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Lineare Algebra I Wintersemester 2016/17 Universit¨ at Regensburg Clara L¨ oh

Lineare Algebra I - uni-regensburg.de€¦ · In den Vorlesungen Lineare Algebra I und II werden wir die Grundbegri e und Grundtechniken linearer algebraischer Strukturen studieren

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Lineare Algebra I

Wintersemester 2016/17

Universitat Regensburg

Clara Loh

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Version vom 20. April [email protected] fur Mathematik, Universitat Regensburg, 93040 Regensburg©Clara Loh, 2016

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Inhaltsverzeichnis

Literaturhinweise vii

0 Einfuhrung 10.1 Was ist Mathematik? 10.2 Was ist Lineare Algebra? 2

0.3 Uberblick uber die Vorlesung 3

1 Grundlagen: Logik und Mengenlehre 51.1 Wozu Logik und Mengenlehre? 61.2 Logische Grundlagen 7

1.2.1 Aussagenlogik 8

1.2.2 Quantorenlogik 11

1.2.3 Was ist ein Beweis? 13

1.3 Mengentheoretische Grundlagen 161.3.1 Naive Mengenlehre 16

1.3.2 Abbildungen 20

1.3.3 Axiomatische Mengenlehre 27

2 Zahlen, Zahlen, Korper 312.1 Die naturlichen Zahlen und Induktion 32

2.1.1 Zahlen und Induktion 32

2.1.2 Arithmetische Operationen 34

2.2 Die ganzen Zahlen und Gruppen 372.2.1 Von den naturlichen zu den ganzen Zahlen 38

2.2.2 Gruppen 42

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iv Inhaltsverzeichnis

2.3 Die rationalen Zahlen und Korper 452.3.1 Von den ganzen zu den rationalen Zahlen 45

2.3.2 Korper 47

3 Vektorraume 533.1 Vektorraume 54

3.1.1 Geometrie in Koordinaten 54

3.1.2 Vektorraume 57

3.1.3 Untervektorraume 60

3.1.4 Erzeugendensysteme 63

3.2 Lineare Unabhangigkeit 663.2.1 Linearkombinationen 66

3.2.2 Lineare Unabhangigkeit 67

3.2.3 Lineare (Un)Abhangigkeit und Darstellbarkeit 70

3.3 Basen 723.3.1 Basen 72

3.3.2 Endlich erzeugte Vektorraume 74

3.3.3 Exkurs: Das Zornsche Lemma 78

3.3.4 Allgemeine Vektorraume 80

3.3.5 Zusammenfassung 81

3.4 Dimension 823.4.1 Dimension von Vektorraumen 82

3.4.2 Dimensionsformeln fur Vektorraume 83

3.4.3 Komplementare Untervektorraume 86

3.4.4 Quotientenvektorraume 87

4 Lineare Abbildungen 914.1 Lineare Abbildungen 924.2 Lineare Abbildungen aus Matrizen 96

4.2.1 Matrizen 96

4.2.2 Multiplikation von Matrizen 98

4.2.3 Lineare Abbildungen aus Matrizen 102

4.3 Lineare Abbildungen und Basen 1054.4 Kern und Bild 107

4.4.1 Kern und Bild 107

4.4.2 Isomorphismen von Vektorraumen 109

4.4.3 Die Dimensionsformel fur lineare Abbildungen 112

4.4.4 Konsequenzen fur lineare Gleichungssysteme 114

4.5 Homomorphismenraume 116

5 Matrizenkalkul 1235.1 Darstellung von linearen Abbildungen 124

5.1.1 Invertierbare Matrizen 124

5.1.2 Darstellung von linearen Abbildungen 126

5.1.3 Basiswechsel 130

5.2 Das Gaußsche Eliminationsverfahren 1325.2.1 Zeilenstufenform 133

5.2.2 Zeilenoperationen 135

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Inhaltsverzeichnis v

5.2.3 Der Gaußsche Algorithmus 1375.2.4 Gauß-Rezepte 140

5.3 Die Determinante 1465.3.1 Die Determinantenfunktion 1465.3.2 Die Determinante und Invertierbarkeit 1515.3.3 Die Determinante von Endomorphismen 1545.3.4 Die Leibniz-Formel fur die Determinante 156

6 Normalformen I: Eigenwerte und Diagonalisierbar-keit 1616.1 Eigenwerte und Eigenvektoren 1626.2 Diagonalisierbarkeit 1686.3 Das charakteristische Polynom 173

6.3.1 Polynome 1736.3.2 Das charakteristische Polynom 176

6.4 Ausblick: Die Jordansche Normalform 1806.4.1 Ahnlichkeit von Matrizen 1816.4.2 Die Jordansche Normalform 1836.4.3 Die Jordansche Normalform in Dimension 2 185

A Anhang A 1A.1 Das griechische Alphabet A 3A.2 Konstruktion der naturlichen Zahlen A 5A.3 Das Spiel SET A 7A.4 Machtigkeit von Mengen A 9A.5 Kategorien A 11A.6 Elementare Analysis von Sinus und Kosinus A 15A.7 Funktoren A 17A.8 3D-Druck A 21

A.8.1 Fused Filament Fabrication A 21A.8.2 Die Spezifikation dreidimensionaler Objekte A 21A.8.3 Berechnung der Schnitte A 23

B Ubungsblatter B 1

C Fingerubungen C 1

D Allgemeine Hinweise D 1

Literaturverzeichnis C 1

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vi Inhaltsverzeichnis

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Literaturhinweise

Die Vorlesung wird sich nicht an einer einzelnen Quelle orientieren – Siesollten also individuell je nach Thema und eigenen Vorlieben die Literaturauswahlen, die am besten zu Ihnen passt.

Lineare Algebra

S. Bosch. Lineare Algebra, funfte Auflage, Springer Spektrum, 2014. G. Fischer. Lineare Algebra, Eine Einfuhrung fur Studienanfanger,

18. Auflage, Springer Spektrum, 2013. K. Janich. Lineare Algebra, 11. Auflage, Springer, 2013. S. Lang. Linear Algebra, Undergraduate Texts in Mathematics, 3. Auf-

lage, Springer, 1987. J. Matousek. Thirty-three miniatures. Mathematical and algorithmic

applications of linear algebra, Student Mathematical Library, 53. Ame-rican Mathematical Society, 2010.

Logik und Mengenlehre

P.J. Cameron. Sets, Logic and Categories, Universitext, Springer, 1998. H.-D. Ebbinghaus, J. Flum, W. Thomas. Einfuhrung in die mathema-

tische Logik, 5. Auflage, Spektrum Akademischer Verlag, 2007. R.M. Smullyan, M. Fitting. Set theory and the continuum problem,

uberarbeitete Auflage, Dover, 2010.

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viii Literaturhinweise

Sonstige Grundlagen

A. Beutelspacher. Das ist o.B.d.A. trivial!, neunte Auflage, Vieweg+-Teubner, 2009.http://link.springer.com/book/10.1007%2F978-3-8348-9599-8

A. Doxiadis, C. Papadimitriou, A. Papadatos, A. Di Donna, Logicomix:An epic search for truth, Bloomsbury Publishing, 2009.

A.G. Konforowitsch. Logischen Katastrophen auf der Spur, zweite Auf-lage, Fachbuchverlag Leipzig, 1994.

C. Loh, S. Krauss, N. Kilbertus. Quod erat knobelandum, Springer Spek-trum, 2016.

G. Polya, J.H. Conway (Hrsg.). How to Solve it: A New Aspect of Ma-thematical Method, Princeton Science Library, 2014.

T. Tao. Solving mathematical problems. A personal perspective, OxfordUniversity Press, 2006.

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0

Einfuhrung

0.1 Was ist Mathematik?

Mathematik ist grob gesagt die Wissenschaft des abstrakten Denkens, ins-besondere des Studiums abstrakter Strukturen (wie z.B. Zahlen, Geometrie,. . . ) und des Studiums von formalen Methoden. Das Wort

”Mathematik“ lei-

tet sich vom altgriechischen Wort”µαϑηµα“ ab, das in etwa

”Lernen, Wissen,

Wissenschaft, . . .“ bedeutet.Die Mathematik baut sich von den grundlegenden logischen und mengen-

theoretischen Axiomen Schritt fur Schritt aus den folgenden Bausteinen auf:

Axiome legen die Spielregeln fur das betrachtete Gebiet fest.

Definitionen fuhren neue Begriffe ein.

Satze, Lemmata, Korollare formulieren Aussagen uber mathematischeObjekte.

Beweise sind formale Begrundungen fur behauptete Aussagen. Manbeachte dabei, dass auch der Begriff des Beweises mathematisch prazisedefiniert ist.

Beispiele veranschaulichen die Bedeutung und Tragweite der betrach-teten Begriffe und Satze.

Das Faszinierende an der Mathematik ist, dass sie einen exakten und ele-ganten Rahmen liefert, der aber auch in der Praxis (z.B. in den Naturwis-senschaften, in der Informatik, in der Wirtschaft, . . . ) erfolgreich eingesetztund angewendet werden kann.

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2 0. Einfuhrung

GeometrieWas ist Krummung?

AlgebraWas sind Zahlen?

Diskrete MathematikWas ist kombinatorisch?

StochastikWas ist Zufall?

AnalysisWas ist Approximation?

LogikWas ist ein Beweis?

MengenlehreWas ist eine Menge?

Abbildung 0.1.: Schematischer Aufbau der Mathematik, stark vereinfacht

Ein grober schematischer Uberblick uber den Aufbau der Mathematik undihrer Teilgebiete findet sich in Abbildung 0.1; stellvertretend ist jeweils einezentrale Frage jedes Gebiets genannt, die andeutet, womit sich das Gebiet be-fasst. Zwischen den Gebieten gibt es vielfaltige Verbindungen und unzahligeMischgebiete (z.B. algebraische Geometrie, diskrete Geometrie, stochastischeGeometrie, geometrische Analysis, . . . ).

0.2 Was ist Lineare Algebra?

Die Algebra befasst sich mit der abstrakten Struktur allgemeiner”Zahlen-

bereiche“. Eine besonders einfache und zugangliche Art solcher Strukturensind lineare Strukturen, d.h. Vektorraume und lineare Abbildungen zwischenVektorraumen. Lineare Strukturen treten an vielen verschiedenen Stellen auf:

Losung linearer Gleichungssysteme,

elementare ebene und raumliche Geometrie,

Computergeometrie und dreidimensionale Modellierung,

geschlossene Darstellung kombinatorischer Phanomene,

als zentraler Approximationsbaustein in der Analysis,

als erste Abstraktionsstufe in der Algebra,

. . .

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0.3. Uberblick uber die Vorlesung 3

Wie wir sehen werden, sind lineare Strukturen sehr gut verstanden undkonnen effizient bei Berechnungen eingesetzt werden. Daher versucht manin vielen anderen Gebieten der Mathematik, kompliziertere Strukturen auflineare Strukturen zu reduzieren. Zum Beispiel ist der Ableitungsbegriff derAnalysis nichts anderes als eine lineare Approximation an kompliziertereFunktionen.

0.3 Uberblick uber die Vorlesung

In den Vorlesungen Lineare Algebra I und II werden wir die Grundbegriffeund Grundtechniken linearer algebraischer Strukturen studieren. Insbeson-dere werden wir die folgenden Themen behandeln und an passender Stelleauch Ausblicke auf Anwendungen geben:

Grundlagen: Logik und Mengenlehre

Grundlegende algebraische Strukturen

Vektorraume

Lineare Abbildungen und Matrizenkalkul,insbesondere auch lineare Gleichungssysteme und Determinanten

Eigenwerte und Normalformen

Euklidische und unitare Vektorraume

Multilineare Algebra

Anmerkung fur Lehramtsstudenten. Auf ganz naturliche Weise werden wirdabei Begriffen und Themen aus der Schulmathematik begegnen und diesevertiefen sowie auch Aspekten der Mathematik, die in Zukunft Bestandteilder Schulmathematik werden konnten. Wichtiger als die Beherrschung desaktuellen Lehrplans ist es, ein solides Fundament zu erlernen, das es erlaubt,Mathematik inhaltlich korrekt, nachvollziehbar und souveran zu lehren undauf das der Unterricht im Rahmen des aktuellen und der zukunftigen Lehr-plane aufbauen kann.

Literaturaufgabe. Lesen Sie den Literaturhinweis aus dem Buch von Janich [10,Kapitel 1.4].

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4 0. Einfuhrung

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1

Grundlagen:Logik und Mengenlehre

Die mathematische Logik beschreibt die”Spielregeln“, auf denen die Mathe-

matik basiert; die Mengenlehre beschreibt das”Spielfeld“ bzw. die grundle-

genden Bausteine, aus denen mathematische Objekte konstruiert werden.Der stringente simultane Aufbau von Logik und Mengenlehre als Grundla-

ge der modernen Mathematik ist zu aufwendig, um zu Beginn des Studiumsim Detail ausgefuhrt zu werden. Wir werden uns daher im folgenden auf einpaar Einblicke beschranken, die die fur den mathematischen Alltag wichtig-sten Punkte behandeln.

Uberblick uber dieses Kapitel.

1.1 Wozu Logik und Mengenlehre? 61.2 Logische Grundlagen 71.3 Mengentheoretische Grundlagen 16

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6 1. Grundlagen: Logik und Mengenlehre

1.1 Wozu Logik und Mengenlehre?

Um zu Verstehen, warum man zu Beginn ein bisschen Logik und Mengenleh-re benotigt, um in die Mathematik einzusteigen, betrachten wir ein typischesBeispiel fur einen mathematischen Text, der sich mit grundlegenden alge-braischen Strukturen (wie wir sie auch in der Linearen Algebra kennenlernenwerden), beschaftigt:

Definition 1.1.1 (Gruppe). Eine Gruppe ist ein Paar (G, · ), bestehend aus ei-ner Menge G und einer Abbildung · : G×G −→ G (sogenannte Verknupfungder Gruppe) mit folgenden Eigenschaften:

Es gibt ein Element e ∈ G mit

∀g∈G g · e = g = e · g.

Wir bezeichnen dann e als neutrales Element der Gruppe.

Zu jedem g ∈ G gibt es ein h ∈ G mit

g · h = e = h · g.

Wir bezeichnen dann h als inverses Element von g und schreiben dafurauch g−1.

Die Verknupfung · ist assoziativ, d.h.

∀g,h,k∈G (g · h) · k = g · (h · k).

Oft unterdruckt man in der Notation auch die Verknupfung und sagt kurz(aber etwas schlampig), dass

”G eine Gruppe“ ist.

Beispiel 1.1.2 (ganze Zahlen als Gruppe). Die ganzen Zahlen bilden eine Grup-pe bezuglich Addition. Genauer: Das Paar (Z,+) ist eine Gruppe. NeutralesElement ist 0; zu n ∈ Z ist −n das Inverse von n bezuglich +.

Die ganzen Zahlen bilden jedoch keine Gruppe bezuglich Multiplikation,da z.B. 0 und auch 2 kein multiplikatives Inverses in Z besitzen.

Proposition 1.1.3 (Eindeutigkeit des neutralen Elements und von Inversen). Sei(G, · ) eine Gruppe.

1. Sind e, f ∈ G neutrale Elemente von (G, · ), so folgt e = f .

2. Ist g ∈ G und sind h, k ∈ G inverse Elemente von g in (G, · ), sofolgt h = k.

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1.2. Logische Grundlagen 7

Beweis. Zu 1. Seien e, f ∈ G neutrale Elemente. Dann folgt

e = f · e = f ;

in der ersten Gleichung haben wir verwendet, dass f neutral ist und in derzweiten, dass e neutral ist.

Zu 2. Sei g ∈ G und es seien h, k ∈ G inverse Elemente von g; sei e ∈ Gdas neutrale Element von (G, · ). Dann folgt

h = h · e (da e neutral ist)

= h · (g · k) (da k invers zu g ist)

= (h · g) · k (da”· “ assoziativ ist)

= e · k (da h invers zu g ist)

= k (da e neutral ist),

wie behauptet.

Um zu verstehen, was dieser Text besagt, mussen wir also verstehen, wiemathematische Aussagen und Behauptungen formuliert bzw. bewiesen wer-den konnen (mathematische Logik) und wie man mathematische Objekteuber Mengen beschreiben/konstruieren kann (Mengenlehre). Deshalb werdenwir, bevor wir in die eigentliche lineare Algebra einsteigen, zunachst logischeund mengentheoretische Grundlagen lernen.

1.2 Logische Grundlagen

Die mathematische Logik beschaftigt sich mit den folgenden (miteinanderzusammenhangenden) Fragen:

Wie kann man die mathematische Sprache formalisieren?

Was ist eine”wahre“ mathematische Aussage?

Was ist ein Beweis?

Was kann man beweisen? Gibt es Grenzen der Beweisbarkeit?

Kann man beweisen, dass die Mathematik widerspruchsfrei ist?

Wir folgen dem allgemeinen Prinzip, mit einfachen Teilaspekten zu begin-nen und dann Schritt fur Schritt daraus komplexere Strukturen und Theorienaufzubauen (

”divide and conquer“).

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8 1. Grundlagen: Logik und Mengenlehre

1.2.1 Aussagenlogik

Die Aussagenlogik ist ein einfaches logisches System, das die Grundlagen deslogischen Denkens formalisiert. Aussagenlogik besteht aus

einer syntaktischen Ebene (Wie durfen Aussagen aussehen?) und

einer semantischen Ebene (Ist eine Aussage wahr?).

Wir beschreiben diese Ebenen im folgenden etwas detaillierter.Zunachst definieren wir aussagenlogische Formeln – nach dem

”divide and

conquer“-Prinzip. Ausgehend von aussagenlogischen Variablen (das sind ein-fach Symbole, z.B. Großbuchstaben) erklaren wir wie man Schritt fur Schrittkompliziertere Formeln zusammensetzen kann:

Definition 1.2.1 (Syntax aussagenlogischer Formeln).

Aussagenlogische Variablen sind aussagenlogische Formeln.

Sind A und B aussagenlogische Formeln, so auch

(¬A), (A ∧B), (A ∨B), (A =⇒ B), (A⇐⇒ B).

Keine weiteren Symbolketten sind aussagenlogische Formeln.

[Falls keine Missverstandnisse moglich sind, setzt man zur besseren Lesbarkeitmanchmal Klammern etwas freizugiger.]

Anmerkung zum Lernen. Um mathematische Inhalte zu verstehen, ist es un-erlasslich, sich alle in den Vorlesungen behandelten Definitionen prazise zumerken. Sie sollten daher schon jetzt beginnen, sich systematisch wahrend/nachjeder Vorlesung, die neu eingefuhrten Begriffe einzupragen (notfalls mit Kar-teikarten)!

Um den Begriff der aussagenlogischen Formeln besser kennenzulernen, pro-bieren wir ihn an ein paar einfachen Beispielen aus:

Beispiel 1.2.2. Seien A,B,C aussagenlogische Variablen.

Dann sind

(¬(¬A)

),(A =⇒ (¬A)

),(A =⇒ (B =⇒ C)

)

aussagenlogische Formeln.

Aber A ∧ ∧B oder ∧A sind keine aussagenlogischen Formeln.

Anmerkung zum Lernen. Bei der Nachbereitung der Vorlesung helfen diefolgenden Fragen:

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1.2. Logische Grundlagen 9

A ¬A”nicht“

w ff w

(insbesondere nehmen wir tertium non datur an)

A B A ∧B A ∨B A =⇒ B A⇐⇒ B

”und“

”oder“

”impliziert“

”gilt genau dann, wenn“

”wenn . . . , dann . . .“

w w w w w ww f f w f ff w f w w ff f f f w w

Abbildung 1.1.: Die grundlegenden Wahrheitstafeln

Verstehe ich den Wortlaut der Definition?

Verstehe ich die Beispiele?

Kann ich selbst weitere, ahnliche, Beispiele erzeugen?

Verstehe ich den Zweck der Definition?

Bisher haben wir nur geklart, wie aussagenlogische Formeln aussehendurfen. Als nachsten Schritt, werden wir beschreiben, wie solche Formelninterpretiert werden konnen:

Definition 1.2.3 (Semantik aussagenlogischer Formeln).

Variablen konnen mit den Wahrheitswerten w (”wahr“) bzw. f (

”falsch“)

belegt werden.

Belegen wir alle in einer aussagenlogischen Formel vorkommenden Va-riablen mit w bzw. f (wobei verschiedene Auftreten derselben Variablenin einer Formel denselben Wert erhalten mussen), so erhalten wir einenWahrheitswert, indem wir Schritt fur Schritt die semantischen Regeln(”Wahrheitstafeln“) aus Abbildung 1.1 anwenden.

Bemerkung 1.2.4 (Anschauung der Wahrheitstafeln). Diese Definition der Se-mantik kann man sich gut veranschaulichen, indem man aussagenlogischeVariablen durch gewohnliche deutsche Satze ersetzt: Zum Beispiel erhaltenwir durch

A: Die Erde ist eine Scheibe.

B: Regensburg liegt an der Donau.

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10 1. Grundlagen: Logik und Mengenlehre

A B A =⇒ B B =⇒ A (A =⇒ B)⇐⇒ (B =⇒ A)w ww f f w f (!)f wf f

Abbildung 1.2.:”Wenn“ und

”dann“ durfen nicht vertauscht werden!

die folgenden Aussagen und zugehorigen Ubersetzungen:

A =⇒ B: Wenn die Erde eine Scheibe ist, dann liegt Regensburg ander Donau.

¬B =⇒ ¬A: Wenn Regensburg nicht an der Donau liegt, dann ist dieErde keine Scheibe.

Der Wahrheitswert dieser zusammengesetzten Aussagen lasst sich dann mitden obigen Wahrheitstafeln aus dem Wahrheitswert der eingesetzten Aussa-gen bestimmen.

Definition 1.2.5 (Tautologie). Eine aussagenlogische Formel A ist eine (aus-sagenlogische) Tautologie, wenn sich unter allen moglichen w/f-Belegungenaller auftretenden aussagenlogischen Variablen in A der Wert w ergibt.

Beispiel 1.2.6 (wichtige Tautologien). Fur alle aussagenlogischen Formeln Aund B sind

(A =⇒ B)⇐⇒ (¬B =⇒ ¬A) Kontraposition

(A =⇒ B)⇐⇒((¬A) ∨B

)((¬A) =⇒ (B ∧ ¬B)

)=⇒ A reductio ad absurdum

¬(A ∧B)⇐⇒((¬A) ∨ (¬B)

)de Morgansche Regeln

¬(A ∨B)⇐⇒((¬A) ∧ (¬B)

)de Morgansche Regeln

aussagenlogische Tautologien (dies kann z.B. uber entsprechende Wahrheits-tafeln nachgewiesen werden).

Caveat 1.2.7 (Umdrehen der Implikationsrichtung). Sind A und B aussagen-logische Variablen, so ist (A =⇒ B) ⇐⇒ (B =⇒ A) keine Tautologie! Diesist in umgangssprachlichen Interpretationen auch sofort ersichtlich –

”wenn“

und”dann“ konnen im allgemeinen nicht vertauscht werden!

Formal kann man dies einsehen, indem man die zugehorigen Wahrheitsta-feln betrachtet (Abbildung 1.2).

Caveat 1.2.8. Es gibt Zweige der Mathematik/Informatik, in denen das ter-tium non datur nicht als Axiom angenommen wird; inbesondere steht in

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1.2. Logische Grundlagen 11

solchen Kontexten der Widerspruchsbeweis (s.u.) nicht in derselben Form alsBeweistechnik zur Verfugung!

1.2.2 Quantorenlogik

Wir werden nun die Aussagenlogik etwas erweitern und verfeinern, um typi-sche All- und Existenzaussagen besser formalisieren zu konnen. Zum Beispielwurden wir gerne Aussagen wie

Fur jede naturliche Zahl x gilt x+ 0 = x.

formulieren und mit Wahrheitswerten belegen konnen.Wie im Fall der Aussagenlogik besteht auch die Quantorenlogik aus einer

syntaktischen und einer semantischen Ebene. Da die exakten Definitionen je-doch sehr aufwendig sind [7, 4], begnugen wir uns hier mit einer vereinfachten,pragmatischen Darstellung.

”Definition“ 1.2.9 (Syntax quantorenlogischer Aussagen). Sei T eine mathe-

matische Sprache/Theorie (z.B. die Sprache/Theorie der naturlichen Zahlen).

”Atomare Aussagen“ aus der Theorie T sind quantorenlogische Aussa-

gen uber T ; diese durfen auch Variablen enthalten.

Ist A eine quantorenlogische Aussage uber T und ist x eine (in A”freie“)

Variable, so sind auch

(∀x A(x)

)bzw.

(∃x A(x)

)

quantorenlogische Aussagen uber T .

Sind A und B quantorenlogische Aussagen uber T , so auch

(¬A), (A ∧B), (A ∨B), (A =⇒ B), (A⇐⇒ B).

Keine weiteren Symbolketten sind quantorenlogische Aussagen uber T .

[Falls keine Missverstandnisse moglich sind, setzt man zur besseren Lesbarkeitmanchmal Klammern etwas freizugiger.]

Wir gehen nun noch kurz auf die hier nicht prazise eingfuhrten Begrif-fe

”atomare Aussagen“ bzw.

”freie Variablen“ im Beispiel der Sprache der

naturlichen Zahlen ein:

Beispiel 1.2.10. In der Theorie der naturlichen Zahlen gibt es die Symbole 0,1, +, =, . . . , und Variablen aus denen man atomare Aussagen bilden kann;dabei ist zu berucksichtigen, dass diese Symbole nur auf bestimmte Weisenkombiniert werden konnen. Zum Beispiel sind

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12 1. Grundlagen: Logik und Mengenlehre

0 + 1 = 1, x+ 0 = x

atomare Aussagen aus der Theorie der naturlichen Zahlen, aber”0 + +0“ ist

keine zulassige atomare Aussage.Die Variable x ist frei in der Aussage x + 0 = x, da sie durch keinen

Quantor gebunden ist. Daher ist

(∀x x+ 0 = x

)

eine quantorenlogische Aussage uber T .Im Gegensatz dazu ist die Variable x nicht frei in der quantorenlogischen

Aussage(∀x x+0 = x

), und somit ist

(∃x

(∀x x+0 = x

))keine zulassige

quantorenlogische Aussage.

”Definition“ 1.2.11 (Semantik quantorenlogischer Aussagen). Sei T eine ma-

thematische Sprache/Theorie.

Die Semantik von ¬,∧,∨,=⇒,⇐⇒ fur quantorenlogische Aussagenuber T wird analog zur Aussagenlogik definiert.

Zusatzlich gelten die folgenden Interpretationen:

∀x A(x) gilt genau dann, wenn: fur alle x gilt A(x)∃x A(x) gilt genau dann, wenn: es existiert (mindestens) ein x mit A(x)

¬(∀x A(x)) gilt genau dann, wenn: ∃x ¬A(x) gilt¬(∃x A(x)) gilt genau dann, wenn: ∀x ¬A(x) gilt

Man kann dabei quantorenlogische Aussagen uber T i.a. nur dann auf einenWahrheitswert reduzieren, wenn sie keine freien Variablen enthalten!

Beispiel 1.2.12. Wir betrachten wie in Beispiel 1.2.10 die Sprache/Theorieder naturlichen Zahlen. Die Aussage

∀x x+ 0 = x

ist wahr; im Gegensatz dazu ist die Aussage

∃x ¬(x = x)

nicht wahr. Der Aussage x+ 0 = 1 konnen wir keinen Wahrheitswert zuord-nen, da diese Aussage eine freie Variable (namlich x) enthalt.

Caveat 1.2.13 (Reihenfolge der Quantoren). Im allgemeinen darf die Reihen-folge von Quantoren nicht vertauscht werden! Man betrachte dazu zum Bei-spiel die quantorenlogischen Aussagen

∀x ∃y A(x, y) bzw. ∃y ∀x A(x, y),

wobei A(x, y) bedeute, dass x eine Frau ist, y ein Mann und x eine Affaremit y hat.

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1.2. Logische Grundlagen 13

Caveat 1.2.14 (Quantoren gehoren nach vorne!). Formeln wie”A(x) ∀x“

oder gar”∃x A(x, y) ∀y“ ergeben keinen Sinn (selbst wenn es die deutsche

Sprache manchmal nahelegt . . . )!

1.2.3 Was ist ein Beweis?

Wir beschreiben im folgenden den klassischen Beweiskalkul der Mathematik;er ist eine Formalisierung der gangigen logischen Schlussweisen und erklart,welche Beweisschritte/Argumente zulassig sind. Wir geben zunachst die for-male Definition und zeigen dann an einem Beispiel wie man in der Praxisdamit umgehen kann.

Gegeben seien

eine mathematische Sprache/Theorie T ,

Axiome/Voraussetzungen V (gegeben durch quantorenlogische Aussa-gen uber T ),

eine Behauptung B (d.h. eine quantorenlogische Aussage uber T ).

Was bedeutet es nun, dass B”logisch aus V folgt“? Bzw. wie kann man

nachweisen, dass B”logisch aus V folgt“?

Der Nachweis, dass B logisch aus V folgt, wird in Form eines Beweisesgegeben:

Definition 1.2.15 (Beweis). Sei T eine mathematische Sprache/Theorie, seienV Axiome uber T und sei B eine quantorenlogische Aussage uber T . EinBeweis von B aus V uber T ist eine endliche Folge von quantorenlogischenAussagen uber T mit folgenden Eigenschaften: Jede dieser Aussagen ist

ein Axiom (d.h. eine Aussage aus V ), 1

oder ein quantorenlogisches Axiom[die quantorenlogischen Axiome sind:

– fur alle Formeln t in T (die beim Einsetzen keine”ungewollten“

Variablenbindungen erzeugen):

(∀x A(x)

)=⇒ A(t)

– fur alle quantorenlogischen Aussagen A und A′:

(∀x (A =⇒ A′(x))

)⇐⇒

(A =⇒ ∀x A′(x)

)

(wobei x nicht frei in A vorkommen darf).],

1oder ein identitatslogisches Axiom; darauf soll hier aber nicht eingegangen werden.

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14 1. Grundlagen: Logik und Mengenlehre

oder eine aussagenlogische Tautologie uber T[d.h. eine aussagenlogische Tautologie, in der alle aussagenlogischen Va-riablen durch quantorenlogische Aussagen uber T ersetzt werden],

oder

man erhalt sie aus vorherigen Aussagen des Beweises mit Hilfe desModus Ponens2: Enthalten die vorherigen Aussagen eine Aussage derForm A =⇒ A′ und die Aussage A, so kann man A′ zum Beweis hin-zufugen.

und die letzte Aussage ist B.

Diese Definition erklart, wann eine Behauptung aus einem angenommenenAxiomensysten folgt; ob das verwendete Axiomensystem sinnvoll ist odernicht, wird dabei nicht berucksichtigt.

Beispiel 1.2.16 (ein erster Beweis). Wir betrachten das folgende Axiomensy-stem uber die Theorie der Pinguine:

Axiome/Voraussetzungen:

À Pinguine, die bellen, beißen nicht.D.h. es gilt ∀x A(x), wobei

A(x) :=(

(x ist Pinguin) =⇒((x bellt) =⇒ ¬(x beißt)

)).

Á Tux ist ein Pinguin.

 Tux beißt.

Behauptung: Tux bellt nicht.

Beweis.

– [Axiom À]∀x A(x)

– [quantorenlogisches Axiom]

(∀x A(x)

)=⇒ A(Tux)

– [Modus ponens]A(Tux)

Ausformuliert bedeutet dies:

(Tux ist Pinguin) =⇒((Tux bellt) =⇒ ¬(Tux beißt)

)

2oder der Generalisierungsregel; auf diese soll hier aber nicht eingegangen werden. (Die

Generalisierungsregel beschreibt, wann der Allquantor”∀“ eingefuhrt werden darf.)

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1.2. Logische Grundlagen 15

– [Axiom Á]Tux ist ein Pinguin

– [Modus Ponens]

(Tux bellt) =⇒ ¬(Tux beißt)

– [Tautologie: (B =⇒ ¬C) =⇒ (C =⇒ ¬B)]

((Tux bellt) =⇒ ¬(Tux beißt)

)

=⇒((Tux beißt) =⇒ ¬(Tux bellt)

)

– [Modus Ponens]

(Tux beißt) =⇒ ¬(Tux bellt)

– [Axiom Â]Tux beißt

– [Modus ponens]¬(Tux bellt)

Im Normalfall werden Beweise naturlich nicht in dieser Form aufgeschrieben,sondern sprachlich poliert und vereinfacht:

Beweis. Da Tux nach Axiom Á ein Pinguin ist, erhalten wir mit Axi-om À:

Wenn Tux bellt, beißt Tux nicht.

Mit Kontraposition folgt daraus:

Wenn Tux beißt, bellt Tux nicht.

Da Tux nach Axiom  beißt, liefert dies, dass Tux nicht bellt.

Der formale Zugang zu Beweisen ist jedoch notig, um uberhaupt einen be-lastbaren Beweisbegriff einfuhren zu konnen und hat den zusatzlichen Vorteil,dass explizit formalisierte Beweise maschinell uberpruft werden konnen.

Anmerkung zum Lernen. Bei jedem Beweis, dem Sie begegnen, sollten Siekritisch hinterfragen, ob Sie wirklich alle Beweisschritte verstehen, ob derBeweis vollstandig ist, und was die grundlegende Idee dahinter ist. SobaldSie mehr Beweise kennen, sollten Sie außerdem uberlegen, ob es sich um eineBeweistechnik handelt, die in gleicher oder ahnlicher Form bereits in eineranderen Situation verwendet wurde.

Bemerkung 1.2.17 (Beweisschemata). Haufig werden die folgenden Beweis-schemata verwendet:

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16 1. Grundlagen: Logik und Mengenlehre

Beweis von Aquivalenzen. Oft zerlegt man den Beweis von Aussagen derForm

”Es gilt A genau dann, wenn B gilt.“ in den Beweis von

”Wenn

A gilt, dann gilt auch B.“ und”Wenn B gilt, dann gilt auch A“. Dies

leitet sich von der aussagenlogischen Tautologie

(A⇐⇒ B)⇐⇒((A =⇒ B) ∧ (B =⇒ A)

)

ab.

Widerspruchsbeweis. Kann man aus der Annahme, dass die Aussage ¬Agilt, einen Widerspruch (also eine Aussage der FormB∧¬B) ableiten, sofolgt, dass A gilt. Dies leitet sich von der aussagenlogischen Tautologie

((¬A) =⇒ (B ∧ ¬B)

)=⇒ A

ab (reductio ad absurdum). Wird ein Widerspruchsbeweis gefuhrt, soist die Widerspruchsannahme deutlich zu kennzeichnen (z.B. durch dasSchlusselwort

”Angenommen, . . .“). Selbst wenn man als erstes einen

Widerspruchsbeweis fur eine Behauptung findet, sollte man uberprufen,ob es nicht ein (in vielen Fallen einfacheres!) direktes Argument gibt.

Literaturaufgabe. Lesen Sie das Buch”

Das ist o.B.d.A. trivial!“ von Beu-telspacher [1].

1.3 Mengentheoretische Grundlagen

Die Mengenlehre beschreibt die grundlegenden Bausteine, aus denen alle ma-thematischen Objekte aufgebaut sind:

Mengen und

Abbildungen

1.3.1 Naive Mengenlehre

Wir beginnen mit der sogenannten naiven Mengenlehre, die auf folgenderBegriffsbildung beruht:

”Definition“ 1.3.1 (Cantor, 1895). Unter einer Menge verstehen wir jede Zu-

sammenfassung M von bestimmten wohlunterschiedenen Objekten m unsererAnschauung oder unseres Denkens (welche Elemente von M genannt werden)zu einem Ganzen.

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1.3. Mengentheoretische Grundlagen 17

Caveat 1.3.2. Obige”Definition“ ist keine Definition im mathematischen

Sinne, da einige der auftretenden Begriffe nicht erklart sind (bzw. nicht er-klarbar sind). Wir werden zunachst mit diesem naiven Mengenbegriff arbei-ten und erst spater auf einen exakten Zugang eingehen. Es wird sich dabeiinsbesondere zeigen, dass man die naheliegende Frage

Was ist eine Menge?

besser durch die Frage

Wie kann man mit Mengen umgehen?

ersetzt.

Definition 1.3.3 (Gleichheit von Mengen). Zwei Mengen sind genau danngleich, wenn sie dieselben Elemente enthalten.

Bemerkung 1.3.4 (Beweis von Gleichheit von Mengen). Um zu beweisen, dasszwei Mengen A und B gleich sind, ist also zu zeigen, dass

alle Elemente von A in B liegen und dass

alle Elemente von B in A liegen.

Notation 1.3.5 (Grundlegende Notationen in der Mengenlehre). Im folgendenseien A und B Mengen. In Abbildung 1.3 sind die grundlegenden Notatio-nen fur Mengen und einfache Mengenkonstruktionen aufgelistet. Eine Veran-schaulichung dieser Begriffe findet sich in Abbildung 1.4 bzw. 1.5.

Beispiel 1.3.6. Wir betrachten die Mengen (wobei wir 0, 1, 2 als Symboleansehen)

A := 0, 1 und B := 0, 2.Da Mengen genau dann gleich sind, wenn sie die gleichen Elemente enthalten,folgt

A = 1, 0 = 1, 0, 1 = 0, 0, 0, 1, 1, 1, 0 = . . .

Es gilt nicht A ⊂ B (da 1 ∈ A aber 1 6∈ B); analog gilt auch nicht B ⊂ A.Nach Definition ist

A ∩B = 0A ∪B = 0, 1, 2A \B = 1P (A) =

∅, 0, 1, 0, 1

P (B) =∅, 0, 2, 0, 2

A×B =

(0, 0), (0, 2), (1, 0), (1, 2).

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18 1. Grundlagen: Logik und Mengenlehre

Notation Bedeutung/Definition

x ∈ A x ist ein Element von AA ⊂ B A ist eine Teilmenge von B, d.h. alle Elemente

von A sind Elemente von Bx, y, z, . . . die Menge mit den Elementen x, y, z, . . .x | C(x) die Menge aller x, fur die C(x) gilt

A ∩B die Schnittmenge vonA undB, d.h. die MengeA ∩B :=

x∣∣ (x ∈ A) ∧ (x ∈ B)

A ∪B die Vereinigung von A und B, d.h. die MengeA ∪B :=

x∣∣ (x ∈ A) ∨ (x ∈ B)

A \B das Komplement von B in A (oder A ohne B),d.h. die Menge

A \B :=x∣∣ (x ∈ A) ∧ (x 6∈ B)

∅ oder die leere Menge, d.h. die Menge, die keine Ele-mente enthalt

P (A) die Potenzmenge von A, d.h. die Menge allerTeilmengen von A:

P (A) := x | x ⊂ AA×B das (kartesische) Produkt von A und B, d.h.

A×B :=

(x, y)∣∣ (x ∈ A) ∧ (y ∈ B)

Dabei sind Paare (x, y) und (x′, y′) genaudann gleich, wenn x = x′ und y = y′ gilt.

Abbildung 1.3.: Grundlegende Notationen in der Mengenlehre. Hierbei be-deutet

”x := y“, dass x durch y definiert wird. Die Notati-

on”x 6∈ B“ ist eine Abkurzung fur

”¬(x ∈ B)“.

Bemerkung 1.3.7. Die Definition der Schnittmenge, der Vereinigung und desKomplements von Mengen lasst erkennen, wie man eine Korrespondenz zwi-schen logischen Operationen und Mengenkonstruktionen herstellen kann. Ins-besondere liefert dies auch gut Eselsbrucken fur die logischen Symbole

”∧“

bzw.”∨“ uber die gelaufigeren Symbole

”∪“ bzw.

”∩“ aus der Mengenlehre.

Caveat 1.3.8. Es ist P (∅) = ∅ 6= ∅, denn ∅ enthalt ein Element(namlich ∅), aber ∅ enthalt keine Elemente.

Definition 1.3.9 (disjunkt). Mengen A und B heißen disjunkt, wenn A∩B = ∅.Proposition 1.3.10 (Eigenschaften der Mengenoperationen). Seien A, B, CMengen.

1. Ist A ⊂ B und B ⊂ C, so folgt A ⊂ C.

2. Es gilt ( Kommutativitat von”∪“ bzw.

”∩“)

A ∪B = B ∪A und A ∩B = B ∩A.

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1.3. Mengentheoretische Grundlagen 19

A B

A ∩B

A B

A ∪B

A B

A \B

A B

Abbildung 1.4.: Grundlegende Notationen in der Mengenlehre, schematisch

Ax

By

A×B(x, y)

Abbildung 1.5.: Kartesisches Produkt, schematisch

3. Es gilt ( Assoziativitat von”∪“ bzw.

”∩“)

(A ∪B) ∪ C = A ∪ (B ∪ C) und (A ∩B) ∩ C = A ∩ (B ∩ C).

4. Es gilt

(A ∩B) ∪ C = (A ∪ C) ∩ (B ∪ C),

(A ∪B) ∩ C = (A ∩ C) ∪ (B ∩ C).

Beweis. Der Beweis dieser Proposition erfolgt, indem man die Behauptungenelementweise uberpruft (s. Analysis I) oder indem man geeignete aussagenlo-gische Tautologien auf die definierenden Eigenschaften der Mengen anwendet.Stellvertretend geben wir den Beweis des ersten Teils:

Zu 1. Es gelte A ⊂ B und B ⊂ C. Sei x ∈ A. Wegen A ⊂ B ist dannauch x ∈ B. Wegen B ⊂ C ist somit x ∈ C.

Also gilt: Fur alle x ∈ A ist x ∈ C. D.h. es gilt A ⊂ C.

Anmerkung zum Lernen. Ebenso wie die Definitionen, sollten Sie sich auchdie Aussagen der Propositionen, Satze, Lemmata, . . . einpragen; wichtig istdabei nicht der genaue Wortlaut, sondern der genaue mathematische Inhalt!Zusatzlich sollten Sie uberprufen, ob Sie die Aussage wirklich verstehen (z.B.,indem Sie die Aussage an Beispielen ausprobieren), und ob Sie den Beweisnachvollziehen konnen.

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20 1. Grundlagen: Logik und Mengenlehre

Notation 1.3.11. Ist A eine Menge, so schreiben wir auch oft

”∀x∈A . . .“ statt

”∀x((x ∈ A) =⇒ . . .

)“

”x ∈ A | . . . “ statt

x∣∣ (x ∈ A) ∧ . . .

“.

Caveat 1.3.12 (Russellsches Paradoxon). Die Betrachtung von

x | x ist eine Menge und x 6∈ x

fuhrt zu einem Widerspruch(!), denn:Angenommen, A := x | x ist eine Menge und x 6∈ x ist eine Menge.

Dann gilt A ∈ A oder A 6∈ A.

À Ist A ∈ A, so gilt nach Definition von A, dass A 6∈ A ist, im Widerspruchzu A ∈ A.

Á Ist A 6∈ A, so gilt nach Definition von A, dass A ∈ A ist, im Widerspruchzu A 6∈ A.

Die Annahme, dass A eine Menge ist, fuhrt somit zu einem Widerspruch.Also kann diese Annahme somit nicht zutreffen und es folgt, dass A keineMenge ist.

Dies ist ein ernsthaftes Problem, denn: Ein einziger Widerspruch genugt,um die gesamte Mathematik zusammensturzen zu lassen! Nach der Wahr-heitstafel fur

”=⇒“ kann namlich aus falschen Aussagen alles gefolgert wer-

den.Man darf also nicht wie in Cantors

”Definition“ von Mengen alle Kon-

strukte als Mengen zulassen. Der Knackpunkt in Russells Paradoxon ist einegewisse Selbstbezuglichkeit. Ein moglicher Ausweg ist, ein zweistufiges Sy-stem einzufuhren (Kapitel ??).

1.3.2 Abbildungen

Es ist ein allgemeines Prinzip in der Mathematik, nicht nur Objekte zu be-trachten, sondern auch zu studieren, wie gewisse Objekte zueinander in Be-ziehung stehen; im Fall der Mengenlehre sind die

Objekte Mengen und die

”Beziehungen“ sind Abbildungen (bzw. allgemeiner Relationen).

”Definition“ 1.3.13 (Abbildung, naive Definition). Seien X und Y Mengen.

Eine Abbildung X −→ Y ordnet jedem Element aus X genau ein Elementaus Y zu.

Caveat 1.3.14. Dies ist keine mathematische Definition, denn”zuordnen“

besitzt keine mathematisch exakte Bedeutung!

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1.3. Mengentheoretische Grundlagen 21

Xx

Y

f(x)

X × Y(x, f(x))

f

Abbildung 1.6.: Abbildungen, mengentheoretisch

Eine saubere Definition erhalt man zum Beispiel, indem man Abbil-dungen mengentheoretisch durch ihre Abbildungsgraphen beschreibt (Ab-bildung 1.6).

Definition 1.3.15 (Abbildung). Seien X und Y Mengen.

Eine Abbildung X −→ Y ist eine Teilmenge f ⊂ X × Y mit folgenderEigenschaft: Fur jedes x ∈ X gibt es genau ein y ∈ Y mit (x, y) ∈ f ;man schreibt in diesem Fall f(x) := y oder x 7−→ y.

Zwei Abbildungen f, g : X −→ Y sind genau dann gleich, wenn diezugehorigen Teilmengen von X×Y gleich sind, d.h., wenn fur alle x ∈ Xgilt, dass

f(x) = g(x).

Definition 1.3.16 (Identitat). Sei X eine Menge. Die Identitat (auf X) ist diewie folgt definierte Abbildung idX :

idX : X −→ X

x 7−→ x.

(D.h. idX ist durch die”diagonale“ Teilmenge (x, x) | x ∈ X ⊂ X × X

gegeben.)

Beispiel 1.3.17 (einfache Abbildungen). Sei X := 0, 1, 2 und Y := 0, 2.Dann sind

f :=

(0, 0), (1, 2), (2, 2)

bzw. (in ubersichtlicherer Notation)

f : X −→ Y

0 7−→ 0

1 7−→ 2

2 7−→ 2

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22 1. Grundlagen: Logik und Mengenlehre

Xx

π1

Yy

π2

X × Y(x, y)

Abbildung 1.7.: Die kanonischen Projektionen, schematisch

undg :=

(0, 0), (2, 2)

bzw.

g : Y −→ X

0 7−→ 0

2 7−→ 2

Abbildungen X −→ Y . Aber die Teilmenge (0, 2), (0, 0) von X × Y be-schreibt keine Abbildung X −→ Y .

Definition 1.3.18 (kanonische Projektionen). Seien X und Y Mengen. Danndefinieren wir die kanonischen Projektionen

π1 : X × Y −→ X

(x, y) 7−→ x

bzw.

π2 : X × Y −→ Y

(x, y) 7−→ y

auf die Faktoren (Abbildung 1.7).

Wichtige Techniken um aus Abbildungen weitere Abbildungen zu Kon-struieren sind Komposition und Restriktion:

Definition 1.3.19 (Komposition von Abbildungen). Seien X, Y , Z Mengenund seien f : X −→ Y und g : Y −→ Z Abbildungen. Die Komposition von gmit f ist die Abbildung (

”g nach f“)

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1.3. Mengentheoretische Grundlagen 23

g f : X −→ Z

x 7−→ g(f(x)

).

D.h. g f entspricht der Teilmenge (x, z) | ((x, y) ∈ f) ∧ ((y, z) ∈ g)von X × Z.

Beispiel 1.3.20. Fur die Abbildungen f und g aus Beispiel 1.3.17 erhaltenwir die Kompositionen

g f : X −→ X

0 7−→ 0

1 7−→ 2

2 7−→ 2

und

f g : Y −→ Y

0 7−→ 0

2 7−→ 2,

d.h. f g = idY .

Bemerkung 1.3.21. Die Komposition von Abbildungen ist assoziativ, d.h.fur alle Abbildungen f : X −→ Y , g : Y −→ Z, h : Z −→ U gilt

(h g) f = h (g f).

Außerdem gilt fur alle Abbildungen f : X −→ Y , dass

f idX = f und idY f = f.

Diese Eigenschaften der Abbildungskomposition lassen sich leicht element-weise uberprufen.

Definition 1.3.22 (Einschrankung von Abbildungen). Seien X und Y Mengen,sei f : X −→ Y eine Abbildung und sei A ⊂ X eine Teilmenge. Die Ein-schrankung von f auf A ist die Abbildung f |A, die wie folgt definiert ist:

f |A : A −→ Y

x 7−→ f(x).

Wir nennen in diesem Fall auch f eine Fortsetzung von f |A auf X.

Oft ist es gunstig, Abbildungen nicht nur auf Elemente, sondern auch aufTeilmengen anwenden zu konnen. Dies fuhrt zu den Begriffen Bild und Urbild(Abbildung 1.8):

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24 1. Grundlagen: Logik und Mengenlehre

Y

f

f(A)

XA

Y

f

B

Xf−1(B)

Abbildung 1.8.: Bilder/Urbilder von Abbildungen, schematisch

Definition 1.3.23 (Bild/Urbild). Seien X und Y Mengen und sei f : X −→ Yeine Abbildung.

Ist A ⊂ X, so ist f(A) :=f(x)

∣∣ x ∈ A⊂ Y das Bild von A unter f .

Ist B ⊂ Y , so ist f−1(B) :=x ∈ X

∣∣ f(x) ∈ B⊂ X das Urbild

von B unter f .

Beispiel 1.3.24. Wir betrachten die Abbildung f aus Beispiel 1.3.17. Dannist

f(0, 1

)= 0, 2 und f−1

(2)

= 1, 2.

Caveat 1.3.25. Bild-Nehmen vertragt sich im allgemeinen nicht gut mitMengenoperationen wie

”∩“. Urbild-Nehmen ist jedoch kompatibel mit

”∩“

und”∪“.

Zum Abschluss dieser Einfuhrung in Abbildungen fuhren wir noch wichtigeEigenschaften von Abbildungen ein:

Definition 1.3.26 (injektiv/surjektiv/bijektiv). Seien X und Y Mengen.

Eine Abbildung f : X −→ Y ist surjektiv, wenn f(X) = Y ist, d.h.,wenn es zu jedem y ∈ Y ein x ∈ X mit f(x) = y gibt.

Eine Abbildung f : X −→ Y ist injektiv, wenn jedes Element aus Yhochstens ein Urbild unter f besitzt, d.h., wenn fur alle x, x′ ∈ X gilt:Ist f(x) = f(x′), so ist x = x′.

Eine Abbildung X −→ Y ist bijektiv, wenn sie injektiv und surjek-tiv ist (d.h., wenn jedes Element aus Y genau ein Urbild unter dieserAbbildung besitzt).

Caveat 1.3.27. Injektiv ist nicht das”Gegenteil“ von surjektiv!

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1.3. Mengentheoretische Grundlagen 25

Beispiel 1.3.28. Ist X eine Menge, so ist idX : X −→ X sowohl injektiv alsauch surjektiv und somit bijektiv.

Beispiel 1.3.29. Wir betrachten die Abbildungen f und g aus Beispiel 1.3.17.Die Abbildung f ist surjektiv, aber nicht injektiv (denn f(1) = 2 = f(2)).Die Abbildung g ist injektiv, aber nicht surjektiv (denn 1 besitzt kein Urbildunter g). Die Abbildung g f : X −→ X ist weder injektiv noch surjektiv.

Definition 1.3.30 (Umkehrabbildung/inverse Abbildung). Seien X und Y Men-gen und sei f : X −→ Y eine Abbildung. Eine Abbildung g : Y −→ X ist eineUmkehrabbildung/inverse Abbildung von f , wenn

g f = idX und f g = idY .

Beispiel 1.3.31. Ist X eine Menge, so ist idX eine (bzw. sogar die) Umkehr-abbildung von idX : X −→ X.

Proposition 1.3.32 (Umkehrabbildungen und Bijektivitat). Seien X und YMengen und sei f : X −→ Y eine Abbildung.

1. Ist f bijektiv, so besitzt f eine Umkehrabbildung; außerdem ist die Um-kehrabbildung von f eindeutig bestimmt. Man schreibt dann auch f−1

fur die Umkehrabbildung von f .

2. Besitzt f eine Umkehrabbildung, so ist f bijektiv.

Beweis. Zu 1. Sei f bijektiv.

Existenz einer Umkehrabbildung. Wir betrachten dann die Menge

g :=

(y, x)∣∣ (x, y) ∈ X × Y und f(x) = y

⊂ Y ×X.

Dann ist g eine Abbildung Y −→ X, denn: Sei y ∈ Y .

Da f : X −→ Y surjektiv ist, gibt es ein x ∈ X mit f(x) = y, und dahermit (y, x) ∈ g.

Da f : X −→ Y injektiv ist, gibt es hochstens ein x ∈ X mit f(x) = ybzw. (y, x) ∈ g.

Also ist g : Y −→ X eine Abbildung.

Nach Konstruktion gilt g f = idX und f g = idY . Also ist g eineUmkehrabbildung von f .

Eindeutigkeit der Umkehrabbildung. Sei g′ : Y −→ X auch eine Umkehr-abbildung von f . Wir zeigen, dass dann g = g′ gilt: Mit Bemerkung 1.3.21erhalten wir

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26 1. Grundlagen: Logik und Mengenlehre

g = g idY (Bemerkung 1.3.21)

= g (f g′) (da g′ zu f invers ist)

= (g f) g′ (Bemerkung 1.3.21)

= idX g′ (da g zu f invers ist)

= g′, (Bemerkung 1.3.21)

da g und g′ invers zu f sind. Also ist g = g′.

Zu 2. Es gebe eine Umkehrabbildung g : Y −→ X von f .

Dann ist f surjektiv, denn: Sei y ∈ Y . Mit x := g(y) ∈ X und fg = idYfolgt

f(x) = f(g(y)

)= f g(y) = idY (y)

= y

Also ist f surjektiv.

Und f ist injektiv, denn: Seien x, x′ ∈ X mit f(x) = f ′(x). Wegeng f = idX folgt

x = idX(x) = g f(x) = g(f(x)

)

= g(f(x′)

)= g f(x′) = idX(x′)

= x′.

Also ist f injektiv.

Insgesamt folgt somit, dass f bijektiv ist.

Bemerkung 1.3.33 (Eindeutigkeit und Artikel). Da Umkehrabbildungen vonbijektiven Abbildungen nach Proposition 1.3.32 eindeutig sind, werden wirim folgenden fur Umkehrabbildungen immer den bestimmten Artikel (dieUmkehrabbildung) verwenden statt den unbestimmten (eine Umkehrabbil-dung).

Bemerkung 1.3.34 (kommutative Diagramme). Gleichheit zwischen (Kompo-sitionen von) Abbildungen lasst sich oft gut durch kommutative Diagrammeveranschaulichen: Ein kommutatives Diagramm ist ein sogenannter gerichte-ter (Multi-)Graph, wobei die Knoten Mengen reprasentieren und die KantenAbbildungen zwischen den entsprechenden Knoten reprasentieren. Ein sol-ches Diagramm heißt kommutativ, wenn folgendes gilt: Fur alle Knoten X, Yund alle gerichteten Wege von X nach Y stimmen die Kompositionen der Ab-bildungen zu den Kanten (in der durch den Weg vorgegebenen Reihenfolge)uberein. Zum Beispiel ist das Diagramm

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1.3. Mengentheoretische Grundlagen 27

Xf//

h

Y

g

Z

genau dann kommutativ, wenn h = g f ist.Ist f : X −→ Y eine Abbildung, so ist eine Abbildung g : Y −→ X genau

dann die Umkehrabbildung von f , wenn die Diagramme

XidX //

f

X

Y

g

>> X

f

Y

g>>

idY

// Y

beide kommutativ sind. Kurzer: Eine Abbildung g : Y −→ X ist genau danndie Umkehrabbildung von f : X −→ Y , wenn das Diagramm

XidX //

f

X

f

YidY

//

g

>>

Y

kommutativ ist.

1.3.3 Axiomatische Mengenlehre

Was ist axiomatische Mengenlehre? Statt wie in Cantors Definition anzuge-ben, was eine Menge ist, beschreibt man die Mengenlehre durch eine Listevon Axiomen, die angeben, wie man mit Mengen umgehen kann.

Wir geben im folgenden die Axiome fur die Mengenlehre nach von Neu-mann, Bernays und Godel an3: Es gibt zwei Sorten von Objekten, Mengenund Klassen; man sollte sich dabei Mengen als

”kleine Klassen“ vorstellen.

Nach dem Komprehensionsaxiom darf man Klassen sehr freizugig zusammen-stellen – aber nicht jede Klasse ist eine Menge!

Axiome 1.3.35 (Axiome der Mengenlehre nach von Neumann, Bernays, Godel).

Es gibt zwei Sorten von Objekten, Mengen und Klassen.

Jede Menge ist eine Klasse.

Elemente von Klassen sind Mengen.

3Eine andere weitverbreitete Axiomatisierung stammt von Zermelo und Fraenkel; es ergibt

sich dabei dieselbe Mengenlehre (jedoch ohne Klassen).

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28 1. Grundlagen: Logik und Mengenlehre

Extensionalitat. Zwei Klassen sind genau dann gleich, wenn sie diesel-ben Elemente enthalten.

Komprehension. Ist C eine quantorenlogische Aussage”erster Stufe“ in

einer mengenwertigen Variablen und wird in C nicht uber Klassenva-riablen quantifiziert, so ist

x∣∣ x ist eine Menge und es gilt C(x)

eine Klasse.

Die leere Klasse ∅ := x | x ist eine Menge und x 6= x ist eine Menge.

Jede Teilklasse einer Menge ist eine Menge; eine Klasse A ist eine Teil-klasse einer Klasse B, wenn jedes Element von A ein Element von Bist.

Paarmengenaxiom. Sind A und B Mengen, so ist auch A,B eineMenge.

Vereinigungsaxiom. Ist A eine Menge, so ist auch

⋃A :=

x∣∣ ∃y ((x ∈ y) ∧ (y ∈ A))

eine Menge, die Vereinigungsmenge von A.

Potenzmengenaxiom. Ist A eine Menge, so ist auch P (A) := x | x ⊂ Aeine Menge, die Potenzmenge von A.

Ersetzungsaxiom. Ist F : X −→ Y eine Funktion zwischen den Klas-sen X und Y und ist A ⊂ X eine Teilmenge, so ist auch F (A) eineMenge.

Unendlichkeitsaxiom. Es gibt eine induktive Menge; eine Menge A heißtinduktiv, wenn ∅ ∈ A und wenn fur alle x ∈ A auch x ∪ x ∈ A ist.

Auswahlaxiom. Ist A eine Menge mit ∅ 6∈ A, so gibt es eine Auswahlfunk-tion fur A, d.h. eine Funktion f : A −→ ⋃

A mit folgender Eigenschaft:Fur alle x ∈ A ist f(x) ∈ x.

Caveat 1.3.36 (Widerspruchsfreiheit?). Man kann aus den Axiomen der Men-genlehre nicht folgern, dass die Mengenlehre widerspruchsfrei ist! (ZweiterGodelscher Unvollstandigkeitssatz). Die Mathematik beruht auf der Annah-me, dass die Axiome der Mengenlehre widerspruchsfrei sind.

Proposition 1.3.37 (Existenz einer echten Klasse). Es gibt eine Klasse, diekeine Menge ist, namlich zum Beispiel die Russellsche Klasse

x | x ist eine Menge und x 6∈ x.

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1.3. Mengentheoretische Grundlagen 29

Beweis. Sei R := x | x ist eine Menge und x 6∈ x. Nach dem Komprehen-sionsaxiom ist R eine Klasse.

Angenommen, R ware eine Menge. Dann gilt R ∈ R oder R 6∈ R.

À Ist R ∈ R, so gilt nach Definition von R, dass R 6∈ R, im Widerspruchzu R ∈ R.

Á IstR 6∈ R, so gilt nach Definition vonR, dassR ∈ R ist, im Widerspruchzu R 6∈ R.

Also ist R keine Menge, und damit eine echte Klasse.

Eine naheliegende Frage ist, warum man das Russellsche Paradoxon nunnicht einfach eine Ebene hoher, also auf Klassenebene, reproduzieren kann,indem man x | x ist eine Klasse und x 6∈ x betrachtet. Dabei ist jedochzu beachten, dass diese Konstruktion mit unserem Axiomensystem nichtzulassig ist – denn Elemente von Klassen sind immer Mengen!

(Echte) Klassen, uber die man in der Mathematik haufig spricht, sind zumBeispiel

die Klasse aller Mengen,

die Klasse aller Gruppen,

die Klasse aller Vektorraume uber einem gegebenen Grundkorper,

die Klasse aller topologischen Raume.

Wir gehen nun noch einmal kurz auf das Auswahlaxiom ein. Das Auswahl-axiom scheint zunachst irgendwie offensichtlich zu sein: Ist A eine Menge undgilt ∅ 6∈ A, so bedeutet dies gerade, dass es zu jedem x ∈ A ein yx ∈ x gibt.Daher scheint es naheliegend, dass man durch x 7→ yx eine Auswahlfunkti-on fur A definieren kann. Das Problem dabei ist, dass Abbildungen Mengensind (namlich Teilmengen des entsprechenden kartesischen Produktes) unddaher den Anforderungen an die Konstruktion von Mengen genugen mussen(so wie sie durch die Axiome bereitgestellt werden). Dies ist in dem geradebetrachteten Beispiel aber nicht klar. Genauer gilt sogar:

Caveat 1.3.38 (Unabhangigkeit des Auswahlaxioms). Das Auswahlaxiom ist

”unabhangig“ von den anderen Axiomen der Mengenlehre (d.h. es kann weder

aus den ubrigen Axiomen gefolgert noch widerlegt werden). Aufgrund dernicht-konstruktiven Charakteristik und etwas ungewohnlicher Konsequenzenwird im Normalfall explizit angegeben, wenn ein Beweis das Auswahlaxiomverwendet.

Als erste Anwendung des Auswahlaxioms geben wir eine nutzliche Cha-rakterisierung von Surjektivitat:

Proposition 1.3.39 (Spalte und Surjektivitat). Seien X, Y Mengen und seif : X −→ Y eine Abbildung. Dann sind folgende Aussagen aquivalent:

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30 1. Grundlagen: Logik und Mengenlehre

1. Die Abbildung f : X −→ Y ist surjektiv.

2. Die Abbildung f : X −→ Y besitzt einen (Rechts)Spalt. Eine (Rechts)Spaltvon f ist dabei eine Abbildung s : Y −→ X mit

f s = idY .

Beweis (AC). 4

”2 =⇒ 1“. Sei s : Y −→ X eine Abbildung mit f s = idY . Dann ist f

surjektiv, denn (s. Beweis von Proposition 1.3.32): Sei y ∈ Y . Fur dasElement x := s(y) ∈ X erhalten wir dann

f(x) = f(s(y)

)= f s(y) = idY (y) = y.

”1 =⇒ 2“. Sei f : X −→ Y surjektiv. Dann besitzt f einen Spalt, denn: Wir

betrachten die Menge

A :=f−1(y)

∣∣ y ∈ Y.

Da f surjektiv ist, gilt fur jedes y ∈ Y , dass f−1(y) 6= ∅; also ist ∅ 6∈ A.Nach dem Auswahlaxiom existiert somit eine Abbildung g : A −→ ⋃

Amit

∀z∈A g(z) ∈ z.Nach Definition von A ist

⋃A = X. Daher ist

s : Y −→ X

y 7−→ g(f−1(y)

)

eine Abbildung. Nach Konstruktion von g gilt dabei fur alle y ∈ X,dass

f s(y) = f(g(f−1(y)

))= y.

Also ist s ein Spalt von f .

Ausblick 1.3.40 (Verwandte des Auswahlaxioms). Wichtige, zum Auswahlaxi-om aquivalente5, Aussagen sind:

der Wohlordnungssatz,

das Zornsche Lemma (Satz 3.3.19),

der Satz von Tychonoff.

4Die Abkurzung”AC“ steht dabei fur Axiom of Choice (Auswahlaxiom) und deutet an,

dass der Beweis das Auswahlaxiom verwendet.5D.h. diese Satze sind aquivalent zum Auswahlaxiom, wenn man alle Axiome der Men-

genlehre bis auf das Auswahlaxiom annimmt

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2

Zahlen, Zahlen, Korper

Zentrale Objekte der Mathematik (und ihrer Anwendungen) sind Zahlen al-ler Art. In diesem Kapitel werden wir Schritt fur Schritt verschiedene Zah-lenbereiche und ihre algebraische Struktur kennenlernen. Dazu erklaren wirzunachst den Zusammenhang zwischen

”Zahlen“ und den naturlichen Zah-

len. Ausgehend von den naturlichen Zahlen werden wir dann die Konstruk-tion der ganzen bzw. rationalen Zahlen durchfuhren. Gleichzeitig werden wirdabei fundamentale Abstraktionsmechanismen kennenlernen und Gruppenbzw. Korper einfuhren.

Uberblick uber dieses Kapitel.

2.1 Die naturlichen Zahlen und Induktion 322.2 Die ganzen Zahlen und Gruppen 372.3 Die rationalen Zahlen und Korper 45

Schlusselbeispiel. naturliche Zahlen, ganze Zahlen, rationale Zahlen

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32 2. Zahlen, Zahlen, Korper

2.1 Die naturlichen Zahlen und Induktion

Die naturlichen Zahlen stellen eine Formalisierung des Zahlens dar. Wirwerden zunachst diesen Zahlbegriff erklaren und dann daraus die grundle-genden arithmetischen Operationen (Addition und Multiplikation) auf dennaturlichen Zahlen einfuhren.

2.1.1 Zahlen und Induktion

Was ist wichtig beim Zahlen? Zum Zahlen benotigen wir

einen Startpunkt (”0“),

das Weiterzahlen (”+1“).

Zusatzlich ist es sinnvoll zu fordern, dass alle Anzahlen auf diese Weiseerreicht werden konnen.

