570
Lineare Algebra I & II Algebra und Diskrete Mathematik I & II Vorlesungen mit ¨ Ubungen von Prof. Dr. Hans–Bernd Knoop gehalten an der Gerhard-Mercator–Universit¨ at — Gesamthochschule Duisburg Fachbereich 11 Mathematik Bearbeitung von Dipl.–Math. J¨ org Viehmann

Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

  • Upload
    others

  • View
    2

  • Download
    0

Embed Size (px)

Citation preview

Page 1: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

Lineare Algebra I & II

Algebra und DiskreteMathematik I & II

Vorlesungen mit Ubungen

von

Prof. Dr. Hans–Bernd Knoop

gehalten an der

Gerhard-Mercator–Universitat — Gesamthochschule Duisburg

Fachbereich 11 • Mathematik

Bearbeitung von Dipl.–Math. Jorg Viehmann

Page 2: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

Fur Hinweise, Anfragen oder Informationen bezuglich Verfugbarkeit dieses Dokumentes etc. bitteeine eMail an: [email protected] oder an: [email protected] richten.

1. Auflage, Januar 1997 (mit einigen Korrekturen vom Dezember 1997 und vom Juni 2008).

Erstellt mit LATEX2.09 unter emTEX.

c© 1997 by Fachbereich 11 · MathematikGerhard-Mercator–Universitat — Gesamthochschule DuisburgD – 47048 Duisburg

Page 3: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

Vorwort

Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & IIsowie Algebra und Diskrete Mathematik I & II, die ich erstmals zwischen dem Winterse-mester 1990/91 und dem Sommersemester 1993 an der (heutigen) Gerhard-Mercator–UniversitatDuisburg gehalten habe.

Herr cand. math. Jorg Viehmann hat aus einer Mitschrift der Vorlesungen Algebra und Dis-krete Mathematik I & II im Wintersemester 1991/92 bzw. Sommersemester 1992 unterVerwendung des Textverarbeitungssystems LATEX eine erste schriftliche Version der Kapitel XIbis XX erstellt. Die restlichen Kapitel I bis X, die Anhange A und B wurden spater erganzt.

Das Anliegen der Vorlesung und auch dieses Skriptums ist es, moglichst umfangreiche Kenntnisseuber das behandelte Sachgebiet zu erwerben und damit Grundlagen fur das weitere Studiumder Mathematik und spatere Prufungen zu schaffen. Ziel war es nicht, besondere Originalitatbei der Darbietung des Stoffes zu entwickeln. Die hier verwendete Literatur, die ich aus demvielfaltigen Lehrbuchmaterial ausgewahlt habe, wird im Literaturverzeichnis aufgefuhrt.

Daruber hinaus mochte ich hervorheben, daß mir die Themenauswahl von Herrn Prof. Dr. KurtJetter und von Herrn Prof. Dr. Klaus–Werner Wiegmann in den Vorlesungen Lineare Alge-bra I & II sowie die Themenauswahl von Herrn Prof. Dr. Gunter Torner in der VorlesungenDiskrete und Algebraische Strukturen I & II eine große Hilfe waren. Besonders gernehabe ich mich bezuglich algebraischer Aspekte an der Vorlesung Algebra I & II von HerrnProf. Dr. Walter Benz orientiert, die ich selbst im Sommersemester 1968 und im Winterse-mester 1968/69 an der Ruhr–Universitat Bochum gehort habe. Ferner sind Verbesserungsvor-schlage, die sich aus der Verwendung der Erstfassung des vorliegenden Skriptums durch HerrnProf. Dr. Werner Haußmann vom Wintersemester 1993/94 bis zum Sommersemester 1995 erge-ben haben, eingearbeitet. Außerdem sind bereits einige Korrekturen von Herrn Prof. Dr. Klaus–Werner Wiegmann aus dem Wintersemester 1996/97 zu Teil 3 des Skriptums berucksichtigtworden.

Das Skriptum enthalt keine grundlegenden Bemerkungen uber Formale Logik, Mengenlehre bzw.Abbildungen, da diese traditionsgemaß in parallel stattfindenden Vorlesungen uber Analysisenthalten sind. Ebenso wurde auf eine axiomatische Charakterisierung der reellen Zahlen undeine Einfuhrung in das Prinzip der vollstandigen Induktion verzichtet. Das Skriptum wurdeangereichert durch eine Auswahl von Ubungs- und Klausuraufgaben, die zwischen dem Winter-semester 1990/91 und dem Sommersemester 1995 zu den entsprechenden Vorlesungen gestelltworden sind. In dieser gesamten Zeit war Herr Dr. Bernd Stockenberg fur den Ubungsbetriebzustandig, dem ich an dieser Stelle noch einmal ganz herzlich fur die sorgfaltig geplanten undideenreichen Aufgaben danken mochte.

iii

Page 4: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

iv VORWORT

Neben Frau Brigitte Mertes, die zunachst eine Rohfassung der Kapitel I bis V erstellt hat, sowieden Fachsekretarinnen, welche die Ubungs- und Klausuraufgaben geschrieben haben, hauptsach-lich Frau Birgit Dunkel, hat zur Fertigstellung des Skriptums vor allem Herr cand. math. JorgViehmann beigetragen.Ihnen allen sage ich herzlichen Dank fur ihre Mitarbeit!

Duisburg, im Januar 1997 H.–B. Knoop

Page 5: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

Inhaltsverzeichnis

1 LINEARE ALGEBRA I 1

I Vektorraume 3

§ 1 Gruppen, Ringe, Korper . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3

§ 2 Vektorraume und Untervektorraume . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9

§ 3 Lineare Abhangigkeit, Basis, Dimension . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12

§ 4 Summen und direkte Summen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19

§ 5 Affine Unterraume . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22

II Matrizen und lineare Gleichungssysteme 24

§ 6 Matrizen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24

§ 7 Lineare Gleichungssysteme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29

§ 8 Elementare Umformungen und Elementarmatrizen . . . . . . . . . . . . . . . . . 35

§ 9 Der Gauß–Algorithmus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39

III Determinanten 47

§ 10 Permutationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47

§ 11 Determinante einer Matrix . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51

§ 12 Der Entwicklungssatz von Laplace . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62

§ 13 Die Cramer’sche Regel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65

IV Lineare Abbildungen 67

§ 14 Der Vektorraum der linearen Abbildungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67

§ 15 Kern und Bild . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72

§ 16 Lineare Abbildungen und Matrizen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74

§ 17 Basiswechsel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79

§ 18 Der Dualraum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82

V Eigenwerte 86

§ 19 Grundlegende Begriffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86

§ 20 Diagonalisierbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90

§ 21 Trigonalisierbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100

v

Page 6: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

vi INHALTSVERZEICHNIS

VI Aquivalenzrelationen in der Linearen Algebra 109

§ 22 Der Begriff der Aquivalenzrelation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109

§ 23 Der Quotientenraum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112

§ 24 Nilpotente Endomorphismen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116

§ 25 Korper der Bruche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124

2 LINEARE ALGEBRA II 127

VII Euklidische und unitare Vektorraume 129

§ 26 Skalarprodukte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129

§ 27 Orthogonalisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134

§ 28 Adjungierte Abbildungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141

§ 29 Orthogonale und unitare Endomorphismen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150

§ 30 Drehungen und Spiegelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155

§ 31 Hauptachsentransformation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160

VIII Affine Geometrie 169

§ 32 Affine Raume . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169

§ 33 Affine Abbildungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176

§ 34 Klassifikation von Quadriken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182

IX Konvexe Mengen und lineare Optimierung 190

§ 35 Problemstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190

§ 36 Konvexe Mengen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193

§ 37 Extremalpunkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197

§ 38 Bestimmung optimaler Punkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199

§ 39 Das Simplex–Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204

X Grundzuge der projektiven Geometrie 212

§ 40 Projektive Raume . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212

§ 41 Projektivitaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217

3 ALGEBRA UND DISKRETE MATHEMATIK I 225

XI Gruppen 227

§ 42 Grundlegende Begriffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227

§ 43 Der Satz von Lagrange . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233

Page 7: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

INHALTSVERZEICHNIS vii

§ 44 Isomorphiesatze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237

§ 45 Produkte von Gruppen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 243

§ 46 Operationen von Gruppen auf Mengen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 247

§ 47 Die Sylow’schen Satze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251

§ 48 Endlich erzeugte abelsche Gruppen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 258

§ 49 Die symmetrische Gruppe Sn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 261

§ 50 Auflosbare Gruppen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 268

XII Zahlprinzipien 271

§ 51 Erste Zahlprinzipien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 271

§ 52 Teilmengen und Designs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 275

§ 53 Partitionen und Verteilungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 283

§ 54 Partitionen einer positiven ganzen Zahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 287

XIII Ringe, Korper und Polynome 290

§ 55 Grundbegriffe der Ringtheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 290

§ 56 Ideale und Restklassenringe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 294

§ 57 Korper . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 298

§ 58 Teilbarkeit in Integritatsringen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 302

§ 59 Polynomringe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 312

XIV Rekursive Techniken 320

§ 60 Partialbruchzerlegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 320

§ 61 Die lineare Rekursion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 324

§ 62 Partitionen und erzeugende Funktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 328

§ 63 Lineare Differenzengleichungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 333

4 ALGEBRA UND DISKRETE MATHEMATIK II 339

XV Weiterfuhrende Aussagen uber Polynome 341

§ 64 Polynomringe uber Gauß’schen Ringen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 341

§ 65 Nullstellen von Polynomen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 347

§ 66 Polynome in mehreren Veranderlichen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 351

§ 67 Symmetrische Polynome . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 353

XVI Endliche Korper und einige Anwendungen 356

§ 68 Lateinische Quadrate . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 356

§ 69 Differenzmethoden zur Konstruktion von Designs . . . . . . . . . . . . . . . . . . 358

§ 70 Endliche Geometrien und Designs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 360

§ 71 Existenz von Designs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 363

Page 8: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

viii INHALTSVERZEICHNIS

XVII Korpererweiterungen 365

§ 72 Algebraische Erweiterungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 365

§ 73 Separable Erweiterungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 372

§ 74 Zerfallungskorper . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 373

§ 75 Normale Korpererweiterungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 376

§ 76 Galois–Erweiterungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 377

XVIII Der Hauptsatz der Galois–Theorie und einige Anwendungen 383

§ 77 Konstruktion mit Zirkel und Lineal . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 383

§ 78 Der Hauptsatz der Galois–Theorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 392

§ 79 Einheitswurzeln und Kreisteilungskorper . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 396

§ 80 Auflosung algebraischer Gleichungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 399

XIX Elemente der Codierungstheorie 404

§ 81 Das Hauptproblem der Codierungstheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 405

§ 82 Lineare Codes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 409

§ 83 Codes und lateinische Quadrate . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 415

XX Elemente der Graphentheorie 418

§ 84 Grundlegende Begriffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 418

§ 85 Klassische Fragen der Graphentheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 422

a) Das Konigsberger Bruckenproblem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 422

b) Plattbare Graphen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 423

c) Farbung von Graphen. Das Vier–Farben–Problem . . . . . . . . . . . . . . . . . 426

A Ubungsaufgaben 429

B Klausuraufgaben 508

Symbolverzeichnis 537

Literaturverzeichnis 547

Page 9: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

Teil 1

LINEARE ALGEBRA I

1

Page 10: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik
Page 11: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

Kapitel I

Vektorraume

§ 1 Gruppen, Ringe, Korper

1.1 Definition

Gegeben seien zwei nichtleere Mengen M und N . Unter einer Abbildung ϕ von M nach N ver-stehen wir eine Zuordnungsvorschrift

ϕ : M → N , x 7→ ϕ(x) := y ,

die jedem x ∈ M genau ein y ∈ N zuordnet. Die Menge aller Abbildungen von M nach Nbezeichnen wir kurz mit Abb(M,N) .Eine Abbildung ϕ ∈ Abb(M,N) heißt surjektiv, wenn ϕ(M) = N ist1; und ϕ heißt injektiv,wenn aus ϕ(x) = ϕ(y) mit x, y ∈M stets folgt: x = y . Eine Abbildung ϕ heißt bijektiv, wennϕ injektiv und zugleich surjektiv ist.

1.2 Definition

Unter einer (inneren) Verknupfung auf einer Menge H 6= ∅ verstehen wir eine Abbildung

: H ×H → H , (a, b) 7→ a b .

(Dabei ist H ×H die Menge aller geordneten Paare (a, b) mit a ∈ H und b ∈ H .)Eine Halbgruppe H ist ein Paar (H, ) , bestehend aus einer nichtleeren Menge H und einerinneren Verknupfung auf H mit der Eigenschaft

(G1) Assoziativitat : (a b) c = a (b c) fur alle a, b, c ∈ H .

Eine Halbgruppe (G, ) heißt Gruppe, wenn zusatzlich gilt:

(G2) Es gibt ein neutrales Element e ∈ G mit e a = a fur alle a ∈ G .

(G3) Fur jedes a ∈ G existiert ein inverses Element a′ ∈ G (zu a) mit a′ a = e .

Eine Gruppe (G, ) heißt kommutativ oder abelsch2, wenn fur alle a, b ∈ G gilt: a b = b a .Wenn aus dem Zusammenhang klar hervorgeht, welche Verknupfung G zu einer Halbgruppeoder Gruppe macht, schreiben wir kurz G statt (G, ) und meist a b statt a b .

1Soll ϕ : M → N surjektiv sein, so nennen wir ϕ auch eine Abbildung von M auf N .2Niels Henrik Abel, norwegischer Mathematiker (?05.08.1802, †06.04.1829)

3

Page 12: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

4 KAPITEL I. VEKTORRAUME

1.3 Bemerkungen

Es sei G eine Gruppe. Dann gilt:

(i) Ist a′ ∈ G inverses Element zu a ∈ G, dann gilt auch: a a′ = e .

(ii) Ist e ∈ G ein neutrales Element, so gilt fur alle a ∈ G auch: a e = a .

(iii) Es gibt genau ein neutrales Element e ∈ G .

(iv) Zu jedem a ∈ G gibt es genau ein inverses Element a′ ∈ G , das wir auch mit a−1

bezeichnen.

(v) Es gilt fur alle a, a1, a2, . . . , an−1, an ∈ G :

(a−1)−1 = a und (a1 a2 . . . an−1 an)−1 = an−1 an−1

−1 . . . a2−1 a1

−1 .

Dabei ist die mehrfache Verknupfung a1 a2 . . . an−1 an induktiv definiert durch

a1 a2 . . . an−1 an := (a1 a2 . . . an−1) an .

Beweis:

zu (i): Zu a′ ∈ G existiert nach Axiom (G3) ein Inverses a′′ ∈ G mit a′′ a′(∗)= e . Daraus folgt:

a a′(G2)= e (a a′) (∗)= (a′′ a′) (a a′) (G1)= a′′ (a′ (a a′)) =(G1)= a′′ ((a′ a) a′) (G3)= a′′ (e a′) (G2)= a′′ a′

(∗)= e .

zu (ii): Ist a ∈ G und a′ ∈ G mit a′ a = e , so folgt:

a e(G3)= a (a′ a) (G1)= (a a′) a (i)= e a

(G2)= a .

zu (iii): Sei e′ ein weiteres neutrales Element von G , d. h. es gelte: e′ a(∗)= a fur alle a ∈ G .

Dann folgt: e′ e(∗)= e , da e′ neutral ist, und e e′

(G2)= e′ , da e neutral ist. Wegen (ii) gilt:e′ = e e′ = e′ e = e , also ist insgesamt e = e′ .

zu (iv): Es seien a′ ∈ G und a′′ ∈ G inverse Elemente zu a ∈ G . Dann gilt:

a′′(ii)= a′′ e

(i)= a′′ (a a′) (G1)= (a′′ a) a′ (G3)= e a′(G2)= a′ .

zu (v): Nach (iv) gibt es zu a−1 ∈ G genau ein inverses Element b ∈ G mit a−1 b = b a−1 = e .Wegen a−1 a = a a−1 = e ist somit b = (a−1)−1 = a .Sei nun n = 2 ; dann ist zu zeigen, daß a2

−1 a1−1 das inverse Element zu a1 a2 ist, d. h.:

(a1 a2)−1 = a2−1 a1

−1 . Nun gilt:

(a2−1 a1

−1) (a1 a2) (G1)= a2−1 (a1

−1 (a1 a2)) (G1)= a2−1 ((a1

−1 a1) a2) =(G3)= a2

−1 (e a2) (G2)= a2−1 a2

(G3)= e .

Durch vollstandige Induktion nach n ergibt sich die Behauptung fur jedes n ≥ 2 . X

Page 13: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

§ 1. GRUPPEN, RINGE, KORPER 5

1.4 Satz

Eine Menge G 6= ∅ zusammen mit einer Verknupfung ist genau dann eine Gruppe, wenn dasAxiom (G1) gilt und zu je zwei Elementen a, b ∈ G stets Elemente x ∈ G und y ∈ G existierenmit a x = b und y a = b . Diese x und y sind dann (nach Bemerkung 1.3) eindeutig bestimmtdurch

x = a−1 b und y = b a−1 .

Beweis:

”⇒“: Sei (G, ) eine Gruppe. Setzen wir x = a−1 b und y = b a−1 , so folgt: a x = b und y a = b .Sind x′, y′ ∈ G weitere Elemente mit a x′ = b und y′ a = b , so gilt:

x′ = e x′ = (a−1 a)x′ = a−1 (a x′) = a−1 b = x

und y′ = y′ e = y′ (a a−1) = (y′ a) a−1 = b a−1 = y .

”⇐“: Zu je zwei Elementen a, b ∈ G gebe es x, y ∈ G mit a x = b und y a = b . Speziell zueinem a ∈ G gibt es ein e ∈ G mit e a = a . Ist nun b ∈ G beliebig, so folgt:

e b = e (a x) (G1)= (e a)x = a x = b .Also ist das Axiom (G2) erfullt. Zu jedem a ∈ G gibt es nach Voraussetzung ein a′ ∈ Gmit a′ a = e . Also ist auch das Axiom (G3) erfullt. Damit ist (G, ) eine Gruppe.

1.5 Bemerkung

Wird die Verknupfung der Gruppe G multiplikativ geschrieben, so bezeichnen wir das neutraleElement mit ”1“, genannt Einselement.Bei abelschen Gruppen wird haufig die additive Schreibweise bevorzugt, wobei dann das neutraleElement mit ”0“, genannt Nullelement, und das zu a ∈ G inverse Element mit ”−a“ bezeichnetwird. Ferner schreiben wir a− b anstelle von a+ (−b) .

1.6 Beispiele

a) Die Menge IN := 0, 1, 2, 3, . . . der naturlichen Zahlen bildet mit der Addition +als Verknupfung eine Halbgruppe, sogar eine kommutative Halbgruppe mit 0 ∈ IN alsneutralem Element. (IN,+) ist aber keine Gruppe, da das Gruppenaxiom (G3) verletztwird. Das Paar (IN∗,+) mit IN∗ := IN \ 0 als Menge aller naturlichen Zahlen ohne dieNull, bildet mit der Addition auch eine kommutative Halbgruppe.

b) Die Menge ZZ der ganzen Zahlen bildet mit + eine abelsche Gruppe; ebenso sind (Q,+)und (IR,+) abelsche Gruppen, wobei Q fur die Menge aller rationalen Zahlen und IR furdie Menge der reellen Zahlen stehe.

c) Die Menge Q∗ := Q \ 0 bildet mit der Multiplikation · als Verknupfung eine abelscheGruppe. Neutrales Element ist 1 , und inverses Element zu jedem q ∈ Q∗ ist 1

q ∈ Q∗ .Ebenso ist mit IR∗ := IR \ 0 das Paar (IR∗, ·) eine kommutative Gruppe.

Page 14: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

6 KAPITEL I. VEKTORRAUME

d) Fur M,N,P 6= ∅ seien ϕ ∈ Abb(M,N) und ψ ∈ Abb(N,P ) zwei Abbildungen; dannwird die sogenannte Komposition ψ ϕ von ϕ und ψ definiert durch3

(ψ ϕ)(x) := ψ(ϕ(x)) fur alle x ∈M .

Also ist ψ ϕ ∈ Abb(M,P ) . Bezeichnen wir mit

S(M) := ϕ ∈ Abb(M,M) | ϕ ist bijektiv

die bijektiven Abbildungen auf einer Menge M , so bildet ( S(M), ) mit der obigen Kom-position als Verknupfung eine Gruppe. Neutrales Element ist die identische Abbildung idMmit idM (x) := x fur alle x ∈M . Inverses Element zu jedem bijektiven ϕ ∈ S(M) ist dieUmkehrabbildung ϕ−1 ∈ S(M) mit ϕ ϕ−1 = ϕ−1 ϕ = idM . Im allgemeinen ist S(M)nicht abelsch. Und S(M) heißt die symmetrische Gruppe der Menge M .Speziell im Fall M = 1, 2, . . . , n schreiben wir Sn fur die symmetrische Gruppe S(M)und nennen jede Abbildung ϕ ∈ Sn eine Permutation (der Zahlen 1, 2, . . . , n ).

e) Ist G eine endliche Menge, so kann man die Verknupfung in G durch eine sogenann-te Verknupfungstafel beschreiben. Ist G z. B. eine dreielementige Menge, die durch eineVerknupfung · zu einer Gruppe gemacht werden soll, so muß G ein neutrales Element eenthalten. Also konnen wir annehmen, daß G = e, a, b ist mit paarweise verschiedenenElementen e, a, b . Dann mussen wir alle Verknupfungen c ·d mit c, d ∈ G angeben. Hierzubilden wir zunachst folgende unvollstandige Tabelle:

· e a b

e e a ba ab b

Nun ist a ·a zu bestimmen. Wegen Satz 1.4 kommt dafur nur e oder b in Frage. Ware abera a = e , so mußte a b = b sein im Widerspruch zu e b = b . Also folgt: a a = b und weiter:a b = e , b a = e sowie b b = a ; d. h. wir erhalten fur G als Verknupfungstafel:

· e a b

e e a ba a b eb b e a

1.7 Definition

Eine Menge R mit zwei Verknupfungen +, · : R×R→ R heißt ein Ring, wenn folgendes gilt:

(R1) (R,+) ist eine abelsche Gruppe.

(R2) (R, ·) ist eine Halbgruppe.

(R3) Es gelten die Distributivgesetze fur alle a, b, c ∈ R :

(D1) a · (b+ c) = (a · b) + (a · c) = a · b+ a · c

und

(D2) (a+ b) · c = (a · c) + (b · c) = a · c+ b · c .

3Man nennt die Komposition ψ ϕ auch Hintereinanderausfuhrung ; Sprechweise:”ψ komponiert mit ϕ“.

Page 15: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

§ 1. GRUPPEN, RINGE, KORPER 7

Ein Ring (R,+, ·) heißt kommutativ, wenn fur alle a, b ∈ R gilt: a · b = b · a .Wir sprechen von einem Ring mit Eins, wenn ein Einselement 1 ∈ R existiert mit 1 · a = aund a · 1 = a fur alle a ∈ R .

1.8 Beispiel

Die ganzen Zahlen (ZZ,+, ·) bilden einen kommutativen Ring mit 1 .

1.9 Definition

Eine Menge K mit zwei Verknupfungen +, · : K ×K → K heißt ein Korper, wenn gilt:

(K1) (K,+) ist eine abelsche Gruppe.

(K2) (K \ 0 , ·) ist eine (kommutative) Gruppe.

(K3) Es gelten die Distributivgesetze (D1) und (D2).

Ist die Gruppe (K \0 , ·) kommutativ, so heißt (K,+, ·) oder K auch kommutativ. Ist dagegen(K \ 0 , ·) nicht kommutativ, dann heißt K stets ein Schiefkorper.

Verabredung: Wir schreiben ofta

bstatt a · b−1 fur Elemente eines kommutativen Korpers.

1.10 Bemerkungen

Es sei K ein Korper oder ein Schiefkorper; dann gilt:

(i) 0 · a = a · 0 = 0 fur alle a ∈ K .

(ii) Sind a, b ∈ K mit a b = 0 , so ist stets a = 0 oder b = 0 .

(iii) a (−b) = (−a) b = −(a b) , (−a) (−b) = a b fur alle a, b ∈ K .

Beweis:

zu (i): Es ist 0 · a = (0 + 0) · a (D2)= 0 · a+ 0 · a , also nach (G2): 0 · a = 0 . Entsprechend folgt ausa · 0 = a · (0 + 0) (D1)= a · 0 + a · 0 auch: a · 0 = 0 .

zu (ii): Angenommen, es ware a 6= 0 und b 6= 0 , so liefert (K2) sofort: a b 6= 0 .

zu (iii): Es gilt:a b+ a (−b) (D1)= a (b+ (−b)) = a · 0 (i)= 0 , also: a (−b) (∗)= −(a b) .

Entsprechend gilt:

a b+ (−a) b (D2)= (a+ (−a)) b = 0 · b (i)= 0 , also: (−a) b (∗∗)= −(a b) .

Ferner ist dann:

(−a) (−b) (∗)= −((−a) b) (∗∗)= −(− (a b)) Bem. 1.3(v)= a b .

Page 16: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

8 KAPITEL I. VEKTORRAUME

1.11 Beispiele

a) Die Menge Q der rationalen Zahlen bildet mit + und · einen Korper, ebenso ist (IR,+, ·)ein Korper.

b) Ist K = 0, 1, 2 , und definieren wir + bzw. · auf K durch die folgenden Verknupfungs-tafeln:

+ 0 1 20 0 1 21 1 2 02 2 0 1

· 1 21 1 22 2 1

so ist (K,+, ·) ein Korper.

c) Wir betrachten die Menge IR× IR und definieren darauf die Verknupfungen + durch

(a, b) + (a′, b′) := (a+ a′ , b+ b′)

sowie · durch(a, b) · (a′, b′) := (a a′ − b b′ , a b′ + a′ b) .

Dann ist (IR×IR,+) eine abelsche Gruppe mit (0, 0) als neutralem Element. Und (−a,−b)ist bezuglich + inverses Element zu (a, b) . Ferner ist (IR×IR\(0, 0), ·) eine kommutativeGruppe mit dem Einselement (1, 0) und dem zu (a, b) ∈ IR×IR\(0, 0) gehorigen inversenElement

(a, b)−1 =( a

a2 + b2,−b

a2 + b2

).

Außerdem gelten die Distributivgesetze (D1) und (D2). Also ist (IR× IR,+, ·) ein kommu-tativer Korper; wir nennen ihn den Korper der komplexen Zahlen und bezeichnen ihn mit(C,+, ·) oder kurz: C .Ist z := (a, b) ∈ C , so gilt:

z = (a, 0) + (0, b) = (a, 0) + (b, 0) · (0, 1) .

Setzen wir zur Abkurzung i := (0, 1) ∈ C , dann erhalten wir:

z = (a, 0) + (b, 0) · i mit i2 = −(1, 0) .

Betrachten wir nun ϕ : IR→ IR×0 mit ϕ(a) := (a, 0) fur alle a ∈ IR , so ist ϕ bijektivmit

ϕ(a+ a′) = ϕ(a) + ϕ(a′) und ϕ(a · a′) = ϕ(a) · ϕ(a′) .

Also ist IR durch die Abbildung ϕ als Teilmenge von C auffaßbar, und ϕ(IR) ⊂ C istein Korper. Identifizieren wir die reelle Zahl a ∈ IR mit der speziellen komplexen Zahlϕ(a) = (a, 0) ∈ C , so konnen wir fur jedes z = (a, b) ∈ C schreiben4:

z = a+ b i .

Die Multiplikation von zwei komplexen Zahlen z = a + b i und z′ = a′ + b′ i ergibt sichdann nach dem in IR bekannten Distributivgesetz unter Berucksichtigung von i2 = −1 .

4Man nennt Re z := a den Realteil und Im z := b den Imaginarteil von z sowie i auch die imaginare Einheit.

Page 17: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

§ 2. VEKTORRAUME UND UNTERVEKTORRAUME 9

Diese Einfuhrung von C geht auf W. R. Hamilton5 und das Jahr 1835 zuruck. C. F. Gauß6

schreibt 1837 an F. Bolyai7, daß ihm die Darstellung durch geordnete Paare seit 1831 ge-laufig sei. Das Adjektiv komplex geht auf Gauß (1831) zuruck; bis dahin sprach auch er vonimaginaren Zahlen. Formal korrekt gerechnet wurde schon vorher mit komplexen Zahlen;es existierte nur keine ”geometrische“ Vorstellung dieser Objekte. So schreibt zum BeispielG. W. Leibniz8 bereits im Jahre 1702:

Imaginare Wurzeln sind eine feine und wunderbare Zuflucht des gottlichenGeistes, beinahe ein Zwitterwesen zwischen Sein und Nichtsein.

§ 2 Vektorraume und Untervektorraume

Um nicht zu sehr differenzieren zu mussen, sei von nun an stets (K,+, ·) ein kommutativerKorper; wir werden dies kunftig nicht mehr explizit erwahnen.

2.1 Definition

Es sei K ein Korper; eine nichtleere Menge V bzw. ein Tripel (V,+, ·) heißt ein K–Vektorraumoder Vektorraum uber K, wenn zwei Verknupfungen + : V × V → V und · : K × V → Vgegeben sind mit folgenden Eigenschaften:

(V1) (V,+) ist eine abelsche Gruppe mit dem neutralen Element 0 ∈ V , dem sogenanntenNullvektor, und dem zu jedem Vektor v ∈ V inversen Element −v ∈ V , dem zu v negativen Vektor.

(V2) Fur alle Vektoren v, w ∈ V und alle sogenannten Skalare λ, µ ∈ K gilt:

a) (λ+ µ) · v = λ · v + µ · v .b) λ · (v + w) = λ · v + λ · w .c) (λµ) · v = λ · (µ · v) .d) 1 · v = v .

(Die innere Verknupfung + auf V heißt Vektoraddition. Die zweite, außere Verknupfung · nenntman Multiplikation mit Skalaren und laßt den Punkt fast immer weg.)Wir schreiben kurz: V ∈ VRK , wenn V ein Vektorraum uber dem Korper K sein soll.

2.2 Bemerkungen

Ist V ∈ VRK , so gelten die Aussagen:

(i) Es ist stets 0 · v = 0 fur alle v ∈ V und λ · 0 = 0 fur alle λ ∈ K .

(ii) Ist λ v = 0 fur ein λ ∈ K und ein v ∈ V , dann gilt: λ = 0 oder v = 0 .

(iii) Es ist (−1) v = −v fur alle v ∈ V .5Sir William Rowan Hamilton, irischer Mathematiker, Physiker und Astronom (?04.08.1805, †02.09.1865)6Carl Friedrich Gauß, deutscher Mathematiker, Astronom, Geodat und Physiker (?30.04.1777, †23.02.1855)7Farkas (Wolfgang von) Bolyai, ungarischer Professor fur Mathematik, Physik und Chemie; auch als fort-

schrittlicher Padagoge und Literat hoch geschatzt (?09.02.1775, †20.11.1856)8Gottfried Wilhelm von Leibniz, deutscher Philosoph, Mathematiker, Jurist und Universalgelehrter

(?01.07.1646, †14.11.1716)

Page 18: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

10 KAPITEL I. VEKTORRAUME

Beweis zu Bemerkung 2.2:

zu (i): Es ist 0 v (K1)= (0 + 0) v (V2a)= 0 v + 0 v , also: 0 v = 0 ;ferner gilt: λ0

(V1)= λ (0 + 0) (V2b)= λ0 + λ0 , also: λ0 = 0 .

zu (ii): Aus λ v(∗)= 0 und λ 6= 0 folgt:

v(V2d)= 1 v (K2)= (λ−1 λ) v (V2c)= λ−1 (λ v) (∗)= λ−1 0

(i)= 0 .

zu (iii): Es gilt:v + (−1) v (V2d)= 1 v + (−1) v (V2a)= (1 + (−1)) v (K1)= 0 v (i)= 0 ,

also ist (−1) v = −v .

2.3 Beispiele

a) Ist K ein Korper und Kn := K ×K × . . .×K︸ ︷︷ ︸n-mal

die Menge aller geordneten n-Tupel mit

Elementen aus K, so wird Kn durch folgende Verknupfungen zu einem K–Vektorraum:

(x1, x2, . . . , xn) + (y1, y2, . . . , yn) := (x1 + y1 , x2 + y2 , . . . , xn + yn)und λ · (x1, x2, . . . , xn) := (λx1, λ x2, . . . , λ xn)

fur alle (x1, x2, . . . , xn), (y1, y2, . . . , yn) ∈ Kn und λ ∈ K .

b) Ist X 6= ∅ eine Menge und K ein Korper, so kann Abb(X,K) durch folgende Verknupfun-gen zu einem K–Vektorraum gemacht werden:

(f + g)(x) := f(x) + g(x) fur alle f, g ∈ Abb(X,K) und x ∈ X ,(λ · f)(x) := λ · f(x) fur alle λ ∈ K , f ∈ Abb(X,K) und x ∈ X .

Der Nullvektor 0 ist die Nullabbildung 0 ∈ Abb(X,K) mit 0(x) := 0 fur beliebige x ∈ X .Ferner ist −f mit (−f)(x) = −f(x) fur alle x ∈ X invers zu f ∈ Abb(X,K) .

c) Speziell fur n = 1 ergibt sich aus a), daß man etwa Q , IR oder C jeweils als Vektorraumuber sich selbst auffassen kann. Ferner ist IR ein Q–Vektorraum und C ein IR–Vektorraum.

2.4 Definition

Es sei V ∈ VRK undW ⊂ V . Dann heißtW ein Untervektorraum oder kurz: Unterraum von V ,wenn folgendes gilt:

(UV1) Es ist W 6= ∅ .

(UV2) Fur alle v, w ∈W ist stets v + w ∈W .

(UV3) Fur alle v ∈W und λ ∈ K ist stets λ · v ∈W .

Das Axiom (UV2) bedeutet, daß + eine innere Verknupfung auf W sein muß, und Axiom (UV3)besagt, daß · ∈ Abb(K ×W, W ) eine Skalarmultiplikation auf W ist. (Man spricht auch vonder Abgeschlossenheit von W bezuglich + und · ).

Page 19: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

§ 2. VEKTORRAUME UND UNTERVEKTORRAUME 11

2.5 Bemerkung

Ist V ∈ VRK und W ⊂ V ein Untervektorraum, so ist W mit der Addition aus V und derskalaren Multiplikation mit Elementen aus K selbst ein K–Vektorraum.

Beweis:

Die Eigenschaften (V2) sowie das Assoziativgesetz und das Kommutativgesetz gelten in W , dasie auch in der ”großeren“ Menge V gelten. Der Nullvektor 0 ∈W existiert, da es nach (UV1)stets ein v ∈ W gibt, woraus nach (UV3) folgt: 0 = 0 v ∈ W gemaß Bemerkung 2.2(i). Undfur jedes w ∈W ist mit (UV3) auch −w = (−1)w ∈W nach Bemerkung 2.2(iii).

2.6 Satz

Es sei V ∈ VRK und I 6= ∅ eine beliebige (Index)Menge. Fur jedes i ∈ I sei Wi ⊂ V einUntervektorraum von V ; dann ist auch der Durchschnitt

W :=⋂i∈I

Wi

ein Untervektorraum von V .

Beweis:

Wegen 0 ∈ Wi fur alle i ∈ I ist auch 0 ∈ W , d. h.: W 6= ∅ . Sind v, w ∈ W , so sindv, w ∈ Wi fur alle i ∈ I ; wegen Wi ∈ VRK folgt dann auch: v + w ∈ Wi fur alle i ∈ I unddamit: v + w ∈W . Entsprechend ergibt sich fur alle λ ∈ K und v ∈W auch: λ v ∈W .

2.7 Beispiele

a) Fur K = C ist Abb(C, C) nach Beispiel 2.3b) ein C–Vektorraum. Fur festes n ∈ INdefinieren wir

Πn :=f ∈ Abb(C, C)

∣∣∣ f(x) =n∑k=0

ak xk fur alle x ∈ C

,

wobei die von f abhangigen Konstanten a0, a1, a2, . . . , an ∈ C die Koeffizienten von f ge-nannt werden. Dann ist Πn ein Untervektorraum von Abb(C, C) . Es ist namlich 0 ∈ Πn ,wenn wir ak = 0 wahlen fur jedes 0 ≤ k ≤ n . Ferner gilt fur alle f, g ∈ Πn , etwa mit

f(x) =n∑k=0

ak xk und g(x) =

n∑k=0

bk xk stets:

(f + g)(x) =n∑k=0

ak xk +

n∑k=0

bk xk =

n∑k=0

(ak + bk)xk

und (λ f)(x) = λ ·n∑k=0

ak xk =

n∑k=0

(λ ak)xk mit λ ∈ C .

Also ist f+g ∈ Πn und λ f ∈ Πn . Die Elemente aus Πn heißen Polynome vom Grad ≤ n .

Page 20: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

12 KAPITEL I. VEKTORRAUME

b) Fur n ∈ IN mit n ≥ 2 sei

W := (x1, x2, . . . , xn) ∈ Kn | x1 = x2 ∧ xk = 0 fur k ≥ 3 = (x, x, 0, 0, . . . , 0) ∈ Kn | x ∈ K .

Dann ist W ein Unterraum von Kn .

c) Ist daruber hinaus U := (x, 0, 0, . . . , 0) ∈ Kn | x ∈ K , so gilt: U ∩W = 0 .

§ 3 Lineare Abhangigkeit, Basis, Dimension

3.1 Definition

Es sei V ∈ VRK und ∅ 6= A ⊂ V ; dann heißt jede endliche Summen∑i=1

αi xi mit αi ∈ K und xi ∈ A

eine Linearkombination von Elementen aus A.

Dabei istn∑i=1

αi xi = α1 x1 + α2 x2 + α3 x3 + . . .+ αn xn .

Eine Linearkombination heißt trivial, wenn alle αi = 0 sind fur i = 1, 2, 3, . . . , n .Ist A keine Teilmenge von V , sondern eine Familie9 von Vektoren aus V , bei der also einVektor aus V mehrfach in A auftauchen kann, so seien die Begriffe Linearkombination undtriviale Linearkombination entsprechend erklart. Fur eine Familie schreiben wir haufig (xi)i∈I ;dabei kann die Indexmenge I endlich, abzahlbar–unendlich oder uberabzahlbar–unendlich sein.

3.2 Definition

Ist A = (xi)i∈I eine beliebige Familie von Vektoren xi aus V ∈ VRK , so bezeichnen wir dendurch alle Linearkombinationen von A erzeugten Untervektorraum mit <A> . Ein solches Aheißt dann ein Erzeugendensystem von <A>, und <A> selbst heißt der von A aufgespannteUnterraum10.Ein V ∈ VRK heißt endlich erzeugt, falls es eine endliche Teilmenge A ⊂ V gibt mit V = <A>.Ist A = x1, x2, . . . , xr , so schreiben wir auch <x1, x2, . . . , xr> statt11 <A> .Ist A = ∅ , so sei <∅> := 0 = <0> .

3.3 Bemerkungen

(i) Ist V ∈ VRK , so gilt wegen x = 1 · x fur alle x ∈ V stets: A ⊂<A> .

(ii) Eine Teilmenge ∅ 6= A ⊂ V ∈ VRK ist genau dann ein Untervektorraum von V , wennA = <A> gilt.

(iii) Fur A ⊂ B ⊂ V gilt stets: <A> ⊂<B>

(iv) Fur alle A ⊂ V ∈ VRK gilt:

<A> =⋂U | U ist Untervektorraum von V mit A ⊂ U =: A′ .

9Zum Begriff der Familie siehe Abschnitt 1.4.1 aus [12].10An Stelle von <A> benutzt man auch die Bezeichnung span(A) fur den Aufspann von A .11Entsprechend schreibt man fur <x1, x2, . . . , xr> oftmals span(x1, x2, . . . , xr) .

Page 21: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

§ 3. LINEARE ABHANGIGKEIT, BASIS, DIMENSION 13

Beweis zu Bemerkung 3.3:

zu (i): ist klar. X

zu (ii):

”⇒“: Ist A ein Unterraum von V , so ist jede Linearkombination von Elementen aus Awieder in A enthalten, d. h.: <A> ⊂ A . Mit (i) folgt also: A = <A> .

”⇐“: Wegen <A> ∈ VRK ist sofort auch A ∈ VRK .

zu (iii): ist ebenfalls klar. X

zu (iv): Ist U ein beliebiger Unterraum von V mit A ⊂ U , so liefert (iii): <A> ⊂ <U> .Und (ii) ergibt: <A> ⊂ U , woraus <A> ⊂ A′ folgt. Andererseits ist <A> einUnterraum von V mit A ⊂<A> , also gilt auch: A′ ⊂<A> . Zusammen folgt daraus:<A> = A′ .

3.4 Definition

Eine endliche Familie (xi)i=1,2,...,n von Vektoren xi aus V ∈ VRK heißt linear unabhangig,wenn sich der Nullvektor nur als triviale Linearkombination durch die x1, x2, . . . , xn darstellen

laßt, d. h. wenn ausn∑i=1

αi xi = 0 mit αi ∈ K stets folgt: αi = 0 fur alle i = 1, 2, . . . , n .

Eine beliebige Familie (xi)i∈I von Vektoren xi aus V heißt linear unabhangig, wenn jede endlicheTeilfamilie linear unabhangig ist.Ist eine Familie von Vektoren nicht linear unabhangig, so heißt sie linear abhangig.

3.5 Satz

Es sei V ∈ VRK und (xi)i=1,2,...,n eine endliche Familie von Vektoren xi ∈ V . Dann sindfolgende Aussagen aquivalent:

a) (xi)i=1,2,...,n ist linear unabhangig.

b) Jeder Vektor x ∈<x1, x2, . . . , xn> besitzt eine eindeutige Darstellung x =n∑i=1

αi xi mit

αi ∈ K fur 1 ≤ i ≤ n .

Beweis:

”a) ⇒ b)“: Ein x ∈ <x1, x2, . . . , xn> besitze zwei Darstellungen x =n∑i=1

αi xi =n∑i=1

βi xi mit

αi, βi ∈ K ; dann folgt:n∑i=1

(αi − βi)xi = 0 . Wegen der linearen Unabhangigkeit von

(xi)i=1,2,...,n ergibt sich hieraus: αi − βi = 0 oder αi = βi fur alle i = 1, 2, . . . , n .

Page 22: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

14 KAPITEL I. VEKTORRAUME

”b) ⇒ a)“: Angenommen, (x1, x2, . . . , xn) wurde eine linear abhangige Familie bilden, d. h. es gilt:n∑i=1

αi xi = 0, wobei nicht fur alle i = 1, 2, . . . , n die αi = 0 waren. Wegen der Eindeutigkeit

der Darstellung aller x ∈<x1, x2, . . . , xn> ist dies jedoch ein Widerspruch zu:n∑i=1

0 ·xi =

0 . Also kann (xi)1≤i≤n nur linear unabhangig sein.

3.6 Definition

Es sei V ∈ VRK und (xi)i∈I eine Familie von Vektoren xi ∈ V . (xi)i∈I heißt eine Basis von V ,wenn (xi)i∈I linear unabhangig ist und <(xi)i∈I> = V gilt, wenn also zugleich V von (xi)i∈Iaufgespannt wird.Ist I eine endliche Menge, so heißt die exakte Anzahl der Elemente von I die Lange der Basis,kurz: |I| . Ist I unendlich, so spricht man von einer Basis unendlicher Lange : |I| =∞ .

3.7 Beispiel

Im Vektorraum Kn definieren wir fur jedes i = 1, 2, . . . , n den i-ten kanonischen Einheitsvektorals Zeilenvektor

ei := (0, 0, . . . , 0, 1, 0, 0, . . . , 0) ,

wobei jeweils die 1 ∈ K an der i-ten Stelle stehe. Dann sind alle kanonischen Einheitsvektorene1, e2, . . . , en linear unabhangig. Denn: Sind namlich α1, α2, . . . , αn ∈ K mit

n∑i=1

αi ei = 0 = (0, 0, . . . , 0) ,

so bedeutet dies wegen α1 e1 + α2 e2 + . . .+ αn en = (α1, α2, . . . , αn) sofort: α1 = α2 = . . .. . . = αn = 0 . Ferner gilt fur jedes v ∈ Kn , etwa v = (α1, α2, . . . , αn) mit αi ∈ K dieDarstellung:

v = α1 e1 + α2 e2 + . . .+ αn en .

Also gilt: Kn = <e1, e2, . . . , en> , und damit ist (ei)i=1,2,...,n eine Basis des Vektorraumes Kn.Diese Basis heißt die kanonische Basis des Kn. Dies ist nicht jedoch die einzige Basis des Kn .Im IR3 bilden zum Beispiel die Vektoren

a1 = (1, 1, 0) , a2 = (1, 0, 1) , a3 = (0, 1, 1)

ebenfalls eine Basis des IR3 . Ist aber etwa K nur ein Korper mit genau vier Elementen (vgl.Ubungsaufgabe 1–13), so sind a1, a2, a3 im K3 linear abhangig wegen x+x = 0 fur alle x ∈ K .

3.8 Lemma (Austauschlemma)

Es sei V ∈ VRK mit der Basis (vi)i=1,2,...,n ; ferner sei ein w ∈ V gegeben mit

w =n∑i=1

λi vi .

Gilt dann λk 6= 0 fur ein k ∈ 1, 2, . . . , n , so bilden auch die Vektoren v1, v2, . . . , vk−1, w, vk+1,vk+2, . . . , vn eine Basis von V .

Page 23: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

§ 3. LINEARE ABHANGIGKEIT, BASIS, DIMENSION 15

Beweis zu Lemma 3.8:

Durch eventuelle Umnumerierung konnen wir ohne Beschrankung der Allgemeinheit k = 1voraussetzen. Es ist also zu zeigen, daß (w, v2, v3, . . . , vn) eine Basis von V ist. Zum Beweis der

linearen Unabhangigkeit gehen wir von αw+n∑i=2

αi vi = 0 mit α, α2, α3, . . . , αn ∈ K aus. Durch

Einsetzen der Linearkombination von w erhalten wir: αλ1 v1 +n∑i=2

(αλi +αi) vi = 0 . Die lineare

Unabhangigkeit von (v1, v2, . . . , vn) liefert: αλ1 = 0 und αλi + αi = 0 fur alle i = 2, 3, . . . , n .Wegen λ1 6= 0 ist α = 0 und damit: α2 = α3 = . . . = αn = 0 . Also sind w, v2, v3, . . . , vn linearunabhangig.

