4
DOI:10.1002/pauz.201100466 186 Pharm. Unserer Zeit 3/2012 (41) © 2012 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim Eine hochmaligne Erkrankung Leukämie ROLF MARSCHALEK | I LSE Z ÜNDORF | T HEO DINGERMANN 1 870 entdeckte der Pathologe Ernst Neumann, dass das Knochenmark eines an Leukämie verstorbenen Patien- ten nicht die übliche rote, sondern eine „schmutzig gelb- grüne“ Farbe hatte und stellte den Zusammenhang zwischen Knochenmark und Blutzellen her. Bereits 1865 hatten Max Schultze und Wilhelm Erb unabhängig von- einander Daten über die Differenzierung weißer Blut- zellen veröffentlicht. Im gleichen Jahr beschrieb Joseph Janvier Woordward die Ver- wendung von Anilinfarb- stoffen in der Histologie. Erst mit der Einführung der Knochenmarkbiopsie 1876 durch Karl Friedrich Mos- ler stand eine grundlegen- de Methode zur Diagnose einer Leukämie zur Verfü- gung. Paul Ehrlich entwi- ckelte ab 1887 Färbetech- niken mit den bereits be- kannten Anilinfarbstoffen, die einen Blutausstrich so anfärbten, dass eine mor- phologische Unterscheidung der Leukozyten möglich wurde. 1889 führte dann Wilhelm Ebstein eine Unterteilung leukämischer Erkrankungen in akute und chronische Leukämien ein. Ab 1900 setzte sich die durch Otto Naegeli eingeführte Unterteilung der Leu- kämien in myeloische und lymphatische Leukämien durch, so dass bereits zu diesem Zeitpunkt eine Einteilung in vier verschiedene Krankheitsformen bestand (Abb. 1). Erste Zytostatika und ein Tiermodell Trotzdem dauerte es noch fast 50 Jahre bis erste Chemo- therapeutika als wirksame Medikamente zur Behandlung Obwohl der erste Krankheitsfall bereits 1827 beschrieben wurde, dauerte es bis 1845, dass Rudolf Virchow den Begriff „Leukämie“ ein- führte. Zeitgleich beschrieben der Schotte John Hughes Bennett und der Franzose Alfred Donné ebenfalls das Krankheitsbild einer chronischen myeloischen Leukämie (CML). von Leukämien klinisch getestet wurden: Sidney Farber (Boston, USA) testete 1947 den Folsäure-Antagonisten Ami- nopterin als erstes wirksames Chemotherapeutikum bei Kinderleukämien. Der nächste, nach wie vor wichtige Wirk- stoff, 6-Mercaptopurin, wurde von den Nobelpreisträgern George Hitchings und Gertrude Ellion in den Wellcome Research Laboratories synthetisiert. Später ergänzten die Vinca-Alkaloide, Cyclophosphamid und die Glucocorticoide die Interventionsoptionen. Ein wichtiger Fortschritt in der Leukämieforschung war die Etablierung der Zelllinie L1210 aus einem Maus-In- zuchtstamm durch Lloyd Law. Diese Mäuse entwickeln nach Behandlung mit einem Karzinogen eine lymphatische Leukämie. Die Zelllinie dient seither als Testsystem für ers- te Zytoxizitäts-Screenings neuer Wirkstoffe. Zusammen mit Howard Skipper beobachtete Lloyd Law am Mausmodell, dass Leukämien wieder auftreten, wenn die Zellen nur mit einem einzigen Zytostatikum behandelt werden. Als Kon- sequenz aus dieser Beobachtung etablierten die Kliniker Emil J. Freireich Jr. und Emil Frei III 1962 eine Kombina- tionstherapie aus Vincristin, Aminopterin, 6-Mercapto- purin und Prednison. Total Therapy Im gleichen Jahr ging ein Kollege von Freireich und Frei III, Donald Pinkel, als erster medizinischer Direk- tor an das St. Judes Chil- dren’s Research Hospital in Memphis und etablierte dort die „Total Therapy“ für die akute lymphatische Leu- kämie. Hierbei kommen vier Therapiephasen zum Tragen: 1. Induktion der Remission; 2. Konsolidierung oder Inten- sivierung der Remission; 3. spezifische, präventive Be- handlung des ZNS; 4. eine bis zum Ablauf einer Gesamt- therapiedauer von drei Jahren andauernde Erhaltungs-Che- motherapie. Diese Arbeiten wurden in den 1970er Jahren in Deutschland innerhalb der sogenannten BFM-Gruppe (B erlin, F rankfurt, M ünster) an Kindern mit Leukämie – fe- derführend durch den Pionier Hansjörg Riehm – weiter optimiert. Erst Ende der 1970er Jahre wurden erste, ähnli- che Therapiestudien an Erwachsenen initiiert. ABB. 1 Seit 1900 wird die Leukämie in vier verschiedene For- men unterteilt. L E U K Ä M I E lymphatisch myeloisch chronisch lymphatische Leukämie akute lymphatische Leukämie akute myeloische Leukämie chronisch myeloische Leukämie