Dies wird durch die Peano-Axiome formalisiert:

Axiome 2.1.1 (Peano-Axiome der naturlichen Zahlen). Ein Tripel1 (N, 0, s)erfullt die Peano-Axiome, wenn N eine Menge ist, 0 ∈ N ist und s : N −→ Neine Abbildung ist, die die folgenden Eigenschaften besitzen:

À Es ist 0 6∈ s(N).

Á Die Abbildung s : N −→ N ist injektiv.

 Induktionsprinzip. Ist A ⊂ N eine Teilmenge mit 0 ∈ A und s(A) ⊂ A,so ist A = N .

Ist n ∈ N , so nennt man s(n) auch Nachfolger von n.

Es wird sich herausstellen, dass es bis auf”kanonische, strukturerhaltende

Bijektionen“ genau ein Tripel gibt, das die Peano-Axiome erfullt (Satz 2.1.4).Das zentrale Axiom ist dabei das Induktionsprinzip. Etwas expliziter kann

es wie folgt formuliert werden:

Bemerkung 2.1.2 (Prinzip der vollstandigen Induktion). Sei (N, 0, s) ein Tripel,das die Peano-Axiome erfullt. Sei E eine

”Eigenschaft“ von Elementen von N

(d.h. wir konnen E als Teilmenge von N auffassen), und es gelte:

Induktionsanfang. Das Element 0 hat die Eigenschaft E.

1Tripel sind analog zu Paaren definiert, haben aber drei Komponenten. Analog erhalt

man auch Qaudrupel, Quintupel, . . .

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2.1. Die naturlichen Zahlen und Induktion 33

Induktionsschritt. Fur alle n ∈ N gilt: Hat n die Eigenschaft E, soauch s(n).

Dann haben alle Elemente von N die Eigenschaft E.

Mit Hilfe des Induktionsprinzips lassen sich auch Abbildungen induk-tiv/rekursiv definieren:

Satz 2.1.3 (Rekursionssatz). Sei (N, 0, s) ein Tripel, das die Peano-Axiomeerfullt. Sei A eine Menge, sei a ∈ A und sei g : A −→ A eine Abbildung.Dann gibt es genau eine Abbildung f : N −→ A mit der Eigenschaft, dassf(0) = a und, dass

f(s(n)

)= g(f(n)

)

fur alle n ∈ N gilt.

Beweisskizze. Mit Hilfe des Induktionsprinzips kann man sich vom vorgege-benen Startwert 0 7−→ a Nachfolgerschritt fur Nachfolgerschritt durch ganzN

”hochhangeln“.

Satz 2.1.4 (Modelle der Peano-Axiome).

1. Es existiert ein Tripel, das die Peano-Axiome erfullt.

2. Je zwei Tripel, die die Peano-Axiome erfullen, sind kanonisch iso-morph; genauer: Erfullen (N, 0, s) und (N ′, 0′, s′) die Peano-Axiome,so gibt es genau eine Bijektion f : N −→ N ′ mit f(0) = 0′ und derEigenschaft, dass fur alle n ∈ N gilt, dass f(s(n)) = s′(f(n)).

Der Beweis der ersten Aussage beruht auf dem Unendlichkeitsaxiom; derBeweis der zweiten Aussage beruht auf dem Rekursionssatz. Eine Beweisskiz-ze findet sich in Anhang A.2.

Definition 2.1.5 (Naturliche Zahlen). Das (bis auf kanonische Isomorphie) ein-deutige Tripel, das die Peano-Axiome erfullt, bezeichnen wir mit (N, 0, ·+ 1)und nennen es naturliche Zahlen.

Notation 2.1.6. Im Normalfall bezeichnen wir naturliche Zahlen durch ihreDezimaldarstellung, d.h. N = 0, 1, 2, . . . (und ignorieren auch den mengen-theoretischen Standpunkt, dass Elemente von Mengen Mengen sind).

Caveat 2.1.7 (beginnen die naturlichen Zahlen mit 0 oder mit 1 ?). In manchenQuellen wird die Konvention verwendet, dass die naturlichen Zahlen mit 1beginnen. Achten Sie daher unbedingt darauf, welche Konvention jeweils ver-wendet wird! Beide Konventionen haben ihre Vorzuge:

In der Analysis verwendet man oft Folgen wie (1/n)n∈N. An dieser Stelleist es gunstig, wenn 0 keine naturliche Zahl ist (was soll 1/0 sein?!).

Vom algebraischen Standpunkt her ist es angenehmer, wenn 0 einenaturliche Zahl ist, denn auf diese Weise enthalten die naturlichen Zah-len ein neutrales Element bezuglich Addition.

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34 2. Zahlen, Zahlen, Korper

2.1.2 Arithmetische Operationen

Mithilfe des Rekursionssatzes konnen wir aus der Nachfolgerfunktion Schrittfur Schritt Addition, Multiplikation und Potenzen naturlicher Zahlen definie-ren. Die Definition mag zunachst unnotig kompliziert erscheinen (denn dasRechnen mit den naturlichen Zahlen ist doch

”offensichtlich“); es hilft an

dieser Stelle vielleicht, sich zu uberlegen, wie man einem Kind die Additionbeibringen kann, wenn es nur Zahlen kann . . .

Definition 2.1.8 (Addition/Multiplikation/Potenzen). Sei m ∈ N. Wir definie-ren die Abbildungen m + · : N −→ N, m · · : N −→ N und m· : N −→ N mitHilfe des Rekursionssatzes wie folgt:

Addition. Es sei m+ 0 := m und fur alle n ∈ N sei

m+ (n+ 1) := (m+ n) + 1.

Multiplikation. Es sei m · 0 := 0 und fur alle n ∈ N sei

m · (n+ 1) := m · n+m.

Potenzen. Es sei m0 := 1 und fur alle n ∈ N sei

mn+1 := mn ·m.

Proposition 2.1.9 (Eigenschaften von Addition/Multiplikation/Potenzen).

1. Neutrale Elemente. Fur alle n ∈ N gilt

n+ 0 = n = 0 + n und n · 1 = n = 1 · n.

2. Assoziativitat. Fur alle k,m, n ∈ N gilt

k + (m+ n) = (k +m) + n und k · (m · n) = (k ·m) · n.

3. Kommutativitat. Fur alle m,n ∈ N gilt

m+ n = n+m und m · n = n ·m.

4. Distributivitat. Fur alle k,m, n ∈ N gilt

(k +m) · n = k ·m+m · n.

5. Potenzgesetze. Fur alle k,m, n ∈ N gilt

(k ·m)n = kn ·mn, (km)n = km·n, km · kn = km+n.

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2.1. Die naturlichen Zahlen und Induktion 35

Beweis. All diese Aussagen konnen per vollstandiger Induktion gezeigt wer-den. Wir beweisen hier nur stellvertretend die Assoziativitat der Additi-on. Genauer: Seien k,m ∈ N. Wir zeigen per Induktion uber n ∈ N, dassk + (m+ n) = (k +m) + n gilt:

Induktionsanfang. Da 0 nach dem ersten Teil (bzw. nach der Definitionder Addition) das neutrale Element bezuglich Addition ist, folgt

k + (m+ 0) = k +m = (k + 0) +m,

wie gewunscht.

Induktionsschritt. Sei n ∈ N und die Behauptung gelte fur n (d.h. esgelte k + (m + n) = (k + m) + n)). Wir zeigen, dass die Behauptungdann auch fur n + 1 gilt: Mit der Definition der Addition und derInduktionsvoraussetzung erhalten wir

k + (m+ (n+ 1)) = k + ((m+ n) + 1) (Definition der Addition)

= (k + (m+ n)) + 1 (Definition der Addition)

= ((k +m) + n) + 1 (Induktionsvoraussetzung)

= (k +m) + (n+ 1) (Definition der Addition)

wie gewunscht.

Mit dem Induktionsprinzip folgt: Fur alle n ∈ N ist k+(m+n) = (k+m)+n.Damit ist die Assoziativitat der Addition gezeigt.

Bemerkung 2.1.10 (Varianten der vollstandigen Induktion). Sind m, n ∈ N,so schreiben wir m ≤ n, falls es ein k ∈ N mit m + k = n gibt. Zu n ∈ Nschreibt man auch kurz 0, . . . , n := m ∈ N | m ≤ n und N≥n := m ∈ N |n ≤ m. Damit konnen wir die folgenden Varianten des Induktionsprinzipsformulieren:

Sei m ∈ N. Ist A ⊂ N mit m ∈ A und der Eigenschaft

∀n∈A n+ 1 ∈ A,

so folgt bereits N≥m ⊂ A.

Ist A ⊂ N mit 0 ∈ A und der Eigenschaft

∀n∈N(0, . . . , n ⊂ A =⇒ n+ 1 ∈ A

),

so folgt bereits A = N.

Beide Varianten lassen sich aus dem ursprunglichen Induktionsprinzip folgern(indem man die Mengen n ∈ N | m+ n ∈ A bzw. n ∈ N | 0, . . . , n ⊂ Abetrachtet).

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36 2. Zahlen, Zahlen, Korper

Zum Beispiel konnen wir per Induktion/Rekursion auch die allgemeineSummen-/Produktnotation einfuhren:

Notation 2.1.11 (∑/∏

).

Sei X eine Menge zusammen mit einer assoziativen und kommuta-tiven Addition +: X × X −→ X, die ein bezuglich Addition neu-trales Element 0 enthalt, und seien x0, x1, . . . ∈ X. Dann definierenwir

∑nj=0 xj“ fur alle n ∈ N induktiv durch

0∑

j=0

xj := x0

undn+1∑

j=0

xj :=

( n∑

j=0

xj

)+ xn+1

fur alle n ∈ N. D.h.∑nj=0 xj =

”x0 + · · ·+ xn“.

Ist k ∈ N, so definieren wir analog∑k+nj=k xj =

”xk +xk+1 + · · ·+xk+n“

(durch Induktion uber n).

Sind k, k′ ∈ N und gibt es kein n ∈ N mit k+n = k′, so sei∑k′

j=k xj := 0.

Analog: Sei X eine Menge zusammen mit einer assoziativen und kom-mutativen Multiplikation · : X ×X −→ X, die ein bezuglich Multipli-kation neutrales Element 1 enthalt, und seien x0, x1, . . . ∈ X. Danndefinieren wir

∏nj=0 xj“ fur alle n ∈ N induktiv durch

0∏

j=0

xj := x0

undn+1∏

j=0

xj :=

( n∏

j=0

xj

)· xn+1

fur alle n ∈ N. D.h.∏nj=0 xj =

”x0 · · · · · xn“.

Ist k ∈ N, so definieren wir analog∏k+nj=k xj =

”xk · xk+1 · · · · · xk+n“

(durch Induktion uber n). Sind k, k′ ∈ N und gibt es kein n ∈ N mit k+

n = k′, so sei∏k′

j=k xj := 1.

Ist n ∈ N, so schreibt man auch kurz

n! :=

n∏

j=1

j.

Insbesondere ist 0! = 1.

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2.2. Die ganzen Zahlen und Gruppen 37

Wir werden in Zukunft den Vorgang des Addierens gerne”umkehren“ wol-

len. Als Vorbereitung dafur werfen wir noch einmal einen Blick auf die Ei-genschaften der Addition naturlicher Zahlen.

Proposition 2.1.12 (Addition auf N, Kurzungsregeln).

1. Es gilt die folgende Kurzungsregel: Fur alle k,m, n ∈ N gilt: Ist k+n =m+ n, so ist bereits k = m.

2. Jede naturliche Zahl n ∈ N \ 0 besitzt einen Vorganger, d.h. es gibtein m ∈ N mit m+ 1 = n.

3. Fur alle n, n′ ∈ N gilt: Ist n+ n′ = 0, so ist n = 0 = n′.

4. Fur alle n, n′ ∈ N existiert ein m ∈ N mit n+m = n′ oder es existiertein m′ ∈ N mit n′ + m′ = n. Fur alle n, n′ ∈ N gilt also n ≤ n′ odern′ ≤ n.

Beweis. Zu 1. Dies folgt durch vollstandige Induktion uber den zu kurzendenSummanden n ∈ N.

Zu 2. Die Menge

0 ∪ n ∈ N | es gibt ein m ∈ N mit m+ 1 = n

erfullt das Induktionsprinzip und stimmt somit mit N uberein.Zu 3. Dies folgt aus der Definition der Addition und der Tatsache, dass 0

keine Nachfolgerzahl ist.Zu 4. Sei n′ ∈ N. Dann kann man die Behauptung

∀n∈N(∃m∈N n+m = n′

)∨(∃m′∈N n′ +m′ = n

)

durch vollstandige Induktion zeigen.

Literaturaufgabe. Lesen Sie das Buch Surreal numbers von Knuth [11].

2.2 Die ganzen Zahlen und Gruppen

Im allgemeinen ist fur naturliche Zahlen n,m ∈ N die Gleichung

x+ n = m

nicht mit x ∈ N losbar (zum Beispiel gibt es kein x ∈ N mit x+ 1 = 0). Wirwerden daher N um Losungen solcher Gleichungen erweitern; dies fuhrt zuden ganzen Zahlen. Als Hilfsmittel fur die Konstruktion verwenden wir dabeisogenannte Aquivalenzrelationen bzw. den Ubergang zu Aquivalenzklassen.Nach der Konstruktion werden wir die additiven Eigenschaften der ganzenZahlen zum Konzept der Gruppe abstrahieren.

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38 2. Zahlen, Zahlen, Korper

2.2.1 Von den naturlichen zu den ganzen Zahlen

Wir wollen die ganzen Zahlen aus den naturlichen Zahlen konstruieren, indemwir

”formale Differenzen“ von naturlichen Zahlen betrachten. Da gewisse

formale Differenzen aber derselben ganzen Zahl entsprechen sollen, werdenwir gewisse formale Differenzen als gleich ansehen wollen. Dies beschreibtman mithilfe von (Aquivalenz)Relationen. Relation sind dabei einfach eineVerallgemeinerung von Abbildungen zwischen Mengen.

Definition 2.2.1 (Relation, Aquivalenzrelation). Sei X eine Menge.

Teilmengen von X ×X bezeichnet man auch als Relationen auf X. Ist ⊂ X × X eine Relation auf X und sind x, y ∈ X, so schreiben wirgenau dann x y, wenn (x, y) ∈ ist.

Eine Relation ⊂ X ×X heißt

– reflexiv, wenn∀x∈X x x

– symmetrisch, wenn

∀x,y∈X (x y ⇐⇒ y x)

– transitiv, wenn

∀x,y,z∈X (x y ∧ y z =⇒ x z).

Eine Relation auf X ist eine Aquivalenzrelation auf X, wenn sie reflexiv,symmetrisch und transitiv ist.

Ist ∼ ⊂ X ×X eine Aquivalenzrelation auf X und x ∈ X, so heißt

[x] := y ∈ X | x ∼ y ⊂ X

Aquivalenzklasse von x bezuglich ∼. Ist y ∈ [x], so nennt man y einenReprasentanten von [x]. Man schreibt X/ ∼ (gelesen:

”X modulo ∼“)

fur die MengeX/ ∼ :=

[x]∣∣ x ∈ X

⊂ P (X)

aller Aquivalenzklassen.

Beispiel 2.2.2.

Ist X eine Menge, so sind

(x, x) | x ∈ X und (x, y) | x, y ∈ X

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2.2. Die ganzen Zahlen und Gruppen 39

Aquivalenzrelationen auf X. Erstere ist die Gleichheitsrelation, letzteredie Relation in der alle Elemente zueinander aquivalent sind.

Die Relation”≤“ aus Bemerkung 2.1.10 ist reflexiv und transitiv (nach-

rechnen!), aber nicht symmetrisch. Also handelt es sich hierbei nichtum eine Aquivalenzrelation.

Proposition 2.2.3 (Eigenschaften von Aquivalenzklassen). Sei X eine Mengeund sei ∼ ⊂ X ×X eine Aquivalenzrelation auf X. Dann gilt:

1. Fur alle x, y ∈ X ist entweder [x] = [y] oder [x] ∩ [y] = ∅.

2. Es ist X =⋃

(X/ ∼) und diese Vereinigung ist disjunkt.

Beweis. Dies folgt, indem man sich sorgfaltig und geduldig durch die Defini-tionen hangelt (Ubungsaufgabe).

Unsere Differenzen in spe von naturlichen Zahlen sollten die folgende Ei-genschaft haben: Sind m,m′, n, n′ ∈ N, so gilt genau dann m− n = m′ − n′,wenn m+ n′ = m′ + n ist. Letztere Darstellung hat den Vorteil, dass sie nurAddition (und nicht die erst noch zu definierende Subtraktion!) verwendetund somit in den naturlichen Zahlen formulierbar ist. Diese Darstellung istder Grund dafur, dass wir die folgende Relation betrachten werden:

Proposition 2.2.4 (formale Differenzen). Wir definieren auf N × N die Rela-tion

”∼“ durch

((m,n), (m′, n′)) ∈ (N× N)× (N× N)

∣∣ m+ n′ = m′ + n.

1. Dann ist”∼“ eine Aquivalenzrelation auf N× N.

2. Ist x ∈ N× N, so gibt es ein k ∈ N mit

x ∼ (k, 0) oder x ∼ (0, k).

Beweis. Zu 1. Reflexivitat. Ist (m,n) ∈ N× N, so gilt

m+ n = m+ n,

und damit (m,n) ∼ (m,n). Also ist”∼“ reflexiv.

Symmetrie. Sind (m,n), (m′, n′) ∈ N × N mit (m,n) ∼ (m′, n′), so giltm+ n′ = m′ + n. Also gilt auch

m′ + n = m+ n′,

und damit (m′, n′) ∼ (m,n). Also ist”∼“ symmetrisch.

Transitivitat. Seien (m,n), (m′, n′), (m′′, n′′) ∈ N×N) mit (m,n) ∼ (m′, n′)und (m′, n′) ∼ (m′′, n′′). Also gilt m+ n′ = m′ + n und m′ + n′′ = m′′ + n′.Damit folgt

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40 2. Zahlen, Zahlen, Korper

m+ n′′ + n′ = m+ n′ + n′′ (Kommutativitat der Addition)

= m′ + n+ n′′ (da (m,n) ∼ (m′, n′))

= m′ + n′′ + n (Kommutativitat der Addition)

= m′′ + n′ + n (da (m′, n′) ∼ (m′′, n′′))

= m′′ + n+ n′ (Kommutativitat der Addition)

Mit den Kurzungsregeln fur die Addition auf N (Proposition 2.1.12) erhaltenwir daraus

m+ n′′ = m′′ + n,

und damit (m,n) ∼ (m′′, n′′). Also ist”∼“ transitiv.

Zu 2. Sei x = (m,n) ∈ N × N. Nach Proposition 2.1.12 gibt es ein k ∈ Nmit m+k = n oder n+k = m. Im ersten Fall gilt (m,n) ∼ (0, k), im zweitenFall gilt (m,n) ∼ (k, 0).

Wir haben nun die notigen Vorarbeiten geleistet, um die Konstruktionder ganzen Zahlen durchfuhren zu konnen; bei der Definition der Additionbzw. Multiplikation orientieren wir uns daran, welches Verhalten wir uns vonformalen Differenzen erhoffen wurden.

Satz 2.2.5 (die ganzen Zahlen). Sei”∼“ die Aquivalenzrelation der formalen

Differenzen aus Proposition 2.2.4. Dann definieren wir

Z := (N× N)/∼

und bezeichnen Z als Menge der ganzen Zahlen.

0. Die Abbildung

i : N −→ Zn 7−→

[(n, 0)

]

ist injektiv.

1. Addition. Die Abbildung

+ : Z× Z −→ Z([(m,n)], [(m′, n′)]

)7−→

[(m+m′, n+ n′)

]

ist wohldefiniert.

2. Multiplikation. Die Abbildung

· : Z× Z −→ Z([(m,n)], [(m′, n′)]

)7−→

[(m ·m′ + n · n′,m · n′ +m′ · n)

]

ist wohldefiniert.

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2.2. Die ganzen Zahlen und Gruppen 41

3. Die Addition auf Z ist assoziativ und kommutativ und hat [(0, 0)] alsneutrales Element.

4. Die Multiplikation auf Z ist assoziativ und kommutativ und hat [(1, 0)]als neutrales Element.

5. Es gilt das Distributivgesetz, d.h. fur alle x, y, z ∈ Z gilt

x · (y + z) = x · y + x · z.

Beweis. Zu 0. Seien n, n′ ∈ N mit i(n) = i(n′). Nach Definition von i bedeutetdies gerade (n, 0) ∼ (n′, 0). Nach Konstruktion von

”∼“ folgt daraus aber

n = n+ 0 = n′ + 0 = n′.

Also ist i injektiv.

Zu 1. Was ist bei Wohldefiniertheit zu zeigen? Die Definition verwendetkonkrete Reprasentanten. Es ist aber sicherzustellen, dass die Aquivalenzklasse,die wir als Ergebnis erhalten, nicht von der Wahl der Reprasentanten inner-halb ihrer Aquivalenzklasse abhangt.

Seien also (m,n), (M,N), (m′, n′), (M ′N ′) ∈ N × N mit (m,n) ∼ (M,N)und (m′, n′) ∼ (M ′, N ′). Dann gilt auch (m+m′, n+n′) ∼ (M+M ′, N+N ′),denn: Es gilt

m+m′ +N +N ′ = m+N +m′ +N ′ (Kommutativitat der Addition)

= M + n+m′ +N ′ (da (m,n) ∼ (M,N))

= M + n+M ′ + n′ (da (m′, n′) ∼ (M ′, N ′))

= M +M ′ + n+ n′ (Kommutativitat der Addition)

und damit (m+m′, n+ n′) ∼ (M +M ′, N +N ′).Zu 2. Man zeigt die Wohldefiniertheit der Multiplikation analog zum Fall

der Addition.

Zu 3., 4., 5. Diese Behauptungen folgen durch Nachrechnen aus den ent-sprechenden Eigenschaften der arithmetischen Operationen auf den naturlichenZahlen.

Caveat 2.2.6 (Wohldefiniertheit). Im Gegensatz zur Addition bzw. Multipli-kation ist

Z −→ N[(m,n)] 7−→ m

nicht wohldefiniert! Denn zum Beispiel fur (1, 0) bzw. (2, 1) erhalt man dieverschiedenen Werte 1 bzw. 2, obwohl (1, 0) ∼ (2, 1) und somit [(2, 0)] =[(1, 0)] gilt.

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42 2. Zahlen, Zahlen, Korper

Außerdem setzen die Addition bzw. Multiplikation auf Z die Verknupfungenvon N fort und die ganzen Zahlen haben die gewunschte Eigenschaft der Um-kehrbarkeit der Addition:

Proposition 2.2.7 (Losbarkeit additiver Gleichungen in Z). Seien a, b ∈ Z.Dann gibt es ein x ∈ Z mit

x+ b = a.

Beweis. Seien (ma, na), (mb, nb) ∈ N× N Reprasentanten von a bzw. b. Wirbetrachten dann

x :=[(ma + nb, na +mb)

]∈ Z.

Nach Definition der Addition auf Z und der Aquivalenzrelation”∼“ auf N×N

gilt

x+ b =[(ma + nb +mb, na +mb + nb)

]

=[(ma, na)

]

= a,

wie gewunscht.

Notation 2.2.8. Da die obige Abbildung i : N −→ Z injektiv ist, fassen wir Nauch als Teilmenge von Z auf und verwenden entsprechend auch die Dezi-maldarstellung fur Elemente in i(N).

2.2.2 Gruppen

Wir konzentrieren uns nun auf die additiven Eigenschaften der ganzen Zah-len (Satz 2.2.5, Proposition 2.2.7) und abstrahieren diese Eigenschaften zumBegriff der Gruppe:2

Definition 2.2.9 (Gruppe). Eine Gruppe ist ein Paar (G, · ), bestehend aus ei-ner Menge G und einer Abbildung · : G×G −→ G (sogenannte Verknupfungder Gruppe) mit folgenden Eigenschaften:

Es gibt ein Element e ∈ G mit

∀g∈G g · e = g = e · g.

Wir bezeichnen dann e als neutrales Element der Gruppe.

Zu jedem g ∈ G gibt es ein h ∈ G mit

g · h = e = h · g.2Insbesondere haben Sie nun bereits so viel gelernt, dass Sie den Text aus Kapitel 1.1

verstehen konnen!

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2.2. Die ganzen Zahlen und Gruppen 43

Wir bezeichnen dann h als inverses Element von g und schreiben dafurauch g−1.

Die Verknupfung · ist assoziativ, d.h.

∀g,h,k∈G (g · h) · k = g · (h · k).

Oft unterdruckt man in der Notation auch die Verknupfung und sagt kurz(aber etwas schlampig), dass

”G eine Gruppe“ ist.

Beispiel 2.2.10 (ganze Zahlen als Gruppe). Die ganzen Zahlen bilden eineGruppe bezuglich Addition. Genauer: Das Paar (Z,+) ist eine Gruppe. Neu-trales Element ist 0; zu n ∈ Z schreiben wir auch −n fur das Inverse von nbezuglich + (die Existenz ist nach Proposition 2.2.7 gesichert).

Man kann sogar zeigen, dass die ganzen Zahlen die”kleinste“ Gruppe sind,

die die additive Struktur der naturlichen Zahlen fortsetzen (wir gehen hieraber nicht naher darauf ein).

Die ganzen Zahlen bilden jedoch keine Gruppe bezuglich Multiplikation,da z.B. 0 und auch 2 kein multiplikatives Inverses in Z besitzen.

Proposition 2.2.11 (Eindeutigkeit des neutralen Elements und von Inversen).Sei (G, · ) eine Gruppe.

1. Sind e, f ∈ G neutrale Elemente von (G, · ), so folgt e = f .

2. Ist g ∈ G und sind h, k ∈ G inverse Elemente von g in (G, · ), sofolgt h = k.

Bemerkung 2.2.12 (bestimmter Artikel). Insbesondere konnen wir in Grup-pen von dem neutralen Element sprechen und von dem inversen Elementeines Gruppenelements!

In der Mathematik muss sehr sorgfaltig mit bestimmten/unbestimmtenAritkel umgegangen werden. Bestimmte Artikel konnen nur dann verwendetwerden, wenn das entsprechende Objekt im betrachteten Kontext eindeutigist!

Beweis. Zu 1. Seien e, f ∈ G neutrale Elemente. Dann folgt

e = f · e = f ;

in der ersten Gleichung haben wir verwendet, dass f neutral ist und in derzweiten, dass e neutral ist.

Zu 2. Sei g ∈ G und es seien h, k ∈ G inverse Elemente von g; sei e ∈ Gdas neutrale Element von (G, · ). Dann folgt

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44 2. Zahlen, Zahlen, Korper

h = h · e (da e neutral ist)

= h · (g · k) (da k invers zu g ist)

= (h · g) · k (da”· “ assoziativ ist)

= e · k (da h invers zu g ist)

= k, (da e neutral ist)

wie behauptet.

Anmerkung zum Lernen. Der Beweis des zweiten Teils ist ein alter Bekann-ter! (Beweis von Proposition 1.3.32) Sie sollten beim Lernen versuchen, solcheAhnlichkeiten zu finden, um sich das Thema leichter und besser zu erschlie-ßen.

Definition 2.2.13 (abelsche Gruppe). Eine Gruppe (G, · ) heißt abelsch, wenndie Verknupfung kommutativ ist, d.h., wenn folgendes gilt:

∀g,h∈G g · h = h · g.

Beispiel 2.2.14. Die Gruppe (Z,+) ist abelsch.

Notation 2.2.15. In abelschen Gruppen verwendet man (in Anlehnung andie ganzen Zahlen) haufig + als Notation fur die Verknupfung und −g alsNotation fur das Inverse eines Gruppenelements g.

Im allgemeinen sind Gruppen jedoch nicht abelsch. Eine wichtige Klassevon Gruppen sind die sogenannten symmetrischen Gruppen:

Proposition 2.2.16 (symmetrische Gruppen). Sei X eine Menge und sei SXdie Menge aller Bijektionen X −→ X.

1. Dann ist (SX , ) eine Gruppe, die symmetrische Gruppe von X.

2. Die Gruppe (SX , ) ist genau dann abelsch, wenn X hochstens zweiverschiedene Elemente enthalt.

Beweis. Der erste Teil folgt aus Bemerkung 1.3.21 und der Charakterisie-rung von bijektiven Abbildungen durch die Existenz von Umkehrabbildungen(Proposition 1.3.32); man beachte dabei insbesondere, dass die Verknupfungzweier Bijektionen wieder eine Bijektion ist!

Der zweite Teil folgt durch das Betrachten geeigneter Vertauschungsbijek-tionen (Ubungsaufgabe).

Ausblick 2.2.17 (Automorphismengruppen). Das Prinzip, das der Definitionvon symmetrischen Gruppen unterliegt, lasst sich auch in vielen anderen Si-tuationen einsetzen, um sogenannte Automorphismengruppen zu definieren.Zum Beispiel werden wir uns spater unter anderem auch mit Automorphis-mengruppen von Vektorraumen beschaftigen. Außerdem ist dieses Konstruk-tionsprinzip in einem gewissen Sinne universell – jede Gruppe kann in einesymmetrische Gruppe eingebettet werden (Satz von Cayley).

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2.3. Die rationalen Zahlen und Korper 45

Bemerkung 2.2.18 (Wozu Abstraktion?). Wir werden im folgenden vielenweiteren Gruppen begegnen. Fur jede dieser Gruppen gilt dann Proposi-tion 2.2.11 – wir mussen also nicht jedesmal einzeln die Eindeutigkeit desneutralen Elements bzw. von inversen Elementen nachweisen. Analog funk-tioniert das fur jeden Satz, der allgemein fur Gruppen bewiesen ist.

Ein weiterer Vorzug der Abstraktion zur Gruppe ist, dass wir diesen Bau-stein

”Gruppe“ nun auch verwenden konnen, um komplexere algebraische

Strukturen zu beschreiben, wie zum Beispiel Korper (Kapitel 2.3.2).

2.3 Die rationalen Zahlen und Korper

Im allgemeinen ist fur ganze Zahlen a ∈ Z, b ∈ Z \ 0 die Gleichung

x · b = a

nicht mit x ∈ Z losbar (zum Beispiel gibt es kein x ∈ Z mit x · 2 = 1).Wir werden daher Z um Losungen solcher Gleichungen erweitern; dies fuhrtzu den rationalen Zahlen. Analog zur Konstruktion von Z aus N werden wirdabei wieder geeignete Aquivalenzklassen verwenden. Nach der Konstruktionwerden wir die additiven und multiplikativen Eigenschaften der rationalenZahlen zum Konzept des Korpers abstrahieren. Korper werden in der linearenAlgebra als zentrale Grundstruktur fungieren.

2.3.1 Von den ganzen zu den rationalen Zahlen

Wir wollen die rationalen Zahlen aus den ganzen Zahlen konstruieren, indemwir

”formale Bruche“ von ganzen Zahlen betrachten. Da manche formalen

Bruche aber derselben rationalen Zahl entsprechen sollen, werden wir ge-wisse formale Bruche als gleich ansehen wollen (

”Hochmultiplizieren“ der

hypothetischen Nenner):

Proposition 2.3.1 (formale Bruche). Wir definieren auf Z := Z × (Z \ 0)die Relation

”∼“ durch

((a, b), (a′, b′)) ∈ Z × Z

∣∣ a · b′ = a′ · b.

Dann ist”∼“ eine Aquivalenzrelation auf Z.

Beweis. Dies folgt analog zum Fall der formalen Differenzen (Propositi-on 2.2.4); fur die Transitivitat benotigt man dabei Kurzungsregeln fur dieMultiplikation ganzer Zahlen, ahnlich zu den Kurzungsregeln fur die Additi-on naturlicher Zahlen (Proposition 2.1.12).

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46 2. Zahlen, Zahlen, Korper

Bei der Definition der Addition bzw. Multiplikation von formalen Bruchenlassen wir uns von den gewunschten Rechenregeln mit Bruchen leiten (insbe-sondere durfen wir bei der Addition den gemeinsamen Nenner nicht verges-sen!).

Satz 2.3.2 (die rationalen Zahlen). Sei”∼“ die Aquivalenzrelation der forma-

len Bruche aus Proposition 2.3.1. Dann definieren wir

Q :=(Z× (Z \ 0)

) /∼

und bezeichnen Q als Menge der rationalen Zahlen.

0. Die Abbildung

Z −→ Qa 7−→

[(a, 1)

]

ist injektiv.

1. Addition. Die Abbildung

+ : Q×Q −→ Q([(a, b)], [(a′, b′)]

)7−→

[(a · b′ + a′ · b, b · b′)

]

ist wohldefiniert.

2. Multiplikation. Die Abbildung

· : Q×Q −→ Q([(a, b)], [(a′, b′)]

)7−→

[(a · a′, b · b′)

]

ist wohldefiniert.

3. Es ist (Q,+) eine Gruppe, mit neutralem Element [(0, 1)].

4. Die Multiplikation auf Q ist assoziativ und kommutativ und hat [(1, 1)]als neutrales Element. Außerdem ist (Q \ [(0, 1)], · ) eine Gruppe.

5. Es gilt das Distributivgesetz, d.h. fur alle x, y, z ∈ Q gilt

x · (y + z) = x · y + x · z.

Beweis. Der Beweis ist analog zum Fall der ganzen Zahlen (Satz 2.2.5, Pro-position 2.2.7) und wir werden die Details hier nicht ausfuhren.

Notation 2.3.3. Da die obige Abbildung Z −→ Q injektiv und mit der Additi-on bzw. Multiplikation auf Z bzw. Q vertraglich ist, fassen wir Z im folgendenauch als Teilmenge von Q auf. Wir werden in Notation 2.3.6 auch erklaren,wie man daraus eine gute Notation fur alle rationalen Zahlen erhalt.

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2.3. Die rationalen Zahlen und Korper 47

2.3.2 Korper

Wir abstrahieren nun die Eigenschaften der rationalen Zahlen zum Begriffdes Korpers. Grob gesagt ist ein Korper eine algebraische Struktur mit einerAddition und einer Multiplikation, die hinreichend gutartig sind und mitei-nenander kompatibel sind – d.h. in Korpern kann man bequem

”rechnen“.

Definition 2.3.4 (Korper). Ein Korper ist ein Tripel (K,+, · ) bestehendaus einer Menge K und Abbildungen +, · : K × K −→ K (Addition bzw.Multiplikation) mit folgenden Eigenschaften:

Das Paar (K,+) bildet eine abelsche Gruppe. Sei 0 das neutrale Ele-ment dieser Gruppe.

Das Paar (K \ 0, · ) bildet eine abelsche Gruppe. Sei 1 das neutraleElement dieser Gruppe.

Es gilt das Distributivgesetz, d.h. fur alle x, y, z ∈ K gilt

x · (y + z) = x · y + x · z.

Bemerkung 2.3.5 (0 6= 1). Ist (K,+, · ) ein Korper, so gilt nach Definiti-on 1 ∈ K \ 0 und somit insbesondere 0 6= 1.

Anmerkung zum Lernen. Es ist eine gute Ubung, die obige Definition noch-mal explizit zu expandieren, d.h. den Baustein

”Gruppe“ jeweils in explizite

Eigenschaften der Addition bzw. Multiplikation auszuformulieren.

An dieser Stelle konnen wir bereits den Wert der Abstraktion schatzenlernen: Aus Proposition 2.2.11 wissen wir bereits, dass das neutrale Elementsowie inverse Elemente bezuglich Addition bzw. Multiplikation jeweils ein-deutig sind.

Notation 2.3.6 (Bruche und Differenzen). Sei (K,+, · ) ein Korper und seienx, y ∈ K. Dann verwenden wir die Differenznotation

x− y := x+ (−y).

Ist y 6= 0, so verwenden wir die Bruchnotation

x

y:= x · y−1.

Insbesondere erhalten wir so auch eine bequeme Notation fur rationale Zah-len, namlich als Bruche von ganzen Zahlen, fur die uns wiederum die Dezi-maldarstellung zur Verfugung steht.

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48 2. Zahlen, Zahlen, Korper

Abbildung 2.1.: Effiziente Notation rationaler Zahlen vs. Konstruktion ratio-naler Zahlen

Hinweis fur die geistige Gesundheit: Im Normalfall werden wir nur wis-sen mussen, dass wir die rationalen Zahlen konstruieren konnen aber nichtwie. Statt sich also vorzustellen, dass rationale Zahlen Aquivalenzklassenvon Paaren ganzer Zahlen sind, die wiederum Aquivalenzklassen von Paarennaturlicher Zahlen sind, die wiederum induktiv aus der leeren Menge konstru-ierte Mengen sind, ist es viel verunftiger, die obige Bruch-/Dezimaldarstellungvon rationalen Zahlen zu verwenden (Abbildung 2.1) und im Kopf zu behal-ten, dass die rationalen Zahlen den

”kleinsten“ Korper bilden, der die ganzen

Zahlen enthalt (dies wird im Rahmen der Algebra rigoros bewiesen).

Beispiel 2.3.7 (wichtige Korper).

Die rationalen Zahlen Q bilden einen Korper bezuglich der gewohnlichenAddition und Multiplikation.

Die ganzen Zahlen bilden keinen Korper bezuglich der gewohnlichenAddition und Multiplikation (dies war gerade der Ausgangspunkt derKonstruktion der rationalen Zahlen).

Die reellen Zahlen R bilden einen Korper bezuglich der gewohnlichenAddition und Multiplikation.

Die komplexen Zahlen C bilden einen Kprper bezuglich der gewohnlichenAddition und Multiplikation.

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2.3. Die rationalen Zahlen und Korper 49

Die Menge F2 := 0, 1 bildet bezuglich der folgenden Addition undMultiplikation einen Korper (wie man leicht nachrechnet):

+ 0 10 0 11 1 0

· 0 10 0 01 0 1

Man beachte, dass in diesem Korper 1+1 = 0 gilt. Insbesondere folgt 1+1 6= 0 nicht aus den Korperaxiomen!

Dieser Korper liefert außerdem eine interessante Beziehung zu logischenOperationen: Wenn wir 0 als

”wahr“ und 1 als

”falsch“ interpretieren,

so

– entspricht die Addition in F2 der logischen Aquivalenz”⇐⇒“,

– und die Multiplikation in F2 entspricht dem logischen Oder”∨“.

Bemerkung 2.3.8 (reelle Zahlen).

Der Ubergang von den ganzen zu den rationalen Zahlen erfolgt durchHinzufugen von Bruchen.

Wie kann man aus den rationalen Zahlen die reellen Zahlen konstru-ieren? Dieser Ubergang ist analytischer und nicht algebraischer Na-tur. Die reellen Zahlen erhalt man als Vervollstandigung der rationa-len Zahlen, indem man geeignete Grenzwerte hinzufugt. Zum Beispielkann man die reellen Zahlen konstruieren, indem man eine geeigneteAquivalenzrelation auf Cauchyfolgen von rationalen Zahlen betrachtetund diese Aquivalenzrelation herausteilt.

Der Ubergang von den reellen zu den komplexen Zahlen ist wieder einalgebraischer Ubergang; grob gesagt erhalt man die komplexen Zahlenaus den reellen Zahlen, indem man eine Losung der Gleichung x·x = −1hinzufugt. Korperkonstruktionen dieser Art werden systematisch in derAlgebra untersucht.

Die MengeQ(√

2) := a+ b ·√

2 | a, b ∈ Q ⊂ R

bildet mit der von R geerbten Addition bzw. Multiplikation einenKorper (nachrechnen!). Auch

Q(i) := a+ i · b | a, b ∈ Q ⊂ C

bildet mit der von C geerbten Addition bzw. Multiplikation einenKorper (nachrechnen!). Auch wenn diese Korper zunachst so aussehen,als ob sie fur die Konstruktion analytische Eigenschaften benotigen,kann man sie tatsachlich auf rein algebraischem Wege aus Q konstru-ieren, indem man eine Losung der Gleichung x · x = 2 bzw. x · x = −1

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50 2. Zahlen, Zahlen, Korper

durch eine geeignete Aquivalenzklassenkonstruktion zu Q hinzufugt.Korperkonstruktionen dieser Art werden systematisch in der Algebrauntersucht.

Proposition 2.3.9 (Rechnen in Korpern). Sei (K,+, · ) ein Korper.

1. Fur alle x ∈ K gilt x · 0 = 0.

2. Fur alle x ∈ K gilt −x = (−1) · x. Insbesondere ist (−1) · (−1) = 1.

3. Nullteilerfreiheit. Fur alle x, y ∈ K gilt: Ist x · y = 0, so folgt x = 0oder y = 0.

Beweis. Zu 1. Sei x ∈ K und sei y ∈ K das additive Inverse von x · 0. Danngilt

0 = x · 0 + y (da y zu x · 0 bzgl. + invers ist)

= x · (0 + 0) + y (0 ist neutral bzgl. +)

= (x · 0 + x · 0) + y (Distributivgesetz)

= x · 0 + (x · 0 + y) (Assoziatitvitat der Addition)

= x · 0 + 0 (da y zu x · 0 bzgl. + invers ist)

= x · 0 (0 ist neutral bzgl. +)

Zu 2. Sei x ∈ K. Dann gilt

x+ (−1) · x = 1 · x+ (−1) · x (1 ist neutral bzgl. · )=(1 + (−1)

)· x (Distributivgesetz)

= 0 · x (da −1 zu 1 bzgl. + invers ist)

= 0 (nach dem ersten Teil)

Da die Addition kommutativ ist, folgt auch (−1) ·x+x = 0. Also ist (−1) ·xdas additive Inverse von x, d.h. es gilt −x = (−1) · x.

Insbesondere ist (−1) · (−1) = −(−1). Da −1 das additive Inverse von 1ist, ist 1 das additive Inverse von −1. Also ist (−1) · (−1) = 1.

Zu 3. Dies folgt mit Kontraposition und Multiplikation mit Inversen.

Aus diesen Eigenschaften lassen sich noch viele weitere ableiten, unteranderem zum Beispiel die gewohnlichen Bruchrechenregeln.

Notation 2.3.10 (ganzzahlige Vielfache). Sei K ein Korper, sei x ∈ K undsei n ∈ Z. Dann schreiben wir

n · x :=

∑nj=1 x falls n ∈ N ist

−(−n) · x falls −n ∈ N \ 0 ist.

Man beachte dabei, dass mindestens einer dieser beiden Falle eintritt (Pro-position 2.2.4.2) und dass nicht beide Falle gleichzeitig eintreten konnen (diesfolgt aus der Kurzungsregel Proposition 2.1.12.3).

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2.3. Die rationalen Zahlen und Korper 51

Caveat 2.3.11 (Charakteristik). Sei K ein Korper. Die Abbildung

N −→ K

n 7−→ n · 1

ist im allgemeinen nicht injektiv (z.B. fur F2). Falls diese Abbildung injektivist, so sagt man, dass K Charakteristik 0 hat. Ist diese Abbildung nichtinjektiv, so bezeichnet man die kleinste Zahl n ∈ N \ 0 mit n · 1 = 0 alsCharakteristik von K (dass eine Zahl n ∈ N \ 0 mit n · 1 = 0 mit nicht-injektiven Fall existiert, folgt aus einer kleinen Rechnung; dass eine kleinstesolche Zahl existiert, folgt aus dem Induktions- bzw. Wohlordnungsprinzip).

Zum Beispiel hat F2 die Charakteristik 2, aber die Korper Q, R, C, Q(√

2),Q(i) haben Charakteristik 0.

Literaturaufgabe. Lesen Sie das Buch Zahlen von Ebbinghaus [6].

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52 2. Zahlen, Zahlen, Korper

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3

Vektorraume

Aufbauend auf dem Begriff des Korpers werden wir nun die grundlegendenObjekte der linearen Algebra einfuhren: Vektorraume.

Einerseits dienen Vektorraume der bequemen Beschreibung des zwei- bzw.dreidimensionalen Anschauungsraums. Andererseits gibt es auch viele weiterenaturlich auftretende Situationen in der Analysis, der Algebra, . . . und in denAnwendungen, die sich gut durch Vektorraume modellieren lassen.

Wir werden uns dann mit den fundamentalen Handgriffen in Vektorraumenvertraut machen und lineare Unabhangigkeit, Basen, Dimension sowie einfa-che Konstruktionen von Vektorraumen betrachten.

Uberblick uber dieses Kapitel.

3.1 Vektorraume 543.2 Lineare Unabhangigkeit 663.3 Basen 723.4 Dimension 82

Schlusselbeispiel. Vektorraum der n-Tupel uber einem gegebenen Korper

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54 3. Vektorraume

3.1 Vektorraume

Wir beginnen mit der Definition des Vektorraums. Als Vorbereitung dafurwerden wir einen kurzen Blick in die Geometrie werfen.

3.1.1 Geometrie in Koordinaten

Die Geometrie hat sich von ihren Anfangen in der Antike uber viele Schrittezu einem vielseitigen mathematischen Gebiet entwickelt, das mit allen ande-ren Gebieten verbunden ist.

Eine der Revolutionen der Geometrie war die Erkenntnis von Descartes,dass man geometrische Objekte (zum Beispiel Punkte, Geraden, . . . ) in derebenen und raumlichen Geometrie durch Koordinaten beschreiben kann unddamit viele geometrische Probleme rechnerisch losen kann. Dies fuhrt zu den(nach Descartes benannten!) kartesischen Koordinatensystemen.

Definition 3.1.1 (Menge der n-Tupel). Sei K ein Korper. Wir schreiben

K0 := 0 ⊂ K.

Fur n ∈ N \ 0 definieren wir

Kn :=

x1x2...xn

∣∣∣∣∣∣∣∣∣x1, . . . , xn ∈ K

Die n-Tupel in Kn werden auch als Spaltenvektoren bezeichnet. Ist x ∈ Kn,so schreiben wir x1, . . . , xn fur die n Koordinaten (d.h. die Zeilen, in dieserReihenfolge) von x. Zwei n-Tupel x, y ∈ Kn sind genau dann gleich, wenn

∀j∈1,...,n xj = yj

gilt.

Bemerkung 3.1.2 (Paare, Tripel, Tupel und die Mengenlehre). An dieser Stelleist es vielleicht angebracht, kurz uber die Modellierung von Paaren, Tripelnund allgemeineren Tupeln in der axiomatischen Mengenlehre nachzudenken.

Wie kann man Paare modellieren? Man kann nachrechnen, dass fur alleMengen x, x′, y, y′ die Aquivalenz

x, x, y

=x′, x′, y′

⇐⇒ (x = x′ ∧ y = y′)

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3.1. Vektorraume 55

x2

x1

(x1x2

)

À

Á

Abbildung 3.1.: Punkte und Koordinaten in R2, schematisch

gilt. Sind x und y Mengen, so kann man also

(x, y) :=x, x, y

definieren.

Ist K ein Korper, so konnte man nun induktiv K0 := 0, K1 := Kund

Kn+1 := Kn ×Kfur alle n ∈ N \ 0 definieren (und dann eine Tupelnotation einfuhren,um die Notation zu vereinfachen).

Alternativ kann man (nachdem man Paare modelliert hat und da-mit das kartesische Produkt und Abbildungen formalisieren kann)fur n ∈ N\0 auch Kn als Menge aller Abbildungen 1, . . . , n −→ Kdefinieren. Es gibt dann eine kanonische Bijektion zwischen dieser De-finition und der im vorigen Absatz.

Wir werden uns im folgenden nicht weiter mit diesen Details auseinanderset-zen und einfach die Notation und Eigenschaften aus Definition 3.1.1 verwen-den.

Den Grund dafur, dass wir Elemente von Kn als Spaltenvektoren anse-hen wollen, wird sich spater im Zusammenhang mit der Multiplikation vonMatrizen erschließen.

Beispiel 3.1.3 (Anschauungsraum der Geometrie). Den zweidimensionalenAnschauungsraum kann man in dieser Notation als R2 modellieren (Abbil-dung 3.1), den dreidimensionalen Anschauungsraum als R3. Diese Sichtweisespielt auch in der Computergraphik eine entscheidende Rolle – die Model-lierung von zwei- bzw. dreidimensionalen Objekten erfolgt im Normalfall inkartesischen Koordinaten.

Beispiele fur grundlegende geometrische Operationen sind das Verschie-ben von Objekten im Anschauungsraum und das Skalieren von Objekten imAnschauungsraum (Abbildung 3.2).

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56 3. Vektorraume

(x1x2

)

(x1 + v1x2 + v2

)

v

À

Á

À

Á

(x1x2

)

(λ · x1λ · x2

)

À

Á

À

Á

Abbildung 3.2.: Verschieben und Skalieren in R2

Was bedeutet dies in kartesischen Koordinaten? Verschieben von Punktenin R2 um v ∈ R2 wird durch die Abbildung

R2 −→ R2

(x1x2

)7−→

(x1 + v1x2 + v2

)

Das Reskalieren von R2 um den Faktor λ ∈ R ist durch die Abbildung

R2 −→ R2

(x1x2

)7−→

(λ · x1λ · x2

)

gegeben.Diese grundlegenden geometrischen Operationen sind der Ursprung des

Vektorraumbegriffs. Insbesondere hangt das Reskalieren mit dem Begriff desSkalars bzw. der Skalarmultiplikation zusammen und das Verschieben ist derUrsprung des Begriffs des Vektors (von lateinisch vectare, was in etwa tragen,transportieren bedeutet).

Es wird sich jedoch herausstellen, dass der Begriff des Vektorraums so gutgewahlt ist, dass sich viele weitere geometrische Transformationen und auchviele weitere theoretische und praktische Situationen gut damit modellierenlassen.

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3.1. Vektorraume 57

3.1.2 Vektorraume

Inspiriert von der kartesischen Geometrie fuhrt man den Begriff des Vektor-raums folgendermaßen ein:

Definition 3.1.4 (Vektorraum). Sei K ein Korper. Ein K-Vektorraum ist einTripel (V,+, · ), bestehend aus einer Menge V und Abbildungen +: V ×V −→ V bzw. · : K × V −→ V , mit folgenden Eigenschaften:

Es ist (V,+) eine abelsche Gruppe.

Assoziativitat. Fur alle λ, µ ∈ K und alle v ∈ V gilt

(λ · µ) · v = λ · (µ · v).

Neutrale Skalarmultiplikation. Fur alle v ∈ V gilt

1 · v = v.

Distributivitat. Fur alle λ, µ ∈ K und alle v, w ∈ V gilt

(λ+ µ) · v = λ · v + µ · v und λ · (v + w) = λ · v + λ · w.

Die Elemente von V heißen Vektoren. Wir bezeichnen”+“ als Addition auf V

und · : K × V −→ V als Skalarmultiplikation.Oft unterdruckt man in der Notation auch die Verknupfungen und sagt

kurz (aber etwas schlampig), dass”V ein K-Vektorraum“ ist.

Anmerkung zum Lernen. Es ist eine gute Ubung, sich in dieser Definitiongenau zu uberlegen, welche Addition/Multiplikation in K bzw. V stattfindet.

Caveat 3.1.5 (Multiplikation). Sei K ein Korper und sei (V,+, · ) ein K-Vektorraum. Man beachte, dass die Skalarmultiplikation Skalare mit Vek-toren multipliziert (was Vektoren liefert). Im allgemeinen konnen in einemVektorraum nicht zwei Vektoren

”sinnvoll“ miteinander multipliziert werden

(um wieder einen Vektor zu erhalten).

Proposition 3.1.6 (Vektorraum der n-Tupel). Sei K ein Korper und sei n ∈ N.Dann bildet Kn mit den Abbildungen

+: Kn ×Kn −→ Kn

x1...xn

,

y1...yn

7−→

x1 + y1

...xn + yn

· : K ×Kn −→ Kn

λ,

x1...xn

7−→

λ · x1

...λ · xn

einen K-Vektorraum.

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58 3. Vektorraume

Beweis. All diese Eigenschaften lassen sich komponentenweise nachrechnenund sind dann Folgerungen der entsprechenden Eigenschaften von K. Wirgeben stellvertretend den Beweis fur die Assoziativitat der Skalarmultiplika-tion: Seien also λ, µ ∈ K und x ∈ Kn. Dann gilt

(λ · µ) · x =

(λ · µ) · x1...

(λ · µ) · xn

(Definition der Skalarmultiplikation in Kn)

=

λ · (µ · x1)

...λ · (µ · xn)

(Assoziativitat der Multiplikation in K)

= λ ·

µ · x1

...µ · xn

(Definition der Skalarmultiplikation in Kn)

= λ · (µ · x) (Definition der Skalarmultiplikation in Kn)

Also ist die Skalarmultiplikation auf Kn assoziativ.

Man schreibt in dieser Situation kurz (und schlampig), dass Kn ein K-Vektorraum ist. Insbesondere erhalten wir auf diese Weise eine R-Vektor-raumstruktur auf den Anschauungsraumen R2 und R3. Auf einen wichtigenSpezialfall sei noch explizit hingewiesen:

Beispiel 3.1.7 (triviale Vektorraume). Sei K ein Korper. Dann ist K0 = 0ein K-Vektorraum (bezuglich der Addition/Multiplikation aus Propositi-on 3.1.6); man bezeichnet diesen auch als Nullvektorraum (uber K).

Anmerkung zum Lernen (triviale/reprasentative Beispiele). Es ist gut, fur alleSituationen passende Beispiele im Kopf zu haben; dabei ist es empfehlens-wert, sowohl

”triviale“ Beispiele (wie zum Beispiel den Nullvektorraum) als

auch Beispiele, die genug Spielraum fur”generisches“ Verhalten (wie etwa R3)

bieten, parat zu haben. Solche Beispiele helfen einerseits dabei, Aussagenuber abstrakte Begriffe besser zu verstehen, und ermoglichen es andererseitsauch, Hypothesen schnell an Beispielen zu uberprufen.

Beispiel 3.1.8 (Korpererweiterungen als Vektorraume). Sei L ein Korper undsei K ⊂ L ein Teilkorper, d.h. die Addition und Multiplikation von Lschranken sich zu Verknupfungen auf K ein und K bildet mit der von Leingeschrankten Addition bzw. Multiplikation einen Korper.

Dann bildet L zusammen mit seiner Addition und der auf K × L −→ Leingeschrankten Multiplikation einen K-Vektorraum.

Insbesondere ist also C in kanonischer Weise ein R-Vektorraum und R istin kanonischer Weise ein Q-Vektorraum (!).

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3.1. Vektorraume 59

Beispiel 3.1.9 (Funktionenraume als Vektorraume). Sei K ein Korper, sei Vein K-Vektorraum und sei X eine Menge. Dann ist

Abb(X,V ) := f | f ist eine Abbildung X −→ V

ein K-Vektorraum bezuglich der punktweisen Addition bzw. Skalarmultipli-kation (nachrechnen!):

+: Abb(X,V )×Abb(X,V ) −→ Abb(X,V )

(f, g) 7−→(x 7→ f(x) + g(x)

)

· : K ×Abb(X,V ) −→ Abb(X,V )

(λ, f) 7−→(x 7→ λ · f(x)

)

Damit verwandte Vektorraume treten zum Beispiel in naturlicher Weise inder Analysis auf (Beispiel 3.1.15).

Wir leiten nun aus den Vektorraumaxiomen erste Folgerungen fur dasgrundlegende Rechnen ab; der Vorzug dieser abstrakten Sichtweise ist wie-der, dass alle Aussagen, die wir aus den Vektorraumaxiomen ableiten konnen,fur alle Vektorraume gelten (insbesondere auch fur die oben genannten Bei-spiele).

Proposition 3.1.10 (Rechnen in Vektorraumen). Sei K ein Korper und sei Vein K-Vektorraum.

1. Fur alle λ ∈ K gilt λ · 0 = 0. Dabei bezeichnet 0 auf beiden Seiten dasneutrale Element der Gruppe (V,+).

2. Fur alle v ∈ V gilt 0 · v = 0. Dabei bezeichnet 0 auf der linken Seitedas neutrale Element von (K,+) und auf der rechten Seite das neutraleElement von (V,+).

3. Fur alle λ ∈ K, v ∈ V gilt

λ · v = 0 =⇒ (λ = 0 ∨ v = 0).

4. Fur alle λ ∈ K, v ∈ V gilt

(−λ) · v = −(λ · v) = λ · (−v).

Beweis. Der Beweis beruht auf ahnlichen Argumenten wie der Beweis vonProposition 2.3.9. Wir geben stellvertretend den Beweis fur die dritte Aussa-ge:

Zu 3. Seien λ ∈ K und v ∈ V mit λ · v = 0. Ist λ = 0, so ist nichts zuzeigen. Wir konnen also annehmen, dass λ 6= 0 ist. Da K \ 0 bezuglichMultiplikation ein Korper ist, besitzt λ ein multiplikatives Inverses λ−1 ∈ K.Damit erhalten wir

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60 3. Vektorraume

v = 1 · v (da 1 bezuglich Skalarmultiplikation neutral ist)

= (λ−1 · λ) · v (da λ−1 multiplikative invers zu λ ist)

= λ−1 · (λ · v) (Assoziativitat der Skalarmultiplikation)

= λ−1 · 0 (nach Voraussetzung ist λ · v = 0)

= 0 (nach dem ersten Teil)

wie gewunscht.

Literaturaufgabe (fur Physiker). Lesen Sie das Kapitel Was sind Vektoren?im Buch Lineare Algebra von Janich [10, Kapitel 2.6].

3.1.3 Untervektorraume

In vielen Situationen ist es vorteilhaft, wenn man sich bei der Betrachtung,auf einen kleinen Ausschnitt konzentrieren kann. Im Fall der Vektorraumefuhrt dies zum Begriff des Untervektorraums:

Definition 3.1.11 (Untervektorraum). Sei K ein Korper und sei (V,+, · ) einK-Vektorraum. Ein K-Untervektorraum von V ist eine Teilmenge U ⊂ Vmit folgenden Eigenschaften:

Die Abbildungen +: V × V −→ V und · : K × V −→ V schrankensich zu Abbildungen +: U × U −→ U und · : K × U −→ U ein.

Die Menge U bildet bezuglich dieser eingeschrankten Addition bzw.Skalarmultiplikation einen K-Vektorraum.

Anmerkung zum Lernen (Unter. . . ). Die Definition von Untervektorraumenfolgt einem allgemeinen Prinzip: Im Normalfall erhalt man aus der Definitionvon Irgendwas die Definition von Unter-Irgendwas, indem man eine geeig-nete Teilmenge betrachtet und verlangt, dass sich die Struktur des großenIrgendwas auf diese Teilmenge einschrankt und die Teilmenge mit dieser ein-geschrankten Struktur die Bedingungen der Definition von Irgendwas erfullt.Auf diese Weise erhalt man auch den Begriff Untergruppe, Untermodul, Un-termannigfaltigkeit, Teilkorper, Teilraum (im Sinne der Topologie), . . .

Beispiel 3.1.12 (triviale Untervektorraume). Sei K ein Korper und sei V einK-Vektorraum. Dann sind 0 ⊂ V und V ⊂ V jeweils K-Untervektorraumevon V .

In der Praxis, ist es besser, die obigen Definition durch das folgende Kri-terium zu ersetzen:

Proposition 3.1.13 (Charakterisierung von Unterraumen). Sei K ein Korper,sei (V,+, · ) ein K-Vektorraum und sei U ⊂ V eine nicht-leere Teilmen-ge. Dann ist U genau dann ein K-Untervektorraum von V , wenn folgendeBedingungen beide erfullt sind:

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3.1. Vektorraume 61

À Fur alle u, v ∈ U gilt u+ v ∈ U .

Á Fur alle λ ∈ K und alle u ∈ U gilt λ · u ∈ U .

Beweis. Ist U ein K-Untervektorraum von V , so sind die beiden Bedingungennach Definition erfullt.

Es erfulle umgekehrt U ⊂ V die beiden obigen Bedingungen. Dann ist Uein K-Untervektorraum von V , denn: Da die beiden Bedingungen À und Áerfullt sind, schranken sich Addition bzw. Skalarmultiplikation zu entspre-chenden Verknupfungen auf U ein.

1. Es ist 0 ∈ U , denn: Wegen U 6= ∅ gibt es ein u ∈ U . Aufgrund vonProposition 3.1.10 (angewendet auf V ) und Á gilt

0 = 0 · u ∈ U.

2. Es ist U eine abelsche Gruppe bezuglich der eingeschrankten Addition,denn:

Da 0 in (V,+) neutral ist, ist 0 insbesondere auch in (U,+) neutral.Man beachte dabei, dass 0 nach dem ersten Schritt tatsachlich in Uliegt!

Ist v ∈ U , so ist −v = (−1) · v nach Proposition 3.1.10 und Áin U . Da U die von V eingeschrankte Addition tragt, ist −v auchin (U,+) das Inverse von v.

Die Addition auf U ist assoziativ, da sie die Einschrankung derassoziativen Addition auf V ist.

3. Die Assoziativitat und Neutralitat der Skalarmultiplikation bzw. dieDistributivitat vererben sich aufgrund der eingeschrankten Verknupfungenvon V auf U .

Also ist U ein K-Untervektorraum von V .

Beispiel 3.1.14 (Geraden). Sei K ein Korper, sei V ein K-Vektorraum undsei v ∈ V . Dann ist

K · v := λ · v | λ ∈ K ⊂ Vein K-Untervektorraum von V (nachrechnen!). Ist v 6= 0, so bezeichnet mandiesen Untervektorraum als die von v aufgespannte Gerade in V . Man beachtedabei, dass 0 ∈ K · v ist; im Anschauungsraum R2 bzw. R3 handelt es sichdabei also um sogenannte Ursprungsgeraden (Abbildung 3.3). Ist v = 0, soist K · v = 0 (Proposition 3.1.10).

Beispiel 3.1.15 (Funktionenraume in der Analysis). Wir betrachten R = R1

als R-Vektorraum und den zugehorigen Vektorraum Abb(R,R). Dann sind

die Menge der stetigen Funktionen R −→ R,

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62 3. Vektorraume

R · v

v

À

Á

Abbildung 3.3.: Eine Gerade in R2

die Menge der differenzierbaren Funktionen R −→ R,

die Menge der stetig differenzierbaren Funktionen R −→ R,

die Menge der Polynomfunktionen R −→ R,

. . .

R-Untervektorraume von Abb(R,R). Der Beweis verwendet dabei jeweils(analytische) Eigenschaften der entsprechenden Sorte von Funktionen unddas Kriterium aus Proposition 3.1.13.

Proposition 3.1.16 (Durchschnitt von Untervektorraumen). Sei K ein Korper,sei V ein K-Vektorraum und seien U,W ⊂ V K-Untervektorraume von V .Dann ist auch U ∩W ein K-Untervektorraum von V .

Allgemeiner gilt: Ist Z ⊂ P (V ) eine nicht-leere Menge von K-Untervek-torraumen von V , so ist auch der Durchschnitt

⋂Z = v | ∀U∈Z v ∈ U

ein K-Untervektorraum von V .

Beweis. Dies folgt, indem man nachweist, dass der Durchschnitt die Bedin-gungen aus Proposition 3.1.13 erfullt; man beachte dabeit, dass der Durch-schnitt nicht-leer ist, da jeder Untervektorraum von V den Nullvektor 0enthalt.

Caveat 3.1.17 (Vereinigung von Untervektorraumen). Die Vereinigung von Un-tervektorraumen ist im allgemeinen kein Untervektorraum! Zum Beispiel istdas Koordinatenkreuz

R ·(

10

)∪ R ·

(01

)=

(x1x2

)∈ R2

∣∣∣∣x1 · x2 = 0

in R2 kein R-Untervektorraum von R2 (denn diese Menge ist nicht bezuglichAddition abgeschlossen).

In der Geometrie und anderen Anwendungen mochte man sich oft nicht aufUrsprungsgeraden/-ebenen etc. einschranken. Man fuhrt daher entsprechendverschobene, affine, Begriffe ein:

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3.1. Vektorraume 63

w + R · v

w v

À

Á

Abbildung 3.4.: Eine affine Gerade in R2

Definition 3.1.18 (affiner Unterraum). Sei K ein Korper und sei V ein K-Vektorraum. Eine Teilmenge U ⊂ V ist ein affiner K-Unterraum von V ,wenn es ein w ∈ V gibt, so dass

w + U := w + u | u ∈ U ⊂ V

ein K-Untervektorraum von V ist.

Beispiel 3.1.19 (affine Geraden). Sei K ein Korper, sei V ein K-Vektorraumund seien v, w ∈ V . Dann ist

w +K · v = w + λ · v | λ ∈ K ⊂ V

ein affiner K-Unterraum von V (Abbildung 3.4). Ist v 6= 0, so bezeichnet mandiesen Unterraum auch als die von v in w aufgespannte affine Gerade in V .Man beachte dabei, dass w ∈ w+K · v ist. Ist v = 0, so ist w+K · v = w.

Zum Beispiel kann man Fragen uber das Spiel SET1 in Fragen uber affineGeraden in einem Vektorraum uber dem Korper F3 ubersetzen (Anhang A.3).

3.1.4 Erzeugendensysteme

Da die Spezifikation von Untervektorraumen, indem man die Menge allerElemente angibt, umstandlich ist, verwendet man die folgende Konvention:

Definition 3.1.20 (Erzeugendensystem, erzeugter Untervektorraum). Sei K einKorper, sei V ein K-Vektorraum und sei E ⊂ V .

Dann heißt der K-Untervektorraum (Proposition 3.1.16)

SpanK(E) :=⋂

U∈UE(V )

U

1SET ist eine Trademark von SET Enterprises, Inc.

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64 3. Vektorraume

von E erzeugter K-Untervektorraum von V . Dabei bezeichnet UE(V ) ⊂P (V ) die Menge aller K-Untervektorraume U von V mit E ⊂ U (ins-besondere ist V ∈ UE(V )).

Ist SpanK(E) = V so ist E ein Erzeugendensystem von V .