Wir zeigen nun, daß sich jedes x ∈ V als Linearkombination der Familie (w, v2, v3, . . . , vn)

darstellen laßt: Ist x ∈ V , so gilt: x =n∑i=1

βi vi mit βi ∈ K . Wegen λ1 6= 0 liefert die

Voraussetzung: v1 = 1λ1

(w −n∑i=2

λi vi) , und daraus folgt:

x = β1

(1λ1

(w −

n∑i=2

λi vi))

+n∑i=2

βi vi =β1

λ1w +

n∑i=2

(βi −

β1

λ1λi)vi .

3.9 Satz (Austauschsatz von Steinitz12)

Es seien V ∈ VRK und (vi)i=1,2,...,n eine Basis von V sowie w1, w2, . . . , wk linear unabhangigeVektoren aus V . Dann gilt: k ≤ n , und es gibt Indizes i1, i2, . . . , ik ∈ 1, 2, . . . , n derart, daßnach Austausch von vi1 gegen w1 , von vi2 gegen w2 , . . . usw. und von vik gegen wk wieder eineBasis von V entsteht. Numeriert man so um, daß i1 = 1, i2 = 2, . . . , ik = k ist, dann bedeutetdie obige Aussage, daß (w1, w2, . . . , wk, vk+1, vk+2, . . . , vn) wieder eine Basis von V bildet.

Beweis:

Wir fuhren den Beweis durch vollstandige Induktion nach k .

Der Induktionsanfang k = 1 liefert fur w1 6= 0 die Darstellung w1 =n∑i=1

αi vi mit αi ∈ K , wobei

nicht alle αi = 0 sind, d. h. mindestens eines von Null verschieden ist. Ohne Einschrankung seiα1 6= 0 ; dann ergibt das Austauschlemma 3.8, daß (w, v2, v3, . . . , vn) eine Basis von V ist.Induktionsvoraussetzung: Der Satz sei bewiesen fur ein k ≥ 1 .Induktionsschluß: Sei (w1, w2, . . . , wk+1) linear unabhangig; dann sind auch w1, w2, . . . , wk linearunabhangig. Nach Induktionsvoraussetzung ist k ≤ n , und nach geeigneter Numerierung bildenw1, w2, . . . , wk, vk+1, vk+2, . . . , vn eine Basis von V . Wir zeigen nun, daß k < n gilt. (Warek = n , also (w1, w2, . . . , wk) eine Basis von V , so ließe sich wk+1 als Linearkombination vonw1, w2, . . . , wk darstellen im Widerspruch zur linearen Unabhangigkeit der w1, w2, . . . , wk+1.)Daher gilt: k < n , also: k+ 1 ≤ n . Da (w1, w2, . . . , wk, vk+1, vk+2, . . . , vn) eine Basis von V ist,

gilt weiter: wk+1 =k∑i=1

λiwi +n∑

i=k+1λi vi . (∗)

12Ernst Steinitz, deutscher Mathematiker (?13.06.1871, †29.09.1928)

Page 24: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

16 KAPITEL I. VEKTORRAUME

Dann existiert ein i ∈ k + 1, k + 2, . . . , n mit λi 6= 0 . (Denn: Ware λk+1 = λk+2 = . . .. . . = λn = 0 , so wurde (∗) der linearen Unabhangigkeit von (w1, w2, . . . , wk+1) widersprechen.)Ohne Beschrankung der Allgemeinheit sei λk+1 6= 0. Schließlich folgt aus Lemma 3.8, daß durch(w1, w2, . . . , wk, wk+1, vk+2, vk+3, . . . , vn) eine Basis von V angegeben wird.

3.10 Korollar

a) Besitzt V ∈ VRK eine Basis endlicher Lange, so hat jede Basis von V endliche Lange.

b) Je zwei Basen endlicher Lange eines Vektorraumes V ∈ VRK haben stets die gleicheLange.

Beweis:

zu a): Es sei (v1, v2, . . . , vn) eine Basis endlicher Lange und (wi)i∈I eine beliebige Basis vonV . Ware nun I nicht endlich, so gabe es Indizes i1, i2, . . . , in, in+1 ∈ I derart, daßwi1 , wi2 , . . . , win , win+1 linear unabhangig sind. Das widerspricht jedoch dem Austausch-satz 3.9. Also muß gelten: |I| <∞ .

zu b): Sind (v1, v2, . . . , vn) und (w1, w2, . . . , wm) zwei Basen von V , so liefert Satz 3.9 zweimalangewandt: m ≤ n und n ≤ m , also: m = n .

3.11 Definition

Ist V ∈ VRK ein K–Vektorraum, so definieren wir:

dimK V :=

0 , falls V = 0 ist.n , falls V eine Basis der Lange n ∈ IN∗ besitzt.∞ , falls V keine Basis endlicher Lange besitzt.

dimK V (oder kurz: dimV ) heißt die Dimension von V (uber K ). In den ersten beiden Fallenheißt V endlich–dimensional , sonst unendlich–dimensional .

3.12 Satz

Jeder Vektorraum besitzt eine Basis.

Beweis:

Die Behauptung wird auf folgenden allgemeinen Basis–Erganzungssatz zuruckgefuhrt:

Ist (vi)i∈I eine linear unabhangige Familie in einem Vektorraum V ∈ VRK , danngibt es eine Basis (vi)i∈J von V , welche die Familie (vi)i∈I als Teilfamilie enthalt.

Diese Aussage wird mit Hilfe des Zorn’schen13 Lemmas bewiesen. Ist V endlich erzeugt, so laßtsich ein Beweis ohne Zorn’sches Lemma angeben, wie der nachste Satz zeigt. ()

13Max August Zorn, deutsch–amerikanischer Mathematiker (?06.06.1906, †09.03.1993)

Page 25: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

§ 3. LINEARE ABHANGIGKEIT, BASIS, DIMENSION 17

3.13 Satz (Basis–Erganzungssatz)

Es sei 0 6= V ∈ VRK endlich erzeugt. Sind w1, w2, . . . , wk aus V linear unabhangig, dann istentweder (w1, w2, . . . , wk) bereits eine Basis von V , oder es gibt Elemente wk+1, wk+2, . . . , wnaus V derart, daß (w1, w2, . . . , wn) eine Basis von V ist.

Beweis:

Es sei V = <v1, v2, . . . , vm> ; wir zeigen zuerst, daß k ≤ m gilt. Dazu beweisen wir durchvollstandige Induktion nach r ∈ 1, 2, . . . ,m : Sind w1, w2, . . . , wm, wm+1 linear unabhangig, sogilt: V = <w1, w2, . . . , wr, vr+1, vr+2, . . . , vm> .

Induktionsanfang r = 1 : Wegen w1 6= 0 und w1 =m∑i=1

αi vi mit αi ∈ K existiert mindestens

ein Index i ∈ 1, 2, . . . ,m mit αi 6= 0 . Ohne Einschrankung sei dies α1 6= 0 , dann ist

v1 =1α1

(w1 −

m∑i=2

αi vi

);

also: v1 ∈ U := <w1, v2, v3, . . . , vm> und damit: U = V .Induktionsvoraussetzung fur ein r ∈ 1, 2, . . . ,m− 1 :

V = <w1, w2, . . . , wr, vr+1, vr+2, . . . , vm> . (∗)Induktionsschluß von r auf r + 1 : Wegen (∗) existieren β1, β2, . . . , βr, γr+1, γr+2, . . . , γm ∈ Kmit

wr+1 =r∑i=1

βiwi +m∑

i=r+1

γi vi .

Da w1, w2, . . . , wm+1 linear unabhangig sind, gibt es ein i ∈ r + 1, r + 2, . . . ,m mit γi 6= 0 .Ohne Beschrankung der Allgemeinheit sei γr+1 6= 0 . Wie im Induktionsanfang folgt:

vr+1 ∈<w1, w2, . . . , wr, wr+1, vr+2, vr+3, . . . , vm>und damit: V = <w1, w2, . . . , wr+1, vr+2, . . . , vm> .

Speziell fur r = m erhalten wir: V = <w1, w2, . . . , wm> und dadurch mit wm+1 =m∑i=1

λiwi

einen Widerspruch zur linearen Unabhangigkeit von (w1, w2, . . . , wm, wm+1) . Also gilt gewiß dieBehauptung: k ≤ m .

Nun zum eigentlichen Beweis des Satzes:Haben wir: V = <w1, w2, . . . , wk> , so bleibt nichts zu zeigen. Gilt dagegen:

U := <w1, w2, . . . , wk> ⊂6=V ,

so existiert ein Vektor wk+1 ∈ V mit wk+1 /∈ U . Dann sind w1, w2, . . . , wk, wk+1 linear un-

abhangig. (Denn: Waren w1, w2, . . . , wk+1 linear abhangig, etwa:k+1∑i=1

αiwi = 0 und nicht alle

αi = 0 , so folgte: αk+1 6= 0 und damit: wk+1 = − 1αk+1

k∑i=1

αiwi ∈ U im Widerspruch zu obiger

Aussage wk+1 /∈ U .)Ist jetzt <w1, w2, . . . , wk, wk+1> = V , so sind wir fertig; sonst setzen wir das Verfahren fort.Und dieses Verfahren bricht schließlich ab, denn nach unserer Voruberlegung sind m+1 Elementeaus V stets linear abhangig.

Page 26: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

18 KAPITEL I. VEKTORRAUME

3.14 Bemerkung

Die Lineare Algebra beschaftigt sich im wesentlichen mit endlich–dimensionalen Vektorrau-men. Deshalb haben wir auf den vollstandigen Beweis von Satz 3.12 verzichtet. Ist namlichV ∈ VRK unendlich–dimensional, so stellt sich haufig die Frage nach unendlichen Linearkom-binationen. Dafur benotigt man einen eigenen Konvergenzbegriff, der Untersuchungsgegenstandsogenannter topologischer Vektorraume ist.

3.15 Beispiele

a) Nach Beispiel 3.7 ist dimK Kn = n .

b) Es ist dimQ Q = dimIR IR = dimC C = 1 .

c) Es ist dimIR C = 2 , denn (1, 0) und (0, 1) bilden eine Basis von C . (Nach Beispiel 1.11c)gilt fur jedes z = (a, b) ∈ C der Zusammenhang: z = a (1, 0) + b (0, 1) mit a, b ∈ IR . Alsogilt: C = <(1, 0) , (0, 1)> . Ferner sind (1, 0) und (0, 1) auch linear unabhangig.)

d) Es ist dimQ IR =∞ . (Der Beweis folgt spater; siehe Beispiel 72.5c) in Algebra II.)

3.16 Bemerkungen

Es sei V ∈ VRK mit dimK V = n <∞ .

(i) Sind v1, v2, . . . , vn ∈ V linear unabhangig, dann ist (v1, v2, . . . , vn) eine Basis von V .

(ii) Ist W ein Unterraum von V , so gelten die Aussagen:

(a) dimKW ≤ dimK V .

(b) dimKW = dimK V ⇒ W = V .

Beweis:

zu (i): ist die Aussage von Satz 3.9 fur k = n . X

zu (ii): Gilt: W = 0 , so ist nichts zu zeigen. Gilt: W 6= 0 und w1 ∈W \0 , so laßt sich (w1)zu einer Basis (w1, w2, . . . , wm) von W erganzen mit m ≤ n (vgl. Beweis zu Satz 3.13).Daraus folgt Aussage (a). Ist m = n , so bilden w1, w2, . . . , wm nach Teil (i) eine Basis vonV , woraus (b) folgt.

3.17 Bemerkung

Ist V ∈ VRK mit dimK V =∞ , so ist die Aussage (b) aus Bemerkung 3.16(ii) im allgemeinennicht mehr gultig.

Page 27: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

§ 4. SUMMEN UND DIREKTE SUMMEN 19

§ 4 Summen und direkte Summen

In Satz 2.6 haben wir gezeigt, daß der Durchschnitt von Unterraumen U1, U2 eines VektorraumesV ∈ VRK wieder ein Untervektorraum ist. Fur die Vereinigung von Unterraumen ist das imallgemeinen nicht richtig! Zum Beispiel sind (die ”Koordinatenachsen“)

U1 := (x, 0) | x ∈ IR und U2 := (0, y) | y ∈ IR

zwar fur sich Unterraume des IR2 , aber (das ”Koordinatenkreuz“) U1 ∪ U2 ist kein Unterraumdes IR2 ; denn mit (1, 0) ∈ U1 und (0, 1) ∈ U2 folgt: (1, 0) + (0, 1) = (1, 1) /∈ U1 ∪ U2 imWiderspruch zu (UV2).

4.1 Definition

Sind U1 und U2 zwei Untervektorraume von V ∈ VRK , so heißt

U1 + U2 := u1 + u2 | u1 ∈ U1 , u2 ∈ U2

die Summe (oder der Summenraum) von U1 und U2.

4.2 Bemerkungen

(i) U1 + U2 ist ein Untervektorraum von V .

(ii) Es ist stets U1 + U2 = U2 + U1 = <U1 ∪ U2> .

Beweis:

zu (i): ist klar. X

zu (ii): Die eine Behauptung U1 + U2 ⊂ <U1 ∪ U2> ist ebenfalls klar. Fur die umgekehrteInklusion sei w ∈ <U1 ∪ U2> ; dann existieren λ1, λ2, . . . , λk, µ1, µ2, . . . , µl ∈ K undvi1 ∈ U1 , vj2 ∈ U2 mit

w =k∑i=1

λi vi1 +l∑

j=1

µj vj2 ∈ U1 + U2 .

Wir berechnen nun im endlichen Fall dimK V = n <∞ die Dimension der Summe.

4.3 Satz (Dimensionsformel)

Ist V ∈ VRK endlich–dimensional, und sind V1, V2 zwei Untervektorraume von V , so gilt:

dimK(V1 + V2) = dimK V1 + dimK V2 − dimK(V1 ∩ V2) .

Page 28: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

20 KAPITEL I. VEKTORRAUME

Beweis zu Satz 4.3:

Es sei V1 ∩ V2 6= 0 und (v1, v2, . . . , vn) eine Basis von V1 ∩ V2 . Nach dem Basis–Erganzungs-satz 3.13 existieren Vektoren w11, w12, . . . , w1k ∈ V1 und w21, w22, . . . , w2l ∈ V2 derart, daßv1, v2, . . . , vn, w11, w12, . . . , w1k eine Basis von V1 und v1, v2, . . . , vn, w21, w22, . . . , w2l eine Ba-sis von V2 bilden. Wir zeigen gleich, daß (v1, v2, . . . , vn, w11, w12, . . . , w1k, w21, w22, . . . , w2l) eineBasis von V1 + V2 ist; denn dann folgt die Behauptung aus:

dim (V1 + V2) = n+ k + l = (n+ k) + (n+ l)− n= dimV1 + dimV2 − dim (V1 ∩ V2) .

Diese Argumentation gilt auch im Fall: V1 ∩ V2 = 0 , d. h. fur n = 0 .

Zum Beweis der linearen Unabhangigkeit der vermuteten Basis von V1 + V2 sei

n∑i=1

αi vi +k∑i=1

λiw1i +l∑

j=1

µj w2j = 0 ;

wir setzen zur Abkurzung v :=n∑i=1

αi vi +k∑i=1

λiw1i , dann ist v ∈ V1 . Daraus folgt ferner:

v = −l∑

j=1µj w2j ∈ V2 , d. h.: v ∈ V1 ∩ V2 . Damit existieren Skalare β1, β2, . . . , βn ∈ K

mit v =n∑i=1

βi vi . Und Satz 3.5 liefert die Eindeutigkeit aller auftretenden Koeffizienten, also:

α1 = β1, α2 = β2, . . . , αn = βn und λ1 = λ2 = . . . = λk = 0. Wegen der linearen Unabhangigkeitvon (v1, v2, . . . , vn, w21, w22, . . . , w2l) folgt damit auch: α1 = α2 = . . . = αn = 0 sowieµ1 = µ2 = . . . = µl = 0 .Es bleibt noch zu zeigen: V1 +V2 = <v1, v2, . . . , vn, w11, w12, . . . , w1k, w21, w22, . . . , w2l> =: W .

Ist dazu w ∈W , etwa w =n∑i=1

αi vi +k∑i=1

λiw1i +l∑

j=1µj w2j , so gilt mit den Abkurzungen

x :=n∑i=1

αi vi +k∑i=1

λiw1i ∈ V1 und y :=l∑

j=1µj w2j ∈ V2 sofort: w = x + y . Also ist die eine

Richtung W ⊂ V1 + V2 gezeigt.Umgekehrt sei w ∈ V1 + V2 , d. h.: w = x + y mit x ∈ V1 und y ∈ V2 ; dann existieren

α1, α2, . . . , αn , β1, β2, . . . , βn , λ1, λ2, . . . , λk , µ1, µ2, . . . , µl ∈ K mit x =n∑i=1

αi vi +k∑i=1

λiw1i

und y =n∑i=1

βi vi +l∑

j=1µj w2j , also:

w = x+ y =n∑i=1

(αi + βi) vi +k∑i=1

λiw1i +l∑

j=1

µj w2j ∈ W .

Damit ist V1 + V2 ⊂W . Und insgesamt gilt: V1 + V2 = W .

4.4 Definition

Es sei V ∈ VRK ein beliebiger Vektorraum (nicht notwendig endlich–dimensional) mit zweiUntervektorraumen V1 und V2 . Die Summe V1 + V2 heißt direkt, falls V1 ∩ V2 = 0 gilt.Wir schreiben dann: V1 ⊕ V2 statt V1 + V2 .

Page 29: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

§ 4. SUMMEN UND DIREKTE SUMMEN 21

4.5 Bemerkungen

(i) Die Summe V1 + V2 ist genau dann direkt, wenn sich jedes v ∈ V1 + V2 eindeutig alsSumme von v1 ∈ V1 und v2 ∈ V2 darstellen laßt.

(ii) Sind V1, V2, V3 Unterraume von V ∈ VRK , so gilt: (V1 + V2) + V3 = V1 + (V2 + V3) ;ist dabei (V1 ⊕ V2)⊕ V3 oder V1 ⊕ (V2 ⊕ V3) definiert, so stimmen beide Terme uberein.

Beweis:

zu (i):

”⇒“: Sei v = v1 + v2 = v1′ + v2

′ mit v1, v1′ ∈ V1 und v2, v2

′ ∈ V2 . Dann istv1 − v1

′ = v2′ − v2 ∈ V1 ∩ V2 , also gilt: v1 = v1

′ und v2 = v2′ wegen V1 ∩ V2 = 0 .

”⇐“: Angenommen, es existierte ein v ∈ V1 ∩ V2 mit v 6= 0 ; dann galte:0 = 0 + 0 = v − v . Also besaße der Nullvektor 0 in V1 + V2 zwei verschiedeneDarstellungen im Widerspruch zur Voraussetzung.

zu (ii): Der erste Teil der Behauptung ist klar; der zweite Teil folgt mit (i). X

4.6 Satz

Es sei V ∈ VRK und V1 ein Untervektorraum von V ; dann gibt es einen Untervektorraum V2

von V mit V = V1 ⊕ V2 .

Beweis:

Es sei (vi)i∈J eine Basis von V1 . Nach dem allgemeinen Basis–Erganzungssatz gibt es eine Basis(vi)i∈I von V mit J ⊂ I . Betrachten wir nun V2 := <(vi)i∈I\J> , so ist V = V1 ⊕ V2 .

4.7 Definition

Ist V ∈ VRK und V = V1 ⊕ V2 mit zwei Untervektorraumen V1 und V2 , so heißt V2 ein zu V1

komplementarer Unterraum, oder V1 und V2 heißen komplementare Unterraume.

4.8 Bemerkungen

(i) Ist V2 ein zu V1 komplementarer Unterraum, so ist V2 nicht eindeutig bestimmt.

(ii) Ist (Vi)i∈I eine Familie von Unterraumen von V , so sei∑i∈I

Vi := <⋃i∈I

Vi> ,

genannt die Summe der Unterraume Vi. Im endlichen Fall I = 1, 2, . . . , n schreiben wirauch: V1 + V2 + . . .+ Vn .Die Summe heißt direkt, wenn fur jedes i ∈ I gilt: Vi ∩

∑j∈I\i

Vj = 0 .

Dann schreibt man:⊕i∈I

Vi anstatt∑i∈I

Vi .

Page 30: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

22 KAPITEL I. VEKTORRAUME

Beweis zu Bemerkung 4.8(i):

Ist etwa V = IR2 , V1 = (x, 0) | x ∈ IR und V2 = (0, y) | y ∈ IR , so ist V = V1⊕ V2 . Es giltaber auch: V = V1 ⊕ (x,−x) | x ∈ IR wegen (x, y) = (x+ y , 0) + (−y, y) .

§ 5 Affine Unterraume

5.1 Definition

Gegeben seien V ∈ VRK und eine Teilmenge X ⊂ V . X heißt ein affiner Unterraum von V ,wenn es einen Vektor v ∈ V und einen Untervektorraum W von V gibt mit

X = v +W , wobei v +W := v + w | w ∈W ist.

Die leere Menge ∅ wollen wir auch einen affinen Unterraum (von V ) nennen.

5.2 Beispiele

a) Die Teilmenge X = (x, 1) | x ∈ IR ist ein affiner Unterraum des IR2 , denn es istX = (0, 1) + (x, 0) | x ∈ IR .

b) Und X = (x+ 1 , y + 2 , 3) | x, y ∈ IR ist ein affiner Unterraum des IR3 wegenX = (1, 2, 3) + (x, y, 0) | x, y ∈ IR .

5.3 Bemerkungen

(i) Ist X = v+W ein affiner Unterraum von V ∈ VRK und v′ ∈ X , so gilt auch: X = v′+W .

(ii) Ist X = v +W ein affiner Unterraum von V ∈ VRK , v′ ∈ V und W ′ ein Teilraum vonV mit v +W = v′ +W ′ , so folgt: W = W ′ und v′ − v ∈W .

Beweis:

zu (i): Ist v′ = v + w′ mit w′ ∈W , so gelten die Inklusionen:

zu (a): X ⊂ v′ +W .zu (b): v′ +W ⊂ X .

zu (a): Ist x ∈ X , etwa x = v + w mit w ∈W , so folgt:x = v′ + (v + w − v′) = v′ + (w − w′) ∈ v′ +W .

zu (b): Ist x ∈ v′ +W , d. h.: x = v′ + w mit w ∈W , dann gilt:x = v + v′ + w − v = v + (v′ − v + w) = v + (w + w′) ∈ v +W = X .

Also ist insgesamt: v′ +W = X .

zu (ii): Es sei X −X := x− x′ | x, x′ ∈ X die Menge der Differenzen; dann gilt: X −X = Wund X − X = W ′ , also: W = W ′ . Und wegen v + W = v′ + W ergibt sich weiter:v′ = v + w mit einem w ∈W , also ist auch v′ − v = w ∈W .

Page 31: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

§ 5. AFFINE UNTERRAUME 23

5.4 Definition

Ist X = v+W ein affiner Unterraum eines K–Vektorraumes V , dann heißt die naturliche ZahldimK X := dimKW die Dimension von X.Ist dimK X = 0 , so sprechen wir von einem Punkt in V ; ist dimK X = 1 , so nennen wir Xeine Gerade in V ; ist dimK X = 2 , so heißt X eine Ebene in V .Ist V endlich–dimensional, und gilt: dimK X = dimK V −1 , dann sprechen wir bei X von einerHyperebene in V .

Zwei affine Unterraume Xi = vi + Wi mit i = 1, 2 von V ∈ VRK heißen parallel , wenn W1

ein Untervektorraum von W2 ist, oder wenn W2 ein Untervektorraum von W1 ist.

5.5 Satz

Es sei K ein Korper, in dem 1 + 1 6= 0 gilt. Eine beliebige Teilmenge X 6= ∅ eines K–Vektor-raumes V ist genau dann ein affiner Unterraum von V , wenn fur alle x, y ∈ X und alle λ ∈ Kgilt:

λx+ (1− λ) y = y + λ (x− y) ∈ X .

Beweis:

”⇒“: Ist X = v +W und sind x = v + w sowie y = v + w′ aus X , so folgt:

λx+ (1− λ) y = v + w′ + λ (w − w′) ∈ v +W = X .

”⇐“: Wir definieren fur ein festes x0 ∈ X die Menge W := X − x0 = x − x0 | x ∈ X undzeigen, daß W ein Untervektorraum von V ist. Wegen 0 ∈W ist W 6= ∅ . Ferner gilt furbeliebige λ ∈ K und w = x− x0 ∈W :

λw(∗)= λ (x− x0) = x0 + λ (x− x0)︸ ︷︷ ︸

∈X

−x0 ∈ X − x0 = W .

Sei nun noch w′ := x′ − x0 ∈ W . Wir wahlen c := 1 + 1 aus K ; wegen c 6= 0 existiertc−1 = 1

c , und es ist 1c + 1

c = 1 . Damit folgt:

w + w′ = c ·(1c

(x− x0) +1c

(x′ − x0))

= c ·(1c

(x+ x′)− 1c

(1 + 1)x0

)= c ·

( 1cx+

1cx′︸ ︷︷ ︸

∈X

−x0

)∈ c ·W

(∗)⊂ W .

Also ist X − x0 = W ⊂ V ein Untervektorraum und somit x0 + W = X ein affinerUnterraum von V .

Page 32: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

Kapitel II

Matrizen und lineareGleichungssysteme

§ 6 Matrizen

6.1 Definition

Gegeben seien ein Korper K (oder allgemeiner: ein kommutativer Ring mit 1 6= 0 ) sowiekonstante Großen m,n ∈ IN∗ . Ein rechteckiges Schema der Gestalt

A := (αij)1≤i≤m1≤j≤n

= (αij) :=

α11 α12 α13 · · · α1n

α21 α22 α23 · · · α2n

α31 α32 α33 · · · α3n...

......

...αm1 αm2 αm3 · · · αmn

mit αij ∈ K heißt eine (m× n)-Matrix uber K oder eine Matrix mit m Zeilen und n Spalten.Ein Element αij ∈ K nennt man Eintrag der Matrix A zum Zeilenindex i und Spaltenindex j.Statt Eintrag sagen wir auch Koeffizient von A. Ferner sei

Ai := (αi1, αi2, . . . , αin) fur 1 ≤ i ≤ m

der i-te Zeilenvektor von A und

Aj :=

α1j

α2j...

αmj

fur 1 ≤ j ≤ n

der j-te Spaltenvektor von A.Generell heißt eine (1 × n)-Matrix ein Zeilenvektor und eine (m × 1)-Matrix ein Spaltenvektor.Die (1 × n)-Matrizen konnen mit den Elementen von Kn identifiziert werden, also speziell die(1× 1)-Matrizen mit den skalaren Korper- bzw. Ringelementen.

Zwei Matrizen A = (αij) und B = (βkl) heißen gleich — wir schreiben: A = B —, wenn Aund B beide (m× n)-Matrizen sind mit αij = βij fur jedes 1 ≤ i ≤ m und jedes 1 ≤ j ≤ n .Die Menge aller (m× n)-Matrizen uber K bezeichnen wir mit Mat(m,n;K) .

24

Page 33: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

§ 6. MATRIZEN 25

6.2 Satz

Ist K ein Korper, so bildet die Menge Mat(m,n;K) zusammen mit der Matrizenaddition

+ : Mat(m,n;K)×Mat(m,n;K)→ Mat(m,n;K) , (A,B) 7→ A+B := (αij + βij)1≤i≤m1≤j≤n

und der Skalarmultiplikation

· : K ×Mat(m,n;K)→ Mat(m,n;K) , (λ,A) 7→ λ ·A = λA := (λαij)1≤i≤m1≤j≤n

fur alle A = (αij) , B = (βij) und λ ∈ K einen K–Vektorraum mit der sogenanntenNullmatrix

0 :=

0 0 · · · 00 0 · · · 0...

......

0 0 · · · 0

∈ Mat(m,n;K)

als Nullvektor.

Beweis:

Fur Mat(m,n;K) sind die beiden Vektorraumaxiome (V1) und (V2) sicherzustellen. ()

6.3 Definition

Ist A = (αij) ∈ Mat(m,n;K) , so heißt die (n×m)-Matrix

At := (αjit) 1≤j≤n1≤i≤m

mit αjit := αij die zu A transponierte Matrix.

6.4 Satz

Die Transposition t : Mat(m,n;K)→ Mat(n,m;K) , t(A) := At ist bijektiv mit (At)t = Afur alle A ∈ Mat(m,n;K) . Ferner gilt fur alle A,B ∈ Mat(m,n;K) und alle λ, µ ∈ K :

(λA+ µB)t = λAt + µBt .

(Dies gilt auch, wenn K nur ein kommutativer Ring mit 1 6= 0 ist und wenn dabei Additionund Skalarmultiplikation wie in Satz 6.2 definiert sind.)

Beweis:

Ubung. ()

6.5 Satz

Der Vektorraum (Mat(m,n;K),+, · ) hat die Dimension m · n .

Page 34: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

26 KAPITEL II. MATRIZEN UND LINEARE GLEICHUNGSSYSTEME

Beweis zu Satz 6.5:

Wir definieren eine kanonische Basis durch die Matrizen Ekl fur 1 ≤ k ≤ m und 1 ≤ l ≤ n mit

Ekl = (ε(k,l)ij )1≤i≤m

1≤j≤nund ε

(k,l)ij :=

1 , falls i = k und j = l .0 sonst.

Dann gilt fur A = (αij) ∈ Mat(m,n;K) :

A =

α11 0 · · · 00 0 · · · 0...

......

0 0 · · · 0

+

0 α12 · · · α1n

α21 α22 · · · α2n...

......

αm1 αm2 · · · αmn

= α11 · E11 + α12 · E12 + . . .+ α1n · E1n + α21 · E21 + α22 · E22 + . . . + αmn · Emn

=m∑i=1

n∑j=1

αij Eij .

Ferner sind E11, E12, . . . , Emn linear unabhangig. Also gilt: dimK Mat(m,n;K) = m · n .

6.6 Definition

Sind A = (αij) ∈ Mat(m,n;K) und B = (βjk) ∈ Mat(n, p;K) Matrizen, so heißt die MatrixC = (γik) ∈ Mat(m, p;K) mit

γik :=n∑j=1

αij βjk fur 1 ≤ i ≤ m und 1 ≤ k ≤ p

das Matrixprodukt von A und B ; wir schreiben: C = A ·B .Ist speziell m = 1 und p = 1 , so heißt die (1× 1)-Matrix

A ·B = (α11, α12, . . . , α1n) ·

β11

β21...βn1

auch das Skalarprodukt des Zeilenvektors A mit dem Spaltenvektor B.In derselben Situation heißt die (n× n)-Matrix B ·A das dyadische Produkt von A und B.

6.7 Bemerkungen

(i) Es ist γik = Ai ·Bk das Skalarprodukt des Zeilenvektors Ai mit dem Spaltenvektor Bk .

(ii) Fur A,A′ ∈ Mat(m,n;K) , B,B′ ∈ Mat(n, p;K) , λ ∈ K und C ∈ Mat(p, q;K) geltendie folgenden Distributivgesetze:

A · (B +B′) = A ·B +A ·B′ und(A+A′) ·B = A ·B +A′ ·B .

Page 35: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

§ 6. MATRIZEN 27

Ferner sind die folgenden Assoziativgesetze fur das Matrixprodukt bzw. die Skalarmulti-plikation gultig:

A · (λB) = (λA) ·B = λ (A ·B) ,A · (B · C) = (A ·B) · C .

Außerdem gilt fur die Transposition:

(A ·B)t = Bt ·At .

Beweis zu Bemerkung 6.7(ii):

Ist A = (αij) und B = (βjk) , dann gilt:

(A ·B)t = (γkit) 1≤k≤p1≤i≤m

mit γkit = γik =

n∑j=1

αij βjk sowie

Bt ·At = (εki) 1≤k≤p1≤i≤m

mit εki =n∑j=1

βkjt αji

t =n∑j=1

βjk αij = γkit ,

d. h.: (A ·B)t = Bt ·At .Die anderen Gesetze ergeben sich aufgrund der entsprechenden Regeln in K . X

6.8 Definition

Fur m = n ist Mat(n, n;K) der K–Vektorraum der quadratischen (n× n)-Matrizen.Das n-Tupel (α11, α22, . . . , αnn) einer quadratischen Matrix A = (αij)1≤i,j≤n heißt die Haupt-

diagonale von A, und sp(A) :=n∑i=1

αii nennt man die Spur von A.

Ist dabei A = At , so heißt A symmetrisch ; gilt nur: A = −At , so nennt man A schiefsymme-trisch.Ist αij = 0 fur alle i 6= j , so heißt A eine Diagonalmatrix. Speziell mit αii = 1 fur jedes1 ≤ i ≤ n und sonst αij = 0 erhalten wir die (n× n)-Einheitsmatrix

En :=

1 0 0 · · · 00 1 0 · · · 00 0 1

. . ....

......

. . . . . . 00 0 · · · 0 1

.

Eine quadratische Matrix A ∈ Mat(n, n;K) heißt regular (oder invertierbar), falls eine quadra-tische Matrix A′ ∈ Mat(n, n;K) existiert mit A · A′ = A′ · A = En . Ist A nicht regular, sonennen wir A singular (oder nicht–invertierbar).Die Menge aller regularen Matrizen aus Mat(n, n;K) bezeichnen wir mit GL(n;K) .

6.9 Bemerkung

Die Menge Mat(n, n;K) besitzt mit den Verknupfungen + und · aus Satz 6.2 und der Matrizen–Multiplikation aus Definition 6.6, d. h. mit π(A,B) := A ·B , folgende Eigenschaften:

Page 36: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

28 KAPITEL II. MATRIZEN UND LINEARE GLEICHUNGSSYSTEME

(1) (Mat(n, n;K),+, · ) ist ein K–Vektorraum der Dimension n2 .

(2) (Mat(n, n;K),+, π) ist ein Ring mit Einselement. (Dabei braucht K nur ein kommutativerRing mit 1 6= 0 zu sein.)

(3) Dieser Ring (Mat(n, n;K),+, π) ist fur n ≥ 2 nicht kommutativ.

Beweis zu Bemerkung 6.9:

zu (1): ist ein Spezialfall von Satz 6.5. X

zu (2): Die Axiome (R1) – (R3) fur einen Ring sind nach (1) bzw. Bemerkung 6.7(ii) erfullt.Mit En · A = A · En = A gemaß Bemerkung 6.7(i) hat man als Einselement sofort die(n× n)-Einheitsmatrix.

zu (3): Ist n ≥ 2 , so betrachten wir als Gegenbeispiel die kanonischen Matrizen E12 und E11 ausdem Beweis zu Satz 6.5 (fur m = n ); dann gilt: E12 ·E11 = 0 und E11 ·E12 = E12 , also:E12 · E11 6= E11 · E12 .

6.10 Definition

Man sagt, (Mat(n, n;K),+, · , π) bilde eine Algebra uber K (mit Einselement), weil gilt:

(1) (Mat(n, n;K),+, · ) ist ein K–Vektorraum.

(2) (Mat(n, n;K),+, π) ist ein Ring (mit Einselement).

(3) Es ist λ (A ·B) = (λA) ·B = A · (λB) fur alle λ ∈ K und A,B ∈ Mat(n, n;K) .

6.11 Satz

(a) Das Paar (GL(n;K), π) bildet eine Gruppe, die sogenannte allgemeine lineare Gruppe14.Das neutrale Element ist die Einheitsmatrix En . Statt A′ schreiben fur das inverse Elementvon A ∈ GL(n;K) in Zukunft stets: A−1 .

(b) Fur alle A,B ∈ GL(n;K) gilt: (A ·B)−1 = B−1 ·A−1 .

(c) Mit A ∈ GL(n;K) ist auch At ∈ GL(n;K) , und es gilt: (At)−1 = (A−1)t .

(d) Fur alle A ∈ GL(n;K) gilt: (A−1)−1 = A .

14Engl.: general linear group

Page 37: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

§ 7. LINEARE GLEICHUNGSSYSTEME 29

Beweis zu Satz 6.11:

zu (a) & (b): Sind A,B ∈ Mat(n, n;K) regular, so existieren Inversen A′, B′ ∈ Mat(n, n;K) mitA ·A′ = A′ ·A = En und B ·B′ = B′ ·B = En . Das Assoziativgesetz liefert dann:

(A ·B) · (B′ ·A′) = A · ((B ·B′) ·A′) = A · (En ·A′) = A ·A′ = En

und entsprechend:(B′ ·A′) · (A ·B) = En ;

also ist auch A ·B regular mit (A ·B)−1 = B−1 ·A−1 . Daher ist π eine Verknupfung aufGL(n;K) , welche die Axiome (G1) – (G3) erfullt.

zu (c): Aus A ·A−1 = A−1 ·A = En folgt gemaß Bemerkung 6.7(ii):

(A−1)t ·At = At · (A−1)t = Ent = En .

Also ist At ∈ GL(n;K) mit (At)−1 = (A−1)t .

zu (d): (A−1)−1 = A ergibt sich dann als Spezialfall aus Bemerkung 1.3(v).

6.12 Bemerkung

Fur A ∈ GL(n;K) und λ ∈ K \ 0 ist auch λA ∈ GL(n;K) mit (λA)−1 = 1λ A−1 .

Beweis:

Nach Bemerkung 6.7(ii) gilt: (λA) · ( 1λ A−1) = ( 1

λ A−1) · (λA) = ( 1

λ λ) (A ·A−1) = En .

§ 7 Lineare Gleichungssysteme

7.1 Definition

Vorgegeben seien eine feste Matrix A := (αij) ∈ Mat(m,n;K) und ein fester Spaltenvektorb := (β1, β2, . . . , βm)t ∈ Km . (Zur Abkurzung bezeichnen wir kunftig Mat(m, 1;K) mit Km

und entsprechend Mat(n, 1;K) mit Kn .) Dann heißt ein Schema

α11 x1 + α12 x2 + . . . + α1n xn = β1

α21 x1 + α22 x2 + . . . + α2n xn = β2...

......

...αm1 x1 + αm2 x2 + . . . + αmn xn = βm

ein lineares Gleichungssystem mit der Koeffizientenmatrix A, der rechten Seite b und denVariablen (oder Unbestimmten) x1, x2, . . . , xn ∈ K . Setzt man x := (x1, x2, . . . , xn)t , so laßtsich das lineare Gleichungssystem in der Form

A · x = b

Page 38: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

30 KAPITEL II. MATRIZEN UND LINEARE GLEICHUNGSSYSTEME

schreiben. Ein Spaltenvektor x ∈ Kn heißt Losung des linearen Gleichungssystems, falls er dieGleichung A · x = b erfullt.Das lineare Gleichungssystem A · x = b heißt homogen, falls die rechte Seite b = 0 ∈ Km ist;sonst heißt das lineare Gleichungssystem inhomogen. A · x = 0 heißt dann das zu A · x = bgehorige homogene lineare Gleichungssystem.

7.2 Bemerkung

Ein lineares Gleichungssystem A · x = b laßt sich auch in der Form

(∗) x1 ·A1 + x2 ·A2 + . . . + xn ·An = b

mit den Spalten Aj ∈ Km aus A schreiben. Die Frage der Losbarkeit von A · x = b istalso aquivalent zur Frage der Darstellbarkeit der rechten Seite b als Linearkombination vonA1, A2, . . . , An . Es stellen sich daher die folgenden Fragen:

(A) Losbarkeit, d. h. unter welchen Bedingungen an A1, A2, . . . , An und b gibt es ein x ∈ Kn ,das die Gleichung (∗) erfullt?

(B) Universelle Losbarkeit, d. h. unter welchen Voraussetzungen an A1, A2, . . . , An ist (∗) los-bar fur alle moglichen rechten Seiten b ∈ Km ?

(C) Berechnung aller Losungen von (∗), falls (∗) uberhaupt losbar ist.

(D) Eindeutige Losbarkeit von (∗).

Bevor wir uns den Fragen (A) – (D) zuwenden, wollen wir den Zusammenhang zwischen denLosungen des Gleichungssystems A · x = b und denen des zugehorigen homogenen Systemsherstellen.

7.3 Satz

Es sei A ∈ Mat(m,n;K) . Dann gilt:

a) Die LosungsmengeW := x ∈ Kn |A · x = 0

des homogenen linearen Gleichungssystems ist ein Untervektorraum von (Kn,+, ·) . Insbe-sondere ist stets 0 ∈W , genannt die triviale Losung.

b) Ist b ∈ Km die rechte Seite, so ist die Losungsmenge

X := x ∈ Kn |A · x = b

des inhomogenen linearen Gleichungssytems entweder leer oder ein affiner Unterraum von(Kn,+, ·) der Form y +W ; hierbei ist y ∈ Kn eine spezielle Losung von A · x = b undW der in a) definierte Losungsraum des zugehorigen homogenen Systems.

Page 39: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

§ 7. LINEARE GLEICHUNGSSYSTEME 31

Beweis zu Satz 7.3:

zu a): Wegen 0 ∈ W ist W 6= ∅ . Mit w1, w2 ∈ W ist auch w1 + w2 ∈ W und λw1 ∈ W furbeliebige λ ∈ K wegen

A · (w1 + w2) = A · w1 +A · w2 = 0 + 0 = 0und A · (λw1) = λ (A · w1) = λ · 0 = 0 .

zu b): Ist X 6= ∅ , so existiert ein y ∈ X , d. h. es gibt ein y ∈ Kn mit A · y = b .Ist nun x ∈ X beliebig, so betrachte man w := x− y ; dann gilt:

A · w = A · (x− y) = A · x−A · y = b− b = 0 ,

also: w ∈W , d. h.: x = y + w ∈ y +W .Ist umgekehrt x ∈ y +W , d. h. x = y + w mit A · w = 0 , so folgt:

A · x = A · (y + w) = A · y +A · w = b+ 0 = b ,

also: x ∈ X .

7.4 Definition

Ist A ∈ Mat(m,n;K) , und sind A1, A2, . . . , An ∈ Km die Spaltenvektoren von A , so heißt

rg(A) := dimK <A1, A2, . . . , An>

der Rang von A. Ist weiter b = (β1, β2, . . . , βm)t ∈ Km und A = (αij) , dann nennt man

(A | b) :=

α11 α12 · · · α1n β1

α21 α22 · · · α2n β2...

......

...αm1 αm2 · · · αmn βm

= (A1, A2, . . . , An, b) ∈ Mat(m, n+ 1 ; K)

die erweiterte Matrix (oder Systemmatrix ) des linearen Gleichungssystems A · x = b .

7.5 Satz (Losbarkeit)

Fur A ∈ Mat(m,n;K) und b ∈ Km sind folgende Aussagen aquivalent:

a) Das lineare Gleichungssystem A · x = b ist losbar.

b) Es ist b ∈<A1, A2, . . . , An> .

c) Es gilt: rg(A) = rg(A | b) .

Page 40: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

32 KAPITEL II. MATRIZEN UND LINEARE GLEICHUNGSSYSTEME

Beweis zu Satz 7.5:

”a) ⇔ b)“: a) und b) sind aquivalent nach Bemerkung 7.2. X

”b) ⇒ c)“: Es gilt:rg(A | b) = dimK <A1, A2, . . . , An, b>

b)= dimK <A1, A2, . . . , An> = rg(A) .

”c) ⇒ b)“: Es ist W1 := <A1, A2, . . . , An> ein Unterraum von W2 := <A1, A2, . . . , An, b> . NachVoraussetzung gilt: dimKW1 = dimKW2 , also gemaß Bemerkung 3.16(ii): W1 = W2 .

7.6 Satz

Ist A ∈ Mat(m,n;K) , so gilt fur den Losungsraum W := x ∈ Kn | A · x = 0 die Dimensi-onsformel :

dimKW = n− rg(A) .

Beweis:

Ist W = 0 , so besitzt A · x = 0 nur die triviale Losung x = 0 ; also sind A1, A2, . . . , Anlinear unabhangig, d. h. es gilt: dimK <A1, A2, . . . , An> = n = rg(A) .Ist W 6= 0 , so sei (w1, w2, . . . , wk) mit k ≤ n eine Basis von W ; wir erganzen sie (nachSatz 3.13) zu einer Basis von Kn durch (wk+1, wk+2, . . . , wn) . Dann sind die Spaltenvektoren

A · wk+1 , A · wk+2 , . . . , A · wn linear unabhangig. (Ist namlich:n∑

i=k+1αiA · wi = 0 , d. h.:

A ·( n∑i=k+1

αiwi)

= 0 , so bedeutet dies:n∑

i=k+1αiwi ∈W , also:

n∑i=k+1

αiwi = 0 . Und wegen der

linearen Unabhangigkeit aller wk+1, wk+2, . . . , wn folgt daraus: αk+1 = αk+2 = . . . = αn = 0 .)Also ist dimK <A · wk+1, A · wk+2, . . . , A · wn> = n − k . Fur jedes x ∈ Kn gilt nun mitgeeigneten αi ∈ K :

A · x =n∑i=1

xi ·Ai = A ·( n∑i=1

αiwi)

=

= A ·( k∑i=1

αiwi +n∑

i=k+1

αiwi)

=

=k∑i=1

αiA · wi︸ ︷︷ ︸= 0

+n∑

i=k+1

αiA · wi =n∑

i=k+1

αiA · wi

∈ <A · wk+1, A · wk+2, . . . , A · wn> .

Damit gilt: <A1, A2, . . . , An> = <A · wk+1, A · wk+2, . . . , A · wn> , also stimmen auch dieDimensionen uberein: dimK <A1, A2, . . . , An> = rg(A) = n− k .

