grund-legende" (angeblich grundlegende) nderung der heutigen nicht voll-berechtigten und erniedrigenden Lage der Bauern" wnschen, so beweistdas erneut, wie richtig die Anschauungen der Sozialdemokratie sind, diestets betonte, da die Agrarverhltnisse und die Lebensbedingungen derBauernschaft hinter den allgemeinen Verhltnissen der brgerlichen Ord-nung zurckgeblieben sind. Die Sozialdemokratie hat immer gefordert,da das klassenbewute Proletariat in der gesamtbuerlichen Bewegungdie herrschschtigen Interessen und Ansprche der buerlichen Bourgeoi-sie streng unterscheidet, wie verschleiert und vernebelt diese Ansprcheauch sein mgen, in welche Utopien des Gleichmachens" die buerlicheIdeologie (und die Sozialrevolutionre" Phrase) sie auch kleiden mge.Man nehme die Resolution des Petersburger Banketts der Ingenieure vom4. Dezem ber. M an w ird finden, da die 590 Teilnehmer des Banketts undmit ihnen die 6000 Ingenieure, die die Resolution unterschrieben haben,sich fr eine Verfassung aussprechen, ohne die ein erfolgreicher Schutzder russischen Industrie unmglich ist", und zugleich bereits gegen die Er-teilung von Staatsauftrgen an auslndische U nternehm er protestieren.

    Kann man sich etwa immer noch darber tuschen, da es eben dieInteressen aller Schichten der grundbesitzenden, der kommerziell-indu-striellen und der buerlichen Bourgeoisie sind, die die Ursache und dieGrundlage der zutage getretenen konstitutionellen Bestrebungen bilden?Kann uns denn irrefhren, da diese Interessen von der demokratischenIntelligenz vertreten werden, die stets und berall, in allen europischenRevolutionen der Bourgeoisie, die Rolle der Publizisten, der Redner undder politischen Fhrer bernahm?Dem russischen Proletariat fllt eine beraus ernste Aufgabe zu. DieSelbstherrschaft wankt. Der schwere und aussichtslose Krieg, in den siesich strzte, hat die Grundlage ihrer Macht und Herrschaft tief unter-whlt. Sie kann sich jetzt nicht halten ohne einen Appell an die herrschen-

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    "Die Selbstherrschaft und das Proletariat 11den Klassen, ohne die Untersttzung der Intelligenz; ein solcher Appellund eine solche Untersttzung aber haben unvermeidlich konstitutionelleForderungen zur Folge. Die brgerlichen Klassen sind bemht, dieschwierige Lage der Regierung fr sich auszunutzen. Die Regierung spieltein verzweifeltes Spiel, um sich herauszuwinden, um mit geringfgigenZugestndnissen, unpolitischen Reformen und zu nichts verpflichtendenVersprechungen, die sich im neuen Zaren-Ukas in Hlle und Flle fin-den, davonzukommen. Ob ein solches Spiel, sei es auch nur zeitweilig undteilweise, Erfolg haben wird, das hngt letzten Endes vom russischenProletariat, von seiner Organisiertheit und der Strke seines revolution-ren Ansturms ab. Das Proletariat mu die ihm ungewhnlich gnstigepolitische Situation ausnutzen. Das Proletariat mu die konstitutionelleBewegung der Bourgeoisie untersttzen, mu mglichst breite Schichtender ausgebeuteten Volksmassen aufrtteln und um sich scharen, mu alleseine Krfte sammeln und im Augenblick der grten Kopflosigkeit derRegierung, im Augenblick der gr ten Erregung des Volkes den Aufstandbeginnen.

    Worin mu jetzt sofort die Untersttzung der Konstitutionalistendurch das Proletariat zum Ausdruck kommen? Vor allem darin, da dieallgemeine Erregung genutzt wird, um unter den unberhrtesten, denrckstndigsten Schichten der Arbeiterklasse und der Bauernschaft Agi-tation zu treiben und sie zu organisieren. Selbstverstndlich mu das or-ganisierte Proletariat, die Sozialdemokratie, Trupps seiner Krfte in alleKlassen der Bevlkerung schicken, doch je selbstndiger diese Klassen be-reits auftreten, je schrfer der Kampf wird und je nher der Zeitpunktder Entscheidungsschlacht heranrckt, desto mehr mu das Schwergewichtunserer Arbeit darauf verlegt werden, die Proletarier und Halbproletarierselber fr den direkten Kampf um die Freiheit vorzubereiten. Nur Op-portunisten -.knnen in einem solchen Moment das Auftreten einzelnerArbeiterredner in Versammlungen der Semstwos oder anderer ffent-licher Institutionen als besonders aktiven Kampf, als neue Kampfmethodeoder als hchsten Typus der Demonstrationen bezeichnen. Solche Mani-festationen knnen lediglich von ganz untergeordneter Bedeutung sein.Unvergleichlich wichtiger ist es jetzt, das Augenmerk des Proletariats aufdie wirklich hochentwickelten und aktiven Formen des Kampfes zu rich-ten, wie die berhmte Dem onstration in Rostow und eine Reihe von Mas-

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    12 W. 1. Leninsendemonstrationen im Sden6. Unvergleichlich wichtiger ist es jetzt,unsere Kader zu vermehren, die Krfte zu organisieren und sich auf einennoch direkteren und offeneren Massenkampf vorzubereiten.Selbstverstndlich ist hier nicht davon die Rede, die tagtgliche Klein-arbeit der Sozialdemokraten einzustellen. Auf sie werden die Sozial-demokraten niemals verzichten, gerade in ihr sehen sie die wahre Vorbe-reitung zum entscheidenden Kampf, denn sie rechnen voll und ausschlie-lich auf die Aktivitt, das Klassenbewutsein und die Organisiertheit desProletariats, auf seinen Einflu unter der Masse der Werkttigen undAusgebeuteten. Es handelt sich darum, den richtigen Weg zu weisen, dieAufmerksamkeit darauf zu lenken, da es notwendig ist, vorwrtszu-gehen, da taktische Schwankungen schdlich sind. Zur Alltagsarbeit, diedas klassenbewute Proletariat niemals un d unter keinen Um stnden ver-nachlssigen darf, gehrt auch die Organisationsarbeit. Ohne breite undvielseitige Arbeiterorganisationen/ohne ihre Verbindung mit der revolu-tionren Sozialdemokratie ist ein erfolgreicher Kampf gegen die Selbst-herrschaft unmglich. Die Organisationsarbeit aber ist unmglich ohneeinen entschiedenen W iderstand gegen jene organisationsfeindlichen Ten -denzen, deren Trger bei uns, wie berall, der charakterlose und seineLosungen wie das Hemd wechselnde intelligenzlerische Teil der Partei ist;die Organisationsarbeit ist unmglich ohne den Kampf gegen die absu rde,reaktionre und jede Zerfahrenheit bemntelnde Theorie" von der Or-ganisation als Proze.

    Die Entwicklung der politischen Krise in Ruland hngt jetzt vor allemvom Verlauf des Krieges mit Japan ab. Mehr als alles andere enthllteund enthllt dieser Krieg die Fulnis der Selbstherrschaft, mehr als allesandere schwcht er sie in finanzieller und militrischer Hinsicht, mehr alsalles andere peinigt er die leidgequlten Volksmassen, von denen dieserverbrecherische und schndliche Krieg so unendlich viele Opfer fordert,und drngt sie zum Aufstand. Das absolutistische Ruland ist vom kon-stitutionellen Japan bereits besiegt, und jede Verlngerung des Kriegeswird die Niederlage nur verstrken und verschrfen. Der beste Teil derrussischen Flotte ist bereits vernichtet, die Lage von Port A rthur ist hoff-nungslos, das ihm zu Hilfe eilende Geschwader hat nicht die geringstenAussichten auf Erfolg, ja nicht einmal darauf, an den Bestimmungsort zugelangen, das von Kuropatkin befehligte Hauptheer hat ber 200000

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    D/e Selbstherrsdhaft und das "Proletariat 13Mann verloren, ist erschpft und steht hilflos dem Feind gegenber, deres nach der Einnahme von Port Arthur unbedingt vernichtend schlagenwird. Der militrische Zusammenbruch ist unvermeidlich, und damit zu-gleich ist auch unvermeidlich, da die Unzufriedenheit, die Grung undEmprung zehnfach strker werden.Auf diesen Zeitpunkt mssen wir uns mit aller Energie vorbereiten. Istdieser Zeitpunkt gekommen, dann wird einer jener Ausbrche, die sichbald hier, bald dort immer hufiger wiederholen, zu einer gewaltigenVolksbewegung fhren. D ann wird das P roletariat an der Spitze des Auf-stands marschieren, um fr das ganze Volk die Freiheit zu erkmpfen,um der Arbeiterklasse den offenen, breiten und durch die gesamte Erfah-rung Europas bereicherten Kampf fr den Sozialismus zu ermglichen.

