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Digital Public Affairs Social Media für Unternehmen,   Verbände und Politik Herausgegeben von Dr. Gunnar Bender und Torben Werner 1. Auflage 2010

Leseprobe: Digital Public Affairs Sammelband

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Am 01. Dezember ist der von Torben Werner und mir herausgegebene Sammelband Digital Public Affairs – Social Media für Unternehmen, Verbände und Politik erschienen. Der Ansatz des Werkes ist es, die Ausdehnung der politischen Kommunikation von Unternehmen, Verbänden, NGOs und Politikern ins Social Web unter dem Konzept der Digital Public Affairs zu untersuchen.

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Digital Public Affairs    Social Media für Unternehmen,     Verbände und Politik

Herausgegeben von Dr. Gunnar Bender und Torben Werner

1. Auflage 2010

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Digital Public AffairsSocial Media für Unternehmen, Verbände und Politik

Herausgeber: Gunnar Bender und Torben Werner

1. Auflage November 2010ISBN: 978-3-942263-09-2

© Helios Media GmbH, Berlin 2010Alle Rechte vorbehalten.

Helios Media GmbHFriedrichstraße 209D – 10969 BerlinTel + 49 (0)30/ 84 85 90Fax + 49 (0)30/ 84 85 92 [email protected]

Koordination: Jessica EinspännerSatz, Layout und Umschlaggestaltung: Marcel FrankeLektorat: Patrick WeisbrodDruck: Print & Media GmbHPrinted in Germany

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Inhalt

Vorwort� 11

Grundlagen

Digital�Public�Affairs­�–�Lobbyis­mus­�im�Social�Web�� 19Einleitung 20

1. Gegenstandsbereich der Public Affairs 20

2. Das Social Web 30

3. Interessenvertretung 2.0: Das Konzept der

Digital Public Affairs 34

4. Zusammenfassung und Ausblick 44

Strategien und Methoden

Nois­e�vs­.�Influence?�Werkzeuge�für�eine��Digital-Public-Affairs­-Strategie� 53Einführung 54

Die Rolle des Internet in der Politik 55

Dialog, Transparenz, Unterhaltung: Public Affairs

im Internet 56

Bausteine einer Digital Public Affairs-Strategie 57

Praxis: Typische Infrastruktur

einer Digital Public Affairs-Strategie 60

Auswahl passender Tools 67

Vom Strippenzieher zum Moderator: Der Digital Public

Affairs Manager 68

„Public Affairs as a platform“ 70

Praxis: Das Web 2.0 als Instrument der

Krisenkommunikation 74

Fazit: Transparenz als Leitidee von Digital Public Affairs 75

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Doing�good�and�looking�good�–�Philanthropie��und�Digital�Advocacy�� 81Einführung 82

1. Bedeutung von Advocacy für Stiftungen 83

2. Digital Advocacy: Formen und Funktionen des Einsatzes

von Social Media in der Stiftungskommunikation 85

3. Mercator 2.0: Das Social Web als Advocacy-Element 92

4. Fazit 107

Best Cases

„Das­�digitale�Klas­s­enzimmer�–�Bits­�für�die�Bildungs­republik“�� 1151. Einleitung 116

2. Strategischer Ansatz 117

3. Taktische Planung und Umsetzung 120

4. Auswertung: Das digitale Klassenzimmer

bestimmte die Cebit 127

5. Fazit 128

A�Tectonic�Shift:�Emergente�Medien,­�CSR�und��verantwortliche�Interes­s­envertretung�� 131Einleitung 132

1. Eine künftige Kernkompetenz unternehmerischer

Nachhaltigkeit 134

2. Neue Formate im Dialog mit Markt, Politik und

Gesellschaft erproben 141

3. Verantwortliche Interessenvertretung: CSR und Web 2.0

bei der METRO GROUP 154

4. Ausblick: Wie kann man Mitarbeiter und Kunden in die

politische Kommunikation einbinden? 162

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Digital�Public�Affairs­�am�Beis­piel�von�UdL�Digital�� 169Einleitung 170� �

Auswirkungen auf Public Affairs 171

Das UdL Digital Konzept 175

Schritt 1: Informieren! 176

Schritt 2: Involvieren! 178

Schritt 3: Mobilisieren! 179

Zusammenfassung 179

Onlinekommunikation�in�Verbänden:��Bundes­verband�der�Deuts­chen�Indus­trie�� 1831. Ausgangssituation und Rahmenbedingungen 185

2. Strategie und Elemente der Onlinekommunikation

im BDI 187

3. Fünf Prognosen zur Entwicklung der verbandlichen

Online-Kommunikation 199

Digital�Public�Affairs­�in�der�Praxis­�am�Beis­piel�der��Kampagne�„Forum�Pro�Paintballs­port“� 205Einführung 206

Ausgangssituation 207

Strategie 208

Zielsetzung der Kampagne 209

Umsetzung: Traditionelle Public Affairs 210

Umsetzung: Digital Public Affairs 211

Ergebnis 212

Fazit 213

Digitale�Gras­s­roots­kampagnen�einer�NGO:��Unters­tützer�klicken,­�Staats­chefs­�fliegen� 215Einleitung 216

1. Die Organisation ONE 217

2. Online-Kampagnen bei ONE: Grundprinzipien und Abläufe 218

3. Herausforderungen digitaler Grassrootskampagnen 223

4. Case Studies: Von Haiti zu „Hurl Berl“ 225

5. Fazit 230

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Der�gläs­erne�Politiker�im�Netz� 233

Der�Politiker�–�digitaler�Lobbyis­t�in�eigener�Sache�� 243Die Bedeutung traditioneller und moderner

Formen der politischen Kommunikation 244

Die Grundstimmung verändert sich 244

Permanente Öffentlichkeit 246

Kampagne ist immer 248

Offensiv um Zustimmung werben 251

Multiplikatoren in den Mittelpunkt rücken 252

Öffentlichkeitsarbeit ist Organisation 253

Die�integrierte�Kampagne:�Wie�digitale�Medien��zum�Erfolg�eines­�Volks­begehrens­�beitragen�können�� 257Einführung 258

1. Ablauf eines Volksbegehrens in Bayern 258

2. Das Anliegen: konsequenter Nichtraucherschutz 261

3. Die Kampagne – Aktionsgruppen und Social Media 265

4. Volksbegehren: Integrierte Kampagne 268

5. Zwischenschritt: Landtagsdebatte 274

6. Volksentscheid: Effizienz durch Social Media 275

7. Fazit 282

Digitaler�Inzes­t.�Über�Eigenlob,­�Trans­parenz��und�Qualität�im�Social�Web.� 287Der Team-Work-Flop 288

Das Ende von Cut and Paste 290

Politik 294

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Ethische und rechtliche Fragen

Trans­parenz�und�Dialog:�Ethis­che��Heraus­forderungen�der�Digital�Public�Affairs­� 3011. Die Reputation des Lobbyisten 302

2. Geschichte der Ethik in Public Affairs 303

3. Ethische Kodizes und rechtlicher Rahmen der Public Affairs 307

4. Kommunikationsethik in Social Media 310

5. Recht vs. Ethik? Krise 2.0 323

6. Social Media Policies für Interessenvertreter 325

7. Fazit 327

Widers­tände�und�Widers­prüche�der��Digital�Public�Affairs­� 3331. Risky Business 334

2. Interne Information, Analyse und Steuerung 339

3. Externe Information, Involvierung und Mobilisierung 354

4. Ein scharfer Blick auf das Mantra der Transparenz 375

Anhang

Die�Autoren� 385

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Vorwort  11

Vorwort

Seit jeher sind politische und mediale Kommunikation eng miteinander verbunden. In den letzten Jahren ist aller-dings zu beobachten, dass sich die Erfolgsbedingungen sol-cher Kommunikation verändern, da sich ein grundlegender Mediennutzungswandel vollzieht.Die Schlüsselposition der klassischen Medien wird durch Blogger, Bürger-Journalisten, Aktivisten und interessierte Nutzer aufgeweicht. Sie setzen heute selbst Nachrich-ten ab und interagieren auf diese Weise unmittelbar mit anderen Menschen. Während die klassischen Massenme-dien dadurch gekennzeichnet waren und sind, dass einige Wenige Nachrichten für Viele gemacht haben und machen, führt der Mediennutzungswandel über das Internet nun dazu, dass aus Massenmedien gleichsam Medienmassen werden.Die Grundannahme von Digital Public Affairs ist, dass die Gesellschaft ein so großes Interesse an politischen Prozes-sen und Entwicklungen hat, dass sie bereit ist, für ihre Mei-nungen auch im Internet öffentlich einzustehen, um im eigenen Interesse Druck auf die Politik auszuüben. So kann durch den starken Einbezug der Öffentlichkeit in die poli-tische Kommunikation sozialer Mehrwert geschaffen wer-den. Die Digitalisierung des politischen Dialogs geschieht dabei mithilfe neuer Medien bzw. Medienanwendungen im Social Web und bezieht sich auf die verschiedensten Gegenstandsbereiche der strategischen und zielgerichte-ten Kommunikation: Relevante Teilbereiche wie Politikbe-ratung, Lobbying, Governmental Relations und Media Rela-tions erfordern eine Anpassung an die neuen Informations- und Kommunikationstechnologien. Zwar sind nach wie vor