Page 41: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

§ 7. LINEARE GLEICHUNGSSYSTEME 33

7.7 Satz (Universelle Losbarkeit)

Fur A ∈ Mat(m,n;K) sind folgende Aussagen aquivalent:

a) Das lineare Gleichungssystem A · x = b ist universell losbar.

b) Es gilt: rg(A) = m .

Beweis:

Nach Satz 7.5 ist die universelle Losbarkeit aquivalent zu b ∈<A1, A2, . . . , An> fur alle rechtenSeiten b ∈ Km , d. h. zu Km = <A1, A2, . . . , An> oder zur Bedingung:rg(A) = dimK <A1, A2, . . . , An> = dimK Km = m .

7.8 Satz (Eindeutige Losbarkeit)

Sind A ∈ Mat(m,n;K) und b ∈ Km derart vorgegeben, daß A · x = b losbar ist, so sindfolgende Aussagen aquivalent:

a) A · x = b ist eindeutig losbar.

b) Es gilt: rg(A) = n .

c) Das zugehorige homogene Gleichungssystem besitzt nur die triviale Losung x = 0 .

Beweis:

”a) ⇔ c)“: siehe Satz 7.3. X

”b) ⇔ c)“: folgt sofort aus der Dimensionsformel in Satz 7.6. X

7.9 Satz

Fur eine quadratische Matrix A ∈ Mat(n, n;K) sind folgende Aussagen aquivalent:

a) A · x = b ist fur jedes b ∈ Kn losbar.

b) A · x = b ist fur ein b ∈ Kn eindeutig losbar.

c) A · x = 0 besitzt nur die triviale Losung x = 0 .

d) A · x = b ist fur jedes b ∈ Kn eindeutig losbar.

e) A ist regular.

Ist dies der Fall, so erhalten wir die Losung durch: x = A−1 · b .

Page 42: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

34 KAPITEL II. MATRIZEN UND LINEARE GLEICHUNGSSYSTEME

Beweis zu Satz 7.9:

Die Aquivalenz der Aussagen a) – d) ergibt sich aufgrund der bereits bewiesenen Satze. XEs bleibt nur zu zeigen, daß die Eigenschaften a) – d) zu e) aquivalent sind:

”d)⇒ e)“: Wir betrachten fur alle i = 1, 2, . . . , n die linearen Gleichungssysteme A · x = eit

(vgl. Beispiel 3.7). Zu jedem i ∈ 1, 2, . . . , n existiert nach Voraussetzung genau einLosungsvektor Xi := (x(i)

1 , x(i)2 , . . . , x

(i)n )t ∈ Kn mit A · Xi = ei

t . Damit bilden wir dieMatrix A′ := (X1, X2 . . . , Xn) ∈ Mat(n, n;K) ; es gilt also: A · A′ = En . Es bleibt nochzu zeigen, daß A′ · A = En gilt. Dazu beweisen wir, daß rg(A′) = n ist. (Angenommen,es ware rg(A′) < n , etwa: dimK <X1, X2, . . . , Xn> = m < n . Sei nun (w1, w2, . . . , wm)eine Basis von <X1, X2, . . . , Xn> . Dann gilt fur jedes x ∈ Kn :

A′ · x =m∑i=1

αiwi woraus folgt: A ·A′ · x = A ·( m∑i=1

αiwi)

=m∑i=1

αiA · wi .

Dies bedeutet aber: rg(A ·A′) < n im Widerspruch zu: rg(A ·A′) = rg(En) = n .)Und Satz 7.7 liefert mit Satz 7.8 die universelle eindeutige Losbarkeit des linearen Glei-chungssystems A′ · x = b . Nach unseren bisherigen Uberlegungen existiert also einA′′ ∈ Mat(n, n;K) mit A′ ·A′′ = En . Daraus folgt schließlich:

A′′ = En ·A′′ = (A ·A′) ·A′′ = A · (A′ ·A′′) = A · En = A .

”e)⇒ c)“: Sei x ∈ Kn eine Losung von A · x = 0 ; dann folgt:

x = En · x = (A−1 ·A) · x = A−1 · (A · x) = A−1 · 0 = 0 .

7.10 Korollar

Fur eine quadratische Matrix A ∈ Mat(n, n;K) sind folgende Aussagen aquivalent:

a) A ist regular.

b) Es gilt: rg(A) = n .

c) Die Zeilenvektoren A1, A2, . . . , An von A sind linear unabhangig.

Beweis:

Die Aussagen a) und b) sind nach Satz 7.9 aquivalent. X

”a)⇒ c)“: Angenommen, es existierte eine Linearkombination α1A1 +α2A

2 + . . .+αnAn = 0 , wobeinicht alle αi = 0 sind. Das wurde dann fur A = (αij) bedeuten:

α11 α21 · · · αn1

α12 α22 · · · αn2...

......

α1n α2n · · · αnn

·α1

α2...αn

=

00...0

⇐⇒ At ·

α1

α2...αn

= 0 .

Also besaße das homogene Gleichungssystem At · x = 0 eine nicht–triviale Losung. UndSatz 7.9 lieferte, daß At singular ware im Widerspruch zu Satz 6.11(c).

Page 43: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

§ 8. ELEMENTARE UMFORMUNGEN UND ELEMENTARMATRIZEN 35

”c)⇒ a)“: Sind A1, A2, . . . , An linear unabhangig, so besitzt das homogene lineare GleichungssystemAt · x = 0 nur die triviale Losung x = 0 . Daher ist At nach Satz 7.9 regular, was mit(At)t = A und Satz 6.11(c) die Regularitat von A impliziert.

7.11 Definition

Ist A ∈ Mat(m,n;K) eine Matrix, so heißt dimK <A1, A2, . . . , Am> der Zeilenrang von A;wir schreiben dafur auch: Zrg(A) .

§ 8 Elementare Umformungen und Elementarmatrizen

Wir wollen uns nun der Losung eines linearen Gleichungssystems A · x = b zuwenden. Zuerstuberlegen wir uns, welche Veranderungen des Systems keine Anderung der Losungsmenge nachsich ziehen.

8.1 Hilfssatz

Ist A ∈ Mat(m,n;K) und b ∈ Km , so bleibt die Losungsmenge von A · x = b invariant unterfolgenden Operationen:

(EZ1) Multiplikation einer Gleichung mit einem Skalar λ ∈ K∗ := K \ 0 .

(EZ2) Addition einer Gleichung αi1 x1 + αi2 x2 + . . .+ αin xn = βi zu einer anderen Gleichungαj1 x1 + αj2 x2 + . . .+ αjn xn = βj mit j 6= i .

(EZ3) Vertauschen zweier Gleichungen.

Beweis:

Ubung. ()

8.2 Bemerkungen

(i) In der Koeffizientenmatrix entsprechen die elementaren Zeilenumformungen (EZ1) – (EZ3)aus Hilfssatz 8.1 folgenden Umformungen:

(EZ1) entspricht der Multiplikation einer Zeile von A mit λ ∈ K∗ .

(EZ2) entspricht der Addition von Ai zu Aj fur i 6= j .

(EZ3) entspricht der Vertauschung von Ai mit Aj (fur i 6= j ).

(ii) (EZ3) ergibt sich durch wiederholte Anwendung von (EZ1) und (EZ2).

Page 44: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

36 KAPITEL II. MATRIZEN UND LINEARE GLEICHUNGSSYSTEME

Beweis zu Bemerkung 8.2(ii):

Die Behauptung erhalt man aus folgendem Schema:(Ai

Aj

)(EZ1)−→

(Ai

−Aj

)(EZ2)−→

(Ai

Ai −Aj

)(EZ1)−→

(Ai

Aj −Ai

)(EZ2)−→

(EZ2)−→(Ai + (Aj −Ai)

Aj −Ai

)=

(Aj

Aj −Ai

)(EZ1)−→

(Aj

Ai −Aj

)(EZ2)−→

(Aj

Ai

).

8.3 Definition

Fur m ∈ IN∗ , 1 ≤ i, j ≤ m mit i 6= j und λ ∈ K∗ definieren wir die folgenden Matrizen ausdem Ring Mat(m,m;K) :

Si(λ) :=

1 . . . 01

λ1

0 . . .1

← i-te Zeile

↑i-te Spalte

, Qji :=

1 . . . 01 1. . .

10 . . .

1

← i-te Zeile

↑j-te Spalte

und P ji :=

1 . . . 010 1

1 . . . 11 0

10 . . .

1

← i-te Zeile

← j-te Zeile

↑i-te Spalte

↑j-te Spalte

.

Außer den eingetragenen oder durch Punkte angedeuteten Koeffizienten sollen hierbei alle an-deren Koeffizienten gleich Null sein. Diese Matrizen Si(λ) , Qji und P ji fur alle 1 ≤ i, j ≤ mheißen Elementarmatrizen.

8.4 Bemerkungen

(i) Entsteht AI , AII bzw. AIII aus A durch diejenigen Zeilenumformungen, die den Opera-tionen (EZ1), (EZ2) bzw. (EZ3) gemaß Bemerkung 8.2(i) entsprechen, so gilt:

AI = Si(λ) ·A ,

AII = Qij ·Aund AIII = P ji ·A .

(ii) Entsprechend den Uberlegungen zu Bemerkung 8.2(ii) gilt:

P ji = Qij · Sj(−1) ·Qji · Sj(−1) ·Qij · Sj(−1) .

Page 45: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

§ 8. ELEMENTARE UMFORMUNGEN UND ELEMENTARMATRIZEN 37

(iii) Die Multiplikation mit Sj( 1λ) · Qji · Sj(λ) von links an A entspricht der Addition des

λ-fachen der j-ten Zeile von A zur i-ten Zeile von A .

8.5 Lemma

Die Elementarmatrizen Si(λ) , Qji und P ji aus Definition 8.3 sind invertierbar, und ihre Inversensind wieder Elementarmatrizen. Genauer gilt:

(Si(λ))−1 = Si( 1λ) fur λ ∈ K∗ ,

(Qji )−1 = Sj(−1) ·Qji · Sj(−1) (fur i 6= j )

und (P ji )−1 = P ji .

Beweis:

Multiplikation der rechten Seite der Behauptung mit Si(λ) , Qji bzw. mit P ji ergibt jeweils dieEinheitsmatrix; z. B. gilt:

Qji · Sj(−1) =

1 . . . 01 −1. . .

1−1

10 . . .

1

← i-te Zeile

← j-te Zeile

↑j-te Spalte

,

also: Sj(−1) ·Qji · Sj(−1) =

1 . . . 01 −1. . .

10 . . .

1

← i-te Zeile

↑j-te Spalte

und damit:Qji · Sj(−1) ·Qji · Sj(−1) = Sj(−1) ·Qji · Sj(−1) ·Qji = Em .

8.6 Bemerkungen

(i) Es gilt: Qji = Em+Eij und Si(λ) = Em+(λ−1)Eii mit den kanonischen (m×m)-Matrizenaus dem Beweis zu Satz 6.5.

(ii) Merkregel: Multiplikation von links mit Elementarmatrizenbewirkt elementare Zeilenumformungen.

Page 46: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

38 KAPITEL II. MATRIZEN UND LINEARE GLEICHUNGSSYSTEME

(iii) Sind Si(λ), Qji , Pji ∈ GL(n;K) , und entsteht jeweils

AI aus A durch Multiplikation der i-ten Spalte von A mit λ ∈ K∗ ,AII aus A durch Addition der i-ten Spalte zur j-ten Spalte von A sowieAIII aus A durch Vertauschen der i-ten und j-ten Spalte aus A , so gilt:

AI = A · Si(λ) ,

AII = A ·Qjiund AIII = A · P ji .

Merkregel: Multiplikation von rechts mit Elementarmatrizenbewirkt elementare Spaltenumformungen.

(iv) Sind B1, B2, . . . , Bs−1, Bs ∈ GL(m;K) gewisse Elementarmatrizen, und gilt fur eine Ma-trix A ∈ GL(m;K) der Zusammenhang: Bs · Bs−1 · . . . · B2 · B1 · A = Em , dann istA−1 = Bs ·Bs−1 · . . . ·B2 ·B1 .

Wie verhalt sich nun der Rang einer Matrix bei elementaren Zeilenumformungen? — Dazu zeigenwir:

8.7 Lemma

Sind w1, w2, . . . , wµ ∈ Km linear unabhangig, und ist R ∈ GL(m;K) , so sind auch die Spal-tenvektoren R · w1 , R · w2 , . . . , R · wµ linear unabhangig.

Beweis:

Es seiµ∑i=1

αiR · wi = 0 mit α1, α2, . . . , αµ ∈ K ; dann folgt:

R ·( µ∑i=1

αiwi)

= 0 , also auch:µ∑i=1

αiwi = R−1 ·R ·( µ∑i=1

αiwi)

= R−1 · 0 = 0 .

Und die lineare Unabhangigkeit von (w1, w2, . . . , wµ) ergibt: αi = 0 fur alle 1 ≤ i ≤ µ .

8.8 Satz

Ist A ∈ Mat(m,n;K) und entsteht A aus A durch elementare Zeilenumformungen, so gilt stets:rg(A ) = rg(A) .

Beweis:

Nach Bemerkung 8.4 und Lemma 8.5 gilt: A = R · A mit R ∈ GL(m;K) . Ist rg(A) = µ und(w1, w2, . . . , wµ) eine Basis von <A1, A2, . . . , An> , so gilt fur jedes x ∈ Kn mit geeignetenαi ∈ K :

(R ·A) · x = R · (A · x) = R ·( µ∑i=1

αiwi)

=µ∑i=1

αiR · wi .

Page 47: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

§ 9. DER GAUSS–ALGORITHMUS 39

Die lineare Unabhangigkeit von (R · w1, R · w2, . . . , R · wµ) nach Lemma 8.7 liefert dann die

Behauptung: rg(R ·A) = µ . (Denn die Annahme: (R ·A) ·x =ν∑j=1

βj vj mit linear unabhangigen

v1, v2, . . . , vν und ν < µ ergabe: A · x =ν∑j=1

βj R−1 · vj , d. h.: rg(A) ≤ ν im Widerspruch zur

Voraussetzung rg(A) = µ .)

§ 9 Der Gauß–Algorithmus

Im folgenden finden wir eine konkrete Antwort auf die noch offene Frage (C) aus Bemerkung 7.2.

Besonders leicht ist eine Losung des linearen Gleichungssystems A · x = b anzugeben, wenn dieKoeffizienten αij = 0 sind fur alle j < i . Zum Beispiel erhalten wir bei 1 2 3

0 4 50 0 6

· x1

x2

x3

=

696

aus der letzten Gleichung sofort: x3 = 1 und damit aus der vorletzten Gleichung:4x2 = 9− 5x3 = 4 ⇐⇒ x2 = 1 . Das liefert schließlich: x1 = 6− 2x2 − 3x3 = 1 .

Ein solches Vorgehen nennt man Rucksubstitution.

Unser Ziel ist es jetzt, allgemein eine derartige ”Dreiecksform“ der Koeffizientenmatrix A = (αij)durch elementare Zeilenumformungen zu erreichen.

9.1 Hilfssatz

Ist A ∈ Mat(m,n;K) und α11 6= 0 , so laßt sich das lineare Gleichungssystem A · x = b (mitb ∈ Km ) durch elementare Zeilenumformungen, angewandt auf die erweiterte Matrix (A | b) , inein lineares Gleichungssystem A · x = b mit

A =

α11 α12 α13 · · · α1n

0 α22 α23 · · · α2n

0 α32 α33 · · · α3n...

......

...0 αm2 αm3 · · · αmn

und

β1

β2

β3...βm

= b

umwandeln. Hierbei erhalten wir A und b durch die erste Stufe des Gauß–Algorithmus :

αij := αij −αi1α11

α1j ∀j=1,2,3,...,n

βi := βi −αi1α11

β1

fur alle i = 2, 3, . . . ,m .

Page 48: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

40 KAPITEL II. MATRIZEN UND LINEARE GLEICHUNGSSYSTEME

9.2 Bemerkung

In Matrixschreibweise haben wir also:

A =

A1

A2 − α21

α11A1

A3 − α31

α11A1

...

Am − αm1

α11A1

und b =

β1

β2 −α21

α11β1

β3 −α31

α11β1

...

βm −αm1

α11β1

.

9.3 Hilfssatz

Ist A ∈ Mat(m,n;K) und A1 6= 0 , so kann A · x = b durch Vertauschung zweier Gleichungenin ein System A · x = b mit α11 6= 0 umgewandelt werden.

9.4 Hilfssatz

Ist A ∈ Mat(m,n;K) nicht die Nullmatrix, so kann das lineare Gleichungssystem A·x = b durchUmnumerierung der Variablen stets in ein aquivalentes Gleichungssystem A · x = b mit A1 6= 0umgewandelt werden. Dabei ist xi := xσ(i) fur jedes i = 1, 2, . . . , n mit einer Permutationσ ∈ Sn (vgl. Beispiel 1.6d).

9.5 Satz

Es seien A ∈ Mat(m,n;K) mit A 6= 0 und b ∈ Km vorgegeben.

a) Das lineare Gleichungssystem A · x = b laßt sich durch elementare Zeilenumformungenund eventuell notwendige Umnumerierung der Variablen in die Gestalt A · x = b mit

A =

α11 α12 · · · α1n

0... B0

, b =

β1

c

sowie B ∈ Mat(m− 1, n− 1;K) , c ∈ Km−1 und α11 6= 0 umwandeln.

b) Im Fall m ≥ 2 ist das System A · x = b (und damit A · x = b ) genau dann losbar, wenndas ”kleinere“ lineare Gleichungssystem B ·y = c losbar ist. Im Falle der Losbarkeit erhaltman dann die Losungen von A · x = b aus den Losungen von B · y = c . Ferner gilt:

rg(A) = rg(A ) = rg(B) + 1 und rg(A | b) = rg(A | b ) = rg(B | c) + 1 .

Page 49: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

§ 9. DER GAUSS–ALGORITHMUS 41

Beweis zu Satz 9.5:

zu a): folgt unmittelbar aus den Hilfssatzen 9.4, 9.3 und 9.1. X

zu b): Ist A · x = b losbar, so auch B · y = c .Ist umgekehrt B · y = c losbar, dann ergibt sich aus der ersten Zeile von A :

x1 = β1 −( α12

α11y1 +

α13

α11y2 + . . .+

α1n

α11yn−1

).

Damit ist A · x = b losbar, also auch A ·x = b . Da A aus A zunachst durch eventuelleSpaltenvertauschungen (was per Definition 7.4 den Rang nicht andert) und danndurch elementare Zeilenumformungen hervorgeht, was nach Satz 8.8 den Rang nichtandert, ist rg(A ) = rg(A) . Ebenso ergibt sich: rg(A | b) = rg(A | b ) .Nun gilt:

n∑i=1

xi · Ai =n∑i=1

xi ·

α1i

0...0

+n∑j=2

xj ·

0

Bj−1

=n∑i=1

xi α1i ·

10...0

+n∑j=2

xj ·

0

Bj−1

,

wobei Ai die i-te Spalte von A mit 1 ≤ i ≤ n und Bj−1 die (j−1)-te Spalte von Bmit 2 ≤ j ≤ n bezeichnet. Ist etwa rg(B) = µ und (w1, w2, . . . , wµ) eine Basis von

<B1, B2, . . . , Bn−1> im Km−1 , so bilden die Vektoren

(0w1

),

(0w2

), . . . ,

(0wµ

)eine

Basis von <(

0B1

),

(0B2

), . . . ,

(0

Bn−1

)> . Dann sind die Vektoren

10...0

,( 0w1

), . . .

. . . ,

(0wµ

)linear unabhangig im Km und bilden eine Basis von <

10...0

,( 0w1

), . . .

. . . ,

(0wµ

)> . Also gilt: rg(A ) = rg(B) + 1 . Entsprechend folgt die zweite Behaup-

tung: rg(A | b ) = rg(B | c) + 1 .

9.6 Satz

Es seien A ∈ Mat(m,n;K) und b ∈ Km .

a) Das lineare Gleichungssystem A · x = b laßt sich durch elementare Zeilenumformungenund Umnumerierung der Variablen auf die Form A · x = b bringen mit A ∈ Mat(m,n;K)und b ∈ Km , wobei gilt:

Page 50: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

42 KAPITEL II. MATRIZEN UND LINEARE GLEICHUNGSSYSTEME

A =

α11 α12 α13 · · · α1n

α22 α23 · · · α2n

. . . . . ....0

αµµ αµ,µ+1 · · · αµn

0

m− µ Zeilen

,

b =

β1...βµ

c

m− µ Komponenten

und αii 6= 0 fur alle i = 1, 2, . . . , µ .

b) Es gilt: rg(A) = rg(A ) = µ .

c) A · x = b ist genau dann losbar, wenn µ = m gilt oder c ∈ Km−µ der Nullvektor ist.

d) Im Fall µ = n besitzt A · x = b hochstens eine Losung.

Beweis zu Satz 9.6:

zu a): Ist A die Nullmatrix, so erhalten wir die Behauptung mit µ = 0 . Gilt: A 6= 0 , soliefert Satz 9.5 das aquivalente System A · x = b . Ist B = 0 , dann erhalten wir dieBehauptung mit µ = 1 . Im Fall B 6= 0 wenden wir Satz 9.5 auf B an und erhaltenso sukzessive fortfahrend die Behauptung.

zu b): Die Rangbedingung folgt direkt aus Satz 9.5. Xzu c): Gemaß Satz 9.5 ist A · x = b genau dann losbar, wenn A · x = b losbar ist. Nach

Satz 7.5 ist dies genau dann der Fall, wenn rg(A ) = rg(A | b ) gilt. Mit Teil b) hatman: rg(A | b ) = µ und damit die Behauptung.

zu d): Ist µ = n , so ergibt sich die Matrix zu

A =

α11 ∗ ∗. . . ∗

0 αnn

0

und die rechte Seite als b =

β1...βn

c

.

Ist c ∈ Km−µ ungleich 0 , so ist A · x = b nicht losbar. Gilt: c = 0 , so ist A · x = baquivalent zu α11 ∗ ∗

. . . ∗0 αnn

· x1

...xn

=

β1...βn

mit αii 6= 0 fur alle 1 ≤ i ≤ n . Und Satz 7.8 liefert die Behauptung.

Page 51: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

§ 9. DER GAUSS–ALGORITHMUS 43

9.7 Der Gauß–Algorithmus

Aus Satz 9.6 ergibt sich ein Eliminationsverfahren, das am besten mittels folgendem Rechen-schema durchgefuhrt wird:

x1 x2 x3 · · · xn b

α11 α12 α13 · · · α1n β1

α21 α22 α23 · · · α2n β2

A ......

......

...

αm1 αm2 αm3 · · · αmn βm Zeilenvertauschung und/oder

Umindizierung zu α(0)11 6= 0xσ(1) xσ(2) xσ(3) · · · xσ(n) b(0)

α(0)11 α

(0)12 α

(0)13 · · · α

(0)1n β

(0)1

α(0)21 α

(0)22 α

(0)23 · · · α

(0)2n β

(0)2

A(0) ......

......

...

α(0)m1 α

(0)m2 α

(0)m3 · · · α

(0)mn β

(0)m

Elimination in der ersten Spaltexσ(1) xσ(2) xσ(3) · · · xσ(n) b(1)

α(0)11 α

(0)12 α

(0)13 · · · α

(0)1n β

(0)1

0 α(0)22 α

(0)23 · · · α

(0)2n β

(0)2

A(1) ......

......

...

0 α(0)m2 α

(0)m3 · · · α

(0)mn β

(0)m Zeilenvertauschung und/oder Umindizie-

rung der letzten m− 1 Zeilen zu α(1)22 6= 0xσ(1) xτ(2) xτ(3) · · · xτ(n) b(1)

α(0)11 α

(1)12 α

(1)13 · · · α

(1)1n β

(0)1

0 α(1)22 α

(1)23 · · · α

(1)2n β

(1)2

A(1) ......

......

...

0 α(1)m2 α

(1)m3 · · · α

(1)mn β

(1)m

Elimination in der zweiten Spaltexσ(1) xτ(2) xτ(3) · · · xτ(n) b(2)

α(0)11 α

(1)12 α

(1)13 · · · α

(1)1n β

(0)1

0 α(1)22 α

(1)23 · · · α

(1)2n β

(1)2

A(2) 0 0 α(1)33 · · · α

(1)3n β

(1)3

......

......

...

0 0 α(1)m3 · · · α

(1)mn β

(1)m und so weiter . . .

Page 52: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

44 KAPITEL II. MATRIZEN UND LINEARE GLEICHUNGSSYSTEME

Dabei bezeichne σ ∈ Sn eine Permutation auf 1, 2, 3, . . . , n und τ ∈ Sn−1 eine Permutationauf σ(2), σ(3), . . . , σ(n) , so daß τ ∈ Sn−1 diejenige Permutation auf 2, 3, . . . , n ist, welchedurch Einschrankung von τ σ auf 2, 3, . . . , n entsteht.

Nach µ Schritten dieses Verfahrens erhalt man dann ein Tableau:

x%(1) x%(2) x%(3) · · · x%(n) b(µ)

α(0)11 α

(1)12 α

(2)13 · · · α

(µ−1)1n β

(0)1

0 α(1)22 α

(2)23 · · · α

(µ−1)2n β

(1)2

0 0 α(2)33 · · · α

(µ−1)3n β

(2)3

......

. . . . . ....

...A(µ)

0 0 · · · 0 α(µ−1)µµ · · · α

(µ−1)µn β

(µ−1)µ

0 0 · · · 0 0 · · · 0 β(µ−1)µ+1

......

......

......

0 0 · · · 0 0 · · · 0 β(µ−1)m

in sogenannter Zeilenstufenform mit nicht–verschwindenden Koeffizienten α(0)11 , α

(1)22 , . . . , α

(µ−1)µµ

und einer Permutation % ∈ Sn mit %(1) = σ(1) , %(2) = τ(2) , . . . usw. Ist dabei µ = m oderβ

(µ−1)µ+1 = β

(µ−1)µ+2 = . . . = β

(µ−1)m = 0 , so erhalt man eine Losung (x%(1), x%(2), . . . , x%(n)) durch

Rucksubstitution; andernfalls existiert keine Losung des Systems.

9.8 Beispiel

Gegeben sei das (reelle) lineare Gleichungssystem A · x = b durch:

x1 + 3x2 − 4x3 + 3x4 = 93x1 + 9x2 − 2x3 − 11x4 = −34x1 + 12x2 − 6x3 − 8x4 = 62x1 + 6x2 + 2x3 − 14x4 = −12 .

Das Gauß’sche Losungsverfahren 9.7 liefert hier das folgende Schema:

x1 x2 x3 x4 b

1 3 −4 3 93 9 −2 −11 −3A = A(0)

4 12 −6 −8 62 6 2 −14 −12 Zeilenvertauschung oder Umindizierung

nicht notwendig wegen α(0)11 = 1 6= 0x1 x2 x3 x4 b(1)

1 3 −4 3 90 0 10 −20 −30A(1)

0 0 10 −20 −300 0 10 −20 −30 Wegen α

(0)22 = 0 muß

umindiziert werden

Page 53: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

§ 9. DER GAUSS–ALGORITHMUS 45

x1 x3 x2 x4 b(1)

1 −4 3 3 90 10 0 −20 −30A(1)

0 10 0 −20 −300 10 0 −20 −30 Elimination in der

zweiten Spaltex1 x3 x2 x4 b(2)

1 −4 3 3 90 10 0 −20 −30A(2)

0 0 0 0 00 0 0 0 0

Hieraus ergibt sich: rg(A) = rg(A(2)) = 2 , also nach Satz 7.6 fur den Losungsraum W deszugehorigen homogenen Systems: dimIRW = 4− 2 = 2 .Wie erhalt man nun zwei linear unabhangige Losungen aus W ? Durch Betrachtung zweierspezieller (y1, y2, y3, y4)t mit y3 = 1 , y4 = 0 bzw. y3 = 0 , y4 = 1 erhalten wir als linearunabhangige Losungen des homogenen Gleichungssystems A(2) ·y = 0 die Vektoren (−3, 0, 1, 0)t

und (5, 2, 0, 1)t . Unter Berucksichtigung der Spaltenvertauschung ergibt das fur W :

W = <(5, 0, 2, 1)t , (−3, 1, 0, 0)t> .

Eine spezielle Losung des inhomogenen linearen Gleichungssystems A(2) · y = b(2) erhalt manals y = (−3,−3, 0, 0)t ; und damit lautet der Losungsraum von A · x = b :

X = (−3, 0,−3, 0)t +W .

Also laßt sich jedes x = (x1, x2, x3, x4)t ∈ X in der Form

x = (−3, 0,−3, 0)t + λ (5, 0, 2, 1, )t + ν (−3, 1, 0, 0)t

schreiben mit beliebigen Parametern λ, ν ∈ IR , d. h. die Losungen lauten:

x = (−3 + 5λ− 3 ν , ν , −3 + 2λ , λ)t .

9.9 Bemerkungen

(i) Der Gauß–Algorithmus liefert ein numerisches Verfahren zur Berechnung des Ranges rg(A)einer Matrix A ∈ Mat(m,n;K) .

(ii) Wenn A aus A durch elementare Zeilenumformungen hervorgeht, gilt: Zrg(A) = Zrg(A );nun ist aber: Zrg(A ) = µ (falls A die Form aus Satz 9.6 besitzt). Also gilt fur jedebeliebige Matrix A ∈ Mat(m,n;K) :

rg(A) = Zrg(A) .

(Und Spaltenvertauschungen lassen diese Gleichheit unverandert.)

Page 54: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

46 KAPITEL II. MATRIZEN UND LINEARE GLEICHUNGSSYSTEME

(iii) Ist A ∈ Mat(n, n;K) und µ = n , d. h.:

A =

α11 α12 · · · α1n

0 α22 · · · α2n...

. . . . . ....

0 · · · 0 αnn

,

so laßt sich A durch elementare Zeilenumformungen auf die Form En bringen. Es gilt alsomit geeigneten Elementarmatrizen B1, B2, . . . , Bs−1, Bs ∈ GL(n;K) :

Bs ·Bs−1 · . . . ·B2 ·B1 ·A = En ⇐⇒ A−1 = Bs ·Bs−1 · . . . ·B2 ·B1 · En .

9.10 Beispiel

Berechne die Inverse von

A =

0 1 −41 2 −11 1 2

.

Nach Bemerkung 9.9(iii) erhalten wir folgendes Schema, indem wir die elementaren Zeilenum-formungen, welche A letztlich zur Einheitsmatrix E3 transformieren, simultan auch auf dieMatrix E3 anwenden:

0 1 −4 1 0 0A 1 2 −1 0 1 0

1 1 2 0 0 1 / I II1 2 −1 0 1 00 1 −4 1 0 01 1 2 0 0 1 / III− I1 2 −1 0 1 00 1 −4 1 0 00 −1 3 0 −1 1 / III + II1 2 −1 0 1 00 1 −4 1 0 00 0 −1 1 −1 1 / III · (−1)1 2 −1 0 1 00 1 −4 1 0 00 0 1 −1 1 −1 / I− 2 · II1 0 7 −2 1 00 1 −4 1 0 00 0 1 −1 1 −1 / I− 7 · III / II + 4 · III1 0 0 5 −6 7

E3 0 1 0 −3 4 −40 0 1 −1 1 −1

Also gilt:

A−1 =

5 −6 7−3 4 −4−1 1 −1

.

Page 55: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

Kapitel III

Determinanten

Ziel in diesem Kapitel ist unter anderem die ”Beschreibung“ der Losung eines linearen Glei-chungssystems A ·x = b bei regularem A ∈ Mat(n, n;K) mit Hilfe sogenannter Determinanten.

§ 10 Permutationen

Fur eine Permutation σ ∈ Sn = ϕ : 1, 2, . . . , n → 1, 2, . . . , n | ϕ ist bijektiv(vgl. hierzu Beispiel 1.6d) schreiben wir auch:

σ =

(1 2 3 · · · n

σ(1) σ(2) σ(3) · · · σ(n)

)oder kurz: σ = (σ(1) σ(2) σ(3) · · · σ(n)) .

Fur zwei Permutationen σ, τ ∈ Sn ist dann die Komposition erklart durch:

τ σ = (τ(1) τ(2) τ(3) · · · τ(n)) (σ(1) σ(2) σ(3) · · · σ(n))= ( τ(σ(1)) τ(σ(2)) τ(σ(3)) · · · τ(σ(n)) ) .

So gilt zum Beispiel fur n = 3 :

(2 3 1) (1 3 2) = (2 1 3) und (1 3 2) (2 3 1) = (3 2 1) .

Insbesondere ist also die symmetrische Gruppe (Sn, ) fur n = 3 nicht abelsch.

10.1 Bemerkungen

(i) Die symmetrische Gruppe Sn enthalt genau n! = 1 · 2 · 3 · . . . · n Elemente.

(ii) S1 und S2 sind abelsch; und fur alle n ≥ 3 ist Sn nicht abelsch.

Beweis:

zu (i): einfache Induktion nach n . Xzu (ii): Es ist S1 = id1 und S2 = (1 2) , (2 1) , also gilt:

(1 2) (2 1) = (2 1) (1 2) = (2 1) .Fur n ≥ 3 betrachte etwa σ := (1 3 2 4 5 6 · · · n) und τ := (2 3 1 4 5 6 · · · n) ;dann ist

τ σ = (2 1 3 4 5 6 · · · n) 6= (3 2 1 4 5 6 · · · n) = σ τ .

47

Page 56: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

48 KAPITEL III. DETERMINANTEN

10.2 Definition

Eine Permutation τ ∈ Sn heißt eine Transposition, wenn τ genau zwei Elemente aus 1, 2, . . . , nvertauscht, d. h. wenn es Zahlen k, l ∈ 1, 2, . . . , n mit k 6= l gibt derart, daß gilt:

(1) τ(k) = l ∧ τ(l) = k .

(2) τ(i) = i fur alle anderen i ∈ 1, 2, . . . , n \ k, l .

10.3 Satz

Ist n ≥ 2 , so gibt es zu jedem σ ∈ Sn Transpositionen τ1, τ2, . . . , τk ∈ Sn mit

σ = τ1 τ2 . . . τk .

Diese Transpositionen sind nicht eindeutig bestimmt.

Beweis:

Ist σ = id1,2,...,n und τ ∈ Sn irgendeine Transposition, so gilt: id = τ τ−1 = τ τ .Ist σ 6= id . so gibt es ein i1 ∈ 1, 2, . . . , n mit σ(i) = i fur alle i = 1, 2, . . . , i1 − 1 undσ(i1) 6= i1 , also: σ(i1) > i1 .Sei jetzt τ1 diejenige Transposition, die i1 mit σ(i1) vertauscht, und sei σ1 := τ1 σ . Dann istσ1(i) = i fur alle i = 1, 2, . . . , i1 . Entweder ist nun σ1 = id , oder es gibt ein i2 mit i2 > i1 undσ1(i) = i fur jedes i = 1, 2, . . . , i2−1 sowie σ1(i2) > i2 . Entsprechend zum ersten Schritt erhaltman τ2 und σ2 mit σ2 = τ2 σ1 = τ2 τ1 σ . So fortfahrend ergeben sich k ≤ n Transpositionenτ1, τ2, . . . , τk−1, τk ∈ Sn mit σk = id und σk = τk τk−1 . . . τ2 τ1 σ = id , d. h.:

σ = (τk τk−1 . . . τ2 τ1)−1 = τ1−1 τ2

−1 . . . τk−1−1 τk−1 = τ1 τ2 . . . τk−1 τk .

10.4 Bemerkung

Es sei n ≥ 2 und τ0 :=(1 2 3 4 · · · n

2 1 3 4 · · · n)∈ Sn . Dann gibt es zu jeder beliebigen Transposition

τ ∈ Sn eine Permutation σ ∈ Sn mit

τ = σ τ0 σ−1 .

Beweis:

Die Transposition τ ∈ Sn vertausche die Elemente k und l . Dann gilt fur jedes σ ∈ Sn mitσ(1) = k und σ(2) = l der Zusammenhang: τ = σ τ0 σ−1 .(Denn: Wegen σ−1(k) = 1 und σ−1(l) = 2 ist namlich σ(τ0(σ−1(k))) = σ(2) = l undσ(τ0(σ−1(l))) = σ(1) = k ; ferner gilt fur alle i ∈ 1, 2, . . . , n \ k, l auch:σ−1(i) ∈ 1, 2, . . . , n \ 1, 2 , also: σ(τ0(σ−1(i))) = σ(σ−1(i)) = i .)

Page 57: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

§ 10. PERMUTATIONEN 49

10.5 Definition

Ist σ ∈ Sn eine Permutation, so heißt jedes Paar (i, j) ∈ 1, 2, . . . , n2 mit i < j und σ(i) > σ(j)ein Fehlstand von σ. Wir definieren damit das Signum von σ durch

signσ :=

+1 , falls σ eine gerade Anzahl von Fehlstanden besitzt.−1 , falls σ eine ungerade Anzahl von Fehlstanden besitzt.

Eine Permutation σ ∈ Sn heißt gerade, falls signσ = +1 ist; und σ heißt ungerade, fallssignσ = −1 ist.

Beispiel

Fur σ =(1 2 3

2 3 1

)ist signσ = 1 , da die Anzahl der Fehlstande von σ genau 2 betragt.

Wie berechnet man nun das Signum einer beliebigen Permutation?

10.6 Hilfssatz

Fur jedes σ ∈ Sn gilt:

signσ =n∏

i,j=1i<j

σ(j)− σ(i)j − i

=n−1∏i=1

n∏j=i+1

σ(j)− σ(i)j − i

.

Beweis:

Ist m die exakte Anzahl der Fehlstande von σ ∈ Sn , so gilt:

n∏i,j=1i<j

(σ(j)− σ(i)) =n∏

i,j=1 ∧ i<jσ(i)<σ(j)

(σ(j)− σ(i)) · (−1)m ·n∏

i,j=1 ∧ i<jσ(i)>σ(j)

|σ(j)− σ(i)|

= (−1)m ·n∏

i,j=1i<j

|σ(j)− σ(i)| .

Nun ist aber auch:n∏

i,j=1i<j

|σ(j)− σ(i)| =n∏

i,j=1i<j

(j − i) , da beide Produkte (abgesehen von der

Reihenfolge) die gleichen Faktoren enthalten.Zum Beispiel gilt fur σ =

(1 2 32 3 1

):

2∏i=1

3∏j=i+1

(j − i) = (2− 1) · (3− 1) · (3− 2) = 1 · 2 · 1 = 2

und2∏i=1

3∏j=i+1

|σ(j)− σ(i)| = |3− 2| · |1− 2| · |1− 3| = 1 · 1 · 2 = 2

sowie m = 2 .

Page 58: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

50 KAPITEL III. DETERMINANTEN

10.7 Satz

Fur alle Permutationen σ, τ ∈ Sn gilt:

sign(τ σ) = sign τ · signσ ,

insbesondere ist fur jedes σ ∈ Sn :

signσ−1 = signσ .

Beweis:

Nach Hilfssatz 10.6 gilt:

sign(τ σ) =n∏

i,j=1i<j

τ(σ(j))− τ(σ(i))j − i

=n∏

i,j=1i<j

τ(σ(j))− τ(σ(i))σ(j)− σ(i)

·n∏

i,j=1i<j

σ(j)− σ(i)j − i

=n∏

i,j=1i<j

τ(σ(j))− τ(σ(i))σ(j)− σ(i)

· signσ .

Nun ist

n∏i,j=1i<j

τ(σ(j))− τ(σ(i))σ(j)− σ(i)

=∏i<j

σ(i)<σ(j)

τ(σ(j))− τ(σ(i))σ(j)− σ(i)

·∏i<j

σ(i)>σ(j)

τ(σ(j))− τ(σ(i))σ(j)− σ(i)

=∏i<j

σ(i)<σ(j)

τ(σ(j))− τ(σ(i))σ(j)− σ(i)

·∏i>j

σ(i)<σ(j)

τ(σ(j))− τ(σ(i))σ(j)− σ(i)

=∏

σ(i)<σ(j)

τ(σ(j))− τ(σ(i))σ(j)︸︷︷︸=:k

−σ(i)︸︷︷︸=:l

=n∏

k,l=1l<k

τ(k)− τ(l)k − l

= sign τ .

10.8 Korollar

Es sei n ≥ 2 vorgegeben.

a) Ist τ ∈ Sn eine beliebige Transposition, so gilt: sign τ = −1 .

b) Ist σ ∈ Sn und σ = τ1 τ2 . . . τk mit Transpositionen τ1, τ2, . . . , τk ∈ Sn , so gilt:signσ = (−1)k .

Page 59: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

§ 11. DETERMINANTE EINER MATRIX 51

Beweis zu Korollar 10.8:

zu a): Ist τ0 die Transposition(1 2 3 4 · · · n

2 1 3 4 · · · n)

, so ist sign τ0 = −1 , da τ0 genau einenFehlstand besitzt. Ist τ eine beliebige Transposition, so existiert nach Bemerkung 10.4ein σ ∈ Sn mit τ = σ τ0 σ−1 . Und Satz 10.7 liefert die Behauptung:

sign τ = (signσ) · (sign τ0) · (signσ−1) = (signσ)2 · (sign τ0) = sign τ0 = −1 .

zu b): folgt mit Teil a) direkt aus Satz 10.7. X

10.9 Definition

Es sei An := σ ∈ Sn | signσ = +1 ; dann bildet An mit der Verknupfung eine Gruppe, diesogenannte alternierende Gruppe.Es ist A1 = S1 ; und fur alle n ≥ 2 enthalt (An, ) genau 1

2 n! Elemente.

§ 11 Determinante einer Matrix

11.1 Definition

Es seien K ein Korper, n ∈ IN∗ und A1, A2, . . . , An die Zeilen einer quadratischen MatrixA ∈ Mat(n, n;K) . Eine Abbildung

det : Mat(n, n;K)→ K , A 7→ detA

heißt Determinante, falls folgende Eigenschaften gelten:

(D1) det ist bezuglich jeder Zeile linear, d. h. es gilt fur alle 1 ≤ i ≤ n :

det

A1

...Ai + Ai

...An

= det

A1

...Ai...An

+ det

A1

...Ai...An

und fur alle λ ∈ K :

det

A1

...λAi

...An

= λ · det

A1

...An

= λ · detA .

(D2) det ist alternierend, d. h. es gilt fur alle 1 ≤ i ≤ n :

det

...Ai...Ai...

= 0 .

(D3) det ist normiert mit detEn = 1 .

Page 60: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

52 KAPITEL III. DETERMINANTEN

Bevor wir zeigen, daß eine solche Abbildung uberhaupt existiert, ziehen wir ein paar Schlußfol-gerungen:

11.2 Satz

Erfullt eine Abbildung det : Mat(n, n;K) → K die Eigenschaften (D1) – (D3) aus Definiti-on 11.1, so gilt fur alle A ∈ Mat(n, n;K) auch folgendes:

(D4) Es gilt fur alle λ ∈ K : det(λA) = λn detA .

(D5) Ist Ai = (0, 0, . . . , 0) fur ein i ∈ 1, 2, . . . , n , so gilt: detA = 0 .

(D6) Ist B = P ji ·A , so gilt: detB = −detA .

(D7) Ist B = Sj( 1λ) ·Qji · Sj(λ) ·A fur λ 6= 0 und i 6= j , so gilt: detB = detA .

(D8) Sind e1, e2, . . . , en die kanonischen Basisvektoren des Kn , so gilt fur jedes σ ∈ Sn :

det

eσ(1)eσ(2)...eσ(n)

= signσ .

(D9) Ist αij = 0 fur alle i < j (bzw. fur alle i > j ), d. h. ist A eine obere (bzw. eine

untere) Dreiecksmatrix, so gilt: detA =n∏i=1

αii .

(D10) Es gilt genau dann: detA = 0 , wenn die Zeilenvektoren A1, A2, . . . , An von A linearabhangig sind.

(D11) Es gilt genau dann: detA 6= 0 , wenn A ∈ GL(n;K) ist.

(D12) Es gilt der Determinanten–Multiplikationssatz :

det (A ·B) = detA · detB

fur alle A,B ∈ Mat(n, n;K) ; speziell folgt fur A ∈ GL(n;K) :

detA−1 =1

detA.

(D13) Im allgemeinen gilt nicht: det (A+B) = detA+ detB .

Beweis:

zu (D4) & (D5): folgen direkt aus (D1). X

Page 61: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

§ 11. DETERMINANTE EINER MATRIX 53

zu (D6): Die Behauptung detB = −detA ergibt sich aus (D1) und (D2) wegen

detA+ detB = det

...Ai...Aj...

+ det

...Aj...Ai...

(D2)= det

...Ai...Ai...

+ det

...Ai...Aj...

+ det

...Aj...Ai...

+ det

...Aj...Aj...

(D1)= det

...Ai...

Ai +Aj...

+ det

...Aj...

Ai +Aj...

(D1)= det

...Ai +Aj

...Ai +Aj

...

(D2)= 0 .

zu (D7): folgt ebenfalls aus (D1) und (D2) mit

detB = det

...Ai + λAj

...Aj...

(D1)= det

...Ai...Aj...

+ λ det

...Aj...Aj...

(D2)= detA .

zu (D8): Ist % ∈ Sn beliebig und τ ∈ Sn eine Transposition, so liefert (D6) zunachst:

det

eτ(%(1))eτ(%(2))...eτ(%(n))

= −det

e%(1)e%(2)...e%(n)

.