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    BER GUTE DEMONSTRATIONEN DER PROLETARIERUND SCHLECHTE BETRACHTUNGENEINIGER INTELLEKTUELLERDie gegenwrtige konstitutionelle Bewegung in den besitzenden Klas-sen unserer Gesellschaft unterscheidet sich schroff von den vorangegange-nen Bewegungen derselben A rt am Ende der fnfziger und siebzigerJahre. Die konstitutionellen Forderungen der Liberalen sind im wesent-lichen dieselben. Die radikalen Redner wiederholen die bekannten The-sen des Semstwoliberalismus. Ein bedeutender und sehr wichtiger neuerFaktor ist die Teilnahme des Proletariats an der Bewegung. Die russische

    Arbeiterklasse, deren Bewegung die Hauptachse der gesamten revolutio-nren Bewegung der vergangenen zehn Jahre war, ist schon lange zumoffenen Kampf bergegangen, zu Straenkundgebungen, zu groen Volks-versammlungen und, trotz der Polizei, zu direkten Kmpfen mit demFeind auf den Straen der sdrussischen Stdte.Und die brgerlich-liberale Bewegung steht diesmal gleich bei Beginnim Zeichen eines ausgeprgten, entschiedenen, unvergleichlich schrferenund khneren Auftretens des Proletariats. Wir verweisen vor allem aufdie Demonstration in Sankt Petersburg, bei der die Beteiligung der Ar-

    beiter infolge der desorganisierenden Ttigkeit der Menschewiki" leidernur schwach war, und auf die Demonstration in Moskau. Wir erwhnenferner das Auftreten von Arbeitern bei einem brgerlich-liberalen Ban-kett in Smolensk, in einer Versammlung des Bildungsvereins in Nishni-Nowgorod und in Sitzungen wissenschaftlicher, medizinischer und ande-rer Gesellschaften in verschiedenen Stdten, sodann eine groe Arbeiter-Versammlung in Saratow, eine D emonstration am 6. November in derJuristischen Gesellschaft in Charkow, am 20. Novem ber in der Stadt-

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    "ber, gute Demonstrationen der Proletarier 15duma von Jekaterinodar, am 18. November in der Odessaer Gesellschaftzum Schutz der Volksgesundheit und etwas spter, wiederum in Odessa,im Kreisgericht, wobei die beiden Demonstrationen in Odessa und dieCharkower Demonstration von Straenkundgebungen der Arbeiter, vonUmzgen durch die Stadt mit Fahnen und dem Gesang revolutionrerLieder usw. begleitet waren.Diese vier letzten Demonstrationen werden unter anderem in Nr. 79der Iskra"7 in der Rubrik Proletarische Demonstrationen" geschildert,und auf diese Schilderung mchte ich die Aufmerksamkeit des Lesers len-ken. Zuerst werde ich nach dem Bericht der Iskra" die Tatsachen wieder-geben und dann die Betrachtungen der Iskra".In Charkow organisiert das Komitee die Teilnahme von Arbeitern ander Versammlung der Juristischen Gesellschaft; in der Versammlung sindber 200 Arbeiter anw esend; teils genierten sich die Arbeiter, in eine vor-nehme Versammlung zu gehen, teils wurde der Pbel nicht eingelassen".Der liberale Vorsitzende ergreift nach der ersten revolutionren Rede dieFlucht. Es folgt die Rede eines Sozialdemokraten, Flugbltter flatterndurch den Raum, die Marseillaise wird gesungen, man geht auf die Strae,wo etwa 500 Arbeiter zusammengestrmt sind, man marschiert mit einerroten Fahne und singt Arbeiterlieder. Ganz zum Schlu wird ein Teilverprgelt und verhaftet.Jekaterinodar. Ein zahlreiches Publikum hat sich (durch das Gerchtberbevorstehende liberale Reden angelockt) im Saal der Stadtduma ver-sammelt. Das Telefon war unbrauchbar gemacht worden. Ein Redner desKomitees dringt mit 30 bis 40 Arbeitern in den Saal ein und hlt einekurze, durchaus revolutionre sozialdemokratische Ansprache. Beifall.Flugbltter. Die Stadtverordneten sind starr. Vergeblicher Protest desBrgermeisters. Zum Schlu verlassen die Dem onstranten ruhig den Saal.In der Nacht Massenhaussuchungen.Odessa. Die erste Demonstration. In der Versammlung sind ungefhr2000 Menschen, darunter eine Masse Arbeiter. Eine Reihe revolutionrerReden (von Sozialdemokraten und Sozialrevolutionren), donnernderBeifall, revolutionre Rufe, Flugbltter. Umzug durch die Straen mitrevolutionren Liedern. Man geht auseinander, ohne da es zu Zusam-mensten kommt.Odessa. Die zweite Demonstration. Eine Versammlung von mehreren

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    16 TV. 1 LeninTausend. Eine ebenso groartige revolutionre Volksversammlung mitStraenumzug wie die vorige. Blutiger Zusamm ensto. Viele w urden ver-wundet, einige schwer. Eine Arbeiterin stirbt. 60 Verhaftungen.So sieht die faktische Seite der Sache aus. So demonstrieren die russi-schen Proletarier.Jetzt zu den Betrachtungen gewisser sozialdemokratischer Intellektuel-ler. Diese Betrachtungen beziehen sich auf die Demonstration in Jekateri-nodar, ber die ein ganzer Artikel geschrieben wird. Man hre: In die-ser Demonstration begegneten sich das russische organisierte Proletariatund unsere liberal eingestellte Bourgeoisie zum erstenmal von Angesichtzu Angesicht!"... Diese Demonstration sei ein weiterer Schritt in derEntwicklung der Formen des politischen Kampfes", sie sei immerhin einewirklich neue Art des politischen Kampfes, die ganz off ensichtliche, frucht-bare Resultate zeitigt", bei solchen Demonstrationen fhlen" die Arbei-ter, da sie als bestimmte politische Faktoren auftreten", sie bekommendas Gefhl ihrer Rechtsfhigkeit als politische Kmpfer der Partei". Esverbreite sich in weitesten Kreisen der Gesellschaft die Geltung derPartei als etwas ganz Bestimmtes, Geformtes, und vor allem als etwas, dasdas Recht hat, zu fordern". Man gewhne sich daran, die ganze Partei alseine aktive, kmpfende, ihre Forderungen klar und bestimmt erhebendepolitische Kraft" anzusehen. Man msse sich der neuen Kampfmethodein grerem Mae bedienen in den Dumas, in den Semstwos und aufallen mglichen ffentlichen Tagungen". Im Einklang mit dem Verfasserdieser Betrachtungen spricht die Redaktion der Iskra" von der Ideeeines neuen Demonstrationstypus" und erklrt, es sei besonders in Jeka-terinodar unseren Genossen gelungen, der ,Gesellschaft' zu zeigen, dasie als selbstndige Partei handeln, als Partei, die sich fhig fhlt, Ein-flu auf den Gang der Ereignisse auszuben, und dies auch zu tun ver-sucht".Soso. Besonders in Jekaterinodar"... Ein neuer Schritt, eine neueMethode, eine neue Art, zum erstenmal von A ngesicht zu Angesicht, ganzoffensichtliche, fruchtbare Resultate, bestimmte politische Faktoren, dasGefhl der politischen Rechtsfhigkeit, das Recht, zu fordern... EtwasAltes, lngst Vergangenes, fast Vergessenes wehte mir aus diesen ber-schwenglichen, tiefsinnigen Betrachtungen entgegen. Aber ehe ich mirRechenschaft gab, woher ich dieses Alte schon kenne, fragte ich unwill-

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    Tiber gute Demonstrationen der Proletarier 17krlich: M it Verlaub, meine Herren, aber warum besonders in Jekateri-nodar", warum soll dies eigentlich eine neue Methode sein? warum prot-zen (man verzeihe mir den vulgren Ausdruck) denn nicht die Charko-wer oder die Odessaer mit der Neuheit der Methode, mit den offensicht-lichen, fruchtbaren Resultaten, mit der ersten Begegnung von Angesichtzu Angesicht und mit dem Gefhl ihrer politischen Rechtsfhigkeit?Weshalb sollen die Resultate einer Versammlung von ein paar DutzendArbeitern mit Hunderten von Liberalen zwischen den vier Wnden einesDumasaales offensichtlicher und fruchtbarer sein als die einer Versamm-lung von Tausenden Arbeitern nicht nur in den Gesellschaften der rz teoder Juristen, sondern auch auf der Strae? Wird denn wirklich durchdie Straenversammlungen (in Odessa und vorher in Rostow am Don undanderen Stdten) das Gefhl der politischen Rechtsfhigkeit und dasRecht, zu fordern, weniger entwickelt als durch die Versammlungen inden Dumas?... Ich mu allerdings gestehen, da es mir ziemlich peinlichist, diese Wortverbindung (das Recht, zu fordern) niederzuschreiben, soherzlich dumm ist sie, aber so steht es nun einmal da .

    In einem Fall bekommt brigens diese Wortverbindung einen gewissenSinn, und nicht nur sie allein, sondern auch die ganzen Betrachtungen derIskra". In dem Fall nmlich, wenn wir die Existenz eines parlamenta-rischen Regimes voraussetzen, wenn wir uns fr einen Augenblick vor-stellen, die Duma von Jekaterinodar sei an die Ufer der Themse, nebendie Westminsterabtei8, versetzt. Dann diese Kleinigkeit vorausgesetzt wird es klar, weshalb man zwischen den vier Wnden einer Abgeordne-tenversammlung mehr Recht, zu fordern" nahen kann als auf der Strae,weshalb der Kampf mit dem Premierminister, will sagen mit dem Brger-meister von Jekaterinodar, fruchtbarer ist als der mit der Polizei, weshalbdas Gefhl der politischen Rechtsfhigkeit und die Erkenntnis seiner selbstals bestimmte politische Faktoren gerade im Sitzungssaal der Deputier-tenkammer oder im Saal der Semstwoversammlung erstarken. In der T at,warum soll man nicht, in Ermangelung eines wirklichen Parlaments, einbichen Parlamentarismus spielen? Dabei kann man sich die Begegnungvon Angesicht zu Angesicht" und die neue Methode" und alles andereso bildhaft vorstellen! Freilich wird diese Vorstellung unsere Aufmerk-samkeit unvermeidlich von den Fragen des echten Massenkampfes frden Parlamentarismus ablenken, der .statt des Parlamentarismusspielens

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    18 W. J. Leninnotwendig ist, aber das sind Kleinigkeiten. Dafr haben wir ja so offen-sichtliche, so greifbare Resultate...Greifbare Resultate... Dieser Ausdruck erinnerte mich sofort an Ge-nossen Martynow und das Rabotscheje Delo" 9 . Ohne auf diese Zeit-schrift zurckzukommen, ist es unmglich, die neue Iskra" richtig ein-zuschtzen. Die Betrachtungen, die aus Anla der Dem onstration in Jeka-terinodar ber die neue Kampfmethode" angestellt werden, sind einegenaue Wiederholung der Betrachtungen, die die Redaktion in ihremBrief an die Parteiorganisationen" anstellt (brigens: ist es vernnftig,das Original unter Verschlu, geheimzuhalten und nur die Kopie zurallgemeinen Kenntnis zu bringen?). Die Betrachtungen der Redaktionwiederholen, aus anderem Anla, den blichen Gedankengang des Ra-botscheje Delo".