Anmerkung zum Lernen (erzeugter Unter. . . ). Nach Definition ist in der obi-gen Situation SpanK(E) ⊂ V der bezuglich Inklusion kleinste Untervektor-raum von V , der die Menge E enthalt. Nach dem selben Prinzip kann manauch die von einer Teilmenge erzeugte Untergruppe bzw. den erzeugten Un-terkorper etc. definieren.

Unter Benutzung der Summennotation (Notation 2.1.11) konnen wir denvon einer Teilmenge erzeugten Unterraum etwas expliziter wie folgt beschrei-ben:

Proposition 3.1.21 (explizite Beschreibung erzeugter Untervektorraume). SeiK ein Korper, sei V ein K-Vektorraum und sei E ⊂ V . Dann ist

SpanK(E) =

n∑

j=1

λj · vj∣∣∣∣ n ∈ N, v1, . . . , vn ∈ E, λ1, . . . , λn ∈ K

.

Beweis. Es ist eine Gleichheit von Mengen zu zeigen; wir zeigen die beidenInklusionsrichtungen einzeln. Wir schreiben kurz W fur die Menge auf derrechten Seite.

Es gilt SpanK(E) ⊂ W , denn: Nach Definition von SpanK(E) genugt eszu zeigen, dass W ∈ UE(V ) ist – denn dann folgt

SpanK(E) =⋂UE(V ) ⊂W.

Die Tatsache, dass W ∈ UE(V ) ist, kann man mithilfe der Definition von Wnachrechnen (Ubungsaufgabe).

Außerdem gilt W ⊂ SpanK(E), denn: Nach Definition von SpanK(E)genugt es dafur folgendes zu zeigen: Ist U ∈ UE(V ), so folgt W ⊂ U . DieseAussage folgt durch eine naheliegende Induktion (Ubungsaufgabe).

In Vektorraumen der Form Kn gibt es ein ausgezeichnetes Erzeugenden-system, namlich die Menge der Standardeinheitsvektoren.

Definition 3.1.22 (Standardeinheitsvektoren). Sei K ein Korper, sei n ∈ N>0.Ist j ∈ 1, . . . , n, so schreiben wir

ej :=

0...1 (in der j-ten Zeile)...0

∈ Kn

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3.1. Vektorraume 65

(d.h. in der j-ten Zeile steht 1, in allen anderen Zeilen steht 0) fur den j-tenStandardeinheitsvektor von Kn.

Beispiel 3.1.23. Sei K ein Korper und sei n ∈ N. Dann ist e1, . . . , en einErzeugendensystem von Kn, denn: Jedes x ∈ Kn kann in der Form

x =

x1...xn

=

n∑

j=1

xj · ej

dargestellt werden.

Andererseits ist e1 kein Erzeugendensystem von K2, denn die zweiteKoordinate aller Elemente von SpanK(e1) ist 0; insbesondere ist daherauch e2 ∈ K2 \ SpanK(e1).

Beispiel 3.1.24. Sei K ein Korper und sei V ein K-Vektorraum. Aus derDefinition von erzeugten Untervektorraumen folgt

SpanK(∅) = 0 ⊂ V und SpanK(V ) = V.

Insbesondere ist V ein Erzeugendensystem von V (wenn auch kein besonderssparsames).

Wir konnen mit diesen Begriffen einen ersten Schritt in Richtung Kom-plexitat von Vektorraumen gehen:

Definition 3.1.25 (endlich erzeugt). Ein Vektorraum ist endlich erzeugt, wenner ein endliches Erzeugendensystem besitzt.

Eine kurze Einfuhrung in Endlichkeit und Machtigkeit von Mengen findetsich in Anhang A.4.

Beispiel 3.1.26. Sei K ein Korper und sei n ∈ N. Dann ist Kn nach Bei-spiel 3.1.23 endlich erzeugt.

Ist X eine unendliche Menge, so kann man zeigen, dass der Vektor-raum Abb(X,K) nicht endlich erzeugt ist (wir werden spater ein Hilfsmittelkennenlernen, mit dem man das einfach zeigen kann).

Naheliegende Fragen sind nun:

Wie kann man effizient uberprufen, ob eine Teilmenge eines Vektor-raums ein Erzeugendensystem dieses Vektorraums ist?

Wie klein konnen Erzeugendensysteme eines Vektorraums sein?

Wir werden beide Fragen im Laufe dieser Vorlesung beantworten.

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66 3. Vektorraume

3.2 Lineare Unabhangigkeit

Auf der Suche nach geeigneten,”kleinen“, Erzeugendensystemen von Un-

tervektorraumen stoßt man auf naturliche Weise auf den Begriff der linearenUnabhangigkeit. Geometrisch liefert lineare Unabhangigkeit eine Antwort aufdie Frage, welche Bedingung zwei Vektoren in R3 erfullen mussen, damit sieeine Ebene in R3 aufspannen und nicht nur eine Gerade oder gar nur 0.

3.2.1 Linearkombinationen

Als Hilfsmittel fur die Definition der linearen Unabhangigkeit fuhren wirzunachst Familien und Linearkombinationen ein:

Definition 3.2.1 (Familie). Seien X und I Mengen. Eine (uber I indizierte)Familie (xi)i∈I in X ist eine Abbildung

I −→ X

i 7−→ xi.

Ist (xi)i∈I eine Familie in X, so ist eine Teilfamilie von (xi)i∈I eine Familieder Form (xj)j∈J , wobei J ⊂ I eine Teilmenge von I ist. Eine Familie (xi)i∈Iist endlich, wenn I endlich ist.

Man beachte, dass uber N indizierte Familien dasselbe wie Folgen sind.

Bemerkung 3.2.2 ((Teil)Mengen vs. Familien). Seien X und I Mengen und sei(xi)i∈I eine Familie in X. Im Unterschied zur Menge xi | i ∈ I ⊂ X konnenin der Familie (xi)i∈I Elemente aus X mehrfach auftreten und bei (xi)i∈Iist auch die

”Reihenfolge“ der Elemente relevant (d.h. welches Element zu

welchem Index aus I gehort).

Definition 3.2.3 (Linearkombination). Sei K ein Korper, sei V ein K-Vektor-raum und sei (vi)i∈I eine Familie in V . Eine Linearkombination der (vi)i∈Iist eine Summe der Form ∑

j∈Jλj · vj ,

wobei J ⊂ I eine endliche Teilmenge und (λj)j∈J eine Familie (sogenannterKoeffizienten) in K ist. Man beachte dabei, dass diese Summe tatsachlichwohldefiniert ist (dies folgt induktiv uber |J |, da die Addition in V assoziativund kommutativ ist).

Ist (vi)i∈I eine Familie in einem K-Vektorraum, so ist SpanK(vi | i ∈ I)nach Proposition 3.1.21 die Menge der Linearkombinationen von (vi)i∈I .

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3.2. Lineare Unabhangigkeit 67

3.2.2 Lineare Unabhangigkeit

Eine Familie von Vektoren ist linear unabhangig, wenn diese Vektoren keine

”unnotigen“ linearen Abhangigkeiten untereinander besitzen. Dies lasst sich

bequem mit Linearkombinationen formalisieren:

Definition 3.2.4 (linear abhangig, linear unabhangig). Sei K ein Korper undsei V ein K-Vektorraum.

Eine endliche Familie (vj)j∈J in V heißt linear unabhangig, wenn fol-gendes gilt: Ist (λj)j∈J eine Familie in K mit

∑j∈J λj · vj = 0, so folgt

bereits∀j∈J λj = 0.

Eine Familie in V ist linear unabhangig, wenn jede endliche Teilfamilielinear unabhangig ist.

Eine Familie in V ist linear abhangig, wenn sie nicht linear unabhangigist.

Bemerkung 3.2.5 (linear abhangig, explizit). Sei K ein Korper, sei V ein K-Vektorraum und sei n ∈ N. Eine Familie (vj)j∈1,...,n (auch als (v1, . . . , vn)geschrieben) ist genau dann linear abhangig, wenn es λ1, . . . , λn ∈ K gibtmit

∃j∈1,...,n λj 6= 0 und

n∑

j=1

λj · vj = 0

(d.h., wenn es eine”nicht-triviale“ Linearkombination der Familie gibt, die 0

ergibt).

Beispiel 3.2.6. Sei K ein Korper.

Die leere Familie ist in jedem K-Vektorraum linear unabhangig.

Die Familie, die nur aus 0 besteht, ist in jedem K-Vektorraum linearabhangig, denn

1 6= 0 und 1 · 0 = 0.

Ist V ein K-Vektorraum, ist (vi)i∈I eine Familie in V und gibt es i, j ∈ Imit i 6= j und vi = vj , so ist diese Familie linear abhangig, denn

1 6= 0 und 1 · vi + (−1) · vj = vi − vj = 0.

Sei n ∈ N. Dann ist die Familie (e1, . . . , en) in Kn linear unabhangig,denn: Seien λ1, . . . , λn ∈ K mit

∑nj=1 λj · ej = 0. Dann gilt nach Defi-

nition

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68 3. Vektorraume

w = −2 · v

v

spannen keine Ebene auf

wv

spannen eine Ebene auf

Abbildung 3.5.: Wann spannen zwei Vektoren in R3 ein geometrische Ur-sprungsebene auf?

0...0

= 0 =

n∑

j=1

λj · ej =

λ1...λn

.

Also gilt fur alle j ∈ 1, . . . , n, dass λj = 0 ist.

Analog zeigt man: Ist X eine Menge, so ist die Familie (fi)i∈X imAbbildungsraum Abb(X,K) linear unabhangig, wobei wir fur i ∈ Xdie Abbildung fi wie folgt definieren:

fi : X −→ K

x 7−→

1 falls x = i

0 falls x 6= i

Beispiel 3.2.7 (Ebenen). Seien v, w ∈ R3. Dann ist der von v, w erzeug-te Untervektorraum von R3 genau dann geometrisch eine Ebene, wenn dieFamilie (v, w) linear unabhangig ist (siehe auch Abbildung 3.5).

Beispiel 3.2.8 (RGB). Ein weitverbreitetes Modell zur Beschreibung von Far-ben ist RGB (als Abkurzung fur red, green, blue). Es handelt sich dabei umein additives Farbmodell (Wasserfarben und Farbdrucker hingegen mischensubtraktiv), das an die Funktionsweise des menschlichen Auges angelehnt ist,und z.B. in Computermonitoren und Bildsensoren fur Digitalkameras verwen-det wird. Farben im RGB-Modell werden durch Vektoren im Wurfel

[0, 1]3 :=

rgb

∣∣∣∣∣∣r, g, b ∈ [0, 1]

⊂ R3

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3.2. Lineare Unabhangigkeit 69

R

G

B

Abbildung 3.6.: Additive Farbmischung und der RGB-Wurfel

spezifiziert (Abbildung 3.6). In diesem Modell entspricht dann

der Standardeinheitsvektor e1 der Farbe rot,

der Standardeinheitsvektor e2 der Farbe grun,

der Standardeinheitsvektor e3 der Farbe blau,

und allgemein beschreiben die drei Koordinaten die Beteiligung der dreiGrundfarben rot, grun, blau. Zum Beispiel erhalten wir die folgenden Ent-sprechungen:

101

000

111

pink schwarz weiß

Das Farbmodell ist insofern vernunftig gewahlt, dass die lineare Unabhangig-keit der Familie (e1, e2, e3) in R3 der physikalischen und biologischen Be-obachtung entspricht, dass sich die Farben rot, grun, blau im additiven Farb-modell linear unabhangig verhalten. Zum Beispiel gibt es in diesem Farb-modell nur genau ein Tripel, das die Farbe schwarz beschreibt, namlich denNullvektor.

Caveat 3.2.9 (lineare Unabhangigkeit vs. paarweise lineare Unabhangigkeit). Isteine Familie von Vektoren paarweise linear unabhangig, so ist sie im allgemei-nen nicht linear unabhangig. Zum Beispiel sind die Vektoren e1, e1 + e2, e2in R2 paarweise linear unabhangig, aber die Familie (e1, e1 + e2, e2) ist line-ar abhangig (nachrechnen!). Lineare Unabhangigkeit ist also eine

”globale“

Eigenschaft von Familien von Vektoren.

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70 3. Vektorraume

3.2.3 Lineare (Un)Abhangigkeit und Darstellbarkeit

Linear abhangige Familien von Vektoren sind im folgenden Sinne redundant.

Proposition 3.2.10 (lineare Abhangigkeit und Darstellbarkeit). Sei K ein Kor-per, sei V ein K-Vektorraum und sei (vi)i∈I eine Familie in V . Dannsind die folgenden Aussagen aquivalent (d.h. diese Aussagen sind paarwei-se aquivalent):

1. Die Familie (vi)i∈I ist linear abhangig.

2. Es gibt ein i ∈ I, eine endliche Menge J ⊂ I \ i und eine Fami-lie (λj)j∈J in K mit

vi =∑

j∈Jλj · vj

(d.h. einer der Vektoren aus der Familie ist als Linearkombination deranderen darstellbar).

3. Es gibt ein i ∈ I mit

SpanK(vj | j ∈ I

)= SpanK

(vj | j ∈ I \ i

).

Beweis. Es genugt, die drei Implikationen

1.

2. 3.

=⇒

=⇒

=⇒

zu zeigen, da dann jede der drei Aussagen die anderen beiden impliziert; andieser Stelle geht die folgende aussagenlogische Tautologie ein:

((A =⇒ B) ∧ (B =⇒ C)

)=⇒ (A =⇒ C)

Zu 1. =⇒ 2. Die Familie (vi)i∈I sei linear abhangig. Insbesondere ist dieFamilie somit nicht-leer und es existiert eine endliche Teilmenge J ⊂ I, eineFamilie (λj)j∈J in K mit ∑

j∈Jλj · vj = 0,

wobei es ein i ∈ J mit λi 6= 0 gibt. Dann ist

vi =∑

j∈J\i−λjλi· vj

eine Linearkombination der gewunschten Form.

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3.2. Lineare Unabhangigkeit 71

Zu 2. =⇒ 3. Es gebe ein i ∈ I, eine endliche Menge J ⊂ I \ i und eineFamilie (λj)j∈J in K mit

vi =∑

j∈Jλj · vj .

Also ist (nach Proposition 3.1.21)

vi ∈ SpanK(vj | j ∈ J

)= SpanK

(vj | j ∈ I \ i

),

und damit SpanK(vj | j ∈ I

)⊂ SpanK

(vj | j ∈ I \ i

). Umgekehrt gilt

nach Definition

SpanK(vj | j ∈ I \ i

)⊂ SpanK

(vj | j ∈ I

).

Also ist SpanK(vj | j ∈ I \ i

)= SpanK

(vj | j ∈ I

).

Zu 3. =⇒ 1. Es gebe ein i ∈ I mit

SpanK(vj | j ∈ I

)= SpanK

(vj | j ∈ I \ i

).

Insbesondere ist vi ∈ SpanK(vj | j ∈ I \ i

). Mit Proposition 3.1.21 folgt:

Es gibt eine endliche Teilmenge J ⊂ I \ i und eine Familie (λj)j∈J in Kmit

vi =∑

j∈Jλj · vj .

Dann ist1 · vi +

j∈J(−λj) · vj = 0

eine Linearkombination der gegebenen Familie, die 0 ergibt, und einer derKoeffizienten (namlich der von vi) ist nicht 0. Also ist die Familie linearabhangig.

Umgekehrt betrachtet sind linear unabhangige Familien von Vektoren ef-fizient in dem Sinne, dass jeder Vektor auf hochstens eine Art als Linearkom-bination einer gegebenen linear unabhangigen Familie geschrieben werdenkann:

Proposition 3.2.11 (lineare Unabhangigkeit und Darstellbarkeit). Sei K einKorper, sei V ein K-Vektorraum, sei n ∈ N und sei (v1, . . . , vn) eine Familiein V . Dann sind die folgenden Aussagen aquivalent:

1. Die Familie (v1, . . . , vn) ist linear unabhangig.

2. Die folgende Abbildung ist injektiv:

Kn −→ V

λ 7−→n∑

j=1

λj · vj

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72 3. Vektorraume

Beweis. Man kann dies aus Proposition 3.2.10 folgern oder die beiden Impli-kationen ausgehend von den Definitionen ableiten (Ubungsaufgabe).

Wir werden spater einen Algorithmus kennenlernen, mit dem man effizientuberprufen kann, ob eine Familie in Kn linear unabhangig ist oder nicht.

3.3 Basen

Wir werden uns nun auf linear unabhangige Erzeugendensysteme, sogenannteBasen, konzentrieren. Wir werden feststellen, dass jeder Vektorraum eineBasis besitzt und dass je zwei Basen dieselbe Machtigkeit haben. Dies fuhrtzum Begriff der Dimension eines Vektorraums.

3.3.1 Basen

Wir geben nun die prazise Definition von Basen in Vektorraumen:

Definition 3.3.1 (Basis). Sei K ein Korper und sei V ein K-Vektorraum. EineFamilie (vi)i∈I in V ist eine Basis von V , wenn

die Familie (vi)i∈I linear unabhangig ist

und vi | i ∈ I ein Erzeugendensystem von V ist.

Notation 3.3.2. Ist (vi)i∈I eine Familie in einem Vektorraum V , so sagen wirauch kurz (aber etwas schlampig), dass (vi)i∈I ein Erzeugendensystem von Vist, wenn die zugehorige Menge vi | i ∈ I ein Erzeugendensystem von Vist.

Beispiel 3.3.3 (Standardbasis). Sei K ein Korper und sei n ∈ N. Dann ist(ej)j∈1,...,n eine Basis von Kn, die sogenannte Standardbasis von Kn.

Man beachte dabei aber, dass Kn noch viele andere Basen besitzt: ZumBeispiel ist fur jedes λ ∈ K \ 0 auch (λ · ej)j∈1,...,n eine Basis von Kn.Eine weitere Basis von Kn ist zum Beispiel (e1 + e2, e2, . . . , en). Wir werdenspater lernen, wie man alle Basen von Kn beschreiben kann.

Andererseits ist (e1, e2,−e2, . . . , en) keine Basis von Kn, da diese Familienicht linear unabhangig ist, und (e1, . . . , en−1) ist keine Basis von Kn, dadies kein Erzeugendensystem ist (falls n > 0 ist).

Bemerkung 3.3.4 (eindeutige Darstellbarkeit durch Basen). Warum sind Basenso gut geeignet, Vektorraume effizient zu beschreiben? Ist (v1, . . . , vn) eineBasis eines K-Vektorraums V , so gilt: Zu jedem Vektor v gibt es eindeutigbestimmte Koeffizienten λ1, . . . , λn ∈ K mit

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3.3. Basen 73

À

Á

e1

e2

ÀÁ

v1

v2

Abbildung 3.7.: Die Standardbasis von R2 und eine weitere Basis

v =

n∑

j=1

λj · vj

(die Existenz folgt, da v1, . . . , vn ein Erzeugendensystem von V ist; dieEindeutigkeit folgt mit Proposition 3.2.11 aus der linearen Unabhangigkeitvon (v1, . . . , vn)). Analog konnen wir dies auch fur unendliche Basen formu-lieren.

Bemerkung 3.3.5 (Basen als Koordinatensysteme). Es ist daher vernunftig,sich vorzustellen, dass Basen eine Verallgemeinerung des durch (e1, . . . , en)gegebenen Koordinatensystems in Kn sind (Abbildung 3.7).

In manchen Situationen ist es gunstig, Basen auch durch die folgendenalternativen Charakterisierungen beschreiben zu konnen:

Satz 3.3.6 (alternative Charakterisierungen von Basen). Sei K ein Korper,sei V ein K-Vektorraum und sei (vi)i∈I eine Familie in V . Dann sind diefolgenden Aussagen aquivalent:

1. Die Familie (vi)i∈I ist eine Basis von V .

2. Es ist (vi)i∈I eine maximale linear unabhangige Familie (d.h. diese Fa-milie ist linear unabhangig und jede Familie in V , die diese Familie alsechte Teilfamilie enthalt, ist linear abhangig).

3. Es ist vi | i ∈ I ein minimales Erzeugendensystem von V (d.h. dieseMenge ist ein Erzeugendensystem und ist J ⊂ I eine echte Teilmenge,so ist vj | i ∈ J kein Erzeugendensystem von V ).

Beweis. Zu 1. =⇒ 2. Sei (vi)i∈I eine Basis von V . Nach Definition ist (vi)i∈Isomit linear unabhangig. Warum liegt Maximalitat vor? Da vi | i ∈ I ein

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74 3. Vektorraume

Erzeugendensystem von V ist, gilt dies auch fur jede Familie, die (vi)i∈I alsechte Teilfamilie enthalt. Mit Proposition 3.2.10 (genauer mit der Implikati-on

”3. =⇒ 1.“) folgt somit, dass jede solche echte Oberfamilie linear abhangig

ist.Zu 2. =⇒ 3. Sei (vi)i∈I eine maximale linear unabhangige Familie. Dann

ist vi | i ∈ I ein Erzeugendensystem von V , denn: Sei v ∈ V . Fugtman v zur gegebenen Familie hinzu, so ist die neue Familie (aufgrundder Maximalitat) linear abhangig. Mit Proposition 3.2.10 (genauer mit derAquivalenz

”1. ⇐⇒ 2.“) erhalten wir somit, dass v als Linearkombination

der (vi)i∈I dargestellt werden kann. Mit Proposition 3.1.21 folgt daher, dassv ∈ SpanK(vi | i ∈ I) ist. Also ist V = SpanK(vi | i ∈ I).

Außerdem ist dieses Erzeugendensystem von V aufgrund der linearen Un-abhangigkeit minimal nach Proposition 3.2.10 (genauer nach der Kontrapo-sition der Implikation

”3. =⇒ 1.“).

Zu 3. =⇒ 1. Sei vi | i ∈ I ein minimales Erzeugendensystem von V .Dann ist die Familie (vi)i∈I nach Proposition 3.2.10 (genauer nach der Kon-traposition der Implikation

”1. =⇒ 3.“) linear unabhangig.

Um sinnvoll mit Basen in Vektorraumen arbeiten zu konnen, sind diefolgenden Fragen zu beantworten:

Besitzt jeder Vektorraum eine Basis?

Welche Gemeinsamkeiten haben verschiedene Basen desselben Vektor-raums?

Wir werden diese Fragen zunachst im endlich erzeugten Fall beantworten unddann auf den nicht endlich erzeugten Fall eingehen.

3.3.2 Endlich erzeugte Vektorraume

Wir beginnen die Suche nach Basen in endlich erzeugten Vektorraumen:

Satz 3.3.7 (Existenz von Basen, endlich erzeugter Fall). Jeder endlich erzeugteVektorraum besitzt eine endliche Basis.

Beweis. Die Idee ist, die Charakterisierung von Basen als minimale Erzeu-gendensysteme zu verwenden, und die folgende (etwas starkere) Aussage zuzeigen, indem wir so lange Vektoren aus einem endlichen Erzeugendensystementfernen, bis ein minimales Erzeugendensystem vorliegt:

Ist K ein Korper und ist V ein endlich erzeugter K-Vektorraum mitendlichem Erzeugendensystem E, so gibt es eine Basis von V , die nuraus Elementen von E besteht (insbesondere ist eine solche Basis alsoauch endlich, da E nur endlich viele Elemente enthalt und in einer Basiskeine Vektoren mehrfach vorkommen konnen).

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3.3. Basen 75

Wir beweisen diese Aussage induktiv uber die Anzahl |E| der Elementevon E: Induktionsanfang. Ist |E| = 0, so ist E = ∅. Insbesondere ist E dannlinear unabhangig und somit eine Basis (von V = SpanK ∅ = 0).

Induktionsschritt. Sei |E| > 0 und die Behauptung in allen Fallen mitErzeugendensystemen mit weniger Elementen bereits gezeigt. Da E endlichist, gibt es ein n ∈ N und (paarweise verschiedene) Vektoren v1, . . . , vn ∈ Vmit E = v1, . . . , vn. Wir unterscheiden nun zwei Falle:

Ist E ein minimales Erzeugendensystem von V , so ist (v1, . . . , vn) nachSatz 3.3.6 eine Basis.

Ist E kein minimales Erzeugendensystem von V , so gibt es also ein j ∈1, . . . , n mit der Eigenschaft, dass E′ := E \ vj ein Erzeugenden-system von V ist. Wegen |E′| ≤ |E| − 1 < |E| konnen wir die Induk-tionsvoraussetzung auf E′ anwenden und finden somit eine Teilfamilievon (v1, . . . , vj−1, vj+1, . . . , vn), die eine Basis von V ist.

Also gibt es eine Basis von V , die nur aus Elementen von E besteht.

Beispiel 3.3.8. Es gibt keinen F2-Vektorraum, der genau 2016 Elementeenthalt (Ubungsaufgabe).

Um Basen gut miteinander vergleichen zu konnen, gibt es zwei zentraleHilfsmittel, den Austauschsatz und den Erganzungssatz.

Satz 3.3.9 (Austauschsatz). Sei K ein Korper, sei V ein endlich erzeugterK-Vektorraum und sei (v1, . . . , vn) eine Basis von V . Ist w ∈ V \0, so gibtes ein j ∈ 1, . . . , n, so dass

(v1, . . . , vj−1, w, vj+1, . . . , vn)

eine Basis von V ist.Genauer gilt: Ist k ∈ 1, . . . , n und ist die Familie (v1, . . . , vk, w) linear

unabhangig, so kann j > k gewahlt werden.

Beweis. Da (v1, . . . , vn) als Basis ein Erzeugendensystem von V ist, gibt esKoeffizienten λ1, . . . , λn ∈ K mit

w =

n∑

r=1

λr · vr.

Wegen w 6= 0 ist einer dieser Koeffizienten nicht 0; sei etwa j ∈ 1, . . . , nmit λj 6= 0 (fur die Zusatzbehauptung beachte man, dass man hier j > kwahlen kann und dass aufgrund der Maximalitat von Basen k < n ist).

Wir zeigen nun, dass die Familie

B := (v1, . . . , vj−1, w, vj+1, . . . , vn)

eine Basis von V ist:

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76 3. Vektorraume

Die B unterliegende Menge ist ein Erzeugendensystem von V , denn:Nach Konstruktion von B genugt es zu zeigen, dass vj in SpanK(B)liegt. Aus der obigen Gleichung fur w erhalten wir

vj = 1 · w +∑

r∈1,...,n\j

−λrλj· vj ,

und damit vj ∈ SpanK(B).

Die Familie B ist linear unabhangig, denn: Seien µ, µ1, . . . , µj−1,µj+1, . . . , µn ∈ K mit

µ · w +∑

r∈1,...,n\jµr · vr = 0.

Indem wir die obige Gleichung fur w in diese Gleichung einsetzen, er-halten wir

µ · λj · vj +∑

r∈1,...,n\j(µ · λr + µr) · vr = 0.

Da (v1, . . . , vn) eine linear unabhangige Familie ist, liefert dies µ·λj = 0und µ · λr + µr = 0 fur alle r ∈ 1, . . . , n \ j. Nach Konstruktionist λj 6= 0, und damit liefert die Gleichung µ · λj = 0, dass µ = 0. Ausden anderen Gleichungen folgt dann µr = 0 fur alle r ∈ 1, . . . , n\j.Daher ist B linear unabhangig.

Also ist B eine Basis von V , wie behauptet.

Als Folgerung (Korollar2) erhalten wir durch iteriertes3 Anwenden desAustauschsatzes die folgende Variante:

Korollar 3.3.10 (iterierter Austausch). Sei K ein Korper, sei V ein end-lich erzeugter K-Vektorraum, sei (v1, . . . , vn) eine Basis von V und sei(w1, . . . , wm) eine linear unabhangige Familie in V . Dann gibt es eine Teil-menge J ⊂ 1, . . . , n, so dass die zusammengesetzte Familie

(w1, . . . , wm, (vj)j∈J

)

eine Basis von V ist. Außerdem gilt m ≤ n.

Beweis. Wir konnen m-mal den Austauschsatz (Satz 3.3.9) anwenden underhalten so induktiv Basen

2Das Wort Korollar leitet sich vom lateinischen Wort corollarium ab, das ursprunglichKranzchen oder Geschenk bedeutet. Ein Korollar ist also so etwas wie ein Geschenk,

das man zu einem Satz dazu bekommt . . .3Das Wort iterieren leitet sich vom lateinischen Wort iterare ab, das wiederholen bedeu-

tet.

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3.3. Basen 77

(w1, eine Teilfamilie von (v1, . . . , vn)

),

(w1, w2, eine Teilfamilie von (v1, . . . , vn)

),

(w1, w2, w3, eine Teilfamilie von (v1, . . . , vn)

),

...(w1, . . . , wm, eine Teilfamilie von (v1, . . . , vn)

),

von V ; man beachte dabei, dass aufgrund der linearen Unabhangigkeitvon (w1, . . . , wm) wirklich in jedem Schritt gegen einen Vektor aus (v1, . . . , vn)und nicht gegen einen der bereits eingefugten Vektoren aus (w1, . . . , wm) ge-tauscht wird.

Insbesondere ist m ≤ n und im letzten Schritt erhalten wir eine Basisvon V von der gewunschten Form.

Beispiel 3.3.11. Also ist jede Familie mit mindestens vier Vektoren im R-Vektorraum R3 linear abhangig (da die Standardbasis von R3 nur drei Ele-mente enthalt).

Korollar 3.3.12 (alle Basen haben dieselbe Lange). Sei K ein Korper, sei Vein endlich erzeugter K-Vektorraum und seien (v1, . . . , vn) und (w1, . . . , wm)Basen von V . Dann folgt n = m.

Beweis. Da Basen linear unabhangige Systeme sind, konnen wir den iterier-ten Austauschsatz (Korollar 3.3.10) in beide Richtungen anwenden; auf dieseWeise erhalten wir m ≤ n und n ≤ m, und damit m = n.

Beispiel 3.3.13 (Basen von Kn). Ist K ein Korper und n ∈ N, so besteht jedeBasis von Kn aus genau n Vektoren (da die Standardbasis dies erfullt).

Korollar 3.3.14 (Erganzungssatz). Sei K ein Korper, sei V ein endlich er-zeugter K-Vektorraum und sei (w1, . . . , wm) eine linear unabhangige Fami-lie in V . Dann gibt es ein n ∈ N≥m und Vektoren vm+1, . . . , vn, so dass(w1, . . . , wm, vm+1, . . . , vn) eine Basis von V ist.

Beweis. Nach Satz 3.3.7 besitzt V eine endliche Basis. Auf eine solche Basisund die gegebene linear unabhangige Familie (w1, . . . , wm) wenden wir deniterierten Austauschsatz (Korollar 3.3.10) an und erhalten so eine Basis von Vvon der gewunschten Form.

Außerdem liefert uns der iterierte Austauschsatz eine Moglichkeit nachzu-weisen, dass gewisse Vektorraume nicht endlich erzeugt sind:

Korollar 3.3.15 (große linear unabhangiger Familien). Sei K ein Korper undsei V ein endlich erzeugter K-Vektorraum. Dann enthalt V keine unendlichelinear unabhangige Familie.

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78 3. Vektorraume

Beweis. Da V endlich erzeugt ist, besitzt V eine endliche Basis (Satz 3.3.7),etwa (v1, . . . , vn).

Angenommen, V enthalt eine unendliche linear unabhangige Familie. Dannenthalt V auch eine linear unabhangige Folge (wm)m∈N (strenggenommenbenotigt man dafur Satz A.4.7). Fur jedes m ∈ N ist (w1, . . . , wm) linear un-abhangig und mit dem iterierten Austauschsatz (Korollar 3.3.10) folgt daher,dass m ≤ n, was nicht sein kann.

Also enthalt V keine unendliche linear unabhangige Familie.

Beispiel 3.3.16 (ein nicht endlich erzeugter Vektorraum). Ist K ein Korper undist X eine unendliche Menge, so ist also der K-Vektorraum Abb(X,K) nichtendlich erzeugt, denn Abb(X,K) enthalt eine unendliche linear unabhangigeFamilie (Beispiel 3.2.6).

3.3.3 Exkurs: Das Zornsche Lemma

Um die Existenz von Basen in nicht notwendig endlich erzeugten Vek-torraumen nachzuweisen, benotigen wir ein Hilfsmittel aus der Mengenlehre– das Zornsche Lemma.

Definition 3.3.17 (partielle Ordnung, total geordnete Kette, obere Schranke,maximales Element). Sei M eine Menge.

Eine partielle Ordnung auf M ist eine Relation ≤ auf M , die reflexiv,transitiv und anti-symmetrisch ist, d.h.

∀x,y∈M((x ≤ y) ∧ (y ≤ x)

)=⇒ (x = y).

Eine partielle Ordnung ≤ auf M ist eine totale Ordnung, wenn

∀x,y∈M (x ≤ y) ∨ (y ≤ x).

Sei ≤ eine partielle Ordnung auf M . Wir nennen eine Teilmenge N ⊂Meine total geordnete Kette, wenn die Einschrankung von ≤ auf N einetotale Ordnung ist.

Sei ≤ eine partielle Ordnung auf M und sei N ⊂M . Ein Element m ∈M ist eine obere Schranke von N , wenn

∀x∈N x ≤ m.

Sei ≤ eine partielle Ordnung auf M . Ein Element m ∈ M ist maximalfur M , wenn gilt: Fur alle x ∈M mit m ≤ x folgt bereits x = m.

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3.3. Basen 79

0, 1

10

Abbildung 3.8.: Die Inklusionsrelation auf der Potenzmenge von 0, 1. Men-gen, die weiter oben gezeichnet sind, sind großer als Mengen,die weiter unten gezeichnet sind; Elemente, die vergleichbarsind, sind dabei durch eine Linie verbunden.

Beispiel 3.3.18 (Inklusionsrelation). Sei X eine Menge und sei M := P (X).Dann liefert die Inklusion von Mengen eine partielle Ordnung auf M (nach-rechnen!). Im allgemeinen ist diese partielle Ordnung keine totale Ordnungauf M .

Wir betrachten dazu den folgenden Spezialfall (Abbildung 3.8): Ist X =0, 1, so gilt weder 0 ⊂ 1 noch 1 ⊂ 0. Insbesondere ist in diesemFall auch 0, 1 keine total geordnete Kette. Ein Beispiel fur eine totalgeordnete Kette ist ∅, 0, 0, 1.

Jede total geordnete Kette N ⊂ M bestizt eine obere Schranke in M ,namlich zum Beispiel die Vereinigungsmenge

⋃N oder einfach X. Außerdem

ist in diesem Fall X das einzige maximale Element.

Das Zornsche Lemma gibt ein Kriterium fur die Existenz maximaler Ele-mente:

Satz 3.3.19 (das Zornsche Lemma). Sei (M,≤) eine nicht-leere partiell ge-ordnete Menge, in der jede total geordnete Kette eine obere Schranke in Mbesitzt. Dann besitzt (M,≤) ein maximales Element in M .

Die Tatsache, dass dieser Satz das Wort”Lemma“ im Titel tragt mag et-

was verwirrend sein. Tatsachlich hat das Wort”Lemma“ uber die Zeit seine

Bedeutung geandert: Ursprunglich handelte es sich dabei um einen wichtigen,zentralen, Satz. Heutzutage verwendet man

”Lemma“ als Synonym fur

”Hilfs-

satz“, also fur einen kleinen Baustein, der fur ein umfangreicheres Resultatals Hilfsmittel benotigt wird.

Der Beweis des Zornschen Lemmas wurde an dieser Stelle zu weit fuhren,da man dafur weitere Techniken aus der Mengenlehre benotigt. Was mansich allerdings merken sollte, ist, dass das Zornsche Lemma (aufbauend aufden ubrigen Axiomen der Mengenlehre) aquivalent zum Auswahlaxiom ist!Insbesondere ist das Zornsche Lemma auch nicht konstruktiv – man erhaltnur die Existenz maximaler Elemente, aber keinen Hinweis darauf, wie mansolche maximalen Elemente konstruieren kann.

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80 3. Vektorraume

Bemerkung 3.3.20 (das Zornsche Lemma fur kleine Mengen). Sei (M,≤) ei-ne hochstens abzahlbare nicht-leere partiell geordnete Menge, die die Vor-aussetzungen im Zornschen Lemma erfullt. Dann kann man induktiv (ohneAuswahlaxiom!) zeigen, dass (M,≤) ein maximales Element enthalt.

3.3.4 Allgemeine Vektorraume

Wir werden nun das Zornsche Lemma verwenden, um Basen in unendlichdi-mensionalen Vektorraumen zu untersuchen:

Satz 3.3.21 (Existenz von Basen, allgemeiner Fall). Jeder Vektorraum besitzteine Basis.

Beweis (AC). Die Idee ist, die Charakterisierung von Basen als maximalelinear unabhangige Familien zu verwenden, und die folgenden (etwas starkere)Aussage zu zeigen:

Sei K ein Korper, sei V ein K-Vektorraum und sei (vj)j∈J eine linearunabhangige Familie in V . Dann gibt es eine Oberfamilie von (vj)j∈J ,die eine Basis von V ist.

Die Behauptung des Satzes folgt dann, indem wir die leere Familie (diebekanntlich linear unabhangig ist) in V betrachten.

Wir beweisen die obige Behauptung mit dem Zornschen Lemma. Wir er-weitern zunachst die Familie (vj)j∈J zu einer Familie (vi)i∈I in V , die jedenVektor aus V enthalt, und betrachten dann die Menge

M :=A ⊂ I

∣∣ (vi)i∈A ist linear unabhangig und J ⊂ A.

Die Menge M ist bezuglich Inklusion partiell geordnet. Nach Definitionist J ∈ M ; insbesondere ist M nicht-leer. Außerdem besitzt jede total ge-ordnete Kette in M eine obere Schranke in M , denn: Sei N ⊂ M eine totalgeordnete Kette in M ; ohne Einschrankung sei N 6= ∅ (sonst ist J eine obereSchranke). Wir setzen

A :=⋃N.

Wir zeigen, dass A ∈ M ist: Nach Konstruktion ist J ⊂ A und A enthaltjede der Mengen aus N . Die Familie (vi)i∈A ist linear unabhangig, denn:Sei B ⊂ A endlich. Dann folgt induktiv, dass es ein A′ ∈ N mit B ⊂ A′

gibt (denn jedes Element b ∈ B ist in einer Menge Ab ∈ N enthalten; daB endlich und N total geordnet ist, gibt es eine dieser Mengen Ab, die alleanderen enthalt). Da (vi)i∈A′ wegen A′ ∈ N ⊂ M linear unabhangig ist,ist insbesondere auch die Teilfamilie (vi)i∈B linear unabhangig. Also sindalle endlichen Teilfamilien von (vi)i∈A linear unabhangig; nach Definition istdann auch (vi)i∈A linear unabhangig. Damit ist A eine obere Schranke von Nin M .

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3.3. Basen 81

Nach dem Zornschen Lemma besitzt M also ein maximales Element I ′.Aufgrund der Definition von M ist (vi)i∈I′ dann eine maximale linear un-abhangige Familie in V , und damit eine Basis (Satz 3.3.6). Nach Konstruktionenthalt diese Familie die gegebene Familie (vj)j∈J als Teilfamilie.

Satz 3.3.22 (alle Basen haben die gleiche Lange). Sei K ein Korper, sei Vein K-Vektorraum und seien (vi)i∈I und (wj)j∈J Basen von V . Dann sind Iund J gleichmachtig.

Beweis (AC). Nach Korollar 3.3.12 und Korollar 3.3.15 bleibt nur der Fallzu betrachten, dass I und J unendlich sind.

Die Idee ist, Gleichmachtigkeit mithilfe des Satzes von Schroder-Bernstein(Satz A.4.4) zu zeigen. Es genugt also zu zeigen, dass es eine injektive Ab-bildung J −→ I gibt (indem man die Rollen der beiden Basen vertauscht,erhalt man auch eine Injektion I −→ J).

Ist i ∈ I, so ist vi als Linearkombination einer endlichen Teilfamilievon (wj)j∈J darstellbar; es gibt also eine endliche Teilmenge Ji ⊂ J mit

vi ∈ SpanK(wj | j ∈ Ji

).

Da (vi)i∈I ein Erzeugendensystem von V ist und (wj)j∈J als Basis ein mini-males Erzeugendensystem von V ist (Satz 3.3.6), folgt

i∈IJi = J.

Da jedes Ji endlich ist, folgt aus dieser Gleichheit, dass es eine injektiveAbbildung

J −→ I × N

gibt. Andererseits ist aus der Mengelehre bekannt, dass I × N und I gleich-machtig sind, da I unendlich ist (an dieser Stelle geht das Auswahlaxiomein). Somit erhalten wir eine injektive Abbildung J −→ I.

3.3.5 Zusammenfassung

Wir haben also folgendes gesehen:

Jeder Vektorraum besitzt eine Basis.

Jede linear unabhangige Familie kann zu einer Basis erweitert werden.

Aus jedem Erzeugendensystem kann man eine Basis auswahlen.

Je zwei Basen eines Vektorraums sind gleich groß.

Diese Eigenschaften bilden die Grundlage fur den Dimensionsbegriff.

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82 3. Vektorraume

3.4 Dimension

Wir konnen nun die”Große“ eines Vektorraums dadurch messen, dass wir

die Große von Basen betrachten.

3.4.1 Dimension von Vektorraumen

Nach Satz 3.3.7, Korollar 3.3.12, Satz 3.3.21 und Satz 3.3.22 ist der folgen-de Dimensionsbegriff wohldefiniert, d.h. unabhangig von den betrachtetenBasen:

Definition 3.4.1 (Dimension). Sei K ein Korper und sei V ein K-Vektorraum.

Ist V endlich erzeugt und ist (v1, . . . , vn) eine Basis von V , so definierenwir die Dimension von V als

dimK(V ) := n.

In diesem Fall sagt man auch, dass V endlich-dimensional ist.

Ist V nicht endlich erzeugt, so definieren wir die Dimension von V alsdie Machtigkeit einer/jeder Basis von V . Wir schreiben dann oft auch(etwas vereinfachend)

dimK(V ) :=∞und sagen, dass V unendlich-dimensional ist.

Beispiel 3.4.2.

Ist K ein Korper und n ∈ N, so ist dimK Kn = n, da die Standardbasis

von Kn genau n Vektoren enthalt. Insbesondere ist dimK0 = 0.

Es gilt dimC C = 1, aber dimR C = 2.

Es gilt dimQ R =∞; genauer: jede Q-Basis von R hat dieselbe Machtigkeitwie R.

Ist K ein Korper und ist X eine unendliche Menge, so gilt nach Bei-spiel 3.3.16, dass dimK Abb(X,K) =∞.

Fur e1, e2 ⊂ R3 gilt dimR SpanR(e1, e2) = 2 (Abbildung 3.9), da(e1, e2) eine Basis von SpanR(e1, e2) ist.

Allgemeiner entsprechen zweidimensionale Unterraume genau den geo-metrischen Ebenen (durch 0) und eindimensionale Unterraume genauden geometrischen Geraden (durch 0).

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3.4. Dimension 83

À

Á

Â

e1

e2

Abbildung 3.9.: Der Untervektorraum SpanR(e1, e2) von R3

Bemerkung 3.4.3 (große Vektorraume). Es gibt Vektorraume mit beliebiggroßer Dimension; genauer: Sei K ein Korper und sei X eine Menge. Danngibt es einen K-Vektorraum V mit dimK V ≥ |X|. Zum Beispiel kann manzeigen, dass dimK Abb(X,K) ≥ |X| ist.

Proposition 3.4.4 (Dimension von Unterraumen). Sei K ein Korper, sei V einendlich-dimensionaler K-Vektorraum und sei U ⊂ V ein Untervektorraum.Dann ist auch U endlich-dimensional. Ist U 6= V , so folgt dimK U < dimK V .

Beweis. Dies folgt aus den bereits bewiesenen Eigenschaften von Basen undlinear unabhangigen Familien (Ubungsaufgabe).

3.4.2 Dimensionsformeln fur Vektorraume

Wir werden uns im folgenden uberlegen, wie man Dimensionen von Vek-torraumen berechnen kann, wenn man die Dimensionen von gewissen Bau-steinen kennt.

Wir beginnen mit der Summe von Untervektorraumen:

Definition 3.4.5 (Summe von Untervektorraumen). Sei K ein Korper, sei Vein K-Vektorraum und seien U,W ⊂ V Untervektorraume von V . Danndefinieren wir die Summe von U und W als

U +W := u+ w | u ∈ U,w ∈W ⊂ V.

Eine einfache Rechnung zeigt, dass U + W = SpanK(U ∪W ) ist; insbe-sondere ist mit U und W auch U +W ein Untervektorraum von V .

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84 3. Vektorraume

Die Dimension von Summenraumen lasst sich aus den Dimensionen derSummanden berechnen – dabei ist jedoch zu berucksichtigen, dass man denDurchschnitt der Summanden nicht

”doppelt zahlen“ darf. Dies fuhrt zur

folgenden Dimensionsformel:

Satz 3.4.6 (Dimensionsformel fur Unterraume). Sei K ein Korper, sei V einendlich-dimensionaler K-Vektorraum und seien U,W ⊂ V Untervektorraumevon V . Dann gilt

dimK(U +W ) = dimK(U) + dimK(W )− dimK(U ∩W ).

Beweis. Man beachte, dass der Durchschnitt U ∩ W ein Untervektorraumvon V ist (Proposition 3.1.16) und somit insbesondere eine wohldefinierteDimension besitzt.

Nach Proposition 3.4.4 sind U , W und U ∩W endlich-dimensionale K-Vektorraume. Sei etwa (v1, . . . , vk) eine Basis von U ∩ W . Diese konnenwir zu Basen (v1, . . . , vk, uk+1, . . . , un) bzw. (v1, . . . , vk, wk+1, . . . , wm) von Ubzw. W erganzen (Korollar 3.3.14).

Dann ist B := (v1, . . . , vk, uk+1, . . . , un, wk+1, . . . , wm) eine Basis der Sum-me U +W denn:

Die Familie B ist ein Erzeugendensystem von U + W , denn: Da(v1, . . . , vk, uk+1, . . . , un) bzw. (v1, . . . , vk, wk+1, . . . , wm) Erzeugenden-systeme von U bzw. W sind, ist die zusammengesetzte Familie B einErzeugendensystem von SpanK(U ∪W ) = U +W .

Die Familie B ist linear unabhangig, denn: Seien λ1, . . . , λn ∈ K undµk+1, . . . , µm ∈ K mit

k∑

j=1

λj · vj +

n∑

j=k+1

λj · uj +

m∑

j=k+1

µj · wj = 0.

Dann folgt

k∑

j=1

λj · vj +

n∑

j=k+1

λj · uj =

m∑

j=k+1

(−µj) · wj .

Da die linke Seite in U liegt und die rechte Seite in W liegt, liegen alsobeide Seiten in U ∩W . Nach Wahl unserer Basen bedeutet dies aber,dass

λk+1 = · · · = λn = 0 und µk+1 = · · · = µm = 0.

Setzt man dies in die obige Gleichung ein, so folgt

k∑

j=1

λj · vj = 0.

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3.4. Dimension 85

U

W

À

Á

Â

U ∩W U

W ′

À

Á

Â

U ∩W ′

Abbildung 3.10.: Untervektorraume von R3 und ihre Durchschnitte

Da (v1, . . . , vk) als Basis von U ∩W eine linear unabhangige Familieist, erhalten wir auch

λ1 = · · · = λk = 0.

Also sind alle Koeffizienten 0, und daher folgt, dass B linear unabhangigist.

Also ist B eine Basis von U +W . Nach Konstruktion von B ist dann

dimK(U +W ) = k + (n− k) + (m− k) = n+m− k= dimK(U) + dimK(W )− dimK(U ∩W ),

wie behauptet.

Beispiel 3.4.7 (Unterraume von R3). Wir betrachten die folgenden Untervek-torraume von R3 (Abbildung 3.10):

U := SpanR(e1, e2), W := SpanR(e2, e3), W ′ := SpanR(e1+e2+e3)

Dann gilt

dimR U = 2, dimRW = 2, dimRW′ = 1

und

U +W = R3, und U +W ′ = R3.

Außerdem ist

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86 3. Vektorraume

dimR(U ∩W ) = dimR SpanR(e2) = 1

dimR(U ∩W ′) = dimR(0) = 0,

was alles mit der obigen Dimensionsformel zusammenpasst.

3.4.3 Komplementare Untervektorraume

Insbesondere konnen wir die Dimensionsformel auf sogenannte komplementareUnterraume anwenden:

Definition 3.4.8 (komplementare Untervektorraume). Sei K ein Korper undsei V ein K-Vektorraum. Untervektorraume U und W von V heißen komple-mentar, wenn

U +W = V und U ∩W = 0gilt.

In Beispiel 3.4.7 sind U und W nicht komplementar, aber U und W ′ sindkomplementar.

Korollar 3.4.9 (Dimensionsformel fur komplementare Untervektorraume). SeiK ein Korper, sei V ein endlich-dimensionaler K-Vektorraum und seien Uund W komplementare Untervektorraume von V . Dann gilt

dimK V = dimK U + dimKW.

Beweis. Dies folgt direkt aus der Dimensionsformel fur Untervektorraume(Satz 3.4.6).

Bemerkung 3.4.10 (Existenz von komplementaren Untervektorraumen). Sei Kein Korper, sei V ein K-Vektorraum und sei U ⊂ V ein Untervektorraumvon V . Dann besitzt U einen komplementaren Untervektorraum in V , denn:Sei (vj)j∈J eine Basis von U . Dann konnen wir diese zu einer Basis (vi)i∈Ivon V erganzen. Eine einfache Rechnung zeigt dann, dass der Untervektor-raum SpanK(vi | i ∈ I\J) zu U in V komplementar ist. Man beachte dabei,dass es im allgemeinen aber viele solcher komplementaren Untervektorraumezu U in V gibt!

Umgekehrt kann man zu je zwei Vektorraumen einen Vektorraum konstru-ieren, in dem diese komplementar sind:

Definition 3.4.11 (direkte Summe). Sei K ein Korper und U , W seien K-Vektorraume. Die direkte Summe U⊕W von U und W ist der K-Vektorraum,dessen unterliegende Menge U ×W ist und dessen Addition und Skalarmul-tiplikation komponentenweise definiert ist.

Korollar 3.4.12 (Dimension einer direkten Summe). Sei K ein Korper und U ,W seien endlich-dimensionale K-Vektorraume. Dann gilt

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3.4. Dimension 87

dimK(U ⊕W ) = dimK U + dimKW.

Beweis. Wir fuhren dies auf die obige Dimensionsformel zuruck: Dazu be-trachten wir die Untervektorraume

U ′ := U ⊕ 0 und W ′ := 0 ⊕W

von U ⊕W . Eine einfache Rechnung zeigt, dass U ′ +W ′ = U ⊕W und dassU ′ ∩W ′ = (0, 0) ist. Also sind U ′ und W ′ in U ⊕W komplementar.

Sei n := dimK U . Ist (u1, . . . , un) eine Basis von U , so erkennt manleicht, dass ((u1, 0), . . . , (un, 0)) eine Basis von U ⊕ 0 ist; insbesondere istdimK U = n = dimK U

′. Analog folgt dimKW = dimKW′.

Mit der Dimensionsformel fur komplementare Untervektorraume (Korol-lar 3.4.9) erhalten wir daher

dimK(U ⊕W ) = dimK(U ′ +W ′)

= dimK U′ + dimKW

= dimK U + dimKW,

wie behauptet.

Den genauen Zusammenhang zwischen direkten Summen und komple-mentaren Untervektorraumen werden wir in Proposition 4.4.11 nochmalnaher untersuchen.

3.4.4 Quotientenvektorraume

Als nachsten Schritt werden wir sogenannte Quotientenraume betrachten.Ist V ein Vektorraum und U ⊂ V ein Untervektorraum, so ist es manchmalgunstig, den Quotientenvektorraum V/U zu betrachten:

algebraische Motivation: Der Quotientenvektorraum V/U ist der Vek-torraum, den man erhalt, wenn man in V alles

”vergisst“, was in U

passiert.

geometrische Motivation: Der Quotientenvektorraum V/U ist der Vek-torraum, den man erhalt, wenn man alle zu U

”parallelen“ affinen Un-

terraume von V betrachtet.

Wir fuhren die Konstruktion ausgehend von der algebraischen Motivationmithilfe einer geeigneten Aquivalenzrelation durch; die dritte Aussage zeigt,dass dies auch geometrisch den richtigen Begriff liefert.

Proposition 3.4.13 (Quotienten nach Unterraumen). Sei K ein Korper, sei Vein K-Vektorraum, sei U ⊂ V ein Untervektorraum und sei ∼U die Relationauf V , die durch

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88 3. Vektorraume

(v, w) ∈ V × V

∣∣ v − w ∈ U⊂ V × V

definiert ist. Wir schreiben dann V/U := V/ ∼U .

1. Fur alle v, w ∈ V gilt

v ∼U w ⇐⇒ v + U = w + U

2. Die Relation ∼U ist eine Aquivalenzrelation auf V .

3. Ist v ∈ V , so ist die von v reprasentierte Aquivalenzklasse bezuglich ∼Uder affine Unterraum v + U .

Beweis. Zu 1. Seien v, w ∈ V . Gilt v ∼U w, so ist u := v−w ∈ U , und damit

v + U = (w + u) + U = w + (u+ U) = w + U.

Gilt umgekehrt v + U = w + U , so folgt insbesondere, dass es ein u ∈ Umit v + 0 = w + u gibt. Dann ist aber

v − w = u ∈ U.

Zu 2. Reflexivitat von ∼U ist klar. Symmetrie von ∼U folgt, da U alsUntervektorraum unter additiven Inversen abgeschlossen ist. Transitivitatergibt sich, da U als Untervektorraum unter Addition abgeschlossen ist.

Zu 3. Dies ist eine einfach Rechnung (ahnlich zum ersten Teil).

Proposition 3.4.14 (Quotientenvektorraum). Sei K ein Korper, sei V ein K-Vektorraum, sei U ⊂ V ein Untervektorraum.

1. Die Abbildungen

· : K × V/U −→ V/U

(λ, v + U) 7−→ (λ · v) + U,

+: V/U × V/U −→ V/U

(v + U,w + U) 7−→ (v + w) + U

sind wohldefiniert.

2. Die Menge V/U bildet bezuglich der obigen Skalarmultiplikation undAddition einen K-Vektorraum.

Man bezeichnet dann V/U mit dieser Struktur als Quotientenvektorraumvon V nach U oder auch als V modulo U .

Die Addition ist in Abbildung 3.11 illustriert – als Addition von affinenUnterraumen.

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3.4. Dimension 89

U v + U w + U (v + w) + U

v

w

v + w

À

Á

Abbildung 3.11.: Quotientenvektorraum, schematisch

Beweis. Zu 1. Wir zeigen nur die Wohldefiniertheit der Addition (der Beweisfur die Skalarmultiplikation verlauft analog): Seien also v, w, v′, w′ ∈ V mitv ∼U v′ und w ∼U w′. Dann ist (da die Addition in V kommutativ ist!)

(v + w)− (v′ + w′) = v + w − v′ − w′ = v − v′ + w − w′ ∈ U,

da v − v′ ∈ U und w − w′ ∈ U und U bezuglich Addition abgeschlossen ist.Also gilt (v + w) ∼U (v′ + w′). Somit ist die Addition unabhangig von dengewahlten Reprasentanten und daher wohldefiniert.

Zu 2. Die Vektorraumeigenschaften fur V/U lassen sich leicht aus der Vek-torraumstruktur von V ableiten (nachrechnen).

Beispiel 3.4.15. Wir betrachten den Unterraum U := SpanR(e1+e2) ⊂ R2.Dann gilt

0 + U =

(22

)+ U und

(−1

1

)+ U =

(02

)+ U

und ((−1

1

)+ U

)+ 2 ·

((01

)+ U

)=

(−1

3

)+ U.

Satz 3.4.16 (Dimensionsformel fur Quotientenvektorraume). Sei K ein Korper,sei V ein endlich-dimensionaler K-Vektorraum und sei U ⊂ V ein Unter-vektorraum. Dann gilt

dimK(V ) = dimK(U) + dimK(V/U).

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90 3. Vektorraume

Beweis. Da V endlich-dimensional (und somit endlich erzeugt) ist, ist auchV/U endlich erzeugt, denn: Ist E ⊂ V ein Erzeugendensystem von V , so zeigteine kleine Rechnung, dass v+U | v ∈ E ein Erzeugendensystem von V/Uist. Sei (w1 + U, . . . , wm + U) eine Basis von V/U .

Als Untervektorraum von V ist mit V auch U endlich-dimensional (Pro-position 3.4.4). Sei etwa (u1, . . . , un) eine Basis von U .

Wir zeigen, dass dann B := (w1, . . . , wm, u1, . . . , un) eine Basis von V ist:

Lineare Unabhangigkeit von B: Seien λ1, . . . , λm, µ1, . . . , µn ∈ K mit

m∑

j=1

λj · wj +

n∑

j=1

µj · uj = 0.

Insbesondere ist dann∑mj=1 λj · wj ∈ U , und damit

m∑

j=1

λj · (wj + U) =

( m∑

j=1

λj · wj)

+ U = 0 + U.

Da (w1 + U, . . . , wm + U) in V/U linear unabhangig ist, folgt λ1 =· · · = λm = 0. Eingesetzt in die Anfangsgleichung erhalten wir daraus∑nj=1 µk · uj = 0. Da (u1, . . . , un) linear unabhangig ist, ist somit µ1 =

· · · = µn = 0. Also ist B linear unabhangig.

Die Menge w1, . . . , wm, u1, . . . , un ist ein Erzeugendensystem von V ,denn: Sei v ∈ V . Da (w1 +U, . . . , wm +U) eine Basis von V/U ist, gibtes λ1, . . . , λm ∈ K mit

v + U =

m∑

j=1

λj · (wj + U) =

( m∑

j=1

λj · wj)

+ U,

und damit

v −m∑

j=1

λj · wj ∈ U.

Da (u1, . . . , un) eine Basis von U ist, konnen wir diesen Vektor somitals Linearkombination von (u1, . . . , un) schreiben. Durch Umstellen er-halten wir so v als Linearkombination von (w1, . . . , wm, u1, . . . , un).

Also ist B eine Basis von V und es folgt

dimK V = m+ n = dimK V/U + dimK U.

Bemerkung 3.4.17. Wir werden im folgenden Kapitel sehen, wie man linea-re Abbildungen nutzen kann, um die Dimensionsformel fur Quotientenvek-torraume aus der Dimensionsformel fur komplementare Untervektorraumeableiten kann (Bemerkung 4.4.12).

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4

Lineare Abbildungen

Wie jede mathematische Theorie besitzt die lineare Algebra neben grundle-genden Objekten (den Vektorraumen) auch strukturerhaltende Morphismenzwischen solchen Objekten. Dies sind die sogenannten linearen Abbildungen.

Geometrisch gehoren neben den durch die Skalarmultiplikation gegebenenStreckungen auch Spiegelungen, Rotationen und daraus zusammengesetzteAbbildungen zu den linearen Abbildungen.

Außerdem treten lineare Abbildungen in vielen Anwendungen auf natur-liche Weise auf und dienen als gut berechenbarer Approximationsbaustein inder Analysis.

Uberblick uber dieses Kapitel.

4.1 Lineare Abbildungen 924.2 Lineare Abbildungen aus Matrizen 964.3 Lineare Abbildungen und Basen 1054.4 Kern und Bild 1074.5 Homomorphismenraume 116

Schlusselbeispiel. elementare geometrische Transformationen, lineare Abbil-dungen aus Matrizen

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92 4. Lineare Abbildungen

4.1 Lineare Abbildungen

Mathematische Theorien bestehen im Normalfall aus

Objekten und

Morphismen (d.h.”Abbildungen“, mit denen sich diese Objekte gut

vergleichen lassen).

Der Begriff des Morphismus leitet sich vom griechischen Wort morf (Form,Gestalt) ab. Dieser Rahmen wird durch den Begriff der Kategorie formalisiert(Anhang A.5).

In algebraischen Situationen verwendet man auch das Wort Homomor-phismus statt Morphismus, was sich aus Morphismus und dem griechischenWort åmìc (gleich, ahnlich) zusammensetzt und andeutet, dass solche Ab-bildungen im Normalfall strukturerhaltend sein sollen. Im Fall der linearenAlgebra sind die Objekte Vektorraume und die Morphismen werden soge-nannte lineare Abbildungen sein.

algebraische Motivation fur lineare Abbildungen: Wir wollen Vektor-raume (uber demselben Grundkorper) miteinander vergleichen und inBeziehung setzen und betrachten daher Abbildungen zwischen Vek-torraumen, die mit der linearen Struktur (d.h. mit Addition und Ska-larmultiplikation) vertraglich sind.

geometrische Motivation fur lineare Abbildungen: Wir wollen geometri-sche Objekte nicht nur skalieren oder verschieben, sondern auch allge-meinere Transformationen wie zum Beipsiel Spiegelungen und Rotatio-nen betrachten.

Definition 4.1.1 (lineare Abbildung). Sei K ein Korper und seien V und WVektorraume uber K. Eine K-lineare Abbildung von V nach W ist eine Ab-bildung f : V −→W mit folgenden Eigenschaften:

Fur alle v, v′ ∈ V gilt

f(v + v′) = f(v) + f(v′)

und fur alle v ∈ V und alle λ ∈ K gilt

f(λ · v) = λ · f(v).

Anmerkung zum Lernen (Homomorphismen in der Algebra). Ganz analog zumBegriff der linearen Abbildungen erhalt man durch Vertraglichkeit mit denpassenden gegebenen Strukturen auch den Begriff des Gruppenhomomorphis-mus, Korperhomomorphismus, . . .

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4.1. Lineare Abbildungen 93

Beispiel 4.1.2 (generische Beispiele). Sei K ein Korper, seien V und W Vek-torraume uber K und sei U ⊂ V ein Untervektorraum. Dann sind

0: V −→W

v 7−→ 0,

idV : V −→ V

v 7−→ v,

i1 : V −→ V ⊕Wv 7−→ (v, 0),

p1 : V ⊕W −→ V

(v, w) 7−→ v,

iU : U −→ V

u 7−→ u,

πU : V −→ V/U

v 7−→ v + U

K-lineare Abbildungen.

Beispiel 4.1.3 (geometrische Beispiele). Wichtige Beispiele fur lineare Abbil-dungen sind Spiegelungen, Drehungen, Reskalierungen, . . . (Abbildung 4.1).

Die Abbildung

R −→ Rx 7−→ x2

ist jedoch nicht linear (denn z.B. (1 + 1)2 6= 12 + 12).

Beispiel 4.1.4 (analytische Beispiele). Sei Konv(N,R) ⊂ Abb(N,R) der Vek-torraum der konvergenten Folgen in R.

Dann ist die Grenzwertabbildung lim: Konv(N,R) −→ R linear, aber dieSupremumsabbildung sup: Konv(N,R) −→ R ist nicht linear.

Die Differentiationsabbildung

C1(R,R) −→ C0(R,R)

f 7−→ f ′

und die Integrationsabbildung

C0([0, 1],R) −→ R

f 7−→∫ 1

0

f(x) dx

sind R-linear.

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94 4. Lineare Abbildungen

À

Á

−→ À

Á Identitat

x 7→(x1x2

) (1 00 1

)

À

Á

−→ À

Á Nullabbildung

x 7→(

00

) (0 00 0

)

À

Á

−→ À

Á Spiegelung an R · e2

x 7→(−x1x2

) (−1 00 1

)

À

Á

−→ À

Á Rotation um π/2

x 7→(−x2x1

) (0 −11 0

)

À

Á

−→ À

Á Koordinatenvertauschung

x 7→(x2x1

) (0 11 0

)

À

Á

−→ À

Á Zweite Koordinate ignorieren

x 7→(x10

) (1 00 0

)

À

Á

−→ À

Á Unterschiedliche Skalierung

x 7→(

2 · x1x2

) (2 00 1

)

À

Á

−→ À

Á Scherung

x 7→(x1 + x2x2

) (1 10 1

)

Abbildung 4.1.: Beispiele fur lineare Abbildungen R2 −→ R2. Der Zu-sammenhang mit den angegebenen Matrizen wird in Bei-spiel 4.2.14 erklart.

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4.1. Lineare Abbildungen 95

Ist eine Abbildung f : R2 −→ R2 differenzierbar im Punkt x ∈ R2 (s. Ana-lysis II), so ist die Ableitung f ′(x) von f an der Stelle x die R-lineare Abbil-dung R2 −→ R2, die die Abbildung f an der Stelle x am

”besten“ approxi-

miert.

Proposition 4.1.5 (Rechnen mit linearen Abbildungen). Sei K ein Korper undsei f : V −→W eine lineare Abbildung zwischen K-Vektorraumen V und W .

1. Dann ist f(0) = 0.

2. Ist n ∈ N, ist (vj)j∈1,...,n eine Familie in V und ist (λj)j∈1,...,n eineFamilie in K, so gilt

f

( n∑

j=1

λj · vj)

=

n∑

j=1

λj · f(vj).

Beweis. Zu 1. Da f linear ist, folgt

f(0) = f(0 · 0) = 0 · f(0) = 0.

Zu 2. Dies folgt per Induktion uber die Anzahl der Summanden aus derDefinition von Linearitat (nachrechnen).

Aus dem ersten Teil folgt insbesondere, dass die (nicht-trivialen) Ver-schiebungsabbildungen in Vektorraumen nicht zu den linearen Abbildungenzahlen. Mochte man solche Abbildungen auch betrachten, so bietet es sichan, zu den sogenannten affin-linearen Abbildungen uberzugehen. Wir werdenuns im folgenden auf lineare Abbildungen konzentrieren.

Proposition 4.1.6 (Vererbungseigenschaften von linearen Abbildungen). Sei Kein Korper und seien V , W , X Vektorraume uber K.

1. Ist f : V −→W linear und ist λ ∈ K, so ist auch λ ·f : V −→W linear.Zur Erinnerung (Beispiel 3.1.9):

λ · f : V −→W

v 7−→ λ · f(v).