Leukämie : Eine hochmaligne Erkrankung

Embed Size (px)

Citation preview

Page 1: Leukämie : Eine hochmaligne Erkrankung

DOI:10.1002/ pauz.201100466

186 Pharm. Unserer Zeit 3/2012 (41) © 2012 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim

Eine hochmaligne Erkrankung

LeukämieROLF MARSCHALEK | ILSE ZÜNDORF | THEO DINGERMANN

1870 entdeckte der Pathologe Ernst Neumann, dass dasKnochenmark eines an Leukämie verstorbenen Patien-

ten nicht die übliche rote, sondern eine „schmutzig gelb-grüne“ Farbe hatte und stellte den Zusammenhang zwischen Knochenmark und Blutzellen her. Bereits 1865hatten Max Schultze und Wilhelm Erb unabhängig von -einander Daten über die Differenzierung weißer Blut-zellen veröffentlicht. Im gleichen Jahr beschrieb Joseph Janvier Woordward die Ver-wendung von Anilinfarb-stoffen in der Histologie.Erst mit der Einführung derKnochenmarkbiopsie 1876durch Karl Friedrich Mos-ler stand eine grundlegen-de Methode zur Diagnoseeiner Leukämie zur Verfü-gung. Paul Ehrlich entwi-ckelte ab 1887 Färbetech-niken mit den bereits be-kannten Anilinfarbstoffen,die einen Blutausstrich soanfärbten, dass eine mor-phologische Unterscheidungder Leukozyten mög lich wurde. 1889 führte dann WilhelmEbstein eine Unterteilung leukämischer Erkrankungen inakute und chronische Leukämien ein. Ab 1900 setzte sichdie durch Otto Naegeli eingeführte Unterteilung der Leu-kämien in myeloische und lymphatische Leukämien durch,so dass bereits zu diesem Zeitpunkt eine Einteilung in vierverschiedene Krankheitsformen bestand (Abb. 1).

Erste Zytostatika und ein TiermodellTrotzdem dauerte es noch fast 50 Jahre bis erste Chemo -therapeutika als wirksame Medikamente zur Behandlung

Obwohl der erste Krankheitsfall bereits 1827beschrieben wurde, dauerte es bis 1845, dassRudolf Virchow den Begriff „Leukämie“ ein-führte. Zeitgleich be schrieben der SchotteJohn Hughes Bennett und der Franzose AlfredDonné ebenfalls das Krankheitsbild einerchronischen myeloischen Leukämie (CML).

von Leukämien klinisch getestet wurden: Sidney Farber(Boston, USA) testete 1947 den Folsäure-Antagonisten Ami-nopterin als erstes wirksames Chemotherapeutikum beiKinderleukämien. Der nächste, nach wie vor wichtige Wirk -stoff, 6-Mercaptopurin, wurde von den NobelpreisträgernGeorge Hitchings und Gertrude Ellion in den WellcomeResearch Laboratories synthetisiert. Später ergänzten dieVinca-Alkaloide, Cyclophosphamid und die Gluco cor ti coidedie Interventionsoptionen.

Ein wichtiger Fortschritt in der Leukämieforschung wardie Etablierung der Zelllinie L1210 aus einem Maus-In-zuchtstamm durch Lloyd Law. Diese Mäuse entwickelnnach Behandlung mit einem Karzinogen eine lymphatischeLeukämie. Die Zelllinie dient seither als Testsystem für ers-te Zytoxizitäts-Screenings neuer Wirkstoffe. Zusammen mitHoward Skipper beobachtete Lloyd Law am Mausmodell,dass Leukämien wieder auftreten, wenn die Zellen nur miteinem einzigen Zytostatikum behandelt werden. Als Kon-sequenz aus dieser Beobachtung etablierten die Kliniker

Emil J. Freireich Jr. und EmilFrei III 1962 eine Kombina-tionstherapie aus Vincristin,Aminopterin, 6-Mercapto-purin und Prednison.