    Worin bestand das Falsche und Schdliche der Theorie" des Rabo-tscheje Delo", man msse dem eigentlichen konomischen Kampf politi-schen Charakter verleihen, der Theorie" vom konomischen Kampf derArbeiter gegen die Unternehmer und gegen die Regierung, von der Not-wendigkeit, an die Regierung konkrete Forderungen zu stellen, die ge-wisse greifbare Resultate verheien? Sind wir etwa nicht verpflichtet, demkonomischen Kampf einen politischen Charakter zu verleihen? U nbedingtsind wir dazu verpflichtet. Als aber das Rabotscheje Delo" die politischenAufgaben der revolutionren Partei des Proletariats aus dem konomi-schen" (gewerkschaftlichen) Kampf ableitete, engte es in unverzeihlicherWeise die sozialdemokratische Auffassung ein und verflachte sie, de-gradierte es die Aufgaben des allseitigen politischen Kampfes des Prole-tariats.

    Worin besteht das Falsche und Schdliche der Theorie der neuenIskra" von der neuen Methode, von dem hheren Typus der Mobilisie-rung der proletarischen Krfte, von dem neuen Weg zur Entwicklungdes Gefhls der politischen Rechtsfhigkeit der Arbeiter, ihres Rechts, zufordern" usw. usf.? Sollen wir etwa nicht Arbeiterdemonstrationen so-wohl in den Semstwoversammlungen als auch aus Anla der Semstwo-versammlungen organisieren? Unbedingt mssen wir das tun. Aber wirsollen nicht aus Anla guter proletarischer Demonstrationen intelligenz-lerische Dummheiten reden. Wir wrden nur das Bewutsein des Prole-tariats demoralisieren, wir v/rden lediglich seine Aufmerksamkeit von

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    Tiber gute "Demonstrationen der Proletarier 19den schnell nherrckenden Aufgaben des wirklichen, ernsten, offenenKampfes ablenken, wenn wir gerade jene Zge unserer blichen Demon-strationen als eine neue Methode preisen wrden, die am allerwenigstenmit aktivem Kampf zu tun haben, von denen man nur zum Hohn be-haupten kann, da sie besonders fruchtbare Resultate zeitigen, da siedas Gefhl der politischen Rechtsfhigkeit besonders strken usw.Sowohl unser alter Bekannter, Gen. Martynow , als auch die neueIskra" kranken an dem gleichen intelligenzlerischen Gebrechen: sie glau-ben nicht an die Krfte des Proletariats, an seine Fhigkeit zur Organi-sation im allgemeinen und zur Schaffung einer Parteiorganisation im be-sonderen, an seine Fhigkeit zum politischen Kampf. Dem RabotschejeDelo" schien es, das Proletariat sei zu einem ber die Grenzen des ko-nomischen Kampfes gegen die Unternehmer und gegen die Regierung hin-ausgehenden politischen Kampf noch nicht fhig oder werde dazu nochlange nicht fhig sein. Der neuen Iskra" scheint es, da das Proletariatzum selbstndigen revolutionren Auftreten noch nicht fhig sei oder nochlange nicht fhig sein werde, und deshalb nennt sie das Auftreten vonein paar Dutzend Arbeitern vor den Semstwoleuten eine neue Kampf-methode. Sowohl das alte Rabotscheje Delo" als auch die neue Iskra"schwren nur deshalb immer wieder auf die Worte Selbstttigkeit undSelbsterziehung des Proletariats, weil sich hinter diesen Schwren dieintelligenzlerische Verkennung der wirklichen Krfte und aktuellen Auf-gaben des Proletariats verbirgt. Sowohl das alte Rabotscheje Delo" alsauch die neue Iskra" reden vllig ungereimtes tiefgrndiges Zeug berdie besondere Bedeutung greifbarer, offensichtlicher Resultate und einerkonkreten Gegenberstellung von Bourgeoisie und Proletariat, wodurchsie die Aufmerksamkeit des Proletariats auf das Parlamentarismusspielenhinlenken und von der immer nherrckenden Aufgabe des direkten An-sturms gegen die Selbstherrschaft an der Spitze eines Volksaufstands ab-lenken. Indem sowohl das alte Rabotscheje Delo" als auch die neueIskra" eine Revision der alten organisatorischen und taktischen Grund-stze der revolutionren Sozialdemokratie vornehmen und geschftignach neuen Schlagwrtern und neuen Methoden" suchen, zerren sie inWirklichkeit die Partei zurck, stellen sie berholte, ja geradezu reaktio-nre Losungen auf.

    Wir haben genug von dieser neuen Revision, die zum alten Plunder

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    20 TV. 3. Leninzurckfhrt! Es ist Zeit, vorwrtszugehen und aufzuhren, die Des-organisation mit der sattsam bekannten Theorie von der Organisation alsProze zu bemnteln, es ist Zeit, auch bei den Arbeiterdemonstrationenjene Zge hervorzuheben und in den Vordergrund zu rcken, die sie demwirklichen offenen Kmpf um die Freiheit immer nherbringen!Wperjod" Nr. 1, 4. Januar 1905 Jiado dem 7ext des Wperjod".(22. Dezember 1904).

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    ES IST ZEIT, SCHLUSS ZU MACHENDie Meinungen aller Augenzeugen s t immen darin berein, da dieDem onstration vom 2 8. Nove mb er m ilungen ist , weil die Arbeiter ihrfast gnzlich ferngeblieben sind. Aber warum sind denn die Arbeiternicht zur Demonstration erschienen? Warum sorgte das PetersburgerKomitee, auf dessen Ruf die studierende Jugend zur Demonstration kam,nicht fr die Teilnahme der Arbeiter und brachte so das von ihm selbsteingeleitete Unternehmen zum Scheitern? Die Antwort auf diese Fragengibt folgender Brief eines Arb eiters, eines Mitglieds des Ko mitee s, dessen

    wichtigste Stellen wir hier verffentlichen:Die Stimmung war (Anfang November) gehoben und drngte danach, sichnach auen kundzutun. Das Mittel hierzu sollte eine Demonstration sein. Undwirklich tauchte in dieser Zeit ein Flugblatt auf, das im Nam en der .Sozialdemo-kratischen Stude ntenorganisation' z u einer Dem onstration am 14. Novem beraufrief. Als das Komitee davon erfuhr, wandte es sich an diese Organisationmit dem Vorschlag, die Demonstration auf Ende November zu verschieben, umdie Mglichkeit zu haben, gemeinsam mit dem Petersburger Proletariat aufzu-treten. Die Studenten willigten ein... Die klassenbewuten Arbeiter branntendarauf, zu demonstrieren. Viele Arbeiter w aren am 14. Novem ber auf demNewski-Prospekt, weil sie annahmen, die Stedentendemonstration wrde statt-finden . Als man ihnen sagte , da sie ohne einen Aufruf des Komitees nicht h t-ten kommen drfen, gaben sie das zwar zu, antworteten aber, sie htten ,ge-glaubt, irgend etwas werde da doch los sein'. Jedenfalls charakterisiert dieseTatsache die Stimmung der klassenbewuten Arbeiter.Am 18. November wurde in der Sitzung des Komitees beschlossen, die De -monstration am 28. zu veranstalten. Sofort wurde eine Kommission gewhlt, diesich mit der Organisierung der Demonstration und der Ausarbeitung eines

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    22 IV . 3. CentnAktionsplans befassen sollte: es wurde beschlossen, zwei vorbereitende Agita-tionsflugbltter und einen Aufruf zur Demonstration herauszugeben. Es be-gann eine emsige Arbeit. Der Schreiber dieser Zeilen hatte Gelegenheit, per-snlich eine Reihe Versammlungen von Arbeitern, Vertretern der Zirkel, abzu-halten, in denen ber die Rolle der Arbeiterklasse, ber Zweck und Bedeutungder Demonstration im gegenwrtigen Augenblick gesprochen wurde. Man dis-kutie rte be r die Frage, ob bewaffnete oder unbewaffnete Dem onstration, undin allen Versammlungen wurden Resolutionen angenommen, die dem Beschludes Komitees zustimmten. Die Arbeiter forderten mglichst viele Flugbltterzur Verteilung : ,Ihr knnt uns ga nze Fuhren davon geben', sagten sie.Fr den 28. wurde also eine Demonstration vorbereitet, die groartig zuwerden versprach. Aber unsere Petersburger ,Minde rheit' m ute auch hier wie-der genauso wie die gesamtrussische' und die auslndische .Minderheit' einerein negative Rolle spielen, die Rolle des Desorganisators. Um diese Rolle rechtdeutlich zu veranschaulichen, erlaube ich mir, einige Worte ber die hiesige.Minderheit' und ihre Ttigkeit zu sagen. Vor und auch nach der Demonstra-tion bestand das Komitee vorwiegend aus Anhngern der Mehrheit des II. Par^teitags. Verhaftungen und die Meinungsverschiedenheiten, die die Partei zer^fleischen, haben die Ttigkeit der hiesigen sozialdemokratischen Organisatio-nen in vieler Hinsicht geschwcht. In ihrem Kampf gegen die .Mehrheit' ist diehiesige .Minderheit' bestrebt, das Lokalkomitee zwecks Frderung ihrer Frak^tionsinteressen zu diskreditieren. Die Vertreter der Bezirke, die Anhnger der.Minderheit' sind, lassen in ihre Bezirke keine Genossen von der ,Mehrheit'hinein und geben dem Komitee keine Verbindungsadressen. Die Folge ist eineschreckliche Desorganisation und Schwchung der Arbeitsfhigkeit des betref-fenden Bezirks. Da ist zum Beispiel folgender Fall. Whrend der letzten56 M ona te w ar der Vertreter eines gewissen Bezirks ein .M enschewik'. D ieIsolierung von der allgemeinen Arbeit ha t diesen Bezirk schrecklich geschwcht.An statt der frheren 1520 Zirkel zh lt er jetzt kaum 45. Die Arbeiter sindmit dieser Lage der Dinge unzufrieden, und ihr Vertreter bemht sich, dieseUnzufriedenheit gegen die .Mehrheit' auszunutzen, indem er auf Grund dieserLage die Arbeiter gegen das Komitee aufbringt. Die .Minderheit' ist bemht,jede Schwche der hiesigen Sozialdemokratie gegen die .Me hrheit' auszunutzen .Ob diese Bemhungen erfolgreich sind oder nicht, ist eine andere Frage, aberdie Tatsache bleibt bestehen.Drei Tage vor der Demonstration wird auf Initiative der ,Minderheit' eineSitzung des Komitees einberufen. Aus verschiedenen Grnden knnen drei Ko-miteemitglieder der .Mehrheit' von der Sitzung nicht benachrichtigt werden undsind nicht anwesend. Die ,Minderheit' stellt den Antrag, die Demonstration