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12� Digital Public Affairs

Positionspapiere, Events und Hintergrundgespräche fester Bestandteil der Interessenvertretung, in denen es darum geht, Positionen und Vorstellungen eines Unternehmens, einer Institution oder Organisation zu verdeutlichen und sie in der Sache überzeugen. Allerdings werden diese klas-sischen PA-Instrumente nun durch neue „Qualifikationen“, z. B. Social Web-Anwendungen, erweitert und optimiert, um so Entscheidungsträger in Politik und Öffentlichkeit zeitge-mäß für das eigene Vorhaben zu gewinnen. Der vorliegende Band versucht, das Feld der Public Affairs (PA) erstmals einerseits theoretisch fundiert, andererseits anhand verschiedener Praxisbeispiele für die digitale Welt fortzuschreiben und auf dieser Basis als Konzept zu etablie-ren. Nach einem einführenden Beitrag, der das Feld der Digi-tal Public Affairs wissenschaftlich-theoretisch erschließt und zentrale Begriffe sowie Fragestellungen thematisiert, stehen „Best Practice“-Beispiele exemplarischer Unterneh-men, gemeinnütziger Organisationen und ausgewählter gesellschaftlicher Akteure im Mittelpunkt dieses Buches. Hierbei werden innovative Werkzeuge und Strategien für den Umgang von Social Media im Bereich der Public Affairs vorgestellt und bedeutsame Einblicke in Digital PA-Prak-tiken gewährt. Die Sammlung inhaltlich vielfältiger Beiträge in diesem Buch soll ein erstes Bild der neuen Domäne der Digital Public Affairs vermitteln und so ein tiefergehendes Interesse für den professionalisierten Einsatz von Social Media in der politischen Kommunikation wecken. Am Ende aber ist dieser Band vor allem eines, die Einladung zum wei-terführenden Dialog über dieses spannende Berufsfeld auf allen zur Verfügung stehenden Kommunikationskanälen. Wir freuen uns auf diesen Dialog!

Berlin, im Oktober 2010 Dr. Gunnar BenderTorben Werner

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Die Herausgeber

Dr.�Gunnar�BenderDr. Gunnar Bender arbeitet seit Januar 2010 für die E-Plus Gruppe und ist als Leiter Unternehmenskommunikation & Politik und Mitglied der Geschäftsleitung verantwort-lich für die Wahrnehmung des Unternehmens und seiner Leistungen bei allen relevanten Zielgruppen. Der promo-vierte Rechtsanwalt sammelte im Rahmen seiner Tätigkeit für Time Warner und AOL Europa sowie zuletzt als Vice Pre-sident Business Development der Bertelsmann AG langjäh-rige Erfahrungen auf dem politischen Parkett und in der Unternehmenskommunikation.

Torben�WernerTorben Werner ist seit 2003 Geschäftsführer des Berliner Me-dienhauses Helios Media, das mit politik&kommunikation das einzig deutschsprachige Magazin für politische Kom-munikation herausgibt. Als Geschäftsführer der privaten staatlich anerkannten Hochschule Quadriga Universität Berlin sowie der Weiterbildungsinstitute Quadriga Akade-mie Berlin und Deutsche Presseakademie befasst er sich seit Jahren mit den Themen und Trends in Politik und Kommu-nikation.

Die Herausgeber  15

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Grundlagen

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Grundlagen  19

Digital Public Affairs – Lobbyismus im Social Web

Jes­s­ica�Eins­pänner�

Effiziente,­�moderne�Interes­s­envermittlung,­�die�als­�trans­parenter�und�authentis­cher�Dialog�zwis­chen�politis­chen�Ents­cheidungs­trägern�und�Ans­pruchs­gruppen�aus­�Wirts­chaft�und�Ges­ells­chaft�wahrgenommen�werden�will,­�funktioniert�heute�nur�als­�kommunikative�Ges­amts­trategie�unter�Einbezug�des­�Web�2.0.�Digital�Public�Affairs­�nutzt�die�Mechanis­men�und�Prinzipien�des­�Social�Web�(Pers­onalis­ierung,­�Authentizität,­�Kollektivität�und�Trans­parenz),­�um�interes­s­engeleitete�Kampagnen�und�Gras­wurzelbewegungen�zu�initiieren�s­owie�digitale�Multiplikatoren�in�das­�eigene�Is­s­ues­�Management�einzubinden.�

Schlagwörter: Public Affairs, Digital Public Affairs, Web 2.0, Social Media, Social Software, Lobbyismus, Governmental Relations, Politikberatung, PR, Grassroot Lobbying, Astroturfing

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20� Digital Public Affairs

Einleitung

Globalisierungstendenzen und neue Informations- und Kommunikationstechnologien haben das Beziehungsma-nagement von Politik, Wirtschaft und Gesellschaft stark beeinflusst und seine Systematik grundlegend verändert. Die Interaktionsmechanismen und Strategieparameter sind dynamischer und direkter geworden und erfordern reziproke Kommunikation. In den letzten Jahren geriet die konsequente Positionierung von Vertretern aus Industrie, Wirtschaft und Verbänden zur Einflussnahme in der Poli-tik immer stärker in den Fokus öffentlicher Debatten. Neue digitale Kommunikationsmodi via Social Software, mit denen Public Affairs im Informationszeitalter geführt wer-den, erfordern Transparenz, mehr Aktivität und eine stär-kere öffentliche Präsenz auf der Senderseite. Sie ermögli-chen zugleich auch ein neues Maß an Kontrolle und Involve-ment auf Seiten der mittelbar und unmittelbar Beteiligten. Bisher gibt es kaum wissenschaftliche Beiträge oder fun-dierte Erkenntnisse aus der Praxis zur jungen Disziplin der Digital Public Affairs. Daher soll dieser Aufsatz einen Bei-trag leisten, die paradigmatischen Veränderungen der klas-sischen Public Affairs zu beschreiben und für die Theorie und Praxis adäquat und anwendbar zu konzeptualisieren. Doch bevor das Modell der Digital Public Affairs konkret formuliert wird, soll zunächst das Fundament dieser neuen Kategorie erläutert werden. Was ist unter Public Affairs im traditionellen Sinne zu verstehen und welche Mechanismen der digitalen Öffentlichkeit befähigen letztlich die Interes-senvertretung 2.0?

1.�Gegens­tands­bereich�der�Public�Affairs­

Als „Dialog zwischen Wirtschaft, Gesellschaft und Poli-tik“ (Schönborn/Wiebusch 2002: 15) bezeichnet der Begriff Public Affairs (PA) die zielgerichtete, aktive Kommunikati-

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Grundlagen  21

onsarbeit und das Management von strategischen Netz-werken zwischen öffentlichen Entscheidungsträgern und ihren Anspruchsgruppen. Im Mittelpunkt der res publica1 stehen die Interessensvermittlung und -vertretung von Unternehmen, Institutionen, Verbänden, Gewerkschaften oder Nichtregierungsorganisationen (NGOs) im politischen Raum. Ziel der Public Affairs ist es in erster Linie, Meinungs-führende in der Politik und Öffentlichkeit (also z. B. Regie-rungen, Parlamente, Gemeinden, Behörden) im Bezug auf die Gesetzgebung dahingehend zu beeinflussen, dass sich so das wirtschaftliche und politische Klima zugunsten von Unternehmen und Organisationen optimiert (s. Althaus/Geffken/Rawe 2005: 7; Priddat/Speth 2009: 169). Public Affairs als Kommunikationstechnik zwischen Politik und öffentlichen Stakeholdern, d.h. Gruppenmitgliedern, die ein konkretes Interesse an bestimmten politischen Themen vorweisen, ist nicht unbedingt ein neues Modell, im Gegen-teil. „Industrie, Unternehmen und Verbände erkannten schon früh die strategischen Vorteile der geschickten Plat-zierung ihres Personals in Spitzenfunktionen der Ministe-rien“ (Leif 2010: 3). Als Ursprungsland der Public Affairs gel-ten die USA, wo 1954 das Public Affairs Council als Schule für politisch engagierte Manager gegründet wurde. Wäh-rend sich die professionelle Politikkommunikation in Nor-damerika in den darauffolgenden Jahrzehnten als fester Bestandteil des öffentlichen Kommunikationssektors eta-blierte, wächst der Stellenwert der Disziplin in Europa und Deutschland erst seit den 1990er Jahren. Mit dem Umzug der Bundesregierung von Bonn nach Berlin erfuhren nicht nur die Politik und Journalismus in Deutschland eine starke Veränderung, sondern auch die Kommunikationsdisziplin Public Affairs erlebte infolgedessen einen Professionali-sierungs- und Wachstumsschub. Mittlerweile hat sich der

1 Mit dem von Cicero geprägten Begriff „res publica“, der ursprünglich das Gemein-wohl bzw. die legitimierte Öffentlichkeit (eines Staates) bezeichnete (s. z. B. Häberle 2000: 9), lassen sich heute die externen Agenden öffentlicher Akteure als Grundlage der Public Affairs definieren.