2. Sind f, g : V −→ W linear, so ist auch f + g : V −→ W linear. ZurErinnerung (Beispiel 3.1.9):

f + g : V −→W

v 7−→ f(v) + g(v).

3. Sind f : V −→ W und g : W −→ X linear, so ist auch g f : V −→ Xlinear.

Beweis. Man kann diese Eigenschaften direkt anhand der Definition von Li-nearitat nachrechnen (Ubungsaufgabe).

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96 4. Lineare Abbildungen

4.2 Lineare Abbildungen aus Matrizen

Lineare Abbildungen zwischen den Standardvektorraumen Kn lassen sichbequem durch sogenannte Matrizen darstellen. Wir werden im folgenden dieMatrizenschreibweise und die grundlegenden Rechenoperationen fur Matrizeneinfuhren und erklaren wie man mithilfe von Matrizen lineare Abbildungender Form Kn −→ Km beschreiben kann. Die algorithmischen Aspekte desMatrizenkalkuls folgen in Kapitel 5.

4.2.1 Matrizen

Eine Matrix ist nichts anderes als ein mit Zahlen aus dem Grundkorpergefulltes Rechteck (Abbildung 4.2):

Definition 4.2.1 (Matrix). Sei K ein Korper und seien m,n ∈ N.

Eine m × n-Matrix uber K ist eine 1, . . . ,m × 1, . . . , n-indizierteFamilie (ajk)j,k in K:

a11 a12 . . . a1na21 a22 . . . a2n...

.... . .

...am1 am2 . . . amn

Die Konvention ist, in der ersten Koordinate die Zeilen (oben begin-nend) und in der zweiten Koordinaten die Spalten (links beginnend) zuindizieren.

Wir bezeichnen die Menge aller m×n-Matrizen uber K mit Mm×n(K).

Ist A = (ajk)j.k ∈Mm×n(K) und ist j ∈ 1, . . . , n, so schreiben wir

Aj∗ := (aj1, . . . , ajn) ∈M1×n(K)

fur die j-te Zeile von A. Analog schreiben wir fur k ∈ 1, . . . ,m

A∗k :=

a1k

...amk

∈Mm×1(K)

fur die k-te Spalte von A.

Wir identifizieren dabei Mm×1(K) mit Km und M1×1(K) mit K.

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4.2. Lineare Abbildungen aus Matrizen 97

Abbildung 4.2.: Eine 2× 2-Matrix

Beispiel 4.2.2 (Einheitsmatrix). Sei K ein Korper und sei n ∈ N. Dann ist

In :=

1 0 0 . . . 00 1 0 . . . 00 0 1 . . . 0...

. . ....

0 0 0 . . . 1

die n× n-Einheitsmatrix uber K. Mithilfe des Kronecker-Deltas

δj,k :=

1 falls j = k

0 falls j 6= k

lasst sich die Einheitsmatrix kurz als In = (δj,k)j,k ∈Mn×n(K) schreiben.

Beispiel 4.2.3 (Sudoku). Vollstandig geloste Sudoku-Puzzles konnen als Ma-trizen in M9×9(Q) angesehen werden. Auch viele weitere Puzzles und Ratselmit Zahlen in rechteckigen Gittern konnen in der Sprache der Matrizen for-muliert (und manche sogar auch gelost) werden.

Definition 4.2.4 (Addition und Skalarmultiplikation von Matrizen). Sei K einKorper und seien m,n ∈ N. Die Addition und K-Skalarmultiplikation vonMatrizen in Mm×n(K) ist komponentenweise definiert:

Fur alle A = (ajk)j,k, B = (bjk)j,k ∈Mm×n(K) sei

A+B := (ajk + bjk)j,k ∈Mm×n(K).

Fur alle λ ∈ K und alle A = (ajk)j,k ∈Mm×n(K) sei

λ ·A := (λ · ajk)j,k ∈Mm×n(K).

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98 4. Lineare Abbildungen

Caveat 4.2.5. Matrizen unterschiedllicher Große oder uber unterschiedlichenGrundkorpern konnen nicht addiert werden!

In Mm×1(K) stimmen diese Addition und Skalarmultiplikation mit dergewohnlichen Vektorraumstruktur auf Km uberein. Allgemeiner gilt:

Proposition 4.2.6 (grundlegende Eigenschaften der Addition und Skalarmulti-plikation von Matrizen). Sei K ein Korper und seien m,n ∈ N. Dann bildetMm×n(K) bezuglich der obigen Addition und Skalarmultiplikation einen K-Vektorraum. Dabei gilt

dimKMm×n(K) = m · n.

Beweis. Der Beweis der Vektorraumeigenschaften ist analog zum Beweis vonProposition 3.1.6.

Wir bestimmen die Dimension von Mm×n(K), indem wir eine Basis an-geben: Dazu betrachten wir die Elementarmatrizen; zu r ∈ 1, . . . ,m,s ∈ 1, . . . , n ist die (r, s)-Elementarmatrix als

Er,s := (δr,j · δs,k)j,k ∈Mm×n(K)

definiert (d.h. alle Eintrage in Er,s sind 0, bis auf den Eintrag in der r-tenZeile und s-ten Spalte, welcher 1 ist).

Eine einfache Rechnung zeigt, dass (Er,s)(r,s)∈1×m×1,...,n eine Basisvon Mm×n(K) ist – analog zur Standardbasis von Km (nachrechnen!). Alsoist

dimKMm×n(K) =∣∣1, . . . ,m × 1, . . . , n

∣∣ = m · n.

4.2.2 Multiplikation von Matrizen

Um zu erklaren, wie man durch Matrizen lineare Abbildugen Kn −→ Km

beschreiben kann, bietet es sich an, zunachst eine weitere Operation auf Ma-trizen einzufuhren. Matrizen konnen namlich auf die folgende Weise multi-pliziert werden:

Definition 4.2.7 (Matrixmultiplikation). Sei K ein Korper und m,n, p ∈ N.

Sind A = (a1j)j ∈M1×n(K) und B = (bj1)j ∈Mn×1(K), so definierenwir

A ·B :=

n∑

j=1

a1j · bj1 ∈ K = M1×1(K).

Sind A ∈Mm×n(K) und B ∈Mn×p(K), so definieren wir

A ·B := (Aj∗ ·B∗k)j,k ∈Mm×p(K).

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4.2. Lineare Abbildungen aus Matrizen 99

j-te Zeile

A

k-te Spalte

B

A ·B

Koeffizient (j, k)

Abbildung 4.3.: Multiplikation von Matrizen, schematisch

HAMMM!

Abbildung 4.4.: Multiplikation einer Zeile mit einer Spalte, schematisch

Wie kann man sich diesen Zahlensalat merken? Eine bewahrte Methode ist,sich die zu multiplizierenden Matrizen wie in Abbildung 4.3 aufzuschreibenund die Multiplikation so wie dort angedeutet zu berechnen. Dabei werdeneinzelne Zeilen mit Spalten wie im Zeilen/Spalten-Krokodil (Abbildung 4.4)miteinander multipliziert.

Caveat 4.2.8. Matrizen konnen nur dann miteinander multipliziert werden,wenn ihre Großen wie in der Definition angegeben zusammenpassen. Insbe-sondere ergibt das Produkt zweier n× n-Matrizen wieder eine n× n-Matrix!

Beispiel 4.2.9 (Extraktion von Spalten/Zeilen durch Matrixmultiplikation). SeiK ein Korper, seien m,n ∈ N und sei A ∈Mm×n. Fur alle k ∈ 1, . . . , n ist

A · ek = A∗k,

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100 4. Lineare Abbildungen

wobei ek ∈ Kn ist. Analog kann man Zeilen extrahieren, indem man vonlinks mit den entsprechenden Standardeinheitszeilenvektoren multipliziert.

Beispiel 4.2.10 (Fibonacci-Zahlen und Matrixmultiplikation). Die Folge (Fn)n∈Nder Fibonacci-Zahlen ist die rekursiv durch

F0 = 0

F1 = 1

∀n∈N Fn+2 = Fn + Fn+1

definierte Folge naturlicher Zahlen. Die ersten Folgenglieder sind also

0, 1, 1, 2, 3, 5, 8, 13, 21, 34, . . .

Fibonacci hat das Wachstum von Kaninchenpopulationen mithilfe dieserZahlenfolge modelliert und es gibt viele weitere Situationen, in denen dieFibonacci-Zahlen naturlich auftreten.

Eine nutzliche Beschreibung der Fibonacci-Zahlen erhalt man mithilfe vonMatrizen: Dazu betrachten wir die Matrix

A :=

(1 11 0

)∈M2×2(Q).

Mit vollstandiger Induktion (uber den Exponenten) erhalten wir namlich,dass

An =

(Fn+1 FnFn Fn−1

)

fur alle n ∈ N>0 gilt (Ubungsaufgabe).

Proposition 4.2.11 (grundlegende Eigenschaften der Matrixmultiplikation). SeiK ein Korper und seien m,n, p, q ∈ N.

1. Neutralitat der Einheitsmatrizen. Fur alle A ∈Mm×n(K) gilt

A · In = A und Im ·A = A.

2. Distributivitat. Fur alle A,A′ ∈Mm×n(K) und alle B,B′ ∈Mn×p(K)gilt

(A+A′) ·B = A ·B +A′ ·B und A · (B +B′) = A ·B +A ·B′.

3. Vertraglichkeit mit Skalarmultiplikation. Fur alle λ ∈ K und alle A ∈Mm×n(K), B ∈Mn×p(K) gilt

λ · (A ·B) = (λ ·A) ·B = A · (λ ·B).

4. Assoziativitat. Fur alle A ∈Mm×n(K), B ∈Mn×p(K), C ∈Mp×q(K)gilt

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4.2. Lineare Abbildungen aus Matrizen 101

(A ·B) · C = A · (B · C).

Beweis. Zu 1. Dies folgt aus der Definition der Matrixmultiplikation undBeispiel 4.2.9. Man beachte dabei, dass die Spalten der Einheitsmatrix genaudie Standardeinheitsvektoren (in der richtigen Reihenfolge) sind.

Zu 2. Wir rechnen die Distributivitat koeffizientenweise nach: Seien r ∈1, . . . ,m und s ∈ 1, . . . , p. Dann gilt nach Definition der Matrixoperatio-nen

((A+A′) ·B

)r,s

= (A+A′)r∗ ·B∗s =

n∑

j=1

(A+A′)r,j ·Bj,s

=

n∑

j=1

Ar,j ·Bj,s +

n∑

j=1

A′r,j ·Bj,s

= (A ·B)r,s + (A′ ·B)r,s

= (A ·B +A′ ·B)r,s.

Analog zeigt man die zweite Distributivitatsgleichung.

Zu 3. Ahnlich wie im zweiten Fall (aber etwas einfacher) kann man dieBehauptung koeffizientenweise nachrechnen.

Zu 4. Auch diese Behauptung zeigen wir koeffizientenweise: Seien r ∈1, . . . ,m und s ∈ 1, . . . , q. Dann gilt nach Definition der Matrixmultipli-kation und nach Umordnung der beteiligten endlichen Summen, dass

((A ·B) · C

)r,s

=

p∑

j=1

(A ·B)r,j · Cj,s (Multiplikation . . . · C)

=

p∑

j=1

( n∑

k=1

Ar,k ·Bk,j)· Cj,s (Multiplikation A ·B)

=

p∑

j=1

n∑

k=1

Ar,k ·Bk,j · Cj,s (Distributivitat in K)

=

n∑

k=1

Ar,k ·p∑

j=1

Bk,j · Cj,s (Umordnen, Distr. in K)

=

n∑

k=1

Ar,k · (B · C)k,s (Multiplikation B · C)

=(A · (B · C)

)r,s. (Multiplikation A · . . . )

Also ist Matrixmultiplikation assoziativ.

Anmerkung zum Lernen. Verfolgen Sie den Verlauf der Indizes nochmal ge-nau in einer geeigneten schematischen Skizze von Matrizen.

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102 4. Lineare Abbildungen

Caveat 4.2.12. Matrixmultiplikation ist im allgemeinen nicht kommutativ!Dass dies noch nicht einmal fur quadratische Matrizen gilt, zeigt das folgendeBeispiel:

(1 00 0

)·(

1 23 4

)=

(1 20 0

)6=(

1 03 0

)=

(1 23 4

)·(

1 00 0

)

Anmerkung zum Lernen. Das Rechnen mit Matrizen sollte unbedingt vonHand geubt werden, damit man ein Gespur dafur bekommt. Es bietet sichjedoch an, die Ergebnisse mit einem Computeralgebrasystem zu uberprufen.

4.2.3 Lineare Abbildungen aus Matrizen

Aus Proposition 4.2.11 erhalten wir insbesondere, dass Matrizen lineare Ab-bildungen liefern:

Korollar 4.2.13 (lineare Abbildungen aus Matrizen). Sei K ein Korper undseien m,n, p ∈ N.

1. Ist A ∈Mm×n(K), so ist

L(A) : Kn −→ Km

x 7−→ A · x

eine K-lineare Abbildung.

2. Es gilt L(In) = idKn : Kn −→ Kn.

3. Fur alle A,B ∈Mm×n(K) und alle λ ∈ K gilt

L(A+B) = L(A) + L(B) und L(λ ·A) = λ · L(A).

4. Fur alle A ∈Mm×n(K), B ∈Mn×p(K) gilt

L(A) L(B) = L(A ·B).

Beweis. Alle Aussagen folgen direkt aus Proposition 4.2.11.

Der erste Teil dieser Proposition ist der Hauptgrund dafur, dass wir imNormalfall mit Spaltenvektoren arbeiten – denn dann konnen wir bequemdurch Matrixmultiplikation von links lineare Abbildungen beschreiben.

Indem man die Standardeinheitsvektoren einsetzt, erhalt man daher mitBeispiel 4.2.9 die zentrale Einsicht, die dem Matrizenkalkul zugrundeliegt:

Die Spalten sind die Bilder der Standardeinheitsvektoren!

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4.2. Lineare Abbildungen aus Matrizen 103

À

Á

cosϕ

sinϕ

e1

ϕ

Bild von e1

À

Á

− sinϕ

cosϕ

e2

ϕ

Bild von e2

Abbildung 4.5.: Zusammenhang zwischen Rotation und Rotationsmatrix

Genauer gilt: Fur alle A ∈Mm×n(K) und j ∈ 1, . . . , n ist

L(A)(ej) = A∗j .

Beispiel 4.2.14 (Matrizen fur geometrische lineare Abbildungen). In Abbil-dung 4.1 ist angegeben wie man die grundlegenden geometrischen Trans-formationen aus Beispiel 4.1.3 mithilfe von Matrizen beschreiben kann.

Durch Matrizen konnen wir auch allgemeine Rotationen um 0 einfach be-schreiben:

Beispiel 4.2.15 (Rotation). Sei ϕ ∈ R und sei

R(ϕ) :=

(cosϕ − sinϕsinϕ cosϕ

)∈M2×2(R).

Dann ist L(R(ϕ)) : R2 −→ R2 Rotation um ϕ um den Nullpunkt (Abbil-dung 4.5). Insbesondere ist L(R(2 · π)) = idR2 . Sind ϕ,ψ ∈ R, so zeigen dieAdditionstheoreme (Anhang A.6, s. Analysis), dass

R(ϕ) ·R(ψ) = R(ϕ+ ψ).

Beispiel 4.2.16 (lineare Gleichungssysteme). Sei K ein Korper, seien m,n ∈ Nund seien A = (ajk)j,k ∈ Mm×n(K), b ∈ Km. Ist x ∈ Kn mit A · x = b, sohat diese Gleichung die explizite Form

a11 · x1 + · · ·+ a1n · xn = b1

...

am1 · x1 + · · ·+ amn · xn = bn.

In vielen praktischen Problemen ist die Losungsmenge

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104 4. Lineare Abbildungen

V (A, b) := x ∈ Kn | A · x = b = x ∈ Kn | L(A)(x) = b

des linearen Gleichungssystems zu A und b zu bestimmen. Die Theorie der li-nearen Abbildungen und Vektorraume hilft dabei, diese Losungsmengen bes-ser zu verstehen. Andererseits werden wir sehen, wie die (algorithmische)Bestimmung dieser Losungsmenge erlaubt, viele Fragen uber lineare Abbil-dungen und Vektorraume zu beantworten.

Umgekehrt konnen wir jede lineare Abbildung Kn −→ Km auf diese Weisebeschreiben:

Proposition 4.2.17 (Matrizen aus linearen Abbildungen). Sei K ein Korperund seien m,n ∈ N.

1. Sei f : Kn −→ Km linear. Dann gilt

f = L(M(f)

),

wobei M(f) ∈Mm×n(K) die Matrix ist, deren Spalten f(e1), . . . , f(en)sind.

2. Ist A ∈Mm×n(K), so gilt

M(L(A)

)= A.

Beweis. Zu 1. Sei x ∈ Kn. Dann ist (nach Proposition 4.1.5 und der Defini-tion der Matrixmultiplikation)

f(x) = f

( n∑

j=1

xj · ej)

=

n∑

j=1

xj · f(ej)

= M(f) · x.

Zu 2. Es genugt zu zeigen, dass die beiden Matrizen dieselben Spaltenhaben. Sei also j ∈ 1, . . . , n. Dann ist

(M(L(A)

))∗j =

(L(A)

)(ej) = A · ej = A∗j .

Wir werden in Kapitel 5 sehen, wie man lineare Abbildungen zwischenendlich-dimensionalen Vektorraumen (und nicht nur zwischen den Standard-vektorraumen) durch Matrizen beschreiben kann.

Literaturaufgabe. Lesen Sie in der Dokumentation zu 3D-Software wie zumBeispiel OpenGL, OpenSCAD, Povray, etc. nach wie dort jeweils geometri-schen Operationen durch Matrizen reprasentiert werden.

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4.3. Lineare Abbildungen und Basen 105

4.3 Lineare Abbildungen und Basen

Wir kehren nun zum allgemeinen Rahmen fur lineare Abbildungen zuruck(erinnern uns aber daran, dass wir jetzt die Moglichkeit haben uber Matrizenviele Beispiele linearer Abbildungen zu konstruieren). Lineare Abbildungenkonnen allgemein durch die Vorgabe der Werte auf einer Basis konstruiertwerden, was man als Verallgemeinerung von Proposition 4.2.17 ansehen kann.

Satz 4.3.1 (universelle Eigenschaft von Basen). Sei K ein Korper, sei V ein K-Vektorraum mit einer Basis (vi)i∈I und sei W ein K-Vektorraum. Dann gibtes zu jeder Abbildung f : I −→W genau eine K-lineare Abbildung F : V −→W mit

∀i∈I F (vi) = f(i).

Beweis. Sei f : I −→W eine Abbildung.

Eindeutigkeit von linearen Abbildungen V −→ W , die f fortsetzen:Seien F, F ′ : −→W lineare Abbildungen mit

∀i∈I F (vi) = f(i) = F ′(vi).

Wir zeigen, dass dann F = F ′ ist: Sei v ∈ V . Da (vi)i∈I eine Basisvon V (und somit insbesondere erzeugend!) ist, gibt es eine endlicheTeilmenge J ⊂ I und eine Familie (λj)j∈J in K mit

v =∑

j∈Jλj · vj .

Da F und F ′ linear sind, erhalten wir dann (Proposition 4.1.5)

F (v) = F

(∑

j∈Jλj · vj

)=∑

j∈Jλj · F (vj) =

j∈Jλj · f(j)

=∑

j∈Jλj · F ′(vj) = F ′

(∑

j∈Jλj · vj

)

= F ′(v),

wie behauptet.

Existenz einer linearen Abbildung F : V −→W , die f fortsetzt: Um dieNotation ubersichtlich zu halten, fuhren wir den Beweis nur in dem Falldurch, dass I endlich ist (der allgemeine Fall geht aber ganz analog). Seiv ∈ V . Da (vi)i∈I eine Basis von V ist, gibt es genau eine Familie (λi)i∈Iin K mit

v =∑

i∈Iλi · vi

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106 4. Lineare Abbildungen

(Bemerkung 3.3.4). Wir defineren dann

F (v) :=∑

i∈Iλi · f(i) ∈W.

Eine Rechnung zeigt nun, dass man auf diese Weise eine lineare Ab-bildung F : V −→ W erhalt (nachrechnen!). Nach Konstruktion giltdabei F (vi) = f(i) fur alle i ∈ I.

Bemerkung 4.3.2 (universelle Eigenschaft als Diagramm). Die obige univer-selle Eigenschaft von Basen lasst sich kurz und knapp im folgenden kommu-tativen Diagramm zusammenfassen:

V∃!F (linear)

// W

I

i 7→vi

OO

f

::

Dabei bedeutet ∃!”es existiert genau ein“. Gegebene Abbildungen werden

mit durchgezogenen Pfeilen dargestellt, die von der universellen Eigenschaftversprochenen Abbildungen mit gestrichelten Pfeilen.

Korollar 4.3.3 (Basiswechselabbildung). Sei K ein Korper und seien V und WVektorraume, die Basen B := (vi)i∈I bzw. C := (wi)i∈I besitzen (mit dersel-ben Indexmenge!). Dann gibt es genau eine lineare Abbildung TB,C : V −→Wmit

∀i∈I TB,C(vi) = wi.

Beweis. Dies folgt direkt aus der universellen Eigenschaft von Basen.

Analoge Aussagen gelten naturlich auch, wenn die Indexmengen der Basengleichmachtig sind (und nicht gleich).

Proposition 4.3.4 (lineare Abbildungen und lineare Unabhangigkeit bzw. Erzeu-gendensysteme). Sei K ein Korper und sei f : V −→ W eine lineare Abbil-dungen zwischen K-Vektorraumen V und W .

1. Ist (vi)i∈I eine Familie in V und ist die Bildfamilie (f(vi))i∈I linearunabhangig, so ist auch (vi)i∈I linear unabhangig.

2. Ist (vi)i∈I eine linear unabhangige Familie in V und ist f : V −→ Winjektiv, so ist auch die Bildfamilie (f(vi))i∈I linear unabhangig.

3. Ist E ⊂ V ein Erzeugendensystem von V und ist f : V −→W surjektiv,so ist auch f(E) ein Erzeugendensystem von W .

Beweis. Diese Aussagen folgen aus Proposition 4.1.5. Wir beweisen hier stell-vertretend die zweite Aussage (die anderen gehen analog):

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4.4. Kern und Bild 107

Zu 2. Sei (vi)i∈I linear unabhangig und f injektiv. Dann ist auch (f(vi))i∈Ilinear unabhangig, denn: Sei J ⊂ I endlich und sei (λj)j∈J eine Familie in Kmit ∑

j∈Jλj · f(vj) = 0.

Dann ist (nach Proposition 4.1.5)

f

(∑

j∈Jλj · vj

)=∑

j∈Jλj · f(vj) = 0,

und damit (da f injektiv und f(0) = 0 ist)∑j∈J λj ·vj = 0. Da (vi)i∈I linear

unabhangig ist, folgt aus dieser Gleichung, dass λj = 0 fur alle j ∈ J gilt.

4.4 Kern und Bild

Wir werden nun Injektivitat und Surjektivitat von linearen Abbildungen ge-nauer untersuchen. Es wird sich herausstellen, dass man mithilfe des Di-mensionsbegriffs messen kann wie sehr eine lineare Abbildung injektiv odersurjektiv ist.

4.4.1 Kern und Bild

Wichtige Kenngroßen von linearen Abbildungen sind Kern, Bild und Rang:

Definition 4.4.1 (Kern, Bild, Rang). Sei K ein Korper und sei f : V −→ Weine lineare Abbildung von K-Vektorraumen.

Dann ist ker f := v ∈ V | f(v) = 0 ⊂ V der Kern von f .

Es ist im f := f(v) | v ∈ V ⊂W das Bild von f .

Man nennt rg f := dimK(im f) den Rang von f .

Bemerkung 4.4.2 (Kern und Bild sind Untervektorraume). Sei K ein Korperund sei f : V −→ W eine lineare Abbildung von K-Vektorraumen. Dann istker f ⊂ V ein Untervektorraum von V und im f ⊂W ist ein Untervektorraumvon W . Dies folgt aus der Definition von Linearitat und Proposition 3.1.13;dabei sind ker f und im f wegen f(0) = 0 nicht-leer.

Beispiel 4.4.3. Wir betrachten die folgende Abbildung

f : R2 −→ R2

x 7−→(

0x2

).

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108 4. Lineare Abbildungen

Dann ist ker f = SpanR(e1) und im f = SpanR(e2). Insbesondere ist alsorg f = 1.

Injektivitat von linearen Abbildungen lasst sich wie folgt mithilfe des Kernscharakterisieren:

Proposition 4.4.4 (Injektivitat und Kern). Sei K ein Korper und sei f : V −→W eine lineare Abbildung von K-Vektorraumen. Dann ist f genau dann in-jektiv, wenn ker f = 0 ist.

Beweis. Sei f : V −→ W injektiv. Dann ist ker f = 0, denn: Selbst-verstandlich ist 0 ∈ ker f . Sei umgekehrt v ∈ ker f ; dann ist v = 0, denn:Nach Definition des Kerns gilt

f(v) = 0 = f(0).

Da f injektiv ist, folgt v = 0.

Sei umgekehrt ker f = 0. Dann ist f injektiv, denn: Seien v, v′ ∈ Vmit f(v) = f(v′). Dann ist

f(v − v′) = f(v)− f(v′) = 0,

und damit v − v′ ∈ ker f = 0. Also ist v = v′.

Insbesondere misst also die Dimension des Kerns wie wenig injektiv einelineare Abbildung ist.

Umgekehrt lasst sich Surjektivitat von linearen Abbildungen (nach De-finition) durch das Bild charakterisieren; der Rang misst also wie surjektiveine lineare Abbildung ist. In Analogie zur Charakterisierung von surjekti-ven Abbildungen von Mengen durch Spalte (Proposition 1.3.39) gilt auch diefolgende lineare Version:

Proposition 4.4.5 (lineare Spalte und Surjektivitat). Sei K ein Korper undsei f : V −→ W eine lineare Abbildung von K-Vektorraumen. Dann sindfolgende Aussagen aquivalent:

1. Die Abbildung f : V −→W ist surjektiv.

2. Es gibt eine lineare Abbildung s : W −→ V mit

f s = idW .

Beweis (AC).

”2 =⇒ 1“. Diese Richtung folgt bereits aus der entsprechenden Implikation

im Fall von Abbildungen von Mengen aus Proposition 1.3.39.

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4.4. Kern und Bild 109

”1 =⇒ 2“. Sei f : V −→ W surjektiv. Dann besitzt f einen Spalt, denn: Sei

(wi)i∈I eine Basis von W und sei Y := wi | i ∈ I ⊂ W bzw. X :=f−1(Y ) ⊂ V (zur Erinnerung: dabei ist f−1(Y ) die Urbildmenge von Yunter f). Da f surjektiv ist, ist nach Konstruktion von X auch dieAbbildung

f |X : X −→ Y

surjektiv und besitzt somit einen Spalt s : Y −→ X (nach Propositi-on 1.3.39). Mithilfe der universellen Eigenschaft von Basen (Satz 4.3.1)erhalten wir daraus eine lineare Abbildung S : W −→ V , die s fortsetzt.Nach Konstruktion gilt

f S(wi) = f(s(i)) = wi = idW (wi).

fur alle i ∈ I. Wenden wir nun die universelle Eigenschaft von Basenauf f S an, so erhalten wir f S = idW , wie gewunscht.

4.4.2 Isomorphismen von Vektorraumen

Eine besonders wichtige Klasse von linearen Abbildungen sind die sogenann-ten Isomorphismen – sie erlauben es zu prazisieren, wann zwei Vektorraume

”im wesentlichen gleich“ sind.

Definition 4.4.6 (spezielle Morphismen). Sei K ein Korper und f : V −→ Wsei eine lineare Abbildung von K-Vektorraumen.

Wir bezeichnen f als Isomorphismus (von K-Vektorraumen), falls eseine K-lineare Abbildung g : W −→ V gibt mit

f g = idW und g f = idV .

Falls es einen Isomorphismus V −→ W gibt, nennen wir V und Wisomorph und schreiben dafur V ∼=K W .

Wir bezeichnen f als Monomorphismus (von K-Vektorraumen), falls finjektiv ist.

Wir bezeichenn f als Epimorphismus (von K-Vektorraumen), falls fsurjektiv ist.

Lineare Abbildungen vom Typ V −→ V bezeichnet man auch als En-domorphismen von V , Isomorphismen vom Typ V −→ V bezeichnetman auch als Automorphismen von V .

Bemerkung 4.4.7 (griechische Bausteine fur den Morphismen-Zoo). Man kannsich die obigen Begriffe leicht merken, wenn man die griechischen Bausteinekennt:

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110 4. Lineare Abbildungen

griechisch deutsch EselsbruckeÒsoc gleich Isotopmìnoc allein MonologâpÐ auf, darauf Epidermisêndon innerhalb EndoskopieaÎtìc selbst Automobil

Proposition 4.4.8 (Bijektivitat vs. lineare Isomorphismen). Sei K ein Korperund sei f : V −→W eine lineare Abbildung von K-Vektorraumen. Dann sindfolgende Aussagen aquivalent:

1. Die Abbildung f : V −→W ist ein Isomorphismus.

2. Die Abbildung f : V −→W ist bijektiv.

3. Es gilt ker f = 0 und im f = W .

Beweis. Nach Proposition 4.4.4 sind die Aussagen 2. und 3. aquivalent. Au-ßerdem gilt

”1. =⇒ 2.“ denn jeder Isomorphimus ist bijektiv (Propositi-

on 1.3.32).Es bleibt also noch

”2. =⇒ 1.“ zu zeigen: Sei f : V −→ W bijektiv. Nach

Proposition 1.3.32 ist f dann als Abbildung von Mengen invertierbar; seig : W −→ V die inverse Abbildung. Es genugt also nachzuweisen, dass gautomatisch linear ist: Da f linear und g invers zu f ist, erhalten wir furalle w,w′ ∈W und alle λ ∈ K, dass

g(λ · w) = g(λ · f(g(w))

)(da f g = idW )

= g(f(λ · g(w))

)(da f linear ist)

= λ · g(w) (da g f = idV )

und analog

g(w + w′) = g(f(g(w)) + f(g(w′))

)= g(f(g(w) + g(w′))

)

= g(w) + g(w′).

Anmerkung zum Lernen. Viele Quellen verwenden als Definition fur Isomor-phismen zwischen Vektorraumen die zweite Charakterisierung (d.h.

”linear

und bijektiv“). In der Praxis verwendet man tatsachlich meist die zweite oderdritte Charakterisierung. Konzeptionell gesehen tragt aber die Definition alsstrukturerhaltend invertierbare strukturerhaltende Abbildung weiter.

Insbesondere besitzen Isomorphismen eindeutige inverse Isomorphismen(Proposition 1.3.32) und Isomorphismen bilden Basen auf Basen ab (Propo-sition 4.3.4). Genauer gilt sogar, dass die Dimension eine vollstandige Iso-morphieinvariante von Vektorraumen ist:

Proposition 4.4.9 (Invarianz der Dimension). Sei K ein Korper und seien V ,W Vektorraume uber K. Dann sind folgende Aussagen aquivalent:

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4.4. Kern und Bild 111

1. Es gilt V ∼=K W .

2. Es gilt dimK V = dimKW .

Insbesondere folgt: ist V ein endlich-dimensionaler K-Vektorraum, so istV ∼=K KdimK V .

Beweis. Dies folgt aus Proposition 4.3.4 und der universellen Eigenschaft vonBasen (Satz 4.3.1) (Ubungsaufgabe).

Beispiel 4.4.10 (geometrische lineare Abbildungen, Isomorphismen). In Bei-spiel 4.1.3 sind die Spiegelungen, Rotationen, Streckungen und Scherungen(je mit Skalierungsfaktor ungleich 0) Isomorphismen. Projektionen auf Quo-tienten und Inklusionen von Untervektorraumen sind im allgemeinen jedochkeine Isomorphismen.

Wir geben zwei generische Beispiele, die insbesondere im Kontext vonDimensionsformel interessant sind:

Proposition 4.4.11 (komplementare Untervektorraume und direkte Summen).Sei K ein Korper, sei V ein K-Vektorraum und seien U,W ⊂ V Untervek-torraume. Dann sind folgende Aussagen aquivalent:

1. Die Untervektorraume U und W sind komplementar in V .

2. Die Abbildung

f : U ⊕W −→ V

(u,w) 7−→ u+ w

ist ein Isomorphismus.

Beweis. Es ist im f = U + W und ker f = (u,−u) | u ∈ U ∩W, worausmit Proposition 4.4.8 die Behauptung folgt.

Bemerkung 4.4.12 (Quotienten und komplementare Untervektorraume). Sei Kein Korper, sei V ein K-Vektorraum und sei U ⊂ V ein Untervektorraum.Ist W ⊂ V ein zu U komplementarer Untervektorraum von V , so ist

πU |W : W −→ V/U

w 7−→ w + U

ein Isomorphismus von K-Vektorraumen (nachrechnen uber Kern und Bild,Ubungsaufgabe). Auf diese Weise kann man die Dimensionsformel fur Quo-tientenvektorraume aus der Dimensionsformel fur komplementare Untervek-torraume ableiten.

Man beachte dabei, dass es im allgemeinen jedoch viele zu U komple-mentare Untervektorraume in V gibt, d.h. es gibt keine ausgezeichnete Wahleines solchen Untervektorraums. Es ist daher im Normalfall besser, mit demabstrakten Quotientenvektorraum zu arbeiten.

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112 4. Lineare Abbildungen

4.4.3 Die Dimensionsformel fur lineare Abbildungen

Aus der Dimensionsformel fur Quotientenvektorraume lasst sich die Dimen-sionsformel fur lineare Abbildungen ableiten; diese gibt eine Beziehung zwi-schen der Dimension des Kerns, der Dimension des Bildes und der Dimen-sion des Startraums einer linearen Abbildung. Als Vorbereitung stellen wirzunachst einen Zusammenhang zwischen linearen Abbildungen und Quotien-tenvektorraumen her:

Satz 4.4.13 (Homomorphiesatz fur Vektorraume). Sei K ein Korper und seif : V −→W eine lineare Abbildung von K-Vektorraumen. Dann ist

f : V/ ker f −→ im f

v + ker f 7−→ f(v)

ein (wohldefinierter!) Isomorphismus von K-Vektorraumen.

Beweis. Nach Definition von ker f ist f wohldefiniert. Wegen Propositi-on 4.4.8 genugt es zu zeigen, dass im f = im f und ker f = 0 + ker fgilt:

Bild von f : Nach Konstruktion ist im f = im f .

Kern von f : Es gilt

ker f = v + ker f | f(v) = 0= v + ker f | v ∈ ker f= 0 + ker f.

Korollar 4.4.14 (Dimensionsformel fur lineare Abbildungen). Sei K ein Korper,sei V ein endlich-dimensionaler K-Vektorraum, sei W ein K-Vektorraumund sei f : V −→W eine K-lineare Abbildung. Dann gilt

dimK V = dimK ker f + dimK im f

bzw.rg f = dimK V − dimK ker f.

Beweis. Mit dem Homomorphiesatz (Satz 4.4.13) und der Invarianz der Di-mension (Proposition 4.4.9) folgt, dass

dimK im f = dimK V/ ker f.

Mit der Dimensionsformel fur Quotientenvektorraume (Satz 3.4.16) erhaltenwir daher

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4.4. Kern und Bild 113

dimK im f = dimK V − ker f,

was die Behauptung liefert.

Abbildungen zwischen endlichen Mengen mit derselben Anzahl von Ele-menten sind bereits bijektiv, wenn sie injektiv oder surjektiv sind. Mithilfeder Dimension ubertragt sich dies auf endlich-dimensionale Vektorraume:

Korollar 4.4.15 (Isomorphismen von endlich-dimensionalen Vektorraumen). SeiK ein Korper und sei f : V −→ W eine lineare Abbildung von endlich-dimensionalen K-Vektorraumen mit dimK V = dimKW . Dann sind die fol-genden Aussagen aquivalent:

1. Die Abbildung f : V −→W ist ein Isomorphismus.

2. Die Abbildung f : V −→W ist bijektiv.

3. Die Abbildung f ist injektiv.

4. Es gilt dimK ker f = 0.

5. Die Abbildung f ist surjektiv.

6. Es gilt rg f = dimKW .

Beweis.

Aussagen 1. und 2. sind aquivalent nach Proposition 4.4.8.

Aussagen 3. und 4. sind aquivalent nach Proposition 4.4.4.

Aussagen 5. und 6. sind aquivalent nach Proposition 3.4.4.

Nach der Dimensionsformel fur lineare Abbildungen (Korollar 4.4.14)ist

dimKW = dimK V = dimK ker f + rg f.

Dies liefert die Aquivalenz von 4., 6., und 2.

Caveat 4.4.16. Injektive oder surjektive lineare Abbildungen zwischen un-endlich-dimensionalen Vektorraumen sind im allgemeinen keine Isomorphis-men!

Ausblick 4.4.17 (Exaktheit und Homologie). Sei K ein Korper und sei

. . . // Vn+1

fn+1// Vn

fn // Vn−1 // . . .

eine Folge von K-Vektorraumen und K-linearen Abbildungen. Wir bezeich-nen eine solche Situation als exakte Sequenz, wenn fur alle n ∈ Z gilt, dass

im fn+1 = ker fn.

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114 4. Lineare Abbildungen

Zum Beispiel sind fur jede lineare Abbildung f : V −→W die Folgen

0 // ker fInkl. // V

f// im f // 0

0 // ker fInkl. // V

f// V/ ker f // 0

exakte Sequenzen.Gilt in obiger Sequenz fur alle n ∈ Z, dass fn fn+1 = 0, so wird Nicht-

Exaktheit von dieser Sequenz durch die sogenannte Homologie gemessen: Furalle n ∈ Z definiert man die n-te Homologie als den Quotienten

Hn(V∗) := ker fn+1/ im fn.

Nach Definition gilt genau dann Hn(V∗) ∼=K 0 fur alle n ∈ Z, wenn dieSequenz exakt ist. Je großer die Homologie ist, desto weniger exakt ist alsodie Sequenz.

Mithilfe von Homologie konnen viele geometrische Eigenschaften von geo-metrischen Objekten algebraisch berechnet werden (z.B. in der AlgebraischenTopologie oder Algebraischen Geometrie). In der Algebraischen Topologieliefert dann die Dimensionsformel fur lineare Abbildungen einen wichtigenSchritt in dem Beweis, dass die Euler-Charakteristik eine Homotopieinvari-ante ist.

4.4.4 Konsequenzen fur lineare Gleichungssysteme

Als Anwendung dieser Begriffe gehen wir auf die Konsequenzen fur lineareGleichungssysteme ein:

Definition 4.4.18 (lineares Gleichungssystem). Sei K ein Korper, seien m,n ∈N und seien A ∈Mm×n(K) und b ∈ Km. Dann ist

Gesucht: alle x ∈ Kn mit A · x = b

das lineare Gleichungssystem zu A und b. Man sagt, dass dieses lineare Glei-chungssystem aus m Gleichungen in n Variablen besteht (siehe auch Bemer-kung 4.2.16). Die Losungsmenge ist

V (A, b) := x ∈ Kn | A · x = b.

Man bezeichnet

Gesucht: alle x ∈ Kn mit A · x = 0

als zugehoriges homogenes Gleichungssystem und die Elemente von V (A, 0)als homogene Losungen.

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4.4. Kern und Bild 115

Proposition 4.4.19 (Struktur von Losungsmengen linearer Gleichungssysteme).Sei K ein Korper, seien m,n ∈ N und seien A ∈ Mm×n(K), b ∈ Km. Wirbetrachten das lineare Gleichungssystem zu A und b.

1. Die Losungsmenge V (A, 0) des zugehorigen homogenen linearen Glei-chungssystems ist ein Untervektorraum von Kn. Dabei ist

dimK V (A, 0) = dimK

(kerL(A)

).

2. Das lineare Gleichungssystem

Gesucht: alle x ∈ Kn mit A · x = b

ist genau dann losbar, wenn b ∈ imL(A) ist. Es ist genau dann eindeu-tig losbar, wenn b ∈ imL(A) und kerL(A) = 0 ist.

3. Ist x0 eine Losung des linearen Gleichungssystems

Gesucht: alle x ∈ Kn mit A · x = b

(also eine sogenannte spezielle Losung), so gilt

V (A, b) = x0 + V (A, 0) = x0 + kerL(A).

Insbesondere ist V (A, b) ein affiner Unterraum von Kn.

Beweis. Zu 1. Nach Definition ist V (A, 0) = kerL(A), woraus mit Bemer-kung 4.4.2 die Behauptung folgt.

Zu 2. Es gilt

V (A, b) = x ∈ Kn | A · x = b = x ∈ Kn | L(A)(x) = b.

Damit folgt, dass V (A, b) genau dann nicht-leer ist, wenn b ∈ imL(A) ist.Die Eindeutigkeitsaussage folgt aus dem dritten Teil.

Zu 3. Sei x0 ∈ Kn eine spezielle Losung. Ist x ∈ V (A, b), so ist x − x0 ∈V (A, 0), denn

A · (x− x0) = A · x−A · x0 = b− b = 0.

Ist umgekehrt x ∈ V (A, 0), so ist x0 + x ∈ V (A, b), denn

A · (x0 + x) = A · x0 +A · x = b+ 0 = b.

Also ist V (A, b) = b+ V (A, 0).

Wie gibt man also Losungen zu linearen Gleichungssystemen an? Da dieLosungsmengen von homogenen linearen Gleichungssystemen Vektorraumesind, gibt man in diesem Fall normalerweise eine Basis des Losungsraumesan. Im allgemeinen Fall gibt man (falls vorhanden) eine spezielle Losung anund eine Basis des Losungsraums des zugehorigen homogenen Systems.

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116 4. Lineare Abbildungen

In Kapitel 5 werden wir systematisch Berechnungen mithilfe des Matri-zenkalkuls durchfuhren und dabei insbesondere lernen, wie man lineare Glei-chungssysteme explizit losen kann.

4.5 Homomorphismenraume

Zum Abschluss unserer allgemeinen Betrachtungen von linearen Abbildungennehmen wir nochmal einen anderen Blickwinkel ein: Statt einzelne lineareAbbildungen zu betrachten, studieren wir Mengen bzw. Vektorraume vonlinearen Abbildungen. Insbesondere werden wir den sogenannten Dualraumkennenlernen.

Proposition 4.5.1 (Homomorphismenraume). Sei K ein Korper und seien Vund W Vektorraume uber K. Wir schreiben HomK(V,W ) ⊂ Abb(V,W ) furdie Menge aller K-linearen Abbildungen V −→ W . Dann ist HomK(V,W )ein Untervektorraum von Abb(V,W ).

Beweis. Die Menge HomK(V,W ) ist nicht-leer, da sie die Nullabbildungenthalt. Nach Proposition 3.1.13 genugt es zu zeigen, dass HomK(V,W ) unterAddition und Skalarmultiplikation abgeschlossen ist, d.h. dass die punktweiseSumme bzw. punktweise Skalierung von linearen Abbildungen wieder lineareAbbildungen liefern. Dies folgt aus Proposition 4.1.6.

Den Ubergang zwischen Matrizen und linearen Abbildungen Kn −→ Km

bezuglich den Standardeinheitsvektoren konnen wir also wie folgt zusammen-fassen:

Proposition 4.5.2 (Abbildungsraume und Matrizenraume). Sei K ein Korperund seien m,n ∈ N. Dann sind

HomK(Kn,Km) −→Mm×n(K)

f 7−→M(f)

Mm×n(K) −→ HomK(Kn,Km)

A 7−→ L(A)

zueinander inverse Isomorphismen von K-Vektorraumen. Insbesondere ist

dimK HomK(Kn,Km) = m · n.

Beweis. Dies folgt aus Korollar 4.2.13 und Proposition 4.2.17 (bzw. Proposi-tion 4.4.8). Die Bestimmung der Dimension erfolgte in Proposition 4.2.6.

Ein interessanter Spezialfall der Homomorphismenraume ist der sogenann-te Dualraum:

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4.5. Homomorphismenraume 117

Definition 4.5.3 (Dualraum). Sei K ein Korper und sei V ein K-Vektorraum.Dann bezeichnet man den K-Vektorraum

V ∗ := HomK(V,K)

als Dualraum von V . Die Elemente von V ∗ bezeichnet man auch als Linear-formen auf V .

Satz 4.5.4 (Dualraum von endlich-dimensionalen Vektorraumen). Sei K einKorper und sei V ein endlich-dimensionaler K-Vektorraum. Dann gibt eseinen Isomorphismus V ∼=K V ∗.

Beweis. Nach Proposition 4.5.2 ist dimK V∗ = dimK V und somit V ∼=K V ∗

(Proposition 4.4.9). Wir geben nun noch einen etwas expliziteren Beweis ubersogenannte duale Basen:

Sei n := dimK V und sei (v1, . . . , vn) eine Basis von V . Wir konstruie-ren nun die zu (v1, . . . , vn) duale Basis von V ∗: Zu j ∈ 1, . . . , n bezeich-ne v∗j : V −→ K die eindeutige lineare Abbildung (universelle Eigenschaftvon Basen!) mit

∀k∈1,...,n v∗j (vk) = δj,k.

Dann ist (v∗1 , . . . , v∗n) eine Basis von V ∗, denn:

Erzeugendensystem: Dass v∗1 , . . . , v∗n den Dualraum V ∗ erzeugt, folgtaus der universellen Eigenschaft von Basen (Satz 4.3.1).

Lineare Unabhangigkeit: Seien λ1, . . . , λn ∈ K mit

n∑

j=1

λj · v∗j = 0;

man beachte dabei, dass die Null auf der rechten Seite die Nullabbil-dung V −→ K ist. Einsetzen der Basisvektoren v1, . . . , vn liefert furalle k ∈ 1, . . . , n, dass

0 = 0(vk) =

( n∑

j=1

λj · v∗j)

(vk) = λk · v∗k(vk) = λk.

Also ist die Familie (v∗1 , . . . , v∗n) linear unabhangig.

Somit ist (v∗1 , . . . , v∗n) eine Basis von V ∗. Daher ist dimK V

∗ = n = dimK V ,und damit V ∗ ∼=K V (Proposition 4.4.9).

Caveat 4.5.5. Der obige Satz gilt nicht fur unendlich-dimensionale Vek-torraume!

Man beachte, außerdem dass es im allgemeinen keinen kanonischen Iso-morphismus V −→ V ∗ fur endlich-dimensionale Vektorraume V gibt. ZumBeispiel beruht der obige Beweis auf der Wahl einer Basis von V .

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118 4. Lineare Abbildungen

Im Gegensatz dazu gibt es im endlich-dimensionalen Fall einen kanoni-schen Isomorphismus zwischen Vektorraumen und ihrem Doppeldual:

Proposition 4.5.6 (Doppeldual). Sei K ein Korper und sei V ein K-Vektor-raum. Dann ist die Abbildung

i : V −→ (V ∗)∗

v 7−→(f 7→ f(v)

)

linear und injektiv. Insbesondere gilt: Ist V endlich-dimensional, so ist dieseAbbildung i : V −→ (V ∗)∗ ein Isomorphismus.

Beweis. Eine einfache Rechnung zeigt, dass i linear ist. Dass i injektiv ist,kann man zum Beispiel uber Basiserganzung und die universelle Eigenschaftvon Basen zeigen (Ubungsaufgabe).

Bemerkung 4.5.7 (Funktorialitat des Dualraums). Sei K ein Korper und seiW ein K-Vektorraum. Ist f : V −→ V ′ eine lineare Abbildung von K-Vektorraumen, so ist

HomK(f,W ) : HomK(V ′,W ) −→ HomK(V,W )

g 7−→ g f

eine linear Abbildung. Man beachte dabei, dass es sich bei HomK(f,W )nur um eine Notation handelt; HomK(f,W ) ist eine lineare Abbildung,kein Vektorraum. Die Notation kommt daher, dass man die Konstrukti-on HomK( · ,W ) auf Vektorraume und auf lineare Abbildungen anwendet(und so Vektorraume bzw. lineare Abbildungen erhalt). Im Fall W = Kschreiben wir auch kurz

f∗ := HomK(f,K) : V ′∗ −→ V ∗

und nennen dies die duale Abbildung von f .Diese Konstruktion ist mit der Komposition von Abbildungen vertraglich:

Sind f ∈ HomK(V, V ′) und f ′ ∈ HomK(V ′, V ′′), so folgt (nachrechnen!)

HomK(f ′ f,W ) = HomK(f,W ) HomK(f ′,W ).

Diese Eigenschaft bezeichnet man auch als (kontravariante) Funktorialitat(Anhang A.7).

Homomorphismenraume geben auch die Moglichkeit, universelle Eigen-schaften von Vektorraumkonstruktionen kurz zu formulieren. Wir zeigen dieshier am Beispiel der Quotientenvektorraume.

Satz 4.5.8 (universelle Eigenschaft von Quotienten). Sei K ein Korper, sei Vein K-Vektorraum und sei U ⊂ V ein Untervektorraum. Dann besitzt der

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4.5. Homomorphismenraume 119

Quotientenraum V/U zusammen mit der kanonischen Projektion πU : V −→V/U die folgende universelle Eigenschaft: Fur jeden K-Vektorraum W undjede lineare Abbildung f : V −→ W mit U ⊂ ker f gibt es genau eine lineareAbbildung f : V/U −→W mit

f πU = f.

Vf//

πU

W

V/U

∃! f

==

In anderen Worten: Fur jeden K-Vektorraum W ist die lineare Abbildung

HomK(πU ,W ) : HomK(V/U,W ) −→f ∈ HomK(V,W )

∣∣ f |U = 0

g 7−→ g πU

bijektiv (und somit ein Isomorphismus).

Beweis. Sei f : V −→W linear mit U ⊂ ker f .

Existenz von f : Die Abbildung

f : V/U −→W

v + U 7−→ f(v)

ist wegen U ⊂ ker f wohldefiniert und außerdem linear (nachrechnen).Nach Konstruktion ist f πU = f .

Eindeutigkeit von f : Die Eindeutigkeit folgt, da πU surjektiv ist.

Anmerkung zum Lernen (universelle Eigenschaften von Quotienten). Die Kon-struktion von Quotientenvektorraumen erfordert naturlich Details aus derTheorie der Vektorraume. Im Gegensatz dazu ist die universelle Eigenschaftvielseitiger, da sie im wesentlichen nur auf dem Konzept von Abbildungen undihren Verknupfungen beruht. Auf diese Weise erhalt man einen konzeptionel-len Zugang zu Quotienten, der sich auf viele andere Gebiete ubertragen lasst.Auch wenn universelle Eigenschaften zunachst etwas gewohnungsbedurftigsind, lohnt es sich auf jeden Fall, dieses Konzept besser zu verstehen, daes in vielen anderen Situationen auch wieder auftreten wird (und dann mitdenselben Techniken verwendet werden kann).

Mit dem ublichen Trick fur universelle Eigenschaften (Abbildung 4.6)erhalt man daraus in dieser Situation die folgende Eindeutigkeitsaussage:Ist Q ein K-Vektorraum und ist π : V −→ Q eine lineare Abbildung mitU ⊂ kerπ und der Eigenschaft, dass

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120 4. Lineare Abbildungen

Abbildung 4.6.: Eindeutigkeit via universelle Eigenschaft; Bruderchen, kommtanz mit mir

(∗) Fur jeden K-Vektorraum W und jede lineare Abbildung f : V −→ Wmit U ⊂ ker f gibt es genau eine lineare Abbildung f : Q −→W mit f π = f .

gilt, so gibt es genau einen Isomorphismus f : Q −→ V/U mit

f π = πU .

Denn:

”einmal hin“: Nach (∗), angewendet auf πU : V −→ V/U gibt es eine

lineare Abbildung f : Q −→ V/U mit

f π = πU .

”einmal her“: Umgekehrt erhalt man aus der universellen Eigenschaft

des Quotienten V/U (angewendet auf π : V −→ Q), dass es eine lineareAbbildung g : V/U −→ Q mit

g πU = π

gibt. Also ist

(f g) πU = f π = πU = idV/U πU , und

(g f) π = g πU = π = idQ π.

”rundherum, das ist nicht schwer“: Wendet man nun noch einmal (∗)

bzw. die universelle Eigenschaften des Quotienten V/U auf π : V −→ Qbzw. πU : V −→ V/U and, so folgt mit der Eindeutigkeitsaussage

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4.5. Homomorphismenraume 121

f g = idV/U und g f = idQ .

Also ist f : Q −→ V/U der gesuchte Isomorphismus.

Zum Beispiel konnen wir die universelle Eigenschaft von Quotienten nut-zen, um den Zusammenhang zwischen Abbildungen und den zugehorigendualen Abbildungen genauer zu untersuchen:

Korollar 4.5.9 (Kern und Rang dualer Homomorphismen). Sei K ein Korperund sei f : V −→W eine lineare Abbildung zwischen K-Vektorraumen. Danngibt es einen (kanonischen) Isomorphismus

ker(f∗) ∼=K (W/ im f)∗.

Sind V und W endlich-dimensional, so folgt

dimK ker(f∗) = dimKW − dimK im f und rg f∗ = rg f.

Beweis. Es gilt

ker(f∗) = g ∈W ∗ | g f = 0= g ∈W ∗ | im f ⊂ ker g∼=K (W/ im f)∗,

wobei wir in der letzten Gleichheit die universelle Eigenschaft des Quotien-ten W/ im f verwendet haben.

Die zusatzlichen Aussagen folgen daraus mit der Dimensionsformel furQuotientenvektorraume (Satz 3.4.16), der Dimensionsformel fur lineare Ab-bildungen (Korollar 4.4.14) und Satz 4.5.4.

Auch direkte Summen und direkte Produkte von Vektorraumen habencharakteristische universelle Eigenschaften. Wir werden in der Linearen Al-gebra II genauer darauf eingehen.

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122 4. Lineare Abbildungen

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5

Matrizenkalkul

Wir werden nun algorithmische Aspekte der Theorie der Vektorraume undlinearen Abbildungen untersuchen, indem wir den Matrizenkalkul entwickeln.Als ersten Schritt uberlegen wir uns, wie man lineare Abbildungen zwischenallgemeinen endlich-dimensionalen Vektorraumen durch Matrizen darstellenkann. Im zweiten Schritt werden wir sehen, wie man mit dem sogenanntenGaußschen Eliminationsverfahren lineare Gleichungssysteme algorithmischlosen kann; insbesondere werden wir dadurch Kerne von linearen Abbildun-gen, Durchschnitte von Untervektorraumen, etc. berechnen konnen. Im letz-ten Schritt betrachten wir eine weitere Invariante, die in diesem Kontext einewichtige Rolle spielt, die Determinante.

Uberblick uber dieses Kapitel.

5.1 Darstellung von linearen Abbildungen 1245.2 Das Gaußsche Eliminationsverfahren 1325.3 Die Determinante 146

Schlusselbeispiel. Basiswechselmatrizen, Zeilenoperationsmatrizen

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124 5. Matrizenkalkul

5.1 Darstellung von linearen Abbildungen

Als ersten Schritt uberlegen wir uns, wie man lineare Abbildungen zwischenallgemeinen Vektorraumen durch Matrizen darstellen kann. Der Einfachheithalber beschranken wir uns auf den endlich-dimensionalen Fall. Die Grundi-dee ist, Basen im Start- und Zielraum zu wahlen und die lineare Abbildungso in eine lineare Abbildung zwischen Standardvektorraumen zu ubersetzen.Als Vorbereitung fuhren wir invertierbare Matrizen ein und untersuchen Ba-siswechsel etwas genauer.

5.1.1 Invertierbare Matrizen

Matrizen sind invertierbar, wenn sie ein Inverses bezuglich Matrixmultiplika-tion besitzen. Dieser Begriff ist nur fur quadratische Matrizen sinnvoll (wieman am Beweis von Proposition 5.1.4 und der Invarianz der Dimension ab-lesen kann).

Definition 5.1.1 (invertierbare Matrix). Sei K ein Korper und sei n ∈ N. EineMatrix A ∈Mn×n(K) heißt invertierbar, wenn es eine Matrix B ∈Mn×n(K)mit

A ·B = In und B ·A = In

gibt. Ist A invertierbar, so schreibt man auch A−1 fur das (eindeutig be-stimmte!) Inverse von A.

Bemerkung 5.1.2 (allgemeine lineare Gruppe). Ist K ein Korper und n ∈ N, sobildet die Menge aller invertierbaren Matrizen in Mn×n(K) eine Gruppe, diesogenannte allgemeine lineare Gruppe GLn(K) (nachrechnen); das neutraleElement ist die Einheitsmatrix In. Insbesondere besitzt jede invertierbareMatrix ein eindeutiges Inverses.

Beispiel 5.1.3. Die Matrix

(0 10 2

)∈M2×2(Q)

ist nicht invertierbar (man beachte die Nullspalte). In M2×2(R) gilt

(1 11 2

)−1=

(2 −1−1 1

);

auch wenn uns an dieser Stelle noch nicht unmittelbar klar ist, wie manMatrizen auf Invertierbarkeit testen kann und wie man inverse Matrizen be-

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5.1. Darstellung von linearen Abbildungen 125

stimmen kann, so konnen wir leicht durch Nachrechnen uberprufen, dass dieobigen beiden Matrizen tatsachlich invers zueinander sind.

Invertierbarkeit von Matrizen hangt wie folgt mit der Invertierbarkeit vonlinearen Abbildungen zusammen:

Proposition 5.1.4 (Invertierbarkeit von linearen Abbildungen vs. Matrizen). SeiK ein Korper, sei n ∈ N und sei f : Kn −→ Kn linear. Dann sind diefolgende Aussagen aquivalent:

1. Die Abbildung f : Kn −→ Kn ist ein Isomorphismus.

2. Die Matrix M(f) ∈Mn×n(K) ist invertierbar.

Beweis. Dies folgt aus dem Zusammenhang zwischen Matrixmultiplikati-on und Komposition linearer Abbildungen (Korollar 4.2.13 und Propo-sition 4.2.17). (Ubungsaufgabe). Dabei ergibt sich im invertierbaren Fallauch M(f)−1 = M(f−1).

Wir konnen daher auch Korollar 4.4.15 in die Welt der Matrizen ubersetzen;wir verwenden dafur den Rangbegriff fur Matrizen:

Definition 5.1.5 (Rang einer Matrix). Sei K ein Korper und seien m,n ∈ N.Der (Spalten)Rang einer Matrix A ∈Mm×n(K) ist

rgA := rgL(A) ∈ N.

Korollar 5.1.6 (Invertierbarkeit und Spaltenrang). Sei K ein Korper, sei n ∈ Nund sei A ∈Mn×n(K). Dann sind die folgenden Aussagen aquivalent:

1. Die Matrix A ist invertierbar.

2. Es gilt rgA = n.

3. Die Familie (A∗1, . . . , A∗n) der Spalten von A ist eine Basis von Kn.

4. Die Familie (A∗1, . . . , A∗n) der Spalten von A ist linear unabhangig.

Beweis. Die Aquivalenz von 1. und 2. folgt aus der obigen Proposition 5.1.4und Korollar 4.4.15. Dass 2. und die Aussagen 3. und 4. aquivalent sind, folgtaus der Beobachtung, dass

rgL(A) = dimK SpanKA∗1, . . . , A∗n

gilt (die Spalten sind die Bilder der Standardeinheitsvektoren, und Proposi-tion 4.3.4) und grundlegenden Eigenschaften von Basen und Dimension.

Insbesondere liefern Basen invertierbare Matrizen:

Beispiel 5.1.7 (Matrix zu einer Basis). Sei K ein Korper und n ∈ N. Ist B =(v1, . . . , vn) eine Basis von Kn, so ist die Matrix MB , deren Spalten v1, . . . , vn(in dieser Reihenfolge) sind, invertierbar, d.h. MB ∈ GL(n,K).

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126 5. Matrizenkalkul

Beispiel 5.1.8. Sei K ein Korper, sei n ∈ N und sei En := (e1, . . . , en) dieStandardbasis von Kn. Dann ist

MEn= In.

Beispiel 5.1.9. Wir betrachten die Basis

B :=

((11

),

(12

))

des R-Vektorraums R2. Dann ist (siehe auch Beispiel 5.1.3)

MB =

(1 11 2

)und M−1B =

(2 −1−1 1

).

Zum Beispiel lassen sich mithilfe dieser Matrizen auch die Basistransfor-mationsabbildungen beschreiben:

Bemerkung 5.1.10 (Matrizen fur Basistransformationen). Sei K ein Korper,sei n ∈ N und seien B und C Basen von Kn. Aus der universellen Eigenschaftvon Basen folgt

MB = M(TEn,B) und MC = M(TEn,C)

(denn die Spalten sind die Bilder der Standardeinheitsvektoren!). Also ist

M(TB,C) = M(TEn,C T−1En,B)

= M(TEn,C) ·M(TEn,B)−1

= MC ·M−1B .

5.1.2 Darstellung von linearen Abbildungen

Wir stellen nun lineare Abbildungen zwischen endlich-dimensionalen Vek-torraumen durch Matrizen dar, indem wir Basen des Start- und Zielraumswahlen und so den Start- bzw. Zielraum uber Basistransformationen mit denentsprechenden Standardvektorraumen identifizieren:

Definition 5.1.11 (assoziierte Matrix). Sei K ein Korper und sei f : V −→Weine lineare Abbildung von endlich-dimensionalen K-Vektorraumen mit n :=dimK V und m := dimKW . Ist B eine Basis von V und C eine Basis von W ,so definieren wir

fB,C := T−1Em,C f TEn,B ∈ HomK(Kn,Km)

undMB,C(f) := M(fB,C) ∈Mm×n(K).

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5.1. Darstellung von linearen Abbildungen 127

Wir bezeichnen MB,C(f) als Matrix zu f bezuglich der Basen B und C. DieseSituation lasst sich durch das folgende kommutative Diagramm veranschau-lichen:

Vf// W

Kn

fB,C

//

TEn,B

OO

Km

TEm,C

OO

Man beachte dabei, dass die Abbildungen der Form TX,Y Isomorphismensind; die universelle Eigenschaft von Basen zeigt namlich, dass TY,X das In-verse von TX,Y ist. Die Kommutativitat des obigen Diagramms bedeuteteigentlich, dass

TEm,C fB,C = f TEn,B

ist. Da die”vertikalen“ Abbildungen TEm,C und TEn,B Isomorphismen sind,

ist dies aber aquivalent zu der definierenden Gleichung

fB,C = T−1Em,C f TEn,B

bzw.f = TEm,C fB,C T−1En,B

.

Anmerkung zum Lernen. Diese Definition mag etwas unubersichtlich erschei-nen; es genugt jedoch vollig, sich das obige kommutative Diagramm zu mer-ken – alles andere lasst sich daraus ableiten.

Nach Konstruktion sind die Spalten von MB,C(f) die Bilder der Ba-sisvektoren aus B unter f , ausgedruckt in der Basis C. Expliziter: SeiB = (v1, . . . , vn) und C = (w1, . . . , wm). Ist k ∈ 1, . . . , n, so gibt es eindeu-tig bestimmte Koeffizienten λ1, . . . , λm ∈ K mit

f(vk) =

m∑

j=1

λj · wj .

Dann ist λ1...λm

die k-te Spalte von MB,C(f). Kurz zusammengefasst:

Die Spalten sind die Bilder der Basisvektoren!

Bevor wir konkrete Beispiele fur die Darstellung von linearen Abbildungendurch Matrizen angeben, wollen wir uns vom prinzipiellen Nutzen dieser Dar-stellung uberzeugen (unter der Annahme, dass es uns spater gelingen wird,Fragen zu Matrizen algorithmisch zu beantworten):

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128 5. Matrizenkalkul

Wie kann man in der Situation der Definition die Abbildung f aus derMatrix MB,C(f) zuruckgewinnen? Fur alle v ∈ V gilt (nach dem obigenkommutativen Diagramm)

f(v) = TEm,C

(MB,C(f) · (T−1En,B

(v))).

Wie kann man den Kern von f aus MB,C(f) bestimmen? Da TEn,B

und TEm,C Isomorphismen sind, gilt

ker f =v ∈ V

∣∣ f(v) = 0

= TEn,B

(v ∈ Kn

∣∣ fB,C(v) = 0)

= TEn,B

(V (MB,C(f), 0)

).

Wie kann man den Rang von f aus MB,C(f) bestimmen? Da TEn,B

und TEm,C Isomorphismen sind, gilt

rg f = rg fB,C = rgMB,C(f).

Außerdem kann man ein Analogon von Proposition 4.5.2 uber den Zu-sammenhang zwischen dem Abbildungsraum HomK(V,W ) und Mm×n(K)herleiten.

Beispiel 5.1.12 (Basistransformationen). Sei K ein Korper und sei n ∈ N.Sind B und C Basen von Kn, so gilt (nach Definition)

MB,C(TB,C) = In und MEn,En(TB,C) = M(TB,C) = MC ·M−1B .

Beispiel 5.1.13 (Basiswechselwunder). Wir betrachten

A :=

(3 −12 0

)∈M2×2(R)

und f := L(A) : R2 −→ R2. Wir wollen f nun bezuglich einer anderen Basisvon R2 durch eine Matrix darstellen. Wir wahlen die Basis

B :=

((11

),

(12

))

von R2 (sowohl im Start- als auch im Zielraum). Dann erhalten wir (mitBeispiel 5.1.9 und Beispiel 5.1.3 sowie etwas Geduld beim Rechnen)

MB,B(f) = M(T−1E2,B f TE2,B) = M−1B ·A ·MB

=

(2 00 1

).

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5.1. Darstellung von linearen Abbildungen 129

Durch geschickte Wahl einer Basis konnten wir also eine deutlich einfachereDarstellung unserer linearen Abbildung erreichen! Selbst fur lineare Abbil-dungen zwischen den Standardvektorraumen ist es daher unerlasslich auchdie Darstellung durch Matrizen bezuglich anderen Basen zu untersuchen.