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    s ist Zeit, Sdblu zu machen 23abzusagen andernfalls droht sie, der Demonstration entgegenzuwirken undkein einziges Flugblatt zu verbreiten -, und da drei Genossen fehlen, die sichfr die Demonstration eingesetzt htten, geht dieser Antrag durch. Es wird be-schlossen, die Flugbl tter nicht zu verbreiten und die Aufrufe zu vernichten.Die breite Masse sowohl der Gesellschaft als auch der Arbeiter rstet zurDemonstration und wartet nur noch auf den Aufruf des Komitees. Gerchtetauchen auf, da die Demonstration abgesagt und auf unbestimmte Zeit ver-schoben sei. Viele uern ihre Unzufriedenheit ber diese Absage,- die Genos-sen vom technischen Apparat protestieren und lehnen es ab, weiterhin fr dasKomitee zu arbeiten.Am Freitag wird eine Sitzung des Komitees einberufen, und die drei Mitglie-der, die in der vorigen Sitzung gefehlt haben, protestieren gegen die unrecht-mige nderung des Beschlusses ber d ie Demonstration,- im Hinblick darauf,da sich sowieso, auch ohne Flugbl tter, eine M enge M enschen auf dem Newsk i-Prospekt einfinden werde, dringen sie darauf, da alle Manahmen getroffenwerden, damit auch die Arbeiter an der Demonstration teilnehmen. Der Ver-treter der .Minderheit' widersetzt sich mit der Begrndung, da ,niot alle Ar-beiter reif gen ug sind, um bewut an der D emonstration teilzunehmen und dievom Komitee aufgestellten Forderungen zu vertreten'. Ober die Frage wird ab-gestimmt, und mit Stimmenmehrheit, gegen eine Stimme, wird die Teilnahme a nder Demonstration beschlossen. Aber da stellt sich he rau s, da ein groer Teil -mehr als 12000 der fertiggestellten Aufrufe verbrannt worden ist. Auerdemist eine weite Verbreitung dieser Aufrufe in den Fabriken unmglich gewor-den, weil die Flugbltter nirgends rechtzeitig bis Sonnabend morgen zuge-istellt werden knnen u nd die Fabriken sonnabends zwischen 2 und. 3 U hr Feier-abend m achen. Die Verbreitung der Flugb ltter wre dahe r nur in einem engenKreis von Arbeitern, unter Bekannten, keinesfalls aber un ter der breiten M assemglich gewesen. Unter solchen Umstnden war die Demonstration von vorn-herein zum Mierfolg verurteilt. Und sie ist auch gescheitert...

    Jetz t kann unsere .M inderheit' triumphieren. Sie hat gesiegt! Eine neue Ta t-sache, die das Komitee (lies: ,dfe Mehrheit') in Mikredit bringt. Wir wollenjedoch hoffen, da sich der Leser zu den Ursachen, die diesen Ausgang der De-monstration hervorgerufen haben, etwas ernster verhalten und zusammen mituns sagen wird: Ja, jetzt sind bei uns in der Partei Zustnde eingerissen, beidenen eine erfolgreiche Arbeit unmglich ist. Man mu so schnell wie mglichmit dor Parteikrise Schlu machen, man mu fest die Reihen schlieen. Andern-falls droht uns vllige Schwchung, und wir werden, ohne den gegenwrtigengnstigen Zeitpun kt gen tzt zu h aben, bei den groen Ereignissen ins Hinter-;treffen geraten.'"

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    24 "W. 1 LeninDer desorganisatorische Streich der Petersburger Minderheit", die

    aus kleinlichen Zirkelinteressen eine proletarische Demonstration zumScheitern brachte, ist der letzte Tropfen, der das Ma der Geduld derPartei zum berlaufen bringen mu. Da unsere Partei ernsthaft krankist und im letzten Jahr gut die Hlfte ihres Einflusses eingebt hat, weialle Welt. Und wir wenden uns jetzt an diejenigen, die es nicht bersich bringen, angesichts dieser ernsten Krankheit zu spotten oder schaden-froh zu grinsen, die angesichts der verwnschten Fragen der Parteikrisenicht seufzen und sthnen, nicht jammern und greinen, sondern esfr ihre Pflicht halten, sich ber die Ursachen der Krise vollkommenklarzuwerden sei es auch um den Preis ungeheurer Anstrengungen,aber sich klarzuwerden und das bel mit der Wurzel auszurotten.Diesen Leuten, und nur ihnen, wollen wir die Geschichte der Krise insGedchtnis ru fen : ohne das Studium dieser Geschichte ist auch die jetzigeSpaltung, die die Menschewiki" nun doch erreicht haben, nicht zu be-greifen.

    Erstes Stadium der Krise. Auf dem II. Parteitag unserer Partei siegentrotz des Widerstands der ganzen und halben Rabotscheje-Delo"-Leutedie Prinzipien der Iskra"-Richtung. Nach dem Parteitag beginnt dieMinderheit in der Partei zu whlen, um in die RedaktionPersonen hinein-zubringen, die der Parteitag abgelehnt hatte. Drei Monate lang, von EndeAugust bis Ende November, werden Desorganisation, Boykott, die Vor-bereitung der Spaltung betrieben.Zweites Stadium. Plechanow gibt den nach Kooptierung lechzendenGentlemen nach, wobei er in dem Artikel Was man nicht tun darf"(N r. 52) schwarz auf wei und in aller ffentlichkeit erklrt, da er denRevisionisten und anarchistischen Individualisten ein persnliches Zuge-stndnis mache, um greres bel zu verhten. Die Gentlemen machenvon dem Zugestndnis Gebrauch, um ihre Spalterttigkeit in der Parteifortzusetzen. Nachdem sie in die Redaktion des Zentralorgans und in denRat der Partei hineingekommen sind, bilden sie eine geheime Organisa-tion zu dem Zweck, ihre Leute in das Zentralkomitee zu bringen und denIII. Parteitag zu vereiteln. Das ist eine unerhrte und unglaubliche;Tat-sache, aber sie ist dokumentarisch bewiesen durch den Brief des neuen ZKber die Abmachungen mit dieser edlen Kumpanei.Drittes Stadium. Drei Mitglieder des ZK gehen auf die Seite der

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    sistZeit,Sdbluzumadien 25Verschwrer gegen die Partei ber, kooptieren drei Prtendenten von derMinderheit (wobei sie den Komitees schriftlich das Gegenteil versichern)und vereiteln mit Hilfe des Rats der Partei endgltig den III. Parteitag,fr den sich die berwiegende Mehrheit aller Komitees, die berhauptzur Krise Stellung nahmen, ausgesprochen hat. In den Broschren Orlow-skis10 (Der Rat gegen die Partei") und Lenins (Erklrung und Doku-mente ber den Bruch der zentralen Krperschaften mit der Partei"*)sind diese Tatsachen gleichfalls dokumentarisch bewiesen. Die Mehrheitder Parteifunktionre in Ruland kennt diese Tatsachen nicht, aber siezu kennen ist jeder verpflichtet, fr den die Parteimitgliedschaft nicht nurein Lippenbekenntnis ist.Viertes Stadium. Die Parteiarbeiter in Ruland schlieen sich zusam-men, um dem Zirkel im Ausland, der unsere Partei in Schande gebrachthat, entgegenzutreten. Die Anhnger und die Komitees der Mehrheitorganisieren eine Reibe inoffizieller Konferenzen und whlen ihre Bevoll-mchtigten. Das vollkommen in den Hnden der kooptierten Prtenden-ten befindliche neue ZK macht es sidb zur Aufgabe, alle Cokalkomiteesder Mehrheit zu desorganisieren und zu spalten. Die Genossen mgensich in dieser Beziehung keine Illusionen machen.- ein anderes Ziel hatdas ZK nicht. Die Kreaturen der Auslandsclique sind dabei, berall undallerorts (Odessa, Baku, Jekaterinoslaw, Moskau, Woronesh usw.) neueKomitees vorzubereiten und zusammenzustellen. Der Auslandszirkel be-reitet seinen, einen zusammengeschobenen Parteitag vor. Nachdem dieGeheimorganisation die Zentralstellen erledigt hat, wendet sie sich gegendie Lokalkomitees.

    Der Desorganisatorenstreich der Petersburger Menschewiki ist keineZuflligkeit, sondern ein wohlberlegter Schritt zur Spaltung des Komi-tees, ein Schritt, der mit Hilfe der in das ZK kooptierten Menschewiki"gemacht wurde. Wir wiederholen nochmals: Die Mehrheit der Partei-arbeiter in Ruland kennt diese Tatsachen nicht. Auf das nachdrcklichstewarnen wir sie und sagen ihnen: Alle diese Tatsachen mu jeder kennen,der gegen die Desorganisation und fr die Partei kmpfen will, der sichnicht ganz und gar bertlpeln lassen mchte.Wir haben alle mglichen und eine Reihe geradezu unmglicher Zu-gestndnisse gemacht, um mit der Minderheit" in einer Partei w eiterza-* Siehe Werke, Bd. 7, S. 537-547. Die Red.

    3 Lenin, W erke, Bd. 8

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    26arbeiten. Jetzt, da der III. Parteitag vereitelt ist und die Lokalkomiteesdesorganisiert werden, ist jede Hoffnung darauf zunichte gemacht. ZumUnterschied von den Menschewiki", die insgeheim, hinter dem Rckender Partei, handeln, mssen wir offen erklren und durch die Tat be-weisen, da die Partei mit diesen Herrschaften alle und jegliche Beziehun-gen abbricht..Wperjod" 5Vr. l, 4. "Januar 1905 "Naj dem T ext des Wperjod".C22. Dezember 1904).