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22� Digital Public Affairs

strategische, zielorientierte und adressatenspezifische Dia-logprozess der PA-Kommunikationsarbeit zu einer unab-dingbaren Managementaufgabe öffentlich agierender Ent-scheidungsträger entwickelt. Die sich stetig verändernden politischen, wirtschaftlichen und vor allem medialen Entwicklungen bewirken auf dem Gebiet der politischen Interessenvertretung eine Neuori-entierung, die aufgrund anhaltender Amerikanisierungs- bzw. Globalisierungstendenzen „neoliberale Strukturen“ (Priddat/Speth 2009: 168) erkennen lassen. Der vermeint-lich fragwürdigen „Hinterzimmerpolitik“ (Leif 2010: 8) des Lobbying ist nun eine neue, direktere und professionali-sierte aber auch transparentere und reziproke Kommuni-kation zwischen den beteiligten PA-Akteuren gefolgt, die auch als Multi Stakeholder-Perspektive bezeichnet wird (s. z. B. Priddat/Speth 2009: 168). Deren Kerngedanke ist die explizite Einbindung der Öffentlichkeit in die strategischen Überlegungen der PA-Treibenden – eine Möglichkeit, die vor allem durch die digitalen Medien und Social Web-Anwen-dungen vorangetrieben wird. Ein weiteres Element dieser Trendwende vom konservativen, einseitigen Lobbyismus hin zum offenen, vielfältigen Public Affairs-Management ist das abnehmende Vertrauen in die Arbeit der Verbände, die vormals monopolistisch als Aggregatoren und Vermitt-ler zwischen Unternehmens- und Politikinteressen agier-ten (s. z. B. Höpner 2007, Priddat/Speth 2009: 168, Greven 2009: 76). Folglich gibt es nun nicht mehr die Interessen-vertretung, sondern diverse PA-Bereiche, die eine selbstän-dige Dialogkultur zwischen Staat und Akteuren der Gesell-schaft pflegen und somit zur „kollektiven Demokratie“ (Det-jen 1998: 275) beitragen. Der Perspektivenwechsel in der Public Affairs-Kommunikation, den Politikwissenschaftler als Abkehr von korporatistischen Konzepten und Neuauf-kommen des Pluralismus beschreiben (s. z. B. Detjen 1998, Jarren/Steiner/Lachenmeier 2007, Höpner 2007, Speth 2010), erwirkt zudem eine positivere Perzeption von Interessen-vertretung. Sowohl Praktiker als auch Theoretiker sehen

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Grundlagen  23

im politischen, öffentlichkeitsrelevanten Austausch einzel-ner Gruppen eine der ursprünglichsten Angelegenheiten der Demokratie, die nun durch Zurückgewinnung plurali-stischer Strukturen und einer horizontalisierten Kommuni-kation dem „Gebot der Offenheit“ (Detjen 1998: 276) Folge leisten kann.

Bereiche�und�Ins­trumente�der�Public�Affairs­Public Affairs stellt keine ad hoc greifbare Disziplin dar, son-dern definiert als „Informations- und Kommunikations-prozess“ (Zumpfort 2004: 151) vielmehr eine Oberkategorie politisch relevanter Einflussstrategien, die sich aus mehre-ren, sich gegenseitig komplementierenden, Teilbereichen des Kommunikationsmanagements zusammensetzt. Diese einzelnen Bereiche sind die Instrumente der Public Affairs, die auch solitär eingesetzt bereits eine PA-Strategie darstel-len. Man findet sie deshalb nicht nur unter PA subsumiert, sondert vereinzelt auch als synonym verwendete Begriff-lichkeiten. Die relevantesten Teilbereiche der klassischen PA, explizit Politikberatung, Lobbying, Governmental Rela-tions und Media Relations sollen im Folgenden kurz erläu-tert werden.

PolitikberatungDer Einsatz von professionellen PolitikberaterInnen zählt zu den prominentesten Methoden der Public Affairs. Dieses, in Deutschland noch recht junge Berufsfeld, begreift sich als professionelle Beratungs- und Vermittlungsstelle zwischen der Politik und ihren Stakeholdern in der Öffentlichkeit. In diesem Fall geht nicht selten der Impuls von der Politik selbst aus, die den Kontakt zu einflussreichen Akteuren in Industrie, Wirtschaft, Wissenschaft und Gesellschaft sucht. Die Aufgabe von politischen Beratern ist es, politisch rele-vantes Wissen zu schaffen, verständlich aufzubereiten und Problemlösungen vorzuschlagen. Politische Entscheidungs-träger benötigen wissenschaftliche oder fachbezogene Informationen, Hinweise und professionelle Ratschläge,

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24� Digital Public Affairs

da sie selbst „nicht unbedingt Strategen für Kommunika-tion und Fachleute für spezielle Sachthemen sind“ (Radun-ski 2006: 316). Dabei kann zwischen internen und externen BeraterInnen unterschieden werden. Erstgenannte sind in Deutschland z. B. die wissenschaftlichen MitarbeiterInnen bzw. der wissenschaftliche Dienst des Deutschen Bundes-tages, die den Abgeordneten zur Seite stehen. Der Aufgaben-bereich externer Politikberater (auch spin doctors genannt), der häufig als „Polit-Marketing“ bezeichnet wird (z. B. Pfetsch 2000: 7), umfasst unter anderem das Beziehungsmanage-ment und das Schulen im Umgang mit den Massenmedien sowie das Entwickeln ausgeklügelter, innovativer Wahl-kampfstrategien. Gerade in Zeiten von Wahlkämpfen gilt es, die Interessen von Parteien – bzw., wie z. B. in den USA üblicher, einzelner KandidatInnen – in der Öffentlichkeit durchzusetzen, um so nicht zuletzt von der Wählerschaft Zuspruch zu erhalten. Zu den Orten, an denen politisch bedeutsames Wissen gesammelt und weiterverbreitet wird, gehören neben den Ministerien und politischen Einrichtungen Forschungszen-tren, Think Tanks oder Public Affairs Agenturen. Letztere werden explizit für PA-Angelegenheiten von Unternehmen oder anderen gesellschaftlichen Akteuren (weniger von der Politik selbst) unter Vertrag genommen und sind daher auf professionelle, qualitative PA-Maßnahmen spezialisiert. Sie vermitteln die richtigen Ansprechpartner in der Politik, organisieren Kampagnen und entwickeln auftraggeberge-rechte Lobbyingstrategien. Der entscheidende Faktor neben Professionalität und Loyalität, nach dem Politikberate-rInnen engagiert werden, liegt in der Breite und Gestaltung ihrer Netzwerke. Denn je einflussreicher die Kontaktper-sonen und je wertvoller die Bekanntschaft mit ihnen, umso eher wird es den PA-Agenten möglich, in die relevanten politischen Prozesse und Gesetzesproduktionen einzugrei-fen (Priddat/Speth 2009: 176).Damit sich in Deutschland ein gewisser Standard im Hin-blick auf die Aus- und Weiterbildung qualifizierter PA-Bera-

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Grundlagen  25

terInnen durchsetzen kann, gründete sich im Jahr 2002 die Deutsche Gesellschaft für Politikberatung (Degepol) in Ber-lin. Ziel ist es, zur Etablierung des Berufstandes beizutragen und ein einheitliches Ethos zu entwickeln:

„Politikberaterinnen�und�Politikberater�haben�eine�Vermittlungs­-

funktion�zwis­chen�Wirts­chaft,­�Politik�und�Öffentlichkeit.�Dies­�s­tellt�

s­ie�vor�die�Aufgabe,­�einers­eits­�die�Interes­s­en�ihres­�Auftraggebers­�zu�

wahren,­�anderers­eits­�die�Wahrung�des­�Gemeinwohls­�als­�Ziels­etzung�

von�Politikberatung�auch�bei�der�Durchs­etzung�individueller�Interes­-

s­en�eines­�Auftraggebers­�zu�berücks­ichtigen“�(www.degepol.de).

Die Degepol ist ein offensichtliches Beispiel für das sich wandelnde Verständnis von Public Affairs und die wach-sende öffentliche Akzeptanz für das professionelle Manage-ment politisch und gesellschaftlich bedeutungsvoller Bezie-hungen.

