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duongdan
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Lügen kurze Beine haben. Egal was: Ich
glaube es.
Ich könnte jetzt erzählen, dass alles mit
einem Akt der Großzügigkeit anfing, aber das
wäre nicht ganz korrekt. Es war eher ein Akt
der Dummheit. Man könnte es als Hilfeschrei
bezeichnen. Oder vielleicht doch eher als
Stinkefinger. Jedenfalls bedeutete es meinen
Untergang. Halb dachte ich, ich käme damit
durch, halb erwartete ich, gefeuert zu werden.
Ich muss schon sagen, wenn ich auf den
Anfang zurückblicke, staune ich, welch ein
arroganter Wichser ich doch war. Ich leugne
nicht, dass ich bekam, was ich verdiente. Es
war nur nicht das, was ich erwartete – aberwer hätte schon so etwas erwartet?
Ich tätigte lediglich ein paar Anrufe, mehr
nicht. Gab mich als Leiter der Abteilung
Corporate Events aus und rief den hippen
Partyservice an, der für Wyatt Telecom alle
Feiern ausrichtete. Ich wies sie an, es genau
so zu machen wie bei der Party für den
Topverkäufer des Jahres eine Woche zuvor.
(Natürlich hatte ich keine Ahnung, wie üppig
die war.) Ich gab ihnen alle entsprechenden
Daten und Zahlen durch und genehmigte die
Überweisung der Gelder im Voraus. Das
Ganze war überraschend einfach.
Der Besitzer von Meals of Splendorerklärte, er hätte noch nie einen Empfang an
einer Laderampe ausgerichtet und dies wäre
hinsichtlich des ›Dekors‹ eine
›Herausforderung‹ für ihn, aber ich wusste,
einen dicken Scheck von Wyatt Telecom
würde er nicht sausen lassen.
Irgendwie hatte ich so eine Ahnung, dass
Meals of Splendor auch noch nie einen
Ausstand für einen stellvertretenden
Vorarbeiter ausgerichtet hatte.
Ich glaube, das war es, was Wyatt wirklich
rasend machte. Dass ich für Jonesie – einengottverdammten Lagerarbeiter! – den
Ausstand bezahlte, war ein Verstoß gegen die
natürliche Ordnung. Wenn ich mit dem Geld
stattdessen einen Ferrari 360 Modena Kabrio
angezahlt hätte, hätte Nicholas Wyatt es
vielleicht noch ansatzweise verstanden. Er
hätte meine Habgier als Zeichen meiner
menschlichen Fehlbarkeit betrachtet, wie
eine Schwäche für Alkohol oder für ›Bräute‹,
wie er Frauen nannte, und sich darin
wiedererkannt.
Hätte ich es trotzdem getan, wenn ich
gewusst hätte, wie alles enden sollte? Auf gar
keinen Fall!
Und doch muss ich sagen, dass es ziemlich
cool war. Ich wusste, dass Jonesies Party aus
einem Fonds bezahlt wurde, der unter
anderem für eine »Auszeit« der
Führungsetage im Guanahani-Ferienpark auf
der Insel St. Barthélemy vorgesehen war.
Zudem gefiel mir außerordentlich, dass die
Packer endlich mal eine Ahnung davon
bekamen, wie die großen Tiere lebten. Wenn
sich diese Typen oder ihre Frauen eine
ausschweifende Party vorstellten, dann
dachten sie an das Krabbenfest im RedLobster oder an ein Barbecue im OutbackSteakhouse, und so wussten sie mit dem
Essen, zum Beispiel dem Ossietra-Kaviar