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    K O N F E R E N Z E N D E R K O M I T E E S 1 1

    Unlngst fanden drei Konferenzen von Lokalkomitees unserer Parteistatt: 1. die Konferenz der vier kaukasischen Komitees^ 2. die Konferenzdreier Komitees des Sdens (Odessa, Jekaterinoslaw und Nikolajew) und3. die Konferenz von sechs Komitees des Nordens (Petersburg, Moskau,Tw er, Riga, des Nordkomitees und des Komitees Nishni-Now gorod). W irhoffen, ber diese Konferenzen bald ausfhrlich berichten zu knnen.12Heute wollen wir uns auf die Mitteilung beschrnken/da sich alle dreiKonferenzen kategorisch fr die unverzgliche Einberufung des III. Par-teitags und fr die Untersttzung der Publizistengruppe der Mehrheit"ausgesprochen haben.Wperjod" Tir. l, 4. Januar i905 71adb dem Jext des .rWper\od".(22. Dezember 1904).

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    E I N E N E U E R U S S I S C H E A N L E I H E

    Unter dieser berschrift bringt das Blatt der groen deutschen Brsen-knige (Frankfurter Zeitung") folgende aufschlureiche Mitteilung:Seit mehreren Wochen schon sind immer wieder von neuem Angabenaufgetaucht, die von dem Abschlu einer neuen groen russischen Staats-anleihe wissen wollten; alle diese Angaben wurden stets prompt demen-tiert, bis jetzt offiziell zugestanden w ird, da in den letzten Tagen" (ge-schrieben am 29. Dezember n. St.) in Petersburg Anleihe-Verhandlungenstattgefunden haben. Man wird wohl nicht fehlgehen mit der Annahme,da diesen offiziellen Verhandlungen bereits vor einiger Zeit vorlufigeAnknpfungen vorangegangen sind, aus denen damals die obigen Ge-rchte entstanden. Soviel darf man als sicher betrachten, da an denVerhandlungen diesmal deutsche Finanziers beteiligt sind und die Ab-sicht besteht, die Anleihe auf den deutschen M arkt zu bringen. Bisher hatRuland seit Beginn des Krieges sich auf drei verschiedene Arten Geldverschafft: zunchst rund Rbl. 300 Millionen durch Inanspruchnahme desfreien Bestandes der Reichsrentei, erhht durch die Krzung bereits ge-nehmigter Ausgaben. Sodann folgte die Begebung von Frs. 800 Mill."(etwa 300 Millionen Rubel) an ein franzsisches Konsortium. Im Augustappellierte Ruland sodann an den heimischen Markt, indem Rbl. 150 Mill.Renteibilletts zur Ausgabe gebracht wurden. Der Krieg verschlingt vonMonat zu Monat wachsende Summen, und Ruland mu fr weitere Geld-beschaffung Vorsorge treffen. Das soll nun wieder durch eine grereAuslands-Anleihe geschehen. Die russischen Staatsfonds zeigen gerade inder letzten Zeit eine bedenkliche Neigung zur Schwche. Wie sich dasdeutsche Publikum gegenber einer neuen russischen Geldbeschaffung ver-

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    Eine neue russische Anleihe 29halten w ird, darber liegt kein Anhalt vor. Das Kriegsglck ist bisher denJapanern treu gewesen. Whrend man sich bereits daran gewhnt hatte,russische Staatsfonds als reines Anlagepapier zu betrachten, erhalten siejetzt wieder einen mehr oder weniger spekulativen Beigeschmack, der nochverstrkt wird durch den Umstand, da das krzliche Manifest des Zarenauch auf die inneren Zustnde in Ruland bezeichnende Schlaglichterwirft. Alles wird darauf ankommen, unter welchen Bedingungen der Ab-schlu der neuen Anleihe erfolgt, und ob sie dem deutschen Publikumderart angeboten werden kann, da in Verzinsung und Kurs ein aus-reichendes quivalent fr die verringerte Qualitt der russischen Anleihegesehen werden kann."Eine neue Warnung der europischen Bourgeoisie an den russischenAbsolutismus! Sein Kredit sinkt infolge der militrischen Niederlagen undder wachsenden Unzufriedenheit im Lande. Die europischen Bankiersbeginnen schon, Geschfte mit der Selbstherrschaft als unsolide Speku-lation zu betrachten, und was die Qualitt" der russischen Anleihen, dasheit ihre Sicherheit, betrifft, so wird offen festgestellt, da sie sich ver-ringert.Und welche Unsummen von Geld wird dem Volk dieser verbrecherischeKrieg noch kosten, der zweifellos nicht weniger als drei M illionen Rubeltglich verschlingt!Qesdhrieben nach dem 16. (29.) D ezember 1904.Zuerst verffentlicht 1931 Nach dem Manuskript.im Lenin-Samm elband XVI.

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    A N A . A . B O G D A N O W10. Januar 1905Lieber Freund! Endlich haben wir mit der Herausgabe des Wperjod"begonnen, und ich mchte mich mit Ihnen etwas ausfhrlicher ber ihnunterhalten. bermorgen erscheint Nr. 2. Wir wollen ihn wchentlichherausbringen. Die publizistischen Krfte reichen aus. Die Stimmung istausgezeichnet und die Schaffenskraft bei allen gro (ausgenommen viel-leicht Wassili W assiljewitsch is, der ein bichen Trbsal blst). Wir sindberzeugt, da die Sache klappen wird, wenn wir nur nicht bankrott

    gehen. Pro Nummer sind 400 frs (150 Rubel) notwendig, aber wir habennur 1200 frs. In den ersten Monaten brauchen wir verteufelt viel Hilfe,denn wenn die Herausgabe nicht regelmig erfolgt, dann wird das frdie ganze Position der Mehrheit ein schwerer, kaum wiedergutzumachen-der Schlag sein. Vergessen Sie das nicht und treiben Sie (besondersbei Qorki) wenigstens etwas auf.W eiter. Besonders dringlich ist es jetzt, Rachmetow 14 zu schreiben, daer sich mit aller Kraft auf die Organisierung der publizistischen Mit-arbeit in Ruland werfen mu. Der Erfolg der Wochenzeitung hngt in

    der Hauptsache von der tatkrftigen Mitarbeit russischer Publizisten undSozialdemokraten ab. Schreiben Sie Rachmetow, da er dafr sowohlJinnund TLollontai (dringend bentigt werden Artikel ber Finn-land) als audh T Lum janzew und Andrej Sokolow mobilisiert,vor allem und besonders den letzteren. Aus langer Erfahrung wei ich,da die Russen in solchen Dingen verteufelt, unverzeihlich, unglaublichschwerfllig sind. Deshalb mu man 1. durch das eigene Beispiel wirken;2. ohne sich auf Versprechungen zu verlassen, unbedingt fertige Sachen

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    An A. A. Bogdanow 31beschaffen. Soll Rachmetow die Artikel und Korrespondenzen unbedingtselbst in Auftrag geben, selbst in Empfang nehmen, selbst abschickenund nicht lockerlassen, bis er sie hat. (Ich nenne noch Suworow undLunz, auch Rachmetow wird natrlich noch viele kennen.) Wir brau-chen verteufelt dringend 1. Artikel ber Fragen des russischen Lebens,6000 bis 18 000 Buchstaben; 2. N otizen ber die gleichen Them en,2000 bis 6000 Buchstaben; 3. Korrespondenzen ber alles und von ver-schiedenstem Um fang; 4. Auszge interessanter Stellen und Zitate ausrussischen Lokal- und russischen Fachpublikationen; 5. Notizen ber Ar-tikel in russischen Zeitungen und Zeitschriften. Die letzten drei Punkteliegen durchaus im Bereich dessen, was die Arbeiter- und insbesondere dieStudentenjugend leisten kann, und deshalb mu man dieser Sache Be-achtung schenken, mu diese Arbeit propagieren, mu die Leute in Be-wegung bringen und aufrtteln; man mu ihnen an konkreten Beispielenzeigen, was gebraucht wird und wie man lernen mu, jede Kleinigkeitauszunutzen, man mu ihnen klarmachen, da das Ausland verteufeltdringend Rohmaterial aus Ruland braucht (literarisch bearbeiten undpublizistisch ausnutzen werden wir es schon selbst!), da es erzdummwre, sich literarischer Mngel wegen zu genieren, da man sich darangewhnen mu, mit der Zeitschrift im Ausland ohne alle Scheu zu spre-chen und ungezwungen zu korrespondieren, wenn man will, da es dieeigene Zeitschrift sein soll. Ich wrde es in dieser Hinsicht fr direkt not-wendig, fr unbedingt notwendig halten, da jedem Studentenzirkel,jeder Arbeitergruppe eine Adresse des Wperjod" gegeben wird (eineAuslandsadresse, wir haben jetzt viele, und werden noch mehr haben).Glauben Sie mir, bei unseren Komiteeleuten besteht ein idiotisches Vor-urteil dagegen, da der Jugend an der Peripherie grozgig Adressenmitgeteilt werden. Kmpfen Sie mit allen Krften gegen dieses Vorurteil,geben Sie Adressen aus und fordern Sie den direkten V erkehr mit derRedaktion des Wperjod". Sonst wird aus dem Organ nichts werden.Furchtbar ntig sind Arbeiterkorrespondenzen, aber wir erhalten nurwenige. Es ist notwendig, da Dutzende und Hunderte Arbeiter direktund unmittelbar an den Wperjod" schreiben.

    Man mu ferner anstreben, da die Arbeiter direkt die eigene Adressemitteilen, damit ihnen der Wperjod" in Briefumschlgen zugeschicktwerden kann. Die Arbeiter werden keine Angst haben. Die Polizei ist

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    32 TV. J.Leninnicht imstande, auch nur den zehnten Teil der Briefe abzufangen. Dergeringe Umfang (4 Seiten) und das hufige Erscheinen des W perjod"machen fr uns den Versand in Briefumschlgen zur wichtigsten Frage derZeitung. Man mu sich direkt das Ziel setzen, da mglichst viele Arbei-ter den Wperjod" abonnieren und sich daran gewhnen, das Geld (einRubel ist ja nicht Gott wei w as!) und die eigene Adresse direkt ins Aus-land zu schicken. W enn man die Sache geschickt anpackt, wird man wahr-haftig die Verbreitung illegaler Literatur in Ruland revolutionieren kn-nen. Vergessen Sie nicht, da ein Literaturtransport bestenfalls nach vierMonaten ankommt. Und das bei einer Wochenzeitung! Aber von denBriefen werden sicherlich 50 bis 75 Prozent so schnell eintreffen wie diegewhnliche Post.