Eine interessante Situation erhalt man auch, wenn man duale Abbildun-gen bezuglich dualen Basen darstellt: Dabei treten sogenannte transponierteMatrizen auf; die transponierte Matrix erhalt man, indem man die gegebeneMatrix an der Hauptdiagonalen

”spiegelt“:

Definition 5.1.14 (transponierte Matrix). Sei K ein Korper, seien m,n ∈ Nund A = (ajk)j,k ∈Mm×n(K). Dann ist

AT := (ajk)(k,j)∈1,...,n×1,...,m ∈Mn×m(K)

die transponierte Matrix zu A.

Durch das Transponieren werden also Zeilen zu Spalten und umgekehrt;insbesondere vertauschen sich auch die Anzahlen der Zeilen bzw. Spalten.

Beispiel 5.1.15. Es gilt

(1 2 34 5 6

)T

=

1 42 53 6

und ((1 2 34 5 6

)T)T

=

(1 2 34 5 6

).

Proposition 5.1.16 (Matrix der dualen Abbildung). Sei K ein Korper, seienV,W endlich-dimensionale K-Vektorraume, seien B und C Basen von Vbzw. W und seien B∗ bzw. C∗ die zugehorigen dualen Basen von V ∗ bzw. W ∗.Ist f : V −→W linear, so gilt

MC∗,B∗(f∗) = MB,C(f)T.

Beweis. Seien n := dimK V , m := dimKW und

B = (v1, . . . , vn) und C = (w1, . . . , wm).

Wir schreiben

B∗ = (v∗1 , . . . , v∗n) und C∗ = (w∗1 , . . . , w

∗m)

fur die zugehorigen dualen Basen (Beweis von Satz 4.5.4) von V ∗ bzw. W ∗.Ist A := MB,C(f) ∈Mm×n(K) und k ∈ 1, . . . , n, so ist (die Spalten sind

die Bilder der Basisvektoren)

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130 5. Matrizenkalkul

f(vk) =

n∑

r=1

Ar,k · wr.

Wir bestimmen nun die Koeffizienten von MC∗,B∗(f∗), indem wir die Wer-

te f∗(w∗1), . . . , f∗(w∗m) in der dualen Basis B∗ darstellen: Sei j ∈ 1, . . . ,m.Dann gilt

∀k∈1,...,n(f∗(w∗j )

)(vk) = w∗j

(f(vk)

)= w∗j

( n∑

r=1

Ar,k · wr)

= Aj,k,

und somit (universelle Eigenschaft der Basis B von V )

f∗(w∗j ) =

n∑

k=1

Aj,k · v∗k ∈ HomK(V,K) = V ∗.

In anderen Worten: Die j-te Spalte von MC∗,B∗(f∗) stimmt mit der j-ten

Zeile von A uberein. Also ist MC∗,B∗(f∗) = AT.

Als Anwendung der Theorie der linearen Abbildungen erhalten wir insbe-sondere die folgende Tatsache uber Matrizen:

Korollar 5.1.17 (Spaltenrang = Zeilenrang). Sei K ein Korper, seien m,n ∈ Nund sei A ∈ Mm×n(K). Dann stimmen Spaltenrang und Zeilenrang von Auberein, d.h. es gilt

rgA = dimK SpanKA1∗, . . . , Am∗.

Beweis. Nach Definition der transponierten Matrix gilt

dimK SpanKA1∗, . . . , Am∗ = dimK SpanKAT∗1, . . . , A

T∗m = rgAT.

Wir verwenden nun den Zusammenhang mit (dualen) linearen Abbildungen:Sei f := L(A) ∈ HomK(Kn,Km). Dann gilt nach Definition des Rangs vonMatrizen, Korollar 4.5.9 und Proposition 5.1.16, dass

rgA = rg f = rg f∗ = rgAT.

5.1.3 Basiswechsel

Wir untersuchen nun systematischer, was passiert, wenn wir lineare Abbil-dungen bezuglich unterschiedlichen Basen durch Matrizen darstellen. DieNutzlichkeit solcher Basiswechsel haben wir bereits in Beispiel 5.1.13 gese-hen. Auch z.B. in der Physik sind (affine) Basis-/Koordinatenwechsel allge-genwartig: Wollen wir die Bewegung des Mondes relativ zur Erde beschrei-ben, bietet es sich an, ein geeignetes Koordinatensystem zu wahlen, dessen

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5.1. Darstellung von linearen Abbildungen 131

Ursprung im Erdmittelpunkt liegt; wollen wir die Bewegung der Planeten desSonnensystems relativ zur Sonne beschreiben, bietet es sich an, ein Koordi-natensystem zu wahlen, dessen Ursprung in der Sonne liegt. In der Compu-tergraphik werden (affine) Koordinatenwechsel benotigt, um den Blick auf3D-Modelle von verschiedenen Punkten/Richtungen zu berechnen.

Als erstes betrachten wir Basiswechselmatrizen, d.h. Matrizen die Koor-dinaten bezuglich einer Basis in Koordinaten bezuglich einer anderen Basisumrechnen:

Definition 5.1.18 (Basiswechselmatrix). Sei K ein Korper und sei V einendlich-dimensionaler K-Vektorraum der Dimension n. Sind B und C Ba-sen von V , so definieren wir die zugehorige Basiswechselmatrix durch

MB,C := MB,C(idV ) ∈ GLn(K).

Man erhalt die Koeffizienten von MB,C also, indem man die Elementeaus B bezuglich der Basis C darstellt und die entsprechenden Koeffizientenin die Spalten fullt.

Diese Basiswechselmatrizen sind tatsachlich invertierbar, da sie Matrizenzu Isomorphismen sind. Genauer gilt in der Situation der obigen Definition,dass M−1B,C = MC,B ist (nachrechnen).

Beispiel 5.1.19. Sei K ein Korper und n ∈ N. Sind B und C Basen von Kn,so gilt (nach Konstruktion)

MB,C = M−1C ·MB und MC,B = (MB,C)−1 = M−1B ·MC .

(Dies ist im allgemeinen nicht dasselbe wie M(TB,C) = MC ·M−1B .) Manbeachte, dass in allgemeinen Vektorraumen eine Basis B nicht zu einer Ma-trix MB fuhrt; man kann im allgemeinen nur den Unterschied zwischen zweiBasen B und C durch eine Matrix (namlich MB,C) beschreiben.

Proposition 5.1.20 (Basiswechsel und darstellende Matrizen). Sei K ein Korperund sei f : V −→ W eine lineare Abbildung von endlich-dimensionalen K-Vektorraumen. Seien B und B′ Basen von V und seien C und C ′ Basenvon W . Dann gilt

MB′,C′(f) = (MC′,C)−1 ·MB,C(f) ·MB′,B = MC,C′ ·MB,C(f) ·MB′,B .

Beweis. Nach Definition der assoziierten Abbildungen bzw. Matrizen gilt(siehe auch Abbildung 5.1)

fB′,C′ = T−1Em,C′ f TEn,B′

= (TEm,C (idW )C′,C)−1 f (TEn,B (idV )B′,B)

= ((idW )C′,C)−1 fB,C (idV )B′,B

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132 5. Matrizenkalkul

B′ B C C ′

VidV //

f

''V

f// W W

idWoo

Kn

TEn,B′

OO

(idV )B′,B

//

fB′,C′

77Kn

TEn,B

OO

fB,C

// Km

TEm,C

OO

Km

EEm,C′

OO

(idW )C′,C

oo

Abbildung 5.1.: Basiswechsel und darstellende Matrizen

bzw.

MB′,C′(f) = (MC′,C)−1 ·MB,C(f) ·MB′,B .

Die alternative Darstellung ergibt sich dann daraus, dass (MC′,C)−1 = MC,C′

gilt.

Betrachten wir bei Endomorphismen im Start- und Zielraum dieselbe Ba-sis, so erhalten wir die folgende Charakterisierung fur darstellende Matrizen:

Korollar 5.1.21 (Basiswechsel und identische Basen). Sei K ein Korper und seif : V −→ V ein linearer Endomorphismus eines endlich-dimensionalen K-Vektorraums V mit n := dimK V . Ist B eine Basis und ist A ∈ Mn×n(K),so sind die folgenden Aussagen aquivalent:

1. Es gibt eine Matrix S ∈ GLn(K) mit

A = S−1 ·MB,B(f) · S.

2. Es gibt eine Basis C von V mit A = MC,C(f).

Beweis. Dies folgt aus Proposition 5.1.20 und der Korrespondenz zwischenBasen und invertierbaren Matrizen (Ubungsaufgabe).

5.2 Das Gaußsche Eliminationsverfahren

Wir werden nun untersuchen, wie man mithilfe des Gaußschen Eliminations-verfahrens lineare Gleichungssysteme algorithmisch losen kann. Insbesonderewerden wir dadurch Kerne von linearen Abbildungen, Inverse von Matrizen

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5.2. Das Gaußsche Eliminationsverfahren 133

1

2

...

r

m

1 . . . k1 k2 kr n

0 0

0

1

1

1

. . .

irgendwelche Elemente aus K

Abbildung 5.2.: Zeilenstufenform einer Matrix

berechnen konnen, und damit auch Basiswechselmatrizen, Durchschnitte vonUntervektorraumen etc..

Die grundlegende Idee hinter dem Gaußschen Eliminationsverfahren ist,systematisch Zeilenoperationen durchzufuhren, um eine Zeilenstufenform zuerhalten, an der man die Losungen direkt ablesen kann.

5.2.1 Zeilenstufenform

Lineare Gleichungssysteme in Zeilenstufenform konnen durch”Ruckwartsauf-

losen“ von unten nach oben rekursiv gelost werden. Die folgende Propositionenthalt die allgemeine Beschreibung dieses Verfahrens. Es empfiehlt sich je-doch, sich nicht diese allgemeine Formulierung zu merken, sondern den demVerfahren unterliegenden (einfachen!) Mechanismus anhand von konkretenBeispielen zu verstehen.

Proposition 5.2.1 (Zeilenstufenform). Sei K ein Korper, seien m,n ∈ N undsei A in Zeilenstufenform, d.h. die Matrix A ist von der Gestalt in Abbil-dung 5.2.Dabei ist r ∈ 0, . . . ,min(m,n), die Indizes k1, . . . , kr ∈ 1, . . . , n erfullenk1 < · · · < kr und der graue Bereich enthalt nur Nullen. Man bezeichnetdann die Spalten A∗,k1 , . . . , A∗,kr auch als Pivotspalten1 von A. Dann gilt:

1. Es ist

V (A, 0) =

x ∈ Kn

∣∣∣∣ ∀j∈1,...,r xkj = −n∑

k=kj+1

Aj,k · xk.

1Pivot: Dreh- und Angelpunkt

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134 5. Matrizenkalkul

Man beachte, dass man hierbei xj mit j ∈ 1, . . . , n \ k1, . . . , kr”

frei in K wahlen“ kann und dass man daraus xkr , . . . , xk1 rekursiv(eindeutig) berechnen kann.

2. Ist r = 0, so ist A = 0 und V (A, 0) = Kn. Ist r 6= 0, so ist(vs)s∈1,...n\k1,...,kr eine Basis von V (A, 0) ⊂ Kn, wobei fur al-le j ∈ 1, . . . , r und alle s ∈ kj + 1, . . . , kj+1− 1 (mit kr+1 := n+ 1)der Vektor vs induktiv durch vs,s := 1 und

∀`∈1,...,n\k1,...,kj ,s vs,` := 0

vs,kj := −Aj,svs,kj−1

:= −Aj−1,s −Aj−1,kj · vs,kj...

vs,k1 := −A1,s −j∑

`=2

A1,k` · vs,k`

gegeben ist (falls in den Pivotspalten uber den Einsen der Treppenstufennur Nullen stehen, ist die hintere Summe jeweils Null!). Insbesonderegilt dimK V (A, 0) = n− r und rgA = n− dimK V (A, 0) = r.

3. Sei b ∈ Km.

Gibt es ein j ∈ r + 1, . . . ,m mit bj 6= 0, so ist V (A, b) = ∅. Gilt bj = 0 fur alle j ∈ r + 1, . . . ,m, so ist x ∈ Kn mit

∀j∈1,...,n\k1,...,kr xj := 0

xkr := br

xkr−1:= br−1 −Ar−1,kr · xkr...

xk1 := b1 −r∑

j=2

A1,kj · xkj

ein Element von V (A, b). Insbesondere ist V (A, b) = x+ V (A, 0).

Beweis. Zu 1. Dass V (A, 0) die angegebene Gestalt hat, sieht man, indemman das lineare Gleichungssystem

Gesucht: alle x ∈ Kn mit A · x = 0

in Zeilenstufenform explizit”von unten nach oben“ auflost.

Zu 2. Es ist leicht zu sehen, dass die angegebene Familie linear unabhangigist (man beachte jeweils die

”s-te“ Koordinate). Außerdem sieht man an der

Darstellung aus dem ersten Teil, dass sie V (A, 0) erzeugt. Die Behauptunguber den Rang folgt aus der Dimensionsformel fur L(A) (Korollar 4.4.14).

Zu 3. Dies folgt analog zum ersten Teil und Proposition 4.4.19.

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5.2. Das Gaußsche Eliminationsverfahren 135

Beispiel 5.2.2 (Losung eines linearen Gleichungssystems in Zeilenstufenform).Wir betrachten die Matrix

A :=

1 1 3 00 0 1 20 0 0 0

∈M3×4(R),

(diese ist in Zeilenstufenform mit k1 = 1, k2 = 3 und r = 2) sowie dieVektoren

b :=

001

∈ R3 und c :=

110

∈ R3.

Dann liefert rekursives Auflosen (von der vierten Variablen ruckwarts bis zurersten) der zugehorigen linearen Gleichungssysteme

Gesucht: alle x ∈ R4 mit

1 · x1 + 1 · x2 + 3 · x3 = . . .1 · x3 + 2 · x4 = . . .

0 = . . .

dass

V (A, 0) =

−x2 + 6 · x4x2−2 · x4x4

∣∣∣∣∣∣∣∣x2, x4 ∈ R

, mit Basis

60−2

1

,

−1100

,

V (A, b) = ∅ (man beachte die letzte Gleichung),

V (A, c) =

−2010

+ V (A, 0), denn

−2010

∈ V (A, c).

5.2.2 Zeilenoperationen

Das Gaußsche Eliminationsverfahren uberfuhrt eine gegebene Matrix in Zei-lenstufenform und beruht auf drei grundlegenden Zeilenoperationen:

Dem Vertauschen zweier Zeilen,

der Addition eines Vielfachen einer Zeile zu einer anderen Zeile,

Multiplikation einer Zeile mit einem (multiplikativ invertierbaren) Ele-ment aus dem Grundkorper.

Wir werden diese Zeilenoperationen nun genauer beschreiben:

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136 5. Matrizenkalkul

Matrix Z Lineare Abbildungx 7→ Z · x

ZeilenoperationA Z ·A

Inverses Z−1

Vj,k Vertauschung der Koordina-ten j und k

Vertauschung der j-ten undk-ten ZeileNotation: (j)↔ (k)

Vj,k

Sj,k(λ) Scherung in der Koordinate-nebene j und k

Addition des λ-fachen der k-ten Zeile zur j-ten ZeileNotation: (j) + λ · (k)

Sj,k(−λ)

Mj(λ) Streckung der j-ten Koordi-natenachse

Multiplikation der j-ten Zeilemit λNotation: λ · (j)

Mj(1/λ)

Abbildung 5.3.: Elementare Zeilenoperationen

Definition 5.2.3 (Elementarmatrizen). Sei K ein Korper und m ∈ N. DieElementarmatrizen auf m Zeilen sind:

Zu j, k ∈ 1, . . . ,m mit j 6= k sei

Vj,k := Im − Ej,j − Ek,k + Ej,k + Ek,j ∈Mm×m(K).

Zu j, k ∈ 1, . . . ,m mit j 6= k und λ ∈ K sei

Sj,k(λ) := Im + λ · Ej,k ∈Mm×m(K).

Zu j ∈ 1, . . . ,m und λ ∈ K \ 0 sei

Mj(λ) := Im − Ej,j + λ · Ej,j ∈Mm×m(K).

Proposition 5.2.4 (elementare Zeilenoperationen). Sei K ein Korper und seim ∈ N. Dann sind die elementaren Elementarmatrizen auf m Zeilen inver-tierbar, also in GLm(K).

Beweis. Dies kann man leicht nachrechnen und an der Tabelle in Abbil-dung 5.3 ablesen.

Korollar 5.2.5 (elementare Zeilenoperationen und Losungsmengen). Sei K einKorper, seien m,n, k ∈ N und seien Z1, . . . , Zk ∈ Mm×m(K) Elementarma-trizen sowie

Z := Zk · · · · · Z1.

Sind A ∈Mm×n(K) und b ∈ Km, so gilt

V (A, b) = V (Z ·A,Z · b).

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5.2. Das Gaußsche Eliminationsverfahren 137

Beweis. Da Z1, . . . , Zk invertierbar sind (Proposition 5.2.4), ist auch das Pro-dukt Z = Zk · · · · · Z1 invertierbar (mit dem Inversen Z−11 · · · · · Z−1k ). Alsogilt fur alle x ∈ Km, dass

A · x = b =⇒ Z ·A · x = Z · b

und

Z ·A · x = Z · b =⇒ A · x = Z−1 · Z ·A · x = Z−1 · Z · b = b.

Also ist V (A, b) = V (Z ·A,Z · b).

Elementare Zeilenoperationen andern somit die Losungsmenge des be-trachteten linearen Gleichungssystems nicht.

5.2.3 Der Gaußsche Algorithmus

Mithilfe der elementaren Zeilenoperationen konnen wir den Gaußschen Algo-rithmus formulieren und seine Korrektheit beweisen. Der Gaußsche Algorith-mus transformiert das betrachtete lineare Gleichungssystem in ein Systemin Zeilenstufenform, dessen Losungen man direkt ablesen kann (Propositi-on 5.2.1).

Algorithmus 5.2.6 (das Gaußsche Eliminationsverfahren). Sei K ein Korper,seien m,n ∈ N>0 und seien A ∈Mm×n(K), b ∈ Km. Sei (A | b), die (rechts)um die Spalte b erweiterte Matrix. Wir berechnen nun daraus wie folgt eineerweiterte Matrix (die Notation ist in Abbildung 5.4 veranschaulicht):

Wir wenden Elimination ab Spalte 1 und Zeile 1 auf (A | b) an, wobei:

Elimination ab Spalte K ∈ 1, . . . , n und Zeile M fur (A | b): Wirsuchen die erste Spalte k in K, . . . , n (von links gezahlt), die in einerder Zeilen M, . . . ,m einen Koeffizienten ungleich 0 enthalt.

– Falls keine solche Spalte existiert, beenden wir den Algorithmusund verwenden die bisher berechnete erweiterte Matrix als Ergeb-nis.

– Falls eine solche Spalte k existiert, bestimmen wir eine neue er-weiterte Matrix, deren neue Zeilen M, . . . ,m wie folgt berechnetwerden:

1. Wir suchen die erste Zeile J ∈ M, . . . ,m mit AJ,k 6= 0(das sogenannte Pivotelement, d.h. den Dreh- und Angel-punkt) und multiplizieren die J-te Zeile der erweiterten Ma-trix mit 1/AJ,k.[Die J-te Zeile beginnt somit nach den fuhrenden Nullen inSpalte k mit 1.]

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138 5. Matrizenkalkul

1

...

M

J

m

1 . . . K k n

0 0

0

0

1

1

0

AJ,k

irgendwelche Elemente aus K

Abbildung 5.4.: Das Gaußsche Eliminationsverfahren: Notation; als nachsteswird AJ,k in 1 transformiert, die roten Punkte zu Nul-len transformiert und anschließend die Zeilen J und Mgetauscht.

2. Fur jedes j ∈ J + 1, . . . ,m addieren wir das −Aj,k-fachedieser neuen J-ten Zeile zur j-ten Zeile der erweiterten Ma-trix.[In der k-ten Spalte stehen dann in den Zeilen M, . . . ,m \J nur Nullen; man kann an dieser Stelle noch grundlichersein und entsprechend auch in den Zeilen 1, . . . ,M−1 in Spal-te k Nullen erzeugen.]

3. Wir tauschen die J-te Zeile und die M -te Zeile dieser neuenerweiterten Matrix (falls J 6= M).[Auf diese Weise sind die Stufen dicht gepackt.]

Wir erhalten so eine (erweiterte) Matrix (A′ | b′) und wenden(rekursiv) Elimination ab Spalte k+1 und Zeile M+1 auf (A′ | b′).

Beispiel 5.2.7. Wir betrachten

A :=

0 0 1 22 2 6 01 1 1 −4

∈M3×4(R), und b :=

001

, c :=

12−1

∈ R3.

Wir fuhren nun das Gaußsche Eliminationsverfahren fur (A | b) und (A | c)durch. Um Zeit und Platz zu sparen, wenden wir das Verfahren simultan aufbeide Situationen an, indem wir die erweiterte erweiterte Matrix (A | b | c)betrachten (und den linken 3× 4-Block auf Zeilenstufenform bringen):

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5.2. Das Gaußsche Eliminationsverfahren 139

Pivot?0 0 1 2 0 1

2 2 6 0 0 21 1 1 −4 1 −1

12 · (2)

0 0 1 2 0 1

1 1 3 0 0 11 1 1 −4 1 −1

(3)− (2)0 0 1 2 0 1

1 1 3 0 0 10 0 −2 −4 1 −2

(1)↔ (2)1 1 3 0 0 10 0 1 2 0 10 0 −2 −4 1 −2

Pivot?1 1 3 0 0 1

0 0 1 2 0 10 0 −2 −4 1 −2

(3) + 2 · (2)1 1 3 0 0 1

0 0 1 2 0 10 0 0 0 1 0

Der linke 3× 4-Block ist nun in Zeilenstufenform.

Satz 5.2.8 (Analyse des Gaußschen Eliminationsverfahrens). Sei K ein Korper,seien m,n ∈ N und seien A ∈Mm×n(K), b ∈ Km.

1. Wendet man das Gaußsche Eliminationsverfahren auf A und b an, soterminiert der Algorithmus und fur die resultierende erweiterte Ma-trix (A′ | b′) ist A′ in Zeilenstufenform.

2. Es giltV (A, b) = V (A′, b′).

Insbesondere kann dann V (A, b) explizit wie in Proposition 5.2.1 be-schrieben werden.

Beweis. Zu 1. Aus der Beschreibung des Algorithmus ist ersichtlich, dass derAlgorithmus nach endlich vielen Schritten terminiert (die Ausgangsmatrixhat nur endlich viele Zeilen und Spalten, und die Anzahl der Zeilen bzw.Spalten andert sich nicht). Außerdem folgt induktiv, dass der Algorithmuseine (erweiterte) Matrix in Zeilenstufenform liefert.

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140 5. Matrizenkalkul

Zu 2. Da sich elementare Zeilenoperationen durch Elementarmatrizen be-schreiben lassen, folgt der zweite Teil aus der Invertierbarkeit von Element-armatrizen (Korollar 5.2.5).

Beispiel 5.2.9. Insbesondere konnen wir in Beispiel 5.2.7 Beschreibungenvon V (A, 0), V (A, b), V (A, c) aus der berechneten Zeilenstufenform able-sen (wofur wir die zugehorigen Losungsmengen in Beispiel 5.2.2 bestimmthaben).

Ausblick 5.2.10 (Komplexitat). Zu einer vollstandigen Analyse eines Algo-rithmus gehort im Normalfall auch eine Abschatzung der Komplexitat bzw.Laufzeit. Dies wurde hier aber zu weit fuhren.

Anmerkung fur Lehramtsstudenten. Das Losen von linearen Gleichungssy-stemen in der Schule wird normalerweise nach einem ahnlichen Prinzip (aberevtl. etwas weniger systematisch) unterrichtet. Sie sollten auf jeden Fall dieunterrichteten Schemata mit dem Gaußschen Eliminationsverfahren verglei-chen. Hilft Ihnen die hier entwickelte Theorie dabei, diese Verfahren besserzu verstehen?

5.2.4 Gauß-Rezepte

Wir geben nun eine Auswahl von Standardsituationen an, die mit dem Gauß-schen Eliminationsverfahren behandelt werden konnen:

Anmerkung zum Lernen. Typischerweise sind Berechnungen von Hand mitdem Gaußschen Eliminationsverfahren recht fehleranfallig (s. Vorlesung . . . ).Sie sollten Ihre Ergebnisse daher mit einem Computeralgebrasystem uber-prufen oder zumindest stichprobenartig von Hand nachrechnen, dass das Er-gebnis plausibel ist.

Rezept 5.2.11 (Losung linearer Gleichungssysteme).

Gegeben sei ein Korper K, n,m ∈ N und A ∈Mm×n(K), b ∈ Km.

Gesucht sei V (A, b), d.h. ein Element von V (A, b) und eine Basisvon V (A, 0).

Rezept: Man wendet das Gaußsche Eliminationsverfahren auf die er-weiterte Matrix (A | b) an und liest dann die Losung an der entstande-nen Zeilenstufenform ab; dabei bestimmt man (jeweils durch rekursivesRuckwartsauflosen)

– eine Basis von V (A, 0), sowie

– eine spezielle Losung in V (A, b).

Am bequemsten lassen sich die Losungen ablesen, wenn man diegrundliche Variante des Eliminationsverfahrens anwendet (also auchuber den Pivotelementen fur Nullen sorgt).

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5.2. Das Gaußsche Eliminationsverfahren 141

Begrundung: Dies ist der Inhalt von Satz 5.2.8 und Proposition 5.2.1.

Rezept 5.2.12 (Bestimmung des Kerns einer linearen Abbildung).

Gegeben sei ein Korper K und eine lineare Abbildung f : V −→ Wzwischen endlich-dimensionalen K-Vektorraumen.

Gesucht sei eine Basis von ker f ⊂ V .

Rezept: Man wahle Basen B und C von V bzw. W und bestimme diedarstellende Matrix MB,C(f) (im einfachsten Fall ist f bereits eine li-neare Abbildung Kn −→ Km von der Form L(A) mit A ∈Mm×n(K)).Dann bestimme man eine Basis D von V (MB,C(f), 0) wie in Re-zept 5.2.11. Man bildet nun D mit TEdimK V ,B nach V ab und erhalt soeine Basis von ker f .

Begrundung: Es gilt (s. Seite 127)

ker f = TEdimK V ,B

(V (MB,C(0), 0)

)

und der Isomorphismus TEdimK V ,B bildet Basen auf Basen ab.

Rezept 5.2.13 (Bestimmung des Rangs einer linearen Abbildung).

Gegeben sei ein Korper K und eine lineare Abbildung f : V −→ Wzwischen endlich-dimensionalen K-Vektorraumen.

Gesucht sei der Rang von f .

Rezept: Man wahle Basen B und C von V bzw. W und bestimme diedarstellende Matrix MB,C(f) (im einfachsten Fall ist f bereits eine li-neare Abbildung Kn −→ Km von der Form L(A) mit A ∈Mm×n(K)).Man uberfuhrt nun MB,C(f) mit dem Gaußschen Eliminationsverfah-ren in Zeilenstufenform, woran sich der Rang von MB,C(f), und somitauch von f , direkt ablesen lasst.

Begrundung: Es gilt rg f = rgMB,C(f) (s. Seite 127). Der Rang bleibtunter elementaren Zeilenumformungen erhalten (da die Elementarma-trizen invertierbar sind) und der Rang einer Matrix in Zeilenstufenformlasst sich direkt ablesen (Proposition 5.2.1).

Rezept 5.2.14 (Test auf Invertierbarkeit).

Gegeben sei ein Korper K, n ∈ N und A ∈Mn×n(K).

Gesucht sei die Antwort auf die Frage, ob A invertierbar ist.

Rezept: Man bestimmt den Rang von L(A) wie in Rezept 5.2.13. Dannist A genau dann invertierbar, wenn rgA = n ist.

Begrundung: Dies folgt aus Korollar 5.1.6.

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142 5. Matrizenkalkul

Rezept 5.2.15 (Berechnung von Inversen).

Gegeben sei ein Korper K, n ∈ N und A ∈ GLn(K).

Gesucht sei die inverse Matrix A−1.

Rezept: Man lose fur jedes j ∈ 1, . . . , n das lineare Gleichungssystem

Gesucht: alle x ∈ Kn mit A · x = ej

mithilfe des Gaußschen Eliminationsverfahrens. Da A invertierbar ist,ist jedes dieser Gleichungssysteme eindeutig losbar, und man erhalt dasInverse A−1, indem man die Losungen in die Spalten einer n×n-Matrixschreibt.

Dies lasst sich geschickt organisieren, indem man diese n Gleichungs-systeme simultan in der Form (A | In) lost und die grundliche Versiondes Eliminationsverfahrens anwendet (dann erscheint namlich auf derrechten Seite die inverse Matrix).

Auch den Test auf Invertierbarkeit kann man in diese Berechnung direktintegrieren (da man den Rang wie in Rezept 5.2.14 an der Zeilenstu-fenform ablesen kann).

Begrundung: IstA invertierbar, so genugt es, eine MatrixB ∈Mn×n(K)mit A ·B = In zu finden (denn dann ist auch B ·A = A−1 ·A ·B ·A =A−1 · In · A = In). Betrachtet man die Spalten dieser Gleichung sosieht man, dass die Bestimmung einer solchen Matrix B aquivalentzum Losen der n linearen Gleichungssysteme

Gesucht: alle x ∈ Kn mit A · x = ej

mit j ∈ 1, . . . , n ist.

Ist Z ∈ GLn(K) ein Produkt von Elementarmatrizen, das A in die(grundliche) Zeilenstufenform In uberfuhrt, so gilt Z · A = In. Fuhrtman dieselben Zeilenumformungen

”rechts“ in (A | In) auf In aus, so

erhalt manZ · In = Z.

Aus der Gleichung Z · A = In folgt jedoch (wie oben), dass A = Z−1

bzw. Z = A−1 ist. Somit liefert das grundliche Eliminationsverfahrenauf (A | In) am Ende auf der rechten Seite A−1.

Beispiel 5.2.16 (Berechnung der inversen Matrix). Wir betrachten die Matrix

A :=

0 1 60 1 71 6 0

∈M3×3(R).

Wir uberprufen nun, ob A invertierbar ist und bestimmen gegebenenfalls dieinverse Matrix: Dazu fuhren wir die grundliche Variante des Eliminationsver-fahrens auf (A | In) durch:

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5.2. Das Gaußsche Eliminationsverfahren 143

Pivot?0 1 6 1 0 00 1 7 0 1 0

1 6 0 0 0 1

(3)↔ (1)1 6 0 0 0 10 1 7 0 1 00 1 6 1 0 0

Pivot?1 6 0 0 0 1

0 1 7 0 1 00 1 6 1 0 0

(3)− (2)1 6 0 0 0 1

0 1 7 0 1 00 0 −1 1 −1 0

(1)− 6 · (2)1 0 −42 0 −6 1

0 1 7 0 1 00 0 −1 1 −1 0

Pivot?1 0 −42 0 −6 1

0 1 7 0 1 0

0 0 -1 1 −1 0

−1 · (3)1 0 −42 0 −6 1

0 1 7 40 1 0

0 0 1 −1 1 0

(1) + 42 · (3)1 0 0 −42 36 1

0 1 7 0 1 0

0 0 1 −1 1 0

(2)− 7 · (3)1 0 0 −42 36 1

0 1 0 7 −6 0

0 0 1 −1 1 0

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144 5. Matrizenkalkul

Also ist rgA = 3; insbesondere ist A invertierbar. Mit Rezept 5.2.15 erhaltenwir

A−1 =

−42 36 1

7 −6 0−1 1 0

.

Man sollte nach einer solchen Rechnung unbedingt auch die Probe machen(wenigstens fur ausgewahlte Zeilen und Spalten)!

Der Vollstandigkeit halber geben wir noch Verfahren an, mit denen manBasen von gewissen Vektorraumen bestimmen kann. Der Einfachheit hal-ber nehmen wir jeweils an, dass die Ausgangsdaten in einem der Stan-dardvektorraume gegeben sind (im allgemeinen Fall verwendet man einfachIsomorphismen der Form TX,Y , um die allgemeine Situation in Standard-vektorraume zu ubersetzen). Außerdem achten wir nicht unbedingt darauf,moglichst effiziente Verfahren anzugeben – es gibt also durchaus noch einigeOptimierungsmoglichkeiten.

Rezept 5.2.17 (Auswahl einer Basis).

Gegeben sei ein Korper K, m,n ∈ N und Vektoren v1, . . . , vn ∈ Km.

Gesucht sei eine linear unabhangige Teilfamilie von (v1, . . . , vn), dieSpanKv1, . . . , vn erzeugt.

Rezept: Sei A ∈ Mm×n(K) die Matrix mit den Spalten v1, . . . , vn (indieser Reihenfolge). Man wendet dann das Gaußsche Eliminationsver-fahren auf A an. Seien k1, . . . , kr die Indizes der Pivotspalten der entste-henden Matrix in Zeilenstufenform. Dann ist (vk1 , . . . , vkr ) eine linearunabhangige Teilfamilie, die SpanKv1, . . . , vn erzeugt.

Begrundung: Wendet man das Gaußsche Eliminationsverfahren auf diekleinere Matrix an, die nur aus den Spalten vk1 , . . . , vkr besteht, so siehtman, dass diese denselben Rang wie A hat (namlich r); man beachtedabei, dass das Eliminationsverfahren die Anordnung der Spalten nichtandert. Insbesondere ist die Familie (vk1 , . . . , vkr ) linear unabhangig.Wegen SpanKvk1 , . . . , vkr ⊂ SpanKv1, . . . , vn folgt daraus die Be-hauptung.

Rezept 5.2.18 (Durchschnitt von Untervektorraumen).

Gegeben sei ein KorperK,m,n, r ∈ N und endliche Mengen v1, . . . , vr,vr+1, . . . , vn ⊂ Km.

Gesucht sei eine Basis von

U := SpanKv1, . . . , vr ∩ SpanKvr+1, . . . , vn.

Rezept: Sei A := (v1 | · · · | vr | vr+1 | · · · | vn) ∈ Mm×n(K).Man bestimmt eine Basis B = (u1, . . . , us) von V (A, 0) ⊂ Kn mit

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5.2. Das Gaußsche Eliminationsverfahren 145

dem Gaußschen Eliminationsverfahren. Man bildet dann die Men-ge B′ = π(uj) | j ∈ 1, . . . , s ⊂ Kn−r, wobei π : Kn −→ Kn−r dieProjektion auf die letzten n−r Koordinaten ist. Bildet man nun Linear-kombinationen der vr+1, . . . , vn mithilfe der Koeffizienten der Vektorenaus B′, so erhalt man ein (endliches) Erzeugendensystem von U . Nunwahlt man mithilfe von Rezept 5.2.17 aus diesem Erzeugendensystemeine Basis von U aus.

Begrundung: Die Matrix A gehort zu dem linearen Gleichungssystem

Gesucht: alle x ∈ Kn mit

r∑

j=1

xj · vj =

n∑

j=r+1

−xj · vj .

Die linke Seite parametrisiert dabei SpanKv1, . . . , vr und die rechteSeite parametrisiert SpanKvr+1, . . . , vn. Die Losungen dieses Glei-chungssystems liefern also genau die Punkte in Km, die in beiden Un-terraumen gleichzeitig (d.h. in U) liegen. Man benotigt aber nur jeweilseine der beiden Linearkombinationen um die Punkte von U zu beschrei-ben; es genugen also z.B. die Koordinaten r + 1, . . . , n von

”x“.

Die Berechnung des Durchschnitts von Untervektorraumen ist zum Beispielin der Computergraphik und im 3D-Druck essentiell.

Rezept 5.2.19 (komplementare Untervektorraume).

Gegeben sei ein Korper K, m,n ∈ N und Vektoren v1, . . . , vn ∈ Km.

Gesucht sei eine Basis eines zu SpanKv1, . . . , vn komplementaren Un-tervektorraums von Km.

Rezept: Man betrachtet die Matrix A ∈ Mm×(n+m)(K) mit den Spal-ten v1, . . . , vn, e1, . . . , em (in dieser Reihenfolge) und wendet das Gauß-sche Eliminationsverfahren auf A an. Die Standardeinheitsvektoren zuden Pivotspalten in den rechten m Spalten liefern dann eine Basis eineszu SpanKv1, . . . , vn komplementaren Untervektorraums von Km.

Begrundung: Die Begrundung ist analog zur Begrundung von Re-zept 5.2.17; auch hier ist es essentiell, dass die Ordnung der Spaltenwahrend des Eliminationsverfahrens erhalten bleibt und dass der Eli-minationsvorgang auf der linken Seite beginnt (dass also die Standard-einheitsvektoren erst dann wirklich in Aktion treten, wenn die Zeilen-stufenform der ersten n Spalten bereits erreicht ist).

Rezept 5.2.20 (Quotientenvektorraume).

Gegeben sei ein Korper K, m,n ∈ N und Vektoren v1, . . . , vn ∈ Km.Sei U := SpanKv1, . . . , vn ⊂ Km.

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146 5. Matrizenkalkul

Gesucht sei eine Basis des Quotientenvektorraums Km/U .

Rezept: Man bestimme eine Basis (u1, . . . , ur) eines zu U komple-mentaren Vektorraums in Km wie in Rezept 5.2.19. Dann ist die Fami-lie (u1 + U, . . . , ur + U) eine Basis von Km/U .

Begrundung: Dies folgt aus Bemerkung 4.4.12.

Die Berechnung von Quotientenraumen ist zum Beispiel fur die Berechnungvon Homologiegruppen (Ausblick 4.4.17) relevant.

5.3 Die Determinante

Wir werden nun eine weitere wichtige Invariante von Matrizen bzw. Endomor-phismen kennenlernen, die sogenannte Determinante. Mithilfe des GaußschenEliminationsverfahrens konnen wir bekanntlich Matrizen auf Invertierbarkeittesten (Rezept 5.2.14); es ist daher naheliegend, dass es moglich sein soll-te, aus den Koeffizienten einer quadratischen Matrix durch eine geeigneteFormel direkt auszurechnen, ob die Matrix invertierbar ist oder nicht. Einesolche Formel erhalt man aus der Determinante. Geometrisch kann man dieDeterminante als Volumen interpretieren (dies werden wir im Kontext voneuklidischen Vektorraumen naher untersuchen).

5.3.1 Die Determinantenfunktion

Wir fuhren zunachst die Determinantenfunktion (axiomatisch) fur Matrizenein.

Definition 5.3.1 (n-linear, alternierend). Sei K ein Korper und sei n ∈ N>0.

Eine Abbildung f : Mn×n(K) −→ K heißt n-linear, wenn sie in jederZeile linear ist, d.h.: Fur jedes j ∈ 1, . . . , n und alle Zeilenvekto-ren v1, . . . , vj−1, vj+1, . . . , vn ∈M1×n(K) ist die Abbildung

M1×n(K) −→ K

v 7−→ f

v1

...v

...vn

linear.

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5.3. Die Determinante 147

Eine Abbildung f : Mn×n(K) −→ K heißt alternierend, wenn folgendesgilt: Hat A ∈Mn×n(K) zwei gleiche Zeilen, so gilt f(A) = 0.

Eine Abbildung f : Mn×n(K) −→ K ist antisymmetrisch, wenn folgen-des gilt: Ist A ∈ Mn×n(K) und entsteht A′ ∈ Mn×n(K) aus A durchVertauschen zweier Zeilen von A, so gilt

f(A′) = −f(A).

Bemerkung 5.3.2 (alternierend vs. antisymmetrisch). Sei K ein Korper undn ∈ N>0. Jede alternierende n-lineare Abbildung f : Mn×n(K) −→ K ist an-tisymmetrisch, denn: Seien v1, . . . , vn ∈M1×n(K) und seien j, k ∈ 1, . . . , nmit j < k. Um die Notation ubersichtlich zu halten, schreiben wir f alsFunktion mit n-Argumenten (namlich den n Zeilen). Dann ist

f(v1, . . . , vn) + f(v1, . . . , vk, . . . , vj , . . . , vn)

= f(v1, . . . , vn) + f(v1, . . . , vk, . . . , vk, . . . , vn)

+ f(v1, . . . , vj , . . . , vj , . . . , vn) + f(v1, . . . , vk, . . . , vj , . . . , vn)

= f(v1, . . . , vj + vk, . . . , vk, . . . , vn) + f(v1, . . . , vj + vk, . . . , vj , . . . , vn)

= f(v1, . . . , vj + vk, . . . , vj + vk, . . . , vn)

= 0

(im ersten und letzten Schritt haben wir verwendet, dass f alternierend ist, inden anderen Schritten die n-Linearitat). Die Umkehrung gilt im allgemeinennur, wenn die Charakteristik von K nicht 2 ist.

Satz 5.3.3 (Determinante). Sei K ein Korper und n ∈ N>0. Ist c ∈ K, so gibtes genau eine n-lineare und alternierende Abbildung ∆c : Mn×n(K) −→ Kmit ∆c(In) = c.

Man bezeichnet det := ∆1 : Mn×n(K) −→ K als Determinante.

Anmerkung zum Lernen. Der Beweis dieses Satzes ist zwar recht lang in derDurchfuhrung; die unterliegenden Ideen sind jedoch einfach und ubersichtlich:

Fur die Eindeutigkeit uberlegt man sich wie sich solche Abbildungenunter Zeilenumformungen andern und was man aus den geforderten Ei-genschaften schon uber die Werte auf (grundlichen) Zeilenstufenformenweiß. Der Gaußsche Algorithmus fugt dann alles zusammen.

Fur die Existenz zeigt man, dass man solche Funktionen rekursiv durch

”Entwicklung nach der ersten Spalte“ konstruieren kann.

Beweis. Eindeutigkeit. Seien f, g : Mn×n(K) −→ alternierend, n-linear undes gelte f(In) = c = g(In). Dann ist f = g, denn:

Wir uberlegen uns zunachst, wie sich f und g unter Zeilenoperationenverhalten: Sei dazu A ∈ Mn×n(K), j, k ∈ 1, . . . , n mit j 6= k und seiλ ∈ K.

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148 5. Matrizenkalkul

Vertauschungen: Nach Voraussetzung sind f und g alternierend undsomit antisymmetrisch. Also gilt

f(Vj,k ·A) = −f(A) und g(Vj,k ·A) = −g(A).

Addition des Vielfachen einer Zeile zu einer anderen Zeile: Sei A′ dieMatrix, die man aus A erhalt, indem man die j-te Zeile durch die k-teZeile von A ersetzt. Dann gilt (da f eine n-lineare Abbildung ist)

f(Sj,k(λ) ·A) = f(A) + λ · f(A′).

Die Matrix A′ enthalt zwei gleiche Zeilen; da f alternierend ist, istalso f(A′) = 0, und damit

f(Sj,k(λ) ·A) = f(A) und analog g(Sj,k(λ) ·A) = g(A).

Multiplikation einer Zeile mit einem invertierbaren Element: Ist λ 6= 0,so gilt wegen der n-Linearitat

f(Mj(λ) ·A) = λ · f(A) und g(Mk(λ) ·A) = λ · g(A).

Induktiv folgt daher: Entsteht A′ durch elementare Zeilenumformungen aus Aund gilt f(A′) = g(A′), so ist auch f(A) = g(A).

Nach dem Gaußschen Algorithmus genugt es daher, zu zeigen, dass f und gauf MatrizenA′ inMn×n(K) in grundlicher Zeilenstufenform ubereinstimmen.

Ist rgA′ < n, so besteht die n-te Zeile von A′ nur aus Nullen. Also istwegen der n-Linearitat f(A′) = 0 = g(A′).

Ist rgA′ = n, so ist (wegen der grundlichen Zeilenstufenform) be-reits A′ = In und damit f(A′) = c = g(A′).

Also ist f = g. Dies zeigt die Eindeutigkeit.

Existenz. Wir betrachten zunachst nur den Fall c = 1. Den allgemeinenFall erhalt man dann, indem man die erhaltene Funktion punktweise mit cmultipliziert.

Wir konstruieren induktiv fur jede Dimension n ∈ N>0 eine Determinan-te fn : Mn×n(K) −→ K. Als Induktionsanfang definieren wir

f1 : M1×1(K) −→ K

(a) 7−→ a,

was offensichtlich eine Determinante auf M1×1(K) ist. Fur den Induktions-schritt sei n ∈ N>1 und eine/die Determinante fn−1 sei bereits konstruiert.Dann definieren wir (sogenannte Entwicklung nach der ersten Spalte)

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5.3. Die Determinante 149

A1,1

A[1, 1]

1

Aj,1

A[j, 1]

j

Abbildung 5.5.: Die Matrizen A[j, 1]

fn : Mn×n(K) −→ K

A 7−→n∑

j=1

(−1)j+1 ·Aj1 · fn−1(A[j, 1]).

Dabei bezeichnen wir mit A[j, 1] ∈ M(n−1)×(n−1)(K) die Matrix, die aus Aentsteht, wenn man die j-te Zeile und die erste Spalte streicht (Abbil-dung 5.5).

Wir zeigen, dass dann fn eine Determinante ist:

Es gilt fn(In) = 1, denn

fn(In) =

n∑

j=1

(−1)j+1 · δj,1 · fn(In[j, 1]) = 1 · fn(In−1) + 0 = 1;

im letzten Schritt haben wir dabei die Induktionsvoraussetzung in derForm fn−1(In−1) = 1 verwendet.

Die Abbildung fn : Mn×n(K) −→ K ist n-linear, denn: Wir zeigendies nur fur die erste Zeile (die anderen Zeilen gehen analog, aber dieNotation wird etwas unubersichtlicher). Fur alle A ∈Mn×n(K) ist

fn(A) = A1,1 · fn−1(A[1, 1]) +

n∑

j=2

(−1)j+1 · fn−1(A[j, 1]).

Wir untersuchen nun die beiden Teile getrennt:

– Erster Summand: Der Faktor A1,1 ist linear in der ersten Zeilevon A und die Matrix A[1, 1] andert sich nicht, wenn sich die ersteZeile von A andert. Also ist die Abbildung

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150 5. Matrizenkalkul

Mn×n(K) −→ K

A 7−→ A1,1 · fn−1(A[1, 1])

linear in der ersten Zeile.

– Hintere Summe: Sei j ∈ 2, . . . , n. Dann andert sich Aj,1 nicht,wenn sich die erste Zeile von A andert. Der Faktor fn−1(A[j, 1]) istnach Induktionsvoraussetzung in der ersten Zeile von A[j, 1] (undsomit auch von A) linear. Also ist die Abbildung

Mn×n(K) −→ K

A 7−→ Aj,1 · fn−1(A[j, 1])

linear in der ersten Zeile.

Insgesamt folgt somit, dass fn−1 linear in der ersten Zeile ist.

Die Abbildung fn : Mn×n(K) −→ K ist alternierend, denn: Sei A ∈Mn×n(K) und es gebe J ∈ 2, . . . , n mit A1∗ = AJ∗. Wir zeigen, dassdann fn(A) = 0 ist (die anderen Zeilen gehen analog, aber die Notationwird etwas unubersichtlicher). Dazu zerlegen wir fn(A) wieder in zweiTeile; nach Konstruktion ist

fn(A) = A1,1 · fn−1(A[j, 1]) + (−1)J+1 ·AJ,1 · fn−1(A[J, 1])

+∑

j ∈ 1, . . . , n \ 1, J(−1)j+1 ·Aj,1 · fn−1(A[j, 1]).

Wir betrachten diese beiden Teile getrennt:

– Hintere Summe: Ist j ∈ 1, . . . , n \ 1, J, so hat A[1, J ] zweigleiche Zeilen. Nach Induktionsvoraussetzung ist fn−1(A[j, 1]) =0.

– Erste beide Summanden: Da die erste und die J-te Zeile von Aubereinstimmen, ist Aj,1 = AJ,1. Außerdem kann man genau be-schreiben, wie sich die beiden Matrizen A[1, 1] und A[J, 1] unter-scheiden; die Matrix A[J, 1] entsteht namlich aus A[1, 1], indemman die J-te Zeile Zeile fur Zeile bis ganz nach oben tauscht (wasgenau J−2 Vertauschungen erfordert). Nach Induktionsvorausset-zung ist fn−1 als alternierende Abbildung auch antisymmetrisch,und somit

fn−1(A[J, 1]) = (−1)J−2 · fn−1(A[1, 1]).

Daher erhalten wir

A1,1 · fn−1(A[j, 1]) + (−1)J+1 ·AJ,1 · fn−1(A[J, 1]) = 0.

Insgesamt ergibt sich damit fn(A) = 0 + 0 = 0, wie gewunscht.

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5.3. Die Determinante 151

− − − + + +

A11 A21 A31

A12 A22 A32

A13 A23 A33

A11 A21

A12 A22

A13 A23

Abbildung 5.6.: Die Regel von Sarrus

Also ist fn eine Determinante auf Mn×n(K).

Bemerkung 5.3.4 (die Determinante in niedrigen Dimensionen). Sei K einKorper. Aus dem (konstruktiven) Existenzbeweis des vorigen Satzes erhaltenwir insbesondere die folgenden Formeln (nachrechnen):

det : M1×1(K) −→ K

(a) 7−→ a

det : M2×2(K) −→ K(a bc d

)7−→ a · d− c · b

det : M3×3(K) −→ K

A 7−→ A11 ·A22 ·A33

+A12 ·A23 ·A31

+A13 ·A21 ·A32

−A31 ·A22 ·A13

−A32 ·A23 ·A11

−A33 ·A21 ·A12.

Die Formel in Dimension 3 heißt auch Regel von Sarrus und lasst sich mitdem Schema in Abbildung 5.6 leicht merken.

5.3.2 Die Determinante und Invertierbarkeit

Wir weisen nun nach, dass die Determinante tatsachlich Invertierbarkeit cha-rakterisiert. Dies ist bereits implizit im Beweis von Satz 5.3.3 enthalten, wirwerden hier aber noch weitere Aspekte untersuchen. Als Vorbereitung zeigenwir, dass die Determinante im folgenden Sinne multiplikativ ist:

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152 5. Matrizenkalkul

Proposition 5.3.5 (Determinante und Produkt von Matrizen). Sei K einKorper und sei n ∈ N>0. Dann gilt fur alle A,B ∈Mn×n(K), dass

det(A ·B) = detA · detB.

Beweis. Sei B ∈ Mn×n(K). Es genugt (nach Satz 5.3.3) zu zeigen, dass dieAbbildung

f : Mn×n(K) −→ K

A 7−→ det(A ·B)

alternierend und n-linear ist und f(In) = detB gilt. Die letzte Bedingung istnach Konstruktion erfullt.

Die Abbildung f ist alternierend, denn: Hat A zwei gleiche Zeilen, so hatauch A ·B zwei gleiche Zeilen. Da die Determinante alternierend ist, ist somitauch f alternierend.

Die Abbildung f ist n-linear, denn: Linearkombinationen in den Zeilenvon A ubersetzen sich in Linearkombinationen in den Zeilen von A ·B. Daherfolgt die n-Linearitat von f aus der n-Linearitat der Determinante.

Da auch A 7→ detA · detB diese Eigenschaften besitzt, folgt mit der Ein-deutigkeitsaussage aus Satz 5.3.3, dass det(A ·B) = f(A) = detA · detB furalle A ∈Mn×n(K) gilt.

Satz 5.3.6 (die Cramersche Regel). Sei K ein Korper, sei n ∈ N>0 und seiA ∈Mn×n(K). Zu j, k ∈ 1, . . . , n schreiben wir A[j, k] ∈M(n−1)×(n−1)(K)fur die (n−1)×(n−1)-Matrix, die wir aus A erhalten, indem wir die j-te Zeileund die k-te Spalte streichen. Sei B := ((−1)j+k ·detA[j, k])j,k

T ∈Mn×n(K).

1. Dann giltB ·A = (detA) · In.

2. Insbesondere: Ist detA in K invertierbar, so ist auch A invertierbarund es gilt

A−1 =1

detA·B.

Bemerkung 5.3.7 (Entwicklung nach anderen Spalten). Analog zum Existenz-beweis in Satz 5.3.3 kann man zeigen, dass man auch durch Entwicklungnach anderen Spalten eine (und damit die!) Determinante konstruieren kann.Insbesondere gilt somit: Ist K ein Korper, n ∈ N, k ∈ 1, . . . , n undA ∈Mn×n(K), so gilt

detA =

n∑

j=1

(−1)j+kAj,k · det(A[j, k]).

Beweis (von Satz 5.3.6). Zu 1. Wir rechnen die behauptete Gleichung koef-fizientenweise nach. Um die Notation ubersichtlich zu halten, bestimmen wir

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5.3. Die Determinante 153

nur Bj∗ · A∗1 fur alle j ∈ 1, . . . , n. Die Produkte mit den anderen Spal-ten von A ergeben sich analog (unter Verwendung von Bemerkung 5.3.7).Nach Konstruktion von B, der Definition der Matrixmultiplikation und derKonstruktion der Determinante ist

B1∗ ·A∗1 =

n∑

k=1

(−1)k+1 · det(A[k, 1]) ·Ak,1 = detA.

Ist j ∈ 2, . . . , n, so betrachten wir die Matrix A′, die aus A entsteht, wennman die j-te Spalte durch die erste Spalte von A ersetzt. Mit Bemerkung 5.3.7erhalten wir dann

Bj∗ ·A∗1 =

n∑

k=1

(−1)k+j · det(A[k, j]) ·Ak,1

=

n∑

k=1

(−1)k+j · det(A′[k, j]) ·A′k,j

= (−1)j−1 · detA′.

Nach Konstruktion besitzt A′ zwei identische Spalten. Daher ist rgA′ < nund somit detA′ = 0 (Eindeutigkeitsbeweis in Satz 5.3.3). Also ist Bj∗ ·A∗1 =0. Insgesamt folgt auf diese Weise

B ·A = (detA) · In.

Zu 2. Der zweite Teil folgt aus dem ersten Teil, denn: Hat A ein linksseitigesInverses, so ist L(A) : Kn −→ Kn injektiv und damit nach Korollar 4.4.15invertierbar. Also ist auch A invertierbar und in Rezept 5.2.15 wird erklart,warum jedes einseitige Inverse bereits ein beidseitiges Inverses ist.

Caveat 5.3.8 (Rundungsfehler). Es ist im allgemeinen nicht sinnvoll, das In-verse einer Matrix mithilfe der Cramerschen Regel zu berechnen (da sichzum Beispiel zu viele Rundungsfehler ergeben). Es gibt bessere numerischeVerfahren, um Inverse mithilfe eines Computers zu bestimmen.

Aus den bisherigen Resultaten konnen wir nun direkt ableiten, dass Inver-tierbarkeit durch die Determinante charakterisiert wird:

Korollar 5.3.9 (Determinante und Invertierbarkeit). Sei K ein Korper, sei n ∈N>0 und sei A ∈Mn×n(K). Dann sind folgende Aussagen aquivalent:

1. Die Matrix A ist invertierbar.

2. Es gilt detA 6= 0.

Im invertierbaren Fall gilt dabei det(A−1) = 1/ detA.

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154 5. Matrizenkalkul

Beweis. Dies ist bereits implizit im Beweis von Satz 5.3.3 enthalten. Wirgeben nun noch ein alternatives Argument mithilfe der Multiplikativitat under Cramerschen Regel:

Sei A invertierbar. Dann ist detA 6= 0, denn: Sei B ∈Mn×n(K) das Inversevon A. Mit der Multiplikativitat der Determinante (Proposition 5.3.5) folgtdann

1 = det In = detA ·B = detA · detB;

insbesondere ist detA 6= 0 bzw. detA−1 = detB = 1/ detA.Sei detA 6= 0. Dann liefert die Cramersche Regel (Satz 5.3.6), dass A

invertierbar ist.

Korollar 5.3.10 (Invertieren von 2× 2-Matrizen). Sei K ein Korper und

A =

(a bc d

)∈M2×2(K).

Die Matrix A ist genau dann invertierbar, wenn a · d − c · b 6= 0 ist. Iminvertierbaren Fall gilt

A−1 =1

a · d− c · b ·(d −b−c a

).

Beweis. Die Charakterisierung der Invertierbarkeit folgt aus dem allgemeinenDeterminantenkriterium (Korollar 5.3.9) und der Formel fur die Determinan-te von 2×2-Matrizen (Bemerkung 5.3.4). Die Darstellung des Inversen ergibtsich dann direkt aus der Cramerschen Regel.

Bemerkung 5.3.11 (spezielle lineare Gruppe). Sei K ein Korper und n ∈ N>0.Dann ist

A ∈ GLn(K)∣∣ detA = 1

eine Gruppe bezuglich Matrixmultiplikation mit neutralem Element In (nach-rechnen), die sogenannte spezielle lineare Gruppe SLn(K) uber K. Zum Bei-spiel spielt die Gruppe SL2(R) eine wichtige Rolle in der hyperbolischen Geo-metrie, der geometrischen Gruppentheorie und der Zahlentheorie.

Bemerkung 5.3.12 (Orientierungen). Mithilfe der Multiplikativitat der Deter-minante lasst sich auf endlich-dimensionalen reellen Vektorraumen ein Orien-tierungsbegriff einfuhren, der mit dem anschaulichen Begriff von links- bzw.rechtshandigen Koordinatensystemen ubereinstimmt (Ubungsaufgabe).

5.3.3 Die Determinante von Endomorphismen

Wir wollen nun den Determinantenbegriff von Matrizen auf Endomorphis-men von endlich-dimensionalen Vektorraumen erweitern. Dies geschieht mit-

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5.3. Die Determinante 155

hilfe von darstellenden Matrizen. Dabei ist jedoch folgendes Problem zuberucksichtigen:

Caveat 5.3.13 (kanonisch). Der Standardvektorraum Kn besitzt eine ausge-zeichnete Basis, namlich die Standardbasis En. Im Gegensatz dazu besitzenallgemeine endlich-dimensionale Vektorraume V im allgemeinen keine aus-gezeichnete Basis – es gibt viele Wahlen von Basen in V und diese sind allegleichberechtigt. Es gibt also im allgemeinen keinen ausgezeichneten Isomor-phismus V ∼=K KdimK V . Daher gibt es im allgemeinen auch fur Endomor-phismen f : V −→ V keine ausgezeichnete darstellende Matrix.

Im mathematischen Sprachgebrauch bezeichnet man die Standardbasis Envon Kn auch als kanonische Basis (da sie von keinen weiteren Wahlenabhangt). Allgemeiner bezeichnet man mathematische Objekte/Abbildungenetc. als kanonisch, wenn sie direkt aus den gegebenen Daten (ohne weitereWahlen) eindeutig bestimmt sind (z.B. die kanonischen Projektionen aus Pro-dukten, die kanonische Projektion auf Quotientenvektorraume, . . . ).

Daher liefert nicht jede Invariante von Matrizen eine Invariante von En-domorphismen (die nicht von den gewahlten Basen abhangt). Fur die De-terminante funktioniert das jedoch (wenn man fur den Start- und Zielraumdieselbe Basis wahlt):

Satz 5.3.14 (Determinante eines Endomorphismus). Sei K ein Korper, seif : V −→ V ein Endomorphismus eines endlich-dimensionalen K-Vektor-raums V mit n := dimK V > 0. Sind B und C Basen von V , so gilt

detMB,B(f) = detMC,C(f).

Man bezeichnet diese Zahl det f := detMB,B(f) ∈ K als Determinantevon f .

Beweis. Sind B und C Basen von V , so folgt mit der Basiswechselformel(Proposition 5.1.20) und der Multiplikativitat der Determinante, dass

detMC,C(f) = det(M−1C,B ·MB,B(f) ·MC,B

)

= (detMC,B)−1 · detMB,B(f) · detMC,B

= detMB,B(f),

wie behauptet.

Korollar 5.3.15 (Determinante und Invertierbarkeit von Endormorphismen).Sei K ein Korper, sei f : V −→ V ein Endomorphismus eines endlich-dimensionalen K-Vektorraums V mit dimK V > 0. Dann sind aquivalent:

1. Der Endormorphismus f ist ein Isomorphismus V −→ V .

2. Es gilt det f 6= 0.

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156 5. Matrizenkalkul

Beweis. Da die Invertierbarkeit von linearen Abbildungen zur Invertierbar-keit von darstellenden Matrizen aquivalent ist, folgt dies aus der Charakte-risierung der Invertierbarkeit von Matrizen uber die Determinante (Korol-lar 5.3.9).

5.3.4 Die Leibniz-Formel fur die Determinante

Zum Abschluss der Diskussion von Determinanten wollen wir die rekursiveBeschreibung der Determinante durch Entwicklung nach einer Spalte zu einerexpliziten Formel erweitern:

Satz 5.3.16 (Leibniz-Formel fur die Determinante). Sei K ein Korper und sein ∈ N>0. Ist A ∈Mn×n(K), so gilt

detA =∑

σ∈Sn

sgn(σ) ·n∏

j=1

Aj,σ(j).

Exkurs: Permutationen und das Signum

Um diese Formel zu verstehen, mussen wir uns auf einen kurzen Exkurs ubersymmetrische Gruppen begeben: Ist n ∈ N, so schreiben wir

Sn := S1,...,n

fur die symmetrische Gruppe von 1, . . . , n (d.h. fur die Gruppe aller Bijek-tionen 1, . . . , n −→ 1, . . . , n bezuglich Komposition, Proposition 2.2.16).Die Elemente von Sn bezeichnet man auch als Permutationen von 1, . . . , n.Die Gruppe Sn enthalt genau n! Elemente (nachrechnen) und daher hat dieLeibniz-Formel n! Summanden.

Definition 5.3.17 (Signum, gerade/ungerade Permutation). Sei n ∈ N. Danndefinieren wir das Signum durch

sgn: Sn −→ −1, 1

σ 7−→∏

(j,k)∈Jn

σ(k)− σ(j)

k − j ,

wobei Jn := (j, k) | j, k ∈ 1, . . . , n und j < k. Permutationen σ ∈ Snmit sgnσ = 1 bezeichnet man als gerade Permutationen, die anderen alsungerade Permutationen.

Man beachte, dass sgn tatsachlich nur die Werte −1 und 1 annimmt:Ist σ ∈ Sn, so haben die beiden Produkte

∏(j,k)∈Jn(σ(k) − σ(j)) und

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5.3. Die Determinante 157

∏(j,k)∈Jn(k − j) bis auf das Vorzeichen dieselben Faktoren. Nach Definiti-

on misst das Signum wie sehr Permutation die Ordnung umkehren. Um dasSignum besser zu verstehen, betrachten wir zwei wichtige Eigenschaften:

Beispiel 5.3.18 (Signum von Transpositionen). Sei n ∈ N. Permutationen, dieeinfach zwei (verschiedene) Elemente von 1, . . . , nmiteinander vertauschen,bezeichnet man auch als Transpositionen. Sind J,K ∈ 1, . . . , n mit J 6= K,so schreibt man auch (J K) fur die Transposition, die J und K vertauscht.Dann gilt

sgn(J K) = −1,

denn: Sei ohne Einschrankung J < K; wir schreiben σ := (J K). NachDefinition ist sgn(σ) = (−1)m, wobei m die Anzahl der Paare (j, k) ∈ Jnist, fur die σ(k) < σ(j) ist. Im Fall der Transposition σ = (J K) sind diesgenau die folgenden Paare: Das Paar (J,K), sowie die Paare (J, k) mit k ∈J + 1, . . . ,K − 1 und die Paare (j,K) mit j ∈ J + 1, . . . ,K − 1. Also ist

sgn(σ) = (−1)1+K−1−J+K−1−J = −1.

Proposition 5.3.19 (Multiplikativitat des Signums). Sei n ∈ N. Dann gilt furalle σ, τ ∈ Sn, dass

sgn(σ τ) = sgn(σ) · sgn(τ).

Beweis. Seien σ, τ ∈ Sn. Dann gilt

sgn(σ τ) =∏

(j,k)∈Jn

σ τ(k)− σ τ(j)

k − j

=∏

(j,k)∈Jn

σ τ(k)− σ τ(j)

τ(k)− τ(j)· τ(k)− τ(j)

k − j

=( ∏

(j,k)∈Jn

σ τ(k)− σ τ(j)

τ(k)− τ(j)

)· sgn(τ)

=( ∏

(j,k)∈Jn

σ(k)− σ(j)

k − j)· sgn(τ)

= sgn(σ) · sgn(τ).

Im vorletzten Schritt haben wir verwendet, dass τ : 1, . . . , n −→ 1, . . . , nbijektiv ist, und die folgende Fallunterscheidung gemacht: Sei (j, k) ∈ Jn.

Ist τ(j) < τ(k), so ist (τ(j), τ(k)) ∈ Jn.

Ist τ(j) > τ(k), so ist (τ(k), τ(j)) ∈ Jn und

σ τ(k)− σ τ(j)

τ(k)− τ(j)=σ τ(j)− σ τ(k)

τ(j)− τ(k).

Also ist sgn(σ τ) = sgn(σ) · sgn(τ).

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158 5. Matrizenkalkul

Korollar 5.3.20 (gerade Permutationen sind gerade). Sei n ∈ N und σ ∈ Sn.Es gebe d ∈ N und Transpositionen τ1, . . . , τd ∈ Sn mit σ = τd · · · τ1. Dannsind die folgenden Aussagen aquivalent:

1. Die Permutation σ ist gerade.

2. Die Zahl d ist gerade.

Beweis. Per Induktion folgt aus Beispiel 5.3.18 und Propositon 5.3.19, dasssgn(σ) = (−1)d ist.

Außerdem kann man sich leicht (induktiv) uberlegen, dass sich jede Permu-tation in Sn als Komposition endlich vieler Transpositionen schreiben lasst.Die geraden Permutationen sind somit genau die Permutationen, die sich alsKomposition einer geraden Anzahl von Transpositionen schreiben lassen.