Zu gegebenem σ ∈ Sn existieren nach Satz 10.3 Transpositionen τ1, τ2, . . . , τk ∈ Snmit σ = τ1 τ2 . . . τk; also gilt fur j = 2, 3, . . . , k bei sukzessiver Anwendungobiger Voruberlegung mit % := τj . . . τk weiter:

det

eσ(1)eσ(2)...eσ(n)

= −det

e(τ2...τk)(1)e(τ2...τk)(2)...e(τ2...τk)(n)

Page 62: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

54 KAPITEL III. DETERMINANTEN

⇐⇒ det

eσ(1)eσ(2)...eσ(n)

= (−1)2 det

e(τ3...τk)(1)e(τ3...τk)(2)...e(τ3...τk)(n)

= . . . = (−1)k−1 det

eτk(id(1))eτk(id(2))...eτk(id(n))

= (−1)k det

e1e2...en

= (−1)k detEn

= (−1)k = signσ .

zu (D9): Es sei A eine obere Dreiecksmatrix. Ist αii = 0 fur ein i ∈ 1, 2, . . . , n , so laßt sichA durch elementare Zeilenumformungen von der Form

A =

α11 . . . ∗αi−1,i−1

0αi+1,i+1

0 . . .αnn

in die Form B :=

α11 . . . ∗αi−1,i−1

∗0 . . .

∗0 0 · · · 0

uberfuhren. Mit (D6) und (D7) folgt dann: detB = ±detA . Und nach (D5) giltwegen der Nullzeile: detB = 0 , also haben wir auch: detA = 0 .

Ist αii 6= 0 fur alle i ∈ 1, 2, . . . , n , so laßt sich A durch elementare Zeilenumfor-mungen (EZ1) und (EZ2) auf die Form

B :=

1 ∗ · · · ∗

1. . .

.... . . ∗0 1

und dann in die Gestalt En =

1 01

. . .0 1

bringen mit

detA (D1)= α11 · α22 · . . . · αnn · detB = α11 · α22 · . . . · αnn · detEn =n∏i=1

αii .

Die Argumentation verlauft entsprechend fur eine untere Dreiecksmatrix. X

zu (D10) & (D11): Ist A gegeben, so laßt sich A durch elementare Zeilenumformungen in eineMatrix B uberfuhren mit

B :=

β11 ∗ · · · ∗

β22. . .

.... . . ∗0 βnn

.

(Dabei ist nicht notwendigerweise βii 6= 0 fur samtliche 1 ≤ i ≤ n .) Nach Satz 8.8 giltnun: rg(A) = rg(B) . Es ist A ∈ GL(n;K) genau dann, wenn rg(A) = rg(B) = n gilt(gemaß Korollar 7.10); und die Zeilenvektoren B1, B2, . . . , Bn sind genau dann linearunabhangig, wenn alle βii 6= 0 sind fur 1 ≤ i ≤ n . Wegen (D9) ist das wiederumaquivalent zu: detB 6= 0 . Mit detA = ±detB ergibt sich daraus die Behauptung.

Page 63: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

§ 11. DETERMINANTE EINER MATRIX 55

zu (D12): Es sei rg(A) = n , d. h. A ∈ GL(n;K) . Nach Bemerkung 9.9 gibt es Elementarma-trizen B1, B2, . . . , Bs−1, Bs ∈ GL(n;K) mit Bs · Bs−1 · . . . · B2 · B1 · A = En odermit

A = (Bs · . . . ·B2 ·B1)−1 = B1−1 ·B2

−1 · . . . ·Bs−1 =: C1 · C2 · . . . · Cs .

Wegen Lemma 8.5 sind C1, C2, . . . , Cs wieder Elementarmatrizen. Gemaß Bemer-kung 8.4(ii) konnen wir annehmen, daß C1, C2, . . . , Cs von der Form Si(λ) oderQji sind. Also mussen wir nur zeigen, daß fur solche Elementarmatrizen C gilt:

det (C ·B) = detC · detB .Nach (D9) (vgl. Definition 8.3) ist detSi(λ) = λ und detQji = 1 . Und wegen (D1)gilt:

det (Si(λ) ·B) = λdetB ⇒ det (Si(λ) ·B) = λ · detB = det (Si(λ)) · detB .

Ferner liefert (D7) mit λ = 1 : det (Qji ·B) = detB , also:

det (Qji ·B) = detB = detQji · detB .

(Dabei ist im Fall i > j zu berucksichtigen, daß Qji zu einer unteren Dreiecksmatrixwird, fur die ja (D9) auch gilt.)Es sei nun m := rg(A) < n und (w1, w2, . . . , wm) eine Basis von <A1, A2, . . . , An> ;

dann gilt fur jedes y ∈ Kn die Darstellung: A · y =m∑i=1

αiwi , also fur alle x ∈ Kn ,

d. h. fur jedes y = B · x ∈ Kn :

A ·B · x = A · (B · x) = A · y =m∑i=1

αiwi.

Daraus folgt: dim<(A ·B)1, (A ·B)2, . . . , (A ·B)n> = rg(A · B) ≤ rg(A) < n .Und (D10) liefert schließlich: det (A ·B) = 0 = detA · detB .

zu (D13): Wir betrachten etwa fur n = 2 das Gegenbeispiel: A =(

1 00 0

)und B =

(0 00 1

).

Dann ist detA = detB = 0 und det (A+B) = detE2 = 1 .

11.3 Satz

Zu jedem n ∈ IN∗ gibt es genau eine Determinante

det : Mat(n, n;K)→ K , A 7→ detA .

Und zwar gilt fur alle A = (αij) ∈ Mat(n, n;K) die sogenannte Leibniz’sche Formel :

detA =∑σ∈Sn

signσ · α1,σ(1) · α2,σ(2) · . . . · αn,σ(n) .

Beweis:

Wir zeigen zuerst, daß hochstens eine Determinante fur jedes n ∈ IN∗ existiert.

Page 64: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

56 KAPITEL III. DETERMINANTEN

Ist det : Mat(n, n;K) → K eine Determinante im Sinne von Definition 11.1, so gilt fur alle

Zeilenvektoren von A die Darstellung: Ai =n∑j=1

αij ej . Also ergibt (D1):

detA = det

A1

...An

= det

n∑j=1

α1j ej

A2

...An

=n∑j=1

α1j det

ejA2

...An

.

Und wiederholte Anwendung von (D1) liefert:

detA =n∑

j1=1

α1,j1

n∑j2=1

α2,j2 det

ej1ej2A3

...An

= . . . =

=n∑

j1=1

n∑j2=1

· · ·n∑

jn=1

α1,j1 · α2,j2 · . . . · αn,jn det

ej1ej2...ejn

.

Nach (D2) ist die letzte Determinante genau dann ungleich Null, wenn die Indizes j1, j2, . . . , jnpaarweise verschiedene Zahlen zwischen 1 und n sind, d. h. wenn eine Permutation σ ∈ Snexistiert mit j1 = σ(1) , j2 = σ(2) , . . . , jn = σ(n) . Von den ursprunglich nn Summanden sindalso hochstens n! Summanden ungleich Null. Damit gilt:

detA =∑σ∈Sn

α1,σ(1) · α2,σ(2) · . . . · αn,σ(n) · det

eσ(1)eσ(2)

...eσ(n)

.

Und (D8) liefert dann die behauptete Formel.

Wir mussen nun zeigen, daß die oben definierte Abbildung det tatsachlich die Eigenschaf-ten (D1) – (D3) erfullt.

zu (D1): Sind A = (αij) und A = (αij) gleich bis auf die i-te Zeile, so gilt:

det

A1

...Ai + Ai

...An

=∑σ∈Sn

(signσ) · α1,σ(1) · α2,σ(2) · . . . · (αi,σ(i) + αi,σ(i)) · . . . · αn,σ(n)

=∑σ∈Sn

(signσ) · α1,σ(1) · α2,σ(2) · . . . · αi,σ(i) · . . . · αn,σ(n) +

+∑σ∈Sn

(signσ) · α1,σ(1) · α2,σ(2) · . . . · αi,σ(i) · . . . · αn,σ(n)

Page 65: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

§ 11. DETERMINANTE EINER MATRIX 57

⇐⇒ det

A1

...Ai + Ai

...An

= det

A1

...Ai...An

+ det

A1

...Ai...An

und entsprechend:

det

A1

...λAi

...An

= λ ·∑σ∈Sn

(signσ) · α1,σ(1) · α2,σ(2) · . . . · αi,σ(i) · . . . · αn,σ(n)

= λ · detA .

zu (D2): Angenommen, die i-te und die j-te Zeile von A seien gleich. Dabei sei ohne Be-schrankung der Allgemeinheit i < j . Wir betrachten die Transposition τ ∈ Sn , diegenau i und j vertauscht. Dann gilt die Zerlegung:

An ∪Anτ = Sn mit An ∩Anτ = ∅

fur Anτ := σ τ | σ ∈ An . (Ist namlich σ ∈ Sn mit signσ = −1 , so giltwegen τ = τ−1 und sign τ = −1 nach Satz 10.7: sign(σ τ−1) = +1 . Also istσ = (σ τ−1) τ ∈ Anτ . Fur jedes σ ∈ Anτ ist signσ = −1 , also: An ∩Anτ = ∅ .)Damit gilt:

detA =∑σ∈An

signσ · α1,σ(1) · α2,σ(2) · . . . · αn,σ(n) +

+∑σ∈An

sign(σ τ) · α1,σ(τ(1)) · α2,σ(τ(2)) · . . . · αn,σ(τ(n))

=∑σ∈An

α1,σ(1) · α2,σ(2) · . . . · αn,σ(n) +

−∑σ∈An

α1,σ(τ(1)) · α2,σ(τ(2)) · . . . · αn,σ(τ(n)) .

Da die i-te und j-te Zeile von A ubereinstimmen, gilt nach Konstruktion von τ furalle σ ∈ An :

α1,σ(τ(1)) · α2,σ(τ(2)) · . . . · αi,σ(τ(i)) · . . . · αj,σ(τ(j)) · . . . · αn,σ(τ(n)) =

= α1,σ(1) · α2,σ(2) · . . . · αi,σ(j) · . . . · αj,σ(i) · . . . · αn,σ(n)

= α1,σ(1) · α2,σ(2) · . . . · αj,σ(j) · . . . · αi,σ(i) · . . . · αn,σ(n)

und damit die Behauptung: detA = 0 .

zu (D3): Ist δij das sogenannte Kronecker–Symbol15, d. h.:

δij :=

0 fur alle i 6= j1 , falls i = j

,

15Leopold Kronecker, deutscher Mathematiker (?07.12.1823, †29.12.1891)

Page 66: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

58 KAPITEL III. DETERMINANTEN

so gilt:

δ1,σ(1) · δ2,σ(2) · . . . · δn,σ(n) =

0 fur alle σ ∈ Sn mit σ 6= id1 , falls σ = id ∈ Sn

.

Also folgt:

detEn = det (δij)1≤i,j≤n

=∑σ∈Sn

(signσ) · δ1,σ(1) · δ2,σ(2) · . . . · δn,σ(n)

= sign (id1,2,...,n) = 1 .

11.4 Bemerkungen

(i) Fur A = (αij)1≤i,j≤n schreiben wir als Determinante auch:∣∣∣∣∣∣∣α11 α12 · · · α1nα21 α22 · · · α2n...

......

αn1 αn2 · · · αnn

∣∣∣∣∣∣∣ statt detA .

(ii) Ist n = 1 , so gilt: detA = det (α11) = α11 ;im Falle n = 2 erhalten wir:∣∣∣∣ α11 α12

α21 α22

∣∣∣∣ = α11 α22 − α12 α21 .

Und fur n = 3 ist∣∣∣∣∣ α11 α12 α13α21 α22 α23α31 α32 α33

∣∣∣∣∣ = α11 α22 α33 − α11 α23 α32 − α12 α21 α33 ++ α12 α23 α31 + α13 α21 α32 − α13 α22 α31 .

Fur letztere Formel gibt es eine Merkregel — die Regel von Sarrus16:

α11 α12 α13 α11 α12

α21 α22 α23 α21 α22

α31 α32 α33 α31 α32

Dazu schreibe man die erste und zweite Spalte noch einmal hinter die Matrix ( ), bildedie Produkte langs der drei ”Hauptdiagonalen“ (), addiere sie und subtrahiere davon dieProdukte langs der drei ”Nebendiagonalen“ ().

Beachte: Diese Regel gilt nur fur n = 3 .

Manchmal ist es gunstiger, erst elementare Zeilenumformungen durchzufuhren, dabei dieEigenschaften einer Determinante nach Satz 11.2 auszunutzen und ggf. dann die Regel vonSarrus anzuwenden; zum Beispiel:∣∣∣∣∣ 0 1 2

3 2 11 1 0

∣∣∣∣∣ (D6)= −∣∣∣∣∣ 1 1 0

3 2 10 1 2

∣∣∣∣∣ (D7)= −∣∣∣∣∣ 1 1 0

0 −1 20 1 2

∣∣∣∣∣ (D7)= −∣∣∣∣∣ 1 1 0

0 −1 10 0 3

∣∣∣∣∣ (D9)= 3 .

16Pierre Frederic Sarrus, franzosischer Mathematiker (?1798, †1861)

Page 67: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

§ 11. DETERMINANTE EINER MATRIX 59

11.5 Satz

Ist A ∈ Mat(n, n;K) , so gilt stets: detAt = detA .

Beweis:

Ist A = (αij) , so gilt nach Definition 6.3: At = (αjit) mit αjit = αij . Damit folgt:

detAt =∑σ∈Sn

(signσ) · α1,σ(1)t · α2,σ(2)

t · . . . · αn,σ(n)t

=∑σ∈Sn

(signσ) · ασ(1),1 · ασ(2),2 · . . . · ασ(n),n .

Ist σ ∈ Sn und z. B. k ∈ 1, 2, . . . , n mit σ(k) = 1, d. h. σ−1(1) = k, so folgt: ασ(k),k = α1,σ−1(1),also insgesamt:

ασ(1),1 · ασ(2),2 · . . . · ασ(n),n(∗)= α1,σ−1(1) · α2,σ−1(2) · . . . · αn,σ−1(n) .

Weiter ist signσ = signσ−1 (gemaß Satz 10.7.). Und es gilt: Sn = σ−1 | σ ∈ Sn , d. h. alsLaufindex fur die Summe kann man statt σ ∈ Sn auch % := σ−1 ∈ Sn wahlen. Daraus ergibtsich mit (∗) die Behauptung:

detAt =∑σ∈Sn

(signσ−1) · α1,σ−1(1) · α2,σ−1(2) · . . . · αn,σ−1(n)

=∑%∈Sn

(sign %) · α1,%(1) · α2,%(2) · . . . · αn,%(n) = detA .

Wir wollen nun unsere bisherigen Ergebnisse auf Beispiel 2.7a) anwenden.

11.6 Beispiel

Die sogenannten Monome ek mit ek(x) := xk bilden fur alle 0 ≤ k ≤ n auf jeder Menge mitmindestens n + 1 Elementen eine linear unabhangige Familie; d. h. ist M ⊂ C eine Mengemit mindestens n + 1 Elementen, so sind e0, e1, e2, . . . , en als Vektoren aus Abb(M, C) linearunabhangig. Daraus folgt fur den Polynomraum Πn = <e0, e1, e2, . . . , en> ⊂ Abb(M, C) dieEigenschaft:

dimC Πn = n+ 1 .

Beweis:

Um die lineare Unabhangigkeit von (e0, e1, e2, . . . , en) zu zeigen, mussen wir ausn∑k=0

αk ek = 0

mit αk ∈ C stets folgern: α0 = α1 = α2 = . . . = αn = 0 .

Ist nunn∑k=0

αk ek = 0 , so gilt fur alle x ∈ M :n∑k=0

αk ek(x) =n∑k=0

αk xk = 0 ; speziell folgt also

fur n+ 1 paarweise verschiedene Elemente x0, x1, x2, . . . , xn ∈M :n∑k=0

αk xik = 0 mit i = 0, 1, 2, . . . , n .

Page 68: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

60 KAPITEL III. DETERMINANTEN

Diese n+1 Gleichungen konnen wir bei gegebenen x0, x1, x2, . . . , xn auch als lineares Gleichungs-system fur die Variablen α0, α1, α2, . . . , αn auffassen, namlich in der Form:

1 x0 x0

2 x03 · · · x0

n

1 x1 x12 x1

3 · · · x1n

1 x2 x22 x2

3 · · · x2n

......

......

...1 xn xn

2 xn3 · · · xn

n

·

α0

α1

α2...αn

=

000...0

.

Lineare Unabhangigkeit der Monome e0, e1, e2, . . . , en liegt genau dann vor, wenn dieses homo-gene Gleichungssystem nur die triviale Losung besitzt. Nach Satz 7.8 ist dies aquivalent zurRangbedingung:

rg

1 x0 x0

2 x03 · · · x0

n

1 x1 x12 x1

3 · · · x1n

1 x2 x22 x2

3 · · · x2n

......

......

...1 xn xn

2 xn3 · · · xn

n

= n+ 1 .

Mit Satz 7.9 und Satz 11.2 erhalten wir dann: e0, e1, e2, . . . , en ∈ Abb(M, C) sind genau dannlinear unabhangig, wenn fur je n+ 1 paarweise verschiedene Elemente x0, x1, x2, . . . , xn aus Mgilt:

V (x0, x1, x2, . . . , xn) := det

1 x0 x0

2 x03 · · · x0

n

1 x1 x12 x1

3 · · · x1n

1 x2 x22 x2

3 · · · x2n

......

......

...1 xn xn

2 xn3 · · · xn

n

6= 0 .

Dazu beweisen wir durch vollstandige Induktion nach n , daß fur die obige Vandermonde–Deter-minante17 gilt:

V (x0, x1, x2, . . . , xn) =∏

0≤i<j≤n(xj − xi) .

Induktionsanfang: Fur n = 0 ist diese Aussage offensichtlich richtig, da das leere Produkt immerden Wert 1 hat.

Induktionsschluß von n auf n+ 1 : Wir formen hierbei die Spalten um (was elementaren Zeilen-umformungen in der transponierten Matrix entspricht, welche gemaß Bemerkung 9.9(ii) ja dengleichen Rang hat), indem wir fur jedes j = 1, 2, . . . , n das x0-fache der j-ten Spalte von der

17Alexandre Theophile Vandermonde, franzosischer Gewerbemuseumsdirektor, publizierte nur vier mathemati-sche Arbeiten (?28.02.1735, †01.01.1796)

Page 69: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

§ 11. DETERMINANTE EINER MATRIX 61

(j + 1)-ten Spalte subtrahieren:

V (x0, x1, x2, . . . , xn, xn+1) =

= det

1 0 0 0 · · · 01 x1−x0 x1

2−x0 x1 x13−x0 x1

2 · · · x1n+1−x0 x1

n

1 x2−x0 x22−x0 x2 x2

3−x0 x22 · · · x2

n+1−x0 x2n

......

......

...1 xn+1−x0 xn+1

2−x0 xn+1 xn+13−x0 xn+1

2 · · · xn+1n+1−x0 xn+1

n

=

∑σ∈Sn+2

(signσ) · α1,σ(1) · α2,σ(2) · α3,σ(3) · . . . · αn+2,σ(n+2)

=∑

σ∈Sn+2

σ(1)=1

(signσ) · α11 · α2,σ(2) · α3,σ(3) · . . . · αn+2,σ(n+2)

=∑

σ∈Sn+2

σ(1)=1

(signσ) · α2,σ(2) · α3,σ(3) · . . . · αn+2,σ(n+2)

= det

x1−x0 x1 (x1−x0) x1

2 (x1−x0) · · · x1n (x1−x0)

x2−x0 x2 (x2−x0) x22 (x2−x0) · · · x2

n (x2−x0)x3−x0 x3 (x3−x0) x3

2 (x3−x0) · · · x3n (x3−x0)

......

......

xn+1−x0 xn+1 (xn+1 − x0) xn+12 (xn+1−x0) · · · xn+1

n (xn+1−x0)

= (x1−x0) · (x2−x0) · (x3−x0) · . . . · (xn+1−x0) · det

1 x1 x1

2 · · · x1n

1 x2 x22 · · · x2

n

1 x3 x32 · · · x3

n

......

......

1 xn+1 xn+12 · · · xn+1

n

=

n+1∏j=1

(xj − x0) · V (x1, x2, x3, . . . , xn+1)

=n+1∏j=1

(xj − x0) ·∏

1≤i<j≤n+1

(xj − xi) gemaß Induktionsvoraussetzung

=∏

0≤i<j≤n+1

(xj − xi) .

Und da die Punkte x0, x1, x2, . . . , xn als paarweise verschieden aus M gewahlt worden sind, istdie Vandermonde–Determinante V (x0, x1, x2, . . . , xn) 6= 0 .Damit sind die Monome e0, e1, e2, . . . , en (uber M ) tatsachlich linear unabhangig, bilden alsoeine Basis von Πn .

Wir lernen jetzt noch eine weitere Regel kennen, mit der man Determinanten schneller undbequemer berechnen kann als mit der Leibniz’schen Formel.

Page 70: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

62 KAPITEL III. DETERMINANTEN

§ 12 Der Entwicklungssatz von Laplace

Vorgegeben sei fur festes n > 1 eine quadratische Matrix

A = (αij) =

A1

A2

...An

= (A1, A2, . . . , An) ;

wir ersetzen darin Ai durch ej und Aj durch eit und erhalten so die (n× n)-Matrix

Aij :=

α11 α12 · · · α1,j−1 0 α1,j+1 α1,j+2 · · · α1nα21 α22 · · · α2,j−1 0 α2,j+1 α2,j+2 · · · α2n

......

......

......

...αi−1,1 αi−1,2 · · · αi−1,j−1 0 αi−1,j+1 αi−1,j+2 · · · αi−1,n

0 0 · · · 0 1 0 0 · · · 0αi+1,1 αi+1,2 · · · αi+1,j−1 0 αi+1,j+1 αi+1,j+2 · · · αi+1,nαi+2,1 αi+2,2 · · · αi+2,j−1 0 αi+2,j+1 αi+2,j+2 · · · αi+2,n

......

......

......

...αn1 αn2 · · · αn,j−1 0 αn,j+1 αn,j+2 · · · αnn

.

Streichen ( ) wir daraus die i-te Zeile und die j-te Spalte, dann ergibt sich die Matrix

A ′ij :=

α11 · · · α1j · · · α1n

......

...αi1 · · · αij · · · αin...

......

αn1 · · · αnj · · · αnn

∈ Mat(n−1 , n−1 ;K) .

12.1 Bemerkungen

(i) Es gilt: detAij = (−1)i+j detA ′ij fur alle 1 ≤ i, j ≤ n .

(ii) Es ist detAij = det (A1, A2, . . . , Aj−1, eit, Aj+1, Aj+2, . . . , An) fur alle 1 ≤ i, j ≤ n .

Beweis:

zu (i): Durch i− 1 Vertauschungen benachbarter Zeilen und j − 1 Vertauschungen benach-barter Spalten kann man Aij auf die Form(

1 00 A ′ij

)bringen. Nach (D6) folgt:

det(

1 00 A ′ij

)= (−1)(i−1)+(j−1) detAij = (−1)i+j detAij .

Wie im Beweis zu Beispiel 11.6 (oder in Ubungsaufgabe 11/13–7) ergibt sich dann:

detA ′ij = (−1)i+j detAij .

Page 71: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

§ 12. DER ENTWICKLUNGSSATZ VON LAPLACE 63

zu (ii): Die Matrix (A1, A2, . . . , Aj−1, eit, Aj+1, Aj+1, . . . , An) unterscheidet sich von Aij in

der i-ten Zeile; diese lautet:

(αi1, αi2, . . . , αi,j−1, 1, αi,j+1, αi,j+2, . . . , αin) .

Durch Addition des (−αik)-fachen der j-ten Spalte zur k-ten Spalte fur jedes1 ≤ k ≤ n mit k 6= j laßt sich die gegebene Matrix in die Matrix Aij uberfuhren.Und gemaß (D7) andert sich dabei ihre Determinante nicht.

12.2 Definition

Ist fur n ≥ 2 eine Matrix A = (αij) ∈ Mat(n, n;K) vorgegeben, dann nennt man die obendefinierte ((n−1)× (n−1))-Matrix A ′ij die Streichungsmatrix von A (zum Index (i, j) );ist weiter αij := detAji , so heißt A = (αij) die zu A komplementare Matrix.

12.3 Lemma

Es gilt: A ·A = A · A = (detA) · En .

Beweis:

Nach Definition gilt fur die Koeffizienten von A ·A :

n∑j=1

αij · αjk =n∑j=1

αjk · detAji

Bem. 12.1(ii)=n∑j=1

αjk · det (A1, A2, . . . , Ai−1, ejt, Ai+1, Ai+2, . . . , An)

(D1)= det(A1, A2, . . . , Ai−1,

n∑j=1

αjk ejt, Ai+1, Ai+2, . . . , An

)

= det(A1, A2, . . . , Ai−1,

( α1kα2k...αnk

), Ai+1, Ai+2, . . . , An

)= det (A1, A2, . . . , Ai−i, Ak, Ai+1, Ai+1, . . . , An)

(D2)= δik · detA .

Also ist A ·A = detA · (δik)1≤i,k≤n = (detA) · En .Entsprechend berechnet man auch: A · A = (detA) · En .

Als Folgerung erhalten wir hieraus:

Page 72: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

64 KAPITEL III. DETERMINANTEN

12.4 Satz (Entwicklungssatz von Laplace18)

Ist n ≥ 2 und A ∈ Mat(n, n;K) , so gilt mit der Streichungsmatrix A ′ij fur jedes i ∈ 1, 2, . . . , n :

detA =n∑j=1

(−1)i+j · αij · detA ′ij

und fur jedes j ∈ 1, 2, . . . , n :

detA =n∑i=1

(−1)i+j · αij · detA ′ij .

Bei der Determinante spricht man im ersten Fall von der Entwicklung nach der i-ten Zeile, imzweiten Fall von der Entwicklung nach der j-ten Spalte.

Beweis:

Nach dem vorhergehenden Lemma 12.3 gilt:

detA =n∑j=1

αij αji =n∑j=1

αij · detAij ;

und Bemerkung 12.1(i) liefert:

detA =n∑j=1

(−1)i+j αij detA ′ij .

Entsprechend folgt:

detA =n∑i=1

αji αij =n∑i=1

αij · detAij =n∑i=1

αij · (−1)i+j detA ′ij .

12.5 Bemerkung

Der Vorzeichenfaktor (−1)i+j im Entwicklungssatz von Laplace bewirkt gewissermaßen eineVerteilung von + und − im ”Schachbrettmuster“:

+ − + −

− + − +

+ − + −

− + − +

18Pierre Simon Laplace, franzosischer Physiker und Mathematiker (?28.03.1749, †05.03.1827)

Page 73: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

§ 13. DIE CRAMER’SCHE REGEL 65

12.6 Folgerung

Ist A ∈ GL(n;K) und B = (βij) ∈ Mat(n, n;K) , definiert durch βij := (−1)i+j detA ′ij , sogilt19:

A−1 =1

detA·Bt .

Beweis: folgt direkt aus Lemma 12.3. und Bemerkung 12.1(i). X

12.7 Beispiel

Ist speziell n = 2 und A =(a bc d

)∈ GL(2;K) , dann gilt:

A−1 =1

a d− b c

(d −b−c a

).

§ 13 Die Cramer’sche Regel

Durch Zusammenfassen der Ergebnisse aus §7 und §12 erhalten wir folgenden — fur die Theoriewichtigen — Satz:

13.1 Satz (Cramer’sche20 Regel)

Ist A ∈ GL(n;K) , b ∈ Kn und x ∈ Kn die eindeutig bestimmte Losung des linearen Glei-chungssystems A · x = b , so gilt:

xi =1

detA· det (A1, A2, . . . , Ai−1, b, Ai+1, Ai+2, . . . , An) fur alle 1 ≤ i ≤ n .

Beweis:

Ist die Koeffizientenmatrix A regular, so gilt nach Satz 7.9: x = A−1 · b .Sind die Eintrage von A−1 die Elemente γij ∈ K , dann haben wir gemaß Folgerung 12.6:

γij =1

detA· βji =

1detA

· (−1)i+j detA′ji .

Und Bemerkung 12.1 liefert:

γij(i)=

detAjidetA

(ii)=1

detAdet (A1, A2, . . . , Ai−1, ej

t, Ai+1, Ai+2, . . . , An) .

19Bei dieser Methode zur Matrix–Inversion spricht man auch vom Verfahren der Adjungierten.20Gabriel Cramer, schweizerischer Mathematiker und Astronom (?31.07.1704, †04.01.1752)

Page 74: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

66 KAPITEL III. DETERMINANTEN

Daraus folgt jeweils fur die i-te Komponente von A−1 · b :

xi =n∑j=1

γij · bj

=1

detA· det

(A1, A2, . . . , Ai−1,

n∑j=1

bj ejt , Ai+1, Ai+2, . . . , An

)=

1detA

· det (A1, A2, . . . , Ai−1, b, Ai+1, Ai+2, . . . , An) .

13.2 Beispiel

Wir betrachten das lineare Gleichungssystem A · x = b mit

A =

1 1 00 1 13 2 1

und b =

110

.

Dann ist detA = 1 · (−1)− 1 · (−3) = −1 + 3 = 2 , also gilt nach Satz 13.1:

x1 =12

∣∣∣∣∣∣∣1 1 01 1 10 2 1

∣∣∣∣∣∣∣ = 12 · (1 · (−1)− 1 · 1) = −1 ,

x2 =12

∣∣∣∣∣∣∣1 1 00 1 13 0 1

∣∣∣∣∣∣∣ = 12 · (1 · 1− 1 · (−3)) = 2

und x3 =12

∣∣∣∣∣∣∣1 1 10 1 13 2 0

∣∣∣∣∣∣∣ = 12 · (1 · (−2)− 0 + 3 · 0) = −1 .

13.3 Bemerkung

In der Praxis wird die Cramer’sche Regel jedoch kaum angewandt, weil die Berechnung von De-terminanten meistens numerisch viel aufwendiger ist als Algorithmen anderer Losungsverfahren.

Page 75: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

Kapitel IV

Lineare Abbildungen

§ 14 Der Vektorraum der linearen Abbildungen

14.1 Definition

Gegeben seien zwei beliebige K–Vektorraume V,W ∈ VRK ; eine Abbildung F : V →W heißtK–linear oder kurz: linear, wenn fur alle Skalare α, β ∈ K und alle Vektoren v, w ∈ V gilt21:

(L) F (α v + β w) = αF (v) + β F (w) .

Dabei steht links vom Gleichheitszeichen die Verknupfung + in V und rechts die Verknupfung +in W . Wir wahlen hier der Bequemlichkeit halber (auch fur die Skalarmultiplikation) keineunterschiedlichen Bezeichnungen.

14.2 Bemerkungen

Es sei F : V →W eine K–lineare Abbildung; dann gilt:

(i) F (0V ) = 0W und F (−v) = −F (v) fur alle v ∈ V .Dabei bezeichne 0V das neutrale Element der abelschen Gruppe (V,+) und 0W dasneutrale Element der abelschen Gruppe (W,+) .

(ii) Ist (vi)i∈I eine linear abhangige Familie in V , so ist auch (F (vi))i∈I linear abhangigin W .

(iii) Ist (F (vi))i∈I linear unabhangig in W , so ist auch (vi)i∈I linear unabhangig in V .

(iv) Ist G : W → X ebenfalls K–linear, so ist auch die Komposition G F : V → X eineK–lineare Abbildung.

21Das Axiom (L) fordert die Additivitat ( α = β = 1 ) und die Homogenitat ( β = 0 oder w = 0 ) von jederlinearen Abbildung.

67

Page 76: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

68 KAPITEL IV. LINEARE ABBILDUNGEN

Beweis zu Bemerkung 14.2:

zu (i): Es gilt: F (0V ) = F (0 · 0V ) = 0 · F (0V ) = 0W und0W = F (0V ) = F (v + (−v)) = F (v) + F (−v) fur alle v ∈ V .

zu (ii): Seien i1, i2, . . . , ik ∈ I und λi1 , λi2 , . . . , λik ∈ K mit 0 6= (λi1 , λi2 , . . . , λik) ∈ Kk

undk∑j=1

λij vij = 0V . Daraus folgt:k∑j=1

λij F (vij ) = F( k∑j=1

λij vij

)= F (0V ) = 0W .

zu (iii): ist aquivalent zu (ii). X

zu (iv): Sind α, β ∈ K und v, w ∈ V , so folgt:

(G F )(α v + β w) = G(F (α v + β w))= G(αF (v) + β F (w))= αG(F (v)) + β G(F (w))= α (G F )(v) + β (G F )(w) .

14.3 Beispiele

a) Fur 1 ≤ i ≤ m und 1 ≤ j ≤ n seien aij ∈ K ; ist A = (aij) ∈ Mat(m,n;K) , so wird eineAbbildung F : Kn → Km definiert durch F (x) := A·x fur alle x = (x1, x2, . . . , xn)t ∈ Kn .Dann ist F linear.

b) Sei X 6= ∅ eine Menge und ϕ : X → X eine beliebige Abbildung. Dann ist durch dieFestlegung F (f) := f ϕ eine lineare Abbildung von Abb(X,K) in sich definiert.

Beweis:

zu a): Sind α, β ∈ K und x, y ∈ Kn , so gilt mit §6:

F (αx+ β y) = A · (αx+ β y) = αA · x+ β A · y = αF (x) + β F (y) .

zu b): Sind α, β ∈ K und f, g ∈ Abb(X,K) , dann gilt:

F (α f + β g) = (α f + β g) ϕ = α f ϕ+ β g ϕ = αF (f) + β F (g) ;

denn fur alle x ∈ X ist (vgl. Beispiel 2.3b):

((α f + β g) ϕ)(x) = (α f)(ϕ(x)) + (β g)(ϕ(x)) = α f(ϕ(x)) + β g(ϕ(x)) .

14.4 Satz

Sind V,W ∈ VRK Vektorraume, so bildet die Menge

HomK(V,W ) := F ∈ Abb(V,W ) | F ist K–linear

einen Untervektorraum von (Abb(V,W ),+, ·) .

Page 77: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

§ 14. DER VEKTORRAUM DER LINEAREN ABBILDUNGEN 69

Beweis zu Satz 14.4:

Nach Beispiel 2.3b) ist (Abb(V,W ),+, ·) ein K–Vektorraum.Zunachst ist HomK(V,W ) 6= ∅ , denn die Nullabbildung 0 mit 0(v) = 0W fur alle v ∈ V istK–linear. Seien nun F,G ∈ HomK(V,W ) und λ ∈ K , dann gilt fur alle α, β ∈ K und allev, w ∈ V :

(F +G)(αv + βw) = F (αv + βw) +G(αv + βw)= αF (v) + β F (w) + αG(v) + β G(w) , da F und G linear= α(F (v) +G(v)) + β(F (w) +G(w))= α (F +G)(v) + β (F +G)(w)

⇒ F +G ∈ HomK(V,W )

sowie

(λF )(αv + βw) = λF (αv + βw)= λ(αF (v) + β F (w)) , da F linear= α (λF )(v) + β (λF )(w)

⇒ λF ∈ HomK(V,W ) .

14.5 Definition

Die Elemente aus HomK(V,W ) heißen Homomorphismen (oder genauer: Vektorraum–Homo-morphismen)22. Ein Homomorphismus F ∈ HomK(V,W ) heißt ein (Vektorraum–)Monomorphismus, wenn F injektiv ist;Epimorphismus, wenn F surjektiv ist;Isomorphismus, wenn F bijektiv ist;Endomorphismus, wenn V = W ist — wir schreiben dafur: F ∈ EndK(V ) := HomK(V, V ) ;Automorphismus, wenn V = W und zugleich F bijektiv ist.

14.6 Satz

Es seien V,W ∈ VRK mit (vi)i∈I als Basis von V und (wi)i∈I eine beliebige Familie in W .Dann gibt es genau eine lineare Abbildung F ∈ HomK(V,W ) mit F (vi) = wi fur alle i ∈ I .Fur dieses F gilt:

a) F ist genau dann ein Monomorphismus, wenn (wi)i∈I in W linear unabhangig ist.

b) Es gilt: F (V ) = <(wi)i∈I> ; also ist F genau dann ein Epimorphismus, wenn (wi)i∈I einErzeugendensystem von W ist.

c) F ist genau dann ein Isomorphismus, wenn (wi)i∈I eine Basis von W bildet.

22Ein Homomorphismus transportiert die (lineare) Struktur von V nach W .

Page 78: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

70 KAPITEL IV. LINEARE ABBILDUNGEN

Beweis zu Satz 14.6:

Wir zeigen zunachst die Eindeutigkeit (1) und Existenz (2) von F :

(1) Es sei F ∈ HomK(V,W ) mit F (vi) = wi fur alle i ∈ I .Ist v ∈ V \ 0 , so gibt es (nach Satz 3.5) eindeutig bestimmte Indizes i1, i2, . . . , ir ∈ I ,linear unabhangige Vektoren vi1 , vi2 , . . . , vir ∈ V und Skalare λ1, λ2, . . . , λr ∈ K∗ mit der

Darstellung v =r∑

k=1λk vik . Die Linearitat von F liefert dann:

F (v) =r∑

k=1

λk F (vik) =r∑

k=1

λk wik . (∗)

(2) Um die Existenz von F nachzuweisen, definieren wir F (v) fur v =r∑

k=1λk vik , wobei nicht

notwendig alle λk ∈ K ungleich Null sein mussen, durch (∗). Wir zeigen, daß dann Flinear ist.Sind namlich v, w ∈ V , etwa: v =

r∑k=1

λk vik und w =s∑l=1

µl vjl , sowie α, β ∈ K , so sei

R := i1, i2, . . . , ir , S := j1, j2, . . . , js mit T := R∪S , etwa: T = ν1, ν2, . . . , νn also:

α v + β w =n∑i=1

γi vνi mit

γi = αλ% + β µσ fur alle νi ∈ R ∩ S ∧ νi = i% = jσγi = αλ% fur alle νi ∈ T \ S ∧ νi = i%γi = β µσ fur alle νi ∈ T \R ∧ νi = jσ

.

Damit gilt:

F (α v + β w) (∗)=n∑i=1

γi F (vνi)

=n∑i=1

νi∈R∩S

(αλ% + β µσ)F (vνi) +

+n∑i=1

νi∈T\S

αλ% F (vνi) +n∑i=1

νi∈T\R

β µσ F (vνi)

= αn∑i=1

νi∈R∩S

λ% F (vνi) + αn∑i=1

νi∈T\S

λ% F (vνi) +

+ βn∑i=1

νi∈R∩S

µσ F (vνi) + βn∑i=1

νi∈T\R

µσ F (vνi)

= αr∑

k=1

λk F (vik) + βs∑l=1

µl F (vjl)

= αF (v) + β F (w) .

zu a):

”⇒“: Sei F injektiv undr∑

k=1λik wik = 0W . Dann gilt wegen wik = F (vik) :

F( r∑k=1

λik vik

)= 0W = F (0V ) ;

Page 79: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

§ 14. DER VEKTORRAUM DER LINEAREN ABBILDUNGEN 71

und wegen der Injektivitat von F folgt:

r∑k=1

λik vik = 0V ⇒ λik = 0 ∀k=1,2,...,r ,

da die vik in V linear unabhangig sind.

”⇐“: Sei nun umgekehrt (F (vi))i∈I linear unabhangig und F (v) = F (w) mit v, w ∈ V .

Dann folgt: F (v − w) = 0W . Zu zeigen ist: v − w =: x != 0V .

Sei dazu x =r∑

k=1λik vik mit λik ∈ K , so liefert F (x) = F (v − w) = 0W :

r∑k=1

λikF (vik) = 0W ⇒ λi1 = λi2 = . . . = λir = 0 ,

da (F (vi))i∈I linear unabhangig in W ist; also folgt: x = 0V ⇐⇒ v = w .

zu b): Es sei W ′ := <(wi)i∈I> .

”⊂“: Nach Definition von F ist stets F (V ) ⊂W ′ .

”⊃“: Ist w =r∑

k=1λik wik ∈W ′ , dann folgt:

w =r∑

k=1

λikF (vik) = F( r∑k=1

λik vik

)∈ F (V ) .

Damit gilt also insgesamt: W ′ = F (V ) .

zu c): folgt direkt aus der Definition in Verbindung mit Teil a) und b). X

14.7 Korollar

Es seien V,W ∈ VRK mit dimK V = dimKW = n <∞ sowie F ∈ HomK(V,W ) . Dann sindfolgende Aussagen aquivalent:

a) F ist injektiv, also ein Monomorphismus.

b) F ist surjektiv, also ein Epimorphismus.

c) F ist bijektiv, also ein Isomorphismus.

Beweis:

”a) ⇒ b)“: Sei (v1, v2, . . . , vn) eine Basis von V ; wir setzen wi = F (vi). Durch die Injektivitatvon F sind w1, w2, . . . , wn linear unabhangig in W . Mit dimW = dimV = nfolgt daraus, daß (w1, w2, . . . , wn) eine Basis von W bildet. Satz 14.6b) liefertdann die Surjektivitat von F .

Page 80: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

72 KAPITEL IV. LINEARE ABBILDUNGEN

”b) ⇒ c)“: Ist F surjektiv und (v1, v2, . . . , vn) eine Basis von V , so gilt:

<F (v1), F (v2), . . . , F (vn)> = W .

Wegen dimW = n folgt die lineare Unabhangigkeit von (F (v1), F (v2), . . .. . . , F (vn)) . Also ist F nach Satz 14.6a) injektiv und damit bijektiv.

”c) ⇒ a)“: ist trivial. X

14.8 Bemerkung

Wir wenden nun Satz 14.6 auf lineare Gleichungssysteme an. Bei gegebener KoeffizientenmatrixA ∈ Mat(m,n;K) und rechter Seite b ∈ Km ist ein Losungsvektor x ∈ Kn gesucht mitF (x) := A·x = b. Ein solches x ∈ Kn existiert genau dann, wenn b ∈ F (Kn) ist. Fur jede rechteSeite b gibt es genau dann eine Losung, wenn F surjektiv ist, d. h. wenn (A·e1

t, A·e2t, . . . , A·ent)

ein Erzeugendensystem von Km ist. Also ist ein lineares Gleichungssystem, bei dem die Anzahln der Variablen kleiner ist als die Anzahl m der Gleichungen, nicht fur jede rechte Seite losbar.Das homogene Gleichungssystem A·x = 0 ist genau dann eindeutig losbar, wenn (A·e1

t, A·e2t, . . .

. . . , A · ent) linear unabhangig ist. Somit besitzt ein homogenes lineares Gleichungssystem mitmehr Variablen als Gleichungen stets eine nicht–triviale Losung. Korollar 14.7 liefert ferner, daßein homogenes lineares Gleichungssystem mit gleich vielen Variablen wie Gleichungen genaudann eine nicht–triviale Losung hat, wenn wenigstens eine rechte Seite existiert, fur die dasentsprechende inhomogene lineare Gleichungssystem nicht losbar ist.

14.9 Beispiel

Es sei Abb(IN, IR) der Vektorraum der reellen Zahlenfolgen undc = c(IR) := (an)n≥0 ∈ Abb(IN, IR) | (an)n≥0 ist konvergent

der Untervektorraum der konvergenten Zahlenfolgen in IR .Wir definieren F : c→ IR durch F ((an)n≥0) := lim

n→∞an . Dann liefern die Grenzwertsatze aus

der Analysis die Linearitat von F . F ist surjektiv, aber F ist nicht injektiv; denn z. B. gilt:F(( 1n+1)n≥0

)= 0 = F

(((−1)n · 1

n+1)n≥0

).

§ 15 Kern und Bild

Sind V,W ∈ VRK und F ∈ HomK(V,W ) , so ist das Urbild−1F(0W ) := v ∈ V | F (v) = 0W

ein Untervektorraum von V wegen 0V ∈−1F(0W ) und F (v1) + F (v2) = 0W sowie

F (λ v) = λF (v) = 0W fur alle v, v1, v2 ∈−1F(0W ) und λ ∈ K .

Ferner ist F (V ) ein Untervektorraum von W (vgl. Satz 14.6).

15.1 Definition

Unter den obigen Voraussetzungen heißt

KerF :=−1F(0W ) der Kern23 von F und ImF := F (V ) das Bild24 von F .

23Engl. kernel = Kern24Engl. image = Bild

Page 81: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

§ 15. KERN UND BILD 73

Im Beweis zu Satz 14.6 haben wir schon implizit gezeigt, daß F ∈ HomK(V,W ) genau danninjektiv ist, wenn KerF = 0V gilt. Und F ist genau dann surjektiv, wenn ImF = W ist.

15.2 Satz (Dimensionsformel)

Es seien V,W ∈ VRK , V endlich–dimensional und F ∈ HomK(V,W ) . Dann sind auch KerFund ImF endlich–dimensional, und es gilt:

dimK V = dimK KerF + dimK ImF .

Beweis:

(Siehe hierzu auch den Beweis zu Satz 7.6).Als Untervektorraum von V hat KerF hat endliche Dimension; ist etwa (v1, v2, . . . , vn) eineBasis von V , so gilt nach Satz 14.6:

ImF = <F (v1), F (v2), . . . , F (vn)> , also: dimK ImF ≤ dimK V = n <∞ .

Nach eventueller Umnumerierung konnen wir annehmen, daß (F (v1), F (v2), . . . , F (vr)) eine Ba-sis von ImF bildet. Daruber hinaus sei (w1, w2, . . . , ws) eine Basis von KerF . Wir zeigen nun,daß dann (v1, v2, . . . , vr, w1, w2, . . . , ws) eine Basis von V ist. Zum Nachweis der linearen Un-

abhangigkeit seir∑

%=1α% v%+

s∑σ=1

βσ wσ = 0V mit α%, βσ ∈ K fur alle 1 ≤ % ≤ r bzw. 1 ≤ σ ≤ s .

Anwendung von F auf beiden Seiten liefert:

r∑%=1

α% F (v%) +s∑

σ=1

βσ F (wσ) = 0W ⇐⇒r∑

%=1

α% F (v%) = 0W .

Wegen der linearen Unabhangigkeit von (F (v1), F (v2), . . . , F (vr)) in W folgt: α1 = α2 = . . .