    Dann die Publizisten. Sie mssen direkt verpflichtet werden, pnktlichjede Woche oder alle zwei Wochen zu schreiben: sonst so sagt ihnen werden wir euch nicht mehr als anstndige Menschen betrachten und bre-chen alle Verbindungen ab. Die bliche Ausrede: Wir wissen nicht, wor-ber wir schreiben sollen, wir frchten, die Arbeit wird nutzlos sein,wahrscheinlich haben sie das schon". Diesen albernen, idiotischen Aus-reden mu Rachmetow selbst, persnlich immer wieder entgegentreten.Die wichtigste Thematik sind die inneren Fragen Rulands (das, was inden literarisch-publizistischen Zeitschriften zur innerpolitischen Rund-schau und zur Chronik des ffentlichen Lebens gehrt) sowie kleinereArtikel und Notizen ber Verffentlichungen der russischen Fachliteratur(Statistik, Militrwesen, Medizin, Gefngnisse, Geistlichkeit usw. usf.).Diese zwei Rubriken brauchen wir immer. Diese beiden Rubriken knnennur von Menschen in Ruland, ausschlielich von Menschen in Rulandgut versorgt werden. Der Schwerpunkt ist hier-, frische Tatsachen, frisdheEindrcke, dem Ausland nicht zugngliches Tadomaterial, und nicht Be-trachtungen, nicht die Einschtzung vom sozialdemokratischenStandpunktaus. Deshalb werden solche Artikel und Notizen niemals umsonst ge-schrieben sein, wir werden sie immer verwenden. Rachmetow hat jetztdirekt die Pflicht, diese Sache in Gang zu bringen und uns wenigstens fnfgute, taugliche M itarbeiter keine Faulenzer und Drckeberger zu be-schaffen, von denen jeder einzelne unm ittelbar m it der Redaktion in Ver-bindung stehen wird. Nur bei direktem Verkehr mit dem Mitarbeiterkann man sich ber alle Einzelheiten der Arbeit richtig einigen. Gewinnen

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    An . . 'Bogdanow 33mu man die Leute damit, da sie sonst nirgends so schnell gedruckt"werden knnen wie in einer W ochenzeitung.Zum Schlu ein paar W orte ber die gegenwrtige Organisationslosung.Nach dem Artikel Es ist Zeit, Schlu zu machen" (Wperjod" Nr. 1)*sollte diese Losung klar sein; aber die Leute sind so schwerfllig, daRachmetow auch hier mit allen Krften erklren, vorkauen und in dieKpfe einhmmern mu. Jetzt ist die Spaltung vollstndig, denn wir habenalle Mittel erschpft. Den dritten Parteitag gegen den Willen des ZK unddes Rats und ohne sie. Vollstndigen Bruch mit dem Zentralkom itee. Offenerklren, da wir ein eigenes Bro haben, berall vollstndige Ausschal-tung der Menschewiki und der Neuiskristen. Wir haben alles getan, ummiteinander auszukommen, und mssen jetzt offen und direkt erklren,da wir gezwungen sind, getrennt zu arbeiten. Jegliche Vertrauensselig-keit und Naivitt knnen nur gewaltigen Schaden anrichten.Wir bitten Sie instndig, so schnell wie mglich eine offene und deut-liche Erklrung ber das B ro 15 zu verffentlichen. Notwendig ist: 1. vl-lige bereinstimmung mit Es ist Zeit, Schlu zu machen" zum Ausdruckzu bringen und den Appell des Artikels zu wiederholen; 2. zu erklren,da der Wperjod" das Organ der Mehrzahl der Komitees ist und dadas Bro mit dem W perjod" zusamm enarbeitet und mit ihm vllig ber-einstimmt; 3. da das ZK und der Rat der Partei aufs schndlichste diePartei getuscht und deff Parteitag hintertrieben haben; 4. da es jetztkeinen anderen Ausweg gibt als einen Parteitag der Komitees selber, ohnedas ZK und den Rat; 5. da das Bro es bernimmt, die positive Arbeitder Komitees zu untersttzen; 6. da das Zentralorgan durch seineSchwankungen und Lgen jedes Vertrauen eingebt hat.Glauben Sie mir, da wir Semljatschka hochschtzen, aber sie ist Papa-chen16 gegenber im Unrecht, und von Euch hngt es ab, ihre Fehler zukorrigieren. Schnell, mglichst schnell auf der ganzen Linie mit dem ZKbrechen und sofort die Erklrung ber das Bro verffentlichen, mitteilen,da es das Organisationskomitee ist und den III. Parteitag einberuft.Zuerst verffentlicht i925 in der ?Jad> dem Manuskript.Zeitschrift Proletarskaja Rewoluzija"(T)ie proletarische Revolution) Nr. 3 (38).

    * Siehe den vorliegenden Band, S. 2126. Die Red.

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    DER FALL VON PORT ARTHUR"Port Arthur hat kapituliert.Dieses Ereignis ist eines der grten Ereignisse in der modernen Ge-schichte. Diese vier Wo rte , die der Telegraf gestern in alle Teile der zivi-lisierten W elt trug , rufen einen niederschmetternden Eindruck hervor, denEindruck einer ungeheuren und furchtbaren Katastrophe, eines Unglcks,das sich in Worten schwer ausdrcken lt. Die moralische Strke einesmchtigen Reiches bricht zusammen; das Prestige einer jungen Rasse, diesich noch gar nicht richtig entfalten konnte, schwindet. Einem ganzen

    politischen System wird das Urteil gesprochen, eine lange Reihe vonAmbitionen findet ihr Ende, machtvolle Anstrengungen fallen in sich zu-sammen. Gewi hatte man den Fall von Port Arthur schon lange voraus-gesehen, schon lange hatte man sich mit Worten beruhigt, mit fertigenPhrasen getrstet. Aber die greifbare, brutale Tatsache zerschlgt dieganze konventionelle Lge. Jetzt ist die Bedeutung des erfolgten Zu-sammenbruchs nicht mehr abzuschwchen. Zum erstenmal ist die alteWelt durch eine nicht wiedergutzumachende Niederlage gedemtigt wor-den, die ihr von der so geheimnisvollen und anscheinend knabenhaft jun-gen, seit gestern erst zur Zivilisation berufenen neuen Welt beigebrachtwurde."

    So schrieb unter dem unm ittelbaren Eindruck des Ereignisses eine solideeuropische brgerliche Zeitung. Un d man m u zugeben, da es ihr nichtnur gelungen ist, die Stimmung der ganzen europischen Bourgeoisie pla-stisch auszudrcken. Aus den Worten dieser Zeitung spricht der sichereKlasseninstinkt der Bourgeoisie der alten Welt, die beunruhigt ist durchdie Erfolge einer neuen brgerlichen W elt, die alarmiert ist durch den Zu-

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    Der Ml von Tort Arthur 35sammenbruch der rassischen Militrmacht, welche lange als das sichersteBollwerk der enropischen Reaktion galt. Kein Wunder, da sich sogardie am Krieg nicht beteiligte europische Bourgeoisie gedemtigt und be-drckt fhlt. Sie war so sehr gewohnt, die moralische Strke Rulandsmit d er m ilitrischen Strke des europischen Gen darm en zu identifizieren.Fr sie war das Prestige der jungen russischen Rasse untrennbar mit demPrestige einer unerschtterlich' starken , die, heutige O rdn un g" zuver-lssig beschtzenden Zarengewalt verbunden. Kein Wunder, da der ge-samten europischen Bourgeoisie die Katastrophe des Rulands der Re-gierenden und Kommandierenden furchtbar" erscheint: diese Katastrophebedeutet eine ungeheure Beschleunigung der kapitalistischen Entwicklungde r ganzen W elt , eine Beschleunigung der G eschichte, und d ie Bourgeoisiewei sehr gut, nur allzu gut, wei aus bitterer Erfahrung, da eine solcheBeschleunigung die Beschleunigung der sozialen Revolution des Proleta-riats bedeutet. Die westeuropische Bourgeoisie hatte sich in der Atmo-sphre der langjhrigen Stille, unter den Fittichen des mchtigen Rei-ches", so ruhig gefhlt, und da wagt es pltzlich eine geheimnisvolle,knabenhaft junge" Macht, diese Stille zu zerreien und diese Sttzen zuzerstren.

    Ja, die europische Bourgeoisie hat allen Grund, erschrocken zu sein.Das Proletariat hat allen Grund, sich zu freuen. Die Katastrophe unseresrgsten Feindes bedeutet nicht nur das Herannahen der russischen Frei-heit. Sie kndigt auch einen neuen revolutionren Aufschwung des euro-pischen Proletariats an.Aber warum und in welchem Mae ist der Fall von Port Arthur tat-schlich eine historische Katastrophe?Vor allem springt in die Augen, welche Bedeutung dieses Ereignis frden Fortgang des Krieges hat. Das wichtigste Ziel des Krieges ist fr dieJapaner erreicht. Das fortschrittliche, das fortgeschrittene Asien hat demrckstndigen und reaktionren Europa einen nicht wiedergutzumachen-den Schlag versetzt. Vor zehn Jahren war dieses reaktionre Europa, mitRuland an der Spitze, ber die Niederwerfung Chinas durch das jungeJapan beunruhigt und hatte sich zusammengetan, um Japan die bestenFrchte seines Sieges zu entreien. Europa schtzte die traditionellen Be-ziehungen und Privilegien der alten Welt, ihr Vorrecht, ihr durch Jahr-hunderte geheiligtes altes Recht auf die Ausbeutung der asiatischen Vl-

