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Schwerpunkt FORTBILDUNG Lifestyle und psychische Erkrankungen 37 _ Ernährung bei psychischen Erkrankungen 41 _ Körperliche Aktivität bei psychischen Erkankungen Prof. Dr. med. Peter Falkai Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie Ludwig-Maximilians-Universität München Koautorin: Prof. Dr. med. Andrea Schmitt Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie, Ludwig-Maximilians-Universität München Immer besser untersucht Lifestyle verändert Körper und Geist - Schon seit der Antike wird ein Zusammenhang zwischen dem Lebensstil und dem Auftreten psychischer Erkrankungen vermutet. Moderne Hypothesen der Stress-Vulnerabilität und -Sensitivität ver- suchen, die Wirkung von psychosozialem Stress beim Auftreten von Depression, bipolarer Erkrankung und Schizophrenie zu erklären. In der Tat sind es solche Umweltfaktoren, die durch epigenetische Me- chanismen ganze Gensysteme funktionell verändern und die Vulne- rabilität für psychische Erkrankungen beeinflussen können. Auch therapeutische Ansätze fanden Eingang wie Empfehlungen für eine verbesserte Ernährung, z. B. mit ungesättigten Fettsäuren. Diese können die Membranfunktion von Neuronen günstig beein- flussen. In einer Übersichtsarbeit beleuchtet H. S. Füeßl sowohl The- rapiestrategien (Fischkonsum, Antioxidanzien- und Folsäuresubsti- tution) als auch Ernährungsgewohnheiten. Letztere können bei Er- krankungen wie Depression oder Schizophrenie zu einer krankheits- oder medikamentenbedingten Adipositas und dem metabolischen Syndrom beitragen. Das metabolische Syndrom ist wiederum ein Risikofaktor für Diabetes und Herz-Kreislauf-Erkrankungen, die zu einer deutlich reduzierten Lebenserwartung führen. Deshalb raten Experten bei dieser Patientengruppe zu einer umfassenden Ernäh- rungs- und Lebensstilberatung, zu der neben einer diätetischen Ge- wichtsreduktion auch körperliche Aktivität gehört. Sportliche Betätigung ist schon seit Jahrzehnten in psychiatri- schen Kliniken als Begleittherapie bekannt. Doch ihre Wirkung auf Krankheitssymptome und den Gehirnmetabolismus bei schweren psychischen Erkrankungen sind neue Forschungsfelder. In diese führt die Übersicht von B. Malchow et al. ein. Dabei wird zwischen einer allgemein gesteigerten körperlichen Aktivität und einem aeroben Ausdauertraining unterschieden, das nach den neuen Emp- fehlungen der Amerikanischen Gesellschaft für Sportmedizin ein moderates Training über 150 Minuten pro Woche beinhalten sollte. Ein aerobes Ausdauertraining von 3 x 30 Minuten pro Woche wur- de über drei Monate hinweg als Zusatztherapie bei chronisch schi- zophrenen Patienten angewendet. Es führte neben einer Zunahme des krankheitsbedingt verkleinerten Hippocampusvolumens und einer Verbesserung der mittels Magnet-Resonanz-Spektroskopie er- mittelten neuronalen Funktion zu einer Abnahme von kognitiven Defiziten und der Negativsymptomatik. Therapeutisch wichtig ist dabei der Einfluss auf die Gedächtnisstörungen, die die Sozialpro- gnose dieser Patienten wesentlich bestimmen. Bei depressiven Erkrankungen wirkte sich körperliches Training auf die depressive Verstimmung aus, und es konnte dadurch sogar die Dosis der antidepressiven Medikamente verringert werden. Auch bei älteren Patienten ist körperliches Training empfehlenswert. Es kann die Gedächtnisleitung bei Patienten mit Alzheimer-Demenz verbessern. Insgesamt gesehen kann sich somit eine Änderung des Lebens- stils positiv bei der Behandlung schwerer psychiatrischer Erkrankun- gen auswirken und sollte Eingang in die tägliche Behandlungspraxis finden. © Comstock Images/thinkstock 36 MMW-Fortschr. Med. 2014; 156 (1)