. . . = αr = 0 . Damit ists∑

σ=1βσ wσ = 0V , also: β1 = β2 = . . . = βs = 0 wegen der linearen

Unabhangigkeit von (w1, w2, . . . , ws) in KerF ⊂ V .Zu zeigen bleibt noch, daß(v1, v2, . . . , vr, w1, w2, . . . , ws) auch tatsachlich ein Erzeugendensystem

fur V bildet. Sei dazu x ∈ V ; dann ist F (x) =r∑

%=1α% F (v%) mit α% ∈ K . Es ergibt sich:

x−r∑

%=1α% v% ∈ KerF ; also existieren β1, β2, . . . , βs ∈ K mit x−

r∑%=1

α% v% =s∑

σ=1βσ wσ , woraus

die Behauptung folgt.

15.3 Folgerung

Sind V,W ∈ VRK endlich–dimensional, so sind folgende Aussagen aquivalent:

a) dimK V = dimKW .

b) Es existiert ein Isomorphismus F : V →W .

Page 82: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

74 KAPITEL IV. LINEARE ABBILDUNGEN

Beweis:

”a) ⇒ b)“: Ist (v1, v2, . . . , vn) eine Basis von V , so ist F ∈ HomK(V,W ) mit F (vi) = wifur eine Basis (w1, w2, . . . , wn) von W nach Satz 14.6c) ein Isomorphismus.

”b) ⇒ a)“: Ist F ∈ HomK(V,W ) ein Isomorphismus, so liefert die Dimensionsformel 15.2:

dimK V = dimK KerF + dimK ImFF inj.= dimK ImF

F surj.= dimKW .

15.4 Bemerkung

Ist V ∈ VRK ein n-dimensionaler Vektorraum, so ist V stets isomorph zu Kn, d. h. es existiertein Isomorphismus F : V → Kn , in Zeichen: V ∼= Kn .

15.5 Definition

Sind V,W ∈ VRK und F ∈ HomK(V,W ) , so heißt dimK ImF der Rang von F , und wird kurzmit rg(F ) bezeichnet.

15.6 Bemerkung

Ist F ∈ HomK(Kn,Km) diejenige lineare Abbildung, welche gemaß Beispiel 14.3a) durch ei-ne Koeffizientenmatrix A ∈ Mat(m,n;K) induziert wird, so ist KerF der Losungsraum deshomogenen linearen Gleichungssystemes A · x = 0 . Die Dimensionsformel 15.2 liefert dann:

dimK KerF = n− dimK ImF .

Und ein Vergleich mit Satz 7.6 zeigt, daß gilt: rg(F ) = rg(A) .

§ 16 Lineare Abbildungen und Matrizen

Es sei V ∈ VRK mit dimK V = n und einer Basis (v1, v2, . . . , vn) . Nach Folgerung 15.3 (undSatz 14.6) existiert genau eine lineare Abbildung Φ : V → Kn mit Φ(vi) := ei

t fur alle 1 ≤ i ≤ n;

diese Abbildung ist ein Isomorphismus. Es gilt fur v =n∑i=1

αi vi :

Φ(v) =n∑i=1

αi Φ(vi) =n∑i=1

αi eit = (α1, α2, . . . , αn)t .

Wollen wir zum Ausdruck bringen, daß Φ bezuglich der Basis A := (v1, v2, . . . , vn) von V gebildetwird, so schreiben wir auch ΦA statt Φ . Ist außerdem W ∈ VRK endlich–dimensional mit einerBasis B := (w1, w2, . . . , wm) , so sei F ∈ HomK(V,W ) gegeben durch F (vj) ∈W ∀1≤j≤n .Zu jedem j ∈ 1, 2, . . . , n existieren daher Korperelemente α1j , α2j , . . . , αmj ∈ K mit

F (vj) =m∑i=1

αij wi . Dadurch erhalten wir eine Matrix A = (αij) ∈ Mat(m,n;K) ; wir schreiben

kunftig ΦAB (F ) := (αij) und bekommen so eine Abbildung

ΦAB : HomK(V,W )→ Mat(m,n;K) .

Page 83: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

§ 16. LINEARE ABBILDUNGEN UND MATRIZEN 75

Ist umgekehrt A = (αij) ∈ Mat(m,n;K) vorgegeben, so existiert nach Satz 14.6 genau ein

F ∈ HomK(V,W ) mit F (vj) =m∑i=1

αij wi fur alle 1 ≤ j ≤ n . Setzen wir dann ΨAB (A) := F ,

so ergibt sich eine Abbildung

ΨAB : Mat(m,n;K)→ HomK(V,W ) .

Ziel ist es nun, einen Isomorphismus ΦAB zu haben mit (ΦAB )−1 = ΨAB .

Wir erlautern vorher noch die Definition von ΦAB und ΨAB in spezieller Situation:Ist V = Kn und W = Km , K := (e1

t, e2t, . . . , en

t) die kanonische Basis von Kn undK′ := (e′1

t, e′2t, . . . , e′m

t) die kanonische Basis von Km sowie A ∈ Mat(m,n;K) , dann gilt:

ΨKK′(A)(ejt) =m∑i=1

αij e′it = (α1j , α2j , . . . , αmj)t ∈ Km .

Merkregel: Die Spaltenvektoren Aj der Matrix A sind die Bilder der Basis-vektoren ej

t unter der Abbildung F = ΨKK′(A) .

Ist x = (x1, x2, . . . , xn)t ∈ Kn , so gilt mit F = ΨKK′(A) :

ΨKK′(A)(x) = F( n∑j=1

xj ejt)

=n∑j=1

xj F (ejt) =n∑j=1

xj

α1jα2j

...αmj

= A · x .

Sind nun V,W ∈ VRK beliebige endlich–dimensionale Vektorraume und ΦA : V → Kn bzw.ΦB : W → Km die obigen Isomorphismen, so erhalten wir fur jedes x = (x1, x2, . . . , xn)t ∈ Kn :

(ΦB ΨAB (A) ΦA−1)(x) = (ΦB ΨAB (A))( n∑j=1

xj vj)

= ΦB( n∑j=1

xj ΨAB (A)(vj))

= ΦB( n∑j=1

xj

m∑i=1

αij wi)

= ΦB( m∑i=1

[ n∑j=1

αij xj

]wi

)

=( n∑j=1

α1j xj ,n∑j=1

α2j xj , . . . ,n∑j=1

αmj xj)t

= A · x = ΨKK′(A)(x)

⇐⇒ ΨAB (A) = ΦB−1 ΨKK′(A) ΦA

oder folgendes sogenannte kommutative Diagramm:

VΨAB (A)- W

ΦA

?

#

?

ΦB

Kn -ΨKK′(A)Km

Page 84: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

76 KAPITEL IV. LINEARE ABBILDUNGEN

Das Symbol # soll hierbei andeuten, daß das Diagramm kommutativ ist; d. h. um etwa von Vnach Km zu gelangen, kann man beide moglichen ”Wege“ nehmen.

Mit den oben eingefuhrten Bezeichnungen ergibt sich:

16.1 Satz

Die Abbildung ΨAB : Mat(m,n;K)→ HomK(V,W ) ist ein Isomorphismus mit (ΨAB )−1 = ΦAB .

Beweis:

Zur Abkurzung sei Ψ := ΨAB und Φ := ΦAB . Sind nun A,B ∈ Mat(m,n;K) sowie λ, µ ∈ K ,dann zeigen wir zunachst:

Ψ(λA+ µB) = λΨ(A) + µΨ(B) .

Dazu verwenden wir die Abbildungen ΦA : V → Kn und ΦB : W → Km . Ist noch v ∈ V undx := ΦA(v) ∈ Kn , so gilt:

(Ψ(λA+ µB))(v) = (Ψ(λA+ µB))(ΦA−1(x))= (ΦB−1(λA+ µB))(x) (nach Voruberlegung)= ΦB−1(λA · x+ µB · x) (gemaß §6)= ΦB−1(λA · x) + ΦB−1(µB · x) (Additivitat von ΦB−1 )= λΦB−1(A · x) + µΦB−1(B · x) (Homogenitat von ΦB−1 )= λ (ΦB−1 A)(x) + µ (ΦB−1 B)(x)= λΨ(A)(ΦA−1(x)) + µΨ(B)(ΦA−1(x))= λΨ(A)(v) + µΨ(B)(v) .

Also ist Ψ linear.Nach der Definition von Φ und Ψ ist Φ(Ψ(A)) = (βij) 1≤i≤m

1≤j≤n, wobei Ψ(A)(vj) =

m∑i=1

βij wi ist.

Nun gilt fur A ∈ Mat(m,n;K) :

Ψ(A)(vj) = ΦB−1(A(ΦA(vj))) = ΦB−1(A · ejt)

= ΦB−1

α1jα2j

...αmj

=m∑i=1

αij wi ,

also: (βij) = (αij) oder Φ(Ψ(A)) = A .Andererseits ist fur F ∈ HomK(V,W ) die Matrix Φ(F ) = A ∈ Mat(m,n;K) definiert durch

F (vj) =m∑i=1

αij wi mit A = (αij) 1≤i≤m1≤j≤n

. Daraus folgt, daß Ψ(Φ(F )) = Ψ(A) das Element

G ∈ HomK(V,W ) ist mit G(vj) =m∑i=1

αij wi . Wegen der eindeutigen Bestimmtheit einer

linearen Abbildung auf den Basisvektoren ist schließlich F = G , d. h.: Ψ(Φ(F )) = F . Damitgilt insgesamt: ΦΨ = idMat(m,n;K) und ΨΦ = idHomK(V,W ) . Daraus folgt die Bijektivitat

Page 85: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

§ 16. LINEARE ABBILDUNGEN UND MATRIZEN 77

von Ψ mit Ψ−1 = Φ . (Sind namlich A1, A2 ∈ Mat(m,n;K) mit Ψ(A1) = Ψ(A2) , so folgt:A1 = Φ(Ψ(A1)) = Φ(Ψ(A2)) = A2 ; also ist Ψ injektiv. Ist F ∈ HomK(V,W ) beliebig, so setzeman A := Φ(F ) , dann ist Ψ(A) = Ψ(Φ(F )) = F ; somit ist Ψ auch surjektiv. Nun ist dieUmkehrabbildung Ψ−1 schließlich eindeutig bestimmt wegenΦ = Φ idHomK(V,W ) = Φ (Ψ Ψ−1) = (Φ Ψ) Ψ−1 = idMat(m,n;K) Ψ−1 = Ψ−1 .)

16.2 Definition

ΦAB (F ) heißt die dem Homomorphismus F ∈ HomK(V,W ) bezuglich der Basen A und B zuge-ordnete Matrix oder: die darstellende Matrix von F bezuglich A und B.

16.3 Bemerkung

Ist V = Kn und W = Km mit den kanonischen Basen K bzw. K′ , so erhalten wir einenIsomorphismus

ΨKK′ : Mat(m,n;K)→ HomK(Kn,Km) .

Man kann also (m×n)-Matrizen und lineare Abbildungen von Kn nach Km miteinander ”iden-tifizieren“. Wegen ΦK = idKn und ΦK′ = idKm erhalt man: ΨKK′(A)(x) = A · x .

Sind nun V und W endlich–dimensionale Vektorraume uber K mit den Basen A bzw. B undden Isomorphismen ΦA bzw. ΦB , dann ergibt sich folgendes kommutative Diagramm fur einenHomomorphismus F = ΨAB (A) ∈ HomK(V,W ) :

V F - W

ΦA

?

#

?

ΦB

Kn -AKm

16.4 Beispiele

(i) Ist F : IR3 → IR2 gegeben durch F ((x, y, z)t) = (3x+ z , y + 2z)t , so wird F dargestellt

bezuglich der kanonischen Basen durch ΨKK′(F ) = A =(

3 0 10 1 2

), und es gilt:

F ((x, y, z)t) = A · (x, y, z)t .

(ii) Wenn eine lineare Abbildung F : IR2 → IR2 existiert, welche die Spiegelung an derersten Winkelhalbierenden beschreibt, so ist diese Abbildung durch die Bilder zweierBasisvektoren eindeutig bestimmt. Bezuglich der kanonischen Basis K = (e1

t, e2t) gilt

dann: F (e1t) = e2

t , F (e2t) = e1

t . Fur die darstellende Matrix von F erhalten wir:

A =(

0 11 0

). Es gilt mit (x1, x2)t ∈ IR2 :

F ((x1, x2)t) = F (x1 e1t + x2 e2

t) = x1 e2t + x2 e1

t =

(x2

x1

).

Page 86: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

78 KAPITEL IV. LINEARE ABBILDUNGEN

Wahlen wir nun eine andere Basis des IR2 , zum Beispiel v1 := e1t + e2

t =

(11

)und

v2 := −e1t +e2

t =

(−1

1

), so gilt wegen F (v1) = v1 und F (v2) = −v2 fur die darstellende

Matrix von F bezuglich A = (v1, v2) : ΦAA(F ) =(

1 00 −1

). Wir wollen uns noch

klarmachen, daß auch hierdurch F beschrieben wird.Ist namlich v = x1 e1

t + x2 e2t , dann gilt: v = 1

2 (x1 + x2) v1 + 12 (x2 − x1) v2 , also:

F (v) = (ΦA−1 ΦAA(F ) ΦA)(v)

= (ΦA−1 ΦAA(F ))

(12 (x1 + x2)12 (x2 − x1)

)

= ΦA−1(

12

(1 00 −1

)·(x1 + x2x2 − x1

))= ΦA−1

(12

(x1 + x2x1 − x2

))= 1

2 (x1 + x2) v1 + 12 (x1 − x2) v2

=

(12 (x1 + x2)− 1

2 (x1 − x2)12 (x1 + x2) + 1

2 (x1 − x2)

)=

(x2

x1

).

16.5 Satz

Gegeben seien nunmehr drei Vektorraume U, V,W ∈ VRK mit den endlichen DimensionendimK U = r , dimK V = n und dimKW = m sowie F ∈ HomK(U, V ) und G ∈ HomK(V,W ) .Damit ist G F ∈ HomK(U,W ) , und es gilt fur die darstellende Matrix bezuglich der BasenA = (u1, u2, . . . , ur) von U , B = (v1, v2, . . . , vn) von V und C = (w1, w2, . . . , wm) von W :

ΦAC (G F ) = ΦBC (G) · ΦAB (F ) . (∗)Sind umgekehrt A ∈ Mat(n, r;K) und B ∈ Mat(m,n;K) , so gilt:

ΨAC (B ·A) = ΨBC (B) ΨAB (A) . (∗∗)

U F - V

?

G F

G - W

ΦA

?

#

?

ΦB #

?

ΦC

Kr -AKn 6B ·A

-BKm

Beweis zu Satz 16.5:

Ist A := ΦAB (F ) und B := ΦBC (G) , dann erhalten wir durch Anwendung des IsomorphismusΨAC : Mat(m, r;K)→ HomK(U,W ) auf beide Seiten von (∗):

G F = ΨAC (B ·A) ⇐⇒ ΨBC (B) ΨAB (A) = ΨAC (B ·A) , also (∗∗) .

Page 87: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

§ 17. BASISWECHSEL 79

Damit bleibt nur (∗) zu zeigen. Ist dazu u ∈ U , so seien x := ΦA(u) ∈ Kr undz := ΦC((G F )(u)) ∈ Km . Dann ist (∗) aquivalent zu z = (B ·A) · x .Wegen (G F )(u) = G(F (u)) gilt aber: z = B · (A · x) . Das Assoziativgesetz fur die Matrix-multiplikation liefert dann: z = (B ·A) · x .

§ 17 Basiswechsel

Gegeben sei V ∈ VRK mit dimK V = n und Basis A = (v1, v2, . . . , vn) , dann gibt eseinen Isomorphismus ΦA : V → Kn . Ist A′ = (v′1, v

′2, . . . , v

′n) eine weitere Basis von V und

ΦA′ : V → Kn der entsprechende Isomorphismus, so stellt sich als erstes die Frage, wie fur einv ∈ V die ”Koordinaten“ ΦA′(v) aus den ”Koordinaten“ ΦA(v) berechnet werden konnen. Manerhalt das Diagramm:

V

ΦA #

@@@@@@R

ΦA′

Kn -TKn

das durch die lineare Abbildung T := ΦA′ ΦA−1 kommutativ wird.Dann ist T ein Isomorphismus; gemaß Bemerkung 16.3 konnen wir T mit einer (n× n)-Matrixidentifizieren, und es gilt: T = ΦAA′(idV ) .Ist nun v ∈ V und x = ΦA(v) sowie y = ΦA′(v), dann gilt: T ·x = ΦA′(ΦA−1(x)) = ΦA′(v) = y .

Gilt fur jedes v′i ∈ V : v′i :=n∑j=1

γij vj ∀i=1,2,...,n , so bilden wir die Matrix SV = S := Ct = (γij)t.

Damit ist S ∈ GL(n;K) , und wegen ΦA−1(ejt) = vj erhalten wir:

ΦA−1(S · eit) = ΦA−1

γi1γi2...γin

=n∑j=1

γij vj = v′i .

Andererseits ist ΦA′−1(eit) = v′i , also: ΦA′−1(eit) = ΦA−1(S · eit) oder ΦA′−1 = ΦA−1 S .Daher ist auch das Diagramm

V

ΦA′ #

@@@@@@R

ΦA

Kn -SVKn

kommutativ mit SV = S = ΦA ΦA′−1 .

Als Ergebnis halten wir fest:

Page 88: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

80 KAPITEL IV. LINEARE ABBILDUNGEN

17.1 Lemma (Basiswechsel)

Ist V ∈ VRK endlich–dimensional, sind A = (v1, v2, . . . , vn) und A′ = (v′1, v′2, . . . , v

′n) zwei

Basen von V , und ist v′i =n∑j=1

γij vj fur alle i = 1, 2, . . . , n mit einer invertierbaren Matrix

C = (γij) ∈ GL(n;K) , so gilt fur die Koordinaten x = ΦA(v) bzw. y = ΦA′(v) eines Vek-tors v ∈ V :

x = S · y mit S = Ct .

Beweis:

Nach den Voruberlegungen ist:

x = ΦA(v) = ΦA(ΦA′−1(y)) = ΦA(ΦA−1(S · y)) = S · y .

Nun sei noch W ∈ VRK endlich–dimensional, etwa mit dimKW = m , und F : V → Wlinear. Bezuglich der Basen A = (v1, v2, . . . , vn) von V und B = (w1, w2, . . . , wm) von Wbesitze F die darstellende Matrix ΦAB (F ) . Wahlt man neue Basen A′ = (v′1, v

′2, . . . , v

′n) in

V und B′ = (w′1, w′2, . . . , w

′m) in W , so erhalten wir die darstellende Matrix ΦA

′B′ (F ) (vgl.

Beispiel 16.4(ii)). Wie hangen diese beiden darstellenden Matrizen also zusammen?Dazu greifen wir auf die obigen kommutativen Diagramme zuruck:

KnA := ΦAB (F ) - Km

@@@

@@@I

ΦA #

ΦB

SV

6

# V F - W #

6

SW

ΦA′ #

@@@@@@R

ΦB′

Kn -B := ΦA

′B′ (F )

Km

und erhalten:

17.2 Satz (Transformationsformel fur darstellende Matrizen)

Unter den obigen Voraussetzungen und Bezeichnungen gilt: B = SW−1 ·A · SV .

Page 89: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

§ 17. BASISWECHSEL 81

Beweis:

Aus dem Diagramm entnimmt man:

F = ΦB−1 A ΦA = ΦB′−1 B ΦA′ und SV = ΦA ΦA′−1 sowie SW = ΦB ΦB′−1 .

Daraus folgt:

B = ΦB′ F ΦA′−1 = ΦB′ ΦB−1 A ΦA ΦA′−1 = SW−1 ·A · SV .

17.3 Folgerung

Ist F ∈ HomK(V, V ) ein Endomorphismus, kurz: F ∈ EndK(V ) , und sind A und A′ zwei Basen

von V , etwa A = (v1, v2, . . . , vn) und A′ = (v′1, v′2, . . . , v

′n) , mit v′i =

n∑j=1

γij vj ∀1≤i≤n , so gilt:

ΦA′A′(F ) = S−1 · ΦAA(F ) · S mit S = Ct = (γij)t .

17.4 Definition

Zwei Matrizen A,B ∈ Mat(m,n;K) heißen aquivalent, wenn es Matrizen S ∈ GL(m;K) undT ∈ GL(n;K) gibt mit B = S−1 ·A · T .Zwei quadratische Matrizen A,B ∈ Mat(n, n;K) heißen ahnlich, wenn es eine MatrixS ∈ GL(n;K) gibt mit B = S−1 ·A · S .

17.5 Beispiel

Nach Beispiel 11.6 bilden die Monome e0, e1, e2, . . . , en mit ek(x) = xk fur x ∈ IR eine Basisdes Polynomraumes Πn = <e0, e1, e2, . . . , en> ⊂ Abb(IR, IR) . Wir definieren nun Funktionen

f0, f1, f2, . . . , fn durch fk(x) :=k−1∏j=0

(x− j) fur alle x ∈ IR ; dann gilt:

f0(x) = 1 = e0(x) , f1(x) = x = e1(x) , f2(x) = x (x− 1) , f3(x) = x (x− 1) (x− 2) , . . . .

Man kann zeigen, daß auch die Familie (f0, f1, f2, . . . , fn) eine Basis von Πn bildet (vgl. Ubungs-

aufgabe 16–1a). Deshalb existieren Zahlen Si,j ∈ IR mit ei =i∑

j=0Si,j fj und Zahlen si,j ∈ IR

mit fi =i∑

j=0si,j ej . Die si,j heißen Stirling’sche25 Zahlen erster Art und Si,j Stirling’sche Zah-

len zweiter Art. Die daraus gebildeten Matrizen (sij)0≤i,j≤n und (Sij)0≤i,j≤n sind regular. Teil-weise konnen diese Zahlen berechnet oder durch Rekursionsformeln bestimmt werden. (Vgl.hierzu auch §53 aus Algebra I.)

25James Stirling, schottischer Mathematiker (? Mai 1692, †05.12.1770)

Page 90: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

82 KAPITEL IV. LINEARE ABBILDUNGEN

§ 18 Der Dualraum

18.1 Definition

Es sei V ∈ VRK ; dann heißt V ∗ := HomK(V,K) der zugehorige (algebraische) Dualraum oderkurz: Dual. Jedes Element ϕ ∈ V ∗ heißt eine Linearform (oder ein (lineares) Funktional) auf V .

18.2 Beispiel

Ist V = Kn , und sind a1, a2, . . . , an ∈ K , so wird durch die Abbildung ϕ : Kn → K mit

ϕ(x) = ϕ((x1, x2, . . . , xn)t) := (a1, a2, . . . , an) ·

x1x2...xn

eine Linearform ϕ ∈ (Kn)∗ definiert;

es gilt: ϕ(x) = a1 x1 + a2 x2 + . . . + an xn . Ein lineares Gleichungssystem laßt sich also in derForm

ϕ1(x) = α11 x1 + α12 x2 + . . . + α1n xn = β1

ϕ2(x) = α21 x1 + α22 x2 + . . . + α2n xn = β2...

...ϕm(x) = αm1 x1 + αm2 x2 + . . .+ αmn xn = βm

schreiben. Die Losungsmenge des zugehorigen homogenen linearen Gleichungssystems ist dieMenge Kerϕ1 ∩Kerϕ2 ∩ . . . ∩Kerϕm .

Aus den Uberlegungen in §15 folgt: (V ∗,+, ·) bildet einen K–Vektorraum mit der DimensiondimK V

∗ = dimK V . Also ist fur endlich–dimensionale V der zugehorige Dualraum V ∗ stetsisomorph zu V .

18.3 Satz

Ist V ∈ VRK endlich–dimensional, etwa A = (v1, v2, . . . , vn) eine Basis von V , dann existiereneindeutig bestimmte Linearformen ϕ1, ϕ2, . . . , ϕn ∈ V ∗ mit ϕi(vj) = δij fur alle 1 ≤ i, j ≤ n .Und (ϕ1, ϕ2, . . . , ϕn) ist eine Basis von V ∗ , genannt die zu A duale Basis.

Beweis:

Nach Satz 14.6 gibt es fur jedes i ∈ 1, 2, . . . , n genau ein ϕi ∈ V ∗ mit ϕi(vj) = δij . Es bleibtzu zeigen, daß (ϕ1, ϕ2, . . . , ϕn) auch eine Basis von V ∗ bildet. Sei dazu ϕ ∈ V ∗ beliebig; fur

1 ≤ i ≤ n definieren wir λi := ϕ(vi) und setzen ψ :=n∑i=1

λi ϕi . Dann gilt fur alle 1 ≤ j ≤ n :

ψ(vj) =n∑i=1

λi ϕi(vj) = λj = ϕ(vj) .

Also stimmen ϕ und ψ auf einer Basis und damit auf ganz V ∗ uberein. Somit gilt:

V ∗ = <ϕ1, ϕ2, . . . , ϕn> .

Zur linearen Unabhangigkeit sein∑i=1

λi ϕi = 0 , d. h.n∑i=1

λi ϕi(v) = 0 fur jedes v ∈ V . Durch

Einsetzen der Basisvektoren aus (v1, v2, . . . , vn) erhalten wir: λ1 = λ2 = . . . = λn = 0 .

Page 91: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

§ 18. DER DUALRAUM 83

18.4 Folgerung

Es sei V ∈ VRK endlich–dimensional. Dann gilt:

a) Zu jedem v ∈ V mit v 6= 0 existiert ein lineares Funktional ϕ ∈ V ∗ mit ϕ(v) 6= 0 .

b) Ist v ∈ V , und gilt: ϕ(v) = 0 fur alle ϕ ∈ V ∗ , so ist v = 0 .

(Andere Sprechweise: ”Annullierung“ von v durch alle Funktionale ϕ ∈ V ∗ .)

Beweis:

a) und b) sind aquivalent. Es sei A = (v1, v2, . . . , vn) eine Basis von V und A∗ = (ϕ1, ϕ2, . . . , ϕn)

die duale Basis zu A . Ist nun v ∈ V , etwa: v =n∑i=1

λi vi , und v 6= 0 , so existiert ein Index

i0 ∈ 1, 2, . . . , n mit λi0 6= 0 . Dann gilt: ϕi0(v) =n∑i=1

λi ϕi0(vi) = λi0 6= 0 .

18.5 Definition

Ist V ∗ der Dualraum eines V ∈ VRK , so heißt V ∗∗ := (V ∗)∗ der Bidual(raum) von V . DieElemente von V ∗∗ sind Linearformen auf V ∗ , sie ordnen also jedem Funktional ϕ ∈ V ∗ einenSkalar aus dem Korper K zu.

18.6 Satz

Es sei V ∈ VRK und Φ : V → V ∗∗ definiert durch Φ(v)(ϕ) := ϕ(v) fur ein ϕ ∈ V ∗ . Dann ist Φein Monomorphismus. Ist V zusatzlich endlich–dimensional, so ist Φ sogar ein Isomorphismus.

Beweis:

Wir zeigen zuerst, daß Φ(v) linear ist fur jedes v ∈ V . Seien dazu ϕ1, ϕ2 ∈ V ∗ und λ, µ ∈ K ;dann gilt:

Φ(v)(λϕ1 + µϕ2) = (λϕ1 + µϕ2)(v)= λϕ1(v) + µϕ2(v)= λΦ(v)(ϕ1) + µΦ(v)(ϕ2) .

Also ist Φ(v) ∈ V ∗∗ fur alle v ∈ V . Nun zeigen wir die Linearitat von Φ gemaß Axiom (L).Dazu seien v1, v2 ∈ V und λ, µ ∈ K beliebig. Dann gilt fur alle Funktionale ϕ ∈ V ∗ :

Φ(λ v1 + µ v2)(ϕ) = ϕ(λ v1 + µ v2)= λϕ(v1) + µϕ(v2)= λΦ(v1)(ϕ) + µΦ(v2)(ϕ)= (λΦ(v1) + µΦ(v2))(ϕ)

⇒ Φ(λ v1 + µ v2) = λΦ(v1) + µΦ(v2) .

Page 92: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

84 KAPITEL IV. LINEARE ABBILDUNGEN

Die Injektivitat von Φ ∈ HomK(V, V ∗∗) ergibt sich durch Betrachtung von v ∈ V mit Φ(v) = 0,d. h.: Φ(v)(ϕ) = 0 ∀ϕ∈V ∗ , also mit ϕ(v) = 0 ∀ϕ∈V ∗ . Daher ergibt sich aus Folgerung 18.4b),die auch im unendlich–dimensionalen Fall gilt: v = 0 . Ist V endlich–dimensional, so gilt:

dimK V = dimK V∗ = dimK V

∗∗ .

Und Folgerung 15.3 liefert die Bijektivitat von Φ .

18.7 Definition

Es sei V ∈ VRK ; eine Linearform ϕ ∈ V ∗ und ein Vektor v ∈ V heißen zueinander orthogonal ,wenn ϕ(v) = 0 gilt. Wir schreiben dann: v ⊥ ϕ .Ist nun ∅ 6= M ⊂ V eine Teilmenge, so sei

M⊥ := ϕ ∈ V ∗ | v ⊥ ϕ fur alle v ∈M ;

und fur ∅ 6= M∗ ⊂ V ∗ sei

M∗⊥ := v ∈ V | v ⊥ ϕ fur alle ϕ ∈M∗ .

18.8 Satz

Ist V ∈ VRK und ∅ 6= M ⊂ V , dann gilt:

a) M⊥ ist ein Untervektorraum von V ∗ mit M⊥ = <M>⊥ .

b) dimK V = dimK <M>+ dimKM⊥ .

c) <M> ist ein Unterraum von (M⊥)⊥ : <M> ⊆ (M⊥)⊥ .Gleichheit gilt genau dann, wenn <M> endlich–dimensional ist.

Beweis: Ubung. ()

18.9 Definition

Gegeben seien V,W ∈ VRK und F ∈ HomK(V,W ) ; dann ist die duale Abbildung (oder trans-ponierte Abbildung) F ∗ : W ∗ → V ∗ auf folgende Art und Weise definiert:

Ist ψ ∈W ∗ , so sei F ∗(ψ) = ψ F , d. h. F ∗(ψ)(v) = ψ(F (v)) fur jedes v ∈ V .

Wir erhalten das Diagramm:

V F - Wp p p p p p p p p p p p p p p p p p p p p p p p p p pRF ∗(ψ) = ψ F

?

ψ

K

welches durch F ∗(ψ) kommutativ wird.Es laßt sich leicht zeigen, daß F ∗ ∈ HomK(W ∗, V ∗) ist.

Page 93: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

§ 18. DER DUALRAUM 85

18.10 Lemma

Sind V,W ∈ VRK endlich–dimensional, so gilt fur ein F ∈ HomK(V,W ) :

ImF ∗ = (KerF )⊥ .

Beweis:

”⊂“: Es sei ϕ ∈ ImF ∗ ; dann existiert ein ψ ∈ W ∗ mit ϕ = F ∗(ψ) , d. h. ϕ = ψ F . Istv ∈ KerF , so folgt:

ϕ(v) = ψ(F (v)) = ψ(0) = 0 , also: ϕ ∈ (KerF )⊥ .

”⊃“: Sei ϕ ∈ (KerF )⊥ ; gesucht ist ein ψ ∈W ∗ mit ϕ = F ∗(ψ) , d. h. mit ϕ = ψ F .Zur Konstruktion von ψ wahlen wir verschiedene Basen (u1, u2, . . . , us, v1, v2, . . . , vr) vonV und (w1, w2, . . . , wr, wr+1, . . . , wm) von W derart, daß (u1, u2, . . . , us) eine Basis vonKerF sowie (w1, w2, . . . , wr) eine Basis von ImF bildet und wi = F (vi) gilt fur allei = 1, 2, . . . , r (vgl. Beweis zu Satz 15.2). Wir definieren nun ψ durch

ψ(wj) :=

ϕ(vj) fur j = 1, 2, . . . , r

0 fur j = r+1, r+2, . . . ,m;

dann ist ψ ∈W ∗ . Wegen ui ∈ KerF und ϕ ∈ (KerF )⊥ folgt:

F ∗(ψ)(ui) = ψ(F (ui)) = ψ(0) = 0 = ϕ(ui) fur alle i = 1, 2, . . . , ssowie F ∗(ψ)(vj) = ψ(F (vj)) = ψ(wj) = ϕ(vj) fur alle j = 1, 2, . . . , r .

Damit stimmen ϕ und F ∗(ψ) auf einer Basis uberein, sind also gleich.

Page 94: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

Kapitel V

Eigenwerte

Von nun an sei K ein Korper der Charakteristik charK = 0 , d. h. in K gelte stets:

1 + 1 + . . .+ 1︸ ︷︷ ︸n Summanden

6= 0

fur alle n ∈ IN∗ . (Naheres hierzu siehe Definition 55.11 in Algebra I.)

Wir stellen uns fur K speziell Q , IR oder C vor.Jeder Korper der Charakteristik 0 enthalt unendlich viele Elemente (vgl. auch Satz 57.9a).

§ 19 Grundlegende Begriffe

Unser Ziel in diesem Kapitel ist die Beschreibung von linearen Abbildungen F ∈ EndK(V ) mitdimK V = n <∞ , die moglichst ”einfache“ darstellende Matrizen ΦBA(F ) bzw. ΦBB(F ) besitzen.Grundlegend ist hierbei die Transformationsformel 17.2: B = S−1 ·A · S , wenn im Urbildraumund im Bildraum die gleiche Basis B bzw. B′ gewahlt wird sowie A = ΦBB(F ) bzw. B = ΦB

′B′(F )

ist. Gesucht wird nun eine Basis B′ von V derart, daß B moglichst ”einfache“ Gestalt hat; fernerist eine Methode gefragt, wie man die Transformationsmatrix S finden kann.

Als Beispiel betrachten wir die Spiegelung F ∈ EndIR(IR2) an der ersten Winkelhalbierenden(vgl. Beispiel 16.4(ii)). Bezuglich der Basis A = (v1, v2) := ((1, 1)t, (−1, 1)t) hat die darstellendeMatrix A = ΦAA(F ) ∈ Mat(2, 2; IR) eine einfache Gestalt. Es gilt namlich:

F (v1) = v1 , F (v2) = −v2 und damit: F (α v1 + β v2) = α v1 − β v2 ∀α,β∈IR

sowie A =

(1 00 −1

). Immer dann, wenn F (vi) = λi vi ist, ergibt sich eine Diagonalmatrix

als darstellende Matrix von F .

Wir wollen diese Beobachtung verallgemeinern:

19.1 Definition

Es seien V ∈ VRK ein K–Vektorraum und F ∈ EndK(V ) ein Endomorphismus. Ein Skalarλ ∈ K heißt ein Eigenwert von F , wenn ein Vektor x ∈ V \ 0 mit F (x) = λx existiert. Ein

86

Page 95: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

§ 19. GRUNDLEGENDE BEGRIFFE 87

solches x nennt man dann einen Eigenvektor von F zum Eigenwert λ .Der Untervektorraum

V (λ) = Vλ := x ∈ V | F (x) = λx = Ker (λ idV −F )

von V heißt der Eigenraum von F zum Eigenwert λ .

19.2 Bemerkung

Ist V ∈ VRK und dimK V = n sowie F ∈ EndK(V ) , so sind folgende Aussagen aquivalent:

(i) Es gibt eine Basis von V , die nur aus Eigenvektoren von F besteht.

(ii) Es existiert eine Basis B von V derart, daß ΦBB(F ) eine Diagonalmatrix ist, d. h. daß gilt:

ΦBB(F ) =

λ1 0

λ2. . .0 λn

.

Beweis:

Ist etwa B = (v1, v2, . . . , vn) eine Basis von V , dann gilt nach §16 fur die darstellende Matrix

A = (αij) = ΦBB(F ) von F : F (vj) =n∑i=1

αij vi , d. h. die Spalten von A sind die Koordinaten-

vektoren von F (v1), F (v2), . . . , F (vn) bezuglich (v1, v2, . . . , vn) .

”(i) ⇒ (ii)“: Ist jedes vj ein Eigenvektor von F , so existiert zu jedem j ∈ 1, 2, . . . , n einλj ∈ K mit F (vj) = λj vj ; daraus ergibt sich fur die j-te Spalte von A dieDarstellung:

Aj = (0, 0, . . . , 0, λj , 0, 0, . . . , 0)t .

Dabei steht der Eigenwert λj jeweils in der j-ten Zeile von A .

”(ii) ⇒ (i)“: folgt entsprechend aus der Voruberlegung. X

Leider besitzt im allgemeinen nicht jedes F ∈ EndK(V ) die Eigenschaft, daß V eine Basis auslauter Eigenvektoren hat. Wir konnen aber ein hinreichendes Kriterium fur die Existenz einersolchen Basis angeben:

19.3 Lemma

(i) Sind v1, v2, . . . , vm Eigenvektoren zu paarweise verschiedenen Eigenwerten λ1, λ2, . . . , λmvon F ∈ EndK(V ) , so sind v1, v2, . . . , vm linear unabhangig.

(ii) Ist speziell dimK V = n , und besitzt F paarweise verschiedene Eigenwerte λ1, λ2, . . . , λn ,dann gibt es stets eine Basis von V aus Eigenvektoren.

Page 96: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

88 KAPITEL V. EIGENWERTE

Beweis zu Lemma 19.3:

zu (i): Wir zeigen die Behauptung durch vollstandige Induktion nach m .Der Fall m = 1 ist wegen v1 6= 0 klar. Sei nun m ≥ 2 und das Lemma fur die

Aussage mit m− 1 bewiesen. Ist dannm∑i=1

αi vi = 0 mit α1, α2, . . . , αm ∈ K , so folgtaus

0 = λm 0 = λm

m∑i=1

αi vi =m∑i=1

λm αi vi und 0 = F (0) =m∑i=1

αi F (vi) =m∑i=1

αi λi vi

durch Subtraktion:

0 =m∑i=1

αi (λm − λi) vi =m−1∑i=1

αi (λm − λi) vi .

Nach Induktionsvoraussetzung sind v1, v2, . . . , vm−1 linear unabhangig; also erhaltman: αi (λm − λi) = 0 fur alle i = 1, 2, . . . ,m− 1 . Wegen λm − λi 6= 0 ergibt sichdaraus: α1 = α2 = . . . = αm−1 = 0 , und aus αm vm = 0 folgt wegen vm 6= 0 auch:αm = 0 .

zu (ii): ist ein Sonderfall von (i). (Man verwende Bemerkung 3.16(i).) X

Wie erhalt man nun die Eigenwerte eines Endomorphismus? — Dazu stellen wir folgende Uber-legung an:Ist F ∈ EndK(V ) und λ ∈ K sowie Vλ = Ker (λ idV −F ) , so ist λ genau dann ein Eigenwertvon F , wenn Vλ 6= 0 ist, d. h. wenn die lineare Abbildung λ idV −F ∈ HomK(V, V ) nichtinjektiv ist. Gilt: dimK V = n < ∞ , so ist dies (nach Korollar 14.7) aquivalent dazu, daßλ idV −F nicht bijektiv ist. Im allgemeinen ist die letztere Bedingung schwacher.Das fuhrt zu:

19.4 Definition

Ist V ∈ VRK und F ∈ EndK(V ) , so heißt λ ∈ K ein Spektralwert von F , wenn λ idV −Fnicht bijektiv ist, d. h. kein Automorphismus auf V ist.Die Menge aller Spektralwerte von F heißt das Spektrum von F und wird mit σ(F ) bezeichnet.

19.5 Bemerkung

Die Menge aller Eigenwerte eines Endomorphismus ist stets eine Teilmenge des Spektrums. Istdabei dimK V = n <∞ , so stimmen beide Mengen uberein.Gilt: dimK V = n und G ∈ EndK(V ) , dann ergibt sich aus der Kommutativitat des Diagramms

V G - V

ΦB

?

#

?

ΦB

Kn -ΦBB(G)Kn

Page 97: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

§ 19. GRUNDLEGENDE BEGRIFFE 89

daß G genau dann bijektiv wird, wenn ΦBB(G) eine bijektive Abbildung von Kn in sich beschreibt,d. h. wenn die darstellende Matrix von G regular ist.Dies wenden wir auf G := λ idV −F an.

19.6 Lemma

Es sei dimK V = n mit V ∈ VRK . Dann sind fur F ∈ EndK(V ) und λ ∈ K folgende Aussagenaquivalent:

(i) λ ist Eigenwert von F , d. h.: λ ∈ σ(F ) .

(ii) Es gilt: det (λEn−A) = 0 , wobei A die darstellende Matrix von F bezuglich irgendeinerBasis von V ist.

Beweis:

Nach den Voruberlegungen ist λ genau dann ein Eigenwert von F , wenn λ idV −F nicht bijektivist. Ist nun B = (v1, v2, . . . , vn) eine beliebige Basis von V und A = ΦBB(F ) , so ergibt sich diebehauptete Aquivalenz daraus, daß die darstellende Matrix

ΦBB(λ idV −F ) = ΦBB(λ idV )− ΦBB(F )

= λ · ΦBB(idV )− ΦBB(F )

= λEn −A

singular ist. Dies ist aquivalent dazu, daß det (λEn −A) = 0 gilt.

19.7 Definition

Es sei dimK V = n . Ein Endomorphismus F ∈ EndK(V ) heißt diagonalisierbar, wenn V eineBasis aus Eigenvektoren von F besitzt. Ist A = ΦBB(F ) die darstellende Matrix von F bezuglicheiner Basis B von V , so heißt die Abbildung pA : K → K mit

pA(t) := det (t En −A) fur alle t ∈ K

das charakteristische Polynom von A.Wenn wir zeigen konnen, daß pA unabhangig ist von der Wahl der Basis B , so konnen wir pAauch das charakteristische Polynom von F nennen. Wir schreiben dann statt dessen: pF .

19.8 Lemma

Sind A,B ∈ Mat(n, n;K) zwei ahnliche Matrizen, so gilt stets: pA = pB .Speziell ist also das charakteristische Polynom unabhangig von der Wahl der Basis B in V .

Page 98: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

90 KAPITEL V. EIGENWERTE

Beweis zu Lemma 19.8:

Nach Definition 17.4 gilt: B = S−1 · A · S mit einem S ∈ GL(n;K) ; fur jedes t ∈ K folgtdaher: t En = S−1 · t En · S , also:

t En −B = S−1 · t En · S − S−1 ·A · S = S−1 · (t En −A) · S .

Und der Determinanten–Multiplikationssatz (D12) aus Satz 11.2 liefert fur alle t ∈ K :

pB(t) = det (t En −B) = detS−1 · det (t En −A) · detS

= detS−1 · detS · pA(t)

= det (S−1 · S) · pA(t) = detEn · pA(t) (D3)= pA(t) .

19.9 Bemerkung

Ist K = 0, 1 der Korper mit zwei Elementen, und besitzt F ∈ EndK(K2) die darstellende

Matrix A =

(1 00 0

)bezuglich der kanonischen Basis K von K2 , so gilt: pA(t) = t (t− 1)

mit pA(0) = pA(1) = 0 . Also ist pA das Nullpolynom, obwohl die Koeffizienten von pA nichtverschwinden. Um dieses Phanomen zu vermeiden, hatten wir charK = 2 , also 1 + 1 = 0 ,anfangs ausgeschlossen durch die generelle Voraussetzung charK = 0 .

§ 20 Diagonalisierbarkeit

In §19 haben wir bisher von diagonalisierbaren Homomorphismen, von Eigenwerten und Eigen-vektoren sowie Eigenraumen von Homomorphismen gesprochen.Wir wollen diese Begriffe Eigenwert, Eigenvektor und Eigenraum auf quadratische Matrizenubertragen bzw. von einer diagonalisierbaren Matrix A sprechen, wenn die analoge Eigenschaftfur den ”kanonischen“ Homomorphismus ΨKK(A) = F gilt bezuglich der kanonischen Basis Kvon Kn , d. h. hier fur den Endomorphismus F ∈ EndK(Kn) mit F (x) = A · x .(Die entsprechenden Begriffe fur eine Matrix A entnehme man also einfach den Definitionen 19.7und 19.1 fur endlich–dimensionales V .)

Zur Bestimmung von Eigenwerten von A wird das charakteristische Polynom pA der Matrixherangezogen. Ist denn pA uberhaupt ein Polynom im ublichen Sinne? — Nach der Leibniz’schenFormel aus Satz 11.3 erhalten wir fur eine quadratische Matrix A = (αij) ∈ Mat(n, n;K) :

pA(t) = det (t En −A) = (−1)n · det (A− t En)

= (−1)n ·

∣∣∣∣∣∣∣∣∣∣∣

α11−t α12 α13 · · · α1n

α21 α22−t α23 · · · α2n

α31 α32 α33−t . . .......

.... . . . . . αn−1,n

αn1 αn2 · · · αn,n−1 αnn−t

∣∣∣∣∣∣∣∣∣∣∣= (−1)n ·

( n∏i=1

(αii − t) +∑

σ∈Sn\idsignσ · β1,σ(1) · β2,σ(2) · . . . · βn,σ(n)

)

Page 99: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

§ 20. DIAGONALISIERBARKEIT 91

mit βij := αij fur alle i 6= j und βii := αii− t . Fur jedes σ ∈ Sn\id existieren (mindestens)zwei Indizes k, l ∈ 1, 2, . . . , n mit k 6= σ(k) und l 6= σ(l) . Daher gilt fur alle t ∈ K weiter:

(−1)n · pA(t) =n∏i=1

(αii − t) + qA(t)

mit qA ∈ Πn−2 . Also folgt fur ein geeignetes qA ∈ Πn−2 :

pA(t) =n∏i=1

(t− αii) + qA(t) .

Damit hat das charakteristische Polynom pA einer (n× n)-Matrix A die Form:

pA(t) =n∑i=0

αi ti

mit Koeffizienten

αn = 1 , αn−1 = −n∑i=1

αii = − sp(A) und α0 = pA(0) = det (−A) = (−1)n · detA ,

ist also tatsachlich ein Polynom pA ∈ Πn vom Grad ≤ n im Sinne von Beispiel 2.7a).