Total TherapyIm gleichen Jahr ging einKollege von Freireich undFrei III, Donald Pinkel, alserster medizinischer Direk-tor an das St. Judes Chil-dren’s Research Hospital inMemphis und etabliertedort die „Total Therapy“ fürdie akute lymphatische Leu-

kämie. Hierbei kommen vier Therapiephasen zum Tragen:1. Induktion der Remission; 2. Konsoli dierung oder Inten-sivierung der Remission; 3. spezifische, präventive Be-handlung des ZNS; 4. eine bis zum Ablauf einer Gesamt-therapiedauer von drei Jahren andauernde Erhaltungs-Che-motherapie. Diese Arbeiten wurden in den 1970er Jahrenin Deutschland innerhalb der sogenannten BFM-Gruppe(Berlin, Frankfurt, Münster) an Kindern mit Leukämie – fe-derführend durch den Pionier Hansjörg Riehm – weiteroptimiert. Erst Ende der 1970er Jahre wurden erste, ähnli-che Therapiestudien an Erwachsenen initiiert.

A B B . 1 Seit1900 wird dieLeukämie in vierverschiedene For-men unterteilt.

LEUKÄMIE

lymphatisch mye

loisc

h

chronischlymphatische

Leukämie

akutelymphatische

Leukämie

akutemyeloischeLeukämie

chronischmyeloischeLeukämie

Page 2: Leukämie : Eine hochmaligne Erkrankung

L E U K Ä M I E PH A R M A Z I EG E S C H I C H T E

© 2012 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim www.pharmuz.de 3/2012 (41) Pharm. Unserer Zeit 187

L E U K Ä M I E PH A R M A Z I EG E S C H I C H T E

Interessanterweise hat sich das grundlegende Instru -men tarium zur Behandlung von Leukämieerkrankungenseit die ser Zeit nicht wesentlich geändert. Induktions-, Kon -soli dierungs-, Reinduktions- und Erhaltungs-Therapieblö-cke mit einer Vielzahl an kombinierbaren Zytostatika ge-hören heute zum Standardrepertoire einer Behandlung.Viele Studien erzielten schrittweise Erfolge bei der Dosis-optimierung, der richtigen Kombination der verschie-densten Therapeutika, der richtigen zeitlichen Applikation,der Rezidivprophylaxe (intra thekale Medikamentengabe,ZNS-Bestrahlung) sowie der rich tigen Stratifizierung der zubehandelnden Patienten. Dies hat alles dazu geführt, dasssich die Prognose in den letzten drei Jahrzehnten stetigverbessert hat.

Fortschritte der DiagnostikParallel zur stetigen Verbesserung der Therapie dieser Er-krankungen erlaubte es der zelluläre Charakter der Tumo-ren, die diagnostischen Verfahren weiter zu optimieren. Zueinem modernen Diagnostikrepertoire als Voraussetzungfür eine optimale Therapie gehören heute die Karyotyp-Analyse, die Bestimmung einer Vielzahl von Oberflächen -markern, die Charakterisierung der Tumoren durch Fluores -zenz-in-situ-Hybridisierungs-(FISH)-Techniken, bis hin zumolekularen, bzw. PCR-basierten Techniken. Zudem ermög -lichte der einfache Zugang zu den Tumorzellen auch enor-me Fortschritte bei der Erforschung der grundlegendenKrebs entstehungsmechanismen. Diese Erkenntnisse bildenwiederum die Basis für neue Ideen zur Behandlung diesergefährlichen Erkrankungen, die allerdings immer erst zeit-verzögert klinisch getestet werden können.