Bemerkung 5.3.21 (alternierende Gruppe). Sei n ∈ N. Die Menge An := σ ∈Sn | sgn(σ) = 1 ⊂ Sn der geraden Transpositionen bildet bezuglich Kom-position eine Gruppe (nachrechnen), die sogenannte alternierende Gruppeauf 1, . . . , n. Ist τ ∈ Sn eine Transposition, so gilt (wegen der Multiplika-tivitat des Signums und τ2 = id)

Sn = An ∪An · τ und An ∩An · τ = ∅.

Die alternierenden Gruppen haben sehr interessante gruppentheoretische Ei-genschaften und sind in der Algebra ein wichtiges Hilfsmittel bei der Un-tersuchung der Auflosbarkeit von polynomialen Gleichungen durch iterierteWurzeln.

Beweis der Leibniz-Formel

Mit diesen Vorbereitungen konnen wir nun die Leibniz-Formel aus Satz 5.3.16verstehen und beweisen. Die verschiedenen Charakterisierungen bzw. dieKonstruktion der Determinante liefern verschiedene Beweisvarianten. Wirwerden die

”axiomatische“ Variante verwenden:

Beweis von Satz 5.3.16. Es genugt zu zeigen, dass die Abbildung

D : Mn×n(K) −→ K

A 7−→∑

σ∈Sn

sgn(σ) ·n∏

j=1

Aj,σ(j)

n-linear und alternierend ist und auf In den Wert 1 liefert (Satz 5.3.3).

Es gilt D(In) = 1, denn: Nach Definition ist

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5.3. Die Determinante 159

D(In) =∑

σ∈Sn

sgn(σ)

n∏

j=1

δj,σ(j)

= 1 +∑

σ∈Sn\idsgn(σ)

n∏

j=1

δj,σ(j).

Da es fur jedes σ ∈ Sn \ id ein j ∈ 1, . . . , n mit σ(j) 6= j gibt, istdie hintere Summe gleich 0. Also ist D(In) = 1.

Die Abbildung D ist n-linear, denn: Sei J ∈ 1, . . . , n; wir zeigen nunLinearitat in der J-ten Zeile. Nach Definition gilt fur alle A ∈Mn×n(K)

D(A) =∑

σ∈Sn

sgn(σ) ·AJ,σ(J) ·∏

j∈1,...,n\JAj,σ(j).

Der erste Faktor in jedem der Summanden hangt linear von der J-tenZeile ab und die restlichen Faktoren hangen nicht von der J-ten Zeileab. Also ist D linear in der J-ten Zeile.

Die Abbildung D ist alternierend, denn: Sei A ∈Mn×n(K) und es gebeJ,K ∈ 1, . . . , n mit J 6= K und AJ∗ = AK∗. Dann gilt D(A) = 0,denn: Sei τ := (J K) ∈ Sn. Dann liefert die Definition von D undBemerkung 5.3.21, dass

D(A) =∑

σ∈Sn

sgn(σ) ·n∏

j=1

Aj,σ(j)

=∑

σ∈An

sgn(σ) ·n∏

j=1

Aj,σ(j) +∑

σ∈An

sgn(σ τ) ·n∏

j=1

Aj,στ(j).

Da die J-te und die K-te Zeile von A ubereinstimmen und τ = (J K)ist, gilt fur jedes σ ∈ Sn, dass

n∏

j=1

Aj,σ(j) = AJ,σ(J) ·AK,σ(K) ·∏

j∈1,...,n\J,KAj,σ(j) =

n∏

j=1

Aj,στ(j).

Also erhalten wir

D(A) =∑

σ∈An

1 ·n∏

j=1

Aj,σ(j) +∑

σ∈An

(−1) ·n∏

j=1

Aj,σ(j) = 0.

Somit stimmt D mit der Determinantenfunktion uberein.

Korollar 5.3.22 (Determinante und transponierte Matrizen). Sei K ein Korperund n ∈ N. Dann gilt

detA = detAT.

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160 5. Matrizenkalkul

Beweis. Mit der Leibniz-Formel fur die Determinante (Satz 5.3.16) erhaltenwir

detAT =∑

σ∈Sn

sgn(σ) ·n∏

j=1

Aσ(j),j

=∑

σ∈Sn

sgn(σ) ·n∏

j=1

Aj,σ−1(j)

=∑

σ∈Sn

sgn(σ−1) ·n∏

j=1

Aj,σ(j).

Fur σ ∈ Sn gilt aufgrund der Multiplikativitat des Signums, dass sgn(σ−1) =sgn(id1,...,n)/ sgn(σ). Wegen sgn(σ) ∈ −1, 1 ist also sgn(σ−1) = sgn(σ).Also ist

detAT =∑

σ∈Sn

sgn(σ) ·n∏

j=1

Aj,σ(j) = detA,

wobei wir im letzten Schritt nochmal die Leibniz-Formel angewendet haben.

Insbesondere kann man die Determinante somit auch durch Zeilenentwick-lung statt durch Spaltenentwicklung berechnen.

Außerdem liefert die Leibniz-Formel unmittelbar, dass die Determinante

”polynomial“ in den Koeffizienten von Matrizen ist.

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6

Normalformen I: Eigenwerte undDiagonalisierbarkeit

Wir werden uns nun mit der Klassifikation von Endomorphismen von Vek-torraumen auseinandersetzen. Wie wir bereits gesehen haben, kann man inmanchen Fallen Endomorphismen durch Basiswechsel auf eine einfacher zuverstehende Form bringen. Es ist daher eine naheliegende Frage, auf welcheeinfachen Formen man sich im allgemeinen Fall reduzieren kann.

Wir werden zunachst den Spezialfall untersuchen, in dem man den betrach-teten Endomorphismus sogar auf Diagonalgestalt transformieren kann. Diesfuhrt zur Theorie der Eigenwerte und Eigenvektoren. Geometrisch betrach-tet sind Eigenvektoren Vektoren auf denen der betrachtete Endomorphismusbesonders einfach (namlich als Skalierung) wirkt.

Die Theorie der Eigenwerte und Eigenvektoren hat vielfaltige Anwendun-gen, z.B. in der Physik und der Kombinatorik.

Uberblick uber dieses Kapitel.

6.1 Eigenwerte und Eigenvektoren 1626.2 Diagonalisierbarkeit 1686.3 Das charakteristische Polynom 1736.4 Ausblick: Die Jordansche Normalform 180

Schlusselbeispiel. Jordanblocke aller Art, Rotationsmatrizen

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162 6. Normalformen I: Eigenwerte und Diagonalisierbarkeit

6.1 Eigenwerte und Eigenvektoren

Eigenvektoren sind (nicht-triviale) Vektoren, die durch einen gegebenen En-domorphismus einfach nur skaliert werden:

Definition 6.1.1 (Eigenwert, Eigenvektor, Eigenraum). Sei K ein Korper, seiV ein K-Vektorraum und sei f : V −→ V ein Endomorphismus von V . Seiaußerdem λ ∈ K.

Man nennt v ∈ V einen Eigenvektor zum Eigenwert λ, wenn v 6= 0 istund

f(v) = λ · v.

Man nennt λ einen Eigenwert von f , wenn f einen Eigenvektor zumEigenwert λ besitzt.

Man bezeichnet

Eigλ(f) := v ∈ V | f(v) = λ · v = ker(f − λ · idV ) ⊂ V

als Eigenraum zum Eigenwert λ von f ; als Kern ist dies tatsachlich einUntervektorraum von V . Man nennt dimK Eigλ(f) die geometrischeVielfachheit von λ bezuglich f .

Diese Begriffe konnen wir auch auf quadratische Matrizen ubertragen:

Definition 6.1.2 (Eigenwert, Eigenvektor, Eigenraum von Matrizen). Sei K einKorper, sei n ∈ N und sei A ∈ Mn×n(K). Eigenwerte, Eigenvektoren undEigenraume von L(A) : Kn −→ Kn bezeichnet man auch als Eigenwerte,Eigenvektoren und Eigenraume von A.

Beispiel 6.1.3.

Die Identitat (bzw. die Einheitsmatrix, jeweils im Falle nicht-trivialerVektorraume) haben 1 als einzigen Eigenwert, der Eigenraum ist derganze Raum (also sind alle Vektoren ungleich 0 Eigenvektoren zumEigenwert 1).

Ein Endomorphismus hat genau dann 0 als Eigenwert, wenn der Endo-morphismus nicht injektiv ist.

Sei C∞(R,R) der R-Vektorraum der unendlich oft differenzierbarenFunktionen R −→ R. Dann ist der Ableitungsoperator

D : C∞(R,R) −→ C∞(R,R)

f 7−→ f ′

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6.1. Eigenwerte und Eigenvektoren 163

ein Endomorphismus von C∞(R,R). Sei λ ∈ R. Eigenvektoren von Dzum Eigenwert λ sind also genau die Funktionen f ∈ C∞(R,R) \ 0mit

f ′ = λ · f.Aus der Analysis ist bekannt, dass

Eigλ(D) = c · (x 7→ eλ·x) | c ∈ R

gilt. Diese Beobachtung spielt bei der Losung linearer Differentialglei-chungssysteme (in Kombination mit der Normalformentheorie von Ma-trizen) eine entscheidende Rolle.

Ausblick 6.1.4 (Eigenwerte und Eigenvektoren in der Physik). In der Phsyiktreten Eigenwerte und Eigenvektoren an diversen Stellen auf. Zum Beispielwerden in der Quantenmechanik physikalischen Großen durch Operatorenmodelliert; die Eigenwerte solcher Operatoren werden dann als die messba-ren Großen interpretiert. Auf diese Weise erhalt man auch eine Erklarungder Heisenbergschen Unscharferelation durch Begriffe der linearen Algebra(namlich dadurch, dass der Orts- und Impulsoperator keine gemeinsamen Ei-genvektoren besitzen). Auch Energieniveaus von Atomen, Eigenfrequenzen,etc. konnen als Eigenwerte gewisser physikalisch motivierter linearer Abbil-dungen angesehen werden.

Auch in vielen anderen Anwendungen spielt die Eigenwerttheorie einewichtige Rolle; z.B. treten im PageRank-Verfahren (Google) auf naturlicheWeise Eigenwertprobleme auf.

Proposition 6.1.5 (Charakterisierung von Eigenwerten). Sei K ein Korper, seif : V −→ V ein Endomorphismus eines K-Vektorraums V und sei λ ∈ K.Dann sind folgende Aussagen aquivalent:

1. Es ist λ ein Eigenwert von f .

2. Es ist ker(f − λ · idV ) 6= 0.

Ist V endlich-dimensional, so sind diese Aussagen außerdem aquivalent zuden folgenden Aussagen:

3. Es ist rg(f − λ · idV ) < dimK V .

4. Es ist det(f − λ · idV ) = 0.

Beweis. Die Aquivalenz von 1. und 2. erhalt man direkt aus der Definitionvon Eigenwerten und der Tatsache, dass

∀v∈V(f(v) = λ · v ⇐⇒ (f − λ · idV )(v) = 0

).

Im endlich-dimensionalen Fall liefern dann Korollar 5.3.9 und Korollar 4.4.15die Aquivalenz aller vier Aussagen.

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164 6. Normalformen I: Eigenwerte und Diagonalisierbarkeit

Bemerkung 6.1.6 (Bestimmung von Eigenwerten und Eigenraumen). Sei K einKorper, sei n ∈ N>0 und sei A ∈Mn×n(K).

Wir konnen also die Eigenwerte von A bestimmen, indem wir alle λ ∈ Kbestimmen, die die Gleichung

det(A− λ · In) = 0

erfullen.

Den zugehorigen Eigenraum V (A − λ · In, 0) kann man dann gegebe-nenfalls mit dem Gaußschen Algorithmus berechnen.

Es ist dabei zu beachten, dass sich die Losungen λ ∈ K der Glei-chung det(A−λ·In) = 0 im allgemeinen nicht algorithmisch exakt bestimmenlassen (sondern nur naherungsweise numerisch). Dies liegt daran, dass sichpolynomiale Gleichungen im allgemeinen nicht durch Radikale (d.h. durchiteriertes Wurzelziehen) losen lassen (s. Algebra).

Wie bestimmt man Eigenwerte und Eigenraume von Endomorphismen?Sei f : V −→ V ein Endomorphismus eines endlich-dimensionalen K-Vektor-raums V mit n := dimK V > 0. Man wahlt nun eine Basis B von V undbestimmt die zugehorige Darstellende Matrix A := MB,B(f) ∈Mn×n(K).

Fur alle λ ∈ K ist

det(f − λ · idV ) = det(MB,B(f − λ · idV )

)

= det(MB,B(f)− λ ·MB,B(idV )

)

= det(A− λ · In).

Man kann die Eigenwerte von f also bestimmen, indem man die Eigen-werte von A bestimmt.

Außerdem ist

Eigλ(f) = ker(f − λ · idV ) = TEn,B

(V (A− λ · In, 0)

).

Beispiel 6.1.7.

Sei

R :=

(0 −11 0

)∈M2×2(R).

Dann ist L(R) : R2 −→ R2 Rotation um π/2. Geometrisch wurden wirdaher keine Eigenwerte erwarten. Fur alle λ ∈ R gilt

det(R− λ · I2) = λ2 + 1 6= 0.

Also besitzt R tatsachlich keine Eigenwerte (in R).

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6.1. Eigenwerte und Eigenvektoren 165

Sei

S :=

(−1 00 1

)∈M2×2(R).

Dann ist L(S) : R2 −→ R2 die Spiegelung an der zweiten Koordina-tenachse. Geometrisch erwarten wir, dass dann e1 ein Eigenvektor zumEigenwert −1, dass e2 ein Eigenvektor zum Eigenwert 1 ist und dassS keine weiteren Eigenwerte hat. Dies lasst sich wie folgt uberprufen:Fur alle λ ∈ R gilt

det(S − λ · I2) = λ2 − 1.

Also besitzt S genau die Eigenwerte 1 und −1. Nachrechnen zeigt au-ßerdem, dass Eig1(S) = R · e2 und Eig−1(S) = R · e1.

Sei

D :=

(2016 0

0 2017

)∈M2×2(R).

Fur alle λ ∈ R gilt dann

det(D − λ · I2) = (2016− λ) · (2017− λ).

Also besitzt D genau die Eigenwerte 2016 und 2017. Dabei ist e1 einEigenvektor zum Eigenwert 2016 und e2 ist ein Eigenvektor zum Ei-genwert 2017.

Sei

J :=

(2 10 2

)∈M2×2(R).

Fur alle λ ∈ R gilt dann

det(J − λ · I2) = (2− λ) · (2− λ).

Also ist 2 der einzige Eigenwert von J . Wegen

V (J − 2 · I2, 0) = SpanRe1

hat der Eigenwert 2 die geometrische Vielfachheit 1 bezuglich J .

Sei

A :=

(0 21 0

).

Fur alle λ ∈ R istdet(A− λ · I2) = λ2 − 2.

Fassen wir A als Matrix in M2×2(R) auf, so besitzt A genau zwei Ei-genwerte, namlich

√2 und −

√2. Fassen wir A als Matrix in M2×2(Q)

auf, so besitzt A jedoch keine Eigenwerte (denn√

2 und −√

2 sindirrationale Zahlen).

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166 6. Normalformen I: Eigenwerte und Diagonalisierbarkeit

Sei

B :=

(0 2−1 0

)

Fur alle λ ∈ C istdet(B − λ · I2) = λ2 + 2.

Fassen wir B als Matrix in M2×2(C) auf, so besitzt B genau zwei Eigen-werte, namlich i ·

√2 und −i ·

√2. Fassen wir B als Matrix in M2×2(R)

oder M2×2(Q(i)) auf, so besitzt B jedoch keine Eigenwerte.

Definition 6.1.8 (Spektrum). Sei K ein Korper und sei f : V −→ V ein En-domorphismus eines K-Vektorraums. Dann bezeichnen wir

σK(f) := λ ∈ K | (f − λ · idV ) ist nicht invertierbar ⊂ K

als Spektrum von f (uber K). Ist n ∈ N und A ∈Mn×n(K), so schreiben wirauch

σK(A) := σK(L(A)

)⊂ K

fur das Spektrum von A (uber K).

Bemerkung 6.1.9 (Spektrum und Eigenwerte). Jeder Eigenwert liegt im Spek-trum des betrachteten Endomorphismus. Fur Endomorphismen von endlich-dimensionalen Vektorraumen stimmt das Spektrum sogar mit der Mengeder Eigenwerte uberein (Proposition 6.1.5). Im unendlich-dimensionalen Fallkann es jedoch Elemente des Spektrums geben, die keine Eigenwerte sind.

Proposition 6.1.10 (lineare Unabhangigkeit von Eigenvektoren). Sei K einKorper, sei f : V −→ V ein Endomorphismus eines K-Vektorraums V ,sei n ∈ N und seien λ1, . . . , λn ∈ K verschiedene Eigenwerte von f . Sindv1, . . . , vn Eigenvektoren von f zu den Eigenwerten λ1, . . . , λn, so ist die Fa-milie (v1, . . . , vn) linear unabhangig.

Beweis. Wir beweisen die Behauptung durch Induktion uber n ∈ N:

Induktionsanfang. Ist n = 0, so handelt es sich um die leere Familie(und diese ist linear unabhangig). Ist n = 1, so liegt eine einelementigeFamilie, bestehend aus einem Eigenvektor von f , vor. Nach Definitionsind Eigenvektoren nicht der Nullvektor. Also ist auch in diesem Falldie Familie linear unabhangig.

Induktionsschritt. Sei nun n ∈ N≥2 und die Behauptung sei bereits furFamilien mit hochstens n − 1 Eigenvektoren zu verschiedenen Eigen-werten bereits bewiesen. Seien α1, . . . , αn ∈ K mit

n∑

j=1

αj · vj = 0.

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6.1. Eigenwerte und Eigenvektoren 167

Angenommen, einer der Koeffizienten α1, . . . , αn ist ungleich 0; ohneEinschrankung sei α1 6= 0. Dann folgt

v1 = − 1

α1·n∑

j=2

αj · vj .

Wenn wir nun f auf die ursprungliche Gleichung anwenden und dieseDarstellung von v1 einsetzen, erhalten wir (da es sich um Eigenvektorenhandelt!)

0 = f(0) = f

( n∑

j=1

αj · vj)

=

n∑

j=1

αj · f(vj) =

n∑

j=1

αj · λj · vj

= −α1 · λ1 ·1

α1·n∑

j=2

αj · vj +

n∑

j=2

αj · λj · vj

=

n∑

j=2

αj · (λj − λ1) · vj .

Nach Induktionsvoraussetzung sind (v2, . . . , vn) linear unabhangig. Al-so ist αj · (λ1 − λj) = 0 fur alle j ∈ 2, . . . , n. Da die Eigenwerte alleverschieden sind, folgt somit

∀j∈2,...,n αj = 0.

Nach der obigen Darstellung ist dann aber auch v1 = 0, im Widerspruchdazu, dass v1 ein Eigenvektor von f ist. Also erhalten wir α1 = · · · =αn = 0, was die lineare Unabhangigkeit von (v1, . . . , vn) liefert.

Da lineare Unabhangigkeit uber die lineare Unabhangigkeit von endlichenTeilfamilien definiert ist, gilt die analoge Aussage dann auch fur unendlicheFamilien von Eigenvektoren zu verschiedenen Eigenwerten.

Korollar 6.1.11 (Große des Spektrums). Sei K ein Korper und sei f : V −→ Vein Endomorphismus eines endlich-dimensionalen K-Vektorraums V . Dannist ∣∣σK(f)

∣∣ ≤ dimK V.

Beweis. Dies folgt aus der Tatsache, dass das Spektrum σK(f) von f ge-nau aus den Eigenwerten von f besteht (Bemerkung 6.1.9) und der obigenProposition 6.1.10.

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168 6. Normalformen I: Eigenwerte und Diagonalisierbarkeit

6.2 Diagonalisierbarkeit

Wir betrachten nun die einfachste Form, die ein Endomorphismus besitzenkann, namlich Diagonalgestalt. Manche Endomorphismen sind zwar nicht inDiagonalgestalt gegeben, konnen aber in eine solche Diagonalgestalt transfor-miert werden (Beispiel 5.1.13). Es wird sich jedoch herausstellen, dass nichtjeder Endomorphismus auf eine solche Diagonalgestalt transformiert werdenkann. Dies fuhrt zum Begriff der Diagonalisierbarkeit (die einer der Ursprungeder Normalformentheorie ist).

Definition 6.2.1 (diagonalisierbar). Sei K ein Korper.

Sei f : V −→ V ein Endomorphismus eines K-Vektorraums. Dann ist fdiagonalisierbar (uber K), wenn V eine Basis aus Eigenvektoren von fbesitzt.

Sei n ∈ N. Eine Matrix A ∈ Mn×n(K) heißt diagonalisierbar, wennL(A) : Kn −→ Kn diagonalisierbar ist.

Fur Matrizen bzw. Endomorphismen von endlich-dimensionalen Vektor-raumen hangt diese Definition wie folgt mit der Diagonalgestalt von Matrizenzusammen:

Proposition 6.2.2 (Diagonalisierbarkeit von Matrizen). Sei K ein Korperund A ∈Mn×n(K). Dann ist A genau dann (uber K) diagonalisierbar, wennes eine Matrix S ∈ GLn(K) gibt, so dass S−1 ·A ·S eine Diagonalmatrix ist.

Definition 6.2.3 (Diagonalmatrix). Sei K ein Korper und n ∈ N. Eine Ma-trix A ∈Mn×n(K) bezeichnet man als Diagonalmatrix, wenn

∀j,k∈1,...,n j 6= k =⇒ Aj,k = 0

gilt (d.h. wenn A keine nicht-trivialen Eintrage außerhalb der Hauptdiago-nalen besitzt).

Beweis (von Proposition 6.2.2). Sei zunachst A diagonalisierbar. Dann gibtes eine Matrix S ∈ GLn(K) mit S−1 · A · S in Diagonalgestalt, denn: Da Adiagonalisierbar ist, besitzt Kn eine Basis B aus Eigenvektoren von A. Dannist

M(TEn,B)−1 ·A ·M(TEn,B) = M(TB,En) ·A ·M(TEn,B)

(die Spalten sind die Bilder der Einheitsvektoren!) in Diagonalgestalt. Alsohat S := M(TEn,B) ∈ GLn(K) die gewunschte Eigenschaft.

Umgekehrt gebe es eine Matrix S ∈ GLn(K), so dass S−1 ·A ·S in Diago-nalgestalt ist. Dann ist A diagonalisierbar, denn: Seien v1, . . . , vn die Spaltenvon S. Da S invertierbar ist, ist somit B := (v1, . . . , vn) eine Basis von Kn

und nach Konstruktion gilt S = M(TEn,B). Da

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6.2. Diagonalisierbarkeit 169

M(TB,En) ·A ·M(TEn,B) = M(TEn,B)−1 ·A ·M(TEn,B) = S−1 ·A · S

nach Voraussetzung in Diagonalgestalt ist, besteht B aus Eigenvektoren (dieSpalten sind die Bilder der Einheitsvektoren!).

Caveat 6.2.4 (schwache Diagonalisierbarkeit). Ist K ein Korper, n ∈ N undist A ∈ Mn×n(K), so gibt es immer S, T ∈ GLn(K) mit der Eigenschaft,dass T · A · S in Diagonalgestalt ist (Ubungsaufgabe). Der Unterschied zumDiagonalisierbarkeitskriterium in Proposition 6.2.2 besteht darin, dass manim allgemeinen nicht erreichen kann, dass T = S−1 gilt!

Korollar 6.2.5 (Diagonalisierbarkeit von Endomorphismen). Sei K ein Korperund f : V −→ V ein Endomorphismus eines endlich-dimensionalen K-Vektorraums. Dann ist f genau dann (uber K) diagonalisierbar, wenn eseine Basis B von V gibt, so dass MB,B(f) eine Diagonalmatrix ist. (Manbeachte, dass man im Start- und Zielraum dieselbe Basis wahlt!)

Beweis. Dies folgt aus Proposition 6.2.2 und Korollar 5.1.21 (uber darstel-lende Matrizen von Endomorphismen).

Proposition 6.2.6 (Diagonalisierbarkeit und geometrische Vielfachheiten). SeiK ein Korper und f : V −→ V ein Endomorphismus eines endlich-dimensio-nalen K-Vektorraums.

1. Dann ist ∑

λ∈σK(f)

dimK Eigλ(f) ≤ dimK V.

2. Der Endomorphismus f ist genau dann (uber K) diagonalisierbar, wenn

λ∈σK(f)

dimK Eigλ(f) = dimK V

ist (d.h. wenn sich die geometrischen Vielfachheiten zur Dimension desVektorraums summieren).

Beweis. Zu 1. Aus Proposition 6.1.10 erhalten wir (nachrechnen!): Wahlenwir in jedem Eigenraum eine Basis und fugen diese Basen zu einer Familie Bzusammen, so ist B eine linear unabhangige Familie. Insbesondere ist

λ∈σK(f)

dimK Eigλ(f) ≤ dimK V.

Zu 2. Sei f diagonalisierbar, d.h. V besitzt eine Basis aus Eigenvektorenvon f . Insbesondere folgt dann

dimK V ≤∑

λ∈σK(f)

dimK Eigλ(f).

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170 6. Normalformen I: Eigenwerte und Diagonalisierbarkeit

Zusammen mit der Ungleichung aus dem ersten Teil erhalten wir somitGleichheit.

Es gelte umgekehrt∑λ∈σK(f) dimK Eigλ(f) = dimK V . Setzen wir Basen

der Eigenraume wie in der Voruberlegung zu einer Familie B zusammen, soerhalten wir eine linear unabhangige FamilieB in V , die aus dimK V Vektorenbesteht. Also ist B eine Basis von V , was zeigt, dass f diagonalisierbar ist.

Korollar 6.2.7 (Gratis-Diagonalisierbarkeit). Sei K ein Korper und es seif : V −→ V ein Endomorphismus eines endlich-dimensionalen K-Vektor-raums. Gibt es dimK V verschiedene Eigenwerte zu f , so ist f diagonalisier-bar.

Beweis. Dies folgt direkt aus der vorherigen Proposition 6.2.6.

Aus den bisherigen Uberlegungen erhalten wir, wie man Diagonalisierbar-keit testen bzw. Transformationen auf Diagonalform berechnen kann:

Bemerkung 6.2.8 (Test auf Diagonalisierbarkeit und Diagonaltransformatio-nen). Sei K ein Korper, sei n ∈ N>0 und sei A ∈Mn×n(K). Wie konnen wirfeststellen, ob A diagonalisierbar ist? Und wie konnen wir A bei Vorliegenvon Diagonalisierbarkeit in eine Diagonalmatrix transformieren?

Zunachst bestimmt man wie in Bemerkung 6.1.6 die Eigenwerte von A,d.h., man berechnet das Spektrum σK(A) von A.

Fur jedes λ ∈ σK(A) bestimmt man dann wie in Bemerkung 6.1.6die Dimensionen (bzw. sogar eine Basis) des Eigenraums Eigλ(A) =V (A− λ · In, 0).

Nach Proposition 6.2.6 ist A genau dann diagonalisierbar, wenn

λ∈σK(A)

dimK Eigλ(A) = n

ist.

Falls A diagonalisierbar ist: Zu jedem λ ∈ σK(A) sei Bλ eine Basisvon Eigλ(A). Dann ist (nach dem Beweis von Proposition 6.2.6) diekombinierte Familie B := (Bλ)λ∈σK(A) eine Basis von Kn, die ausEigenvektoren von A besteht. Nach dem Beweis von Proposition 6.2.2hat dann die Matrix

S := TEm,B

(also die Matrix, die man erhalt, indem man die Elemente von B alsSpalten der Matrix auffasst) die Eigenschaft, dass

S−1 ·A · S

eine Diagonalmatrix ist; die Diagonaleintrage sind dabei die Eigenwertevon A (jeweils so oft wie ihre geometrische Vielfachheit angibt).

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6.2. Diagonalisierbarkeit 171

Beispiel 6.2.9. Wir betrachten Matrizen aus Beispiel 6.1.7.

Sei n ∈ N. Dann ist die Einheitsmatrix In diagonalisierbar (da siebereits in Diagonalgestalt ist bzw. da die Standardbasis von Kn ausEigenvektoren von In besteht).

Die Matrix (0 21 0

)

ist uber R diagonalisierbar (da sie zwei verschiedene Eigenwerte be-sitzt). Uber Q ist sie jedoch nicht diagonalisierbar (da sie keine ratio-nalen Eigenwerte besitzt).

Die Matrix (0 −11 0

)

ist uber R nicht diagonalisierbar (da sie keine reellen Eigenwerte be-sitzt). Aber diese Matrix ist uber C und uber Q(i) diagonalisierbar, dasie die beiden komplexen Eigenwerte i und −i besitzt.

Die Matrix (2 10 2

)

ist noch nicht einmal uber C diagonalisierbar, da die Summe der geo-metrischen Vielfachheiten aller Eigenwerte nur 1 betragt.

Bemerkung 6.2.10 (der Konjugationstrick). Sei K ein Korper, sei n ∈ N undsei A ∈Mn×n(K). In vielen Anwendungen ist es wichtig, effizient hohe Poten-zen von A zu berechnen. Falls A diagonalisierbar ist, gibt es eine besondersbequeme Moglichkeit: Ist A diagonalisierbar, so gibt es eine invertierbareMatrix S ∈ GLn(K), so dass

D := S−1 ·A · S

eine Diagonalmatrix ist (Proposition 6.2.2). Aus der Definition der Ma-trixmultiplikation ist sofort ersichtlich, dass Potenzen von Diagonalmatrizeneinfach Diagonalmatrizen mit entsprechend potenzierten Diagonaleintragensind. Wir konnen daher effizient Dk fur jedes k ∈ N berechnen. Dies lie-fert uns auch einen Zugang, um die Potenzen von A zu berechnen, denn furalle k ∈ N ist

Ak = (S ·D · S−1)k (nach Definition von D)

= S ·Dk · S−1 (die”inneren“ S-Faktoren fressen sich auf).

Ausblick 6.2.11 (Spektralkalkul). Allgemeiner kann man Diagonalisierbarkeitnutzen, um nicht nur Potenzen von Matrizen bzw. Endomorphismen zu be-rechnen, sondern auch um allgemeinere Funktionen auf Endomorphismen

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172 6. Normalformen I: Eigenwerte und Diagonalisierbarkeit

anwenden zu konnen. Eine Formalisierung dieser Methode (die besondersgut unter geometrischen Zusatzbedingungen funktioniert), ist der sogenann-te Spektralkalkul. Dieser wird im Rahmen der Funktionalanalysis im Detailentwickelt und hat vielfaltige Anwendungen bei der Losung gewisser Diffe-rentialgleichungen und in der Differentialgeometrie.

Der Konjugationstrick kann zum Beispiel verwendet werden, um lineareRekursionen in der Kombinatorik in explizite Formeln umzuwandeln. ZumBeispiel kann man auf diese Weise eine explizite Formel fur Fibonacci-Zahlenerhalten:

Beispiel 6.2.12 (Fibonacci-Zahlen, explizit). Sei (Fn)n∈N = 0, 1, 1, 2, 3, 5, 8, . . .die Folge der Fibonacci-Zahlen (Beispiel 4.2.10). Aus Beispiel 4.2.10 wissenwir bereits, dass

An =

(Fn+1 FnFn Fn−1

)

fur alle n ∈ N>0 gilt, wobei

A :=

(1 11 0

).

Die Matrix A hat uber R die beiden (verschiedenen!) Eigenwerte

1 +√

5

2und

1−√

5

2

und ist somit uber R diagonalisierbar. Durch explizites Diagonalisieren undder Konjugationstrick (Bemerkung 6.2.10) erhalten wir daraus die explizite(nicht rekursive) Formel

Fn =1√5·((1 +

√5

2

)n−(1−

√5

2

)n)

fur alle n ∈ N (Ubungsaufgabe). Die Zahl (1 +√

5)/2 ist der sogenanntegoldene Schnitt, der an vielen Stellen in der Mathematik und Kunst auftritt.

Literaturaufgabe. Lesen Sie die Abschnitte zu linearen Rekursionen und er-zeugenden Funktionen im Buch Concrete Mathematics von R.L. Graham,D.E. Knuth und O. Patashnik [9].

Satz 6.2.13 (Spektralsatz fur symmetrische Matrizen). Sei n ∈ N und seiA ∈Mn×n(R) eine symmetrische Matrix, d.h. A = AT. Dann ist A (uber R)diagonalisierbar. Genauer gilt sogar: Es gibt eine Matrix S ∈ GLn(R)mit S−1 = ST mit der Eigenschaft, dass S−1 ·A · S in Diagonalgestalt ist.

Beweis. Wir werden diesen Satz in der Linearen Algebra II im Kontext voneuklidischen und unitaren Vektorraumen (mit von der Geometrie inspiriertenArgumenten) beweisen.

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6.3. Das charakteristische Polynom 173

Symmetrische Matrizen treten zum Beispiel auf naturliche Weise in dermehrdimensionalen Analysis auf (als Jacobi- oder Hesse-Matrizen gutartigerFunktionen) oder in der algebraischen Topologie (im Kontext von Schnitt-formen).

6.3 Das charakteristische Polynom

Wir betrachten nun zu einer n × n-Matrix A die fur die Bestimmung derEigenwerte so zentrale Abbildung

K −→ K

λ 7−→ det(A− λ · In)

etwas genauer. Die Leibniz-Formel zeigt, dass diese Funktion”polynomial“

in λ ist. Wir wollen dies etwas genauer untersuchen und insbesondere diealgebraischen Grundlagen zu Polynomen genauer kennenlernen. Dazu fuhrenwir den Polynomring K[T ] der Polynome in der Variablen T mit Koeffizientenin K ein und definieren dann das sogenannte charakterstische Polynom von Aals

χA := det(T · In −A) ∈ K[T ].

(Man dreht dabei die Subtraktion um, um etwas bequemere Vorzeichen zuerhalten.)

6.3.1 Polynome

Aus der Analysis sind wir mit Polynomfunktionen (z.B. linearen, quadra-tischen, kubischen, . . . Funktionen) vom Typ R −→ R bzw. C −→ Cwohlvertraut. Im algebraischen Kontext mochte man naturlich auch ande-re Grundkorper zulassen und das Augenmerk mehr auf algebraische (z.B.Nullstellen, Teilbarkeit) statt auf analytische Eigenschaften (z.B. Stetigkeit)richten.

Die Grundidee dabei ist, dass Polynome durch die Folge ihrer Koeffizi-enten beschrieben werden. Diese Beschreibung genugt fur alle algebraischrelevanten Operationen.

Definition 6.3.1 (Polynomring). Sei K ein Korper. Der Polynomring K[T ]uber K in einer Variablen ist wie folgt definiert:

Als K-Vektorraum ist K[T ] der Untervektorraum

(an)n∈N ∈ Abb(N,K)

∣∣∣ ∃d∈N ∀n∈N≥dan = 0

von Abb(N,K).

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174 6. Normalformen I: Eigenwerte und Diagonalisierbarkeit

Ist n ∈ N, so schreibt man kurz

Tn := (δn,k)k∈N ∈ K[T ]

und T := T 1 ∈ K[T ].

Wir definieren auf K[T ] die Multiplikation durch

· : K[T ]×K[T ] −→ K[T ]

((an)n∈N, (bn)n∈N

)7−→

( n∑

j=0

aj · bn−j)

n∈N

Man beachte dabei, dass das Bild dieser Abbildung tatsachlich wiederin K[T ] (und nicht nur in Abb(N,K)) liegt.

Ist p = (an)n∈N ∈ K[T ], so ist

deg p := supn ∈ N | an 6= 0 ∈ −∞ ∪ N

der Grad von p. Dabei verwenden wir die Konvention sup ∅ := −∞;insbesondere ist das Nullpolynom das einzige Polynom in K[T ] mitGrad −∞.

Die Elemente von K[T ] bezeichnet man als Polynome in der Variablen T mitKoeffizienten in K.

Notation 6.3.2. Sei K ein Korper. Die Familie (Tn)n∈N ist eine Basisvon K[T ] (nachrechnen mithilfe von Beispiel 3.2.6). Ist p = (an)n∈N ∈ K[T ]und d := deg p, so schreibt man daher dafur normalerweise

p =

d∑

n=0

an · Tn.

Die Definition der Multiplikation liefert Tn · Tm = Tn+m fur alle n,m ∈ N.Die allgemeine Multiplikation von Polynomen erfolgt einfach durch beidseitiglineares Ausmultiplizieren dieser Gleichung auf den Potenzen der Variablen T .

Bemerkung 6.3.3 (Ringe und Algebren). Sei K ein Korper. Dann hat dieMultiplikation auf K[T ] die folgenden Eigenschaften (nachrechnen):

Assoziativitat. Fur alle p, q, r ∈ K[T ] gilt p · (q · r) = (p · q) · r. Kommutativitat. Fur alle p, q ∈ K[T ] gilt p · q = q · p. Existenz eines neutralen Elements. Fur alle p ∈ K[T ] gilt p · T 0 = p

und T 0 · p = p. Man schreibt daher auch einfach 1 fur T 0.

Distributivgesetz. Fur alle p, q, r ∈ K[T ] gilt

p · (q + r) = p · q + p · r.

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6.3. Das charakteristische Polynom 175

Vertraglichkeit mit der Skalarmultiplikation. Fur alle p, q ∈ K[T ] undalle λ ∈ K gilt

λ · p = (λ · T 0) · p = T 0 · (λ · p).

Das einzige, was fehlt um K[T ] mit dieser Addition und Multiplikation alsKorper auffassen zu konnen, ist also die Existenz multiplikativer Inverser. Sol-che algebraischen Strukturen bezeichnet man als (kommutative) Ringe (mitEins). Da sich die Multiplikation auf K[T ] außerdem mit der Skalarmultipli-kation vertragt, bildet K[T ] sogar eine (kommutative) K-Algebra (mit Eins).Wir werden diese Begriffe in der Linearen Algebra II genauer kennenlernen.

Beispiel 6.3.4 (Produkt von Polynomen). Sei K ein Korper. Mit der obigenNotation gilt dann

(T + 1) · (T − 1) = (1 · T 1 + 1 · T 0) · (1 · T 1 − 1 · T 0)

= 1 · T 2 + (1− 1) · T 1 − 1 · T 0

= T 2 − 1

in K[T ].

Durch”Einsetzen“ erhalten wir die uns bekannten Polynomfunktionen:

Definition 6.3.5 (Polynomfunktion, Nullstelle). Sei K ein Korper und p =∑dj=0 aj · T j ∈ K[T ]. Die zugehorige Polynomfunktion ist als

fp : K −→ K

x 7−→d∑

j=0

aj · xj

definiert. Ist x ∈ K, so werden wir im folgenden auch kurz p(x) := fp(x)schreiben. Ist x ∈ K mit p(x) = 0, so ist x eine Nullstelle von p.

Auf diese Weise liefern Polynome aus R[T ] die Polynomfunktionen R −→ Raus der Analysis.

Beispiel 6.3.6. Die Folge (1, 0,−2, 0, 0, . . . ) entspricht in R[T ] dem Poly-nom 1 · T 0 − 2 · T 2 =: p. Die zugehorige Polynomfunktion ist

R −→ Rx 7−→ p(x) = −2 · x2 + 1.

Die (reellen) Nullstellen von p sind somit√

2/2 und −√

2/2.

Caveat 6.3.7 (Polynom vs. Polynomfunktion). Sei K ein Korper. Nach De-finition sind Polynome p, q ∈ K[T ] genau dann gleich, wenn sie dieselbenKoeffizienten besitzen. Insbesondere sind dann auch die zugehorigen Poly-nomfunktionen fp, fq : K −→ K gleich.

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176 6. Normalformen I: Eigenwerte und Diagonalisierbarkeit

Die Umkehrung gilt jedoch im allgemeinen nicht : Zum Beispiel liefern dasNullpolynom in F2[T ] und das Polynom T 2+T ∈ F2[T ] beide die Nullfunktionals Polynomfunktion F2 −→ F2. Aber T 2 + T ist nicht das Nullpolynom.

Satz 6.3.8 (Fundamentalsatz der Algebra). Jedes Polynom in C[T ] vom Gradmindestens 1 hat mindestens eine Nullstelle in C.

Obwohl die Formulierung des Satzes eine rein algebraische Angelegenheitist und er an vielen Stellen der Algebra eine zentrale Rolle spielt, erforderndie meisten (eleganten) Beweise andere Methoden. Die prominentesten Be-weise verwenden Methoden aus der Funktionentheorie (also der komplexenAnalysis) oder aus der algebraischen Topologie. Wir werden daher an dieserStelle keinen Beweis dieses Satzes liefern.

Umgekehrt kann man auch die Situation betrachten, dass man alle Poly-nome an einer gegebenen Stelle auswertet.

Bemerkung 6.3.9 (Einsetzungshomomorphismus). Sei K ein Korper und seix ∈ K. Dann hat die Abbildung

evx : K[T ] −→ K

p 7−→ p(x)

die folgenden Eigenschaften:

Die Abbildung evx ist K-linear.

Fur alle p, q ∈ K[T ] ist evx(p · q) = evx(p) · evx(q).

Es gilt evx(1) = 1.

Es handelt sich somit bei evx um einen sogenannten Ringhomomorphis-mus bzw. K-Algebrenhomomorphismus, den Einsetzungshomomorphismuszu x ∈ K. Ringtheoretisch betrachtet ist dies (bzw. die naheliegende Verall-gemeinerung davon) die zentrale (universelle) Eigenschaft des Polynomrings.

6.3.2 Das charakteristische Polynom

Wir kehren nun zu Eigenwerten von Matrizen zuruck. Um die zu Beginngenannte Funktion als Polynom auffassen zu konnen, mussen wir die Deter-minante auf Matrizen erweitern, deren Koeffizienten Polynome sind.

Bemerkung 6.3.10 (Matrizen und Determinanten uber dem Polynomring).Sei K ein Korper und n ∈ N. Analog zu Mn×n(K) definiert man denK-Vektorraum Mn×n(K[T ]) der n × n-Matrizen, deren Koeffizienten Ele-mente aus dem Polynomring K[T ] sind; man beachte, dass man Matrizenaus Mn×n(K[T ]) koeffizientenweise nicht nur mit Skalaren aus K, sondern

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6.3. Das charakteristische Polynom 177

sogar mit Polynomen aus K[T ] multiplizieren kann und dass man analogzu Mn×n(K) eine Matrixmultiplikation Mn×n(K[T ]) × Mn×n(K[T ]) −→Mn×n(K[T ]) erhalt.

Analog zu Mn×n(K) konnen wir im Fall n > 0 inspiriert durch die Leibniz-Formel die Determinantenfunktion

det : Mn×n(K[T ]) −→ K[T ]

A 7−→∑

σ∈Sn

sgn(σ) ·n∏

j=1

Aj,σ(j)

definieren. Man beachte dabei, dass die Summen und Produkte auf der rech-ten Seite im Polynomring K[T ] stattfinden und dass dieser Term in K[T ]wirklich Sinn ergibt.

Man kann nun analog zu Mn×n(K) nachrechnen, dass diese Determi-nantenfunktion n-linear (sogar uber K[T ]) und alternierend ist und dieNormierung det In = 1 erfullt. In diesen Berechnungen geht essentiell ein,dass die Multiplikation auf K[T ] kommutativ ist. Außerdem gilt fur al-le A,B ∈Mn×n(K[T ]), dass

det(A ·B) = detA · detB.

Diese Definitionen uber Analogie mogen etwas holprig erscheinen. Mit ei-nem kleinen algebraischen Trick kann man sich hier auch anders behelfen:Analog zur Konstruktion von Q aus Z durch formale Bruche kann man auchaus K[T ] einen Korper konstruieren, den sogenannten rationalen Funktio-nenkorper K(T ), der K[T ] auf kanonische Weise enthalt. Da K(T ) ein Korperist, wissen wir, was Matrizen, Determinanten, etc. uber K(T ) sind. Diese De-finitionen schranken sich dann zu den entsprechenden Definitionen von K[T ]ein.

Wir konnen nun die Definition des charakteristischen Polynoms einer Ma-trix wie geplant durchfuhren; der Name kommt daher, dass das charakteri-stische Polynom bereits viele wichtige Informationen uber die Normalformenvon Matrizen enthalt (wie wir in der Linearen Algebra II sehen werden).

Definition 6.3.11 (charakteristisches Polynom). Sei K ein Korper, sei n ∈ N>0

und sei A ∈Mn×n(K). Dann ist

χA := det(T · In −A) ∈ K[T ]

das charakteristische Polynom von A.

Bemerkung 6.3.12 (Determinante aus dem charakteristischen Polynom). SeiK ein Korper, sei n ∈ N>0 und sei A ∈Mn×n(K). Nach Definition gilt

χA(0) = det(−A) = (−1)n · detA.

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178 6. Normalformen I: Eigenwerte und Diagonalisierbarkeit

Beispiel 6.3.13. Sei K ein Korper.

Ist n ∈ N>0, so hat die Einheitsmatrix In ∈ Mn×n(K) das charakteri-stische Polynom

χIn = det(T · In− In) = det((T −1) · In

)= (T −1)n ·det In = (T −1)n.

Die”Rotationsmatrix“

R :=

(0 −11 0

)∈M2×2(K)

hat das charakteristische Polynom

χR = det(T · I2 − I2) = T 2 + 1 ∈ K[T ].

Sei λ ∈ K und sei

A :=

(λ 10 λ

)∈M2×2(K).

Dann ist

χA = det(T · In −A) = det

(T − λ −1

0 T − λ

)= (T − λ)2.

Obwohl der Eigenwert λ nur die geometrische Vielfachheit 1 hat, trittder Faktor T − λ quadratisch im charakteristischen Polynom auf!

Sei p = Tn +∑n−1j=0 aj · T j ∈ K[T ] und sei

A :=

0 0 . . . 0 −a01 0 . . . 0 −a10 1 . . . 0 −a2...

. . .. . .

......

0 0 . . . 1 −an−1

∈Mn×n(K).

Dann giltχA = det(T · In −A) = p

(Ubungsaufgabe). Man bezeichnet diese Matrix A auch als Begleitma-trix zu p.

Die Bestimmung der Eigenwerte einer Matrix lasst sich nach Konstruktiondes charakteristischen Polynoms auch als Bestimmung der Nullstellen descharakteristischen Polynoms formulieren:

Proposition 6.3.14 (Nullstellen des charakteristischen Polynoms). Sei K einKorper, sei n ∈ N>0 und sei A ∈Mn×n(K). Dann gilt

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6.3. Das charakteristische Polynom 179

σK(A) = λ ∈ K | χA(λ) = 0 und degχA = n.

Beweis. Aus der Definition des charakteristischen Polynoms uber die Leib-nizformel folgt

χA =

n∏

j=1

(T −Aj,j) +∑

σ∈Sn\idsgn(σ) ·

n∏

j=1

(δj,σ(j) · T −Aj,σ(j)).

Daran lasst sich degχA = n ablesen (das erste Produkt hat Grad n und diehintere Summe hat Grad kleiner als n).

Nach Konstruktion gilt fur alle λ ∈ K, dass

χA(λ) = det(λ · In −A) = (−1)n · det(A− λ · In).

Die Behauptung folgt somit aus Bemerkung 6.1.6.

Korollar 6.3.15. Ist n ∈ N>0 und A ∈Mn×n(C), so hat A mindestens einenEigenwert.

Beweis. Dies folgt direkt aus dem Fundamentalsatz der Algebra (Satz 6.3.8)und der vorigen Proposition.

Wir konnen den Begriff des charakteristischen Polynoms uber darstellendeMatrizen auch auf Endomorphismen verallgemeinern:

Proposition 6.3.16 (Konjugationsinvarianz des charakteristischen Polynoms).Sei K ein Korper, sei n ∈ N>0 und sei A ∈Mn×n(K). Dann gilt fur alle S ∈GLn(K), dass

χA = χS−1·A·S .

Beweis. Mit den Eigenschaften der Determinante auf Mn×n(K[T ]) erhaltenwir fur alle S ∈ GLn(K), dass

χS−1·A·S = det(T · In − S−1 ·A · S)

= det(S−1 · T · In · S − S−1 ·A · S)

= det(S−1 · (T · In −A) · S

)

=1

detS· det(T · In −A) · detS

= χA,

wie behauptet.

Korollar 6.3.17 (charakteristisches Polynom eines Endomorphismus). Sei K einKorper und sei f : V −→ V ein Endomorphismus eines endlich-dimensionalenK-Vektorraums V mit dimK V > 0. Fur alle Basen B und C von V gilt

χMB,B(f) = χMC,C(f).

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180 6. Normalformen I: Eigenwerte und Diagonalisierbarkeit

Man bezeichnet daher χf := χMB,B(f) als charakteristisches Polynom von f .

Beweis. Dies ist eine direkte Folgerung aus der Konjugationsinvarianz descharakteristischen Polynoms (Proposition 6.3.16) und dem Zusammenhangzwischen darstellenden Matrizen eines Endomorphismus (Korollar 5.1.21).

Zum Beispiel erhalt man daraus auch die Unabhangigkeit der Spur vonder gewahlten Basis:

Bemerkung 6.3.18 (Spur). Sei K ein Korper und sei n ∈ N. Die Spur (eng-lisch: trace) einer Matrix A ∈ Mn×n(K) ist definiert als die Summe ihrerDiagonaleintrage, d.h.

trA :=

n∑

j=1

Aj,j ∈ K.

Mithilfe der Leibniz-Formel kann man nachrechnen, dass − trA der Koeffizi-ent von Tn−1 in χA ist.

Mit Proposition 6.3.16 folgt somit, dass die Spur von Matrizen konjugati-onsinvariant ist. Insbesondere gilt: Ist f : V −→ V ein Endomorphismus einesendlich-dimensionalen K-Vektorraums V und sind B, C Basen von V , so gilt

trMB,B(f) = trMC,C(f).

Man bezeichnet daher tr f := trMB,B(f) als Spur von f .

Alternativ kann man die Konjugationsinvarianz der Spur wie folgt zeigen:Nachrechnen mithilfe der Definition der Matrixmultiplikation zeigt, dass

tr(A ·B) = tr(B ·A)

fur alle A,B ∈ Mn×n(K) gilt (sogenannte Spureigenschaft). Damit folgt furalle A ∈Mn×n(K) und alle S ∈ GLn(K), dass

tr(S−1 ·A · S) = tr(S · (S−1 ·A)

)= tr

((S · S−1) ·A

)= tr(In ·A) = trA.

6.4 Ausblick: Die Jordansche Normalform

Zum Abschluss geben wir nun einen Ausblick auf die allgemeine Klassifika-tion von Endomorphismen bzw. quadratischen Matrizen. Wir gehen dabeiinsbesondere auf den Fall ein, dass der Grundkorper C ist; in diesem Fall istdie Klassifikation durch die sogenannte Jordansche Normalform gegeben.

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6.4. Ausblick: Die Jordansche Normalform 181

6.4.1 Ahnlichkeit von Matrizen

Es bietet sich an, die Klassifikation von Endomorphismen von endlich-dimensionalen Vektorraumen mithilfe von Matrizen durchzufuhren. Da jaaber Endomorphismen keine kanonischen Matrizen zugeordnet werden konnen(Wahl von Basen!), benotigen wir eine Klassifikation von Matrizen bis aufKonjugation.

Definition 6.4.1 (ahnlich). Quadratische Matrizen heißen ahnlich zueinan-der, wenn sie konjugiert sind. Genauer: Sei K ein Korper, sei n ∈ N. Ma-trizen A,B ∈ Mn×n(K) sind ahnlich, wenn es eine Matrix S ∈ GLn(K)mit

B = S−1 ·A · Sgibt.

In dieser Terminologie ist eine Matrix also genau dann diagonalisierbar,wenn sie zu einer Diagonalmatrix ahnlich ist.

Beispiel 6.4.2. Die Matrizen

(1 00 2

)und

(2 00 1

)

in M2×2(R) sind ahnlich zueinander, denn

(1 00 2

)=

(0 11 0

)−1·(

2 00 1

)·(

0 11 0

).

Außerdem haben wir in Beispiel 5.1.13 gesehen, dass die zweite Matrix zu

(3 −12 0

)∈M2×2(R)

ahnlich ist. Diese drei Matrizen sind aber nicht ahnlich zur Nullmatrix oderzur Einheitsmatrix I2 (nachrechnen).

Proposition 6.4.3 (Ahnlichkeit ist eine Aquivalenzrelation). Sei K ein Korperund sei n ∈ N. Die Relation auf Mn×n(K), die durch Ahnlichkeit gegeben ist,ist eine Aquivalenzrelation.

Beweis. Reflexivitat erhalt man durch Konjugation mit der Einheitsmatrix,Symmetrie durch Konjugation mit Inversen, und Transitivitat durch Konju-gation mit Produkten (nachrechnen).

Proposition 6.4.4 (Ahnlichkeit und Basiswechsel). Sei K ein Korper und,sei f : V −→ V ein Endomorpismus eines endlich-dimensionalen K-Vektor-

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182 6. Normalformen I: Eigenwerte und Diagonalisierbarkeit

raums V und sei B eine Basis von V . Sei A ∈ MdimK V×dimK V (K) Dannsind folgende Aussagen aquivalent:

1. Die Matrix A ist ahnlich zu MB,B(f).

2. Es gibt eine Basis C von V mit A = MC,C(f).

Beweis. Dies ist einfach nur eine Umformulierung von Korollar 5.1.21.

Das Klassifikationsproblem fur Endomorphismen von endlich-dimensionalenVektorraumen kann also mithilfe von Matrizen wie folgt formuliert werden:

Frage 6.4.5 (Klassifikation von Matrizen). Sei K ein Korper und n ∈ N. Wiekann man den Quotienten

Mn×n(K)/

Ahnlichkeit

(d.h. die Menge aller Aquivalenzklassen von Matrizen in Mn×n(K) bezuglichAhnlichkeit) beschreiben?

Ein erster Schritt in Richtung Klassifikation sind Invarianten unter Ahnlich-keit:

Bemerkung 6.4.6 (Invarianten). Sei X eine Menge und sei”∼“ eine Aquiva-

lenzrelation auf X. Sei Y ein Menge. Eine”∼“-Invariante auf X mit Werten

in Y ist eine Abbildung I : X/∼ −→ Y . Wie helfen Invarianten bei der Klassi-fikation von X bezuglich

”∼“? Sei I : X/ ∼−→ Y eine

”∼“-Invariante auf X.

Sind x, y ∈ X mit I(x) 6= I(y), so folgt x 6∼ y. Man beachte aber, dass dieUmkehrung im allgemeinen nicht gilt! (Zum Beispiel kann man immer trivia-le Invarianten in einelementigen Mengen betrachten . . . ). Die Kunst bestehtnun darin, eine Invariante zu finden, die

hinreichend viele Aquivalenzklassen unterscheiden kann

und trotzdem einigermaßen berechenbar ist.

Proposition 6.4.7 (Invarianten unter Ahnlichkeit). Sei K ein Korper, sei n ∈ Nund seien A,B ∈Mn×n(K) ahnliche Matrizen. Dann gilt:

1. Es ist rgA = rgB.

2. Es ist σK(A) = σK(B) und fur alle λ ∈ σK(A) gilt

dimK Eigλ(A) = dimK Eigλ(B).

3. Es gilt χA = χB und trA = trB.

Beweis. Dies ist nur eine Zusammenstellung bereits bewiesener Resultate.

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6.4. Ausblick: Die Jordansche Normalform 183

Insbesondere folgt also: Haben Matrizen z.B. unterschiedliche charakteri-stische Polynome, so sind sie nicht ahnlich.

Frage 6.4.8 (vollstandige Invarianten?). Sei K ein Korper und n ∈ N. Durchwelche (einigermaßen berechenbare(n)) Invariante(n)) kann man den Quoti-enten Mn×n(K)/Ahnlichkeit vollstandig beschreiben?

6.4.2 Die Jordansche Normalform

Im Fall des Grundkorpers C lost die sogenannte Jordansche Normalform die-ses Klassifikationsproblem. Die Bausteine dieser Normalform sind die Jor-danblocke.

Definition 6.4.9 (Jordanblock). Sei K ein Korper, sei n ∈ N und sei λ ∈ K.Der Jordanblock der Große n zum Eigenwert λ ist die Matrix

Jn(λ) :=

λ 1 0 . . . 00 λ 1 . . . 0

0 0. . .

. . ....

0 0 . . . λ 10 0 . . . 0 λ

∈Mn×n(K).

Bemerkung 6.4.10 (Eigenwerte und geometrische Vielfachheit von Jordan-blocken). Sei K ein Korper, sei n ∈ N>0 und sei λ ∈ K. Dann besitzt Jn(λ)genau einen Eigenwert, namlich λ, und dieser hat die geometrische Vielfach-heit 1 (nachrechnen; siehe auch Beispiel 6.1.7).

Satz 6.4.11 (Jordansche Normalform). Sei n ∈ N und sei A ∈ Mn×n(C).Seien λ1, . . . , λr ∈ C die Eigenwerte von A und seien

∀j∈1,...,r nj := dimC Eigλj(A)

die geometrischen Vielfachheiten der Eigenwerte von A. Dann gibt es zu je-dem j ∈ 1, . . . , r eindeutig bestimmte naturliche Zahlen

mj,1 ≤ · · · ≤ mj,nj

mit der Eigenschaft, dass A zu der Blockmatrix in Abbildung 6.1, bestehendaus den Jordanblocken

Jm1,1(λ1), . . . , Jm1,n1

(λ1), Jm2,1(λ2), . . . , Jmr,nr

(λr),

ahnlich ist (in Mn×n(C)). Dabei gilt

χA =

r∏

j=1

(T − λj)∑nk

k=1mj,k .

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184 6. Normalformen I: Eigenwerte und Diagonalisierbarkeit

Jm1,1(λ1)

Jm1,2(λ1)

. . .

Jm1,n1(λ1)

Jm2,1(λ2)

. . .

Jmr,nr(λr)

sonst nur Nullen

sonst nur Nullen

Abbildung 6.1.: Jordansche Normalform

In anderen Worten: Die Eigenwerte, geometrischen Vielfachheiten und dieGroßen der Jordanblocke zu den entsprechenden Eigenwerten bilden zusam-men eine vollstandige Invariante fur Mn×n(C)/Ahnlichkeit.

Bei einer diagonalisierbaren Matrix haben alle Jordanblocke das For-mat 1 × 1. Umgekehrt zeigt der obige Satz, in welchem Sinne jede Matrixin Mn×n(C)

”fast“ diagonalisierbar ist.

Eines der Hauptziele der Linearen Algebra II wird es sein, diesen Satzuber die Jordansche Normalform zu beweisen. Der Beweis beruht auf demFundamentalsatz der Algebra und einer geschickten Anwendung der etwasallgemeineren Modultheorie uber dem Polynomring C[T ].

Caveat 6.4.12. Nicht jede reelle Matrix besitzt eine Jordansche Normalformmit reellen Jordanblocken (zum Beispiel Rotationsmatrizen zu nicht-trivialenWinkeln).

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6.4. Ausblick: Die Jordansche Normalform 185

Die Jordansche Normalform ist nicht nur aus Sicht der Linearen Algebra ansich interessant, sondern ist auch in vielen Anwendungen essentiell. So liefertdie Jordansche Normalform zum Beispiel den Schlussel zur Losung linearerDifferentialgleichungssysteme (Analysis II). Wir werden daher in der Linea-ren Algebra II nicht nur den Beweis fur die Jordansche Normalform liefern,sondern uns auch uberlegen, wie man die Jordansche Normalform (und zu-gehorige Ahnlichkeitstransformationen) einer gegebenen Matrix bestimmenkann.

6.4.3 Die Jordansche Normalform in Dimension 2

Wir geben im folgenden einen elementaren Beweis des Satzes uber die Jordan-sche Normalform in Dimension 2: Sei A ∈M2×2(C).

1. Dann gibt es λ1, λ2 ∈ C mit χA = (T − λ1) · (T − λ2), denn: NachDefinition ist

χA = det(T · I2 −A)

= det

(T −A11 −A12

−A21 T −A22

)

= (T −A11) · (T −A22)−A21 ·A12

= T 2 − (A11 +A22) · T +A11 ·A22 −A21 ·A12.

Eine elementare Rechnung zeigt nun (Mitternachtsformel fur komplexeZahlen . . . ), dass es λ1, λ2 ∈ C gibt mit

χA = (T − λ1) · (T − λ2).

Insbesondere ist σC(A) = λ1, λ2.

2. Wir begeben uns nun in eine Fallunterscheidung:

Falls λ1 6= λ2 ist, so hat die 2 × 2-Matrix A zwei verschiedenekomplexe Eigenwerte und ist somit (uber C) diagonalisierbar undzur Matrix (

λ1 00 λ2

)

ahnlich.

Falls λ1 = λ2 ist: Wir schreiben λ := λ1 = λ2.

– Falls der Eigenwert λ die geometrische Vielfachheit 2 besitzt,ist A diagonalisierbar und zur Matrix

λ · I2 =

(λ 00 λ

)

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186 6. Normalformen I: Eigenwerte und Diagonalisierbarkeit

ahnlich.

– Falls der Eigenwert λ die geometrische Vielfachheit 1 besitzt:Sei v ∈ C2 ein Eigenvektro zum Eigenwert λ von A. Dannerganzen wir v zu einer Basis B := (v, w) von C2; insbesonderegibt es dann auch α, β ∈ C mit

A · w = α · v + β · w.

Da die geometrische Vielfachheit des Eigenwerts λ von Agleich 1 ist, da v und w linear unabhangig sind und da A kei-ne weiteren Eigenwerte besitzt, ist w kein Eigenvektor von A.Also ist α 6= 0. Außerdem gilt (die Spalten sind die Bilder derBasisvektoren . . . )

M−1B ·A ·MB =

(λ α0 β

).

Wegen der Konjugationsinvarianz des charakteristischen Po-lynoms erhalten wir

(T − λ) · (T − β) = χM−1B ·A·MB

= χA = (T − λ)2,

und damit (Nullstellen . . . ), dass β = λ. Die obige konjugier-te Matrix von A hat also bereits fast die richtige Form. Wirdefinieren nun

w′ :=1

α· w.

Dann ist B′ := (v, w′) eine Basis von C2 und

A · w′ =α

α· v +

1

α· λ · w = v + λ · w′.

Somit folgt (die Spalten . . . )

M−1B′ ·A ·MB′ =

(λ 10 λ

)= J2(λ).

Insbesondere ist A zu J2(λ) ahnlich.

Wir haben damit gezeigt, dass A ahnlich zu einer Blockmatrix mitJordanblocken ist. Dass die Großen und Eigenwerte der Jordan-blocke eindeutig bestimmt sind, folgt in diesem Fall bereits daraus,dass Eigenwerte und geometrische Vielfachheiten Ahnlichkeits-Invarianten sind (da gar kein Platz fur andere Jordanblock-Kon-stellationen ist).

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A

Anhang

Uberblick uber dieses Kapitel.

A.1 Das griechische Alphabet A 3A.2 Konstruktion der naturlichen Zahlen A 5A.3 Das Spiel SET A 7A.4 Machtigkeit von Mengen A 9A.5 Kategorien A 11A.6 Elementare Analysis von Sinus und Kosinus A 15A.7 Funktoren A 17A.8 3D-Druck A 21

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A 2 A. Anhang

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A.1. Das griechische Alphabet A 3

A.1 Das griechische Alphabet

Symbol Name TEX-/LATEX-Kommando

A α alpha A \alphaB β beta B \betaΓ γ gamma \Gamma \gamma∆ δ delta \Delta \deltaE ε, ε epsilon E \varepsilon , \epsilonZ ζ zeta Z \zetaH η eta H \etaΘ ϑ, θ theta \Theta \vartheta , \thetaI ι iota I \iotaK κ kappa K \kappaΛ λ lambda \Lambda \lambdaM µ my M \muN ν ny N \nuΞ ξ xi \Xi \xiO o omikron O oΠ π pi \Pi \piP %, ρ rho P \varrho , \rhoΣ σ, ς sigma \Sigma \sigma , \varsigmaT τ tau T \tauY υ ypsilon Y \upsilonΦ ϕ, φ phi \Phi \varphi , \phiX χ chi X \chiΨ ψ psi \Psi \psiΩ ω omega \Omega \omega

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A 4 A. Anhang

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A.2. Konstruktion der naturlichen Zahlen A 5

A.2 Konstruktion der naturlichen Zahlen

Wir skizzieren kurz einen Beweis der Konstruktion bzw. Eindeutigkeit dernaturlichen Zahlen, aufbauend auf der axiomatischen Mengenlehre und denPeano-Axiomen.

Satz A.2.1 (Modelle der Peano-Axiome).

1. Es existiert ein Tripel, das die Peano-Axiome erfullt.

2. Je zwei Tripel, die die Peano-Axiome erfullen, sind kanonisch iso-morph; genauer: Erfullen (N, 0, s) und (N ′, 0′, s′) die Peano-Axiome,so gibt es genau eine Bijektion f : N −→ N ′ mit f(0) = 0′ und derEigenschaft, dass fur alle n ∈ N gilt, dass f(s(n)) = s′(f(n)).

Beweis. Existenz. Wir betrachten

N :=⋂A | A ist eine induktive Menge,

also sozusagen die”kleinste induktive Menge“. Nach dem Unendlichkeitsaxi-

om gibt es mindestens eine induktive Menge; insbesondere ist ∅ ∈ N undsomit ist N nicht-leer. Nach dem Teilmengenaxiom ist N eine Menge undaus der Definition von N folgt leicht, dass N induktiv ist.