Lifestyle verändert Körper und Geist

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Schwerpunkt

FORTBILDUNG Lifestyle und psychische Erkrankungen

37 _ Ernährung bei psychischen Erkrankungen

41 _ Körperliche Aktivität bei psychischen Erkankungen

Prof. Dr. med. Peter FalkaiKlinik für Psychiatrie und Psychotherapie Ludwig-Maximilians-Universität München

Koautorin: Prof. Dr. med. Andrea SchmittKlinik für Psychiatrie und Psychotherapie, Ludwig-Maximilians-Universität München

Immer besser untersucht

Lifestyle verändert Körper und Geist

− Schon seit der Antike wird ein Zusammenhang zwischen dem Lebensstil und dem Auftreten psychischer Erkrankungen vermutet. Moderne Hypothesen der Stress-Vulnerabilität und -Sensitivität ver-suchen, die Wirkung von psychosozialem Stress beim Auftreten von Depression, bipolarer Erkrankung und Schizophrenie zu erklären. In der Tat sind es solche Umweltfaktoren, die durch epigenetische Me-chanismen ganze Gensysteme funktionell verändern und die Vulne-rabilität für psychische Erkrankungen beein�ussen können.

Auch therapeutische Ansätze fanden Eingang wie Empfehlungen für eine verbesserte Ernährung, z. B. mit ungesättigten Fettsäuren. Diese können die Membranfunktion von Neuronen günstig beein-�ussen. In einer Übersichtsarbeit beleuchtet H. S. Füeßl sowohl The-rapiestrategien (Fischkonsum, Antioxidanzien- und Folsäuresubsti-tution) als auch Ernährungsgewohnheiten. Letztere können bei Er-krankungen wie Depression oder Schizophrenie zu einer krankheits- oder medikamentenbedingten Adipositas und dem metabolischen Syndrom beitragen. Das metabolische Syndrom ist wiederum ein Risikofaktor für Diabetes und Herz-Kreislauf-Erkrankungen, die zu einer deutlich reduzierten Lebenserwartung führen. Deshalb raten Experten bei dieser Patientengruppe zu einer umfassenden Ernäh-rungs- und Lebensstilberatung, zu der neben einer diätetischen Ge-wichtsreduktion auch körperliche Aktivität gehört.

Sportliche Betätigung ist schon seit Jahrzehnten in psychiatri-schen Kliniken als Begleittherapie bekannt. Doch ihre Wirkung auf Krankheitssymptome und den Gehirnmetabolismus bei schweren

psychischen Erkrankungen sind neue Forschungsfelder. In diese führt die Übersicht von B. Malchow et al. ein. Dabei wird zwischen einer allgemein gesteigerten körperlichen Aktivität und einem aeroben Ausdauertraining unterschieden, das nach den neuen Emp-fehlungen der Amerikanischen Gesellschaft für Sportmedizin ein moderates Training über 150 Minuten pro Woche beinhalten sollte.

Ein aerobes Ausdauertraining von 3 x 30 Minuten pro Woche wur-de über drei Monate hinweg als Zusatztherapie bei chronisch schi-zophrenen Patienten angewendet. Es führte neben einer Zunahme des krankheitsbedingt verkleinerten Hippocampusvolumens und einer Verbesserung der mittels Magnet-Resonanz-Spektroskopie er-mittelten neuronalen Funktion zu einer Abnahme von kognitiven De�ziten und der Negativsymptomatik. Therapeutisch wichtig ist dabei der Ein�uss auf die Gedächtnis störungen, die die Sozialpro-gnose dieser Patienten wesentlich bestimmen.

Bei depressiven Erkrankungen wirkte sich körperliches Training auf die depressive Verstimmung aus, und es konnte dadurch sogar die Dosis der antidepressiven Medikamente verringert werden. Auch bei älteren Patienten ist körperliches Training empfehlenswert. Es kann die Gedächtnisleitung bei Patienten mit Alzheimer-Demenz verbessern.

Insgesamt gesehen kann sich somit eine Änderung des Lebens-stils positiv bei der Behandlung schwerer psychiatrischer Erkrankun-gen auswirken und sollte Eingang in die tägliche Be hand lungs praxis �nden.

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36 MMW-Fortschr. Med. 2014; 156 (1)