LobbyingLobbying (oder Lobbyismus) ist eine spezielle Form der Inte-ressenkommunikation und ist – wenngleich sehr promi-nent als Begriff für politische Einflussnahme verwendet – vielmehr ein Teilbereich bzw. Instrument der Public Affairs (s. z. B. Schönborn/Wiebusch 2002: 29, Bentele 2007: 15, Prid-dat/Speth 2009: 170). Die Hauptaufgabe der Lobbyarbeit besteht im Informieren und Überzeugen von politischen Entscheidungsträgern hinsichtlich bestimmter (eigener) Unternehmens- oder Organisationsvorhaben. Von hoher Relevanz sind zudem Aufbau und Pflege der Netzwerke (z. B. im Rahmen sog. parlamentarischer Abende oder Mittags-veranstaltungen) sowie das Beobachten (Monitoring) und Evaluieren des politischen Prozesses. Zum klassischen Akteursfeld des Lobbyismus gehören in Deutschland vor allem Verbände und (Wirtschafts-) Unter-nehmen; zu den aktuelleren Organisationsformen zäh-len PA-Agenturen oder Beratungsfirmen (s. z. B. v. Aleman/Eckert 2006: 4). Lobbying im konventionellen Sinn versteht

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26� Digital Public Affairs

sich auf direkte, punktuelle Beeinflussung, d.h. es bezieht sich auf eine diskrete, eindimensionale Interessenvertre-tung „in kleiner Runde“ (Bentele 2007: 15), schließt die Allgemeinheit somit aus. Aufgrund dieser Exklusivität ist eine öffentliche Kontrolle der Lobbyarbeit im Grunde nicht möglich, „wodurch sich zwangsläufig Fragen bezüglich der demokratischen politischen Kultur und der Funktionsfähig-keit des politischen Systems stellen“ (Speth 2010: 15). Häu-fig wird moniert, die Praktiken von Lobbygruppen seien zu undurchsichtig und zu wenig auf den gesamtgesellschaft-lichen Vorteil ausgerichtet. Dass lobbyistische Einflusstak-tiken, die nicht auf allen Seiten Konsens erzielen (können), letztlich zu einem pejorativen Gesamtbild in der Öffentlich-keit geführt haben, ist nicht zuletzt diversen Skandalen in der Vergangenheit geschuldet. Meistens geht es hier um aufgedeckte Spenden- oder Sponsorenaffären, die den Ein-druck mangelnder Transparenz und somit unlauterer Ein-flussnahme vermitteln. Mittlerweile haben sich zahlreiche Initiativen gegründet, die gegen die vermeintlich dubiosen Taktiken von Lobbygruppen angehen und potenzielle Miss-stände der Lobbyarbeit aufzudecken versuchen. LobbyCon-trol beispielsweise ist ein gemeinnütziger Verein, der „über Machtstrukturen und Einflussstrategien in Deutschland und der EU aufklären“ und der „Entmachtung der Bürge-rInnen“ entgegen wirken will (www.lobbycontrol.de). Jedoch wird an vielen Stellen die zentrale Bedeutung der Lobbyarbeit für das demokratische System hervorgehoben (s. z. B. Bender 2004, v. Aleman/Eckert 2006) und gefordert, Interessenvertretung nicht „unter Generalverdacht“ zu stel-len (Kleinfeld/Willems/Zimmer 2007: 11). Demnach ist eine gesunde Skepsis gegenüber Lobbying durchaus opportun, die Repräsentanz und Konkurrenz verschiedener Akteure in der Öffentlichkeit, die relevante Themen (Issues) der Gesell-schaft kontrovers diskutieren, jedoch eine wesentliche Determinante des demokratischen Willensbildungspro-zesses und Fundament eines verbesserten Allgemeinwohls. Diese Auffassung, die konzeptionell dem Korporatismus

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entsagt, prägt den modernen Lobbyismus, den man durch-aus synonym zu den Public Affairs denken kann. Dieser ist weniger exklusiv und an einen eingeschränkt definierten Empfängerkreis gewandt, sondern gestaltet sich zuneh-mend transparenter und offener.

Governmental Relations/Governmental AffairsDieses Teilgebiet der Public Affairs konzentriert seine Inte-ressenkommunikation ganz gezielt auf den Regierungssek-tor. Hierbei können Akteure sowie Bezugsebenen unter-schiedliche Dimensionen annehmen: So beschäftigen sich neben wirtschaftsstarken Konzernen oder maßgebenden Organisationen auch immer mehr kleinere Unternehmen und Institutionen mit der gezielten Beziehungspflege zu lokalen, nationalen oder internationalen Regierungsein-richtungen (s. Schönborn/Wiebusch 2002: 25). Auch hier wird mit Taktik und Strategie versucht, die Gesetzgebung für den eigenen Wirkungskreis günstig zu beeinflussen, „schließ-lich ist es die Politik, die mittels Auflagen, Verordnungen, Gesetzen und Entscheidungen das gesamte Handeln eines Unternehmens bestimmt“ (Greven 2009: 21). Dabei erfor-dern Governmental Relations insbesondere ein planerisches und vorausschauendes Vorgehen, denn „wenn ein Gesetz schon verabschiedet ist, lässt sich nur noch schwer Einfluss darauf ausüben“ (ebd.: 8).Dass der Kontakt von z. B. Unternehmen aus eigenen PA-Abteilungen aktiv und direkt in die Regierungskreise erfolgt, erklärt sich vor allem mit der so entstehenden, individu-ellen Einflussmöglichkeit, die bei einer mittelbaren Vertre-tung über Verbände oder Kammern nicht garantiert werden kann. Im Sinne der neopluralistischen Ideologie verschaffen sich so einzelne Stakeholder einen privilegierten Zugang zur Politik. Dabei spielt jedoch weniger die Größe des Netz-werkes denn vielmehr die Qualität des jeweiligen Kontakts in die Regierungskreise eine entscheidende Rolle. „Nur jene Entscheidungsträger sind wirklich wichtig, die tatsächlich mit dem Unternehmensgegenstand vertraut sind“ (Greven

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2009: 22). Zur effizienten Beziehungspflege im Bereich der Government Relations gehört daher vor allem eine kon-stante Kommunikation und ein kontinuierlicher Informa-tionsfluss, von dessen Synergien beide Seiten profitieren können.

Media Relations und Public RelationsDie Medien spielen bei der Durchführung und dem Manage-ment von Public Affairs eine essentielle Rolle, da sie seit jeher eine einflussreiche Macht der Meinungsbildung dar-stellen. Massenmedien (Print, Rundfunk, Internet) sind nicht nur Vermittler der Kommunikationsinhalte zwischen den PA-Akteuren, sondern können zugleich zu einer eige-nen Interessensgruppe avancieren, um deren Gunst gewor-ben werden soll. Im Vergleich zu den vorher genannten PA-Bereichen steht die Politik bei den Media Relations (MR) weniger offensichtlich im Mittelpunkt der Kommunikati-onsbestrebungen. Vielmehr sind politische Entscheidungs-träger neben anderen öffentlichen Stakeholdern eines PA-Akteurs mittelbare Adressaten, die über den Weg der mas-senmedialen Kanäle indirekt informiert und beeinflusst werden sollen. Nicht selten werden die Massenmedien von Unternehmen und Organisationen instrumentalisiert, um so zusätzlich Druck auf die Politik auszuüben (Greven 2009: 32) oder um ein bestimmtes Bild in der Öffentlichkeit zu vermitteln. Beim PA-Instrument Media Relations wird also in erster Linie versucht, JournalistInnen und mediale Mei-nungsführer von Unternehmens- oder Organisationsvorha-ben zu überzeugen, um dann in den öffentlichen, von Ent-scheidungsträgern rezipierten Medienkanälen eine positive Berichterstattung zu erwirken (s. Lies 2008: 330). Der Vorteil in der direkten Kontaktaufnahme zu Medien-schaffenden liegt vor allem in der Glaubwürdigkeit, die JournalistInnen zugesprochen wird. Im Gegensatz zu Wer-beanzeigen ist ein redaktioneller Beitrag zudem nicht nur günstiger, sondern auch weitaus überzeugender und somit zweckdienlicher für die PA. Weitere Maßnahmen der MR

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sind neben dem persönlichen und direkten Kontakt zu Medienvertretern auch das Zusammenstellen von Pressein-formationen, -fotos und Grafiken (Lies 2008: 331).Im Unterschied zu den Media Relations, bei denen es kon-kret um die Beziehung zu JournalistInnen geht, ist das Adressatenspektrum bei den Public Relations (PR) um die allgemeine Öffentlichkeit erweitert. „PR stellt sich als ein publizistisches Teilsystem dar, dessen Funktion in der Her-stellung und Verbreitung von Themen für die öffentliche Diskussion besteht“ (Raupp 2005: 148). Die klassischen PR-Treibenden sind Unternehmen, Organisationen und Insti-tutionen. Sowohl Media- als auch Public Relations sind Dis-ziplinen, die nicht PA-exklusiv sind, sondern zu den festen Bestandteilen allgemeiner Öffentlichkeits- und Kommuni-kationsarbeit zählen. Inwiefern beide Bereiche als Instru-mente der politischen Interessenvertretung zu werten sind, muss fallspezifisch abgewogen werden.

Die hier genannten Teilbereiche der Public Affairs lassen sich nicht nur um weitere Spezialgebiete ergänzen, sondern sind in sich selbst mitunter noch detaillierter ziselierbar. Oftmals meinen die verschiedenen PA-Begriffe das Gleiche und zeigen, dass der Public Affairs-Sektor „von einem baby-lonischen Sprachgewirr beherrscht ist“ (Schönborn/Wie-busch 2002: 22). Mit der in diesem Kapitel und dem vorlie-genden Band getroffenen Auswahl an PA-Schwerpunkten soll ein spezifischer Fokus gesetzt werden, der die bedeut-samsten Teilbereiche zusammenfasst und so als ein theo-retisches Fundament für das neue, bisher wissenschaftlich nicht klar umrissene Feld der Digital Public Affairs dienen kann. Der nächste Abschnitt widmet sich zunächst den zugrunde-liegenden medialen Mechanismen, die diesen jungen PA-Bereich erst befähigen, bevor danach konkret auf die Beson-derheiten der Digital PA eingegangen wird.