Das Philadelphia-ChromosomDie ersten Hinweise auf die zugrunde liegenden geneti-schen Veränderungen bei Leukämiezellen veröffent lichenPeter Nowell und David Hungerford 1960: Sie hatten ge-sehen, dass in den Krebszellen bei Patienten mit chro-nisch myeloischer Leukämie ein Stück eines Chromosomsfehlte. Allerdings dauerte es bis 1973 bis Janet D. Rowleyin einem kleinen Nature-Paper beschrieb, dass eine Trans-lokation zwischen den Chromosomen 9 und 22 zur Bil-dung des, nach dem Ort der erstmaligen Entdeckung be-nannten Philadelphia-Chromosoms führt. Damit war zwardie genetische Grundlage der Leukämieentstehung iden-tifiziert, allerdings war nach wie vor der biochemische Ef-fekt unbekannt. Erst in den 1980er Jahren gelang es derGruppe um David Baltimore am Whitehead Institute forBiomedical Research in Cambridge, die Funktion desdurch die Translokation neu entstandenen Fusionsgen-produkts BCR-ABL als konstitutiv-aktive Tyrosinkinaseaufzu klären.

TherapiefortschritteAn zwei bahnbrechenden Entdeckungen soll aufgezeigtwerden, welche Potentiale für die Therapie von Krankhei-ten zu heben sind, wenn man sich konsequent der Aufklä-

CHRONIK DER LEUKÄMIEFOR SCHUNG |1845 Die Pathologen Rudolph L.K.Virchow undJohn HughesBennett be-schreiben erst-mals die Leukä-mie als eine Er-krankung mitAuffälligkeitenim Blut.

1850er Jahre Der Pathologe ErnstChristian Neumann entdeckt, dass dasKnochenmark von Leukämiepatientenverändert ist.

1900 Durch neuartige Färbemethoden kann gezeigt werden,dass die Leukämie keine einzelne Erkrankung ist, sondern sichin mindestens vier unterschiedliche Typen unterteilen lässt.

1940er Jahre Der Pathologe SydneyFarber beobachtet, dass das inaktiveFolsäure-Mimetikum Aminopterin beieinigen Kindern mit Leukämie eine vorübergehende Besserung bringt.1950er und 1960er Jahre Die Grund-lagenforschung liefert verschiedeneWirkstoffe gegen Leukämie, wie z.B. 6-Mercaptopurin, Vincristin und Predni-son. Gleichzeitig beobachten der Gene-

tiker Lloyd Lawund der Pharmakologe Howard Skip-per, dass Leukämien wieder auftreten,wenn die Patienten nur mit einemWirkstoff behandelt werden.

1960 Der Pathologe Peter Nowell und David Hungerford entdecken bei meh-reren Patienten mit chronisch mye-loischer Leukämie, dass bei den entar-teten weißen Blutzellen einem Chromo-som ein Stück verloren gegangen ist.

Rudolph L.K. Virchow

Ernst ChristianNeumann

Sydney Farber

Howard Skipper

Peter Nowell

John Hughes Bennett

Page 3: Leukämie : Eine hochmaligne Erkrankung

188 Pharm. Unserer Zeit 3/2012 (41) www.pharmuz.de © 2012 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim

rung der molekularen Mechanismen widmet, die eineKrankheit verursachen und die sie treibt.• Die Entdeckung der Vitamin-A-Säure (Retinsäure; all-

trans-retinoic acid; ATRA) in den späten 1980er Jahrenund ihre Verwendung in Kombination mit einem etab-lierten Chemotherapieschema katapultierte förmlich dieÜberlebens wahrscheinlichkeiten für die Akute Pro-myelozytäre Leukämie (APL) von 10 auf 90 %. Die Basisdieses Erfolgs lag in der Erkenntnis, dass eine APL durcheine chromosomale Translokation ausgelöst wird, in derdas Gen für den Retinsäure-Rezeptor involviert ist.

• Einen ähnlich spektakulären Erfolg konnte die Synthe-tisierung des Tyrosinkinase-Inhibitors Imatinib verbu-chen, der im November 2001 in Europa zugelassen wur-de. Imatinib war der erste zugelassene Vertreter diesermittlerweile gut etablierten Wirkstoffgruppe, der beiPatienten mit einer t(9;22)-Translokation, die zum Phi-ladelphia-Chromosom führt, therapeutisch eingesetztwird. Viele Patienten mit einer solchen t(9;22)-Translo-kation entwickeln zunächst eine chronisch myeloischeLeukämie (CML), die nach einiger Zeit der Behandlungin eine beschleunigte Phase konvertiert, der dann sehrschnell eine terminale Blastenkrise folgt. Die Überle-bensraten von CML-Patienten lagen deshalb bei nur10 %. Durch die Kombination aus Imatinib (Glivec®)und Chemotherapie kann heute eine 90 %ige 5-Jahres-Überlebenswahr schein lichkeit prognostiziert werden.Der Grund dafür liegt in dem molekularen Verständnisdes durch die t(9;22) Translokation entstandenen BCR-ABL-Fusionsproteins als konstitutiv-aktive Kinase, diesich durch Imatinib in ihrer Funktion gezielt blockierenlässt.