Wir definieren nun 0 als das Element ∅ ∈ N und

s : N −→ N

x 7−→ x ∪ x

(letztere Definition funktioniert, da N eine induktive Menge ist).Durch sorgfaltiges Nachrechnen kann man nun zeigen, dass dieses Tri-

pel (N, 0, s) tatsachlich die Peano-Axiome erfullt.Eindeutigkeit. Erfullen (N, 0, s) und (N ′, 0′, s′) die Peano-Axiome, so de-

finieren wir mithilfe des Rekursionssatzes Abbildungen f : N −→ N ′ undf ′ : N ′ −→ N durch

f(0) := 0′ und f(s(n)) := s′(f(n)) fur alle n ∈ N ,

f ′(0′) := 0′ und f ′(s′(n)) := s(f ′(n)) fur alle n ∈ N ′.Dann erfullen f ′ f bzw. f f ′ die Rekursion fur idN bzw. idN ′ . Aus derEindeutigkeitsaussage im Rekursionssatz folgt daher f ′ f = idN und auchf f ′ = idN ′ . Also ist f : N −→ N ′ bijektiv und nach Konstruktion mit sbzw. s′ vertraglich. Außerdem folgt mit der Eindeutigkeitsaussage aus demRekursionssatz auch, dass es nur eine solche strukturerhaltende Bijektiongeben kann.

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A 6 A. Anhang

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A.3. Das Spiel SET A 7

A.3 Das Spiel SET

Das Kartenspiel SET1 wird mit 81 Karten gespielt. Jede der Karten zeigtvier Attribute, wobei die Attribute die folgenden Werte annehmen konnen:

Typ mogliche WerteAnzahl 1, 2, 3Schattierung gefullt, gestreift, leerFarbe rot, grun, violettForm Oval, Schlange, Raute

Zu jeder Werte-Kombination der vier Attribute gibt es genau eine Karte.Ziel des Spieles ist es, unter den ausliegenden Karten ein sogenanntes SETvon drei Karten zu finden, d.h. drei Karten zu finden, so dass die Kartenbezuglich jedem der vier Attribute entweder alle gleich oder alle unterschied-lich sind.

Beispiel A.3.1. Die folgenden drei Karten bilden ein SET:

Andererseits bilden die folgende Karten kein SET:

Zu Beginn des Spiels werden zwolf Karten offen auf den Tisch gelegt.Alle Spieler betrachten diese Karten gleichzeitig; wer ein SET entdeckt, ruft

”SET!“ und entfernt die entsprechenden drei Karten. Daraufhin werden die

offenen Karten auf dem Tisch durch drei neue Karten erganzt, etc.Es kann aber passieren, dass es unter den ausliegenden Karten kein SET

gibt. In diesem Fall werden so lange weitere offene Karten hinzugefugt bis einSET auffindbar ist. In diesem Zusammenhang stellt sich die folgende Frage:

Frage A.3.2. Was ist die maximale Anzahl an Karten, die kein SET enthalt?

Wir geben nun eine Ubersetzung dieser Frage in lineare Algebra an: Dazubetrachten wir den F3-Vektorraum F4

3, wobei F3 der folgende Korper ist:

1SET ist eine Trademark von SET Enterprises, Inc.

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A 8 A. Anhang

Bemerkung A.3.3 (der Korper F3). Sei F3 := 0, 1, 2. Dann bildet F3 mitder folgenden Addition und der folgenden Multiplikation einen Korper (nach-rechnen!):

+ 0 1 20 0 1 21 1 2 02 2 0 1

· 0 1 20 0 0 01 0 1 22 0 2 1

Dabei handelt es sich um Addition bzw. Multiplikation”modulo“ 3, d.h.

um die Addition bzw. Multiplikation von Resten bei Division durch 3. DerKorper F3 hat nach Konstruktion Charakteristik 3.

Die vier Koordinaten-Achsen von F43 entsprechen dabei den vier Attribu-

ten, die Koordinaten-Eintrage aus F3 den drei jeweils moglichen Werten desAttributs. Der F3-Vektorraum F4

3 hat also genau 34 = 81 Elemente.Man stellt nun leicht fest, dass eine drei-elementige Teilmenge von F4

3 ge-nau dann ein SET bildet, wenn sie eine affine Gerade in F4

3 ist. Wir betrachtendazu eine einzelne Koordinate (d.h. ein Attribut). Eine einfache Rechnungzeigt, dass

x+ F3 · y | x, y ∈ F3 =x

∣∣ x ∈ F3

∪ F3

gilt. Der erste Teil der Menge auf der rechten Seite entspricht dann dem Fall,dass die Werte dieses Attributs bei allen drei Karten gleich sind; der zweiteTeil entspricht dem Fall, dass die Werte des betrachteten Attributs bei allendrei Karten verschieden sind.

Frage A.3.2 ist also aquivalent zur folgenden Frage:

Frage A.3.4. Wieviele Elemente kann eine Teilmenge von F43 hochstens be-

sitzen, die keine affine Gerade enthalt?

Man kann mit elementaren Mitteln der linearen Algebra und der Kombina-torik zeigen, dass die Antwort auf diese Frage 20 ist [5]; die Formulierung alsgeometrisches Problem hilft in diesem Fall dabei, die Argumente ubersichtlichzu organisiern. Je 21 SET-Karten enthalten also mindestens ein SET.

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A.4. Machtigkeit von Mengen A 9

A.4 Machtigkeit von Mengen

Wir stellen im folgenden kurz vor, wie man die”Große“ von Mengen angeben

bzw. vergleichen kann:

Definition A.4.1 (gleichmachtig). Mengen X und Y heißen gleichmachtig,wenn es eine Bijektion X −→ Y gibt. Wenn X und Y gleichmachtig sind,sagt man auch, dass X und Y dieselbe Kardinalitat haben und schreibt indiesem Fall |X| = |Y |.

Bemerkung A.4.2. Gleichmachtig zu sein ist reflexiv, symmetrisch und tran-sitiv (wie man leicht an der Charakterisierung von Bijektivitat uber Umkehr-abbildungen in Proposition 1.3.32 sehen kann).

Beispiel A.4.3 (Potenzmengen sind”groß“). Ist X eine Menge, so ist

X −→ P (X)

x 7−→ x

eine injektive Abbildung. Aber es gibt keine bijektive AbbildungX −→ P (X)(Ubungsaufgabe). Insbesondere ist |X| 6= |P (X)|.

Satz A.4.4 (Satz von Schroder-Bernstein). Sind X und Y Mengen und gibt esinjektive Abbildungen X −→ Y und Y −→ X, so gilt bereits |X| = |Y |.

Beweis. Dies kann zum Beispiel mit einem geeigneten Fixpunktsatz fur mo-notone mengenwertige Abbildungen gezeigt werden (Ubungsaufgabe).

Proposition A.4.5 (kleine Mengen und Machtigkeit). Sei n ∈ N.

1. Ist m ∈ N und gibt es eine injektive Abbildung 1, . . . ,m −→ 1, . . . , n,so folgt m ≤ n.

2. Ist m ∈ N und gibt es eine surjektive Abbildung 1, . . . ,m −→1, . . . , n, so folgt n ≤ m.

3. Insbesondere gilt: Ist m ∈ N und sind 1, . . . ,m und 1, . . . , ngleichmachtig, so folgt m = n.

Beweis. Die ersten beiden Aussagen folgen durch eine geschickte Induktion.Der dritte Teil ist eine direkte Folgerung aus den ersten beiden Teilen.

Definition A.4.6 (endlich, unendlich).

Eine Menge X ist endlich, wenn es ein n ∈ N mit |X| = |1, . . . , n|gibt. In diesem Fall schreibt man auch |X| = n (dies ist nach Proposi-tion A.4.5 wohldefiniert).

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A 10 A. Anhang

Eine Menge ist unendlich, wenn sie nicht endlich ist.

Man beachte, dass die leere Menge endlich ist, da

∅ = k ∈ N | 1 ≤ k ∧ k ≤ 0 = 1, . . . , 0.

Nach obiger Definition ist dabei |∅| = 0.

Satz A.4.7 (Unendlichkeit und N). Sei X eine Menge. Dann ist X genau dannunendlich, wenn es eine injektive Abbildung N −→ X gibt.

Beweisskizze (AC). Falls es eine injektive Abbildung N −→ X gibt, so folgtmit Proposition A.4.5, dass X nicht endlich (und somit unendlich) ist.

Ist umgekehrt X eine unendliche Menge, so kann man induktiv (mithilfedes Rekursionssatzes und einer geeigneten Variante des Auswahlaxioms) eineinjektive Abbildung N −→ X konstruieren.

Definition A.4.8 (abzahlbar unendlich, hochstens abzahlbar, uberabzahlbar).

Eine Menge X heißt abzahlbar unendlich, wenn |X| = |N| gilt.

Eine Menge heißt hochstens abzahlbar, wenn sie endlich oder abzahlbarunendlich ist.

Eine Menge heißt uberabzahlbar unendlich, wenn sie unendlich abernicht abzahlbar unendlich ist.

Beispiel A.4.9. Die Menge N × N ist abzahlbar unendlich (diagonales Zick-zack!), die Menge Q ist abzahlbar unendlich, aber die Menge R ist nichtabzahlbar unendlich (Cantorsches Diagonalargument).

Caveat A.4.10 (Kontinuumshypothese). Ob es eine Menge X gibt, die nichtabzahlbar unendlich ist, und fur die es keine injektive Abbildung R −→ Xgibt, ist unabhangig von den Axiomen der Mengenlehre(!). Diese Aussagekann also weder aus den Axiomen der Mengenlehre gefolgert noch widerlegtwerden.

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A.5. Kategorien A 11

A.5 Kategorien

Mathematische Theorien bestehen aus Objekten (z.B. Gruppen, reelle Vek-torraume, topologische Raume, messbare Raume, . . . ) und strukturerhalten-den Abbildungen (z.B. Gruppenhomomorphismen, R-lineare Abbildungen,stetige Abbildungen, messbare Abbildungen, . . . ) dazwischen. Dies abstra-hiert man zum Begriff der Kategorie [13, 3]:

Definition A.5.1 (Kategorie). Eine Kategorie C besteht aus den folgendenKomponenten:

Eine Klasse Ob(C); die Elemente von Ob(C) heißen Objekte von C.

Zu je zwei Objekten X,Y ∈ Ob(C) einer Menge MorC(X,Y ); die Ele-mente von MorC(X,Y ) heißen Morphismen von X nach Y in C. (Dabeiwird implizit angenommen, dass die Morphismenmengen zwischen ver-schiedenen Objektpaaren disjunkt sind.)

Zu je drei Objekten X,Y, Z ∈ Ob(C) einer Verknupfung

: MorC(Y,Z)×MorC(X,Y ) −→ MorC(X,Z)

(g, f) 7−→ g f

von Morphismen.

Dabei mussen folgende Bedingungen erfullt sein:

Fur jedes Objekt X in C gibt es einen Morphismus idX ∈ MorC(X,X)mit folgender Eigenschaft: Fur alle Y ∈ Ob(C) und alle Morphis-men f ∈ MorC(X,Y ) bzw. g ∈ MorC(Y,X) gilt

f idX = f und idX g = g.

(Dadurch ist idX eindeutig bestimmt und heißt Identitatsmorphismusvon X in C.)

Die Verknupfung von Morphismen ist assoziativ: Fur alle Objekte W ,X, Y , Z in C und alle Morphismen f ∈ MorC(W,X), g ∈ MorC(X,Y )und h ∈ MorC(Y,Z) gilt

h (g f) = (h g) f.

Caveat A.5.2. Das Konzept der Morphismen und Verknupfungen ist nachdem Beispiel der Abbildungen zwischen Mengen und der gewohnlichen Ab-bildungskomposition modelliert. Im allgemeinen muss es sich bei Morphismen

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A 12 A. Anhang

aber nicht um Abbildungen zwischen Mengen und bei der Verknupfung nichtum Abbildungskomposition handeln!

Beispiel A.5.3 (leere Kategorie). Die leere Kategorie ist die (eindeutig be-stimmte) Kategorie, deren Objektklasse die leere Menge ist.

Beispiel A.5.4 (Gruppen als Kategorien). Sei G eine Gruppe. Dann erhaltenwir wie folgt eine Kategorie CG:

Objekte: Die Kategorie CG besitze genau ein Objekt, etwa 0.

Morphismen: Es sei MorC(0, 0) := G.

Verknupfungen: Die Verknupfung sei wie folgt gegeben:

MorC(0, 0)×MorC(0, 0) −→ MorC(0, 0)

(g, h) 7−→ g · h.

Beispiel A.5.5 (Mengenlehre). Die Kategorie Set der Mengen besteht aus:

Objekte: Es sei Ob(Set) die Klasse(!) aller Mengen.

Morphismen: Sind X und Y Mengen, so sei MorSet(X,Y ) die Mengealler mengentheoretischen Abbildungen X −→ Y .

Verknupfungen: Sind X,Y und Z Mengen, so sei die VerknupfungMorSet(Y,Z) ×MorSet(X,Y ) −→ MorSet(X,Z) die gewohnliche Abbil-dungskomposition.

Es ist klar, dass die Verknupfung assoziativ ist. Ist X eine Menge, so ist diegewohnliche Identitatsabbildung

X −→ X

x 7−→ x

der Identitatsmorphismus idX von X in Set.

Beispiel A.5.6 (lineare Algebra). Die Kategorie VectR der R-Vektorraume be-steht aus:

Objekte: Es sei Ob(VectR) die Klasse aller R-Vektorraume.

Morphismen: Sind V und W reelle Vektorraume, so sei MorVectR(V,W )die Menge aller lineare Abbildungen V −→W .

Verknupfungen: Die Verknupfung sei durch die gewohnliche Abbil-dungskomposition gegeben.

Analog erhalt man auch die Kategorie Group der Gruppen, die Kategorie Abder abelschen Gruppen, . . .

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A.5. Kategorien A 13

Beispiel A.5.7 (Topologie). Die Kategorie Top der topologischen Raume be-steht aus:

Objekte: Es sei Ob(Top) die Klasse aller topologischen Raume.

Morphismen: Sind X und Y topologische Raume, so sei

map(X,Y ) := MorTop(X,Y )

die Menge aller stetigen Abbildungen X −→ Y .

Verknupfungen: Die Verknupfung sei durch die gewohnliche Abbil-dungskomposition gegeben.

Alle Begriffe, die sich durch Objekte und (Komposition von) Morphismenausdrucken lassen, lassen sich zu entsprechenden Begriffen in allgemeinenKategorien verallgemeinern. Ein erstes Beispiel ist der Isomorphiebegriff:

Definition A.5.8 (Isomorphismus). Sei C eine Kategorie. Objekte X,Y ∈Ob(C) sind isomorph in C, wenn es Morphismen f ∈ MorC(X,Y ) undg ∈ MorC(Y,X) mit

g f = idX und f g = idY

gibt. In diesem Fall sind f und g Isomorphismen in C und wir schreibenX ∼=C Y (oder wenn die Kategorie aus dem Kontext klar ist: X ∼= Y ).

Beispiel A.5.9 (Isomorphismenbegriffe).

Objekte in Set sind genau dann isomorph, wenn sie gleichmachtig sind.

Objekte in Group, Ab, VectR, . . . sind genau dann im obigen Sinneisomorph, wenn sie im gewohnlichen algebraischen Sinne isomorph sind.

Objekte in Top sind genau dann isomorph, wenn sie homoomorph sind.

Definition A.5.10 (Automorphismengruppe). Sei C eine Kategorie und seiX ∈ Ob(C). Dann bildet die Menge Aut(X) aller Isomorphismen X −→ Xin C bezuglich der Komposition von Morphismen in C eine Gruppe, die Au-tomorphismengruppe von X in C.

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A 14 A. Anhang

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A.6. Elementare Analysis von Sinus und Kosinus A 15

A.6 Elementare Analysis von Sinus und Kosinus

Im folgenden ist der analytische Zugang zu Sinus, Kosinus und π kurz zu-sammengefasst. Der Zusammenhang mit der Anschauung zu Winkeln amKreisbogen ergibt sich daraus erst durch Berechnung der Lange geeigneterKreisbogen (s. Analysis I/II).

Definition A.6.1 (Sinus, Kosinus). Die Funktionen Sinus und Kosinus sinddurch die folgenden (uberall absolut konvergenten!) Potenzreihen gegeben:

cos : R −→ R

x 7−→∞∑

n=0

(−1)n

(2n)!· x2n

sin : R −→ R

x 7−→∞∑

n=0

(−1)n

(2n+ 1)!· x2n+1.

Graphische Darstellung. Auswertung der obigen Ausdrucke an vielen Punk-ten ergibt die graphische Darstellung von cos bzw. sin in Abbildung A.1.

1

1sin

cos

Abbildung A.1.: Graphische Darstellung von cos und sin

Symmetrie. Nach Definition gilt fur alle x ∈ R, dass

cos(−x) = cos(x) und sin(−x) = − sin(x).

Differenzierbarkeit/Ableitungen. Aus allgemeinen Eigenschaften von Po-tenzreihen erhalten wir: Die Funktionen cos und sin sind glatt und fur dieAbleitungen gilt (gliedweises Differenzieren!)

cos′ = − sin und sin′ = cos .

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A 16 A. Anhang

Quadratsumme. Es giltcos2 + sin2 = 1,

denn (cos2 + sin2)′ = 0 und cos2(0) + sin2(0) = 1.

Die Zahl π und ihre Halfte. Eine sorgfaltige Abschatzung von Hand derPotenzreihe zeigt, dass sin(x) > 0 fur alle x ∈ (0, 2] gilt; also ist cos we-gen cos′ = − sin auf [0, 2] streng monoton fallend. Außerdem zeigt eineAbschatzung von Hand, dass cos(2) < 0 ist. Also hat cos in [0, 2] genaueine Nullstelle x0. Wir definieren

π := 2 · x0.

Nach Definition ist cos(π/2) = 0. Aus der Quadratsumme und der Positivitatvon sin auf [0, 2] folgt sin(π/2) = 1.

Additionstheoreme. Mithilfe des Cauchyprodukts von Potenzreihen kannman nachrechnen, dass

cos(x+ y) = cosx · cos y − sinx · sin y,sin(x+ y) = sinx · cos y + cosx · sin y

fur alle x, y ∈ R gilt. Insbesondere erhalt man daraus aus den bereits bekann-ten Werten, dass

cos(π) = −1, sin(π) = 0, cos(2 · π) = 1, sin(2 · π) = 0.

Periodizitat. Aus den Additionstheoremen und den bereits berechneten spe-ziellen Werten ergibt sich

cos(x+ 2 · π) = cos(x)

sin(x+ 2 · π) = sin(x)

cos(x− π

2

)= sin(x)

fur alle x ∈ R.

Invertierbarkeit. Aus den bereits gezeigten Positivitats- und Symmetrieei-genschaften sowie den bereits berechneten Werten folgt, dass

cos : [0, π] −→ [−1, 1]

sin : [−π/2, π/2] −→ [−1, 1]

Homoomorphismen sind; die inversen Funktionen bezeichnet man mit arccosbzw. arcsin.

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A.7. Funktoren A 17

A.7 Funktoren

Die Ubersetzung zwischen mathematischen Theorien (d.h. zwischen Katego-rien) erfolgt durch sogenannte Funktoren. Grob gesagt handelt es sich dabeium

”strukturerhaltende Abbildungen zwischen Kategorien“.

Definition A.7.1 (Funktor). Seien C und D Kategorien. Ein (kovarianter)Funktor F : C −→ D besteht aus folgenden Komponenten:

Einer Abbildung F : Ob(C) −→ Ob(D).

Zu je zwei Objekten X,Y ∈ Ob(C) einer Abbildung

F : MorC(X,Y ) −→ MorC(F (X), F (Y )

).

Dabei mussen folgende Bedingungen erfullt sein:

Fur alle X ∈ Ob(C) ist F (idX) = idF (X).

Fur alle X,Y, Z ∈ Ob(C) und alle f ∈ MorC(X,Y ), g ∈ MorC(Y,Z)gilt

F (g f) = F (g) F (f).

Beispiel A.7.2 (Identitatsfunktor). Sei C eine Kategorie. Dann ist der Iden-titatsfunktor IdC : C −→ C wie folgt definiert:

Auf Objekten betrachten wir die Abbildung

Ob(C) −→ Ob(C)

X 7−→ X.

Auf Morphismen: Fur alle X,Y ∈ Ob(C) betrachten wir

MorC(X,Y ) −→ MorC(X,Y )

f 7−→ f.

Beispiel A.7.3 (Vergissfunktor). Der Vergissfunktor VectR −→ Set ist wie folgtdefiniert:

Auf Objekten betrachten wir die Abbildung Ob(VectR) −→ Ob(Set),die einem R-Vektorraum die unterliegende Menge zuordnet.

Auf Morphismen: Fur alle R-Vektorraume X,Y betrachten wir

MorTop(X,Y ) = HomR(X,Y ) −→ MorSet(X,Y )

f 7−→ f.

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A 18 A. Anhang

Analog erhalt man Vergissfunktoren Top −→ Set, VectR −→ Ab, . . .

Beispiel A.7.4 (basierte Vektorraume). Man kann die Mengenlehre uber denfolgenden Funktor F : Set −→ VectR in die lineare Algebra ubersetzen:

Auf Objekten definieren wir

F : Ob(Set) −→ Ob(VectR)

X 7−→⊕

X

R.

(Dabei ist⊕

X R eine Verallgemeinerung der direkten Summe zweierVektorraume (s. Lineare Algebra II). Wir betrachten eine Menge X inkanonischer Weise als Teilmenge, bzw. sogar Basis, von

⊕X R.)

Auf Morphismen definieren wir F wie folgt: Sind X,Y Mengen und istf : X −→ Y eine Abbildung, so definieren wir F (f) :

⊕X R −→⊕

Y Rals die eindeutig bestimmte R-lineare Abbildung, die f von der Basis Xauf ganz

⊕X R fortsetzt.

Dies liefert tatsachlich einen Funktor. Dabei gilt fur alle Mengen X und alleR-Vektorraume V , dass

MorVectR

(F (X), V

)−→ MorSet(X,V )

f −→ f |X

eine Bijektion ist (universelle Eigenschaft von Basen).

In vielen Situationen benotigt man Funktoren, die”die Richtung der Pfeile

umdrehen“, also sogenannte kontravariante Funktoren:

Definition A.7.5 (kontravarianter Funktor). Seien C und D Kategorien. Einkontravarianter Funktor F : C −→ D besteht aus folgenden Komponenten:

Einer Abbildung F : Ob(C) −→ Ob(D).

Zu je zwei Objekten X,Y ∈ Ob(C) einer Abbildung

F : MorC(X,Y ) −→ MorC(F (Y ), F (X)

).

Dabei mussen folgende Bedingungen erfullt sein:

Fur alle X ∈ Ob(C) ist F (idX) = idF (X).

Fur alle X,Y, Z ∈ Ob(C) und alle f ∈ MorC(X,Y ), g ∈ MorC(Y,Z)gilt

F (g f) = F (f) F (g).

Beispiel A.7.6 (Dualraum). Man kann die Konstruktion des Dualraums alskontravarianten Funktor · ∗ : VectR −→ VectR auffassen:

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A.7. Funktoren A 19

Auf Objekten verwenden wir

Ob(VectR) −→ Ob(VectR)

X 7−→ X∗ = HomR(X,R).

Auf Morphismen: Fur alle R-Vektorraume X,Y betrachten wir

MorVectR(X,Y ) = HomR(X,Y ) −→ HomR(Y ∗, X∗)

f 7−→ f∗.

Allgemeiner liefern Objekte in Kategorien Funktoren, die beschreiben wiedie entsprechende Kategorie aus dem Blickwinkel dieses Objekts aussieht:

Beispiel A.7.7 (darstellbare Funktoren). Sei C eine Kategorie und X ∈ Ob(C).Dann erhalten wir einen kontravarianten Funktor

MorC( · , X) : C −→ Set,

den von X dargestellten kontravarianten Funktor. Dieser Funktor ist wie folgtdefiniert:

Auf Objekten: Sei

MorC( · , X) : Ob(C) −→ Ob(Set)

Y 7−→ MorC(Y,X).

Auf Morphismen: Sind Y, Z ∈ Ob(C), so definieren wir

MorC( · , X) : MorC(Y, Z) −→ MorSet

(MorC(Z,X),MorC(Y,X)

)

f 7−→ (g 7→ g f).

Analog erhalt man einen kovarianten Funktor MorC(X, · ) : C −→ Set.

In der Linearen Algebra II werden wir noch weitere Funktoren (z.B. Ten-sorprodukte) kennenlernen.

Eine wesentliche Eigenschaft von (kovarianten wie kontravarianten) Funk-toren ist, dass sie – da sie mit Verknupfungen und Identitatsmorphismenvertraglich sind – Isomorphie erhalten und somit ein geeignetes Konzept furInvarianten liefern:

Proposition A.7.8 (Funktoren erhalten Isomorphie). Seien C, D Kategorien,sei F : C −→ D ein Funktor und seien X,Y ∈ Ob(C).

1. Ist f ∈ MorC(X,Y ) ein Isomorphismus in C, so ist der ubersetzteMorphismus F (f) ∈ MorD(F (X), F (Y )) ein Isomorphismus in D.

2. Insbesondere: Ist X ∼=C Y , so folgt F (X) ∼=D F (Y ). Bzw.: Ist F (X) 6∼=D

F (Y ), so ist X 6∼=C Y .

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A 20 A. Anhang

Beweis. Der erste Teil folgt direkt aus den definierenden Eigenschaften vonFunktoren. Der zweite Teil ist eine unmittelbare Folgerung aus dem erstenTeil.

Geeignete Funktoren konnen also helfen zu zeigen, dass gewisse Objektenicht isomorph sind.

Caveat A.7.9. Die Umkehrung gilt im allgemeinen nicht ! D.h. Objekte, dieunter einem Funktor auf isomorphe Objekte abgebildet werden, sind im all-gemeinen nicht isomorph.

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A.8. 3D-Druck A 21

A.8 3D-Druck

Die Technologie des 3D-Drucks ermoglicht es, kostengunstig Prototypen bzw.Einzelstucke herzustellen; je nach Drucker konnen dabei Kunststoffe, Me-talle, . . . verarbeitet werden. Zum Beispiel kann 3D-Druck zur Herstellungpassgenauer Prothesen oder zur Herstellung von Ersatzteilen auf der ISS ver-wendet werden. Die Anwendungsmoglichkeiten sind außerst vielfaltig und der3D-Druck wird im Laufe der nachsten Jahre unseren und den industriellenAlltag maßgeblich verandern.

Wir geben einen kurzen Ausblick, wie 3D-Druck funktioniert und warumLineare Algebra dabei hilft.

A.8.1 Fused Filament Fabrication

Das Grundprinzip des 3D-Drucks ist, dass dreidimensionale Objekte gedrucktwerden, indem man

Schicht

fur Schicht

fur Schicht

fur Schicht

fur Schicht

. . .

Material auftragt.Abbildung A.2 zeigt dieses Verfahren schematisch, wenn es von Hand aus-

gefuhrt wird. Eine maschinelle Variante dieses Verfahrens ist Fused FilamentFabrication, wobei z.B. Kunstoff geschmolzen und schichtweise aufgetragenwird (Abbildung A.3).

A.8.2 Die Spezifikation dreidimensionaler Objekte

Dreidimensionale Objekte werden im Kontext von 3D-Druck normalerweisebeschrieben, indem ihre Oberflache spezifiziert wird. Dazu wird die Ober-flache (die etwas lokal zweidimensionales ist), durch hinreichend kleine Drei-ecke approximiert und modelliert (Abbildung A.4). Dabei werden Dreieckemit Koordinaten in R3 durch die Koordinaten ihrer Eckpunkte definiert.

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A 22 A. Anhang

−→

Abbildung A.2.: 3D-Druck, von Hand

Abbildung A.3.: Fused Filament Fabrication (schematisch und Prusa i3(Reprap))

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A.8. 3D-Druck A 23

Abbildung A.4.: Beschreibung eines Rings durch Dreiecke

Genauer gesagt beschreibt man die Oberflache dreidimensionaler Objek-te im sogenannten STL-Format. Das Dateiformat ASCII STL (eine lesbareVersion davon) ist wie folgt aufgebaut:

solid name

Es folgt die Liste der Dreiecke, wobei jedes Dreieck wie folgt definiertist:

facet normal n1 n2 n3 außerer Einheitsnormalenvektorouter loopvertex u1 u2 u3 erster Eckpunkt des Dreiecksvertex v1 v2 v3 zweiter Eckpunkt des Dreiecksvertex w1 w2 w3 dritter Eckpunkt des Dreiecksendloopendfacet.

endsolid name

Zusatzlich wird verlangt, dass die Orientierung des Dreiecks mit der Rich-tung des Normalenvektors kompatibel ist; daher ist die Angabe von facetnormal redundant.

In der Praxis beschreibt man naturlich nicht jedes dieser Dreiecke einzeln,sondern spezifiziert das dreidimensionale Objekt in einer hoheren Sprache(z.B. OpenSCAD) und generiert dann eine entsprechende STL-Datei. Beider Beschreibung dreidimensionaler Objekte ist ein Hintergrund in LinearerAlgebra und der Geometrie des R-Vektorraums R3 sehr hilfreich.

A.8.3 Berechnung der Schnitte

Im nachsten Schritt muss aus dem STL-Format eine schrittweise Druckanlei-tung fur den Drucker erstellt werden (z.B. gcode), die dem Drucker angibt,wie die einzelnen Schichten aussehen. Auch an dieser Stelle ist Lineare Alge-bra hilfreich: Die Oberflache des Objekts ist durch Dreiecke gegeben. Fur jedeSchicht wird nun der Schnitt der Druckschichtebene mit jedem der Dreiecke

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A 24 A. Anhang

berechnet (dies ist ein Problem aus der Linearen Algebra!). Falls die STL-Datei eine sinnvolle Oberflache eines dreidimensionalen Objekts beschreibt,ist dieser Schnitt fur jede Schicht eine endliche Menge von Polygonen, diedann von dem Druckkopf auf die bereits gedruckten Schichten

”aufgemalt“

wird.Im Detail ist das Verfahren naturlich etwas komplizierter, da die Bewegung

des Druckkopfs noch angemessen optimiert werden sollte . . .

Literaturaufgabe. Theoretischer 3D-Druck kommt aber nicht an praktischen3D-Druck heran. Man sollte daher unbedingt einem 3D-Drucker bei der Ar-beit zusehen, zum Beispiel:

https://www.youtube.com/watch?v=nk 8IcBVkRA

https://www.youtube.com/watch?v=dKPxJW65IQg

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B

Ubungsblatter

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Ubungen zur Linearen Algebra I

Prof. Dr. C. Loh/D. Fauser/J. Prem Blatt 0 vom 20. Oktober 2016

Aufgabe 1 (aussagenlogische Tautologien). Sind die folgenden aussagenlogischenFormeln Tautologien? (Hierbei bezeichnen A,B,C aussagenlogische Variablen.)Begrunden Sie Ihre Antwort (durch einen Beweis oder ein geeignetes Gegenbei-spiel)!

1. (A =⇒ B) ⇐⇒ (¬A ∨B)

2. ¬(A ∧B) ⇐⇒ (¬A ∧ ¬B)

3.((¬A) =⇒ (B ∧ ¬B)

)=⇒ A

4.((A =⇒ B) ∧ (B =⇒ C)

)=⇒ (A =⇒ C)

Aufgabe 2 (Negation). Formalisieren Sie die folgenden Aussagen im Stile derQuantorenlogik und negieren Sie die Aussagen; versuchen Sie dabei, die Nega-tionen auch wieder sprachlich sauber zu formulieren.

1. Alle Voglein sind schon da.[Volkslied]

2. Veranstaltungen mit Kraftfahrzeugen bedurfen der Erlaubnis, wenn sie dieNachtruhe storen konnen.[StVO]

3. Verkehrshindernisse sind, wenn notig, mit eigener Lichtquelle zu beleuch-ten oder durch andere zugelassene lichttechnische Einrichtungen kenntlichzu machen.[StVO]

4. Wenn Du einen Schneck behauchstSchrumpft er ins Gehause, [und]Wenn Du ihn in Kognak tauchst,Sieht er weiße Mause.[Ringelnatz, Uberall]

Hinweis. Da die deutsche Sprache viele Mehrdeutigkeiten besitzt und nicht je-der Satz auf eine eindeutige Art und Weise als quantorenlogische Formel forma-lisiert werden kann, kann es verschiedene vernunftige Losungen dieser Aufgabegeben.

Aufgabe 3 (Folgerungen aus Axiomen). Beweisen Sie, dass die Aussage

Der Mond besteht aus Quantoren.

logisch aus den folgenden Axiomen folgt:

À Tux ist ein Pinguin.

Á Tux ist kein Pinguin.

Bitte wenden

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Aufgabe 4 (Implikationsumkehr). Was ist falsch am nachfolgenden”Beweis“?

Geben Sie genau an, an welcher Stelle etwas schiefgeht und erklaren Sie denFehler!

Behauptung. Wenn A und B quantorenlogische Aussagen sind und A =⇒ Bgilt, so gilt auch B =⇒ A

Beweis. Seien A und B quantorenlogische Aussagen und es gelte A =⇒ B.Angenommen, es gilt nicht B =⇒ A, d.h. es gilt B =⇒ ¬A. Wegen derVoraussetzung A =⇒ B erhalten wir daraus aber auch A =⇒ ¬A, wasnicht sein kann. Also muss die Annahme falsch gewesen sein, und damitgilt B =⇒ A.

Bonusaufgabe (Zerstreuung). Professor Pirkheimer geht bestens vorbereitet genHorsaal; leider hat er vergessen, ob die Vorlesung in H31 oder H32 stattfindet.Vor den Turen trifft er einen Studenten. Glucklicherweise wissen alle Studen-ten, in welchem der beiden Horsale die Vorlesung von Professor Pirkheimerstattfindet. Studenten, die keine Spaßvogel sind, sagen immer die Wahrheit,wohingegen Studenten, die Spaßvogel sind, nie die Wahrheit sagen. ProfessorPirkheimer kann nicht ohne weiteres erkennen, zu welcher Sorte der Studentgehort.

Wie kann Professor Pirkheimer mit einer einzigen Ja/Nein-Frage an denStudenten den richtigen Horsaal identifizieren?

keine Abgabe; diese Aufgaben werden in den Ubungenin der zweiten Vorlesungswoche besprochen

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Ubungen zur Linearen Algebra I

Prof. Dr. C. Loh/D. Fauser/J. Prem Blatt 1 vom 20. Oktober 2016

Aufgabe 1 (aussagenlogische Tautologien). Sind die folgenden aussagenlogischenFormeln Tautologien? (Hierbei bezeichnen A,B,C aussagenlogische Variablen.)Begrunden Sie Ihre Antwort (durch einen Beweis oder ein geeignetes Gegenbei-spiel)!

1. A =⇒ (A ∨B)

2. A =⇒ (A ∧B)

3. (A ∧ ¬A) =⇒ B

4.((A =⇒ B) =⇒ C

)⇐⇒

(A =⇒ (B =⇒ C)

)

Aufgabe 2 (Wer war’s?). Professor Pirkheimer wird tot in der Bibliothek seinesAnwesens aufgefunden.

À Als Tater kommen nur der Gartner, der Frisor oder der Außerirdischeinfrage.

Á Nur der Gartner und der Frisor haben eine Schere und es gibt keine Tasse,die nicht im Schrank ist.

 Wenn die Frisur von Professor Pirkheimer wohlgeordnet ist, hatte derFrisor keine Zeit fur den Mord oder der Frisor hat dem Außerirdischendas Frisieren beigebracht.

à Wenn der Außerirdische den Professor erlegt hat, sind nicht mehr alleTassen im Schrank.

Ä Wenn alle Tassen im Schrank sind, ist auch Professor Pirkheimers Frisurwohlgeordnet.

Å Professor Pirkheimer wurde mit einer Schere erdolcht.

Æ Der Außerirdische kann nicht Frisieren.

Wer war’s? Formulieren Sie eine geeignete Behauptung und beweisen Siediese logisch aus den obigen Axiomen!

Aufgabe 3 (logische Operatoren). In der Programmiersprache C¬¬ gibt es dieWahrheitswerte

”wahr“ (w) und

”falsch“ (f) sowie die logischen binaren Ope-

ratoren”⊗“ und

”C“. Die Semantik dieser Operatoren ist durch die folgenden

Wahrheitstabellen gegeben:

A B A⊗B A C Bw w f fw f w wf w w ff f w w

Wie kann man durch diese beiden logischen Operatoren die Semantik dergewohnliche logischen binaren Operatoren

”∧“ bzw.

”=⇒“ simulieren? Formu-

lieren Sie eine geeignete Behauptung und beweisen Sie diese!

Bitte wenden

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Aufgabe 4 (Nix gilt mehr!). Was ist falsch am nachfolgenden”Beweis“? Geben

Sie genau an, an welcher Stelle etwas schiefgeht und erklaren Sie den Fehler!

Behauptung. Wenn A und B quantorenlogische Aussagen sind und A =⇒ Bgilt, so gilt auch ¬B.

Beweis. Seien A und B quantorenlogische Aussagen und es gelte A =⇒ B. Alsogilt ¬(A =⇒ (¬B)). Wegen

¬(A =⇒ (¬B)

)⇐⇒ ¬

(A ∨ (¬(¬B))

)

und den de Morganschen Regeln gilt dann auch (¬A)∧(¬B); insbesonderegilt daher ¬B.

Bonusaufgabe (Die Schule von Athen).

1. Woher kennen Sie dieses Bild?

2. Wo sind auf diesem Bild Platon, Aristoteles, Pythagoras und Euklid dar-gestellt?

3. Warum ist Hilbert (der Mathematiker mit Hut) nicht abgebildet?

Abgabe bis zum 27. Oktober 2016, 10:00 Uhr, in die Briefkasten

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Ubungen zur Linearen Algebra I

Prof. Dr. C. Loh/D. Fauser/J. Prem Blatt 2 vom 27. Oktober 2016

Aufgabe 1 (Bild und Urbild). Welche der folgenden Aussagen sind fur alle Ab-bildungen f : X −→ Y von Mengen wahr? Begrunden Sie Ihre Antwort (durcheinen Beweis oder ein geeignetes Gegenbeispiel)!

1. Es gilt fur alle A ⊂ X, dass f−1(f(A)

)⊂ A.

2. Es gilt fur alle B ⊂ Y , dass f(f−1(B)

)⊂ B.

Aufgabe 2 (Injektivitat fur alle!). Was ist falsch am nachfolgenden”Beweis“? Ge-

ben Sie genau an, an welcher Stelle etwas schiefgeht und erklaren Sie den Fehler(indem Sie ein Gegenbeispiel fur den entsprechenden Beweisschritt angeben)!

Behauptung. Ist f : X −→ Y eine Abbildung, so ist f injektiv.

Beweis. Seien x, x′ ∈ X mit x 6= x′. Also ist x ∩ x′ = ∅ und wir erhalten

f(x)∩ f(x′

)= f

(x ∩ x′

)= f(∅) = ∅.

Insbesondere ist somit f(x) 6= f(x′). Mit Kontraposition folgt daraus, dassdie Abbildung f injektiv ist.

Aufgabe 3 (Potenzmengen sind”groß“). Sei X eine Menge. Zeigen Sie, dass es

keine surjektive Abbildung X −→ P (X) gibt.Hinweis. Sei f : X −→ P (X) eine Abbildung. Liegt x ∈ X | x 6∈ f(x) imBild von f ?! Argumentieren Sie wie im Russellschen Paradoxon . . .

Aufgabe 4 (universelle Eigenschaft des kartesischen Produkts). Seien X1 undX2 Mengen. Wir sagen, dass eine Menge P zusammen mit den Abbildun-gen p1 : P −→ X1 und p2 : P −→ X2 die universelle Eigenschaft des kartesischenProduktes von X1 und X2 erfullt, wenn folgendes gilt: Fur jede Menge Z undalle Abbildungen f1 : Z −→ X1 und f2 : Z −→ X2 gibt es genau eine Abbil-dung f : Z −→ P mit

p1 f = f1 und p2 f = f2.

Kurz und knapp lasst sich dies im Diagramm

X1

Z∃!f//

f1 88

f2 &&

P

p1OO

p2

X2

veranschaulichen (dabei ist”∃!“ eine gebrauchliche Abkurzung fur

”es existiert

genau ein . . .“).

1. Zeigen Sie, dass X1 × X2 zusammen mit den beiden kanonischen Pro-jektionen π1 : X1 × X2 −→ X1 und π2 : X1 × X2 −→ X2 die universelleEigenschaft des kartesischen Produktes von X1 und X2 erfullt.

Hinweis. Don’t panic! Lesen Sie die Definition noch einmal in Ruhe durch.Was ist gegeben? Was ist zu zeigen? Was heißt

”genau eine“?

2. Zeigen Sie: Erfullt die Menge P mit den Abbildungen p1 : P −→ X1

und p2 : P −→ X2 die universelle Eigenschaft des kartesischen Produk-tes von X1 und X2, so gibt es genau eine Bijektion f : P −→ X1 × X2

mitπ1 f = p1 und π2 f = p2.

Hinweis. Setzen Sie fur”Z“ als Testmenge P bzw. X1 × X2 ein und

Verwenden Sie die Charakterisierung von Bijektivitat durch Umkehrab-bildungen . . .

Bitte wenden

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Bonusaufgabe (Der Satz von Schroder-Bernstein). Seien X und Y Mengen. Zei-gen Sie: Gibt es injektive Abbildungen X −→ Y und Y −→ X, so gibt es bereitseine bijektive Abbildung X −→ Y .Hinweis. Eine Abbildung h : P (X) −→ P (X) heißt monoton wachsend, wennfur alle Teilmengen A,B ⊂ X mit A ⊂ B gilt, dass

h(A) ⊂ h(B).

Eine Teilmenge A ⊂ X ist ein Fixpunkt von h, wenn h(A) = A gilt. Zeigen Sie,dass

⋃B ⊂ X

∣∣ B ⊂ h(B)

=x∣∣ ∃B∈P (X) (B ⊂ h(B)) ∧ (x ∈ B)

ein

Fixpunkt von h ist.Betrachten Sie dann zu f : X −→ Y und g : Y −→ X die Abbildung

h : P (X) −→ P (X)

A 7−→ X \ g(Y \ f(A)

).

Zeigen Sie, dass h monoton wachsend ist und betrachten Sie einen Fixpunkt . . .

Abgabe bis zum 3. November 2016, 10:00 Uhr, in die Briefkasten

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Ubungen zur Linearen Algebra I

Prof. Dr. C. Loh/D. Fauser/J. Prem Blatt 3 vom 3. November 2016

Aufgabe 1 (Relationen). Welche der folgenden Aussagen sind wahr? BegrundenSie Ihre Antwort (durch einen Beweis oder ein geeignetes Gegenbeispiel)!

1. Jede symmetrische Relation ist transitiv.

2. Jede transitive Relation ist reflexiv.

Aufgabe 2 (Vererbung von Surjektivitat). Seien X, Y , Z Mengen und seienf : X −→ Y , g : Y −→ Z Abbildungen. Zeigen Sie die Behauptung

Ist g f : X −→ Z surjektiv, so ist auch g : Y −→ Z surjektiv.

auf die folgenden beiden Arten:

1. Zeigen Sie diese Aussage zunachst elementweise.

2. Zeigen Sie die Aussage dann nochmal uber die Charakterisierung von Sur-jektivitat durch die Existenz eines Spalts.

Aufgabe 3 (Kommutativitat der Addition). Zeigen Sie wie folgt die Kommutati-vitat der induktiv definierten Addition auf N; Sie durfen dabei verwenden, dasswir die Assoziativitat bereits bewiesen haben. Bearbeiten Sie zwei der folgendendrei Aufgabenteile:

1. Zeigen Sie: Fur alle n ∈ N gilt 0 + n = n.

2. Zeigen Sie: Fur alle n ∈ N gilt n+ 1 = 1 + n.

3. Zeigen Sie: Fur alle m,n ∈ N gilt m+ n = n+m.

Aufgabe 4 (Aquivalenzklassen). Sei X eine Menge und sei”∼“ eine Aquivalenz-

relation auf X.

1. Was ist falsch am nachfolgenden”Beweis“? Geben Sie genau an, an welcher

Stelle etwas schiefgeht und erklaren Sie den Fehler!

Behauptung. Fur alle x ∈ X ist [x] = X.

Beweis. Wegen [x] ⊂ X genugt es zu zeigen, dass X ⊂ [x] ist. Sei y ∈ X.Wir zeigen, dass y ∈ [x] gilt: Sei dazu A := [x] ∩ [y] und sei z ∈ A.Nach Definition gilt dann x ∼ z und y ∼ z. Da die Relation

”∼“ sym-

metrisch ist, folgt z ∼ y. Mit der Transitivitat erhalten wir aus x ∼ zund z ∼ y, dass x ∼ y. Also ist y ∈ [x].

2. Zeigen Sie: Fur alle x, y ∈ X gilt [x] = [y] oder [x] ∩ [y] = ∅. IllustrierenSie Ihre Argumente mit geeigneten Skizzen!

3. Zeigen Sie: Es gilt⋃

(X/ ∼) = X.

Bitte wenden

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Bonusaufgabe (Infinisudoku). Zeigen Sie: Man kann das nach rechts und obenunendliche Gitter

. . .

......

so mit naturlichen Zahlen fullen, dass in jeder Zeile und in jeder Spalte jedenaturliche Zahl genau einmal auftritt.Hinweis. Versuchen Sie zunachst, das Problem systematisch fur kleine Qua-drate zu losen!

Abgabe bis zum 10. November 2016, 10:00 Uhr, in die Briefkasten

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Ubungen zur Linearen Algebra I

Prof. Dr. C. Loh/D. Fauser/J. Prem Blatt 4 vom 10. November 2016

Aufgabe 1 (Rechnen in Gruppen). Welche der folgenden Aussagen sind in allenGruppen (G, · ) wahr? Begrunden Sie Ihre Antwort (durch einen Beweis oderein geeignetes Gegenbeispiel)!

1. Fur alle g, h ∈ G gilt (g · h)−1 = h−1 · g−1.

2. Fur alle g, h ∈ G und alle n ∈ N gilt (g · h · g−1)n = g · hn · g−1.

Hinweis. Ist k ∈ G, so definieren wir k0 als neutrales Element von G undinduktiv kn+1 := kn · k fur alle n ∈ N.

Aufgabe 2 (symmetrische Gruppen). Sei X eine Menge. Zeigen Sie, dass diesymmetrische Gruppe SX genau dann abelsch ist, wenn X hochstens zwei ver-schiedene Elemente enthalt.Hinweis. Es ist eine Aquivalenz (

”genau dann . . . , wenn . . .“) zu zeigen. In

welche beiden Teilprobleme zerlegt sich die Aufgabe daher auf naturliche Weise?Rechnen Sie zunachst ein paar Beispiele, um der allgemeinen Losung auf dieSpur zu kommen!

Aufgabe 3 (Wurzelkorper). Sei

K := a+ i ·√

2016 · b | a, b ∈ Q ⊂ C.

1. Was ist falsch am nachfolgenden”Beweis“? Geben Sie genau an, an welcher

Stelle etwas schiefgeht und erklaren Sie den Fehler!

Behauptung. Die Menge K bildet bezuglich der von C auf K eingeschrank-ten Addition und Multiplikation einen Korper.

Beweis. Nach Konstruktion ist 0 ∈ K und 1 ∈ K.

Einfaches Nachrechnen zeigt, dass

∀x,y∈K x+ y ∈ K.Wegen i ·

√2016 · i ·

√2016 = −2016 folgt außerdem durch Ausmul-

tiplizieren, dass∀x,y∈K x · y ∈ K.

Also schranken sich Addition und Multiplikation von C tatsachlichzu Verknupfungen K ×K −→ K ein.

Da C ein Korper ist und K ⊂ C gilt, folgt somit, dass sich dieKorpereigenschaften von C auf K vererben. Also ist auch K einKorper.

2. Zeigen Sie, dass K tatsachlich ein Korper ist.

Aufgabe 4 (kleiner Korper). Zeigen Sie, dass es einen Korper gibt, der genauvier Elemente enthalt.Hinweis. Die Charakteristik eines solchen Korpers ist 2. Versuchen Sie, Schrittfur Schritt die Verknupfungstabellen fur Addition bzw. Multiplikation zu fullen.Beginnen Sie mit den Teilen, die direkt aus den Axiomen folgen, und hangelnSie sich dann vorwarts, um einen geeigneten Kandidaten zu finden.

Beim Aufschreiben der Losung sollten Sie jedoch umgekehrt vorgehen: Pra-sentieren Sie Ihre fertigen Verknupfungstabellen und begrunden Sie dann, warumdiese tatsachlich die Korperaxiome erfullen.

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Bonusaufgabe (Zauberwurfel). Erklaren Sie, wie man die zulassigen Zuge amZauberwurfel (https://eu.rubiks.com/about/the-history-of-the-rubiks-cube) durcheine Gruppe beschreiben kann.

Bonusaufgabe (Zahlen; nur fur Lehramtler! (als optionale Alternative zum Zau-berwurfel)).

1. Wie werden in der Schule (Gymnasium, Bayern) die naturlichen, ganzen,rationalen, reellen Zahlen eingefuhrt?

2. Welche Gemeinsamkeiten und Unterschiede gibt es im Vergleich zu unse-rem Vorgehen?

Es genugt, wenn Sie die wesentlichen Punkte kurz skizzieren!

Abgabe bis zum 17. November 2016, 10:00 Uhr, in die Briefkasten

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Ubungen zur Linearen Algebra I

Prof. Dr. C. Loh/D. Fauser/J. Prem Blatt 5 vom 17. November 2016

Aufgabe 1 (Rechnen in Vektorraumen). Sei K ein Korper, sei V ein K-Vektor-raum. Welche der folgenden Aussagen sind in dieser Situation immer wahr?Begrunden Sie Ihre Antwort (durch einen Beweis oder ein geeignetes Gegenbei-spiel)!

1. Fur jedes λ ∈ K \ 0 und alle a, b ∈ V gibt es genau ein x ∈ V mit

λ · x+ b = a.

2. Fur alle a, b ∈ V \ 0 gibt es genau ein λ ∈ K mit

λ · b = a.

Aufgabe 2 (der Korper Kn?!). Sei K ein Korper und sei n ∈ N \ 0.1. Was ist falsch am nachfolgenden

”Beweis“? Geben Sie genau an, an welcher

Stelle etwas schiefgeht und erklaren Sie den Fehler!

Behauptung. Dann ist Kn bezuglich der folgenden Addition und Multi-plikation ein Korper:

+: Kn ×Kn −→ Kn

x1...xn

,

y1...yn

7−→

x1 + y1

...xn + yn

· : Kn ×Kn −→ Kn

x1...xn

,

y1...yn

7−→

x1 · y1

...xn · yn

Beweis. Wir wissen bereits, dass (Kn,+) eine abelsche Gruppe ist. Kom-ponentenweises Nachrechnen zeigt, dass diese Multiplikation auf Kn

kommutativ und assoziativ ist, dass der Vektor

1...1

das neutrale Element bezuglich dieser Multiplikation ist, und dassdas Distributivgesetz gilt. Es genugt also zu zeigen, dass jedes Ele-ment x ∈ Kn \ 0 ein multiplikatives Inverses hat. Wegen x 6= 0 giltfur die Koordinaten von x, dass xj 6= 0 fur alle j ∈ 1, . . . , n. Dannrechnet man koordinatenweise nach, dass

x−11...

x−1n

multiplikativ invers zu x ist. Also ist (Kn,+, · ) ein Korper.

2. Zeigen Sie: Ist Kn bezuglich der obigen Addition und Mulitplikation einKorper, so ist n = 1.

Bitte wenden

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Aufgabe 3 (erzeugte Unterraume). Sei K ein Korper, sei V ein K-Vektorraum,sei E ⊂ V und sei

W :=

n∑

j=1

λj · vj∣∣∣∣ n ∈ N, v1, . . . , vn ∈ E, λ1, . . . , λn ∈ K

Beweisen Sie die folgenden beiden Aussagen:

1. Es ist W ein K-Untervektorraum von V und E ⊂W .

2. Ist U ⊂ V ein K-Untervektorraum von V mit E ⊂ U , so folgt W ⊂ U .

Hinweis. Man beachte, dass die leere Summe gleich 0 ist!

Aufgabe 4 (Simplizes). Zu n ∈ N definieren wir das n-Simplex durch

∆n :=

x ∈ Rn+1

∣∣∣∣ fur alle j ∈ 1, . . . , n+ 1 ist xj ≥ 0 undn+1∑

j=1

xj = 1

;

insbesondere ist ∆n eine Teilmenge von Rn+1.

1. Skizzieren Sie ∆0 ⊂ R1, ∆1 ⊂ R2 und ∆2 ⊂ R3.

2. Zeigen Sie: Ist n ∈ N, so gibt es Vektoren v0, . . . , vn ∈ Rn+1 mit

∆n ⊂ v0 + SpanR(v1, . . . , vn

).

Hinweis. Es ist hilfreich, sich zunachst eine Losung fur n ∈ 0, 1, 2 zuuberlegen.

Bonusaufgabe (OpenSCAD). OpenSCAD (http://www.openscad.org) ist Soft-ware (Open Source, GPLv2) zur Modellierung von dreidimensionalen Objekten(zum Beispiel als Vorstufe fur 3D-Druck).

1. Was haben translate([x,y,z]) und scale([x,x,x]) mit der gewohnlichen R-Vek-torraumstruktur auf R3 zu tun?

2. Wie kann man basierend auf dem Wurfel cube([1,1,1]) auf einfache Weiseeinen Turm der folgenden Form beschreiben?

Abgabe bis zum 24. November 2016, 10:00 Uhr, in die Briefkasten

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Ubungen zur Linearen Algebra I

Prof. Dr. C. Loh/D. Fauser/J. Prem Blatt 6 vom 24. November 2016

Aufgabe 1 (Vererbung von Erzeugendensystemen und linearer Unabhangigkeit).Sei K ein Korper, sei V ein K-Vektorraum. Welche der folgenden Aussagensind in dieser Situation immer wahr? Begrunden Sie Ihre Antwort (durch einenBeweis oder ein geeignetes Gegenbeispiel)!

1. Ist E ⊂ V ein Erzeugendensystem von V , so ist jede Teilmenge von Eauch ein Erzeugendensystem von V .

2. Ist (vi)i∈I eine linear unabhangige Familie in V , so ist jede Teilfamilievon (vi)i∈I auch linear unabhangig.

Aufgabe 2 (eine Basis von R2). Wir betrachten den Vektor

v1 :=

(20162017

)

in R2.

1. Geben Sie einen Vektor v2 ∈ R2 an, so dass die Familie (v1, v2) eine Basisvon R2 bildet (und begrunden Sie, warum es sich dabei um eine Basishandelt).

2. Bestimmen Sie die Menge(λ1, λ2) ∈ R× R

∣∣∣∣ λ1 · v1 + λ2 · v2 =

(20162018

)

(und begrunden Sie Ihre Antwort).

Hinweis. Wenn Sie sich geschickt anstellen, werden Sie fast gar nichts rechnenmussen!

Aufgabe 3 (Irrationalitat). Wir betrachten R auf kanonische Weise als Q-Vektor-raum. Sei α ∈ R. Zeigen Sie, dass α genau dann irrational ist (d.h. α ∈ R \Q),wenn die Familie (2016

2017, α)

im Q-Vektorraum R linear unabhangig ist.

Aufgabe 4 (lineare Unabhangigkeit und Darstellbarkeit). Sei K ein Korper, sei Vein K-Vektorraum, sei n ∈ N und sei (v1, . . . , vn) eine Familie in V . Zeigen Sie,dass dann die folgenden Aussagen aquivalent sind:

1. Die Familie (v1, . . . , vn) ist linear unabhangig.

2. Die Abbildung

Kn −→ Vλ1...λn

7−→

n∑

j=1

λj · vj

ist injektiv.

Bitte wenden

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Bonusaufgabe (Polynomfunktionen). Sei Poly(R,R) ⊂ Abb(R,R) die Mengealler Polynomfunktionen R −→ R; diese Menge ist ein R-Untervektorraumvon Abb(R,R). Dabei ist eine Funktion f : R −→ R eine Polynomfunktion,wenn es n ∈ N und a0, . . . , an ∈ R gibt mit

∀x∈R f(x) =n∑

j=0

aj · xj .

Zu n ∈ N betrachten wir die Polynomfunktion

fn : R −→ Rx 7−→ xn.

Zeigen Sie, dass (fn)n∈N eine Basis von Poly(R,R) ist.Hinweis. Die lineare Unabhangigkeit lasst sich auf verschiedene Arten nach-weisen; es kann an dieser Stelle nutzlich sein, Methoden aus der Analysis zuverwenden.

Abgabe bis zum 1. Dezember 2016, 10:00 Uhr, in die Briefkasten

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Ubungen zur Linearen Algebra I

Prof. Dr. C. Loh/D. Fauser/J. Witzig Blatt 7 vom 1. Dezember 2016

Aufgabe 1 (Dimensionen von Durchschnitten). Welche der folgenden Aussagensind wahr? Begrunden Sie Ihre Antwort (durch einen Beweis oder ein geeignetesGegenbeispiel)!

1. Es gibt zweidimensionale Untervektorraume U,W von R3 mit

dimR(U ∩W ) = 0.

2. Es gibt zweidimensionale Untervektorraume U,W von R3 mit

dimR(U ∩W ) = 2.

Aufgabe 2 (kleine Vektorraume?!). Zeigen Sie, dass es keinen F2-Vektorraumgibt, der genau 2016 Elemente enthalt.Hinweis. Im Falle eine Falles, lost eine Basis wirklich alles.

Aufgabe 3 (Untervektorraum von R3). Wir betrachten die Teilmenge

U :=

x1x2x3

∈ R3

∣∣∣∣∣∣x1 = x3

von R3.

1. Skizzieren Sie diese Teilmenge von R3 und zeigen Sie, dass es sich dabeium einen Untervektorraum von R3 handelt.

2. Was ist dimR U ? Begrunden Sie Ihre Antwort!

Hinweis. Wenn man die Resultate aus der Vorlesung geschickt einsetzt,muss man fast gar nichts rechnen.

Aufgabe 4 (Dimension von Untervektorraumen). Sei K ein Korper, sei V einendlich erzeugter K-Vektorraum und sei U ⊂ V ein Untervektorraum.

1. Zeigen Sie, dass U endlich erzeugt ist.

2. Zeigen Sie: Ist U 6= V , so gilt dimK U < dimK V .

Hinweis. Sie konnen das Ergebnis des ersten Teils naturlich fur die Losungdes zweiten Teils verwenden, auch wenn Sie den ersten Teil nicht gelosthaben.

Hinweis. Es handelt sich hierbei um Proposition 3.4.4 aus der Vorlesung; dieseProposition durfen Sie also naturlich nicht fur die Losung der Aufgabe verwen-den.

Bitte wenden

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Bonusaufgabe (Vereinigungen von Unterraumen). Sei K ein unendlicher Korperund sei V ein K-Vektorraum. Zeigen Sie, dass V nicht als Vereinigung vonendlich vielen echten Untervektorraumen geschrieben werden kann.

Bonusaufgabe (Nikolausaufgabe). Der Nikolaus mochte sein zweidimensionalesHaus

12

3

4

5

etwas hoherdimensional gestalten, damit endlich auch sein uppiger Bauch rein-passt. Er uberlegt daher, was die maximal mogliche Dimension ist, ohne dieAuflagen des Denkmalschutzes zu verletzen . . .

Sei K ein Korper und sei V ein K-Vektorraum. Eine Menge

v12, v13, v15, v23, v25, v34, v35, v45 ⊂ V

von Vektoren in V ist eine Nikolaushausmenge, wenn die Gleichungen

v12 + v23 = v13

v12 + v25 = v15

v23 + v35 = v25

v13 + v35 = v15

v34 + v45 = v35

in V erfullt sind.

1. Was haben diese Gleichungen mit dem Haus des Nikolaus zu tun?

2. Was ist die maximal mogliche Dimension dimK SpanK N fur Nikolaus-hausmengen N ? Begrunden Sie Ihre Antwort!

Abgabe bis zum 8. Dezember 2016, 10:00 Uhr, in die Briefkasten

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Ubungen zur Linearen Algebra I

Prof. Dr. C. Loh/D. Fauser/J. Witzig Blatt 8 vom 8. Dezember 2016

Aufgabe 1 (Linearitat vs. Bijektivitat). Welche der folgenden Aussagen sind wahr?Begrunden Sie Ihre Antwort (durch einen Beweis oder ein geeignetes Gegenbei-spiel)!

1. Jede lineare Abbildung zwischen Vektorraumen ist bijektiv.

2. Jede bijektive Abbildung zwischen Vektorraumen ist linear.

Aufgabe 2 (Vererbungseigenschaften linearer Abbildungen). Sei K ein Korper undseien V , W , X Vektorraume uber K.

1. Zeigen Sie: Sind f, g : V −→W lineare Abbildungen, so ist auch die punkt-weise Summe f + g : V −→W linear.

2. Zeigen Sie: Sind f : V −→ W und g : W −→ X lineare Abbildungen, soist auch die Komposition g f : V −→ X linear.

Aufgabe 3 (komplementare Untervektorraume und lineare Abbildungen). Wir be-trachten den Untervektorraum

U := SpanR

111

,

01−1

,

1−1

3

des R-Vektorraums R3.

1. Bestimmen Sie einen zu U komplementaren Untervektorraum in R3 (undbegrunden Sie Ihre Antwort). Illustrieren Sie diese Situation durch einegeeignete Skizze.

2. Geben Sie eine lineare Abbildung f : R3 −→ R an, die nicht die Nullab-bildung ist, aber

∀u∈U f(u) = 0

erfullt (und begrunden Sie Ihre Antwort).

Aufgabe 4 (ein X fur ein U?!). Wir betrachten die Teilmengen

À

Á

À

Á

X := t · (e1 + e2) | t ∈ [0, 1] ∪ e1 + t · (e2 − e1) | t ∈ [0, 1]U := t · e1 | t ∈ [0, 1] ∪ t · e2 | t ∈ [0, 1] ∪ e1 + t · e2 | t ∈ [0, 1]

im R-Vektorraum R2. Zeigen Sie, dass es keine lineare Abbildung f : R2 −→ R2

mit f(X) = U gibt.Hinweis. Was machen lineare Abbildungen mit (affinen) Geraden? Welche (af-finen) Geraden sollte man wohl betrachten?

Bitte wenden

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Bonusaufgabe (Nullfolgen vergessen!). Sei V die Menge aller Cauchyfolgen in Q;diese Menge bildet bezuglich punktweiser Addition und Skalarmultiplikationeinen Q-Vektorraum, genauer gesagt einen Untervektorraum von Abb(N,Q).Sei U die Menge aller Nullfolgen in Q. Diese Menge ist ein Untervektorraumdes Q-Vektorraums V . Somit erhalten wir den zugehorigen Quotientenvektor-raum V/U .

1. Zeigen Sie, dass die Abbildung

• : V/U × V/U −→ V/U((an)n∈N, (bn)n∈N

)7−→ (an · bn)n∈N

wohldefiniert ist.

2. Zeigen Sie, dass (V/U,+, •) ein Korper ist. Es genugt, wenn Sie den Beweisfur die Existenz von multiplikativen Inversen im Detail angeben und furdie anderen Eigenschaften nur eine kurze Begrundung angeben.

Hinweis. Diese Konstruktion ist eine Moglichkeit,”Grenzwerte zu Q hinzu-

zufugen“. Man kann diesen Korper mit einer geeigneten Anordnung versehenund erhalt auf diese Weise dann eine Konstruktion von R aus Q.

Abgabe bis zum 15. Dezember 2016, 10:00 Uhr, in die Briefkasten

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Ubungen zur Linearen Algebra I

Prof. Dr. C. Loh/D. Fauser/J. Witzig Blatt 9 vom 15. Dezember 2016

Aufgabe 1 (Potenzen von linearen Abbildungen). Welche der folgenden Aussagensind wahr? Begrunden Sie Ihre Antwort (durch einen Beweis oder ein geeignetesGegenbeispiel)!

1. Es gibt eine lineare Abbildung f : R2 −→ R2 mit f 6= idR2 und ff 6= idR2 ,aber f f f = idR2 .

2. Ist f : R2 −→ R2 linear und f f = 0, so ist f die Nullabbildung.

Hinweis. Konnen Sie die entsprechenden Fragen fur Matrizen beantworten?

Aufgabe 2 (Matrixmultiplikation). Sei K ein Korper und seien a, b, c, d, λ ∈ K.

1. Berechnen Sie die Matrizen (in M2×2(K))(

0 11 0

)·(a bc d

)und

(1 λ0 1

)·(a bc d

).

2. Was passiert mit den Zeilen? Beschreiben Sie die Ergebnisse des erstenTeils jeweils in einem einpragsamen Satz.

Aufgabe 3 (Fibonacci-Zahlen). Die Folge (Fn)n∈N der Fibonacci-Zahlen ist dierekursiv durch F0 = 0, F1 = 1 und

∀n∈N Fn+2 = Fn + Fn+1

definierte Folge naturlicher Zahlen. Die ersten Folgenglieder sind also 0, 1, 1, 2,3, 5, 8, 13, 21, 34, . . . Zeigen Sie: Fur alle n ∈ N>0 gilt (in M2×2(Q))

(1 11 0

)n=

(Fn+1 FnFn Fn−1

).

Aufgabe 4 (fiat lux?). Wir betrachten eine 4 × 4-Anordnung von Lampen; esgibt Lichtschalter, mit denen man alle Lampen in einer Zeile, Spalte oder (Ne-ben)Diagonalen umschalten kann. Wir modellieren den Zustand der Lampendurch eine Matrix in M4×4(F2). Dabei bedeute 0 als Koeffizient, dass die ent-sprechende Lampe aus ist, und 1, dass die entsprechende Lampe leuchtet.