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2.�Das­�Social�Web

Schnellere Internetverbindungen, verringerte Kosten und hohe Kompetenzen seitens der InternetnutzerInnen haben neue, spezifische Anwendungen und Funktionen des World Wide Web herangebildet, die in ihrer (sozialverändernden) Auswirkung derart einschneidend sind, dass sie zusam-mengefasst ein „neues Internet“ bezeichnen: das Web 2.0 bzw. – synonym verwendet2 – das Social Web. Das entschei-dende Charakteristikum des Web 2.0 sind die nutzergene-rierten Inhalte (user generated content), die das Angebot einer bestimmten Internetseite durch die individuellen Aktionen der NutzerInnen stetig verändern, anreichern und somit „das Etikett ‚sozial‘ erst begründen“ (Schneider 2008: 116). Mit technisch unkomplizierten Internetapplikationen, der sogenannten Social Software (auch: Social Media), ist es auch unerfahrenen NutzerInnen möglich, eigene Inhalte multimedial im Web zu publizieren. Durch Wikis, soziale Netzwerke bzw. Onlinecommunities, Pod- und Videocasts, Weblogs oder Social Bookmarking etc., ist ein „bewegliches diskursiv-operatives Netz entstanden“ (Reichert 2008: 9), bei dem sich die NutzerInnen selbst eher als „aktiv ermächti-gende“ (ebd.) Produzenten sehen denn als passive Konsu-mierende.Neben der Eigenschaft, eigens kreierte Inhalte zu publizie-ren, können noch vier weitere, das Social Web konstituie-rende Merkmale festgesetzt werden: die Prinzipien der Per-sonalisierung, Authentizität, Kollektivität und Transparenz. Erstgenanntes bezieht sich auf das neue Verständnis von „öffentlicher Privatheit“. Menschen im Web 2.0 kommuni-zieren nicht nur in einer Eigenschaft als Rollen- oder Funk-tionsträger ohne Namen oder persönliche Bezüge, sondern identifizieren sich bewusst über die eigene, reale Identität. So stellen sie der Allgemeinheit private Daten zur Verfügung,

2 Siehe zur Definition und detaillierten Unterscheidung zwischen Web 2.0 und Social Web Ebersbach/Glaser/Heigl 2008.

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geben Gedanken und Gefühle preis, laden persönliche Fotos oder Videos hoch, und geben via Statusmeldungen bekannt, wo sie sich gerade weshalb befinden. Diese Selbstoffenba-rung (self disclosure) ist wesentliches Eintrittskriterium in ein Web 2.0-Netzwerk; oft kommen virtuelle Gemein-schaften nur dadurch zustande, dass die NutzerInnen Infor-mationen über sich preisgeben (s. Reinecke/Trepte 2008). Damit steht das Prinzip der Personalisierung im Gegensatz zu dem proklamierten Wesensmerkmal des Web 1.0 – der Anonymität und der Interaktion unter der Absenz von Social bzw. Demographic Cues (s. z. B. Döring 2003). Das zweite Merkmal, das Prinzip der Authentizität, ist mit der Offen-kundigkeit der Useridentität eng verbunden. Gefälschte Bei-träge oder erfundene Identitäten können zum Ausschluss aus der spezifischen Webcommunity führen, zumindest entkräften sie die Glaubwürdigkeit des Nutzers. Durch die starke Vernetztheit der User und Postings untereinander können sich bestimmte Meldungen rasch verbreiten und hohe Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Die Wahrscheinlich-keit der Enttarnung einer gefälschten Mitteilung ist damit drastisch erhöht, die digitale soziale Exklusion des Produ-zenten ebenso. Dies ist vor allem bei kommerziell genutzten bzw. prominenten Webprofilen (z. B. Firmen- oder Politiker-accounts etc.) ein Problem, da diese (zweckgemäß) von einer breiten Öffentlichkeit verfolgt werden und die Aufdeckung eines kommunikativen Web-Fauxpas (beispielsweise als Ghostwriting bekannte gefälschte Produktrezensionen oder Wählerkommentare) das betreffende Unternehmen oder die PolitikerIn in Misskredit bringen können. Dass Authentizi-tät im Social Web ein unabdingbares Kommunikationskrite-rium ist, erklärt sich auch aus dem dritten Prinzip: Kollekti-vität. Der Web 2.0-Mechanismus basiert auf dem Gedanken der kollektiven Intelligenz (s. Surowiecki 2005, Tapscott/Wil-liams 2006), dem Wissen der Gemeinschaft. Darunter ver-steht man im Social Web das aus dezentral kreierten indivi-duellen Inhalten entstehende Ganze (einer Webseite). Ein-zelne User integrieren sich demnach in die Webcommunity

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und entwickeln den Inhalt der Seite stetig mit, indem sie ihren eigenen Beitrag leisten und Mitteilungen veröffentli-chen. Ein typisches Beispiel dafür sind Wikis; Onlineplatt-formen, auf denen durch einen selbstorganisierten Grup-penprozess Wissen zusammengetragen, diskutiert und der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt wird. Im Mittelpunkt der Interaktion steht folglich die Gruppe, „Einzelkämpfer, die auf Kosten der Community arbeiten, werden nicht gerne gesehen“ (Ebersbach et al. 2008: 31) – noch weniger unehr-liche „Fake“-Persönlichkeiten. Als das letzte wesentliche Merkmal des Social Web ist das Prinzip der Transparenz definiert. Dieses ergibt sich aus der typischen Web 2.0-Architektur, die mit zahlreichen seman-tischen Querverweisen in Form von Hyperlinks unzähl-bare Verbindungen zu Webseiten, Themen und Personen herstellt. Transparenz im Web 2.0 meint aber nicht nur die Möglichkeit, Inhalte zu verlinken und damit Quellen offen-zulegen (häufig bei journalistischen oder anderen Recher-chetexten), sondern auch das Sichtbarmachen von Hand-lungen und Userinteraktionen. Für das Prinzip der Transpa-renz kann somit das Gleiche angenommen werden wie für das Prinzip der Authentizität: Quellen, Userrolle und eigene Beiträge sollen echt, wahr und nachprüfbar sein. Kollabo-rative und sich auf einander beziehende Beiträge ent- und bestehen nur, wenn die entsprechenden Inhalte der ande-ren User ersichtlich und nachvollziehbar sind. Web 2.0-Internetseiten funktionieren nur mit den Beiträgen ande-rer User, z. B. mit Kommentaren, Antwortpostings oder Wis-senskontribution. Dadurch, dass solches Feedback für alle einsehbar ist, werden weitere Kommentare angeregt. Das Sichtbarwerden von dem, „was andere sagen, denken und tun“ (Schenk/Taddicken/Welker 2008: 248), beeinflusst folg-lich das eigene Verhalten. Die Art der Many-to-Many-Kom-munikation verstärkt die Chancen, selbst aktiv zu werden. Durch regelmäßige, interessante Postings, die der Commu-nity einen echten Mehrwert bieten, wird man im Netzwerk stärker wahrgenommen und kann so seine Reputation (im

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Web) steigern (s. a. Ebersbach et al. 2008: 183). Dass die eige-nen und vor allem andere Beiträge, auf die der User referen-zieren möchte, authentisch und glaubwürdig sein sollten, versteht sich dabei von selbst. Die vier Prinzipien des Social Web sind sichtbar eng miteinander verknüpft und auch definitorisch schwer von einander abgrenzbar.

Die vielfältigen Kommunikationsmöglichkeiten und Inter-aktionsmechanismen des Social Web gelten in der ideolo-gischen Vorstellung der sog. Webenthusiasten bzw. Cyber-optimisten als Perfektion der Habermas’schen diskursiven Öffentlichkeit, die den mündigen BürgerInnen die Gelegen-heit zu basisdemokratischem Aktivismus bietet und den Austausch kontroverser und politisch relevanter Gedan-ken begünstigt. Durch die Mediatisierungsprozesse in der modernen Gesellschaft hat sich eine neue Öffentlichkeit konstruiert, in der sich politische Partizipationskulturen herausbilden, die dem Postulat des deliberativen Demokra-tiemodells zu entsprechen scheinen. Mittels Social Software können Kommunikationsinhalte nicht nur selbst originär hergestellt, sondern auch modifiziert und im Netz distribu-iert werden. Somit vollzieht sich ein kategorialer Öffentlich-keitswandel, bei dem nun jeder Einzelne Medienproduzent sein kann, ohne den traditionellen Statusansprüchen einer öffentlichen Instanz (z. B. Massenmedien) genügen zu müs-sen. Diese Entwicklung beeinflusst die konventionelle Kon-trollordnung des Informationsflusses: Die politische, öko-nomische und soziale Agenda im Netz wird kraft digitaler Partizipationsmöglichkeiten via Weblogs, Foren, Video- und Podcasts oder Onlinecommunities nicht ausschließlich von den Massenmedien (bzw. mittelbar durch die Politik oder Wirtschaftsunternehmen) in einem hierarchischen Top-down-Gebilde bestimmt, sondern von den NutzerInnen bottom-up selbst dirigiert. An diese These knüpft sich die Hoffnung auf Perfektion des „normativen Prinzips der Bin-dung des politischen Prozesses an den Willen des demokra-tischen Souveräns, der Bürgerinnen und Bürger“ (Jarren et

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al.: 2007: 9). Nach Maßgabe partizipatorischer und delibe-rativer Demokratiemodelle stehen folglich die selbststän-dige, aktive Interessenartikulation der BürgerInnen und der dadurch geschaffene gemeinsame Handlungsraum im Mittelpunkt neuer Öffentlichkeitstheorien für die digitale Netzwelt.