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    36 "W. 7. Leninker. Die Rckeroberung P or t Arthurs durch Japan ist ein Schlag gegen dasganze reaktionre Europa. Sechs Jahre war Ruland im Besitz Port Arthu rs,es wendete Hunderte und aber H underte Millionen Rubel auf fr strate-gische Eisenbahnen, fr die Anlage von Hfen, fr den Bau neuer Stdte,fr die Verstrkung der Festung, die alle von Ruland bestochenen undvor Ruland kriechenden europischen Zeitungen als uneinnehmbar ge-priesen hatten. Militrschriftsteller sagen, Port Arthur sei sechsmal sostark wie Sewastopol gewesen. Und siehe da, das kleine, bisher von allenverachtete Japan erobert in acht Monaten diese Feste, whrend sich Eng-land und Frankreich gemeinsam ein ganzes Jahr abgemht hatten, umSewastopol zu nehmen. Der militrische Schlag ist nicht wiedergutzu-machen. Die Frage der Vorherrschaft auf dem Meer die Haupt- undGrundfrage des gegenwrtigen Krieges ist entschieden. Die russischePazifikflotte, die zu Beginn des Krieges mindestens ebenso stark, wennnicht strker als die japanische war, ist endgltig vernichtet. Die Opera-tionsbasis der Flotte wurde genommen, und dem Geschwader Roshest-wenskis bleibt nichts brig, als nach nutzloser Verschwendung weitererMillionen, nach dem groen Sieg der mchtigen Panzerschiffe ber eng-lische Fischerboote, schimpflich umzukehren. Allein der Materialverlustlediglich der russischen Flotte wird auf dreihundert Millionen Rubel ge-schtzt. Noch schwerer wiegt aber der Verlust von etwa zehntausend Mannder besten Schiffsbesatzungen und der Verlust einer ganzen Landarmee.Viele europische Zeitungen versuchen jetzt, die Bedeutung dieser Ver-luste abzuschwchen, sie ereifern sich dabei bis zur Lcherlichkeit undversteigen sich zu der Behauptung, Kuropatkin sei jetzt die Sorge um PortArthur losgeworden", sei von ihr befreit"! Das russische Heer ist auchbefreit von einer ganzen Armee. Nach den letzten englischen Angabenbetrgt die Zahl der Gefangenen 48000 Mann, und wieviel Tausende sindnoch in den Kmpfen bei Kintschau und vor der Festung selbst zugrundegegangen! Die Japaner gelangen endgltig in den Besitz von ganz Liautung,gewinnen einen Sttzpunkt von unermelicher Bedeutung, der es ihnenermglicht, Korea, China und die Mandschurei unter Druck zu setzen,sie bekommen fr den Kampf gegen Knropatkin eine kampferprobteArmee von 80 000 bis 100 000 Mann frei, die zudem noch sehr viel schwereArtillerie besitzt, deren Aufstellung am Schaho ihnen ein erdrckendesbergewicht ber die russischen Hauptstreitkrfte geben wird.

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    Der 7a\\ von Port Arthur 37Die absolutistische Regierung hat auslndischen Zeitungsmeldungenzufolge beschlossen, den Krieg um jeden Preis fortzusetzen und Kuropat-kin 200000 Mann zu schicken. Es kann sehr wohl sein, da der Krieg sichnoch lange hinz ieht , aber da er hoffnungslos verloren ist, liegt schon aufder Hand , und jede Verlngerung des Krieges wird nur die malosen Lei-den vergrern, die das russische Volk zu ertragen hat, weil es die Selbst-herrschaft noch auf seinem Nacken du ldet. Auch bisher haben die Japanernach jeder groen Schlacht ihre militrischen Krfte schneller und reich-licher als die Russen verst rkt. Je tzt ab er, da sie die vllige Herrschaft zu rSee und die vllige Vernichtung einer der russischen Armeen erreichthaben, werden sie imstande sein, doppelt soviel Verstrkungen zu schik-

    ken wie die Russen. Die Japaner haben bisher die russischen Generaleimmer wieder geschlagen, obwohl ihre beste Artillerie durch den Festungs-krieg vllig in Anspruch genommen war. Je tzt haben die Japaner die volleKonzentration ihrer Krfte erreicht, und die Russen haben nicht nur frSachalin, sondern auch fr Wladiwostok zu frchten. Die Japaner habenden besten und am dichtesten bevlkerten Teil der Mandschurei besetzt,wo sie die Armee auf Kosten des eroberten Landes und mit Hilfe Chinasverpflegen knnen. Die Russen aber mssen sich immer mehr auf denProviant beschrnken, der aus Ruland herangeschafft wird, und eineweitere Vergrerung der Armee wird fr Kuropatkin bald unmglichwerden, weil es unmglich sein wird, Proviant in ausreichender Mengeheranzuschaffen.

    Aber der militrischen Katastrophe, von der die Selbstherrschaft ereiltwurde, kommt noch grere Bedeutung zu als Symptom fr den Zu-sammenbruch unseres ganzen politischen Systems. Unwiederbringlich sinddie Zeiten dahin, als die Kriege von Sldnern oder den Angehrigen einervom Volk halb losgelsten Kaste gefhrt wurden. Die Kriege werdenjetzt von den Vlkern gefhrt selbst Kuropatkin kann sich, wie Nemi-rowitsch-Dantschenkp bezeugt, jetzt nicht mehr der Erkenntnis verschlie-en, da diese Wahrheit keine triviale Phrase ist. Die Kriege werden jetztvon den Vlkern gefhrt, und darum tritt heute besonders deutlich einegroe Eigenschaft des Krieges hervor: da er vor den Augen von Millio-nen und aber M illionen Menschen handgreiflich jenes Miverhltnis zwi-schen Volk und Regierung aufdeckt, das bis dahin nur einer kleinen be-wu ten Mind erhe it sichtbar war . Die Kritik, die von allen fortgeschrittenen

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    38 IV . 1. Leninrussischen Menschen, von der russischen Sozialdem okratie, vom russischenProletariat an der Selbstherrschaft gebt w urde, ist jetzt durch die Kritikder japanischen Waffen besttigt worden, so sehr besttigt worden, dadie Unmglichkeit, unter der Selbstherrschaft zu leben, sogar von denenimmer mehr empfunden wird, die nicht wissen, was die Selbstherrschaftbedeutet, sogar von denen, die das wissen, aber von ganzer Seele dieSelbstherrschaft aufrechterhalten mchten. Die Unvereinbarkeit der Selbst-herrschaft mit den Interessen der gesamten gesellschaftlichen Entwicklung,mit den Interessen des ganzen Volkes (abgesehen von einem HufleinBeamten und M agnaten) kam an den Tag, sobald das Volk in der Tat, mitseinem Blut, die Rechnung fr die Selbstherrschaft begleichen mute.Durch ihr dummes und verbrecherisches Kolonialabenteuer ist die Selbst-herrschaft in eine Sackgasse geraten, aus der nur das Volk selbst den Aus-weg bahnen kann, und zwar nur durch die Vernichtung des Zarismus.

    Der Fall von Port Arthur ist eine groe historische Bilanz der Ver-brechen des Zarismus, die gleich von Beginn des Krieges an offenbar wur-den und je tzt in noch grerem A usma, noch unaufhaltsamer zutagetreten werden. Nach uns die Sintflut! so redeten all die kleinen undgroen Alexejew18 und dachten nicht, glaubten nicht, da die Sintfluteines Tages wirklich kommt. Generale und Feldherren haben sich alsStmper und als Nullen erwiesen. Nach dem autoritativen Zeugnis einesenglischen Militrschriftstellers (in der Times"19) war die ganze Ge-schichte des Feldzugs von 1904 eine verbrecherische Miachtung der ele-mentaren Grundstze der See- und Landstrategie". Die zivile und mili-trische Brokratie erwies sich als ebenso schmarotzerhaft und feil wiezur Zeit der Leibeigenschaft. Das Offizierskorps erwies sich als unge-bildet, unentwickelt und ungeschult, es ha t keinen engen Kontakt mit denSoldaten und besitzt nicht deren Vertrauen. Die Rckstndigkeit, die Un-wissenheit, das Analphabetentum, die Stumpfheit der Baernmasse offen-barten sich mit erschreckender Deutlichkeit bei dem Zusammensto miteinem fortschrittlichen Volk in einem modernen Krieg, der ebenso not-wendig wie die moderne Technik ein hochqualifiziertes Menschenmaterialerfordert. Ohne bewut handelnde Soldaten und Matrosen mit eigenerInitiative ist im modernen Krieg ein Erfolg unmglich. Weder Ausdauerund Krperkraft noch Herdeninstinkt und massierte Kampfaufstellungenverleihen ein bergewicht in der Epoche der Schnellfeuergewehre und

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    Der 7ll von Port Arthur 39Schnellfeuergeschtze, der komplizierten technischen Schiffsausrstungund der aufgelsten Kampfordnung der Landstreitkrfte. Die Militr-macht des absolutistischen Rulands hat sich als eine Attrappe heraus-gestellt. Der Zarismus hat sich als Hindernis fr eine moderne, denneuesten Anforderungen gerecht werdende Organisation des Heeres-wesens erwiesen, desselben Heereswesens, dem sich der Zarismus mitganzer Seele hingab, das sein grter Stolz war, dem er unermelicheOpfer darbrachte, ohne sich im geringsten um die Opposition des Volkeszu kmmern. Ein bertnchtes Grab als das erwies sich die Selbstherr-schaft auf dem Gebiet der Verteidigung nach auen, ihrer sozusagen ur-eigenen und am meisten vertrauten Spezialitt. Die Ereignisse haben be-sttigt, wie recht jene Auslnder hatten, die sich lustig machten, wenn siesahen, wie Dutzend e, ja Hu nd erte Millionen Rubel fr den Kauf u nd Bauprchtiger Kriegsschiffe hinausgeworfen wurden, und die erklrten, dadiese Ausgaben nutzlos seien, wenn man nicht mit modernen Schiffenumzugehen verstehe, wenn die Menschen fehlen, die sich mit Sachkennt-nis der neuesten Errungenschaften der Kriegstechnik zu bedienen ver-stehen. Als rckstndig und vllig untauglich haben sich die Flotte wie dieFestung, die Feldbefestigungen wie das Heer erwiesen.