Die Zulassung von Dasatinib (2005; Sprycel®) und Nilotinib(2007; Tasigna®) mit einem deutlich verbesserten Wirk-spektrum zeugen von dem Potential an Innovationen, dassehr effektiv realisiert werden kann, wenn ein Grundver-ständnis für eine erfolgreiche oder erfolg versprechende In-novation vorhanden ist. Heute befinden sich bereits Imati-nib-Nachfolger der 4. Generation in klinischen Studien, undviele weitere Inhibitoren gegen verschiedene Tyrosinkina-sen sind entweder bereits zugelassen oder befinden sich ineiner fortgeschrittenen Entwicklung.

Daraus kann man nur folgern, dass neben dem klini-schen Verständnis der verschiedenen Tumoren auch einGrundverständnis zu den molekularen Mechanismen not-wendig ist, um einen gewünschten Therapieerfolg auch inZukunft weiter zu optimieren. Dies gilt nicht nur für hä-matologische Malignome, sondern in den letzten Jahrenauch vermehrt für verschiedene, solide Tumoren (Nieren-zell-, Leberzellkarzinom, das nicht-kleinzellige Bronchial-karzinom und für das Mamma-Karzinom).

CHRONIK DER LEUKÄMIEFOR SCHUNG |1962 Emil J.Freireich Jr. undEmil Frei III er-zielen mit einerKombinations-Chemotherapiedie ersten Hei-lungserfolge beiLeukämie.

1970 Der Immunologe Leonard Herzenberg entwickelt zusammen mitseinen Kollegen das erste Durchfluss -zytometer.

1973 Die Hämatologin JanetRowley entdeckt, dass die chro-nisch myeloische Leukämie durcheine Translokation eines Stücksvon Chromosom 22 auf Chromo-som 9 ausgelöst wird.

1980er Jahre Wissenschaftler identifizieren das Fusionsgen(bcr-abl), das durch eine reziproke Translokation zwischen den

Chromosomen 22 und 9 entsteht.1980er und 1990er Jahre Mithilfe derDurchflusszytometrie können mehr alsein Dutzend unterschiedliche Leukä-miesubtypen identifiziert sowie Leukä-miezellen aufgespürt werden, die eineTherapie überlebt haben.1990er Jahre Die 1985 von Kary Mul-lis etablierte Polymerasekettenreaktion(PCR) wird zur genaueren Leukämiedia -gnose sowie zum Nachweis von Leukä-miezellen verwendet, die eine Therapieüberlebt haben. Der Onkologe Brian

Druker klärt den Mechanismus auf, wie BCR-ABL die verstärkteZellteilung von Leukozyten antreibt und zeigt in Zellkulturen,dass die von Novartis entwickelte Substanz STI571 eine inhibie-rende Wirkung auf BCR-ABL hat.2001 Nachdem klinische Studien die Wirksamkeit von STI571gezeigt haben, erteilt die FDA der Substanz als Gleevec® eineZulassung zur Therapie der chronisch myeloischen Leukämie.In Europa kommt der Wirkstoff unter dem Namen Glivec® aufden Markt.2006 Dasatinib (Sprycel®) erhält die Zulassung zur Therapieder chronisch myeloischen Leukämie.2008 Zulassung von Nilotinib (Tasigna®) als Zweitlinienthe-rapeutikum bei chronisch myeloischer Leukämie.

Emil J. Freireich Jr. Emil Frei III

Leonard Herzen-berg

Janet Rowley

Brian Druker

Page 4: Leukämie : Eine hochmaligne Erkrankung

L E U K Ä M I E PH A R M A Z I EG E S C H I C H T E

© 2012 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim www.pharmuz.de 3/2012 (41) Pharm. Unserer Zeit 189

L E U K Ä M I E PH A R M A Z I EG E S C H I C H T E

Verwendete Literatur[1] Patlak, M.: Targeting Leukemia: From Bench to Bedside. FASEB J. 16

(2002), 273.[2] Seufert, W., Seufert, W.D.: The Recognition of Leukemia as a Sys -

temic Disease. J. Hist. Med. Allied Sci. 37 (1982), 34–50.[3] Brewer, D.B.: Max Schultze and the living, moving, phagocytosing

leucocytes: 1865. Medical History 38 (1994), 91–101.[4] Rowley, J.D.: A new consistent chromosomal abnormality in chronic

myelogenous leukaemia identified by quinacrine fluorescence andGiemsa staining. Nature. 243 (1973), 290–293.

