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Lesekompetenzförderung als Aufgabe aller Fächer Dr. Jörg Heinig Fachreferent Deutsch Bildungsministerium M-V Vortrag im Rahmen der Schulleiterfortbildung am 15.10.2010, FH Güstrow

Lesekompetenzförderung als Aufgabe aller Fächer Dr. Jörg Heinig Fachreferent Deutsch Bildungsministerium M-V Vortrag im Rahmen der Schulleiterfortbildung

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Lesekompetenzförderung als Aufgabe aller Fächer

Dr. Jörg HeinigFachreferent Deutsch

Bildungsministerium M-VVortrag im Rahmen der Schulleiterfortbildung am

15.10.2010, FH Güstrow

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Gliederung des Vortrages

1. Fachgegenstände und Lesekompetenz2. Ein Experiment zur Selbsterfahrung

3. Lesekompetenzförderung im Fachunterricht: Zehn Lesestrategien

4. Die Rolle des Deutschunterrichts für die Lesekompetenzförderung als fachübergreifende Aufgabe

5. Diskussion

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Woran machen Fachlehrer Verständnis fest?

„Wenn er/sie es in der Fachsprache formulieren kann, dann hat er/sie

es verstanden.“

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Ein Beispiel – erste Ausführung

„Am Flaschenzug mache ich es so: Ich zähle die Seilstücke rechts und links von der losen Rolle und teile das Gewicht durch diese Zahl. Das ist dann die Zugkraft am Flaschenzug.“

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Ein Beispiel – zweite Ausführung

„Hängt beim Flaschenzug die Last an n tragenden Seilabschnitten, so ist die am Seilende erforderliche Zugkraft F gleich dem n-ten Teil der Gewichtskraft der Last.“

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Bezogen auf [Folie 3] gibt es zwei Möglichkeiten

1. S u S sprechen jenseits von Fachsprache über den Sachverhalt.

2. S u S sprechen in Fachsprache über den Sachverhalt.

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Zwei Erkenntnisse

1. Wenn man einen Sachverhalt nicht in der Fachsprache formulieren kann, heißt das nicht, dass man ihn nicht verstanden hat.

2. Wenn man einen Sachverhalt in der Fachsprache formulieren kann, heißt das nicht, dass man ihn verstanden hat.

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Was hat das mit Lesekompetenz zu tun?

Fachsprachlich:

• hierarchieniedrigste Prozesse funktionieren, aber es gelingt dem Leser/ der Leserin nicht, ein mentales Modell des Gelesenen herzustellen?

Was ist das?

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Ein didaktisches Modell der Lesekompetenz (Rosebrock/Nix 2008)

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Fokussierung auf den „sachlichen Kern“

Abstraktion von:• Inhalten, die für SuS relevant sein können• Interdisziplinarität• Verhältnis von Mensch und Naturwissenschaften• wissenschaftskritische Aspekte• Grenzen naturwissenschaftlicher Erkenntnis• kommunikative Vermitteltheit naturwiss. Wissens

Fazit: starke Reduktion – Fachgegenstände kaum mehr vermittelbar – als Unterrichtsgegenstand uninteressant!

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Was macht es schwer, fachsprachliche Texte zu verstehen?

Wortebene:• viele Fachbegriffe• die Verwendung von Adjektiven auf -bar, -los, -

arm, -reich usw. und mit den Präfixen nicht-, stark-, schwach-

• gehäufte Verwendung von Komposita• viele Verben mit Präfixen• gehäufte Nutzung von substantivierten Infinitiven• die Verwendung von Zusammensetzungen und

fachspezifischen Abkürzungen

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Was macht es schwer, fachsprachliche Texte zu verstehen?

Satzebene:• viele verkürzte Nebensatzkonstruktionen• gehäufte Nutzung unpersönlicher

Ausdrucksweisen• Verwendung komplexer Attribut an Stelle von

Attributsätzen• gehäufte Verwendung erweiterter

Nominalphrasen• gehäufte Verwendung von Passiv und

Passiversatzkonstruktionen

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2. Ein Experiment zur Selbsterfahrung

Wo liegen die Schwierigkeiten?• Spiegelschrift• Wörter rückwärts• Satz „vorwärts“ - ständig gegen den Strich

Effekt:• Leseleistung unterhalb der Herstellung

lokaler Kohärenz (vgl. Rosebrock/Nix)

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Anregungen zur Textvereinfachung

• Demontage langer Sätze• Stützung schwieriger Wörter mit Hilfe von Wiederholung in

nachfolgenden Sätzen• In den Text eingeschobene Erklärungen in Form von Appositionen,

Relativsätzen, mit „d. h.“ beginnenden Einschüben• Auseinandernehmen von Mehrfachkomposita,• Verwendung einfacher, bedeutungsklarer Verben aus der

Umgangssprache bzw. der originären Fachsprache• Verwendung eindeutiger Ausdrücke, die kein Fehlverständnis

vorprogrammieren,• Überwiegend verbale Ausdrucksformen, weitgehende Vermeidung

von Nominalisierungen, wenn sie nicht originär der Fachsprache angehören,

• Verwandlung attributiv gebrauchter Partizipien in Nebensätze• Verwendung stets gleicher Termini für gleiche Gegebenheiten; kein

unnötiger Ausdruckswechsel (unbedingt Fachspezifik beachten!)