    Der Zusammenhang zwischen der militrischen Organisation eines Lan-des und seiner ganzen wirtschaftlichen und kulturellen Struktur war nochnie so eng wie gegenwrtig. Der militrische Zusammenbruch mute da-her zum Beginn einer tiefgreifenden politischen Krise werden. Der Kriegeines fortgeschrittenen gegen ein rckstndiges Land hat auch diesmal,wie schon so manches Mal in der Geschichte, eine groe revolutionreRolle gespielt. Und das klassenbewute Proletariat, ein erbarmungsloserGegner des Krieges, dieses unvermeidlichen und unzertrennlichen Beglei-ters jeder Klassenherrschaft berhaupt, kann nicht die Augen verschlieenvor der revolutionren Mission, die die japanische Bourgeoisie mit denschweren Schlgen erfllt, die sie der Selbstherrschaft versetzt. Das Pro-letariat steht jeder Bourgeoisie und allen Erscheinungsformen der brger-lichen Ordnung feindlich gegenber, aber diese Feindschaft enthebt esnicht der Pflicht, zwischen den historisch fortschrittlichen und den reak-tionren Vertretern der Bourgeoisie zu unterscheiden. Es ist deshalb durch-aus verstndlich, da die konsequentesten und entschiedensten Vertreterder internationalen revolutionren Sozialdemokratie, Jules Guesde in

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    40 TV. 1 LeninFrankreich und Hyndman in England, ohne Zaudern ihre Sympathie frJapan, das die russische Selbstherrschaft in die Knie zwingt, zum Aus-druck brachten. Bei uns in Ruland haben sich natrlich Sozialisten ge-funden, die auch in dieser Frage ihre ideologische Verworrenheit offen-barten . Die Rewoluzionnaja Rossija"20 hat Guesde und Hyndman eineRge erteilt und hat erklrt, ein Sozialist knne nur fr ein Japan derArbeiter, des Volkes, nicht aber fr das brgerliche Japan sein. DieseRge ist ebenso absurd, wie es absurd w re, einen Sozialisten zu verurtei-len, weil er die freihndlerische Bourgeoisie im Vergleich zur protektioni-stischen als fortschrittlich anerkennt. Guesde und Hyndman haben nichtdie japanische Bourgeoisie und den japanischen Imperialismus in Schutzgenommen, sondern im Konflikt zweier brgerlicher Lnder haben siedie historisch-fortschrittliche Rolle des einen Landes richtig festgestellt.Die ideologische Verworrenheit der Sozialrevolutionre" ergibt sichnaturgem daraus, da unsere radikalen Intellektuellen den Klassen-standpunkt und den historischen Materialismus nicht verstehen. Selbst-verstndlich mute auch die neue Iskra" ihre Verworrenheit beweisen.Anfangs verzapfte sie nicht wenig Phrasen ber einen Frieden um jedenPreis. Dann hatte sie es eilig, sich zu korrigieren", als Jaures anschau-lich vor Augen gefhrt hatte, in wessen Interesse die quasi-sozialistischeKampagne zugunsten eines Friedens schlechthin liegt, im Interesse derfortschrittlichen oder der reaktionren Bourgeoisie. Jetzt ist sie schlielichbei banalen Betrachtungen darber angelangt, wie unangebracht es sei,auf den Sieg der japanischen Bourgeoisie zu spekulieren" (!!?), unddarber, da der Krieg ein Unheil sei, unabhngig davon", ob er miteinem Sieg oder einer Niederlage der Selbstherrschaft ende.

    Nein. Die Sache der russischen Freiheit und des Kampfes des russi-schen (und des internationalen) Proletariats fr den Sozialismus hngt inhohem Mae von den militrischen Niederlagen der Selbstherrschaft ab.Diese Sache hat durch den militrischen Zusammenbruch, der allen euro-pischen Ordnungshtern Schrecken einjagt, viel gewonnen. Das revo-lutionre Proletariat mu unermdlich gegen den Krieg agitieren unddabei immer daran denken, da die Kriege unau srottbar sind, solange sichdie Klassenherrschaft berhaupt hlt. Mit banalen Phrasen ber einenFrieden la Jaures kann man der unterdrckten Klasse nicht helfen, diefr einen brgerlichen Krieg zwischen zwei brgerlichen Nationen nicht

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    Der 7a\\ von Tort Arthur 41verantwortlich ist, die alles tut, um berhaupt jede Bourgeoisie zu str-zen, die wei, wie unermelich die Leiden des Volkes auch in Zeitenfriedlicher" kapitalistischer Ausbeutung sind. Aber indem wir gegen diefreie Konkurrenz kmpfen, drfen wir nicht vergessen, da sie im Ver-gleich zur halbleibeigenschaftlichen Gesellschaftsordnung fortschrittlichist. Indem wir gegen jeden Krieg und jede Bourgeoisie kmpfen, mssenwir in unserer Agitation die fortschrittliche Bourgeoisie von der fron-herrschaftlichen Selbstherrschaft streng unterscheiden, mssen wir stetsdie groe revolutionre Rolle des historischen Krieges hervorheben, des-sen unfreiwilliger Teilnehmer der russische Arbeiter ist.

    Nicht das russische Volk, sondern die russische Selbstherrschaft hatdiesen Kolonialkrieg begonnen, der zu einem Krieg zwischen der altenund der neuen brgerlichen Welt geworden ist. Nicht das russische Volk,sondern die Selbstherrschaft hat eine schimpfliche Niederlage erlitten.Das russische Volk hat durch die Niederlage der Selbstherrschaft gewon-nen. Die Kapitulation Port Arthurs ist der Prolog zur Kapitulation desZarismus Der Krieg ist noch lange nicht zu Ende, aber jeder Schritt zurWeiterfhrung des Krieges bedeutet eine unermeliche Verstrkung derGrung und Emprung im russischen Volk und bringt uns dem Beginneines neuen groen Krieges nher, des Volkskrieges gegen die Selbst-herrschaft, des Krieges des Proletariats fr die Freiheit. Nicht ohne G rundist die beraus ruhige und nchterne europische Bourgeoisie so besorgt,die liberale Zugestndnisse der russischen Selbstherrschaft von ganzemHerzen begren wrde, die aber die russische Revolution als Vorspieleiner europischen Revolution wie die Pest frchtet.

    Etwa denselben Wert", schreibt eines dieser nchternen Organe derdeutschen Bourgeoisie, hat die vielfach fest eingewurzelte Anschauung,da der Ausbruch einer Revolution in Ruland eine pure Unmglichkeitsei. Auch diese Ansicht wurde und wird m it allerhand Beweisgrnden ver-fochten. Man weist hin auf die trge Unbeweglichkeit der Bauernschaft,auf ihre treue Anhnglichkeit an den Zaren, auf ihre Abhngigkeit vonden Geistlichen. Man erklrt, da die extremen Elemente unter den Un-zufriedenen nur ein kleines Huflein seien, die wohl Putsche und Atten-tate, aber keine allgemeine Erhebung hervorrufen knnten. Der groenMasse der Unzufriedenen fehle es an Organisation, an Waffen, vor allemaber an dem W illen, ihre eigene Haut zu Markte zu tragen. Und zu alle-4 Lenin, We rke, Bd. 8

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    42 W. 1. Lenindem sei der gebildete Russe blo bis etwa zu seinem dreiigsten Lebens-jahre revolutionr gesinnt, darber hinaus fhle er sich in dem warmenNeste einer staatlichen Anstellung durchaus behaglich, und der grteTeil der Heisporne mache schlielich leichten Herzens eine Umwand-lung zum Tschinownik* mit allen seinen Fehlern durch." Je tzt aber, fhrtdie Zeitung fort, deute eine ganze Reihe von Anzeichen darauf hin, daeine jhe W andlung eingetreten sei. Von der Revolution in R uland spr-chen jetzt nicht mehr allein die Revolutionre, sondern auch solche jederSchwrmerei" durchaus abholden soliden Ordnungssttzen wie der FrstTrubezkoi, dessen Brief an den Minister des Innern gegenw rtig durch diegesamte auslndische Presse geht. Es mu doch also die Sorge und Be-frchtung vor einer Revolution eine tatschliche Grundlage haben. Frei-lich, da etwa die Bauern in Ruland zu den Heugabeln greifen wrden,um die Einfhrung einer Verfassung zu erzwingen, daran denkt keinMensch. Aber werden denn Revolutionen berhaupt vom flachen Landegemacht?... Seit dem Emporwachsen der Grostdte sind es fast immerdiese gewesen, welche die revolutionren Bewegungen trugen. Und auchin Ruland grt und brodelt es in den Stdten von Sden nach Nordenund von Osten nach Westen. Niemand vermag heute vorauszusagen, wiedie Dinge schlielich verlaufen werden, aber soviel ist sicher, da die Za hlderjenigen, die eine Revolution in Ruland fr ausgeschlossen erachten,von Tag zu Tag geringer w ird. Bricht aber eine ernstliche Revolution aus,so ist es mehr als fraglich, ob die durch den ostasiatischen Krieg ge-schwchte Autokratie dem Ansturm wird standhalten knnen."

    Jawohl. Die Autokratie ist geschwcht. Die Unglubigsten beginnenan die Revolution zu glauben. Der allgemeine Glaube an die Revolutionist schon der Beginn der R evolution. Fr ihre Fortfhrung trg t die Regie-rung durch ihr Kriegsabenteuer selber Sorge. Fr die Untersttzung undAusbreitung eines ernsten revolutionren Ansturms wird das russischeProletariat Sorge tragen.TVperjod" Nr. 2, ' Nach dem 7ext des W perjod".i4.(i.)']anuar 1905.

    * Tschinownik - Beamter. Der Tibers.

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    V O N S C H N E N W O R T E N W I R D M A N N I C H T S A T T

    W ir lenken die Aufmerksamkeit de r Leser auf die soeben von den N eu-iskristen herausgebrachte Broschre eines Arbeiters: Arbeiter und In-tellektuelle in unseren Organisationen", mit einem Vorwort von Axelrod.Wahrscheinlich werden wir noch wiederholt auf diese uerst lehrreicheSchrift zurckkommen mssen, die ausgezeichnet zeigt, welche Frchtedie demagogische Propaganda der Minderheit" oder der Neuiskristengezeitigt hat und zeitigt und wie diese sich jetzt selber aus all dem vonihnen zusammengeredeten Zeug herauszuwinden suchen. Halten w ir zu -nchst nur das Wesentliche der Broschre und des Vorworts fest.Der Arbeiter" hatte das Migeschick, der Propaganda der Neuiskri-sten Glauben zu schenken. Deshalb wirft er mit Rabotscheje-Delo"-Phrasen im Geiste Akimows nur so um sich. Unsere intelligenzlerischenFhrer... haben sich nicht zur Aufgabe gemacht... das Bewutsein unddie Selbstttigkeit der Arbeiter zu en tw ickeln ..." Das Streben nach Selbst-ttigkeit wurde sy