Wir wollen nun noch einige Eigenschaften von Polynomen zusammenstellen:

20.1 Bemerkung

Es sei kurz Π :=⋃n≥0

Πn mit dem Polynomraum Πn ⊂ Abb(K,K) entsprechend zu Bei-

spiel 2.7a). Ist p ∈ Π ein Polynom, etwa: p(t) :=n∑i=0

αi ti mit Koeffizienten αi ∈ K sowie mit

t ∈ K , dann heißt

grad p :=

−∞ , falls α0 = α1 = α2 = . . . = αn = 0maxi ∈ IN | αi 6= 0

der Grad von p.

Sind p, q ∈ Π zwei Polynome, etwa p mit der Darstellung wie oben und q(t) =m∑j=0

βj tj mit

βj ∈ K , so gilt fur alle t ∈ K :

(p · q)(t) =n+m∑i=0

γi ti mit γi :=

i∑k=0

αk βi−k fur jedes i = 0, 1, 2, . . . , n+m ,

wobei αk = 0 fur alle k > n und βi−k = 0 fur alle i− k > m sein soll. Dann ist

grad(p · q) = grad p+ grad q

mit −∞+m = n+ (−∞) = −∞+ (−∞) = −∞ als Vereinbarung.Ferner gilt: grad(p+ q) ≤ maxgrad p , grad q .

Page 100: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

92 KAPITEL V. EIGENWERTE

20.2 Satz (Division mit Rest)

Zu P,Q ∈ Π mit gradQ ≥ 0 existieren eindeutig bestimmte Polynome q, r ∈ Π mit

P = Q · q + r und grad r < gradQ .

Beweis:

(i) Zur Eindeutigkeit: Es seien q, r, q′, r′ ∈ Π mit P = Q·q+r = Q·q′+r′ und grad r < gradQsowie grad r′ < gradQ . Dann folgt:

(q − q′) ·Q = r′ − r mit grad(r′ − r) ≤ maxgrad r′ , grad r < gradQ .

Ware nun q − q′ 6= 0 , so mußte folgen:

grad(r′ − r) = grad ((q − q′) ·Q) = grad(q − q′) + gradQ ≥ gradQ

im Widerspruch zu grad(r′ − r) < gradQ . Also ist stets q − q′ = 0 und damit auchr′ − r = 0 .

(ii) Zur Existenz: Ist P = 0 das Nullpolynom oder gradP < gradQ , so wahle man einfach:

q = 0 . Gilt jedoch: gradP ≥ gradQ — d. h. fur P (t) =n∑i=0

αi ti und Q(t) =

m∑j=0

βj tj

mit αn 6= 0 und βm 6= 0 ist n ≥ m —, so definieren wir ein Polynom P1 ∈ Π durch

P1(t) := P (t)− αnβm

tn−m ·Q(t) .

Dann ist entweder P1 = 0 , d. h. gradP1 = −∞ , oder gradP1 =: n1 < n . Gilt: n1 < m ,so setzt man q(t) :=

αnβm

tn−m . Im Falle n1 ≥ m wiederholen wir den obigen Schritt mit

P1 statt mit P , d. h.:

P2(t) := P1(t)− γn1

βmtn1−m ·Q(t) fur P1(t) =

n1∑i=0

γi ti mit γn1 6= 0 .

Dann gilt: gradP2 =: n2 < n1 und

P2(t) = P (t)−[αnβm

tn−m +γn1

βmtn1−m

]·Q(t) .

Ist dabei nun n2 = gradP2 < m , so setze man fur q(t) den obigen Term in eckigenKlammern. Anderenfalls fuhre man diesen oben gemachten Schritt noch einmal aus. Nachendlich vielen Schritten bricht das Verfahren schließlich ab, und wir erhalten das Ergebnisder Division P ÷Q mit Rest r .

Page 101: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

§ 20. DIAGONALISIERBARKEIT 93

20.3 Beispiel

Es seien K = IR sowie P (t) = 3 t3 + 2 t + 1 und Q(t) = t2 − 4 t zwei Polynome. Der Beweiszu Satz 20.2 ergibt die Polynomdivision:

(3 t3 + 0·t2 + 2 t + 1) : (t2 − 4 t) = 3 t+ 12 +50 t+ 1t2 − 4 t− (3 t3 − 12 t2)

12 t2 + 2 t [= P1(t)]− (12 t2 − 48 t)

50 t + 1 [= P2(t)]

oder:P (t) = 3 t2 + 2 t+ 1 = (t2 − 4 t) · (3 t+ 12) + (50 t+ 1) = Q(t) · q(t) + r(t) .

20.4 Korollar

(i) Zu jedem Polynom P ∈ Π und jedem λ ∈ K gibt es stets ein q ∈ Π mit

P (t) = (t− λ) · q(t) + P (λ) fur alle t ∈ K .

(ii) Ist λ ∈ K eine Nullstelle von P ∈ Π mit gradP ≥ 1 , d. h. gilt: P (λ) = 0 , so gibt es einPolynom q ∈ Π mit

P (t) = (t− λ) · q(t) fur alle t ∈ K .

(iii) Jedes Polynom P ∈ Π mit gradP ≥ 0 hat hochstens gradP Nullstellen in K .

Beweis:

zu (i): Man setze Q(t) := t−λ fur alle t ∈ K . Mit Satz 20.2 gilt: P (t) = (t−λ) · q(t) + r(t)mit grad r < 1 , d. h.: r = 0 oder r(t) = α 6= 0 . Und t = λ eingesetzt, ergibt:α = r(λ) = P (λ) .

zu (ii): folgt direkt aus (i). X

zu (iii): Mehrmalige Anwendung von (ii) liefert: P (t) =m∏i=1

(t − λi) · q(t) , wobei q ∈ Π ein

Polynom ohne Nullstellen in K ist. Nach der Grad–Formel aus Bemerkung 20.1 lautet

dann die Anzahl der Nullstellen: m = grad( m∏i=1

(t− λi))≤ gradP .

20.5 Definition

Ist P ∈ Π ein Polynom mit gradP ≥ 0 und λ ∈ K , so heißt

µ(P ;λ) := max r ∈ IN | P (t) = (t− λ)r ·Q(t) mit Q ∈ Π

die Vielfachheit der Nullstelle λ von P .

Page 102: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

94 KAPITEL V. EIGENWERTE

Ein Korper K heißt algebraisch abgeschlossen, falls jedes Polynom P ∈ Π mit gradP ≥ 1 eineNullstelle λ ∈ K besitzt.

Uber derartigen Korpern kann man Polynome stets vollstandig in Linearfaktoren zerlegen. Dasbedeutet:Fur ein Polynom der Form P (t) =

n∑i=0

ai ti mit n ≥ 1 und an 6= 0 , gilt nach unseren

Voruberlegungen fur alle t ∈ K :

P (t) = an

n∏i=1

(t− λi) = an

k∏j=1

(t− λij )rj ,

wobei λi1 , λi2 , . . . , λik ∈ K die k paarweise verschiedenen Nullstellen von P seien (also mitk ≤ n ) und wobei jeweils rj := µ(P ;λij ) die Vielfachheit von λij fur jedes j = 1, 2, . . . , k sei.

Aus ”Gradgrunden“ ist dann:k∑j=1

rj = n = gradP . Und ein solches q(t) = (t− λi) nennt man

einen Linearfaktor von P (wegen grad q = 1 ).

Meistens beweist man mit Hilfsmitteln der Funktionentheorie (etwa in Analysis IV):

20.6 Satz (Fundamentalsatz der Algebra)

Der Korper K = C der komplexen Zahlen ist algebraisch abgeschlossen.

Als Folgerung daraus erhalten wir:

20.7 Satz

(i) Jeder Endomorphismus F ∈ HomC(V, V ) mit dimC V = n besitzt genau n Eigenwertein C .

(ii) Ist F ∈ HomIR(V, V ) und dimIR V = n ungerade, so hat F (mindestens) einen Eigenwertin IR .

(iii) Ist A ∈ Mat(n, n; C) eine Matrix mit reellen Eintragen und λ ∈ C ein Eigenwert von A ,so ist auch26 λ ein Eigenwert von A ; ferner gilt: µ(pA;λ) = µ(pA;λ) .

(iv) Ist A ∈ Mat(n, n; C) mit27 AH := At = A , so besitzt A nur reelle Eigenwerte.

Beweis:

zu (i): liefert der Fundamentalsatz der Algebra. X

zu (ii): zeigt man z. B. in Analysis I.

26Mit λ := a− b i ∈ C bezeichnet man die zu λ = a+ b i konjugiert komplexe Zahl. Somit: A := (αij) .27Man spricht von Hermite’schen Matrizen; vgl. hierzu Definition 26.4 in Lineare Algebra II.

Page 103: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

§ 20. DIAGONALISIERBARKEIT 95

zu (iii): Aus A · x = λx mit Eigenvektor x ∈ Cn \ 0 folgt fur reelles A :

A · x = A · x = A · x = λx = λx

mit x ∈ Cn \ 0 . Also ist auch λ ein Eigenwert von A .Um die andere Behauptung zu zeigen, genugt es zu beweisen, daß aus µ(pA;λ) ≥ kfur k ∈ IN∗ stets µ(pA;λ) ≥ k folgt.Fur λ = λ ist die behauptete Aussage trivial; im Falle λ 6= λ betrachten wir dasPolynom Qλ ∈ Π2 mit reellen Koeffizienten:

Qλ(t) := (t− λ) · (t− λ) = t2 − (λ+ λ) t+ λλ = t2 − 2 (Reλ) t+ |λ|2 .

Dann ist pA(t) = qA(t) ·Qλ(t) fur ein Polynom qA ∈ Πn−2 mit reellen Koeffizienten.Durch vollstandige Induktion nach k zeigt man nun, daß aus µ(pA;λ) ≥ k folgt:

pA(t) = Pk(t) · (Qλ(t))k

mit einem weiteren Polynom Pk mit reellen Koeffizienten. Also ist µ(pA;λ) ≥ k . Istnun µ(pA;λ) = k, so ergibt unsere Voruberlegung: µ(pA;λ) = k. Denn: Angenommen,es ware µ(pA;λ) > k , so folgte: µ(pA;λ) = µ(pA;λ) > k im Widerspruch zurVoraussetzung µ(pA;λ) = k.(Nun ein paar Hinweise zu den verwendeten Darstellungen pA(t) = qA(t) ·Qλ(t) undpA(t) = Pk(t) · (Qλ(t))k :Nach Satz 20.2 existieren zu pA und Qλ Polynome qA und r mit reellen Koeffizientenund

pA = Qλ · qA + r sowie grad r < gradQλ = 2 .

Fassen wir diese Polynome als Polynome mit komplexen Koeffizienten auf, so giltdiese Beziehung ebenfalls. Durch Einsetzen von λ und λ folgt: r(λ) = r(λ) = 0 .Wegen λ 6= λ muß r = 0 sein. Dies ergibt die erste gesuchte Faktorisierung furk = 1 , indem wir P1 = qA wahlen.Zur zweiten Aussage: Ist k > 1 , so gilt nach Induktionsvoraussetzung:

pA(t) = Pk−1(t) · (Qλ(t))k−1 ;

wegen µ(pA;λ) ≥ k muß dabei Pk−1(λ) = 0 sein. Da Pk−1 reelle Koeffizientenbesitzt, ist auch Pk−1(λ) = 0 . Wenden wir schließlich unsere oben durchgefuhrtenUberlegungen auf Pk−1 statt auf pA an, so folgt: Pk−1 = Pk ·Qλ mit einem PolynomPk mit reellen Koeffizienten. Insgesamt erhalten wir also durch Einsetzen:

pA(t) = Pk−1(t) · (Qλ(t))k−1 = Pk(t) ·Qλ(t) · (Qλ(t))k−1 = Pk(t) · (Qλ(t))k .)

zu (iv): Ist λ ∈ C ein beliebiger Eigenwert von A mit Eigenvektor x ∈ Cn \ 0 , d. h. istA · x = λx , so folgt:

λxH · x = xH · (λx) = xH · (A · x) = (xH ·AH) · x = (x t ·A t) · x =

= (A · x)t · x = (λx)t · x = (λx t) · x = λ (x t · x) = λxH · x .

Nun gilt fur x = (x1, x2, . . . , xn)t ∈ Cn \ 0 :

xH · x = (x1, x2, . . . , xn) ·

x1x2...xn

=n∑i=1

xi xi =n∑i=1

|xi|2 > 0 ;

Page 104: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

96 KAPITEL V. EIGENWERTE

also ergibt sich aus λxH ·x = λxH ·x mit Division auf beiden Seiten durch den SkalarxH · x > 0 die Behauptung: λ = λ , d. h.: λ ∈ IR .

Zur Vorbereitung fur die Charakterisierung der Diagonalisierbarkeit beweisen wir:

20.8 Lemma

Ist V ∈ VRK endlich–dimensional, F ∈ HomK(V, V ) und λ ∈ K ein Eigenwert von F , so giltfur pA als charakteristisches Polynom von F stets: µ(pA;λ) ≥ dimK V (λ) .

Beweis:

Ist (v1, v2, . . . , vr) eine Basis des Eigenraums V (λ) von F , so erganzen wir diese zu einer BasisB := (v1, v2, . . . , vr, vr+1, vr+2, . . . , vn) von V . Fur die darstellende Matrix A = ΦBB(F ) giltdann:

A =

λ 0

λ ∗. . .0 λ

0 A′

r Zeilen

n− r Zeilen

.

Damit ist (gemaß Ubungsaufgabe 11/13–7):

pA(t) = det (t En −A) = det (t Er − λEr) · det (t En−r −A′) = (t− λ)r · det (t En−r −A′) .

Also folgt sofort die behauptete Ungleichung: µ(pA;λ) ≥ r = dimK V (λ) .

20.9 Beispiel

Ist F ∈ HomIR(IR2, IR2) gegeben durch F(xy

)=(y0

)und K die kanonische Basis des IR2 , so

gilt nach der aus §16 bekannten Merkregel:

A = ΦKK(F ) =

(0 10 0

)und damit: pA(t) = det

(t −10 t

)= t2 .

Also haben wir: µ(pA; 0) = 2. Andererseits liefert V (0) = KerF =(

x0

) ∣∣∣ x ∈ IR als DimensiondimIR V (0) = 1 . Es gilt also hier: µ(pA; 0) > dimV (0) . Somit ist F nicht diagonalisierbar; dennsonst ware A zur Nullmatrix ahnlich: A = S−1 · 0 · S = 0 im Widerspruch zu A 6= 0 .

Page 105: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

§ 20. DIAGONALISIERBARKEIT 97

Allgemein erhalten wir das Theorem:

20.10 Satz

Es seien V ∈ VRK ein Vektorraum mit endlicher Dimension dimK V = n und F ∈ EndK(V )ein Endomorphismus. Dann sind folgende Aussagen aquivalent:

(i) F ist diagonalisierbar.

(ii) a) Das charakteristische Polynom von F zerfallt in Linearfaktoren, d. h. fur alle t ∈ Kgilt:

pF (t) =k∏j=1

(t− λj)rj

mit paarweise verschiedenen Nullstellen λ1, λ2, . . . , λk ∈ K und zugehorigen Viel-

fachheiten rj ∈ IN∗ fur jedes j = 1, 2, . . . , k sowiek∑j=1

rj = n .

b) Es ist µ(pF ;λj) = dimK V (λj) fur alle j = 1, 2, . . . , k .

(iii) Es gilt: V = V (λ1)⊕ V (λ2)⊕ . . .⊕ V (λk) , d. h. (gemaß Bemerkung 4.8(ii)):

V = V (λ1) + V (λ2) + . . .+ V (λk) mit V (λi) ∩k∑j=1j 6=i

V (λj) = 0 ∀1≤i≤k .

Beweis:

Es seien λ1, λ2, . . . , λk die paarweise verschiedenen Eigenwerte von F sowie Wj := V (λj) derjeweilige Eigenraum mit Dimension sj := dimKWj und Basis (v(j)

1 , v(j)2 , . . . , v

(j)sj ) . Dann bildet

B := (v(1)1 , v

(1)2 , . . . , v

(1)s1, v

(2)1 , v

(2)2 , . . . , v

(2)s2, . . . , v

(k)1 , v

(k)2 , . . . , v

(k)sk

)

eine linear unabhangige Familie in V . Denn aus

s1∑j=1

α(1)j v

(1)j︸ ︷︷ ︸

=:w1∈W1

+s2∑j=1

α(2)j v

(2)j︸ ︷︷ ︸

=:w2∈W2

+ . . . +sk∑j=1

α(k)j v

(k)j︸ ︷︷ ︸

=:wk∈Wk

= 0

folgt mit Lemma 19.3: w1 = w2 = . . . = wk = 0 und daraus: α(j)1 = α

(j)2 = . . . = α

(j)sj = 0 fur

alle 1 ≤ j ≤ k . Ferner gilt nach Lemma 19.3 fur jedes i = 1, 2, . . . , k :

(∗) Wi ∩k∑j=1j 6=i

Wj = 0 .

Also ist W :=k∑j=1

Wj eine direkte Summe, d. h.: W =k⊕j=1

Wj , und sukzessive Anwendung von

Satz 4.3 liefert:

Page 106: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

98 KAPITEL V. EIGENWERTE

dimKW =k∑j=1

dimKWj . (∗∗)

Nach Lemma 20.8 ist

s :=k∑j=1

sj ≤k∑j=1

µ(pF ;λj) ≤ grad pF = dimK V = n . (∗∗∗)

”(i) ⇔ (ii)“: F ist genau dann diagonalisierbar, wenn B eine Basis von V bildet, d. h. wenns = n gilt. Dies ist gemaß (∗∗∗) aquivalent zu (ii).

”(i) ⇔ (iii)“: Wegen s = dimKW (vgl. (∗∗)) ist s = n gleichbedeutend mit der Aussage:W = W1 +W2 + . . .+Wk = V , was nach (∗) zu (iii) aquivalent ist.

20.11 Beispiel

Sei F : IR3 → IR3 gegeben durch F ((x, y, z)t) = A · (x, y, z)t mit A :=

0 −1 1−3 −2 3−2 −2 3

. Danngilt:

pA(t) =

∣∣∣∣∣∣∣t 1 −13 t+ 2 −32 2 t− 3

∣∣∣∣∣∣∣ = t3 − t2 − t+ 1 = (t− 1)2 · (t+ 1) .

Also sind λ1 = 1 und λ2 = −1 die einzigen Eigenwerte von F . Bezuglich der kanonischenBasis K des IR3 haben wir:

V (1) = x ∈ IR3 | (E3 −A) · x = 0 =x ∈ IR3

∣∣∣ 1 1 −1

3 3 −32 2 −2

· x = 0.

Der Losungsraum dieses homogenen linearen Gleichungssystems ergibt sich etwa mit Hilfe desGauß–Algorithmus aus §9. Wegen rg(E3 − A) = 1 gilt: dimIR V (1) = 3 − 1 = 2 = µ(pA; 1) .Eine Basis von V (1) ist z. B. ((1, 0, 1)t, (−1, 1, 0)t) . Ferner ist dimIR V (−1) = 1 = µ(pA;−1);und eine Basis von V (−1) erhalten wir mit Hilfe des Gleichungssystemes (−E3 − A) · x = 0 ,also aus: −1 1 −1

3 1 −32 2 −4

· x = 0 .

Der Gauß–Algorithmus liefert dafur: −1 1 −10 4 −60 0 0

· x =

000

und damit als Basis von V (−1) z. B. den Vektor (1, 3, 2)t . Daher ist

B :=( 1

01

, −1

10

, 1

32

)

Page 107: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

§ 20. DIAGONALISIERBARKEIT 99

eine Basis des IR3 aus lauter Eigenvektoren. Bezuglich dieser Basis hat F die darstellende Matrix

ΦBB(F ) =

1 0 00 1 00 0 −1

.

Wie sieht nun die Transformationsmatrix fur den Basiswechsel von der kanonischen Basis K zurBasis B im IR3 aus? — Tragen wir die Komponenten der Basis B als Spaltenvektoren in eineMatrix ein, d. h. ist

T :=

1 −1 10 1 31 0 2

∈ GL(3; IR) ,

so gilt nach Lemma 17.1 fur die Koordinaten bezuglich B der Zusammenhang: y = T · x .Die Inversion von T ergibt:

T−1 =12

−2 −2 4−3 −1 3

1 1 −1

.

Wenn wir richtig gerechnet haben, muß gelten: ΦBB(F ) = T−1 ·A · T .(Man kann zur Probe auch die Koordinatenvektoren von B uberprufen. So hat (1, 0, 1)t bezug-lich B die Koordinaten (1, 0, 0)t , (−1, 1, 0)t hat die Koordinaten (0, 1, 0)t , und (1, 3, 2)t besitztdie Koordinaten (0, 0,−1)t .)

20.12 Beispiel

Wir betrachten eine Drehung Fα : IR2 → IR2 um den Nullpunkt des IR2 mit dem Winkel αgegen den Uhrzeigersinn; dann ist

Fα(e1t) = (cosα , sinα)t und Fα(e2

t) = (− sinα , cosα)t ,

wie wir etwa aus folgender Skizze entnehmen konnen:

- x

6

y

-

e1t

6e2t

..................................

..................................

..................................

.....*

...........................................................................................................

K

r .................................

α

Fα(e1t)

Fα(e2t)

Damit ist

ΦKK(Fα) =

(cosα − sinαsinα cosα

)=: Aα

die darstellende Matrix. Die Additionstheoreme fur Sinus und Cosinus (aus Analysis I) liefern:

ΦKK(Fα Fβ) = ΦKK(Fβ Fα) = ΦKK(Fα+β) =

(cos(α+ β) − sin(α+ β)sin(α+ β) cos(α+ β)

).

Wann besitzt Fα nun Eigenwerte? — Wir erhalten das charakteristische Polynom als

pFα(t) = pAα(t) =

∣∣∣∣∣ t− cosα sinα− sinα t− cosα

∣∣∣∣∣ = t2 − 2 t · cosα+ 1 .

Page 108: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

100 KAPITEL V. EIGENWERTE

Und pAα hat genau dann eine reelle Nullstelle, wenn gilt:

cos2 α− 1 ≥ 0 , d. h.: cos2 α = 1 , also: cosα = 1 ⇐⇒ α = 0 ∨ α = π (mod 2π) .

Somit ist Fα also nur dann diagonalisierbar, wenn (modulo 360) entweder gar nicht (0) oderum 180 gedreht wird. Alle anderen Drehungen sind nicht diagonalisierbar.

§ 21 Trigonalisierbarkeit

In Satz 20.10 haben wir gesehen, daß die Diagonalisierbarkeit zu zwei Bedingungen aquivalent ist.Welche Eigenschaft besitzt nun ein Endomorphismus F ∈ HomK(V, V ) bzw. seine darstellendeMatrix, wenn in Satz 20.10 nur die Teilaussage (ii) a) erfullt ist?

21.1 Definition

Es sei F ∈ EndK(V ) mit dimK V = n ; dann heißt F trigonalisierbar, wenn eine Basis B vonV existiert, so daß ΦBB(F ) = (αij) eine obere Dreiecksmatrix ist, d. h.:

ΦBB(F ) =

α11 α12 · · · α1n

0 α22 · · · α2n...

. . . . . ....

0 · · · 0 αnn

.

Eine quadratische Matrix A ∈ Mat(n, n;K) heißt trigonalisierbar, wenn der EndomorphismusΨKK(A) trigonalisierbar ist. Nach der Transformationsformel 17.2 ist dies aquivalent zur Existenzeiner Matrix T ∈ GL(n;K) mit

T−1 ·A · T =

α11 α12 · · · α1n

α22 · · · α2n. . .

...0αnn

.

21.2 Satz

Sei dimK V = n und F ∈ EndK(V ) . Dann sind folgende Aussagen aquivalent:

(i) Der Endomorphismus F ist trigonalisierbar.

(ii) Das charakteristische Polynom von F zerfallt in Linearfaktoren.

Beweis:

”(i) ⇒ (ii)“: Es gilt fur alle t ∈ K einfach:

pF (t) = det

t−α11 −α12 · · · −α1n

t−α22. . .

.... . . −αn−1,n0

t−αnn

(D9)=n∏i=1

(t− αii) .

Page 109: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

§ 21. TRIGONALISIERBARKEIT 101

”(ii) ⇒ (i)“: Beweis durch vollstandige Induktion nach n :

Fur n = 1 ist nichts zu zeigen. XSei n > 1 und λ1 ∈ K ein Eigenwert von F mit Eigenvektor v1 ∈ V . Wir erganzen(v1) nach Satz 3.13 zu einer Basis von V , etwa B := (v1, w2, w3, . . . , wn) , und definierenV1 := <v1> sowie W := <w2, w3, . . . , wn> . Wir spalten die eingeschrankte AbbildungF |W in zwei Abbildungen G : W → V1 und H : W → W auf mit F |W = G + H . Ist

dazu w ∈ W , so gibt es Skalare µ1, µ2, . . . , µn ∈ K mit F (w) = µ1 v1 +n∑i=2

µiwi ; wir

setzen weiter: G(w) := µ1 v1 , H(w) :=n∑i=2

µiwi und erhalten so: G ∈ HomK(W,V1) und

H ∈ HomK(W,W ) . Nun gilt mit den Koordinaten von F (wi) bezuglich der Basis B dieDarstellung:

F (v1)↓

F (w2)↓

F (w3)↓

··· F (wn)↓

A = ΦBB(F ) =

λ1 ∗ ∗ · · · ∗00... B

0

fur ein B ∈ Mat(n−1 , n−1 ;K) . Ist B′ = (w2, w3, . . . , wn) eine Basis von W , dann giltmit den Koordinaten von H(wi) entsprechend:

ΦB′B′(H) = B .

Nach Induktionsvoraussetzung existiert ein T ∈ GL(n−1 ;K) mit

T−1 ·B · T =

β11 β12 · · · β1,n−1

β22 · · · β2,n−1. . .

...0βn−1,n−1

.

Setzen wir schließlich S :=

1 0 · · · 00... T0

, so folgt: S ∈ GL(n;K) mit

S−1 =

1 0 · · · 00... T−1

0

wegen

S · S−1 =

1 0 · · · 00... T0

·

1 0 · · · 00... T−1

0

=

1 0 · · · 00... T ·T−1

0

= En .

Page 110: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

102 KAPITEL V. EIGENWERTE

Damit gilt:

S−1 ·A · S =

1 0 · · · 00... T−1

0

·λ1 ∗ · · · ∗0... B0

·

1 0 · · · 00... T0

=

λ1 ∗ · · · ∗0... T−1 ·B ·T0

=

λ1 ∗ · · · ∗0 β11 · · · β1,n−1...

. . ....

0 0 βn−1,n−1

.

21.3 Korollar

Ist V ∈ VRC mit dimC V = n , so ist jeder Endomorphismus F : V → V trigonalisierbar.

21.4 Bemerkung

Der Beweis von Satz 21.2 liefert uns ein Konstruktionsverfahren zur Trigonalisierung eines En-domorphismus F auf V ∈ VRK mit dimK V = n . Sei dazu B := (w1, w2, . . . , wn) eine Basisvon V und A := ΦBB(F ) die darstellende Matrix von F bezuglich B .

1. Schritt: Setze W1 := V , B1 := B und A1 := A ; bestimme einen Eigenvektor v1 ∈W1

zu einem Eigenwert λ1 ∈ K von F1 := F . Nach dem Austauschlemma 3.8existiert ein Index j1 ∈ 1, 2, . . . , n derart, daß

B2 := (v1, w1, w2, . . . , wj1 , . . . , wn) := (v1, w1, w2, . . . , wj1−1, wj1+1, . . . , wn)

wieder eine Basis von V ist28. Dann gilt:

ΦB2B2

(F ) =

λ1 ∗ · · · ∗0... A2

0

.

Ist W2 := <w1, w2, . . . , wj1 , . . . , wn> , so betrachte den durch A2 beschrie-benen Endomorphismus

F2 := ΨB′2

B′2(A2) ∈ HomK(W2,W2) mit B′2 = (w1, w2, . . . , wj1 , . . . , wn) .

2. Schritt: Bestimme einen Eigenvektor v2 ∈ W2 zu einem Eigenwert λ2 ∈ K von F2 .(Dann ist λ2 auch Eigenwert von F1 .) Nun wahle man einen weiteren Indexj2 ∈ 1, 2, . . . , n \ j1 derart, daß

B3 := (v1, v2, w1, w2, . . . , wj1 , . . . , wj2 , . . . , wn)28Dabei bedeute also jeweils das

”Dach“ uber dem jν-ten Basisvektor, daß dieser ausgelassen werden soll.

Page 111: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

§ 21. TRIGONALISIERBARKEIT 103

eine Basis von V bildet. Dann berechnet man die darstellende Matrix

ΦB3B3

(F ) =

λ1 ∗ ∗ · · · ∗0 λ2 ∗ · · · ∗0 0...

... A3

0 0

.

Ist W3 := <w1, w2, . . . , wj1 , . . . , wj2 , . . . , wn> mit entsprechender Wahlvon B′3, so beschreibt A3 einen Endomorphismus

F3 := ΨB′3

B′3(A3) ∈ HomK(W3,W3) .

ν-ter Schritt: So fortfahrend erreicht man nach maximal n− 1 Schritten die gewunschteDreiecksgestalt.

21.5 Beispiel

Es sei A =

3 4 3−1 0 −1

1 2 3

eine darstellende Matrix; wir erhalten pA(t) = (t− 2)3 als charak-

teristisches Polynom (mit t ∈ IR ). Damit ist A trigonalisierbar mit dem dreifachen Eigenwertλ = 2 . Wegen

V (2) =x ∈ IR3

∣∣∣ 1 4 3−1 −2 −1

1 2 1

· x = 0

ist dimIR V (2) = 1 , also A nicht diagonalisierbar.

Der 1. Schritt des Trigonalisierungsverfahrens aus Bemerkung 21.4 liefert mit dem Eigenvektorv1 = (1,−1, 1)t zu λ = 2 etwa die neue Basis B2 = (v1, e2

t, e3t) des IR3 . Beschreibt nun S1

den Basiswechsel von B1 = (e1t, e2

t, e3t) zu B2 , so gilt:

S1 =

1 0 0−1 1 0

1 0 1

, also: S1−1 =

1 0 01 1 0−1 0 1

,

und damit fur F mit F (x) := A · x :

ΦB2B2

(F ) = S1−1 ·A · S1 =

2 4 30 4 20 −2 0

=:

2 4 300 A2

.

Wir betrachten nun W2 := <e2t, e3

t> und F2 : W2 → W2 mit F2(y) := A2 ·(y2y3

)fur alle

y = y2 e2t + y3 e3

t ∈W2 .Der 2. Schritt liefert uns fur y das lineare Gleichungssystem

(A2 − 2E2) · y =

(2 2−2 −2

)· y = 0 ;

Page 112: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

104 KAPITEL V. EIGENWERTE

hieraus lesen wir ab, daß v2 = (0,−1, 1)t = −e2t + e3

t ein Eigenvektor von F2 zum Eigenwertλ = 2 ist. Wir setzen daher B3 := (v1, v2, e3

t) und erhalten fur die Transformationsmatrix S2

von B2 zu B3 im IR3 :

S2 =

1 0 00 −1 00 1 1

, also: S2−1 =

1 0 00 −1 00 1 1

.

Damit ist

ΦB3B3

(F ) = S2−1 · ΦB2

B2(F ) · S2 =

2 −1 30 2 −20 0 2

die gewunschte Trigonalisierung von F (bzw. von A ).

Bemerkung

Im Zusammenhang mit numerischen Verfahren ist es haufig wichtig, die Potenzen Ak einerquadratischen Matrix zu betrachten. Ist A = S−1 ·B ·S , dann folgt sofort: Ak = S−1 ·Bk ·S . IstA trigonalisierbar, so mussen also die Potenzen einer oberen Dreiecksmatrix berechnet werden.Dafur schreibt man die obere Dreiecksmatrix B in der Form B = D + N , wobei D eineDiagonalmatrix und N = (nij) eine echte obere Dreiecksmatrix ist, d. h. es gilt: nij = 0 furalle i = j . Uber die Form von N kann noch Genaueres ausgesagt werden.

21.6 Definition

Ist λ ∈ K (ein Eigenwert), so heißt

J := λEn +N ∈ Mat(n, n;K)

mit einer echten oberen Dreiecksmatrix N ∈ Mat(n, n;K) eine Jordan–Matrix 29 zu λ.

Eine quadratische Matrix A ∈ Mat(n, n;K) heißt nilpotent, wenn es einen Exponenten r ∈ IN∗gibt mit Ar = 0 .

Als Vorbereitung beweisen wir:

21.7 Hilfssatz

Sind M ∈ Mat(p, p;K) und N ∈ Mat(q, q;K) zwei nilpotente Matrizen und C ∈ Mat(p, q;K)vorgegeben, so existiert genau eine Matrix X ∈ Mat(p, q;K) mit X = M ·X −X ·N + C .

Beweis:

Die obige Gleichung stellt ein lineares Gleichungssystem aus p · q Gleichungen fur die p · q Ein-trage von X dar. Dieses Gleichungssystem ist genau dann eindeutig losbar, wenn das zugehorigehomogene System

X = M ·X −X ·N (∗)29Camille Marie Ennemond Jordan, franzosischer Mathematiker (?05.01.1838, †21.01.1922)

Page 113: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

§ 21. TRIGONALISIERBARKEIT 105

nur die triviale Losung besitzt. Sei also X eine (noch unbekannte) Losung von (∗). Dann folgtdurch Einsetzen von X auf der rechten Seite:

X = M · (M ·X −X ·N)− (M ·X −X ·N) ·N = M2 ·X − 2M ·X ·N +X ·N2 .

Durch vollstandige Induktion nach t kann man zeigen, daß gilt:

X =t∑

τ=0

(−1)τ(t

τ

)M t−τ ·X ·N τ .

Da M und N nilpotent sind, existieren r, s ∈ IN∗ mit M r = 0 und N s = 0 . Fur t = r+ s istdann in der obigen Summe entweder t− τ ≥ r oder τ ≥ s , also stets X = 0 .

Durch genauere Betrachtung des Beweises zu Satz 21.2 erhalten wir:

21.8 Satz

Ist A ∈ Mat(n, n;K) trigonalisierbar mit pA(t) =k∏j=1

(t − λj)rj , so ist A ahnlich zu einer

sogenannten Kastchen–Diagonalmatrix der FormA1 0 · · · 0

0 A2. . .

......

. . . . . . 00 · · · 0 Ak

,

..............................................

............................................

.............................

wobei jedes Aj := λj Erj +Nj fur j = 1, 2, . . . , k eine (rj × rj)-Jordan–Matrix zu λj ∈ K sei.

Beweis:

Wir beweisen die Behauptung durch vollstandige Induktion nach n .

Fur n = 1 ist nichts zu zeigen. XInduktionsschluß n− 1→ n : Nach Satz 21.2 ist A ahnlich zu einer Matrix

λ1 ∗ · · · ∗0... B0

mit B ∈ Mat(n− 1, n− 1;K) , und es gilt: pA(t) = (t− λ1) · pB(t) . Nach Induktionsvorausset-zung ist B ahnlich zu einer Matrix

A∗1 0 · · · 0

0 A2. . .

......

. . . . . . 00 · · · 0 Ak

Page 114: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

106 KAPITEL V. EIGENWERTE

mit ”Kastchen–Eintragen“ Aj = λj Erj + Nj ∈ Mat(rj , rj ;K) fur jedes j = 2, 3, . . . , k undA∗1 := λ1Er1−1 +N∗1 ∈ Mat(r1 − 1 , r1 − 1 ; K) . Im Fall r1 = 1 tritt dabei A∗1 gar nicht auf.Insgesamt ergibt sich so die Ahnlichkeit von A zu

C :=

A1 C2 C3 · · · Ck0 A2 0 · · · 0

0 0 A3. . .

......

.... . . . . . 0

0 0 · · · 0 Ak

mit Jordan–Matrizen Aj ∈ Mat(rj , rj ;K) fur j = 1, 2, 3, . . . , k und Cj ∈ Mat(r1, rj ;K) furj = 2, 3, . . . , k . Wir versuchen nun durch den Ansatz W−1 · C ·W , die gesuchte Kastchen–Diagonalgestalt zu erreichen. Dazu schreiben wir W in der Form

W :=

Er1 W2 W3 · · · Wk

0 Er2 0 · · · 0

0 0 Er3. . .

......

.... . . . . . 0

0 0 · · · 0 Erk

und erhalten aus

C ·W = W ·

A1 0 · · · 0

0 A2. . .

......

. . . . . . 00 · · · 0 Ak

die Bedingung: A1 ·Wj −Wj ·Aj + Cj = 0 fur alle j = 2, 3, . . . , k .Setzen wir hierin Aj = λj Erj +Nj ein, dann ergibt sich:

(λ1 − λj)Wj +N1 ·Wj −Wj ·Nj + Cj = 0 ⇐⇒ Wj =1

λj − λ1[N1 ·Wj −Wj ·Nj + Cj ]

fur j = 2, 3, . . . , k . Wegen der vorausgesetzten Nilpotenz von N1, N2, . . . , Nk existieren nachHilfssatz 21.7 stets Matrizen W2,W3, . . . ,Wk mit den geforderten Eigenschaften.

21.9 Bemerkungen

(i) Der Begriff der Jordan–Matrix wird in der Literatur nicht einheitlich benutzt. Manspricht haufig nur dann von Jordan–Matrizen J , wenn J von folgender Form ist:

J =

λ 1 0 0 · · · 0λ 1 0 · · · 0

. . . . . . . . ....

λ 1 0λ 10

λ

.

Page 115: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

§ 21. TRIGONALISIERBARKEIT 107

(ii) Ist A trigonalisierbar, so heißt die Kastchen–Diagonalmatrix aus Satz 21.8 bzw. die Ma-trix B fur

B =

J1 0 · · · 0

0 J2. . .

......

. . . . . . 00 · · · 0 Jl

mit obigen Jordan–Matrizen J1, J2, . . . , Jl die Jordan’sche Normalform von A.Fur praktische Zwecke reicht die Darstellung aus Satz 21.8. Hier, bei der zweiten Form,

ist der Fall l ≥ k erlaubt; denn z. B. hat A =

(2 00 2

)nur den zweifachen Eigenwert

λ = 2 , also: k = 1 , es ist aber l = 2 .

(iii) Ist F ∈ HomK(V, V ) bzw. A ∈ Mat(n, n;K) trigonalisierbar, so existiert eine Basis Bvon V bzw. Kn derart, daß ΦBB(F ) Jordan’sche Normalform hat.(Siehe hierzu auch [12], Anhang B.)

21.10 Satz (Satz von Cayley30–Hamilton)

Es sei V ∈ VRK mit K = IR oder K = C sowie dimK V = n . Ist F ∈ HomK(V, V ) undA = ΦBB(F ) bezuglich einer Basis B , so gilt:

pA(A) = 0 .

Beweis:

Sei zunachst K = C ; somit existiert eine Basis von V derart, daß die darstellende Matrix AKastchen–Diagonalgestalt hat. Dann gilt:

pA(t) =k∏j=1

(t− λj)rj , also: pA(A) =k∏j=1

(A− λj En)rj

mit

A− λj En =

A1−λjEr1 0 · · · 0

0 A2−λjEr2. . .

......

. . . . . . 00 · · · 0 Ak−λjErk

.

Daraus folgt:

(A− λj En)rj =

(A1−λjEr1)rj 0 · · · 0

0 (A2−λjEr2)rj. . .

......

. . . . . . 00 · · · 0 (Ak−λjErk)rj

,

30Arthur Cayley, englischer Mathematiker und Jurist (?16.08.1821, †26.01.1895)

Page 116: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

108 KAPITEL V. EIGENWERTE

also:

pA(A) =

pA(A1) 0 · · · 0

0 pA(A2). . .

......

. . . . . . 00 · · · 0 pA(Ak)

mit

pA(Al) =l−1∏j=1

(Al − λj Erl)rj · (Al − λlErl)

rl ·k∏

j=l+1

(Al − λj Erl)rj

und(Al − λlErl)

rl = (λlErl +Nl − λlErl)rl = Nl

rl = 0

fur alle l = 1, 2, . . . , k . Damit erhalt man die Behauptung pA(A) = 0 .

Ist nun K = IR und B irgendeine Basis von V sowie A = ΦBB(F ) , dann fassen wir A als Elementvon Mat(n, n; C) auf und erhalten aus dem ersten Teil des Beweises: pA(A) = 0 .

21.11 Folgerung

Ist A ∈ GL(n; C) , so laßt sich A−1 mit Hilfe des charakteristischen Polynoms berechnen.

Beweis:

Es sei pA(t) =n∑k=0

ak tk ; wegen der Regularitat von A ist λ = 0 kein Eigenwert von A , also

stets a0 6= 0 . Der Satz von Cayley–Hamilton liefert:

pA(A) =n∑k=0

ak Ak = 0

oder (durch Multiplikation mit A−1 von rechts):

a0A−1 = −

n∑k=1

ak Ak−1 ⇐⇒ A−1 = −

n∑k=1

aka0Ak−1 .

21.12 Definition

Es sei A ∈ Mat(n, n;K) mit K = IR oder K = C . Dann heißt die reelle Zahl

%(A) := max |λ| ; λ ∈ K ist Eigenwert von A

der Spektralradius von A.

Der Spektralradius %(A) ist wohldefiniert fur alle A ∈ Mat(n, n; C) . Es gilt zum Beispiel:%(µA) = |µ| %(A) . Jedoch ist % keine Norm auf Mat(n, n; C) .

Page 117: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

Kapitel VI

Aquivalenzrelationen in derLinearen Algebra

§ 22 Der Begriff der Aquivalenzrelation

22.1 Definition

Gegeben sei eine beliebige Menge X 6= ∅ . Eine Teilmenge R ⊂ X ×X heißt eine Aquivalenz-relation auf X, wenn folgende Eigenschaften fur alle Elemente x, y, z ∈ X erfullt sind:

(A1) (x, x) ∈ R (R ist reflexiv).

(A2) (x, y) ∈ R ⇒ (y, x) ∈ R (R ist symmetrisch).

(A3) (x, y) ∈ R ∧ (y, z) ∈ R ⇒ (x, z) ∈ R (R ist transitiv).

An Stelle von (x, y) ∈ R schreiben wir auch: x ∼R y oder einfach: x ∼ y , wenn klar ist, umwelche Relation R es sich handelt. Wir sagen: x ist aquivalent zu y.

22.2 Beispiele

(i) Es sei X = ZZ und ein n ∈ IN∗ gewahlt; wir legen eine Relation R fest durch: Es geltea ∼ b genau dann, wenn a − b durch n teilbar ist. Hiermit wird eine Aquivalenzrelationauf ZZ definiert.

(ii) Ist V ∈ VRK und W ⊂ V ein Untervektorraum, so definiert ” v ∼ w :⇐⇒ v−w ∈W “eine Aquivalenzrelation auf V .

(iii) Auf Mat(n, n;K) entsteht eine Aquivalenzrelation ∼ durch die Festlegung:A ∼ B :⇐⇒ A und B sind ahnlich .

(iv) Ist V ∈ VRIR endlich–dimensional, so definieren wir auf der Menge aller Basen von V eineAquivalenzrelation durch: Es sei A = (v1, v2, . . . , vn) ∼ B = (w1, w2, . . . , wn) genau dann,wenn fur die Matrix S , die den Basiswechsel von A nach B beschreibt, gilt: detS > 0 .Wir nennen dann A und B gleich orientiert. Andernfalls heißen A und B entgegengesetztorientiert.

109

Page 118: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

110 KAPITEL VI. AQUIVALENZRELATIONEN IN DER LINEAREN ALGEBRA

Beweis zu Beispiel 22.2:

zu (i): Das Axiom (A1) ist klar; (A2) ebenso. X

zu (A3): Gilta− bn∈ ZZ und

b− cn∈ ZZ , so folgt direkt:

a− cn

=(a− b) + (b− c)

n=a− bn

+b− cn∈ ZZ + ZZ = ZZ .

zu (ii):

zu (A1): ist sofort klar wegen v − v = 0 ∈W .zu (A2): Mit v − w ∈W ist auch w − v = −(v − w) ∈W .zu (A3): Aus u− v ∈W und v − w ∈W folgt: u− w = (u− v) + (v − w) ∈W .

zu (iii): Nach Definition 17.4 gilt: A ∼ B genau dann, wenn ein S ∈ GL(n;K) existiert mitB = S−1 ·A · S .

zu (A1): ist trivial mit S = En .zu (A2): Aus B = S−1 ·A · S folgt fur T := S−1 direkt: T−1 ·B · T = A .zu (A3): Gilt B = S−1 ·A · S und C := T−1 ·B · T , so hat man:

C = T−1 · S−1 ·A · S · T = R−1 ·A ·R mit R := S · T ∈ GL(n;K) .

zu (iv): Es seien x die Koordinaten von v ∈ V bezuglich einer Basis A von V ,y die Koordinaten von v ∈ V bezuglich einer Basis B von V

und z die Koordinaten von v ∈ V bezuglich einer Basis C von V .

zu (A1): Es gilt: A ∼ A wegen x = En · x mit detEn = 1 > 0 .zu (A2): Ist A ∼ B , d. h.: y = T · x mit detT > 0 , so folgt: x = T−1 · y mit

detT−1 =1

detT> 0 .

zu (A3): Gilt A ∼ B und B ∼ C , d. h. ist y = T · x und z = S · y mit detT > 0 sowiedetS > 0 , dann folgt: z = S · T · x mit det (S · T ) = detS · detT > 0 .

Eine Aquivalenzrelation definiert stets eine Partition auf der zugrundeliegenden Menge X ; dasist eine Zerlegung von X =

⋃i∈I

Xi in paarweise disjunkte Teilmengen Xi 6= ∅ mit einer

geeigneten Indexmenge I 6= ∅ .(Vgl. Definition 53.1 in Algebra I.)

Dazu legen wir fest:

22.3 Definition

Gegeben sei eine Menge X mit einer Aquivalenzrelation R . Eine Teilmenge A ⊂ X heißteine Aquivalenzklasse (bezuglich R ), falls gilt:

(AK1) A 6= ∅ .