3.�Interes­s­envertretung�2.0:�Das­�Konzept�der�Digital�Public�Affairs­

Für die Interessenvermittlung, die für die „Artikulation, For-mierung und Weitergabe des Volkswillens an die bestellten politischen Entscheidungsträger“ (Rucht 2007: 25) zuständig ist, stellt sich die Frage, wie die eben beschriebene Form des digitalen Diskurses nun im Sinne der Public Affairs nutzbar organisiert werden kann. Moderne PA-Maßnahmen haben besonders dann Aussicht auf Erfolg, wenn sie im Zuge der neopluralistischen Strömungen Einzelinteressen Aufmerk-samkeit schenken und die Bevölkerung zunehmend inklu-dieren. Digital Public Affairs stellt sich diesen Anforderungen und nutzt das Social Web als Motiv. Die beschriebenen Kom-munikationsmechanismen der nutzergenerierten Internet-plattformen stellen eine optimale Herausforderung dar, die Trendwende in der Interessensvertretung und im vermeint-lich undurchsichtigen Lobbyingmilieu zu kultivieren. Die explizite Einbeziehung der Öffentlichkeit in den stattfin-denden und zukünftigen, interessengeleiteten Diskurs im Social Web ist das wesentliche Charakteristikum der Digital PA und kann als wichtigste Neuerung zur klassischen Public Affairs-Domäne angesehen werden. Hinsichtlich der Ziele und Zweckbestimmung lassen sich Digital Public Affairs als eine Ausweitung der klassischen PA beschreiben: Digital Public Affairs ist eine Form der Interes-senvertretung, bei der hauptsächlich – jedoch zusätzlich zu den erprobten Kommunikationsmitteln – die Mechanismen des Web 2.0 zur Einflussgewinnung auf die Politik genutzt

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werden. Dabei ist die Anwendung der Social Software natür-lich nicht auf stationäre Zugriffe beschränkt, im Gegenteil. Die Digital PA-Betreibenden verstehen sich als innovative Strategen, welche die Nutzung neuer Technologien in ihrem Metier propagieren. So werden z. B. auch mobile Endgeräte mit Internetzugang (Smartphones, Notebooks etc.) zur digi-talen Interessenvertretung verwendet, da der (professio-nelle) Umgang mit dem Internet bzw. den neuen Medien eine regelmäßige Präsenz bis hin zur „Always On“-Ver-bindung verlangt. Steter Input und entsprechendes Feed-back ist für den digitalen Dialog unerlässlich. Das definito-rische Fazit kann lauten: Bei Digital Public Affairs werden die Medien, und im Speziellen das Medium Internet, nicht mehr als „Umweg“ begriffen (Priddat/Speth 2009: 177), son-dern als wesentliches Instrument, mit dem sich die anvi-sierten Ziele durchsetzen lassen.

Werkzeuge�und�Techniken�der�Digital�PA

Digital Public Affairs im offenen Dialog: informieren, involvieren, mobilisierenAls strategische Eckpunkte eines erfolgreichen Digital PA-Managements schlägt die E-Plus-Gruppe, die als Vorreiter der jungen Public Affairs-Disziplin gilt, in ihrem Blog UDL Digital drei Schritte vor: informieren, involvieren, mobili-sieren (Bender 10.06.2010; s. hierzu auch Kriwoj in diesem Band). Hinter diesem Dreiklang stecken die Essentialia für eine wirksame Interessenvertretung im und über das Social Web. Information ist die Währung der digitalen Welt. Es gilt, die Aufmerksamkeit der WebnutzerInnen mit inte-ressanten, möglichst unikalen und anregenden Inhalten auf sich zu ziehen und ihnen im informationsüberfluteten Kosmos des Internets einen informationellen Mehrwert zu bieten. Die Vermittlung der Informationen sollte, aufgrund der fragmentierten Aufteilung des Web 2.0 in einzelne Teil-öffentlichkeiten, auf möglichst vielen Kanälen konzer-tiert geschehen (Weblogs, soziale Netzwerke wie Facebook,

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Microbloggingdienste wie Twitter, Youtube etc.). Durch die Vernetzbarkeit der einzelnen Plattformen untereinander werden dabei zwar einige, sehr informierte User dieselbe Botschaft mehrfach erhalten, jedoch kann die Reichweite nur durch Crossposting auf Dauer gehalten bzw. erhöht wer-den. Um die Inhalte ansprechend zu gestalten, d.h. um seriöse und profunde Nachrichten zu übermitteln, müssen Digi-tal PA-Betreibende in erster Linie selbst gut informiert sein. Dies schließt eigenständige Recherche neben fachlicher Expertise mit ein. Das Besondere, das die publizierten Nach-richten dann einzigartig macht, ist weniger eine explizite (artifizielle) Unterrichtung der Öffentlichkeit, sondern die Ermöglichung der Einblickgewinnung in die Arbeit der Digi-tal PA-Treibenden. Dies bedeutet, dass bestimmte Inhalte nicht zwangsläufig für die Interessierten aufbereitet wer-den, sondern akquiriertes Wissen (z. B. Informationen zu einem neuen Gesetz, Kommissionsberichte, E-Petitionen etc.), das den Digital PA-Experten selbst als Handlungsquell dient, allgemein verfügbar gemacht wird und zur Diskus-sion auffordert. So fungieren die „digitalen Lobbyisten“ nicht nur als Distributoren von sonst für die Öffentlichkeit schwer zugänglichen – da speziellen – Informationen, son-dern auch als Aktivatoren und Katalysatoren einer politisch relevanten Debatte. Durch regelmäßige Postings und neue, interessante Links kann sich auf Dauer ein fester Userstamm bilden, der die angebotenen Inhalte neugierig verfolgt und den Erfahrungsstand der Digital PA-Manager selbst mit wertvollen Hinweisen anreichert. Diese Community heißt es also zu involvieren, und in den Diskurs einzubringen. Gelegenheiten hierfür bieten sich sowohl online durch die Bereitstellung eigener Erkenntnisse oder Rechercheinhalte, in die dann Ideen, Vorschläge und Kritik der „Follower“ ein-zuarbeiten sind, als auch offline im Rahmen von Meetings und Diskussionsrunden. Der Gedanke hinter der Auswei-tung des Onlinediskurses in die Offlinewelt ist vor allem der Wunsch nach einer tiefgründigeren Auseinandersetzung

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mit der fachkundigen Community. Die Ziele des konstanten Dialogs sind:

“not�only�to�pers­uade�your�people�to�become�advocates­�for�your�is­s­ues­,­�

but�als­o�to�educate�them�about�the�legis­lative�proces­s­,­�provide�acces­s­�

to�elected�repres­entatives­,­�create�a�s­ens­e�of�teamwork,­�and�recognize�

s­tellar�advocates­”�(Showalter/Fleis­her�2005:�111).

Der Einbezug von interessierten NetznutzerInnen in die Public Affairs eines Unternehmens oder einer Organisation schafft also nicht nur einen demokratischeren Rahmen von Interessenvertretung, sondern gibt den PA-Strategen auch neue Methoden der Einflussnahme an die Hand. Mit Offen-legung des Bürgerwillens entsteht ein gewichtiges Druck-mittel, das in verschiedenen Situationen auf den politischen Prozess einwirken kann. Ziel der Digital Public Affairs ist es so, „eine positive Veränderung der gemeinsamen Anliegen herbeizuführen“ (Bender 10.06.2010). Bürgerinvolvement wird besonders in Wahlkämpfen rele-vant, in denen die Partizipation des Einzelnen zur Beein-flussung des politischen Prozesses maßgeblich ist. Mithilfe von Social Media können sich die BürgerInnen nun noch einfacher, schneller und interaktiver in eine Wahlkampa-gne einbringen. Als exemplarisch gilt der vielzitierte Online-wahlkampf Barack Obamas 2008 (s. z. B. Fliegauf/Novy 2009, Einspänner 2010, Thimm 2010), bei dem Millionen US-Bür-gerInnen neben der gewohnten Offlinepartizipation durch Freiwilligendienste als Kampagnenhelfer auch durch das Kreieren eigener Onlineinhalte zum Gelingen der größten Graswurzelbewegung der Geschichte beigetragen haben. Doch nicht nur in den USA, sondern auch in anderen Län-dern hat sich das Social Web bereits als Tool für politische Partizipation im öffentlichen Kommunikationsprozess her-vorgetan, wie das Beispiel von Twitter, das als Medium zur Umgehung der Pressezensur während der Wahlen im Iran 2009 genutzt wurde, zeigt, oder wie es auch anhand der digitalen Bürgerbewegung gegen die geplanten Internet-

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sperren in Deutschland („Zensursula“) abzulesen ist. Dieses Mobilisieren der relevanten Community für gemeinsame politische Aktionen, wie die Digital PA-Manager der E-Plus Gruppe den dritten Schritt ihrer Strategie beschreiben, ist ferner unter den Begriffen Grassroot Lobbying oder Multi-Voice-Lobbying bekannt.