[5] http://www.science-connections.com/profiles/pinkel/pinkel.html

Die Autoren:Prof. Dr. Rolf Marschalek (geb. 1960); 1980–1986Biologie-Studium an der Universität Erlangen/Nürn-berg; 1986–1989 Promotion an der Universität Erlangen/Nürnberg; 1989-1990 Postdoktorand amInstitut für Biochemie der Medizinischen Fakultätder Universität Erlangen/Nürnberg (Prof. W. Kers-ten); 1991 dreimonatiger Postdoc-Aufenthalt am Institute of Genetics, Maquarie University (Sydney,Australien) (Prof. K. Williams); 1991-1992 wissen-schaftlicher Mitarbeiter am Institut für Biochemieder Medizinischen Fakultät der Univerrsität Erlan-gen/Nürnberg (Prof. W. Kersten); 1992-2000 wis-senschaftlicher Assistent am Lehrstuhl für Genetik(Prof. G.H. Fey) der Universität Erlangen-Nürnberg;1999 Habilitation in Genetik; seit 2000 C3-Professorfür Pharmazeutische Biologie an der UniversitätFrankfurt.

Dr. Ilse Zündorf (geb. 1965); 1984–1990 Biologie-studium an der Universität Erlangen; 1994 For-schungsaufenthalt an der University of Kentucky, Lexington, USA; 1995 Promotion am Institut fürPharmazeutische Biologie der Universität Frankfurt;seit 1995 Akademische Rätin am Institut für Phar-mazeutische Biologie der Universität Frankfurt.

Prof. Dr. Theo Dingermann (geb. 1948); Pharmazie-studium an der Universität Erlangen; 1980 Promo -tion im Fach Biochemie; zweijähriger Postdoc-Auf-enthalt an der Yale-University USA; 1987 Habilitati-on in den Fächern Biochemie und Molekularbiologie;seit 1990 C4-Professor am Institut für Pharmazeuti-sche Biologie der Universität Frankfurt; 1998–2000Vizepräsident der Johann Wolfgang Goethe-Univer-sität Frankfurt; 1996-2000 Vizepräsident und2000–2004 Präsident der Deutschen Pharmazeu -tischen Gesellschaft.

Anschrift:Prof. Dr. Rolf MarschalekUniversität FrankfurtInstitut für Pharmazeutische BiologieBiozentrumMax-von-Laue-Str. 960438 Frankfurt am [email protected]

E I N E AU S WA H L I N T E R N E TA D R E S S E N Z U M T H E M A „ L E U K Ä M I E “|http://web.uni-frankfurt.de/fb14/dcal/ Homepage des Diagnostic Center of Acute Leukemia (DCAL) an der index.html Goethe-Universität Frankfurt, Main

http://www.kinderkrebsinfo.de Informationsportal zu Krebs- und Bluterkrankungen bei Kindern und Jugendlichen

http://www.kinderkrebsregister.de Internetseite des Deutschen Kinderkrebsregisters an der Universitätsmedizin der Johannes Gutenberg-Universität Mainz

http://www.kinderkrebsstiftung.de Internetseite der Deutschen Kinderkrebsstiftung

http://www.kinderkrebsnachsorge.de Internetseite der Deutschen Kinderkrebsnachsorge – Stiftung für das chronisch kranke Kind

http://www.krebshilfe.de Internetseite der Deutschen Krebshilfe

http://www.dgho.de/gesellschaft Internetseite der Deutschen Gesellschaft für Hämatologie und Onkologie e. V.

http://www.dkms.de/home/de Internetseite der Deutschen Knochenmarkspenderdatei gemeinnützige Gesellschaft mbH

http://www.forschenheiltkrebs.eu/public/ Internetauftritt des EU-Projekts „Forschen heilt Krebs“index_dt.html

http://www.krebsinformation.de KID - Krebsinformationsdienst am Deutschen Krebsforschungszentrum Heidelberg

http://onkokids.de/content/joomla Onko-Kids-online: Informations- und Kommunikationsseiten für krebskranke Kinder und Jugendliche