(AK2) x, y ∈ A impliziert x ∼ y .

(AK3) x ∈ A , y ∈ X und x ∼ y impliziert y ∈ A .

Page 119: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

§ 22. DER BEGRIFF DER AQUIVALENZRELATION 111

22.4 Bemerkung

Ist R eine Aquivalenzrelation auf X , so gehort jedes a ∈ X zu genau einer Aquivalenzklasse.Insbesondere gilt fur zwei beliebige Aquivalenzklassen A und A′ bezuglich R entweder: A = A′

oder: A ∩A′ = ∅ .

Beweis:

Sei a ∈ X fest vorgegeben; wir definieren eine Teilmenge Ka := x ∈ X | x ∼R a .Dann ist Ka eine Aquivalenzklasse auf X . Denn es gilt: Ka 6= ∅ wegen a ∼ a , also daher:a ∈ Ka . Ferner folgt aus x, y ∈ Ka direkt: x ∼ a und y ∼ a , d. h. gemaß (A2) und (A3):x ∼ y . Sind x ∼ a und y ∈ X mit x ∼ y , so folgt ebenfalls nach (A2) und (A3): y ∼ a , d. h.:y ∈ Ka . Also liegt jedes a ∈ X mindestens in einer Aquivalenzklasse. Angenommen, es seien Aund A′ zwei Aquivalenzklassen mit A ∩ A′ 6= ∅ , etwa: a ∈ A ∩ A′ . Wir zeigen nun: A ⊂ A′

und A′ ⊂ A , d. h.: A != A′ . Sei dazu x ∈ A ; dann ist x ∼ a , und wegen a ∈ A′ folgt auch:x ∈ A′ mit (AK3). Umgekehrt folgt aus x ∈ A′ entsprechend: x ∈ A .

22.5 Definition

Gegeben sei X mit einer Aquivalenzrelation R . Mit X/R bezeichnen wir die Menge allerAquivalenzklassen bezuglich R . Dieses X/R heißt die Quotientenmenge von X nach R.Durch die Zuordnung X 3 a 7→ Ka ∈ X/R entsteht die kanonische Abbildung (mit dem obendefinierten Ka ). Und jedes x ∈ Ka heißt ein Reprasentant der Aquivalenzklasse Ka.

22.6 Beispiel

Wir betrachten die Aquivalenzrelation aus Beispiel 22.2(iv). Die Menge M aller Basen einesVektorraums V ∈ VRIR (mit dimIR V = n ≥ 1 ) wird in zwei Aquivalenzklassen M1 ∪M2

zerlegt. Dabei sind je zwei Basen aus Mi gleich orientiert. Diese beiden Mengen M1 und M2

heißen daher die Orientierungen von V .

Sei v, w ∈ IR3 , etwa v = (x1, x2, x3)t und w = (y1, y2, y3)t ; dann wird v × w ∈ IR3 definiertdurch die bekannte symbolische Merkregel des Vektorprodukts im IR3 :

v × w :=( ∣∣∣∣∣ x2 x3

y2 x3

∣∣∣∣∣ , −∣∣∣∣∣ x1 x3

y1 y3

∣∣∣∣∣ ,∣∣∣∣∣ x1 x2

y1 y2

∣∣∣∣∣ )t=

∣∣∣∣∣∣∣e1

t e2t e3

t

x1 x2 x3

y1 y2 y3

∣∣∣∣∣∣∣ ∈ IR3 .

mit den kanonischen Einheitsvektoren e1t, e2

t, e3t ∈ IR3 .

Sind nun v und w linear unabhangig, so sind (e1t, e2

t, e3t) und (v, w, v × w) gleich orientierte

Basen. Zunachst zeigen wir, daß (v, w, v × w) tatsachlich eine Basis des IR3 bildet, daß alsov, w, v × w linear unabhangig sind.Aus α v + β w+ γ (v×w) = 0 erhalten wir ein lineares Gleichungssystem fur die Variablen

Page 120: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

112 KAPITEL VI. AQUIVALENZRELATIONEN IN DER LINEAREN ALGEBRA

α, β, γ ∈ IR mit der (3× 3)-Koeffizientenmatrix

A :=

x1 y1

∣∣∣∣∣ x2 x3

y2 y3

∣∣∣∣∣x2 y2 −

∣∣∣∣∣ x1 x3

y1 y3

∣∣∣∣∣x3 y3

∣∣∣∣∣ x1 x2

y1 y2

∣∣∣∣∣

.

Dieses homogene Gleichungssystem besitzt genau dann nur die triviale Losung α = β = γ = 0 ,wenn detA 6= 0 gilt. Nun ist (entwickelt nach der 3. Spalte)

detA =

∣∣∣∣∣ x2 x3

y2 y3

∣∣∣∣∣2

+

∣∣∣∣∣ x1 x3

y1 y3

∣∣∣∣∣2

+

∣∣∣∣∣ x1 x2

y1 y2

∣∣∣∣∣2

;

und detA = 0 gilt genau dann, wenn v, w linear abhangig sind, wahrend lineare Unabhangigkeitvorausgesetzt war. Die Transformationsmatrix von (e1

t, e2t, e3

t) zu (v, w, v × w) ist also geradedurch A ∈ GL(3; IR) gegeben.

§ 23 Der Quotientenraum

23.1 Definition

Ist V ∈ VRK und W ⊂ V ein Untervektorraum, so bezeichnen wir mit V /W die Quotien-tenmenge bezuglich der Aquivalenzrelation:

v ∼ w :⇐⇒ v − w ∈W .Wir schreiben fur die Aquivalenzklassen bezuglich ∼ , d. h. fur die Teilmengen

Kv = w ∈ V | v − w ∈W ,auch: v +W := u ∈ V | es existiert ein w ∈W mit u = v + w .(Ist namlich u ∈ Kv , dann gilt: −w := v−u ∈W , also: u = v+w mit w ∈W ; ist umgekehrtu = v + w ∈ v +W , so folgt: v − u = −w ∈W , d. h.: u ∈ Kv .)

Hierbei wurde also die Aquivalenzrelation ∼ aus Beispiel 22.2(ii) verwendet; Skizze fur V = IR2 :

V

6v

u

3v − ur

0

W

23.2 Hilfssatz

Ist V ∈ VRK und W ⊂ V ein Untervektorraum, so sind fur alle Vektoren a, b ∈ V folgendeAussagen aquivalent:

(i) a+W ⊂ b+W .

(ii) a+W = b+W .

(iii) a− b ∈W .

Page 121: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

§ 23. DER QUOTIENTENRAUM 113

Beweis zu Hilfssatz 23.2:

”(i) ⇒ (iii)“: Wegen a ∈ a + W und a + W ⊂ b + W existiert ein w ∈ W mit a = b + w ,d. h. es gilt: a− b = w ∈W .

”(iii) ⇒ (ii)“: Nach Voraussetzung existiert ein w ∈ W mit a − b = w , also mit a = b + w .Fur beliebiges v ∈W folgt damit:

a+ v = (b+ w) + v = b+ (w + v) ∈ b+W , d. h.: a+W ⊂ b+W .

Andererseits folgt wegen b− a = −w ∈W fur alle v ∈W auch:

b+ v = a+ (−w) + v = a+ (v − w) ∈ a+W , d. h.: b+W ⊂ a+W .

”(ii) ⇒ (i)“: ist klar. X

23.3 Satz

Ist V ∈ VRK und W ⊂ V ein Untervektorraum, so kann V /W durch die Addition(+) (a+W ) + (b+W ) := (a+ b) +W

und die Skalarmultiplikation( · ) α · (a+W ) := αa+W fur alle α ∈ Kzu einem Vektorraum uber K gemacht werden.

Beweis:

Zuerst mussen wir zeigen, daß durch + und · innere Verknupfungen definiert werden. Dazuuberlegen wir uns, daß die rechten Seiten von (+) bzw. ( · ) von der Wahl der Reprasentanten a, bbzw. a aus V unabhangig sind. Mit a+W = a′+W und b+W = b′+W folgt nach Hilfssatz 23.2sofort: a− a′ ∈W und b− b′ ∈W . Damit ist (a+ b)− (a′+ b′) = (a− a′) + (b− b′) ∈W , alsogemaß Hilfssatz 23.2: (a+ b) +W = (a′ + b′) +W .Entsprechend folgt aus a+W = a′+W sofort: a−a′ ∈W und damit: αa−αa′ = α (a−a′) ∈W ,also: αa+W = αa′ +W .Der Nachweis der Vektorraumaxiome (V1) und (V2) wird auf die Gultigkeit der Axiome in Vzuruckgefuhrt. So ist etwa W = 0 + W neutrales Element bezuglich + und −a + W inversesElement zu a+W . Ferner gilt z. B.: 1 · (a+W ) = 1 · a+W = a+W mit Einselement 1 ∈ K .

23.4 Bemerkung

Die in Satz 23.3 definierten Verknupfungen sind die einzigen derart, daß die kanonische Abbil-dung π : V → V /W , π(a) := a+W linear wird.

Page 122: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

114 KAPITEL VI. AQUIVALENZRELATIONEN IN DER LINEAREN ALGEBRA

Beweis zu Bemerkung 23.4:

Aus π(a) = a+W , π(b) = b+W und π(a+ b) = (a+ b) +W folgt mit der Additivitat von π :

(a+W ) + (b+W ) = (a+ b) +W .

Aus π(a) = a+W und α ∈ K sowie π(αa) = αa+W folgt wegen der Homogenitat von π :

α (a+W ) = αa+W .

23.5 Bemerkungen

Es sei V ∈ VRK und W ⊂ V ein Untervektorraum. Dann gilt bezuglich der Verknupfungenaus Satz 23.3:

(i) Kerπ = W .

(ii) Imπ = V /W .

(iii) dimKV /W = dimK V − dimKW , falls dimV <∞ ist.

Beweis:

zu (i): Es gilt: π(a) = 0V/W = W genau dann, wenn a+W = W ist, d. h. gemaß Hilfs-satz 23.2 genau dann, wenn a ∈W ist.

zu (ii): π ist nach Definition surjektiv. X

zu (iii): Nach der Dimensionsformel 15.2 gilt mit (i) und (ii):

dimV = dim Imπ + dim Kerπ = dimV /W + dimW .

23.6 Definition

Die Quotientenmenge V /W mit der Vektorraumstruktur aus Satz 23.3 heißt der Quotienten-raum von V nach W . Die Dimension von V /W nennt man auch die Kodimension von W in V .Wir schreiben dafur: codimV W = codimK,V W := dimK

V /W .Alle Unterraume W von V mit codimV W = 1 heißen auch Hyperebenen (in V ).

(Beachte: Auch wenn V und W jeweils unendlich–dimensional sind, kann V /W endlich–dimen-sional sein.)

Page 123: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

§ 23. DER QUOTIENTENRAUM 115

23.7 Satz

Gegeben seien zwei Vektorraume U, V ∈ VRK und ein Untervektor-raum W ⊂ U sowie eine lineare Abbildung F : U → V . Mit π bezeich-nen wir die kanonische Abbildung π : U → U/W . Gilt: W ⊂ KerF ,so existiert genau eine lineare Abbildung FW : U/W → V mit

F = FW π .

FW ist genau dann injektiv, wenn KerF = W gilt. Und FW ist genaudann surjektiv, wenn F surjektiv ist. Außerdem gilt der Zusammen-hang:

KerFW = KerF/W .

U π -U/W

F

?

pppppppppppppppppppppppppppFW

V

Beweis:

Zur Existenz:Wir definieren den Vektorraum–Homomorphismus FW durch FW (a+W ) := F (a) ;und wir mussen zeigen, daß F reprasentanten-unabhangig definiert ist. Sei dazu a+W = b+W ,d. h. a − b ∈ W ; wegen W ⊂ KerF folgt: F (a) − F (b) = F (a − b) = 0 , d. h.: F (a) = F (b)und damit: FW (a+W ) = FW (b+W ) .Wegen

FW ((a+W ) + (b+W )) = FW ((a+ b) +W ) = F (a+ b)= F (a) + F (b) = FW (a+W ) + FW (b+W )

und FW (α (a+W )) = FW (αa+W ) = F (αa)= αF (a) = αFW (a+W )

ist FW linear. Ferner gilt fur alle a ∈ U : (FW π)(a) = FW (a+W ) = F (a) , d. h.: F = FW π .Zur Eindeutigkeit:Ist nun GW : U/W → V eine weitere lineare Abbildung mit F = GW π , so gilt fur jedesa+W ∈ U/W :

GW (a+W ) = (GW π)(a) = F (a) = FW (a+W ) , d. h. stets: GW = FW .

Also ist FW durch F bereits eindeutig bestimmt.Zur weiteren Behauptung:Wegen FW (U/W ) = FW (π(U)) = (FW π)(U) = F (U) ist FW genau dann surjektiv, wennF selbst surjektiv ist. Da KerF ein Untervektorraum von U ist und da W ein Unterraum vonKerF ist, folgt:

KerF/W = u+W | u ∈ KerFist definiert und ein Untervektorraum von U/W . Weiter ist jedes a + W ∈ U/W ein Elementvon KerF/W . Dies ist aquivalent zu:

a ∈ KerF ⇐⇒ F (a) = 0 ⇐⇒ (FW π)(a) = 0 ⇐⇒ FW (a+W ) = 0 ⇐⇒ a+W ∈ KerFW .

Damit ist FW genau dann injektiv, wenn KerFW = 0 ⊂ U/W , d. h. KerF/W = 0 gilt.Das ist wiederum aquivalent zu KerF/W = u + W | u ∈ KerF = W = 0 + W . NachHilfssatz 23.2 bedeutet dies: u ∈ W fur alle u ∈ KerF oder: KerF ⊂ W . Zusammen mit derVoraussetzung W ⊂ KerF folgt also: W = KerF .

Page 124: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

116 KAPITEL VI. AQUIVALENZRELATIONEN IN DER LINEAREN ALGEBRA

23.8 Folgerung (Homomorphiesatz fur Vektorraume)

Sind U, V ∈ VRK und F ∈ HomK(U, V ) , so gilt:

ImF ∼= U/KerF ,

d. h. es existiert ein Isomorphismus ϕ : U/KerF → ImF .

Beweis:

Mit W := KerF gilt nach Satz 23.7: F = FW π mit einer injektiven AbbildungFW : U/KerF → V . Und wegen FW (U/KerF ) = F (U) ist FW auch eine surjektive Abbildungauf das Bild ImF , also ein Vektorraum–Isomorphismus ϕ von U/KerF auf ImF .

§ 24 Nilpotente Endomorphismen

Wir wollen uns jetzt noch einmal mit der Frage beschaftigen, wie aus der darstellenden Kastchen–Diagonalmatrix in §21 (im Fall der Trigonalisierbarkeit) durch eine Basistransformation eineKastchen–Diagonalgestalt mit Jordan–Matrizen der Form

λ 1 0 0 · · · 0λ 1 0 · · · 0

. . . . . . . . ....

λ 1 0λ 10

λ

gewonnen werden kann. Gilt (etwa bei K = C ) fur die darstellende Matrix:

A =

A1 0 · · · 0

0 A2. . .

......

. . . . . . 00 · · · 0 Ak

mit Aj = λj Erj + Nj , so ist also eine Transformationsmatrix S ∈ GL(n; C) gesucht mitS−1 ·A · S = B , wobei B eine Kastchen–Diagonalmatrix mit obigen Jordan–Eintragen sei. Wirmachen dazu den Ansatz:

S :=

S1 0 · · · 0

0 S2. . .

......

. . . . . . 00 · · · 0 Sk

mit Matrizen Sj ∈ GL(rj ; C) ; dann lautet die Inverse:

S−1 :=

S1−1 0 · · · 0

0 S2−1 . . .

......

. . . . . . 00 · · · 0 Sk

−1

.

Page 125: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

§ 24. NILPOTENTE ENDOMORPHISMEN 117

Also folgt:

S−1 ·A · S =

S1−1 ·A1 ·S1 0 · · · 0

0 S2−1 ·A2 ·S2

. . ....

.... . . . . . 0

0 · · · 0 Sk−1 ·Ak ·Sk

.

Und wegen Aj = λj Erj +Nj ergibt sich dabei fur alle j = 1, 2, . . . , k :

Sj−1 ·Aj · Sj = λj Erj + Sj

−1 ·Nj · Sj .

Wir werden nun zeigen, daß eine echte obere Dreiecksmatrix zu einer Kastchen–Diagonalmatrixvon Matrizen der Form

0 1 00

. . .

. . . 100

ahnlich ist. Wir werden hierfur unser Ergebnis in der ”Endomorphismen–Sprache“ formulieren,um auf §23 zuruckgreifen zu konnen.

24.1 Definition

Es sei V ∈ VRK und F : V → V ein Endomorphismus. F heißt nilpotent, wenn ein r ∈ IN∗existiert mit F r = 0 .

24.2 Bemerkung

Ist F : V → V nilpotent, so gibt es zu jedem Vektor a ∈ V \ 0 eine kleinste naturliche Zahlm = m(F, a) ∈ IN∗ mit Fµ(a) 6= 0 fur alle 0 ≤ µ < m und mit Fµ(a) = 0 fur alle µ ≥ m .(Gilt: F (a) = 0 , so ist m(F, a) = 1 .) Damit bildet (a, F (a), F 2(a), . . . , Fm−1(a)) eine Basis von<(Fµ(a))µ≥0> . Gilt namlich:

m−1∑µ=0

αµ Fµ(a) = α0 a+ α1 F (a) + α2 F

2(a) + . . .+ αm−1 Fm−1(a) = 0 ,

dann ergibt sich durch aufeinanderfolgendes Anwenden von Fm−1, Fm−2, . . . , F 2, F auf dieseSumme der Reihe nach: α0 = 0 , α1 = 0 , α2 = 0 , . . . , αm−2 = 0 , αm−1 = 0 .

24.3 Definition

Es sei F : V → V ein Endomorphismus; fur beliebiges a ∈ V sei U(F, a) := <(Fµ(a))µ≥0> .Ein Untervektorraum U von V heißt F -zyklisch, wenn es ein a ∈ V \0 gibt mit U = U(F, a) .(Gilt: F = 0 , so sind die F -zyklischen Untervektorraume von V genau die eindimensionalenUnterraume.)

Wir benotigen im folgenden ein paar Vorbereitungen.

Page 126: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

118 KAPITEL VI. AQUIVALENZRELATIONEN IN DER LINEAREN ALGEBRA

24.4 Hilfssatz

Es sei F : V → V nilpotent mit Fm = 0 und a ∈ V mit Fm−1(a) 6= 0 ; ferner sei U := U(F, a) .Ist dann F k(b) ∈ U fur ein b ∈ V und ein k ∈ IN∗ , so existiert ein b′ ∈ b+U mit F k(b′) = 0 .

Beweis:

Sei c := F k(b) ; dann existieren α0, α1, . . . , αm−1 ∈ K mit c =m−1∑i=0

αi Fi(a) . Wegen Fm(b) = 0

gilt: Fm−k(c) = 0 . Wenden wir der Reihe nach Fm−1, Fm−2, . . . , Fm−k auf c an, so folgt:α0 = 0 , α1 = 0 , . . . , αk−1 = 0 . Also gilt: c = F k(c′) mit

c′ = αk a+ αk+1 F (a) + αk+2 F2(a) + . . .+ αm−1 F

m−k−1(a) ∈ U .

Und fur b′ := b− c′ ∈ b+ U folgt: F k(b′) = F k(b)− F k(c′) = c− c = 0 .

24.5 Hilfssatz

Ist dimK V = n , F : V → V nilpotent mit Fm = 0 und U wie in Hilfssatz 24.4, so existiertein Vektorraum W ∈ VRK , ein G ∈ HomK(V,W ) und ein H ∈ HomK(W,W ) mit folgendenEigenschaften:

dimK V = m+ dimKW , KerG = U , ImG = W , G F = H G und Hm = 0 .

Beweis:

Wahle W := V /U und G := π : V → V /U . Wir definierenH : V /U → V /U durch H(v + U) := F (v) + U . Dann ist Hwohldefiniert; denn aus v + U = w + U , d. h. w − v ∈ U , folgtwegen F (U) ⊂ U :

F (w)− F (v) ∈ U oder H(w + U) = F (w) + U = F (v) + U .

Außerdem ist H linear mit

(H G)(v) = H(v + U) = F (v) + U = G(F (v)) = (G F )(v) .

V F - V

G

?

#

?

G

W -HW

Weiter gilt dann fur jedes k ≥ 2 :

Hk G = Hk−1 (H G) = Hk−1 (G F ) == Hk−2 (H G) F = Hk−2 (G F ) F == (Hk−2 G) F 2 = . . . = Hk G = G F k ,

also: Hm G = 0 . Wegen der Surjektivitat von G folgt dann: Hm = 0 .

24.6 Hilfssatz

Wir ubernehmen die Voraussetzungen und Bezeichnungen aus den vorhergehenden Hilfssatzen.Ist W = W1⊕W2⊕ . . .⊕Ws mit H-zyklischen Unterraumen Wi von W , so existieren Vektorena1, a2, . . . , as ∈ V derart, daß fur alle i = 1, 2, . . . , s gilt:

Page 127: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

§ 24. NILPOTENTE ENDOMORPHISMEN 119

a) Wi = U(H,G(ai)) .

b) G : U(F, ai)→Wi ist ein Isomorphismus.

Beweis:

Nach Voraussetzung existieren Vektoren bi ∈W mit Wi = U(H, bi) fur alle i = 1, 2, . . . , s . Istmi := dimKWi , so ist mi = m(H, bi) und Hmi(bi) = 0 . Da G surjektiv ist, gibt es ai ∈ Vmit bi = G(ai) ; und es gilt ebenfalls: G(ai + u) = G(ai) = bi fur alle u ∈ U . Wegen

0 = Hmi(bi) = (Hmi G)(ai) = (G Fmi)(ai) = G(Fmi(ai)) = 0

ist Fmi(ai) ∈ KerG = U . Nach Hilfssatz 24.4 existiert somit ein a′i ∈ ai +U mit Fmi(a′i) = 0 .Also sei ohne Beschrankung der Allgemeinheit: Fmi(ai) = 0 mit ai ∈ V . Aus F k(ai) = 0 folgtnun:

Hk(bi) = (Hk G)(ai) = (G F k)(ai) = 0 , also: k ≥ mi .

Damit ist dimU(F, ai) = mi = dimU(H,G(ai)) . Und wegen G(U(F, ai)) ⊂ U(H, bi) = Wi

erhalt man die Behauptung.

24.7 Satz

Ist V ∈ VRK , dimK V = n und F ∈ EndK(V ) nilpotent, so gilt: V = U1⊕U2⊕ . . .⊕Ur mitF -zyklischen Unterraumen U1, U2, . . . , Ur von V .

Beweis: durch vollstandige Induktion nach n .

Der Fall n = 1 ist klar. XIst F = 0 und (b1, b2, . . . , bn) eine Basis von V , so gilt direkt: V = <b1>⊕<b2>⊕ . . .⊕<bn>.Ist nun F 6= 0 , so gibt es ein m ∈ IN mit m ≥ 2 und Fm−1 6= 0 sowie Fm = 0 . Wir wahlenein a ∈ V mit Fm−1(a) 6= 0 ; dann ist U = U(F, a) ein F -zyklischer Unterraum von V ,und es gilt: m(F, a) = m . Ist U = V , so ist nichts mehr zu zeigen. Im Falle U 6= Vwahlen wir W ∈ VRK mit dimKW < dimK V = n und H ∈ HomK(W,W ) mit Hm = 0gemaß Hilfssatz 24.5. Nach Induktionsvoraussetzung gilt dann: W = W1 ⊕W2 ⊕ . . .⊕Ws mitH-zyklischen Unterraumen Wi von W . Nach Hilfssatz 24.6 existieren somit a1, a2, . . . , as ∈ Vmit Wi = U(H,G(ai)) und den Isomorphismen G ∈ HomK (U(F, ai),Wi) . Wir betrachtenjetzt den Summenraum U := U + U1 + U2 + . . . + Us mit Ui := U(F, ai) . Sind dann u ∈ Uund ui ∈ Ui fur i = 1, 2, . . . , s gegeben mit u +

s∑i=1

ui = 0 , so ergibt sich durch Anwendung

von G :s∑i=1

G(ui) = 0 mit G(ui) ∈ Wi . Da die Summe W1 + W2 + . . . + Ws direkt ist, folgt:

G(ui) = 0 fur 1 ≤ i ≤ s . Wegen der Bijektivitat von G auf U(F, ai) folgt weiter: ui = 0 fur

alle i = 1, 2, . . . , s und damit auch: u = 0 . Also ist auch die Summe U direkt: U = U ⊕s⊕i=1

Ui .

Wegen

dim U = dimU +s∑i=1

dimUi = m+s∑i=1

dimWi = m+ dimW = m+ (dimV −m) = dimV

folgt schließlich: U = V .

Page 128: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

120 KAPITEL VI. AQUIVALENZRELATIONEN IN DER LINEAREN ALGEBRA

24.8 Definition

Fur m ∈ IN∗ definieren wir jeweils Matrizen Nm ∈ Mat(m,m;K) durch

N1 := ( 0 ) , N2 :=

(0 10 0

), N3 :=

0 1 00 0 10 0 0

, . . . , Nm :=

0 1 0 · · · 0

0 0 1. . .

......

. . . . . . . . . 0...

. . . 0 10 · · · · · · 0 0

und nennen solche Matrizen Nm nilzyklisch.

24.9 Bemerkung

Ist K = (e1t, e2

t, . . . , emt) die kanonische Basis des Km , so gilt: Nm · eit = ei−1

t fur 1 < i ≤ mund Nm · e1

t = 0 . Insbesondere folgt daraus: Nmm = 0 , und Km ist Nm-zyklisch, d. h.

ΨKK(Nm)-zyklisch; es ist z. B.: Km = <(Nµ(emt))µ≥0> .

Umgekehrt gilt:

24.10 Lemma

Ist F : V → V nilpotent und U ⊂ V ein F -zyklischer Unterraum, so gibt es eine Basis B vonU derart, daß fur die Einschrankung F |U : U → U gilt: ΦBB(F |U ) = Nm , wobei m = dimK Uist.

Beweis:

Sei a ∈ U mit U = U(F, a) und m = m(F, a) , d. h. U = <a , F (a) , F 2(a) , . . . , Fm−1(a)> .Wir setzen bi := Fm−i(a) fur alle 1 ≤ i ≤ m und erhalten fur die darstellende MatrixA = (αij) = ΦBB(F |U ) bezuglich B = (b1, b2, . . . , bm) :

F (bj) =m∑i=1

αij bi fur 1 ≤ j ≤ m .

Und wegen

F (bj) =

Fm−j+1(a) = Fm−(j−1)(a) = bj−1 fur 1 < j ≤ m0 fur j = 1

ergibt sich: αi1 = 0 sowie αij = δi,j−1 fur alle 1 ≤ i ≤ m und 1 < j ≤ m .

24.11 Lemma

Ist V ∈ VRK und F ∈ HomK(V, V ) sowie V = U1 ⊕ U2 ⊕ . . . ⊕ Ur mit F -zyklischenUntervektorraumen U1, U2, . . . , Ur von V , und sind A1, A2, . . . , Ar darstellende Matrizen von

Page 129: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

§ 24. NILPOTENTE ENDOMORPHISMEN 121

G1 := F |U1 , G2 := F |U2 , . . . , Gr := F |Ur bezuglich der Basen B1,B2, . . . ,Br von U1, U2, . . . , Ur ,so ist jede darstellende Matrix von F zur Kastchen–Diagonalmatrix

A =

A1 0 · · · 0

0 A2. . .

......

. . . . . . 00 · · · 0 Ar

ahnlich.

Beweis:

Wir geben eine Basis B von V derart an, daß ΦBB(F ) = A ist. Dazu wahlen wir mit Hilfe vonB1 = (b1, b2, . . . , bm1) , B2 = (bm1+1, bm1+2, . . . , bm2) , . . . , Br = (bmr−1+1, bmr−1+2, . . . , bmr) dieBasis B := (b1, b2, . . . , bm1 , bm1+1, . . . , bm2 , bm2+1, . . . , bmr) von V . Dann gilt: ΦBB(F ) = A .

24.12 Satz

Ist V ∈ VRK , dimK V = n und F ∈ HomK(V, V ) nilpotent, so ist jede F zugeordnete Matrixahnlich zu einer Kastchen–Diagonalmatrix A aus nilzyklischen Matrizen A% .

Beweis:

Nach Satz 24.7 ist V = U1⊕U2⊕ . . .⊕Ur mit F -zyklischen Unterraumen U1, U2, . . . , Ur . NachLemma 24.10 existiert jeweils eine Basis B% von U% derart, daß die darstellenden Matrizen vonF |U% bezuglich B% nilzyklisch sind. Und Lemma 24.11 liefert dann die Behauptung.

24.13 Folgerung

Ist N eine nilpotente Matrix, so ist N stets ahnlich zu einer Kastchen–Diagonalmatrix vonnilzyklischen Matrixblocken.

24.14 Bemerkung

Sei nun A ∈ Mat(n, n; C) und λ ∈ C ein Eigenwert von A mit der Vielfachheit n . Dann istA ahnlich zu einer oberen Dreiecksmatrix λEn + N . Ohne Beschrankung der Allgemeinheitsei A = λEn + N ; dann ist N nilpotent, also ahnlich zu einer Kastchen–Diagonalmatrixaus nilzyklischen Matrizen. Der zugehorige Endomorphismus F ∈ EndC(Cn) ist dann gegebendurch F (x) := N · x = (A − λEn) · x . Nach Satz 24.7 gilt: Cn = U1 ⊕ U2 ⊕ . . . ⊕ Ur ,wobei Ui = U(F, ai) = <ai , F (ai) , F 2(ai) , . . . , Fni−1(ai)> und ni = dimC Ui ist fur alle1 ≤ i ≤ r . Wegen Fni(ai) = F (Fni−1(ai)) = 0 ist Fni−1(ai) ein Eigenvektor von F zumEigenwert λ . Ist nun dimC V (λ) = m , so folgt, weil in jedem Unterraum Ui ⊂ Cn bis aufskalares Vielfaches genau ein Eigenvektor zum Eigenwert λ liegt: m = r . Also ist die Anzahlder Jordan–Kastchen in der Kastchen–Diagonalmatrix aus nilzyklischen Matrizen gerade dieDimension des Eigenraumes V (λ) . Ist s ∈ IN∗ die kleinste Zahl mit F s = 0 , d. h. N s = 0 ,so gilt: ni ≤ s fur alle 1 ≤ i ≤ r . Damit ist das großte Jordan–Kastchen eine (s × s)-Matrix.

Page 130: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

122 KAPITEL VI. AQUIVALENZRELATIONEN IN DER LINEAREN ALGEBRA

Im Fall n ≤ 6 genugen die Zahlen m und s , um die Jordan’sche Normalform (bis auf einePermutation der Kastchen) explizit anzugeben (unter Verwendung von Beispiel 22.2(iii)):

Ist n = 2 und m = 2 , so ist A diagonalisierbar.

m = 1 , d. h. s = 2 , also: A ∼(λ 10 λ

).

Ist n = 3 und m = 3 , so ist A diagonalisierbar.

m = 2 , d. h. s = 2 , also: A ∼

λ 0 00 λ 10 0 λ

.

m = 1 , d. h. s = 3 , also: A ∼

λ 1 00 λ 10 0 λ

.

Ist n = 4 und m = 4 , so ist A diagonalisierbar.

m = 3 , d. h. s = 2 , also: A ∼

λ 0 0 00 λ 0 00 0 λ 10 0 0 λ

.

m = 2 und s = 3 , so folgt: A ∼

λ 0 0 00 λ 1 00 0 λ 10 0 0 λ

.

m = 2 und s = 2 , so folgt: A ∼

λ 1 0 00 λ 0 00 0 λ 10 0 0 λ

.

m = 1 und s = 4 , so folgt: A = λE4 +N4 =

λ 1 0 00 λ 1 00 0 λ 10 0 0 λ

.

Entsprechend ergeben sich die Normalformen fur n = 5 und n = 6 in Abhangigkeit von mund s . Im Fall n = 7 , m = 3 und s = 3 gibt es zwei nicht–ahnliche Matrizen, namlich:

λ 1 00 λ 1 0 00 0 λ

λ 1 00 0 λ 1 0

0 0 λ

0 0 λ

und

λ 1 00 λ 1 0 00 0 λ

0λ 1

00 λ

0 0λ 10 λ

.

Page 131: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

§ 24. NILPOTENTE ENDOMORPHISMEN 123

24.15 Beispiel

Wir betrachten die Matrix A =

3 4 3−1 0 −1

1 2 3

aus Beispiel 21.5. Nach Bemerkung 24.14 ist

A ahnlich zu

2 1 00 2 10 0 2

wegen dimV (2) = 1. Wir wollen die Basistransformation berechnen.

A ist trigonalisierbar mit der oberen Dreiecksgestalt: S−1 · A · S =

2 −1 30 2 −20 0 2

. Es geht

nun darum, die Matrix N =

0 −1 30 0 −20 0 0

zu transformieren. Es gilt: N2 =

0 0 20 0 00 0 0

und N3 = 0 . Gemaß dem Beweis zu Satz 24.7 ist ein a ∈ C3 gesucht mit N2 · a 6= 0 . Wahlenwir etwa a = e3

t , so ist N2 · e3t = (2, 0, 0)t ; also gilt:

U = U(N, e3t) = <e3

t , N · e3t , N2 · e3

t> = <e3t , (3,−2, 0)t , 2 e1

t> = C3 .

Nach dem Beweis zu Lemma 24.10 wahlen wir jetzt als Basis des C3:

b1 := N2 · e3t = 2 e1

t ,b2 := N · e3

t = (3,−2, 0)t ,b3 := e3

t

und erhalten als darstellende Matrix bezuglich B = (b1, b2, b3) die nilzyklische Matrix N3 . AlsTransformationsmatrix ergibt sich:

T =

2 3 00 −2 00 0 1

⇒ T−1 =14

2 3 00 −2 00 0 4

.

Damit gilt tatsachlich:

T−1 · (S−1 ·A · S) · T = (S · T )−1 ·A · (S · T ) =

2 1 00 2 10 0 2

= 2E3 +N3

mit

S = S1 · S2 =

1 0 0−1 1 0

1 0 1

· 1 0 0

0 −1 00 1 1

=

1 0 0−1 −1 0

1 1 1

und S−1 =

1 0 0−1 −1 0

0 1 1

. Durch Zusammenfassen ergibt sich schließlich:

S · T =

2 3 0−2 −1 0

2 1 1

und (S · T )−1 =14

−1 −3 02 2 00 4 4

.

Page 132: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

124 KAPITEL VI. AQUIVALENZRELATIONEN IN DER LINEAREN ALGEBRA

24.16 Bemerkung

Ist A ∈ Mat(n, n;K) ahnlich zur Jordan’schen Normalform

B =

J1 0 · · · 0

0 J2. . .

......

. . . . . . 00 · · · 0 Jl

mit Jordan–Matrizen Ji = λiEri + Nri , so entspricht einer anderen Anordnung der Jordan–Kastchen entlang der Diagonalen eine Permutation der Basis; also erhalt man so eine ahnlicheMatrix. Umgekehrt kann man zeigen, daß zwei Matrizen in Jordan’scher Normalform (mit obigenJordan–Kastchen) nur dann ahnlich sind, wenn sie durch eine Permutation der Jordan–Kastchenineinander ubergefuhrt werden konnen. Erst dadurch ist der Name Jordan’sche Normalformgerechtfertigt.

§ 25 Korper der Bruche

Wir wollen den Ubergang von ZZ zu Q allgemein beschreiben. Dazu benotigen wir:

25.1 Definition

Es sei (R,+, ·) ein kommutativer Ring (vgl. Definition 1.7). Ein Element a ∈ R heißt ein Null-teiler in R, wenn es ein b ∈ R \ 0 gibt mit: a · b = 0 . Ist a ∈ R \ 0 ein Nullteiler, so heißta ein eigentlicher Nullteiler in R.Den Ring R nennt man nullteilerfrei, wenn R keine eigentlichen Nullteiler enthalt. Und R heißtein Integritatsring (oder Integritatsbereich), wenn R nullteilerfrei ist und ein von 0 verschiedenesEinselement 1 besitzt.

25.2 Bemerkungen

(i) Ist ein Ring nullteilerfrei, so gilt fur a 6= 0 die Kurzungsregel : a · b = a · c ⇒ b = c .

(ii) Wir betrachten fur festes n ∈ IN∗ auf ZZ die Aquivalenzrelation aus Beispiel 22.2(i):a ∼ b :⇐⇒ a− b ist durch n teilbar .

Mit ZZn := K0,K1,K2, . . . ,Kn−1 bezeichnen wir die Menge aller Aquivalenzklassenbezuglich dieser Aquivalenzrelation ∼ . Wir konnen dann auf ZZn eine Addition und eineMultiplikation einfuhren durch

Ka +Kb := Ka+b bzw. Ka ·Kb := Ka·b .

Man kann zeigen, daß dadurch ZZn zu einem kommutativen Ring (ZZn,+, ·) mit Nullele-ment K0 und Einselement K1 wird.ZZn ist genau dann nullteilerfrei, wenn n eine Primzahl ist. Etwa in ZZ6 ist K2 ·K3 = K0 ;in ZZ12 gilt z. B.: K2 ·K3 = K2 ·K9 , obwohl K3 6= K9 ist. Ist n ≥ 2 eine Primzahl, soist ZZn sogar ein Korper.

(iii) Die ganzen Zahlen ZZ bilden einen Integritatsbereich.

Page 133: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

§ 25. KORPER DER BRUCHE 125

25.3 Satz

Es sei R ein Integritatsring. Dann gibt es einen Korper K und einen injektiven Ring–Homomor-phismus ϕ : R→ K , d. h. mit

ϕ(a+ b) = ϕ(a) + ϕ(b) und ϕ(a · b) = ϕ(a) · ϕ(b) fur alle a, b ∈ R .

Beweis:

Wir konstruieren K aus R genauso, wie Q aus ZZ konstruiert wird. Dazu sei festgelegt:X := (a, b) | a ∈ R ∧ b ∈ R \ 0 ; wir definieren auf X eine Aquivalenzrelation durch:

(a, b) ∼ (c, d) :⇐⇒ a · d = b · c .(Dann ist ∼ reflexiv und symmetrisch. Aus (a, b) ∼ (c, d) und (c, d) ∼ (e, f) folgt der Reihenach: a d · f = b c · f und b · c f = b · d e ; also: a · d · f = b · d · e . Die Kurzungsregel 25.2(i)liefert wegen d 6= 0 sofort: a · f = b · e oder (a, b) ∼ (e, f) . Also ist ∼ auch transitiv.)

Mit K bezeichnen wir die Menge aller Aquivalenzklassen von X bezuglich ∼ . Statt K(a,b)

schreiben wir:[ab

]. Auf K fuhren wir eine Addition + und eine Multiplikation · ein derart, daß

K dadurch zu einem Korper wird.

Zuvor stellen wir folgende Hilfsuberlegung an: Ist c ∈ R \ 0 und (a, b) ∈ X , dann gilt:(a, b) ∼ (a c , b c) ; denn es ist a (b c) = (a b) c = (b a) c = b (a c) .

Auf K definieren wir:[ab

]+[ cd

]:=[a d+ b c

b d

]und

[ab

]·[ cd

]:=[a cb d

].

Diese beiden Definitionen sind sinnvoll, weil mit b 6= 0 und d 6= 0 auch b d 6= 0 folgt. Außerdemsind sie reprasentanten-unabhangig. Ist namlich (a, b) ∼ (a′, b′) und (c, d) ∼ (c′, d′) , dann folgt:

a b′ = b a′ sowie c d′ = d c′ und somit:[a′ d′ + b′ c′

b′ d′

]=[a d+ b c

b d

]wegen

(a′ d′ + b′ c′) b d = a′ b d d′ + b b′ c′ d = a b′ d d′ + b b′ c d′ = b′ d′ (a d+ b c) ;

ferner ist[a′ c′b′ d′

]=[a cb d

]wegen a′ c′ b d = a′ b c′ d = a b′ c d′ = a c b′ d′ .

Man rechnet sofort nach, daß (K,+) eine abelsche Gruppe ist mit dem Nullelement[01

]; ferner

erhalten wir −[ab

]=[−ab

]als Inverses zu jedem

[ab

]. Die Multiplikation · ist kommutativ und

assoziativ. Ferner gelten die Distributivgesetze (D1) und (D2); zum Beispiel ist[ab

]·([ cd

]+[ ef

])=[ab

]·[c f + d e

d f

]=[a (c f + d e)

b (d f)

]und [a

b

]·[ cd

]+[ab

]·[ ef

]=[a cb d

]+[a eb f

]=[a c · b f + b d · a e

b d · b f

].

Aufgrund der Hilfsuberlegung stimmen dabei die rechten Seiten uberein, indem man durch b 6= 0

kurzt. Mit[11

]erhalt man das Einselement. Um zu zeigen, daß K ein Korper ist, betrachten

Page 134: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

126 KAPITEL VI. AQUIVALENZRELATIONEN IN DER LINEAREN ALGEBRA

wir[ab

]∈ K \

[01

]; dann ist a · 1 6= b · 0 = 0 und damit a 6= 0 . Somit ist auch (b, a) ∈ X und[ b

a

]∈ K mit

[ab

]·[ ba

]=[a bb a

]=[11

].

Wir definieren nun ϕ : R→ K durch ϕ(a) :=[a1

]; dann gilt fur alle a, a′ ∈ R :

ϕ(a+ a′) =[a+ a′

1

]=[a · 1 + 1 · a′

1 · 1

]=[a1

]+[a′

1

]= ϕ(a) + ϕ(a′)

und

ϕ(a · a′) =[a a′

1

]=[a · a′

1 · 1

]=[a1

]·[a′

1

]= ϕ(a) · ϕ(a′) .

Also ist ϕ tatsachlich ein Ring–Homomorphismus. Und ϕ ist eine injektive Abbildung; denn aus

ϕ(a) =[a1

]=[01

]folgt sofort: a · 1 = 1 · 0 , d. h.: a = 0 .

Damit ist der Satz bewiesen.

Wir halten noch folgende Beziehung fest fur b ∈ R \ 0 :[ab

]· ϕ(b) =

[ab

]·[ b1

]=[a bb

]=[a1

]= ϕ(a) ⇐⇒

[ab

]= ϕ(a) · ϕ(b)−1 .

Haufig ersetzt man namlich die Elemente von Imϕ aus K durch die Elemente von R . Dann istR ein Unterring von K .

25.4 Definition

Der zum Integritatsbereich (R,+, ·) gebildete Korper (K,+, ·) heißt der Quotientenkorper oderKorper der Bruche von R.

25.5 Bemerkung

Der oben konstruierte Quotientenkorper (K,+, ·) ist der kleinste Oberkorper, in den sich derIntegritatsring (R,+, ·) homomorph einbetten laßt.

(Genaueres zu den hier bereits verwendeten Begriffen findet sich in §55 und §57 aus Algebra I.)

Page 135: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

Teil 2

LINEARE ALGEBRA II

127

Page 136: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik
Page 137: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

Kapitel VII

Euklidische und unitareVektorraume

Wir beschaftigen uns jetzt mit Vektorraumen, die noch eine zusatzliche Struktur tragen.

Der Winkel zwischen Vektoren im IR2 bzw. im IR3 laßt sich mit Hilfe des sogenannten Ska-larprodukts berechnen. Durch Vergleich mit dem Kosinussatz erhalt man z. B. im IR2 fur zweiVektoren a = (a1, a2) und b = (b1, b2) die Beziehung:

‖a‖ · ‖b‖ · cosϕ = (a1, a2) ·(b1b2

)= a1 b1 + a2 b2 ;

dabei sei ϕ der (kleinere der beiden) Winkel, welcher von den Vektoren a und b eingeschlossenwird, und es sei ‖a‖ bzw. ‖b‖ die Lange der Vektoren a bzw. b, d. h.: ‖a‖ =

√a1

2 + a22 und

‖b‖ =√b12 + b22 .

Wir wollen in allgemeinen Vektorraumen mit einem Skalarprodukt Drehungen beschreiben undspeziell im IR2 oder im IR3 Ellipsen bzw. Ellipsoide drehen und die beschreibende Gleichung inAbhangigkeit vom Drehwinkel aufstellen. Ist zum Beispiel

Mε =

(x, y) ∈ IR2∣∣∣ x2

a2+y2

b2= 1

eine Ellipse um den ”Koordinatenursprung“, so soll Mε um 45 gegen den Uhrzeigersinn (umden Nullpunkt (0, 0) herum) gedreht werden. Wie lautet dann die beschreibende Gleichung furdie gedrehte Ellipse? — Solche und ahnliche Fragen behandeln wir in diesem und im nachstenKapitel.

§ 26 Skalarprodukte

26.1 Definition

Gegeben seien ein Vektorraum V ∈ VRK (uber einem kommutativen Korper K ) und eineAbbildung s : V × V → K .

129

Page 138: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

130 KAPITEL VII. EUKLIDISCHE UND UNITARE VEKTORRAUME

a) s heißt eine Bilinearform auf V , wenn s in jeder Komponente linear ist, d. h. wenn gilt:

(BF1) s(v1 + v2 , w) = s(v1, w) + s(v2, w) ,s(λ v , w) = λ s(v, w)

(BF2) s(v , w1 + w2) = s(v, w1) + s(v, w2) ,s(v , λw) = λ s(v, w)

fur alle v, v1, v2, w, w1, w2 ∈ V und λ ∈ K .

b) Eine Bilinearform s auf V ∈ VRK heißt symmetrisch, wenn fur alle v, w ∈ V gilt:

s(v, w) = s(w, v) .

c) Eine symmetrische Bilinearform s auf einem reellen Vektorraum V ∈ VRIR heißtein Skalarprodukt, wenn fur alle v ∈ V \ 0 gilt:

s(v, v) > 0 .

d) Ist K = C und erfullt s die Eigenschaft (BF1) sowie

s(v , w1 + w2) = s(v, w1) + s(v, w2)und s(v , λw) = λ s(v, w)

fur alle v, w,w1, w2 ∈ V und λ ∈ C , dann heißt s eine Sesquilinearform31 auf V .

e) Eine Sesquilinearform s auf V ∈ VRC heißt Hermite’sch32 oder eine Hermite’scheForm, wenn fur alle v, w ∈ V gilt:

s(v, w) = s(w, v) .