Grassroots Lobbying, Multi-Voice-Lobbying und AstroturfingDas Involvieren und aktive Mobilisieren von Stakehol-dern gehören zu den entscheidenden Techniken der Digi-tal Public Affairs. Der „grassroot input“ wird hierbei gezielt als Werkzeug zur Beeinflussung der Gesetzgebung einge-setzt (Showalter/Fleisher 2005: 110). Bereits in den 80er und 90er Jahren des vergangenen Jahrhunderts wurde Grass-roots Lobbying in den USA als strategischer Zugewinn der PA-Kommunikation gesehen, jetzt – mithilfe der digitalen Möglichkeiten, schnelle und größer angelegte Graswurzel-bewegungen zu organisieren – „it’s essential for accompli-shing favorable legislative outcomes“ (ebd.). Der Erfolg einer Graswurzelkampagne im Sinne der lobby-istischen Einflussgewinnung hängt von der Motivation und den Bedürfnissen der Unterstützer ab, die es daher in die PA-Planungen zu integrieren gilt (s. Meier 2009: 129). Das Ent-wickeln neuer Taktiken, um mit den Beteiligten in Kontakt zu treten, stellt dabei eine besondere Herausforderung für PA-Manager dar. Das Social Web unterstützt dieses Vorha-ben durch die enge Vernetzung der einzelnen Plattformen: Auf diese Weise können über mehrere Kanäle die Interes-sen Einzelner gebündelt werden. Der Vorgang des derart generierten Einflusses durch die Kooperation und Vernet-zung unterschiedlicher Akteure nennt man auch Multi-Voice-Lobbying (s. z. B. Priddat/Speth 2009). Je nach Ziel und Zweck der politischen Kampagne, die nicht notwendiger-weise eine wahlbezogene Kampagne sein muss, geschieht eine Grassroots- bzw. Multi-Voice-Lobbying-Kampagne üblicherweise in vier Schritten (s. Meier 2009: 129): Nach dem Formulieren des konkreten Kampagnenziels (1), z. B.

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der Änderung eines Gesetzesvorhabens, werden die rele-vanten Ansprechpartner bzw. Zielgruppen identifiziert (2) und die einzelnen Kampagnenbotschaften festgelegt (3). Schließlich erfolgt die Auswahl der PA-Instrumente (4), z. B. der adäquate Gebrauch von Onlinemedien, die dann zur Erreichung des Ziels eingesetzt werden sollen. Ein entschei-dender Vorteil des Grassroots Lobbying (sowie der meisten Digital PA-Techniken), ist vor allem die Kosteneffizienz, da mit einem geringen Einsatz (Web 2.0-Applikationen) viele UnterstützerInnen auf einmal gewonnen werden können. Damit wächst das Druckpotenzial, mit dem mehr und mehr Menschen, die sich in der Kampagne engagieren, politische Forderungen durchsetzen können. Gerade diese vermeintliche Überschaubarkeit in der Organi-sation einer politischen Graswurzelbewegung und die viel-versprechenden Aussichten einer gelungenen Aktion füh-ren in manchen Fällen zum Missbrauch dieser PA-Strategie: Als sogenanntes Astroturfing bezeichnet man die gezielte Anwendung von Elementen des Grassrootslobbying durch Unternehmen oder andere Einflussgruppen, „um in der Öffentlichkeit den (fälschlichen) Eindruck einer Bürger-bewegung entstehen zu lassen“ (Speth 2010: 14). Bekannt geworden ist diese Art der vorgetäuschten Graswurzelbe-wegung durch Astroturfingversuche von John McCain, dem republikanischen Gegenkandidaten von Barack Obama im US-Präsidentschaftswahlkampf 2008, der mit dem Aufruf „Tell the Web“ Bonuspunkte für User verteilte und sie mit Gutscheinen lockte, wenn sie sich in Webforen oder Blogs positiv über ihn und seine Wahlkampagne äußerten (s. S. 40). Dazu präsentierte McCain nicht nur eine Liste mit mög-lichen Weblogs (vor allem auch demokratisch gesinnten), auf denen man sich für den Kandidaten einsetzen sollte, sondern stellte gleichzeitig auch vorformulierte Kommen-tare auf seine Internetseite, die ein Astroturfer dann nur zu kopieren und auf einer vorgeschlagenen Webseite ein-zufügen brauchte. Nach jedem Posting erhielt dieser eine bestimmte Anzahl von Bonuspunkten, die er schließlich

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gegen diverse Preise (z. B. Bücher, VIP-Tickets für McCain Kampagnenauftritte etc.) einlösen konnte. Mit dieser Aktion verfehlte McCain nicht nur die eigentliche Ideologie einer Graswurzelbewegung, nämlich dass sich die Unterstütze-rInnen einer Graswurzelkampagne aus freien Stücken und aus tiefer Überzeugung daran beteiligen, er verlor dadurch sehr an Glaubwürdigkeit. Wenngleich mit Hilfe von Social Media zahlreiche Plattformen Gelegenheiten zum Initiie-ren von gefälschten Graswurzelbewegungen bieten mögen und dies für Kampagnenführer eine attraktive Möglichkeit zu sein scheint, Interessen durchzusetzen, ist Astroturfing keine empfehlenswerte Technik der Digital Public Affairs.

Abbildung:�As­troturfing.�John�McCain�bietet�ein�Bonus­punkteprogramm�für�Us­er,­�die�s­ich�im�Social�Web�für�ihn�eins­etzen�und�vorformulierte�Kom-mentare�in�(gegneris­che)�Weblogs­�pos­ten.�Quelle:�www.johnmccain.com,­�Augus­t�2008.

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Issues Management und Monitoring im Web 2.0Eine weitere essentielle Technik der Public Affairs ist das Issues Management (auch: Agenda Setting), die „aktive Steuerung von gesellschaftlichen, sozialen, politischen oder wirtschaftlichen Themen“ (Schönborn/Wiebusch 2002: 26) in der Öffentlichkeit, d.h. in den Massenmedien. Es ist ein bekanntes Diktum in der politischen Kommunikation, dass sich nicht nur die Bevölkerung, sondern vor allem auch die Politik an den massenmedial verbreiteten und damit in der Öffentlichkeit diskutierten Meinungen orientiert. Daher ist es für PA-Betreibende erstrebenswert, eigene relevante Themen auf die Medienagenda zu setzen, um sie so in die öffentliche Debatte einzubringen und schließlich auf der Politikagenda wiederzufinden (s. o. Media Relations). Das Issues Management im Social Web ist ein Spezialge-biet der Digital Public Affairs. Als Web 2.0-kompetente „Produser“ (Bruns 2005) wissen Digital PA-Manager um die entscheidenden Multiplikatorfunktionen, die Themen im Social Web auf die Agenda befördern. In der Netzwelt sind jedoch nicht die traditionellen Medien meinungsfüh-rend – obschon sie durchaus auch erfolgreiche Onlineprä-senzen besitzen und als entsprechend richtungsweisend gelten können –, sondern es sind einflussreiche Blogger, die das Meinungsbild im Internet prägen. Durch die hohe Vernetztheit in der Blogosphäre und ihre typische Verlin-kungsstruktur, mit der sich ein Meinungsführerblog leicht ausmachen lässt (erhält die meisten Querverweise), können Meinungen und Beiträge rasch im Netz verbreitet werden und als selbstorganisiertes Multiplikationssystem die Auf-merksamkeit auf bestimmte Inhalte bzw. Issues lenken. Da stark verlinkte (=bekannte) Weblogs auch von den Entschei-dungsträgern aus Politik und Medien rezipiert und beobach-tet werden, können sie so mit ihren Inhalten sogar poli-tische Prozesse (offline!) beeinflussen (s. z. B. Zerfaß/Boelter 2005, Scott 2007). Wenngleich es sich bei der breiten Masse von über 100 Millionen Weblogs weltweit lediglich um eine kleine elitäre Ansammlung von meinungsführenden

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Weblogs handelt, die das öffentliche Geschehen mir ihrer Berichterstattung beeinflussen können (sog. A-List-Blogs), ist der Einfluss dieser neuen Gatekeeper auf die Netz- und Offlineagenda beträchtlich. Digital Public Affairs-Manager können Weblogs im Rahmen des Issues Management zweifach für sich nutzen: Einmal als eigenes Publikationstool, mit dem sie selbst versuchen, Themen zu setzen, und zum anderen als Werkzeug zur Beo-bachtung bzw. Recherche der für sie relevanten Informati-onen (Monitoring). Im ersten Fall lauten die Ziele, Aufmerk-samkeit im Social Web und Reichweitenstärke zu generie-ren, um so als digitale Meinungsführer die Netzagenda zu beeinflussen. Dies verlangt kontinuierliches Aktualisieren des eigenen PA-Blogs und das komplementäre Crossposting auf sämtlichen relevanten Publikationskanälen im Web 2.0. Der Vorteil des Einsatzes eines Weblogs als PA-Tool ist neben seiner einfachen (technischen) Nutzbarkeit sowie Kostengünstigkeit insbesondere die Akzeptanz als glaub-würdige und authentische Publikationsform des Social Web. Durch die offene Kommunikationskultur sind Web-logs im Sinne eines Peer-Review-Verfahrens stetigem Feed-back bzw. mitunter auch herber Kritik ausgesetzt. So erhöht sich die Gefahr, dass falsche bzw. unehrliche Postings aufge-deckt werden und das Blog (und somit die Betreiber) im Netz einen Reputationsschaden erleiden. Umso wichtiger ist die Befolgung der Prinzipien der Transparenz und Authentizität (s.o.), gerade für ein Webblog, das als Public Affairs-Instru-ment marktpolitische Ziele verfolgt. Für ein erfolgreiches Issues Management bedarf es zudem noch eines zweiten wichtigen Schritts, dem Monitoring. Darunter versteht man die „genaue und umfassende Beo-bachtung des wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und poli-tischen Umfelds eines Unternehmens“ bzw. öffentlichen Stakeholders (Schönborn/Wiebusch 2002: 26). Das Moni-toring dient der Identifikation politisch bedeutungsvoller Themen, die es für PA-Treibende zu steuern und zu kon-trollieren gilt. Traditionell inhäriert dies die Beobachtung