1. Wie kann man den Effekt der Lichtschalter durch Addition mit geeignetenMatrizen aus M4×4(F2) beschreiben?

2. Bestimmen Sie I(S) fur alle Lichtschaltermatrizen S aus dem ersten Teil,wobei

I : M4×4(F2) −→ F2

A 7−→ A12 +A13 +A21 +A31 +A42 +A43 +A24 +A34.

3. Kann man in der abgebildeten Situation mit diesen Lichtschaltern errei-chen, dass alle Lampen gleichzeitig leuchten? Begrunden Sie Ihre Antwort!

Hinweis. Verwenden Sie I !

Bitte wenden

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Bonusaufgabe (Adjazenzmatrizen). Ein Graph ist ein Paar (V,E), bestehendaus einer Menge V (den sogenannten Knoten) und einer Menge E von zweiele-mentigen Teilmengen von V (den sogenannten Kanten). Zum Beispiel konnenwir den Nikolaushausgraphen

(1, . . . , 5, 1, 2, 1, 3, 1, 5, 2, 3, 2, 5, 3, 4, 3, 5, 4, 5

)

wie folgt veranschaulichen (der Verlauf der Kanten ist nicht relevant; wichtig istnur, welche Knoten durch Kanten verbunden sind und welche nicht):

12

3

4

5

oder

12

3

4

5

Sei n ∈ N und sei X = (1, . . . , n, E) ein Graph mit Knotenmenge 1, . . . , n.Dann wird die Adjazenzmatrix (ajk)j,k ∈Mn×n(R) von X durch

ajk :=

1 falls j, k ∈ E0 sonst

fur alle j, k ∈ 1, . . . , n definiert. Die Adjazenzmatrix von X beschreibt also,welche Knoten in X durch eine Kante verbunden sind und welche nicht.

1. Bestimmen Sie die Adjazenzmatrix des Nikolaushausgraphen.

2. Sei A ∈ Mn×n(R) die Adjazenzmatrix eines Graphen mit der Knoten-menge 1, . . . , n und sei d ∈ N. Welche geometrische Bedeutung hat dasProdukt Ad ? Begrunden Sie Ihre Antwort!

Abgabe bis zum 22. Dezember 2016, 10:00 Uhr, in die Briefkasten

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Ubungen zur Linearen Algebra I

Prof. Dr. C. Loh/D. Fauser/J. Witzig Blatt 10 vom 22. Dezember 2016

Aufgabe 1 (Isomorphismen). Sei K ein Korper und f : V −→ W , g : W −→ Xseien lineare Abbildungen von K-Vektorraumen. Welche der folgenden Aussagensind in dieser Situation immer wahr? Begrunden Sie Ihre Antwort (durch einenBeweis oder ein geeignetes Gegenbeispiel)!

1. Sind f und g Isomorphismen, so auch g f .

2. Ist g f ein Isomorphismus, so auch f und g.

Aufgabe 2 (Invarianz der Dimension). Sei K ein Korper und seien V und WVektorraume uber K. Zeigen Sie, dass dann folgendes gilt:

dimK V = dimKW ⇐⇒ V ∼=K W.

Aufgabe 3 (komplementare Untervektorraume und Quotienten). SeiK ein Korper,sei V ein K-Vektorraum und seien U,W ⊂ V komplementare Untervektorraumevon V . Zeigen Sie, dass dann

πU |W : W −→ V/U

w 7−→ w + U

ein Isomorphismus von K-Vektorraumen ist.

Aufgabe 4 (magische Quadrate). Sei K ein Korper und sei n ∈ N. Ein magischesQuadrat uber K der Kantenlange n ist ein n× n-Quadrat mit Eintragen aus Kund folgender Eigenschaft: Es gibt ein m ∈ K (die magische Zahl) mit:• In jeder Zeile ist die Summe der Elemente m.• In jeder Spalte ist die Summe der Elemente m.• In der Haupt- bzw. Antidiagonalen ist jeweils die Summe m.

Zum Beispiel ist

2 0 1 66 1 0 20 2 6 11 6 2 0

ein magisches Quadrat uber Q der Kantenlange 4 mit magischer Zahl 9. SeiMQn(K) die Menge aller magischen Quadrate uber K mit Kantenlange n undmagischer Zahl 0.

1. Bestimmen Sie alle Elemente von MQ2(R).

2. Bestimmen Sie alle Elemente von MQ2(F2).

3. Zeigen Sie, dass MQn(K) bezuglich kastchenweiser Addition bzw. Skalar-multiplikation einen K-Vektorraum bildet.

Hinweis. Falls Sie nicht rechnen mochten: Man kann MQn(K) als Kerneiner geeigneten linearen Abbildung schreiben.

4. Zeigen Sie, dass dimR MQ3(R) = 2 ist.

Hinweis. Bestimmen Sie den Rang der linearen Abbildung aus dem vo-rigen Teil und verwenden Sie die Dimensionsformel . . .

Bitte wenden

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Bonusaufgabe (Eilenberg-Schwindel). In Professor Pirkheimers Nachlass findensich unzahlige Akten. Pirkheimers Ordnungsdrang hat ihn dazu verleitet, dieAkten als Vektorraum zu organisieren. Sehr zum Argernis seiner Nachlassver-walter hat er es geschafft, einen nicht-trivialen Vektorraum zu verwenden, derdoppelt so groß ist wie er selbst (

”Sonst hat man ja nie genug Platz fur all die

wichtigen Notizen!“). Zeigen Sie, dass es zu jedem Korper K tatsachlich einenVektorraum V mit V 6∼=K 0 und

V ∼=K V ⊕ V

gibt!

Die folgenden Aufgaben bieten die Gelegenheit, den bisher gelernten Stoff zuVektorraumen und linearen Abbildungen wiederholen und zu vertiefen; fur jededieser Aufgaben konnen Sie bis zu vier Zusatzpunkte bekommen.

Bonusaufgabe (Losungsmengen). Welche der folgenden Aussagen sind wahr?Begrunden Sie Ihre Antwort!

1. Die Menge x ∈ R3 | x1 + x2 = x3 ist ein Untervektorraum von R3.

2. Die Menge x ∈ R3 | x1 · x2 = x3 ist ein Untervektorraum von R3.

3. Die Menge x ∈ R2 | x2 = x12 ist ein Untervektorraum von R2.

4. Die Menge x ∈ F22 | x2 = x1

2 ist ein Untervektorraum von F22.

Bonusaufgabe (lineare Unabbhangigkeit). Fur welche λ, µ ∈ F2 bilden die fol-genden Vektoren in F2

3 eine linear unabhangige Familie?

0λµ

,

λ+ µλ+ 1

0

,

µµµ

Begrunden Sie Ihre Antwort!

Bonusaufgabe (Invertierbarkeit). SeiK ein Korper, n ∈ N und sei f : Kn −→ Kn

linear. Zeigen Sie, dass die folgenden Aussagen aquivalent sind:

1. Die Abbildung f : Kn −→ Kn ist ein Isomorphismus.

2. Die Matrix M(f) ∈Mn×n(K) ist invertierbar.

Hinweis. Eine Matrix A ∈ Mn×n(K) heißt invertierbar, wenn es eine Ma-trix B ∈Mn×n(K) mit A ·B = In und B ·A = In gibt.

Bonusaufgabe (Doppeldual). Sei K ein Korper und sei V ein K-Vektorraum.Zeigen Sie, dass die Abbildung

V −→ (V ∗)∗

v 7−→(f 7→ f(v)

)

linear und injektiv ist.

Noch eine Seite!

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Bonusaufgabe (FerwandlunX). Schreiben Sie ein LATEX-Makro \Ferwandlung mitvier Argumenten und folgender Eigenschaft: Der Aufruf

\Ferwandlungabcd

stellt den Effekt der linearen Abbildung

L

((a bc d

)): R2 −→ R2

auf den Buchstaben”F“ graphisch dar und zeigt auch noch die entsprechende

Gleichung an. Zum Beispiel liefert dann \Ferwandlung1210 so etwaswie

À

Á

1

1 À

Á

1

1

R2 7−→ R2

x 7−→(x1 + 2 · x2

x1

)=

(1 21 0

)· x

Drucken Sie auch das Ergebnis der folgenden Aufrufe aus:

• \Ferwandlung0120

• \Ferwandlung1−101

• \Ferwandlung0011

• \Ferwandlung1221

Hinweis. Bei Graphiken in LATEX hilft z.B. das Paket tikz.

Bonusaufgabe (Skript). Finden Sie so viele Fehler im Skript wie moglich!

Abgabe bis zum 12. Januar 2017, 10:00 Uhr, in die Briefkasten

Frohe Weihnachten und ein Gutes Neues Jahr!

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Ubungen zur Linearen Algebra I

Prof. Dr. C. Loh/D. Fauser/J. Witzig Blatt 11 vom 12. Januar 2017

Aufgabe 1 (lineare Gleichungssysteme). Sei K ein Korper, seien n,m ∈ N undseien A ∈ Mm×n(K) sowie b ∈ Km. Sei (A | b) die Matrix, die entsteht, wennwir rechts an A noch die Spalte b hinzufugen. Welche der folgenden Aussagensind in dieser Situation immer wahr? Begrunden Sie Ihre Antwort (durch einenBeweis oder ein geeignetes Gegenbeispiel)!

1. Ist V (A, b) 6= ∅, so gilt rg(A | b) = rgA.

2. Ist rg(A | b) = rgA, so gilt V (A, b) 6= ∅.Aufgabe 2 (diskrete Heisenberggruppe). Sei

H :=

1 x z0 1 y0 0 1

∣∣∣∣∣∣x, y, z ∈ Z

⊂M3×3(R).

Zeigen Sie, dass H bezuglich Matrixmultiplikation eine Gruppe bildet (die so-genannte diskrete Heisenberggruppe).

Aufgabe 3 (Basiswechsel und Konjugation). Sei K ein Korper, sei f : V −→ Vein Endomorphismus eines endlich-dimensionalen K-Vektorraums V und sei Beine Basis von V . Sei n := dimK V und A ∈ GLn(K). Zeigen Sie, dass diefolgenden Aussagen aquivalent sind:

1. Es gibt eine Basis C von V mit MC,C(f) = A.

2. Es gibt eine Matrix S ∈ GLn(K) mit

A = S−1 ·MB,B(f) · S.

Aufgabe 4 (Blorx-O-Color). Commander Blorx sieht Farben im Blorx-O-Color-Farbmodell, das aus einer additiven Mischung der drei Grundfarben urx (u: ),platsch (p: ) und oink (o: ) besteht. In RGB (Beispiel 3.2.8) lassen sichdiese Farben wie folgt spezifizieren:

u =

1.000.720.06

, p =

0.120.690.67

, o =

1.000.750.80

.

Genauer gesagt sieht Blorx nur Farben im RGB-Wurfel, die durch positive Bei-trage der Grundfarben urx, platsch und oink gemischt werden. Kann Blorx dieRGB-Farbe

=

0.260.490.27

sehen? Gehen Sie wie folgt vor:

1. Formulieren Sie dieses Frage geeignet als ein Problem in Linearer Algebra.

2. Losen Sie dieses Problem in Linearer Algebra.

Bonusaufgabe (invertierbare Matrizen uber F2). Sei n ∈ N. Bestimmen Sie dieAnzahl der Elemente von GLn(F2).Hinweis. Wieviele Basen gibt es in F2

n ?

Abgabe bis zum 19. Januar 2017, 10:00 Uhr, in die Briefkasten

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Ubungen zur Linearen Algebra I

Prof. Dr. C. Loh/D. Fauser/J. Witzig Blatt 12 vom 19. Januar 2017

Aufgabe 1 (Determinante). SeiK ein Korper und n ∈ N>0. Welche der folgendenAussagen sind in dieser Situation immer wahr? Begrunden Sie Ihre Antwort(durch einen Beweis oder ein geeignetes Gegenbeispiel)!

1. Fur alle Matrizen A,B ∈Mn×n(K) gilt det(A+B) = detA+ detB.

2. Fur alle A ∈Mn×n(K) und alle λ ∈ K gilt det(λ ·A) = λn · detA.

Aufgabe 2 (Matrizenkalkul). Sei

f : Q4 −→ Q3

x 7−→

x2 + 2 · x3 − x4−x1 + 3 · x2 + 2 · x42 · x1 + x3 − 2 · x4

Losen Sie die folgenden Aufgaben mithilfe des Gaußschen Eliminationsverfah-rens:

1. Bestimmen Sie eine Basis von ker f .

Hinweis. Uberprufen Sie auch, ob Ihr Ergebnis korrekt ist!

2. Fur welche x ∈ Q4 gilt f(x) = e1 ?

Aufgabe 3 (XOR-SAT). Das exklusive Oder ⊕ ist durch die folgende Wahrheits-tabelle definiert (und offenbar assoziativ):

A B A⊕Bw w fw f wf w wf f f

Wir betrachten nun das folgende Problem: Kann man die aussagenlogischenVariablen A, B, C, D so mit Wahrheitswerten belegen, dass die Formel

(A⊕B ⊕ C

)∧(A⊕ (¬B)⊕D

)∧(B ⊕ (¬C)⊕ (¬D)

)

den Wahrheitswert w liefert? Gehen Sie wie folgt vor (dies ist im allgemeinenFall effizienter als alle Kombinationen durchzuprobieren):

1. Wenn wir 0 ∈ F2 als”wahr“ und 1 ∈ F2 als

”falsch“ interpretieren, welche

algebraische Beschreibung besitzt dann ⊕ ?

2. Ubersetzen Sie die obige Formel in ein lineares Gleichungssystem uber F2

mit vier Variablen und drei Gleichungen (so dass die Losungen dieses Glei-chungssystems genau den Wahrheitsbelegungen entsprechen, unter denendie obige Formel den Wahrheitswert w liefert).

3. Losen Sie dieses lineare Gleichungssystem mit dem Gaußschen Eliminati-onsverfahren.

4. Was bedeutet dies fur das ursprungliche Problem?

Bitte wenden

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Aufgabe 4 (schwache Diagonalisierung). Sei K ein Korper, seien m,n ∈ N undsei A ∈ Mm×n(K). Zeigen Sie: Dann gibt es S ∈ GLm(K) und T ∈ GLn(K)mit folgender Eigenschaft: Ist

B := S ·A · T,

so gilt fur alle (j, k) ∈ 1, . . . ,m × 1, . . . , n mit j 6= k, dass

Bj,k = 0.

Hinweis. Fuhren Sie erst das grundliche Gaußsche Eliminationsverfahren durchund betrachten Sie dann geeignete Spaltenoperationen. Oder Sie verwenden dieTheorie der linearen Abbildungen und Basen.

Bonusaufgabe (Homologie von Graphen). Sei X := (V,E) ein Graph mit endli-cher Knotenmenge V (Bonusaufgabe von Blatt 9). Dann definieren wir

C0(X) := Abb(V,F2) und C1(X) := Abb(E,F2)

und die linearen Abbildungen

∂0 := 0: C0(X) −→ 0∂1 : C1(X) −→ C0(X)

fv,w 7−→ fw − fv = fw + fv

∂2 := 0: 0 −→ C1(X);

dabei ist ∂1 durch die universelle Eigenschaft von Basen definiert (vgl. Bei-spiel 3.2.6) und man beachte, dass in F2 Subtraktion und Addition uberein-stimmen. Man bezeichnet dann die Quotientenvektorraume

H0(X) := ker ∂0/

im ∂1 und H1(X) := ker ∂1/

im ∂2

als Homologie von X. Wir betrachten nun den Graphen

X :=(1, 2, 3, 4, 5, 1, 2, 2, 3, 3, 1, 1, 4

).

1. Bestimmen Sie eine Basis von H0(X).

2. Welche geometrische Bedeutung hat dimF2H0(X) ?

3. Bestimmen Sie eine Basis von H1(X).

4. Welche geometrische Bedeutung hat dimF2 H1(X) ?

Abgabe bis zum 26. Januar 2017, 10:00 Uhr, in die Briefkasten

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Ubungen zur Linearen Algebra I

Prof. Dr. C. Loh/D. Fauser/J. Witzig Blatt 13 vom 26. Januar 2017

Aufgabe 1 (Eigenwerte und Eigenvektoren). SeiK ein Korper, sei n ∈ N und seienA,B ∈Mn×n(K). Welche der folgenden Aussagen sind in dieser Situation immerwahr? Begrunden Sie Ihre Antwort (durch einen Beweis oder ein geeignetesGegenbeispiel)!

1. Ist λ ∈ K ein Eigenwert von A, so ist 2017 · λ ein Eigenwert von 2017 ·A.

2. Sind v und w Eigenvektoren von A, so ist v + w ein Eigenvektor von A.

Aufgabe 2 (Orientierungen). Sei V ein endlich-dimensionaler R-Vektorraum undsei n := dimR V > 0. Wir definieren wie folgt eine Relation

”∼“ auf der Menge

der Basen von V : Sind B und C Basen von V , so gelte genau dann B ∼ C,wenn det(TB,C) > 0 ist.

1. Zeigen Sie, dass”∼“ eine Aquivalenzrelation ist. Die Aquivalenzklassen

von Basen von V bezuglich”∼“ bezeichnet man als Orientierungen von V .

2. Zeigen Sie, dass die Basen

100

,

010

,

001

und

010

,

100

,

001

verschiedene Orientierungen von R3 reprasentieren.

3. Was hat der zweite Teil mit der linken bzw. rechten Hand zu tun? Illus-trieren Sie Ihre Antwort geeignet!

4. Zeigen Sie, dass V genau zwei Orientierungen besitzt.

Aufgabe 3 (Determinanten von Blockmatrizen). Sei K ein Korper, n1, n2 ∈ N>0

und seien A ∈Mn1×n1(K), B ∈Mn1×n2

(K), D ∈Mn2×n2(K). Zeigen Sie, dass

det

(A B0 D

)= detA · detD.

Dabei ist die linke Matrix in M(n1+n2)×(n1+n2)(K) wie angegeben aus denBlocken A, B, D zusammengesetzt.Hinweis. Viele Wege fuhren nach Rom! Naheliegende Moglichkeiten sind Ent-wicklung nach der ersten Spalte und Induktion uber n1 oder die axiomatischeBeschreibung der Determinante, angewendet auf eine geeignete Funktion.

Bitte wenden

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Aufgabe 4 (Fibonacci-Zahlen, explizit). Die Folge (Fn)n∈N der Fibonacci-Zahlenist die rekursiv durch F0 = 0, F1 = 1 und

∀n∈N Fn+2 = Fn + Fn+1

definierte Folge naturlicher Zahlen (Aufgabe 3 von Blatt 9). Wir betrachtenaußerdem die Matrix

A :=

(1 11 0

)∈M2×2(R).

1. Zeigen Sie, dass A genau zwei reelle Eigenwerte λ1 und λ2 besitzt.

2. Bestimmen Sie je einen Eigenvektor zu den Eigenwerten λ1 bzw. λ2 von A.

3. Finden Sie eine Matrix S ∈ GL2(R) mit

S−1 ·A · S =

(λ1 00 λ2

).

4. Verwenden Sie das Ergebnis des dritten Aufgabenteils, um fur n ∈ N eineexplizite (nicht-rekursive) Formel fur die n-te Fibonacci-Zahl zu finden(und zu beweisen).

Hinweis. Hier hilft Aufgabe 3 von Blatt 9 und der Konjugationstrick (wiekann man mithilfe von S die Potenzen An gut berechnen?).

Bonusaufgabe (Momentenkurve). Sei n ∈ N und sei

Mn :=

tt2

...tn

∣∣∣∣∣∣∣∣∣t ∈ R

⊂ Rn

die sogenannte Momentenkurve. Zeigen Sie: Sind v1, . . . , vn ∈Mn\0 paarweiseverschiedene Punkte auf Mn, so ist die Familie (v1, . . . , vn) linear unabhangig.Hinweis. Betrachten Sie eine geeignete Determinante!

Bonusaufgabe (Eigenwerte; fur Physiker etc. (als optionale Alternative zur Mo-mentenkurve)). Beschreiben Sie eine physikalische Situation, in der Eigenwerteauftreten. Welcher Vektorraum und welcher Endomorphismus wird betrachtet(sowohl mathematisch als auch physikalisch)? Was modellieren dann die Eigen-werte bzw. Eigenvektoren?

Abgabe bis zum 2. Februar 2017, 10:00 Uhr, in die Briefkasten

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Ubungen zur Linearen Algebra I

Prof. Dr. C. Loh/D. Fauser/J. Witzig Blatt 14 vom 2. Februar 2017

Aufgabe 1 (3 × 3-Matrizen und Eigenwerte). Welche der folgenden Aussagensind wahr? Begrunden Sie Ihre Antwort (durch einen Beweis oder ein geeignetesGegenbeispiel)!

1. Jede Matrix in M3×3(C) ist (uber C) diagonalisierbar.

2. Jede Matrix in M3×3(R) hat mindestens einen Eigenwert (in R).

Aufgabe 2 (Diagonalisierbarkeit). Untersuchen Sie fur die beiden folgenden Ma-trizen jeweils, ob Diagonalisierbarkeit uber C bzw. F2 vorliegt. Begrunden SieIhre Antwort!

0 0 −10 1 01 0 −1

,

2 1 0−1 0 10 0 1

Aufgabe 3 (Omnidiagonalisierbarkeit). Sei K ein Korper und n ∈ N. Eine Ma-trix A ∈Mn×n(K) heißt omnidiagonalisierbar, wenn fur jedes S ∈ GLn(K) dieMatrix S−1 ·A ·S in Diagonalgestalt ist. Bestimmen Sie alle omnidiagonalisier-baren Matrizen in Mn×n(K) (und begrunden Sie Ihre Antwort).

Aufgabe 4 (Begleitmatrix eines Polynoms). Sei K ein Korper, sei n ∈ N>0, seien

a0, . . . , an−1 ∈ K und sei p := Tn +∑n−1j=0 aj · T j ∈ K[T ]. Wir betrachten dann

die Matrix

Mp :=

0 0 . . . 0 −a01 0 . . . 0 −a10 1 . . . 0 −a2...

. . .. . .

......

0 0 . . . 1 −an−1

∈Mn×n(K).

Zeigen Sie, dass χMp= p ist.

Hinweis. Dies lasst sich bequem per vollstandiger Induktion uber n zeigen.

Bonusaufgabe (Turmbau). Baumeister Babel verfugt uber die folgenden Sortenvon Bausteinen (mit den Abmessungen 1× 2 und 2× 2):

Daraus mochte er Turme der Form n× 2 mit n ∈ N bauen. Zum Beispiel sind

Babelturme der Hohe 4 bzw. 6. Finden Sie eine explizite (nicht rekursive) Formelfur die Anzahl der Babelturme gegebener Hohe.Hinweis. Was hat das mit Linearer Algebra zu tun?

Freiwillige Abgabe (bis zum 9. Februar 2017, 10:00, in die Briefkasten)

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Ubungen zur Linearen Algebra I

Prof. Dr. C. Loh/D. Fauser/J. Witzig Blatt 15 vom 9. Februar 2017

Aufgabe 1 (Jordansche Normalform). Sei K ein Korper, sei n ∈ N>0 und seienA,B ∈Mn×n(K). Welche der folgenden Aussagen sind in dieser Situation immerwahr? Begrunden Sie Ihre Antwort (durch einen Beweis oder ein geeignetesGegenbeispiel)!

1. Gilt χA = χB , so haben A und B dieselbe Jordansche Normalform.

2. Haben A und B dieselbe Jordansche Normalform, so gilt χA = χB .

Aufgabe 2 (Ahnlichkeit). Klassifizieren Sie die folgenden Matrizen (in M3×3(R))bis auf Ahnlichkeit:

2 0 10 2 70 0 2

,

3 0 10 2 70 0 2

,

2 0 00 2 10 0 2

,

2 0 01/2 2 −11/2 0 3

Aufgabe 3 (großspurig). Sei A ∈ SL2(C) mit | trA| > 2. Zeigen Sie, dass Adiagonalisierbar ist.

Aufgabe 4 (charakteristisches Polynom und Diagonalisierbarkeit). SeiK ein Korper,sei n ∈ N>0 und sei A ∈ Mn×n(K). Zeigen Sie, dass die folgenden Aussagenaquivalent sind:

1. Die Matrix A ist (uber K) diagonalisierbar.

2. Es gilt

χA =∏

λ∈σK(A)

(T − λ)dimK Eigλ(A).

Bonusaufgabe (Wurfel). Schreiben Sie von Hand ein STL-Modell eines Wurfels.Wie sehen die (horizontalen) Schnitte davon aus?

Bonusaufgabe (Skript). Finden Sie moglichst viele Fehler im Skript!

keine Abgabe

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B 32 B. Ubungsblatter

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C

Fingerubungen

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Fingerubungen zur Linearen Algebra I

Prof. Dr. C. Loh/D. Fauser/J. Prem Blatt 0 vom 17. Oktober 2016

Aufgabe 1 (griechische Buchstaben). Lernen Sie die griechischen Buchstaben!(s. Anhang A.1 des Skripts)

Aufgabe 2 (griechische Formeln lesen). Lesen Sie die folgenden Formeln laut vor:

1. λ+ α · (η + ε)

2. ϑβ

ϕ·ψ + ∆ − Γ · Π

3. ζ(κ+ ι) − δχ − %(γ)

4. µ · Φ(ξ + ν) + Ω(ω) − Λ(π)

Aufgabe 3 (griechische Formeln schreiben). Schreiben Sie Formeln, die zu denfolgenden Texten passen:

1. beta plus zeta mal tau

2. phi durch rho plus xi hoch chi

3. groß-theta von my plus alpha mal psi

4. omega mal sigma minus groß-sigma von eta

Aufgabe 4 (etc.). Formulieren und losen Sie weitere Aufgaben vom selben Typ!

keine Abgabe!

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Fingerubungen zur Linearen Algebra I

Prof. Dr. C. Loh/D. Fauser/J. Prem Blatt 1 vom 24. Oktober 2016

Aufgabe 1 (Mengenoperationen). Sei

A := 0, 1, 2, B := 0, 2, 3, 4, C := 0, 3, 5.

Berechnen Sie die folgenden Mengen:

1. (A ∪B) ∩ C

2. (A \ C) \B

3. A ∩ (C \A)

4.(C ∪B) ∩ (A ∩ C)

)∪B

Aufgabe 2 (Abbildungen). Seien X := 0, 1, 2 und Y := 0, 1, 2, 3 und

f : X −→ Y

0 7−→ 2

1 7−→ 1

2 7−→ 2

bzw.

g : X −→ Y

0 7−→ 1

1 7−→ 3

2 7−→ 0gegeben.

1. Skizzieren Sie f und g als Teilmengen von X × Y .

2. Wie finden Sie in Ihrer Skizze alle x ∈ X mit f(x) = 2 ?

3. Wie finden Sie in Ihrer Skizze alle x ∈ X mit g(x) ∈ 0, 1 ?

4. Ist die Aussage

∀y∈Y ∃x∈X(f(x) = y ∨ g(x) = y

)

wahr?

Aufgabe 3 (Abbildungskompositionen). Wir betrachten die Abbildung

f : 0, 1, 2, 3 −→ 0, 1, 2, 30 7−→ 1

1 7−→ 0

2 7−→ 3

3 7−→ 1.

Bestimmen Sie die Kompositionen f f , f (f f) und f (f (f f)).

Aufgabe 4 (etc.). Formulieren und losen Sie weitere Aufgaben vom selben Typ!

keine Abgabe!

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Fingerubungen zur Linearen Algebra I

Prof. Dr. C. Loh/D. Fauser/J. Prem Blatt 2 vom 31. Oktober 2016

Aufgabe 1 (surjektiv, injektiv). Seien X, Y Mengen und sei f : X −→ Y eineAbbildung. Welche der folgenden Formeln sind aquivalent zur Injektivitat bzw.Surjektivitat von f ? Was bedeuten die anderen Formeln?

1. ∃x∈X ∀y∈Y f(x) = y

2. ∀y∈Y ∃x∈X f(x) = y

3. ∀x∈X ∀x′∈X((f(x) = f(x′)) =⇒ (x = x′)

)

4. ∀x∈X ∀x′∈X((f(x) 6= f(x′)) =⇒ (x = x′)

)

Aufgabe 2 (kommutative Diagramme). Welche Gleichung gehort zu welchemkommutativen Diagramm?

Xf//

g

Y

h

Zk// W

Xf//

g

Y

Zk// W

h

OO X

g

Y

h

foo

Z Wk

oo

Xf// Y

Zk//

g

OO

W

h

OO

1. k h = g f

2. h k g = f

3. h f = k g

4. f g = h k

Aufgabe 3 (Rekursionen). Welche einfachen Beschreibungen haben die Abbil-dungen f : N −→ N, die durch die folgenden Rekursionen definiert sind?

1. f(0) := 0 und f(n+ 1) := f(n) fur alle n ∈ N.

2. f(0) := 1 und f(n+ 1) := 2 · f(n) fur alle n ∈ N.

3. f(0) := 2016 und f(n+ 1) := f(n) + 1 fur alle n ∈ N.

4. f(0) := 1 und f(n+ 1) := f(n) · 2 · n fur alle n ∈ N.

Aufgabe 4 (etc.). Formulieren und losen Sie weitere Aufgaben vom selben Typ!

keine Abgabe!

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Fingerubungen zur Linearen Algebra I

Prof. Dr. C. Loh/D. Fauser/J. Prem Blatt 3 vom 3. November 2016

Aufgabe 1 (umgangssprachliche Relationen). Untersuchen Sie die folgenden um-gangssprachlichen Relationen auf Personen auf Reflexivitat, Symmetrie, Tran-sitivitat. Welche dieser Relationen sind Aquivalenzrelationen?

1. hat dieselbe Schuhgroße wie

2. ist alter als

3. ist verheiratet mit

4. ist verwandt mit

Aufgabe 2 (kleine Relationen). Sei X := 0, 1, 2, 3. Wir betrachten die folgen-den Relationen auf X:

(0, 0), (0, 1), (1, 1), (1, 2), (2, 2), (2, 3), (3, 3)

(0, 0), (0, 2), (1, 1), (1, 3), (2, 0), (2, 2), (3, 1), (3, 3)

1. Skizzieren Sie diese Teilmengen in X ×X.

2. Uberprufen Sie, ob diese Relationen reflexiv, symmetrisch, transitiv sind.

3. Welche dieser Eigenschaften lassen sich gut anhand der Skizze uberprufen?

Aufgabe 3 (eine großere Relation). Wir betrachten die Relation

(m,n) ∈ N× N

∣∣ ∃k∈N (m+ 7 · k = n) ∨ (n+ 7 · k = m)

auf N.

1. Uberlegen Sie sich, warum es sich dabei um eine Aquivalenzrelation han-delt (Transitivitat ist etwas unangenehm zu uberprufen).

2. Bestimmen Sie die Aquivalenzklassen dieser Relation.

3. Wo tritt diese Relation im taglichen Leben auf?

Aufgabe 4 (etc.). Formulieren und losen Sie weitere Aufgaben vom selben Typ!

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Fingerubungen zur Linearen Algebra I

Prof. Dr. C. Loh/D. Fauser/J. Prem Blatt 4 vom 7. November 2016

Aufgabe 1 (symmetrische Gruppe). Sei X := 1, 2, 3, 4 und seien

f : X −→ X

1 7−→ 2

2 7−→ 1

3 7−→ 3

4 7−→ 4

bzw.

g : X −→ X

1 7−→ 2

2 7−→ 3

3 7−→ 4

4 7−→ 1gegeben.

1. Zeigen Sie, dass f und g Elemente der symmetrischen Gruppe SX sind.

2. Berechnen Sie f g und g f .

3. Berechnen Sie f g f−1.

Aufgabe 2 (Rechnen in den komplexen Zahlen). Berechnen Sie in den komplexenZahlen C (d.h., Sie sollten das Ergebnis durch Real- bzw. Imaginarteil aus-drucken):

1. (2016 + i) · (2016− i)

2. 1/i+ i

3. (1 + i)4

4. 2017−i2016+i

Aufgabe 3 (Aussagen in Korpern). Sei (K,+, · ) ein Korper. Negieren Sie diefolgenden Aussagen korrekt:

1. ∃x∈K x 6= 0

2. ∀n∈N(n · 1 = 0 =⇒ n = 0

)

3. ∀x,y∈K(x · y = 0 =⇒ (x = 0 ∨ y = 0)

)

4. 1 = 0 =⇒(∀x∈K x = x2

)

Welche dieser Aussagen gelten in jedem Korper?

Aufgabe 4 (etc.). Formulieren und losen Sie weitere Aufgaben vom selben Typ!

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Fingerubungen zur Linearen Algebra I

Prof. Dr. C. Loh/D. Fauser/J. Prem Blatt 5 vom 13. November 2016

Aufgabe 1 (Koordinaten in R2).

1. Zeichnen Sie die folgenden Punkte in R2:(31

),

(3−1

),

(−31

),

(−3−1

).

2. Lesen Sie die Koordinaten fur die Punkte in der folgenden Skizze ab:

À

Á

1

1

Aufgabe 2 (Koordinaten in R3). Betrachten Sie eine der Ecken Ihres Zimmersals Nullpunkt in R3 und die drei angrenzenden Kanten als Koordinatenachsenin R3.

1. Geben Sie dann die Koordinaten markanter Punkte in Ihrem Zimmer an(als Einheit bieten sich Meter an).

2. Welche Koordinaten hat das Hausturschloss?

3. Welche Koordinaten hat die Spitze des Doms?

4. Welche Koordinaten hat die Uhr in H 32?

Aufgabe 3 (Vektorrechnung). Sei K ein Korper, sei V ein K-Vektorraum undseien λ ∈ K \ 0, v ∈ V \ 0. Welche der folgenden Ausdrucke sind sinnvoll?Welche nicht?

1. 1λ · v

2. v · λ

3. λ · 1v4. λ+ v

Aufgabe 4 (etc.). Formulieren und losen Sie weitere Aufgaben vom selben Typ!

keine Abgabe!

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Fingerubungen zur Linearen Algebra I

Prof. Dr. C. Loh/D. Fauser/J. Prem Blatt 6 vom 21. November 2016

Aufgabe 1 (Linearkombinationen). Wir betrachten in R2 die Vektoren

v1 :=

(11

), v2 :=

(03

), v3 :=

(−2−2

).

Bestimmen Sie den Wert folgender Linearkombinationen:

1. 2 · v1 + 0 · v2 + 1 · v32. 3 · v1 − 1 · v2 + 0 · v33.∑3j=1 1 · vj

4.∑3j=1 j · vj

Aufgabe 2 (eine affine Ebene). Zeichnen Sie den affinen Unterraum

200

+ SpanR

−1

10

,

−1

01

in R3.

Aufgabe 3 (Vektorentrio in R2). Wir betrachten die folgenden Vektoren in R2:

v1 :=

(01

), v2 :=

(11

), v3 :=

(20

)

1. Handelt es sich bei v1, v2, v3 um ein Erzeugendensystem von R2 ?

2. Handelt es sich bei v1, v2 um ein Erzeugendensystem von R2 ?

3. Handelt es sich bei (v1, v2, v3) um eine linear unabhangige Familie in R2 ?

4. Handelt es sich bei (v1, v2) um eine linear unabhangige Familie in R2 ?

Aufgabe 4 (Wiederholung). Wiederholen Sie das Material uber Quantorenlogik,das Induktionsprinzip und uber Gruppen. Fallen Ihnen die Ubungsaufgabendazu jetzt leichter? Wie konnen Sie dieses Material im Kontext von Erzeugen-densystemen und linearer Unabhangigkeit verwenden?

keine Abgabe!

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Fingerubungen zur Linearen Algebra I

Prof. Dr. C. Loh/D. Fauser/J. Witzig Blatt 7 vom 28. November 2016

Aufgabe 1 (Koordinatengitter). Wir betrachten die Vektoren

v1 :=

(31

), v2 :=

(22

)

in R2.

1. Zeigen Sie, dass (v1, v2) eine Basis von R2 ist.

2. Zeichnen Sie das”Koordinatengitter“ zu dieser Basis.

3. Bestimmen Sie λ1, λ2, µ1, µ2 ∈ R mit

e1 = λ1 · v1 + λ2 · v2,e2 = µ1 · v1 + µ2 · v2.

Aufgabe 2 (eine Basis von R3). Wir betrachten die Vektoren

v1 :=

010

, v2 :=

101

, v3 :=

110

in R3. Zeigen Sie, dass (v1, v2, v3) eine Basis von R3 ist.

Aufgabe 3 (Austauscherei). Wir betrachten die Basis (v1, v2, v3) von R3 ausAufgabe 2 und die Vektoren

w1 :=

222

, w2 :=

022

in R3. Finden Sie ein j ∈ 1, 2, 3 mit der Eigenschaft, dass (w1, w2, vj) eineBasis von R3 ist.

Aufgabe 4 (Wiederholung). Wiederholen Sie das Material uber Aquivalenzrela-tionen, Korper und die Grundlagen von Vektorraumen. Fallen Ihnen die Ubungs-aufgaben dazu jetzt leichter?

keine Abgabe!

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Fingerubungen zur Linearen Algebra I

Prof. Dr. C. Loh/D. Fauser/J. Witzig Blatt 8 vom 5. Dezember 2016

Aufgabe 1 (Dimensionsausdrucke). Wir betrachten die Standardeinheitsvekto-ren e1, e2, e3 ∈ R3. Welche der folgenden Ausdrucke ergeben uberhaupt einenSinn? Welcher Zahlenwert ergibt sich dabei dann?

1. dimR(e1, e3

)

2. dimR(SpanR(e1, e3)

)

3. dimR(SpanR(e1, e3 \ e3)

)

4. dimR(SpanR(e1, e3) \ SpanR(e3)

)

Aufgabe 2 (komplementare Unterraume). Welche der folgenden Untervektorraumevon R3 sind komplementar zueinander?

1. SpanR(e1, e2, e3) und 0

2. SpanR(e1) und SpanR(e3)

3. SpanR(e2) und SpanR(e1, e3)

4. SpanR(e1 + e2) und SpanR(e2, e3)

Aufgabe 3 (Quotientenvektorraume). Sei U := SpanR(e1, e2) ⊂ R3.

1. Gilt e1 ∼U e2 ?

2. Gilt e1 ∼U e3 ?

3. Was ist (e1 + U) + (e2 + U) in R3/U ?

4. Was ist (e1 + U) + (e3 + U) in R3/U ?

Aufgabe 4 (Wiederholung). Wiederholen Sie das Material uber lineare Unab-hangigkeit und Untervektorraume. Fallen Ihnen die Ubungsaufgaben dazu jetztleichter?

keine Abgabe!

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Fingerubungen zur Linearen Algebra I

Prof. Dr. C. Loh/D. Fauser/J. Witzig Blatt 9 vom 12. Dezember 2016

Aufgabe 1 (Multiplikation von Zeilen/Spalten). Berechnen Sie die folgenden Ma-trizen in M1×1(R) = R bzw. M2×2(R):

(1 2

)·(34

)und

(34

)·(1 2

)

Aufgabe 2 (Potenzen von Matrizen). Wir betrachten die Matrizen

A :=

(0 10 0

)B :=

(0 −11 0

)

in M2×2(R).

1. Berechnen Sie A2, A3, A4.

2. Berechnen Sie B2, B3, B4.

3. Vollziehen Sie diese Rechnungen auch geometrisch nach, indem Sie dielinearen Abbildungen L(A), L(B) : R2 −→ R2 betrachten.

Aufgabe 3 (Noch mehr Produkte von Matrizen). Wir betrachten

A :=

(1 23 4

), B :=

(1 10 1

), C :=

(1 00 2

)

in M2×2(R).

1. Berechnen Sie A ·B.

2. Berechnen Sie B ·A.

3. Berechnen Sie A · C.

4. Berechnen Sie C ·A.

5. Berechnen Sie (A ·B) · C.

6. Berechnen Sie A · (B · C).

7. Uberprufen Sie Ihre Ergebnisse mit einem Computeralgebrasystem!

Aufgabe 4 (Wiederholung). Wiederholen Sie das Material uber Abbildungen vonMengen, Basen und Dimension. Fallen Ihnen die Ubungsaufgaben dazu jetztleichter?

keine Abgabe!

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Fingerubungen zur Linearen Algebra I

Prof. Dr. C. Loh/D. Fauser/J. Witzig Blatt 10 vom 19. Dezember 2016

Aufgabe 1 (Ferwandlung). Beschreiben Sie die folgenden linearen Abbildun-gen R2 −→ R2 explizit und durch eine geeignete Matrix in M2×2(R):

À

Á

1

1 À

Á

1

1

À

Á

1

1 À

Á

1

1

Aufgabe 2 (Isomorphismen?). Beantworten Sie fur jede der Matrizen A (uber Q)

(2 01 6

),

(2 01 0

),

(1 2 3 45 6 7 8

),

(12

)

die folgenden Fragen:

1. Welchen Start- und Zielraum hat die lineare Abbildung L(A) ?

2. Ist L(A) ein Isomorphismus?

Aufgabe 3 (Kern und Bild). Seien

A :=

(1 0 32 0 6

)∈M2×3(R), B :=

1 20 03 6

∈M3×2(R).

Bestimmen Sie Kern und Bild (und die Dimensionen dieser Vektorraume) derlinearen Abbildungen L(A) : R3 −→ R2 bzw. L(B) : R2 −→ R3.

Aufgabe 4 (Zusammenfassung). Verfassen Sie eine kurze Zusammenfassung desbisher behandelten Materials. Welche Aspekte sollten Sie in den nachsten Wo-chen nochmal besonders intensiv wiederholen?

keine Abgabe!

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Fingerubungen zur Linearen Algebra I

Prof. Dr. C. Loh/D. Fauser/J. Witzig Blatt 11 vom 9. Januar 2017

Aufgabe 1 (Invertierbarkeit). Welche der folgenden Matrizen in M2×2(Q) sindinvertierbar? Bestimmen Sie gegebenenfalls auch die inverse Matrix!

(1 20170 1

),

(0 11 0

),

(2 01 7

),

(0 01 7

)

Aufgabe 2 (Basen und Matrizen). Wir betrachten die folgenden Basen von R2:

B :=

((12

),

(11

))und C :=

((01

),

(10

))

1. Bestimmen Sie die Matrizen M(TB,C) und M(TC,B).

2. Bestimmen Sie die Matrizen MB,C und MC,B .

Hinweis. Diese Matrizen werden am Donnerstag eingefuhrt.

Aufgabe 3 (lineare Abbildungen und Matrizen). Wir betrachten die lineare Ab-bildung

f : R2 −→ Rx 7−→ x1 + 3 · x2.

Bestimmen Sie jeweils die darstellende Matrix MB,C(f) fur die folgenden Ba-sen B und C von R2 bzw. R:

B CE2 E1

E2 (5)((01

),

(10

))E1

((11

),

(12

))(3)

Aufgabe 4 (CAS). Uberprufen Sie Ihre Rechnungen mit einem Computeralge-brasystem!

keine Abgabe!

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Fingerubungen zur Linearen Algebra I

Prof. Dr. C. Loh/D. Fauser/J. Witzig Blatt 12 vom 16. Januar 2017

Aufgabe 1 (Zeilenstufenform). Wir betrachten die Matrizen

A1 :=

(0 1 2 30 0 0 1

), A2 :=

(2 0 1 70 0 2 0

), A3 :=

(9 6 0 00 0 4 2

)

uber R. Bestimmen Sie Basen von V (A1, 0), V (A2, 0), V (A3, 0).

Aufgabe 2 (Invertierbarkeit). Testen Sie die folgenden Matrizen in M3×3(R) aufInvertierbarkeit und bestimmen Sie gegebenenfalls die inverse Matrix:

1 2 32 3 43 4 5

,

2 0 −16 3 04 4 2

,

−1 0 20 1 04 0 −3

Aufgabe 3 (lineare Gleichungssysteme). Losen Sie die folgenden linearen Glei-chungssysteme mit dem Gaußschen Eliminationsverfahren. In welcher Form gibtman Losungen solcher Gleichungssysteme uberhaupt an?

Gesucht: alle x ∈ R4 mit

x1 + x2 − x3 = 0x1 + x3 = 1x1 − x2 = 0

Gesucht: alle x ∈ F32 mit

x1 + x2 − x3 = 0x1 + x3 = 1x1 − x2 = 0

Aufgabe 4 (CAS). Uberprufen Sie Ihre Rechnungen mit einem Computeralge-brasystem!

keine Abgabe!

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Fingerubungen zur Linearen Algebra I

Prof. Dr. C. Loh/D. Fauser/J. Witzig Blatt 13 vom 23. Januar 2017

Aufgabe 1 (Determinante). Berechnen Sie fur die folgenden Matrizen inM3×3(R)die Determinante:

1 0 00 2 00 0 3

,

1 2 31 2 31 2 3

,

1 0 01 2 33 2 1

,

1 1 12 0 31 0 1

.

Hinweis. Berechnen Sie die Determinante zunachst (rekursiv) durch Entwick-lung nach der ersten Spalte. Versuchen Sie dann, auch alternative, geschicktere,Rechenwege zu finden.

Aufgabe 2 (Determinante und Invertierbarkeit). Sei

A :=

2 0 00 1 −60 7 1

∈M3×3(C).

Bestimmen Sie mit dem Invertierbarkeitskriterium der Determinante alle λ ∈ C,fur die die Matrix A− λ · I3 ∈M3×3(C) invertierbar ist.

Aufgabe 3 (Leibniz-Formel). Sei K ein Korper.

1. Schreiben Sie alle Elemente von S2 auf; bestimmen Sie das Signum allerElemente von S2.

2. Schreiben Sie die Leibniz-Formel fur det : M2×2(K) −→ K explizit aus.

3. Schreiben Sie alle Elemente von S3 auf; bestimmen Sie das Signum allerElemente von S3.

4. Schreiben Sie die Leibniz-Formel fur det : M3×3(K) −→ K explizit aus.

5. Vergleichen Sie Ihr Ergebnis mit den bereits bekannten Formeln fur 2×2-bzw. 3× 3-Matrizen.

Hinweis. Die Gruppe S2 enthalt genau zwei Elemente, die Gruppe S3 genausechs Elemente.

Aufgabe 4 (CAS). Uberprufen Sie Ihre Rechnungen mit einem Computeralge-brasystem!

keine Abgabe!

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Fingerubungen zur Linearen Algebra I

Prof. Dr. C. Loh/D. Fauser/J. Witzig Blatt 14 vom 30. Januar 2017

Aufgabe 1 (Nullstellen). Bestimmen Sie fur jede der folgenden Gleichungen dieMenge aller λ ∈ Q (bzw. R, Q(i), C, F2), die die Gleichung losen:

1. λ2 + 1 = 0

2. λ2 − 1 = 0

3. λ2 + 2 · λ+ 3 = 0

4. λ3 + λ2 − 2 = 0

Aufgabe 2 (Eigenwerte und Eigenraume). Bestimmen Sie fur die folgenden Ma-trizen in M2×2(C) alle Eigenwerte (in C) und alle Eigenraume (in C2):

(0 2−2 0

),

(2 −i−i 0

),

(−1 −90 2

)

Aufgabe 3 (Diagonalisierbarkeit). Welche der folgenden Matrizen sind uber Qdiagonalisierbar?

2 0 00 3 10 0 3

,

1 1 10 1 10 0 1

,

1 1 10 2 10 0 2

Aufgabe 4 (CAS). Uberprufen Sie Ihre Rechnungen mit einem Computeralge-brasystem!

keine Abgabe!

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Fingerubungen zur Linearen Algebra I

Prof. Dr. C. Loh/D. Fauser/J. Witzig Blatt 15 vom 6. Februar 2017

Aufgabe 1 (Polynome). Berechnen Sie in C[T ] die folgenden Produkte:

1. (T − 1) · (T 3 + T 2 + T + 1)

2. (T 2 + 2 · T + 1) · (T 2 − 2 · T + 1)

3. (T 2016 − 1) · (T 2017 − 1)

4. (T 2 + i · T − i) · (i · T 2 − T + 2017)

Aufgabe 2 (Polynomfunktionen). Betrachten Sie die Polynomfunktionen zu denPolynomen

T 3 − T 2 − 2 · T und T 2 + T

uber R bzw. F2. Wie sehen die zugehorigen Polynomfunktionen aus? WelcheNullstellen haben diese Polynome?

Aufgabe 3 (charakteristische Polynome). Bestimmen Sie jeweils das charakteris-tische Polynom der folgenden Matrizen (in M3×3(C)).

1 0 00 2 00 0 3

,

2 1 00 2 10 0 2

,

1 0 00 2 30 4 5

,

2 4 03 5 00 0 1

Aufgabe 4 (CAS). Uberprufen Sie Ihre Rechnungen mit einem Computeralge-brasystem!

keine Abgabe!

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C 18 C. Fingerubungen

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D

Allgemeine Hinweise

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Lineare Algebra I im WS 2016/17Organisatorisches

Prof. Dr. C. Loh/D. Fauser/J. Prem Oktober 2016

Homepage. Alle aktuellen Informationen zur Vorlesung, zu den Ubungen, zuSprechstunden, Literaturangaben, sowie die Ubungsblatter finden Sieauf der Homepage zur Vorlesung bzw. in GRIPS:

http://www.mathematik.uni-regensburg.de/loeh/teaching/linalg1 ws1617

https://elearning.uni-regensburg.de

Vorlesung. Die Vorlesung findet jeweils montags (10:15–12:00; H 32) und don-nerstags (10:15–12:00; H 32) statt. Ausnahme: am 17. Oktober in H 20.

Es wird ein (Kurz)Skript zur Vorlesung geben, das eine Ubersichtuber die wichtigsten Themen der Vorlesung enthalt. Dieses Skript wirdjeweils auf den obigen Homepages aktualisiert. Beachten Sie bitte, dassdieses Kurzskript keineswegs geeignet ist, den Besuch der Vorlesungoder der Ubungen zu ersetzen!

Ubungen. Die neuen Ubungsaufgaben werden wochentlich donnerstags spate-stens um 10:00 Uhr auf den obigen Homepages online gestellt und sindbis zum Donnerstag eine Woche spater um 10:00 Uhr in die entspre-chenden Briefkasten in der Mathematik abzugeben.

Auf jedem Ubungsblatt gibt es vier regulare Aufgaben (je 4 Punkte)und herausforderndere Bonusaufgaben (je 4 Bonuspunkte).

Sie durfen (und sollen) die Aufgaben in kleinen Gruppen bearbeiten;aber die Losungen mussen individuell ausformuliert und aufgeschriebenwerden (andernfalls werden die Punkte aberkannt). Sie durfen (mussenaber nicht!) Losungen zu zweit abgeben; in diesem Fall mussen selbst-verstandlich jeweils beide Autoren in der Lage sein, alle der Zweier-gruppe abgegebenen Losungen an der Tafel zu prasentieren (andernfallswerden die Punkte aberkannt).

Die Ubungen beginnen in der zweiten Vorlesungswoche; in diesenersten Ubungen wird das Einfuhrungsblatt, Blatt 0, besprochen.

Zentralubung. Zusatzlich zur Vorlesung und den Ubungen bietet die Zentral-ubung die Gelegenheit, Fragen zu stellen und den Stoff der Vorlesung zuwiederholen und zu vertiefen. Die Zentralubung findet jeweils montags(14:15–16:00; H 32) statt und wird von Daniel Fauser und JohannesPrem geleitet; die Zentralubung beginnt in der zweiten Vorlesungswo-che.

Außerdem werden wir auf der Homepage Fingerubungen anbieten,mit denen grundlegende Begriffe, Handgriffe und Rechentechniken ein-geubt werden konnen. Diese Aufgaben werden nicht abgegeben bzw.korrigiert.

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Einteilung in die Ubungsgruppen. Die Einteilung in die Ubungsgruppen er-folgt uber GRIPS:

https://elearning.uni-regensburg.de

Sie konnen sich bis Mittwoch, den 19. Oktober 2016, um 10:00 Uhrfur die Ubungen anmelden; Sie konnen dort Ihre Praferenzen fur dieUbungstermine auswahlen und wir werden versuchen, diese Wunschezu erfullen. Bitte beachten Sie jedoch, dass es sein kann, dass wir nichtalle Wunsche erfullen konnen.

Falls Sie noch keine Kennung des Rechenzentrums haben, wendenSie sich bitte an Daniel Fauser oder Johannes Prem.

Die endgultige Einteilung der Ubungsgruppen wird spatestens amFreitag, den 21. Oktober 2016, in GRIPS bekanntgegeben. Ein Wechselin volle Ubungsgruppen ist dann nur durch Tausch mit einem Tausch-partner moglich.

Bei Fragen zur Einteilung der Ubungsgruppen und zum Ubungsbe-trieb wenden Sie sich bitte an Daniel Fauser ([email protected]) oderJohannes Prem ([email protected]).

Leistungsnachweise. Diese Vorlesung kann wie in den einzelnen Modulkatalo-gen spezifiziert in die Studiengange eingebracht werden.

• Studienleistung : Regelmaßige und aktive Teilnahme an den Ubun-gen, mindestens 50% der (in den regularen Aufgaben) moglichenPunkte, mindestens einmal zufriedenstellend vorrechnen.

• Prufungsleistung (fur den Leistungsnachweis zur Linearen Alge-bra I): Zweistundige Klausur (s.u.). Die Modulnote ergibt sich wieim jeweiligen Modulkatalog angegeben.

Im Bachelorstudiengang Mathematik ist fur das Modul BGLA zusatz-lich noch eine (mundliche) Modulabschlussprufung uber die Inhalte derVorlesungen Lineare Algebra I und II abzulegen. Details zu diesen Prufun-gen werden am Ende der Linearen Algebra II bekanntgegeben.

Klausur. Die Klausur findet am Dienstag, den 14. Februar 2017, von 9:00 bis11:00 Uhr, statt. Die Wiederholungsklausur ist voraussichtlich am Endeder Semesterferien; der genaue Termin wird so bald wie moglich be-kanntgegeben.

Sie mussen sich in FlexNow fur die Studienleistung und die Prufungs-leistung anmelden. Bitte informieren Sie sich fruhzeitig. Wir werdenrechtzeitig Eintrage in FlexNow vorbereiten. Berucksichtigen Sie bit-te auch (implizite) Fristen der entsprechenden Prufungsordnungen biswann (Wiederholungs-)Prufungen abgelegt werden mussen.

Wichtige Informationen im Krankheitsfall finden Sie unter:

http://www.uni-regensburg.de/mathematik/fakultaet/studium/studierende-und-studienanfaenger/index.html

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Hinweise fur Wiederholer. Studenten, die bereits in einem vorangegangenenSemester die Klausurzulassung erhalten haben, aber im entsprechendenSemester die Klausur nicht bestanden haben oder nicht an der Klausurteilgenommen haben, konnen mit dieser Zulassung auch an den obengenannten Klausurterminen teilnehmen. Informieren Sie sich rechtzei-tig uber den Stoffumfang dieser Vorlesung (z.B. uber das Kurzskript).Außerdem kann es je nach Kenntnisstand sinnvoll sein, nochmal an denUbungen oder der Vorlesung teilzunehmen.

Fur den Drittversuch besteht alternativ zur Klausur auch wahlweisedie Moglichkeit, die Prufung als mundliche Prufung abzulegen.

Falls Sie an den Ubungen teilnehmen mochten, ohne dass Ihre Losun-gen korrigiert werden sollen, schreiben Sie bitte eine email an DanielFauser oder Johannes Prem mit Ihren Wunschterminen (damit die Ubungs-gruppen einigermaßen gleichmaßig besucht sind).

Ansprechpartner.

• Bei Fragen zur Organisation des Ubungsbetriebs wenden Sie sichbitte an Daniel Fauser oder Johannes Prem (Buro M 205):

[email protected]@ur.de

• Bei Fragen zu den Ubungsaufgaben wenden Sie sich bitte an IhrenUbungsleiter oder an Daniel Fauser oder Johannes Prem.

• Bei mathematischen Fragen zur Vorlesung wenden Sie sich bittean Ihren Ubungsleiter, an Daniel Fauser, Johannes Prem oder anClara Loh.

• Bei Fragen zur Planung Ihres Studiums bzw. zur Prufungsordnungwenden Sie sich bitte an die zustandige Studienberatung oder daszustandige Prufungsamt:

http://www.uni-regensburg.de/mathematik/fakultaet/studium/ansprechpersonen/index.html

Bei vielen Fragen kann Ihnen auch die Fachschaft weiterhelfen:

http://www-cgi.uni-regensburg.de/Studentisches/FS MathePhysik/cmsms/

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Lineare Algebra I im WS 2016/17Hinweise zur Prufungsvorbereitung

Prof. Dr. C. Loh/D. Fauser/J. Prem Oktober 2016

Ziel der Prufungsvorbereitung. Hauptziel der Prufungsvorbereitung ist die sou-verane Beherrschung des behandelten Fachgebiets. Die Prufung sichertab, dass dies tatsachlich der Fall ist, ist aber nicht das eigentliche in-haltliche Ziel der Vorlesung.

Beherrscht werden sollten also:

• aktive Kenntnis der Fachbegriffe und Formalisierungsmethoden

• Verstandnis der Ideen, die zu diesen Fachbegriffen und Formalisie-rungen fuhren

• wichtige Probleme und Fragestellungen, die das Gebiet maßgeblichbeeinflusst haben bzw. die durch das Gebiet gelost werden konnen

• wichtige Resultate und Zusammenhange innerhalb des Gebiets

• wichtige Beweis- und Losungsstrategien

• reprasentative Beispiele

• Anwendungen des Gebiets und Interaktion mit anderen Gebieten

• Fahigkeit, auf all diesen Kenntnissen weiter aufzubauen.

Erreichen dieses Ziels. Wahrend der Vorlesungszeit:

• aktive Auseinandersetzung mit den Ubungsaufgaben

• Erlernen des Fachwissens (Definitionen, Satze), notfalls mit Kar-teikarten

• weiteres aktives Uben mit zusatzlichen Aufgaben und Vertiefungder Kenntnisse durch Selbststudium (Bibliothek!)

• Bei Fragen: Betreuungsangebote nutzen!

Kurz vor der Prufung:

• Kann ich mein Wissen prazise und verstandlich prasentieren? (Daskann man einfach an anderen Kommilitonen ausprobieren . . . )

• Was konnten typische Prufungsfragen sein? Was sind gute Losun-gen zu diesen Fragen?

• Wie belastbar sind meine Fahigkeiten? Was muss ich noch verbes-sern?

Bewertungskriterien. In der Prufung werden folgende Fahigkeiten abgepruft:

• Fachwissen (Definitionen, Satze, Beweise, Beispiele, Anschauung,Zusammenhange, Anwendungen, . . . )

• prazises und korrektes, logisch schlussiges, Formulieren und Argu-mentieren

• Losen von Standardproblemen

• Kreativitat bei der Losung von Problemen

Viel Erfolg bei der Prufung!

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Lineare Algebra I im WS 2016/17Hinweise zu den Ubungsaufgaben

Prof. Dr. C. Loh/D. Fauser/J. Prem Oktober 2016

Ziel der Ubungsaufgaben. Ziel der Ubungsaufgaben ist, sich aktiv mit den be-handelten Definitionen, Satzen, Beispielen und Beweistechniken ausein-anderzusetzen und zu lernen, damit umzugehen.

Wie bearbeitet man eine Ubungsaufgabe?

• Beginnen Sie mit der Bearbeitung an dem Tag, an dem das Ubungs-blatt erscheint – manche Dinge brauchen einfach ein paar TageZeit.

• Lesen Sie sich alle Aufgaben grundlich durch. Kennen Sie alle auf-tretenden Begriffe? Verstehen Sie, was in den Aufgaben verlangtwird?

• Was sind die Voraussetzungen? Was ist zu zeigen? Wie konntendiese Dinge zusammenhangen? Gibt es Satze aus der Vorlesung,die auf diese Situation passen?

• Welche Losungsstrategien bzw. Beweisstrategien passen auf dieAufgabe? Kann man einfach direkt mit den Definitionen arbeitenund so zum Ziel gelangen?

• Ist die Aufgabe plausibel? Versuchen Sie die behaupteten Aussa-gen, an einfachen Beispielen nachzuvollziehen!

• Falls Sie die Aufgabe unplausibel finden, konnen Sie versuchen, siezu widerlegen und untersuchen, woran dieses Vorhaben scheitert.

• Kann man die Situation durch eine geeignete Skizze graphisch dar-stellen?

• Versuchen Sie, das Problem in kleinere Teilprobleme aufzuteilen.Konnen Sie diese Teilprobleme losen?

• Verwenden Sie viel Schmierpapier und geben Sie sich genug Zeit, ander Aufgabe herumzuexperimentieren! Selbst wenn Sie die Aufgabenicht vollstandig losen, werden Sie auf diese Weise viel lernen, daSie sich aktiv mit den Begriffen und Satzen auseinandersetzen.

• Wenn Sie nicht weiterwissen, diskutieren Sie die Aufgabe mit Kom-militonen. Lassen Sie sich aber auf keinen Fall dazu verleiten, ein-fach Losungen irgendwo abzuschreiben. Mathematik kann man nurlernen, wenn man aktiv damit arbeitet und seine Gedanken selbstformuliert!

Wie schreibt man eine Losung auf?

• Gliedern Sie Ihre Losung sauber in Voraussetzung, Behauptungund Beweis.

• Teilen Sie Ihre Beweise in sinnvolle Zwischenschritte auf.

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• Achten Sie darauf, dass Sie verstandlich formulieren und dass dieArgumente logisch aufeinander aufbauen.

• Ist Ihre Argumentationskette wirklich luckenlos? Seien Sie miss-trauisch gegenuber Ihrer eigenen Losung und versuchen Sie, allepotentiellen Schwachpunkte ausfindig zu machen!

• Wenn Sie einzelne Beweisschritte nicht vollstandig durchfuhrenkonnen, konnen Sie in Ihrer Losung darauf hinweisen – die restlicheLosung kann trotzdem Punkte erhalten!

• Achten Sie darauf, dass Sie alle Bezeichner einfuhren und dass Siemathematische Symbole und Fachbegriffe korrekt verwenden.

• Versuchen Sie, sich so prazise wie moglich auszudrucken!

• Versuchen Sie, indirekte Argumente so weit wie moglich zu vermei-den.

• Uberprufen Sie am Ende, ob Sie wirklich das bewiesen haben, wasSie ursprunglich behauptet haben.

• Oft ist es auch hilfreich zu uberprufen, ob/wie alle in der Aufgabegegebenen Voraussetzungen verwendet wurden.

• Wurden Sie Ihre Losung verstehen, wenn Sie sie zum ersten Mallesen wurden?

• Alles, was Sie abgeben, mussen Sie eigenstandig formuliert undauch verstanden haben.

• Geben Sie Literaturangaben an, wenn Sie zusatzliche Quellen ver-wendet haben.

Bewertungskriterien. Bei der Bewertung der abgegebenen Losungen wird auffolgendes geachtet:

• Wurde die gestellte Aufgabe vollstandig gelost?

• Wurden Voraussetzung, Behauptung, Beweis deutlich voneinandergetrennt?

• Stimmen die Voraussetzungen? Sind sie sauber formuliert?

• Stimmen die Behauptungen/Zwischenbehauptungen? Sind sie sau-ber formuliert?

• Ist die Argumentationskette der Beweisschritte vollstandig?

• Sind die Beweisschritte prazise formuliert und verstandlich?

• Sind alle Bezeichner eingefuhrt?

• Werden mathematische Symbole und Fachbegriffe korrekt einge-setzt?

• Ist an jeder Stelle des Beweises klar, was passiert?

• Werden die neu erlernten Begriffe und Techniken passend einge-setzt?

Viel Erfolg und viel Spass bei den Ubungen!

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D 8 D. Allgemeine Hinweise

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Literaturverzeichnis

Bitte beachten Sie, dass das Literaturverzeichnis im Laufe der Vor-lesung wachsen wird und sich daher auch die Nummern der Quellenandern werden!

[1] A. Beutelspacher. Das ist o.B.d.A. trivial!, neunte Auflage, Vieweg+-Teubner, 2009.http://link.springer.com/book/10.1007%2F978-3-8348-9599-8 Zitiertauf Seite: 16

[2] S. Bosch. Lineare Algebra, funfte Auflage, Springer Spektrum, 2014.Zitiert auf Seite:

[3] M. Brandenburg. Einfhrung in die Kategorientheorie: Mit ausfhrlichenErklrungen und zahlreichen Beispielen, Springer-Spektrum, 2015. Zi-tiert auf Seite: A 11

[4] P.J. Cameron. Sets, Logic and Categories, Universitext, Springer, 1998.Zitiert auf Seite: 11

[5] B.L. Davis, D. MacLagan. The card game SET, The Mathematical In-telligencer 25(3), S. 33–40, Juni 2003. Zitiert auf Seite: A 8

[6] H.-D. Ebbinghaus et. al.. Zahlen, Springer, 1992. Zitiert auf Seite: 51

[7] H.-D. Ebbinghaus, J. Flum, W. Thomas. Einfuhrung in die mathema-tische Logik, 5. Auflage, Spektrum Akademischer Verlag, 2007. Zitiertauf Seite: 11

[8] A. Engel. Problem Solving Strategies, Problem Books in Mathematics,Springer, 1998. Zitiert auf Seite:

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C 2 Literaturverzeichnis

[9] R.L. Graham, D.E. Knuth, O. Patashnik. Concrete Mathematics. AFoundation for Computer Science, zweite Auflage, Addison-Wesley,1994. Zitiert auf Seite: 172

[10] K. Janich. Lineare Algebra, 11. Auflage, Springer, 2013. Zitiert aufSeite: 3, 60

[11] D.E. Knuth. Surreal numbers, Addison-Wesley, 1974. Zitiert auf Sei-te: 37

[12] C. Loh, S. Krauss, N. Kilbertus. Quod erat knobelandum, Springer Spek-trum, 2016. Zitiert auf Seite:

[13] S. MacLane. Categories for the Working Mathematician, zweite Auf-lage, Springer, 1998. Zitiert auf Seite: A 11