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Lesestrategie

Eine Lesestrategie ist ein Handlungsplan, um einen Text zu verstehen. Lesestrategien zielen auf einen eigenständigen Umgang mit Texten. Das Verstehen des vorliegenden Textes ist der eigentliche Lerngegenstand. Lesehilfen und Arbeitsaufträge leiten und führen den Leser unterstützend durch die Texterschließung (Leisen 2005).

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Leseübung

Eine Leseübung ist eine Übung, in der Lesestrategien oder Lesekompetenzen im Sinne eines Methoden- oder Kompetenztrainings geübt werden. Beispielsweise schulen Lückentexte das Scannen und zerschnittene Texte fördern das Erkennen der Textkohärenz. Beim Üben ist die Strategie selbst und nicht das Verstehen des vorliegenden Textes der eigentliche Lerngegenstand (Leisen 2005).

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3. Leseförderung konkret: Zehn Lesestrategien

Otto-Motor, Viertakter: Um 1870 gelang es Otto, einen Motor nach obigem Prinzip zu bauen. Das Gas, mit dem der Motor arbeitet, ist ein Gemisch von Luft und Treibstoff: Im Vergaser wird die Luft mit fein verteiltem Benzin vermischt. Bei diesem Motor unterscheiden wir vier Bewegungsabschnitte, die man auch „Takte“ nennt. Daher hat ein solcher Motor den Namen „Viertakter“.

Die Bewegungsabläufe lassen sich wie folgt beschreiben:1. Takt: Der Kolben bewegt sich nach unten. Das Ventil A ist geschlossen, das

Ventil E wird geöffnet. Dadurch wird das Benzin-Luft-Gemisch in den Zylinderraum gesaugt.

2. Takt: Der Kolben bewegt sich nach oben. Beide Ventile sind geschlossen. Das Gemisch wird „verdichtet“. Die Temperatur des Gemisches steigt auf 300°C bis 400°C.

3.Takt: Bei geschlossenen Ventilen erfolgt die Zündung. Der Treibstoff verbrennt sehr rasch, und das Gas erreicht Temperaturen um 2000°C. Bei der großen Temperaturerhöhung kommt es zu einem starken Druckanstieg. Dadurch wird der Kolben unter Abkühlung des Gases nach unten gestoßen.

4. Takt: Der Kolben bewegt sich nach oben bei geöffnetem Ventil A. Die Abgase werden herausgeschoben.

Nun kann der Ablauf erneut beginnen. Das Durchlaufen der vier Takte ist ein Periode. [...]

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Zehn Lesestrategien (Leisen 2005)

1. Wörter suchen: Die Wörter einer vorgegebenen Wortliste im Text wieder finden und unterstreichen

2. Textlücken ausfüllen: Die im Text vorgegebenen Lücken ausfüllen3. Texte vergleichen: Zwei fast wortgleiche Texte miteinander vergleichen

und Unterschiede erkennen4. Zeichnungen und Bilder beschriften: Zeichnungen und Bilder aus dem

Text beschriften und ergänzen5. Textpuzzle bearbeiten: Verwürfelte Sätze im Text wieder finden und

unterstreichen6. Sätze finden: Leicht veränderte Sätze im Text wieder finden7. Satzhälften zusammenfügen: Vorgegebene Satzhälften werden

zusammengefügt8. Sätze aussuchen: Aus einer Auswahl von Sätzen einen inhaltlich

passenden heraussuchen und einfügen9. Sätze berichtigen: Leicht veränderte Sätze Text basiert berichtigen10. Überschriften zuordnen: Vorgegebene Zwischenüberschriften

Textpassagen zuordnen

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4. Rolle des Deutschunterrichts für die Lesekompetenzförderung als fächerübergreifende Aufgabe

Rolle ergibt sich aus den Gegenständen:• Texte und die damit möglichen Kommunikationen• „Die Eigenart des Deutschunterrichts besteht darin, dass

die deutsche Sprache im fachlichen Grundverständnis Medium, Gegenstand und Unterrichtsprinzip zugleich ist.“ (Rahmenplan Deutsch, Sek I, Mecklenburg-Vorpommern, 2010/11)

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Fachübergreifende Verstehensförderung – Zwei Beispiele

1. „Der Flaschenzug“

- Text von hoher Qualität

- Textsortenzugehörigkeit: Brief – Bericht – Vorgangsbescheibung > dreifache Rahmung

- Prozessebene: Bildung von Superstrukturen

- Realitätseffekt resultiert aus Orientierung an physikalischen Abläufen

- Sprachliche Realisierungen von Gleichzeitigkeit und Ursache-Wirkungs-Zusammenhängen

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Fächerübergreifende Verstehensförderung – zwei Beispiele

2. Ist die Hölle exotherm oder endotherm?

- Superstrukturen: Form eines naturwissenschaftlichen Beweise unter Anwendung aussagenlogischer Axiome (Satz vom ausgeschlossenen Dritten; Prinzip der Zweiwertigkeit; Satz vom Widerspruch)

- Syllogismus – Pseudosyllogismus