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der öffentlichen Meinung und der Medien sowie das syste-matische Verfolgen der Themenentwicklung im eigenen (z. B. unternehmerischen) Umfeld. Neben diesem konven-tionellen Monitoring ist die Beobachtung der Webszene, im Besonderen der Nachrichtenentwicklung in der Blogo-sphäre, eine essentielle Aufgabe Digital PA-Treibender. Ein-zelne Teilöffentlichkeiten im Internet gelten als Seismo-graphen für Thementrends, die helfen können, neue Issues zu identifizieren, Gelegenheiten wahrzunehmen oder auch potenzielle Gefahren frühzeitig einzudämmen. Die Recher-chearbeit vieler Weblogger, die Links zu verschiedenen The-men zusammentragen und so einen nützlichen Informa-tionspool zur Verfügung stellen, kann dabei sehr hilfreich sein. Dafür müssen den PA-Managern die bedeutsamen Fachblogs oder Insiderforen im Web bekannt sein. Je spezi-eller das Forum, umso besser für das Monitoring, da gerade in Insiderkreisen Themen diskutiert werden, die sich noch nicht in der breiten Öffentlichkeit befinden und sich daher „idealtypisch am besten für die Entwicklung langfristiger Strategien zur Steuerung des Issues“ eignen (Schönborn/Wiebusch 2002: 26).

Die neuen Evaluations- und Praxismethoden, die sich durch Social Media für die Public Affairs ergeben, erleichtern und erschweren das Arbeiten in dieser Disziplin gleichermaßen. Einerseits können PA-Kampagnen über das Internet schnel-ler, kostengünstiger und zielgruppengerechter gestaltet werden, andererseits bedarf es auch eines grundlegenden Umdenkens für die PA-Treibenden: Kommunikationsmaß-nahmen, auch an regionale oder nationale Regierungsein-richtungen gewandt, können heute nicht mehr ausschließ-lich lokal ausgeführt werden, sondern müssen – wenn sie über das Internet gesteuert werden sollen – globale Perspek-tiven einnehmen.

„What�takes­�place�in�one�locality�now�echoes­�nationally,­�if�not�glo-

bally.�More�and�more�outreach�tactics­�are�imported�from�other�geogra-

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phic�areas­,­�where�they�have�been�tes­ted�and�refined.�Your�advocates­�

are�s­eeing�events­�that�have�already�been�s­cripted�s­omewhere�els­e”�

(Grefe/Cas­tleman�2005:�162).

4.�Zus­ammenfas­s­ung�und�Aus­blick

Dieser Beitrag gewährte einen Einblick in das umfangreiche Arsenal von PA-Instrumenten und -Maßnahmen, die Public Affairs-Treibenden zur Verfügung stehen. Dabei wurden nicht nur klassische Vorgehensweisen der interessenge-lenkten Einflussgewinnung erläutert, sondern im Spezi-ellen Anwendungsmöglichkeiten von Social Media vorge-stellt, die als neue Techniken das Betätigungsfeld der Digital Public Affairs definieren. Die Verwendung digitaler Metho-den im Bereich der PA ist eine logische Folge des sich voll-ziehenden medialen Wandels, der tiefgreifende Transfor-mationen des kulturellen, sozialen und politischen Lebens impliziert. Konventionelle PA-Praktiken werden dadurch nicht ersetzt, sondern vielmehr erweitert und optimiert. Das Repertoire eines „digitalen Lobbyisten“ muss daher neben den herkömmlichen Kommunikationsinstrumenten auch die Wege im Web 2.0 kennen, um das öffentlich poli-tische Umfeld effektiv beeinflussen und die eigenen Ziele erreichen zu können.Eingebettet war die Beschreibung der PA-Disziplin, die sich in Deutschland erst seit den 1990er Jahren professionell herausbildet, in theoretische Hintergründe zum politisch-gesellschaftlichen Systemwandel. Immer stärker ist eine Abkehr vom Korporatismus, in dem sich Interessengrup-pen konzertiert um die Durchsetzung gemeinsamer Verein-barungen bemühen, hin zum Neopluralismus zu beobach-ten, bei dem nun stärker individuelle Anspruchsgruppen und ihre Interessen im Mittelpunkt stehen. Zugleich pas-sen sich die Strukturen bestimmter Interessengruppen, wie Verbände oder Gewerkschaften, an die Autonomiebestre-bungen der Politik an und fördern so die systemische Neu-

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gestaltung (Speth 2010: 12). Die Entwicklung und Neuori-entierung der Public Affairs lässt sich jedoch nicht nur aus politikwissenschaftlicher und historischer Sicht wieder-geben, sondern vor allem unter dem Aspekt des sich fun-damental verändernden Mediensystems. So nahm dieser Beitrag zu den postulierten Vorteilen der Netzgesellschaft bzw. deliberativen Meinungsverkündung im Social Web Stellung und erläuterte die Vorgehensweise Digital PA-Trei-bender unter Berücksichtigung der Web 2.0-Prinzipien wie Personalisierung, Authentizität, Kollektivität und Trans-parenz. Im Bezug auf die neuen Strategien, die das Digital Public Affairs-Konzept kennzeichnen, wurden besondere Formen der Einflussgewinnung herausgestellt, die sich mit-hilfe Social Web-gesteuerter Funktionen initiieren lassen, wie z. B. Grassrootlobbyismus oder digitales Issues Manage-ment. Kernpunkt der Digital Public Affairs ist eine Transparentma-chung der Arbeitsweise moderner PA-Treibender. Mithilfe von Weblogs oder anderen untereinander vernetzten sozi-alen Plattformen wird auf Inhalte hingewiesen, die das ange-sprochene Zielpublikum interessieren und im besten Fall für eine Unterstützung aktivieren könnte. Auf diese Weise können Bürgerinteressen oder Interessen anderer Stakehol-der, die so die Gelegenheit der Mitbestimmung erhalten, digital durchgesetzt werden. Dass die neue, gewollte Offen-heit der Digital Public Affairs selbst lediglich eine Lobbying-taktik sein soll, deren eigentliches Ziel dem Laien verschlos-sen bleibt, kann als direkte Kritik im konkreten Fall an die jeweiligen PA-Treibenden weitergebeben werden. Denn die offene Kommunikationskultur im Social Web, bei der User-feedback in der Regel sichtbar gemacht wird, erlaubt bzw. erfordert gerade bei Anlässen zur Kritik, auf diese im sel-ben Kanal zu reagieren. Damit wird einer Metadiskussion, die sich über die eigentlichen PA-Inhalte hinaus bewegt, Raum gegeben. Diese Art der Transparenz und Aufgeschlos-senheit macht den Unterschied und zeugt von einem sich grundlegend wandelnden Verständnis von Lobbying und

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Interessenvermittlung, das immer stärker auf eine Offen-legung und deutliche Nachvollziehbarkeit der Verhältnisse zwischen organisierten Interessengruppen und staatlichen Institutionen drängt. Doch auch im direkten Dialog mit der Politik sind die neuen Modi der Vernetzung von Vorteil. Poli-tikerInnen, die Informationen über sich im Web 2.0 verbrei-ten und gezielt steuern, sind so greifbarer und selbst bei physischer Unerreichbarkeit noch scheinbar präsent. Dies erleichtert die Zusammenarbeit und die Kontaktaufnahme mit ihnen erheblich.

Mit den kommunikativen Möglichkeiten des Social Web, als deren Vorteile sich in erster Linie die Schnelligkeit, die ziel-gruppengenaue Ansprache sowie die Interaktivität erwei-sen, eröffnen sich neue Wege im Terrain der Public Affairs. Nach wie vor haben jedoch die wenigsten Unternehmen oder öffentliche Institutionen Social Media als PA-Plattform ausgemacht bzw. als einsetzbar erkannt. Dies mag einer-seits an der mangelnden Kompetenz im professionellen Umgang mit dem Web liegen, andererseits jedoch auch an dem geringen Erfahrungsschatz, den die wenigen Vorreiter der Digital Public Affairs liefern könnten. Es kann jedoch konstatiert werden, dass sich auch in Zukunft das Feld der Public Affairs weiter entwickeln und innovativ gestalten wird. Um als Interessenvertreter dabei nicht ins Hintertref-fen zu geraten, ist nachhaltiges und planerisches Vorgehen beim Einsatz neuer Medien wichtig, um so neue Stakehol-der ausfindig zu machen und neue Chancen wahrzuneh-men: „New possibilities today […] are tomorrow’s realities“ (Grefe/Castleman 2005: 162).

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Grundlagen  47

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