(Speziell gilt fur alle v ∈ V stets: s(v, v) ∈ IR .)

f) Eine Hermite’sche Form s (auf einem komplexen Vektorraum V ) heißt ein Skalarprodukt,wenn fur alle v ∈ V \ 0 gilt:

s(v, v) > 0 .

g) Ist s ein Skalarprodukt auf V ∈ VRK , so heißt V ein euklidischer33 Vektorraum im FallK = IR oder ein unitarer Vektorraum im Fall K = C .

26.2 Beispiele

a) Ist V = IRn, dann wird fur x = (x1, x2, . . . , xn) und y = (y1, y2, . . . , yn) ein Skalarprodukt sdurch

s(x, y) := x · yt =n∑i=1

xi yi

definiert. (Dies ist also konsistent mit dem Begriff Skalarprodukt aus Definition 6.6.)31Lat.–ital.:

”1 1

2fach linear“

32Charles Hermite, franzosischer Mathematiker (?24.12.1822, †14.01.1901)33Eukleides von Alexandria, genannt: Euklid, altgriechischer Mathematiker (?ca. 365 v. Chr., †ca. 300 v. Chr.)

Page 139: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

§ 26. SKALARPRODUKTE 131

b) Ist V = Cn , so wird entsprechend ein Skalarprodukt s definiert durch

s(x, y) := x · y t = x · yt =n∑i=1

xi yi .

In den Fallen a) und b) nennt man s dann das kanonische Skalarprodukt im IRn bzw. im Cn.

c) Es sei I := [−1 ; +1 ] und V := f : I → IR | f ist stetig auf I . Dann wird mit

s(f, g) :=∫ +1

−1f(t) · g(t) dt

fur f, g ∈ V ein Skalarprodukt s auf dem reellen Vektorraum V erklart.

d) Ist I = [−1 ; 1 ] und V := f ∈ Abb(I, C) | f ist stetig auf I , so wird durch

s(f, g) :=∫ 1

−1f(t) · g(t) dt

entsprechend ein Skalarprodukt s auf dem komplexen Vektorraum V erklart.

26.3 Bemerkung

Es ist ublich, bei Skalarprodukten 〈f, g〉 anstatt s(f, g) zu schreiben.Um simultan die Falle K = IR bzw. K = C bei Skalarprodukten behandeln zu konnen,schreiben wir kunftig IK an Stelle von IR bzw. C .

Ist nun V ∈ VRIK mit dimIK V = n und B = (v1, v2, . . . , vn) eine Basis von V , v :=n∑i=1

xi vi

und w :=n∑i=1

yi vi mit xi, yi ∈ IK fur alle 1 ≤ i ≤ n sowie s eine symmetrische Bilinearform

bzw. eine Hermite’sche Form auf V , dann gilt:

s(v, w) =n∑i=1

xi · s(vi, w) =n∑i=1

xi ·n∑j=1

yj s(vi, vj)

= (x1, x2, . . . , xn)︸ ︷︷ ︸= ΦB(v)t

·

s(v1, v1) s(v1, v2) · · · s(v1, vn)s(v2, v1) s(v2, v2) · · · s(v2, vn)

......

...s(vn, v1) s(vn, v2) · · · s(vn, vn)

·y1

y2...yn

︸ ︷︷ ︸= ΦB(w)

.

26.4 Definition

Ist V ∈ VRIK mit der Basis B = (v1, v2, . . . , vn) und s eine symmetrische Bilinearform (bzw.Hermite’sche Form) auf V wie oben, so heißt

ΦB(s) := (s(vi, vj))1≤i,j≤n ∈ Mat(n, n; IK)

die darstellende Matrix von s bezuglich B.Aus Bemerkung 26.3 folgt direkt die Symmetrie von ΦB(s) im Fall IK = IR (vgl. Definition 6.8)und ΦB(s)H := ΦB(s)

t= ΦB(s)t = ΦB(s) im Fall IK = C (vgl. Satz 20.7(iv)).

Matrizen A ∈ Mat(n, n; C) mit der Eigenschaft AH = A heißen Hermite’sch.

Page 140: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

132 KAPITEL VII. EUKLIDISCHE UND UNITARE VEKTORRAUME

26.5 Lemma

Ist V ∈ VRIK mit der Basis B = (v1, v2, . . . , vn) (also dimIK V = n), so wird durch die Zuordnungf : s 7→ ΦB(s) eine bijektive Abbildung von der Menge der symmetrischen Bilinearformen (bzw.Hermite’schen Formen) auf V in die Menge der symmetrischen (bzw. Hermite’schen) Matrizenaus Mat(n, n; IK) definiert.

Beweis:

Ist A ∈ Mat(n, n; IK) , v =n∑i=1

xi vi und w =n∑i=1

yi vi , dann definieren wir sA durch

sA(v, w) := (x1, x2, . . . , xn) ·A · (y1, y2, . . . , yn)t .

Ist IK = IR und A symmetrisch, so ist sA eine symmetrische Bilinearform auf V wegen

sA(v, w) = sA(v, w)t = (y1, y2, . . . , yn) ·At · (x1, x2, . . . , xn)t

= (y1, y2, . . . , yn) ·A · (x1, x2, . . . , xn)t

= sA(w, v) .

Im Fall IK = C und A Hermite’sch folgt entsprechend, daß sA eine Hermite’sche Form auf Vist. Bezeichnen wir die Abbildung A 7→ sA mit g , so gilt fur A = (αij) :

(f g)(A) = f(sA) = ΦB(sA) = (βij)1≤i,j≤n

mitβij = sA(vi, vj) = ei ·A · ejt = ei ·Aj = αij .

Entsprechend gilt: (g f)(s) = g(ΦB(s)) = sΦB(s) =: r mit

r(v, w) = (x1, x2, . . . , xn) · ΦB(s) · (y1, y2, . . . , yn)t

= (x1, x2, . . . , xn) · (s(vi, vj))1≤i,j≤n · (y1, y2, . . . , yn)t

= s(v, w) .

Aus f g = id und g f = id folgt dann die Behauptung.

26.6 Satz

Es sei V ∈ VRIK endlich–dimensional und s eine symmetrische Bilinearform bzw. eine Her-mite’sche Form auf V ; ferner seien B = (v1, v2, . . . , vn) und B′ = (v′1, v

′2, . . . , v

′n) zwei Basen

von V sowie T := ΦBB′(idV ) ∈ GL(n; IK) die Transformationsmatrix des Basiswechsels von Bnach B′ .Ist dann A := ΦB(s) und B := ΦB′(s) , so gilt: A = T t ·B · T .

Beweis:

Seien v =n∑i=1

xi vi und w =n∑i=1

yi vi aus V gegeben; ist dann v =n∑i=1

x′i v′i und w =

n∑i=1

y′i v′i ,

so gilt nach Lemma 17.1 (aus Lineare Algebra I):

(x′1, x′2, . . . , x

′n)t = T · (x1, x2, . . . , xn)t und (y′1, y

′2, . . . , y

′n)t = T · (y1, y2, . . . , yn)t .

Page 141: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

§ 26. SKALARPRODUKTE 133

Daraus folgt (mit dem Beweis zu Lemma 26.5):

s(v, w) = sΦB′ (s)(v, w) = sB(v, w)

= (x′1, x′2, . . . , x

′n) ·B · (y′1, y′2, . . . , y′n)t

= (x′1, x′2, . . . , x

′n) ·B · (y′1, y′2, . . . , y′n)t

= (x1, x2, . . . , xn) · T t ·B · T · (y1, y2, . . . , yn)t

= (x1, x2, . . . , xn) · T t ·B · T · (y1, y2, . . . , yn)t

= sΦB(s)(v, w) = sA(v, w)= (x1, x2, . . . , xn) ·A · (y1, y2, . . . , yn)t .

26.7 Definition

Es sei s eine symmetrische Bilinearform (oder Hermite’sche Form) auf V ∈ VRIK ; dann heißtdie Abbildung

qs : V → IR mit qs(v) := s(v, v)

die zugeordnete quadratische Form.Und qs (bzw. s) heißt positiv definit, wenn fur alle Vektoren v ∈ V \ 0 gilt: qs(v) > 0 .Gilt fur v ∈ V nur die Ungleichung: qs(v) ≥ 0 , so heißt qs (bzw. s) positiv semidefinit.Und qs (bzw. s) heißt indefinit, wenn es Vektoren v, w ∈ V gibt mit qs(v) < 0 und qs(w) > 0 .

26.8 Bemerkungen

(i) Eine symmetrische Bilinearform (bzw. Hermite’sche Form) s ist genau dann ein Skalar-produkt, wenn s positiv definit ist.

(ii) Im Fall IK = IR gilt folgende Beziehung zwischen der symmetrischen Bilinearform s undder zugeordneten quadratischen Form qs :

s(v, w) =14

[qs(v + w)− qs(v − w)] =12

[qs(v + w)− qs(v)− qs(w)] .

(iii) Im Fall IK = C gilt fur eine Hermite’sche Form s und die zugeordnete quadratischeForm qs der Zusammenhang:

s(v, w) =14

[qs(v + w)− qs(v − w) + i qs(v + i w)− i qs(v − i w)]

mit i2 = −1 .

(iv) Gemaß Lemma 26.5 erhalten wir durch eine symmetrische (bzw. Hermite’sche) MatrixA ∈ Mat(n, n; IK) eine quadratische Form qA auf dem IKn mit

qA(x) := sA(x, x) = (x1, x2, . . . , xn) ·A · (x1, x2, . . . , xn)t = x ·A · x t = x ·A · xH

fur alle x =n∑i=1

xi ei ∈ IKn .

Das fuhrt zu:

Page 142: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

134 KAPITEL VII. EUKLIDISCHE UND UNITARE VEKTORRAUME

26.9 Definition

Eine symmetrische (bzw. Hermite’sche) Matrix A ∈ Mat(n, n; IK) heißt positiv definit, wennfur alle Vektoren x ∈ IKn \ 0 gilt:

x ·A · xH > 0 .

26.10 Bemerkung

Ist A ∈ Mat(n, n; IK) positiv definit, so ist A stets regular.

Eine Diagonalmatrix ist genau dann positiv definit, wenn alle Diagonaleintrage positiv sind.

§ 27 Orthogonalisierung

In einem Vektorraum V ∈ VRIK mit Skalarprodukt 〈·, ·〉 kann man die Lange (den Betrag oderdie Norm) eines Vektors v ∈ V kanonisch einfuhren durch:

‖ · ‖ : V → IR , v 7→ ‖v‖ := 〈v, v〉12 =

√〈v, v〉 .

Wie man leicht nachpruft, gelten dann die folgenden charakteristischen Eigenschafteneiner Norm ‖ · ‖ auf V :

(N1) ‖v‖ = 0 ⇐⇒ v = 0 .

(N2) ‖λ v‖ = |λ| ‖v‖ fur alle v ∈ V und λ ∈ IK .

(N3) ‖v + w‖ ≤ ‖v‖+ ‖w‖ fur alle v, w ∈ V .

Es laßt sich ferner sofort zeigen, daß aus diesen Axiomen (N1) – (N3) die Eigenschaft ‖v‖ ≥ 0fur alle v ∈ V folgt.

Ein Vektor v ∈ V mit ‖v‖ = 1 heißt ein Einheitsvektor.

Das dritte Axiom (N3), die sogenannte Dreiecksungleichung, kann auf folgenden Satz zuruck-gefuhrt werden:

27.1 Satz (Ungleichung von Cauchy34–Schwarz35–Bunjakowski36)

Sei V ∈ VRIK ein Vektorraum mit Skalarprodukt 〈·, ·〉 ; dann gilt fur alle Vektoren v, w ∈ V :

|〈v, w〉| 5 ‖v‖ · ‖w‖ .

In dieser Ungleichung steht genau dann das Gleichheitszeichen, wenn v und w linear abhangigsind.

(Oftmals findet man diesen Satz auch als Cauchy–Schwarz’sche Ungleichung .)34Augustin–Louis de Cauchy, franzosischer Mathematiker (?21.08.1789, †22.05.1857)35Karl Hermann Amandus Schwarz, deutscher Mathematiker (?25.01.1843, †30.11.1921)36Viktor Jakowlewitsch Bunjakowski, russischer Mathematiker (?16.12.1804, †12.12.1889)

Page 143: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

§ 27. ORTHOGONALISIERUNG 135

Beweis zu Satz 27.1:

Fur w = 0 ist die Behauptung klar. X

Gilt: w 6= 0 , also insbesondere: ‖w‖ 6= 0 , dann erhalten wir mit λ :=〈v, w〉‖w‖2

=〈w, v〉‖w‖2

:

0 ≤ 〈v − λw , v − λw〉= 〈v, v〉 − λ 〈w, v〉 − λ 〈v, w〉+ λλ 〈w,w〉

= 〈v, v〉 − |〈w, v〉|2

‖w‖2− |〈v, w〉|

2

‖w‖2+|〈v, w〉|2

‖w‖4‖w‖2

= ‖v‖2 − |〈v, w〉|2

‖w‖2.

Multiplikation auf beiden Seiten mit ‖w‖2 > 0 liefert:

‖v‖2 · ‖w‖2 − |〈v, w〉|2 ≥ 0 .

Gilt (im Fall w 6= 0 ) das Gleichheitszeichen, so ist 0 = v − λw = v − 〈v, w〉‖w‖2

w ; also sind v

und w linear abhangig. Sind umgekehrt v und w linear abhangig, etwa v = µw mit µ ∈ IK , sofolgt:

|〈v, w〉| = |µ| |〈w,w〉| = |µ| · ‖w‖2 = |µ| ‖w‖ · ‖w‖ = ‖µw‖ · ‖w‖ = ‖v‖ · ‖w‖ .

Hieraus ergibt sich dann die Dreiecksungleichung fur Normen:

27.2 Korollar (Minkowski’sche37 Ungleichung)

Ist V ∈ VRIK mit einem Skalarprodukt 〈·, ·〉 versehen, so gilt fur alle Vektoren v, w ∈ V :

‖v + w‖ ≤ ‖v‖+ ‖w‖ .

Beweis:

Wegen Reλ ≤√

(Reλ)2 + (Imλ)2 = |λ| gilt:

‖v + w‖2 = 〈v + w , v + w〉 = ‖v‖2 + 〈v, w〉+ 〈w, v〉+ ‖w‖2

= ‖v‖2 + 〈v, w〉+ 〈v, w〉+ ‖w‖2

= ‖v‖2 + 2 Re〈v, w〉+ ‖w‖2

≤ ‖v‖2 + 2 |〈v, w〉|+ ‖w‖2

≤ ‖v‖2 + 2 ‖v‖ · ‖w‖+ ‖w‖2 nach Satz 27.1

= (‖v‖+ ‖w‖)2 .

37Hermann Minkowski, deutscher Mathematiker und Physiker (?22.06.1864, †12.01.1909)

Page 144: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

136 KAPITEL VII. EUKLIDISCHE UND UNITARE VEKTORRAUME

Eine Norm ‖·‖ auf einem Vektorraum V ∈ VRIK induziert in kanonischer Weise eine Abstands-funktion oder Metrik d auf V durch38:

d : V × V → IR , (v, w) 7→ d(v, w) := ‖v − w‖ ,die durch folgende Eigenschaften charakterisiert ist:

(M1) d(v, w) = 0 ⇐⇒ v = w .(M2) d(v, w) = d(w, v) (Symmetrie).(M3) d(u,w) ≤ d(u, v) + d(v, w) (Dreiecksungleichung).

Dabei seien u , v und w beliebige Elemente aus V .Aus diesen Axiomen (M1) – (M3) erhalt man entsprechend die Eigenschaft: d(v, w) ≥ 0 furalle v, w ∈ V . Mit d(v, w) mißt man also den Abstand zweier Vektoren.

27.3 Bemerkungen

(i) Es sei V ∈ VRIK euklidisch bzw. unitar; dann gilt fur alle Vektoren v, w ∈ V :

a) ‖v + w‖2 = ‖v‖2 + ‖w‖2 + 〈v, w〉+ 〈w, v〉 (Satz des Pythagoras39

in allgemeiner Form).b) ‖v + w‖2 + ‖v − w‖2 = 2 (‖v‖2 + ‖w‖2) (Parallelogrammgleichung).

(ii) Es sei V ∈ VRIK ein Vektorraum mit einer Norm ‖ · ‖ . Es existiert genau dann ein Ska-larprodukt s auf V mit ‖v‖ = (s(v, v))

12 fur alle v ∈ V , wenn ‖ · ‖ die obige Parallelo-

grammgleichung erfullt.

Dieser Satz geht auf J. v. Neumann40 und P. Jordan41 und das Jahr 1935 zuruck. DerBeweis wird ublicherweise in der Funktionalanalysis gefuhrt (oder vgl. [24, S. 155]).

27.4 Definition

Es sei V ∈ VRIK ein euklidischer oder unitarer Vektorraum.

a) Sind v, w ∈ V mit 〈v, w〉 = 0 , so heißt v orthogonal zu w. Wir schreiben dann: v ⊥ w .

b) Sind U und W Untervektorraume von V , so heißt U orthogonal zu W , wenn fur alle u ∈ Uund alle w ∈W gilt: u ⊥ w . Kurzschreibweise: U ⊥W .

c) Eine beliebige Familie (vi)i∈I von Vektoren aus V heißt orthogonal, wenn fur alle i, j ∈ Imit i 6= j gilt: vi ⊥ vj . Man nennt (vi)i∈I dann auch ein Orthogonalsystem in V .

d) Eine Familie (vi)i∈I von Vektoren aus V heißt orthonormal, wenn die Familie (vi)i∈I or-thogonal ist und wenn fur alle i ∈ I gilt: ‖vi‖ = 1 .Entsprechend bezeichnet man (vi)i∈I dann auch als Orthonormalsystem in V .

e) Eine Familie (vi)i∈I von Vektoren aus V heißt eine Orthonormalbasis von V , falls (vi)i∈Ieine Basis von V und orthonormal ist.

38Engl. distance = Distanz, Abstand, Entfernung39Pythagoras von Samos, altgriechischer Philosoph, Mathematiker, Astronom und Ordensfuhrer (?ca. 580

v. Chr., †ca. 500 v. Chr.)40John (Johann, Janos) von Neumann, ungarisch–deutsch–amerikanischer Mathematiker, Informatiker und Phy-

siker (?28.12.1903, †08.02.1957)41Ernst Pasqual Wilhelm Jordan, deutscher theoretischer Physiker (?18.10.1902, †31.07.1980)

Page 145: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

§ 27. ORTHOGONALISIERUNG 137

27.5 Beispiele

(i) Ist 〈·, ·〉 das kanonische Skalarprodukt im IKn , so bildet (e1, e2, . . . , en) eine Orthonormal-basis des IKn .

(ii) Es sei I := [ 0 ; 2π ] und V := f ∈ Abb(I, C) | f ist stetig auf I wie in Beispiel 26.2d),

〈f, g〉 :=∫ 2π

0f(t) · g(t) dt und ek(x) := eikx = cos kx+ i sin kx fur x ∈ I .

Dann gilt fur alle j, k ∈ ZZ mit j 6= k :

〈ej , ek〉 =∫ 2π

0ej(t) · ek(t) dt =

∫ 2π

0eijt · eikt dt

=∫ 2π

0eijt · (cos kt+ i sin kt) dt =

∫ 2π

0eijt · (cos kt− i sin kt) dt

=∫ 2π

0eijt · ( cos(−kt) + i sin(−kt)) dt =

∫ 2π

0eijt · e−ikt dt

=∫ 2π

0ei(j−k)t dt =

∫ 2π

0

(cos((j − k) t) + i sin((j − k) t)

)dt

=1

j − k

[sin((j − k) t)− i cos((j − k) t)

]2π0

=1

i (j − k)ei(j−k)t

∣∣∣2π0

= 0 .

Also bildet (ek)k∈ZZ ein Orthogonalsystem. Wegen 〈ek, ek〉 = 2π ist dann ( 1√2πek)k∈ZZ eine

orthonormale Familie in V .

27.6 Definition

Es seien V ∈ VRIK euklidisch bzw. unitar und U ein endlich–dimensionaler Untervektorraumvon V mit einer Orthonormalbasis (u1, u2, . . . , un) . Dann heißt die Abbildung

PU : V → U mit PU (v) :=n∑i=1

〈v, ui〉ui

die Orthogonalprojektion von V auf U .

27.7 Beispiel

Es sei V = IR2 , Ui := <ui> mit u1 = 1√2

(1, 1) und

u2 = 1√2

(−1, 1) . Dann gilt fur v = (0, 1) :

PU1(v) = 〈v, u1〉u1 =1√2u1 =

12

(1, 1)

undPU2(v) = 〈v, u2〉u2 =

1√2u2 =

12

(−1, 1) ,

also: PU1(v) + PU2(v) = v = idIR2(v) .

r..........................................................................................................................................................

....................................................................................................................................

I

u2

u16

v

IPU2(v)

PU1(v)

.........................................

...............................................................................................................

U1 U2

Wir haben damit v zerlegt in zwei Komponenten, wobei 〈PU1(v), PU2(v)〉 = 0 ist.

Page 146: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

138 KAPITEL VII. EUKLIDISCHE UND UNITARE VEKTORRAUME

27.8 Definition

Sei V ∈ VRIK euklidisch bzw. unitar mit Unterraumen V1, V2, . . . , Vk . Der Vektorraum V heißtdie orthogonale Summe von V1, V2, . . . , Vk, wenn folgendes gilt:

(i) V = V1 + V2 + . . .+ Vk .

(ii) Es ist Vi ⊥ Vj fur alle 1 ≤ i, j ≤ k mit i 6= j .

Wir schreiben dann: V = V1©⊥ V2©⊥ . . .©⊥ Vk .

27.9 Bemerkung

Ist V orthogonale Summe von V1, V2, . . . , Vk , so ist die Summe direkt: V = V1 ⊕ V2 ⊕ . . .⊕ Vk .

Beweis:

Nach Bemerkung 4.8(ii) ist zu zeigen: Vi ∩k∑j=1j 6=i

Vj = 0 fur alle 1 ≤ i ≤ k .

Sei dazu x ∈ Vi und x =k∑j=1j 6=i

vj ∈k∑j=1j 6=i

Vj . Dann gilt fur alle v ∈ Vi :

〈x, v〉 =k∑j=1j 6=i

〈vj , v〉 = 0 , also speziell: 〈x, x〉 = 0 ⇐⇒ x = 0 .

Wir wollen uns jetzt mit der Existenz von Orthonormalbasen beschaftigen.

27.10 Satz (Orthonormalisierungsverfahren von Schmidt42–Gram43)

Zu jedem endlichen oder hochstens abzahlbar–unendlichen System (x1, x2, x3, . . . ) linear un-abhangiger Vektoren aus einem euklidischen bzw. unitaren Vektorraum V ∈ VRIK gibt esgenau ein entsprechendes Orthonormalsystem (v1, v2, v3, . . . ) mit folgenden Eigenschaften:

(a) Fur alle k = 1, 2, 3, . . . gilt:

<x1, x2, . . . , xk> = <v1, v2, . . . , vk> =: Vk .

(b) Die zu dem Basiswechsel von (x1, x2, . . . , xk) nach (v1, v2, . . . , vk) in Vk gehorende Trans-formationsmatrix besitzt eine positive Determinante Dk fur jedes k = 1, 2, 3, . . . .

42Erhard Schmidt, deutscher Mathematiker (?13.01.1876, †06.12.1959)43Jørgen Pedersen Gram, danischer Mathematiker (?27.06.1850, †29.04.1916)

Page 147: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

§ 27. ORTHOGONALISIERUNG 139

Beweis zu Satz 27.10:

Die orthonormalen Vektoren v1, v2, v3, . . . werden induktiv definiert.Ist das System endlich, so bricht das Verfahren nach endlich vielen Schritten ab. Wegen derlinearen Unabhangigkeit von (x1, x2, x3, . . . ) ist stets x1 6= 0 , also v1 := x1

‖x1‖ ein Vektor mitder Lange ‖v1‖ = 1 . Außerdem gilt: <x1> = <v1> = V1 mit D1 = 1

‖x1‖ > 0 . Ist umgekehrte1 ∈ V mit <e1> = <x1> , so gilt: e1 = c x1 mit c ∈ IK . Also ist c die Determinante derTransformationsmatrix; wegen (b) muß namlich c > 0 gelten. Wir erhalten aus ‖e1‖ = 1 :

1 = 〈e1, e1〉 = c c 〈x1, x1〉 = |c|2 ‖x1‖2 ,

was mit c > 0 sofort c = 1‖x1‖ liefert. Damit ist e1 = v1 eindeutig (Induktionsanfang).

Es seien nun die Vektoren v1, v2, . . . , vn so konstruiert, daß (a) und (b) fur k = 1, 2, . . . , n erfulltsind (Induktionsvoraussetzung).Dann gilt: Vn+1 = <x1, x2, . . . , xn, xn+1> = <v1, v2, . . . , vn, xn+1> ; wir betrachten:

wn+1 := xn+1 −n∑ν=1

〈xn+1, vν〉 vν = xn+1 − PVn(xn+1) .

Nach dem Austauschlemma 3.8 gilt: Vn+1 = <v1, v2, . . . , vn, wn+1> . Fur jedes µ = 1, 2, . . . , nist ferner

〈vµ, wn+1〉 = 〈vµ, xn+1〉 −n∑ν=1

〈xn+1, vν〉 〈vµ, vν〉 = 〈vµ, xn+1〉 − 〈xn+1, vµ〉 = 0 ,

also (v1 , v2 , . . . , vn , vn+1 := 1‖wn+1‖ wn+1) ein Orthonormalsystem mit der Eigenschaft (a).

Die Transformation lautet:v1 = α11 x1

v2 = α21 x1 + α22 x2

v3 = α31 x2 + α32 x2 + α33 x3...

vn = αn1 x1 + αn2 x2 + . . .+ αnn xn

vn+1 = αn+1,1 x1 + αn+1,2 x2 + . . .+ αn+1,n xn +1

‖wn+1‖xn+1 .

Mithin gilt fur die Determinante:

Dn+1 =n∏i=1

αii ·1

‖wn+1‖= Dn ·

1‖wn+1‖

;

und nach Induktionsvoraussetzung ist Dn > 0 , also auch Dn+1 > 0 .Ist umgekehrt en+1 ∈ V derart, daß (v1, v2, . . . , vn, en+1) ein Orthonormalsystem mit den Ei-

genschaften (a) und (b), so gilt wegen (a) analog zu oben: en+1 =n∑ν=1

αν vν + c xn+1 mit c 6= 0 .

Daher gilt auch: en+1 = c [xn+1 −n∑ν=1

βν vν ] . Fur µ = 1, 2, . . . , n erhalten wir:

0 = 〈en+1, vµ〉 = c [〈xn+1, vµ〉 − βµ] , d. h. wegen c 6= 0 : βµ = 〈xn+1, vµ〉 .

Es folgt schließlich:en+1 = c [xn+1 − PVn(xn+1)] = cwn+1

und damit wegen Bedingung (b) wie beim Induktionsanfang: c = 1‖wn+1‖ .

Also ist en+1 = vn+1 eindeutig bestimmt (Induktionsschritt).

Page 148: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

140 KAPITEL VII. EUKLIDISCHE UND UNITARE VEKTORRAUME

27.11 Folgerung

Es sei V ∈ VRIK euklidisch oder unitar und U ein endlich–dimensionaler Unterraum von V .Besitzt V endliche oder abzahlbar–unendliche Dimension, so kann jede Orthonormalbasis vonU zu einer Orthonormalbasis von V erganzt werden. Speziell besitzt dann V selbst eine Ortho-normalbasis.

Beweis:

Es sei dimIK U = n und (v1, v2, . . . , vn) eine Orthonormalbasis von U . Diese Basis kann zu einerBasis (v1, v2, . . . , vn, xn+1, xn+2, . . . ) von V erganzt werden (vgl. Beweis zu Satz 3.12). Wendenwir auf diese Basis das Verfahren von Schmidt–Gram an, so bleiben die ersten v1, v2, . . . , vnerhalten, und es ergibt sich eine Orthonormalbasis (v1, v2, . . . , vn, vn+1, vn+2, . . . ) von V .

27.12 Beispiel

Wir versehen den IR4 mit dem kanonischen Skalarprodukt 〈·, ·〉 und wenden Satz 27.10 auf dielinear unabhangigen Vektoren

x1 = (4, 2,−2,−1) , x2 = (2, 2,−4,−5) , x3 = (0, 8,−2,−5)

an. Wir erhalten das Orthonormalsystem (v1, v2, v3) mit

v1 =1‖x1‖

x1 =15

(4, 2,−2,−1) ;

w2 = x2 − 〈x2, v1〉 v1 = (2, 2,−4,−5)− 255· 1

5(4, 2,−2,−1) = (−2, 0,−2,−4) ,

v2 =1‖w2‖

w2 =1√24

(−2, 0,−2,−4) ;

w3 = x3 − 〈x3, v1〉 v1 − 〈x3, v2〉 v2

= (0, 8,−2,−5)− 255· 1

5(4, 2,−2,−1)− 24√

24· 1√

24(−2, 0,−2,−4)

= (−2, 6, 2, 0) ,

v3 =1‖w3‖

w3 =1√44

(−2, 6, 2, 0) .

27.13 Satz

Es sei V ∈ VRIK euklidisch oder unitar und U ein endlich–dimensionaler Untervektorraum mitder Orthonormalbasis (u1, u2, . . . , un) . Dann gilt fur jeden Vektor v ∈ V :

‖v − PU (v)‖ ≤ ‖v − u‖ fur alle u ∈ U .

Beweis:

Es ist fur jedes 1 ≤ j ≤ n (nach dem Beweis zu Satz 27.10):

〈v − PU (v) , uj〉 =⟨v −

n∑i=1

〈v, ui〉ui , uj⟩

= 0 ⇒ 〈v − PU (v) , u′〉 = 0 ∀u′∈U .

Page 149: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

§ 28. ADJUNGIERTE ABBILDUNGEN 141

Fur alle v ∈ V gilt damit:

‖v − u‖2 = ‖(v − PU (v)) + (PU (v)− u)‖2

= ‖v − PU (v)‖2 + 2 Re〈v − PU (v) ,

=u′∈U︷ ︸︸ ︷PU (v)− u 〉+ ‖PU (v)− u‖2

= ‖v − PU (v)‖2 + ‖PU (v)− u‖2 ≥ ‖v − PU (v)‖2 .

Und Gleichheit liegt genau dann vor, wenn PU (v)− u = 0 , d. h. u = PU (v) ist.

§ 28 Adjungierte Abbildungen

Ohne dies explizit zu erwahnen, seien in diesem Abschnitt stets V,W ∈ VRIK als zwei euklidi-sche oder unitare Vektorraume und F : V →W als eine IK–lineare Abbildung vorgegeben.Ist M ⊂ V eine Teilmenge, so heißt

M⊥ := v ∈ V | v ⊥M = v ∈ V | 〈v,m〉 = 0 fur alle m ∈M

das orthogonale Komplement von M in V .

28.1 Definition

Eine IK–lineare Abbildung F ∗ : W → V heißt die zu F adjungierte Abbildung, wenn fur allev ∈ V und w ∈W gilt44:

〈Fv , w〉W = 〈v , F ∗w〉V .

28.2 Bemerkungen

(i) Im allgemeinen muß zu einer linearen Abbildung F keine adjungierte Abbildung existieren.

(ii) Existiert F ∗ jedoch, so ist F ∗ eindeutig bestimmt.

Beweis zu (ii):

Ist F ′ neben F ∗ ebenfalls eine adjungierte Abbildung zu F , so gilt fur jedes v ∈ V und jedesw ∈W gemaß Definition 28.1:

〈v , F ∗w − F ′w〉 = 〈v, F ∗w〉 − 〈v, F ′w〉 = 〈Fv,w〉 − 〈Fv,w〉 = 0 .

Daraus folgt: F ∗w − F ′w = 0 oder F ∗w = F ′w .

28.3 Satz

Ist dimIK V = n , so existiert zu jeder linearen Abbildung F : V →W die adjungierte AbbildungF ∗ : W → V . Ist (v1, v2, . . . , vn) eine Orthonormalbasis von V , so gilt fur alle w ∈W :

F ∗w =n∑ν=1

〈w , Fvν〉 vν .

44Hierbei bezeichnet 〈·, ·〉W und 〈·, ·〉V das jeweilige Skalarprodukt in W bzw. in V , worauf wir kunftig nichtmehr extra hinweisen. Ferner werden die Klammern bei der Abbildung weggelassen; statt F (v) oder F ∗(w)schreibt man kurz: Fv bzw. F ∗w .

Page 150: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

142 KAPITEL VII. EUKLIDISCHE UND UNITARE VEKTORRAUME

Beweis zu Satz 28.3:

Nach Folgerung 27.11 besitzt V eine Orthonormalbasis (v1, v2, . . . , vn) . Dann gilt fur jedes v ∈ Vdie Darstellung:

v =n∑ν=1

〈v, vν〉 vν .

Ist namlich v =n∑ν=1

αν vν mit αν ∈ IK , so folgt: 〈v, vµ〉 =n∑ν=1

αν 〈vν , vµ〉 = αµ . Definieren wir

nun F ∗ wie oben, so ist F ∗ wegen der Linearitat des Skalarproduktes in der ersten Komponentegemaß (BF1) ebenfalls linear. Ferner gilt dann:

〈Fv,w〉 =n∑ν=1

〈v, vν〉 〈Fvν , w〉 =n∑ν=1

〈v, vν〉 〈w,Fvν〉

=⟨v ,

n∑ν=1〈w,Fvν〉 vν

⟩= 〈v, F ∗w〉 .

28.4 Satz

Zu F : V → W existiere die adjungierte Abbildung F ∗ : W → V . Dann existiert auch die zuF ∗ adjungierte Abbildung F ∗∗ : V →W mit F ∗∗ = F . Ferner gilt:

KerF ∗ = (ImF )⊥ und KerF = (ImF ∗)⊥ .

Ist F surjektiv, so ist F ∗ injektiv; ist F ∗ surjektiv, dann ist F injektiv.

Beweis:

Es gilt: 〈F ∗w, v〉 = 〈w,F ∗∗v〉 = 〈v, F ∗w〉 = 〈Fv,w〉 = 〈w,Fv〉 ; also ist F ∗∗ = F . Ferner gilt:

w ∈ KerF ∗ ⇐⇒ F ∗w = 0 ⇐⇒ 〈v, F ∗w〉 = 〈Fv,w〉 = 0 ∀v∈V⇐⇒ w ⊥ ImF ⇐⇒ w ∈ (ImF )⊥ .

Weiter gilt wegen (F ∗)∗ = F ∗∗ = F auch: KerF = KerF ∗∗ = Ker (F ∗)∗ = (ImF ∗)⊥ .Ist F surjektiv, so gilt: KerF ∗ = (ImF )⊥ = W⊥ = 0 , d. h. daß F ∗ injektiv ist. Ist F ∗

surjektiv, dann folgt entsprechend: KerF = (ImF ∗)⊥ = V ⊥ = 0 .

28.5 Satz

Es seien V und W endlich–dimensional, (v1, v2, . . . , vn) eine Orthonormalbasis von V und(w1, w2, . . . , wr) eine Orthonormalbasis von W . Ist dann A die darstellende Matrix der linearenAbbildung F : V →W bezuglich dieser Basen, so besitzt die adjungierte Abbildung F ∗ : W → Vbezuglich dieser Basen die darstellende Matrix AH .

Page 151: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

§ 28. ADJUNGIERTE ABBILDUNGEN 143

Beweis zu Satz 28.5:

Gemaß §16 gilt fur die Matrix A = (αij) : F (vν) =r∑

%=1α%ν w% . Hieraus folgt: 〈F (vν), w%〉 = α%ν

fur alle 1 ≤ % ≤ r und 1 ≤ ν ≤ n . Ist B = (βij) die darstellende Matrix von F ∗ , so gilt

entsprechend: F ∗(w%) =n∑ν=1

βν% vν , also: 〈F ∗(w%), vν〉 = βν% fur jedes 1 ≤ ν ≤ n und 1 ≤ % ≤ r .

Daraus folgt:

βν% = 〈F ∗w%, vν〉 = 〈vν , F ∗w%〉 = 〈Fvν , w%〉 = α%ν = αν%t ∀ 1≤ν≤n1≤%≤r

,

d. h.: B = At = At = AH .

28.6 Definition

Es sei V ∈ VRIK euklidisch bzw. unitar. Ein Endomorphismus F : V → V heißt normal , wenndie zu F adjungierte Abbildung F ∗ : V → V existiert und mit F vertauschbar ist, d. h. fallsgilt:

F F ∗ = F ∗ F .

28.7 Satz

Ein Endomorphismus F : V → V ist genau dann normal, wenn der zu F adjungierte Endomor-phismus F ∗ existiert und fur alle v, w ∈ V gilt:

〈Fv , Fw〉 = 〈F ∗v , F ∗w〉 .

Beweis:

”⇒“: Aus F F ∗ = F ∗ F folgt sofort:

〈Fv, Fw〉 = 〈v, F ∗(Fw)〉 = 〈v, F (F ∗w)〉 = 〈F (F ∗w), v〉 = 〈F ∗w,F ∗v〉 = 〈F ∗v, F ∗w〉 .

”⇐“: Umgekehrt ergibt sich aus 〈Fv, Fw〉 = 〈F ∗v, F ∗w〉 fur alle v, w ∈ V :

〈F (F ∗v), w〉 = 〈F ∗v, F ∗w〉 = 〈Fv, Fw〉 = 〈F ∗(Fv), w〉 ,

also: 〈F F ∗ v − F ∗ F v , w〉 = 〈(F F ∗ − F ∗ F )v , w〉 = 0 .Da dies auch bei festem v fur samtliche w ∈ V gilt, erhalten wir: F F ∗ v = F ∗ F v .Weil dieses v ∈ V aber beliebig wahlbar ist, folgt also: F F ∗ = F ∗ F .

28.8 Folgerung

Es sei F ∈ EndIK(V ) normal. Dann gilt:

a) KerF = KerF ∗ .

b) F und F ∗ besitzen dieselben Eigenvektoren: Ist v ∈ V Eigenvektor von F zum Eigen-wert λ ∈ IK , so ist v auch Eigenvektor von F ∗ zum Eigenwert λ .

Page 152: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

144 KAPITEL VII. EUKLIDISCHE UND UNITARE VEKTORRAUME

Beweis zu Folgerung 28.8:

zu a): Aus Satz 28.7 folgt direkt fur alle v ∈ V : ‖Fv‖2 = ‖F ∗v‖2 ; also ist Fv = 0aquivalent zu F ∗v = 0 .

zu b): Und aus Satz 28.7 folgt weiterhin:

〈Fv − λ v , Fv − λ v〉 = ‖Fv‖2 − λ 〈v, Fv〉 − λ 〈Fv, v〉+ λλ ‖v‖2

= ‖F ∗v‖2 − λ 〈F ∗v, v〉 − λ 〈v, F ∗v〉+ |λ|2 ‖v‖2

= 〈F ∗v − λ v , F ∗v − λ v〉 .

Damit ist Fv = λ v aquivalent zu F ∗v = λ v .

28.9 Satz (Spektralsatz fur komplexe normale Endomorphismen)

Es sei V ∈ VRC unitar mit dimC V = n . Dann sind folgende Aussagen fur einen Endomor-phismus F : V → V aquivalent:

a) F ist normal.

b) Es existiert eine Orthonormalbasis von V , die aus lauter Eigenvektoren von F besteht.

Beweis:

”a)⇒b)“: Es existiert ein Eigenwert λ1 ∈ C von F und ein zugehoriger Eigenvektor v1 ∈ V .Ohne Beschrankung der Allgemeinheit konnen wir ‖v1‖ = 1 voraussetzen (Indukti-onsanfang).Sei nun W := <v1>⊥ = w ∈ V | 〈v1, w〉 = 0 das orthogonale Komplementdes Aufspanns von v1 in V . Wir konnen (v1) erganzen zu einer Orthonormalbasis(v1, v2, v3, . . . , vn) von V ; dann gilt: W = <v2, v3, . . . , vn> , also: dimCW = n− 1 .Weiter gilt fur alle w ∈W nach Folgerung 28.8b):

〈v1, Fw〉 = 〈F ∗v1, w〉 = 〈λ1 v1 , w〉 = λ1 〈v1, w〉 = 0 ,

d. h.: Fw ∈ W . Damit ist F (W ) ⊂ W , also G := F |W : W → W ein normalerEndomorphismus in W (mit der adjungierten Abbildung G∗ = F ∗|W ). Nach Indukti-onsvoraussetzung existiert eine Orthonormalbasis von W , die nur aus Eigenvektorenvon G , also auch von F besteht. Zusammen mit v1 erhalten wir die gewunschteOrthonormalbasis von V .

”b)⇒ a)“: Sei (v1, v2, . . . , vn) eine Orthonormalbasis von V aus lauter Eigenvektoren von F .Wir definieren einen Endomorphismus G : V → V durch G(vi) := λi vi und lineareFortsetzung, wenn Fvi = λi vi fur 1 ≤ i ≤ n ist. Dann gilt fur alle 1 ≤ i, j ≤ n :

〈Fvi, vj〉 = 〈λi vi , vj〉 = λi 〈vi, vj〉 = λi · δij= 〈vi , λj vj〉 = 〈vi, Gvj〉 ;

Page 153: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

§ 28. ADJUNGIERTE ABBILDUNGEN 145

also folgt fur samtliche v, w ∈ V : 〈Fv,w〉 = 〈v,Gw〉 . Damit ist G = F ∗ .Weiter gilt fur jedes i = 1, 2, . . . , n :

F ∗Fvi = G(λi vi) = λi λi vi = λi λi vi

= F (λi vi) = F (Gvi) = FF ∗vi ,

also: F ∗ F = F F ∗ . Daher ist F normal.

28.10 Bemerkung und Definition

Ist V ∈ VRC unitar und (v1, v2, . . . , vn) eine Orthonormalbasis von V aus Eigenvektoren desEndomorphismus F ∈ EndC(V ) , so gilt fur die darstellenden Matrizen von F und F ∗ bezuglichdieser Basis wegen der Normalitat von F :

A ·AH = AH ·A .

Folglich sagt man, eine Matrix A ∈ Mat(n, n; C) heiße normal , wenn A ·AH = AH ·A gilt.

28.11 Bemerkung

Ist V ∈ VRC unitar, F : V → V normal und (v1, v2, . . . , vn) eine Orthonormalbasis von V ;

dann gilt fur beliebiges v :=n∑i=1〈v, vi〉 vi aus V mit vi als jeweilige Eigenvektoren von F zum

Eigenwert λi ∈ C :

F (v) =n∑i=1

〈v, vi〉F (vi) =n∑i=1

λi 〈v, vi〉 vi =n∑i=1

λi P<vi>(v) .

Dabei ist P<vi> die Orthogonalprojektion von V auf den von vi erzeugten Unterraum. Setzen

wir zur Abkurzung Pi := P<vi> , so gilt daher: F =n∑i=1

λi Pi mit

(Pi Pj)(v) = Pi(〈v, vj〉 vj) = 〈v, vj〉 〈vj , vi〉 vi = δij Pi(v) = δij Pj(v) = (Pj Pi)(v) .

Sei nunmehr V ∈ VRIR euklidisch und F : V → V normal, so ist Satz 28.9 nicht direkt uber-tragbar, wenn nicht die Existenz lauter reeller Eigenwerte gewahrleistet ist. Dann kann man sichjedoch folgendermaßen behelfen:Ist dimIR V = n , so definieren wir W := V × V = V 2 und erklaren darauf eine Addition undeine Skalarmultiplikation mit komplexen Zahlen durch die Festlegungen

(x1, y1) + (x2, y2) := (x1 + x2 , y1 + y2) und α · (x, y) := (α1 x− α2 y , α1 y + α2 x)

fur alle x, x1, x2, y, y1, y2 ∈ V und α = α1+i α2 ∈ C . Man uberlegt sich, daß dadurch ein Vektor-raum (W,+, ·) uber C entsteht mit dimCW = dimIR V = n . Und W heißt die komplexe Erwei-terung von V . Identifizieren wir namlich (x,0) mit x ∈ V , so wird V isomorph in W eingebet-tet. Wegen i ·(x,0) = (0, x) konnen wir dann fur jedes z := (x, y) ∈W schreiben: z = x+i y .Ist nun 〈·, ·〉 das Skalarprodukt auf V , so erklaren wir ein Skalarprodukt s : W ×W → C durch

s(z, z′) := (〈x, x′〉+ 〈y, y′〉) + i (〈y, x′〉 − 〈x, y′〉)

Page 154: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

146 KAPITEL VII. EUKLIDISCHE UND UNITARE VEKTORRAUME

fur alle z = (x, y) und z′ = (x′, y′) aus W . Dann ist s das einzige Skalarprodukt auf W mits|V×V = 〈·, ·〉 . (Ist namlich t : W ×W → C ein Skalarprodukt mit t|V×V = 〈·, ·〉 , so folgt furz = x+ i y und z′ = x′ + i y mit x, x′, y, y′ ∈ V :

t(z, z′) = t(x, x′) + i t(y, x′)− i t(x, y′) + t(y, y′) ;

und wegen t(x, x′) = 〈x, x′〉 , t(y, x′) = 〈y, x′〉 , t(x, y′) = 〈x, y′〉 , t(y, y′) = 〈y, y′〉 erhalt man:

t(z, z′) = (〈x, x′〉+ 〈y, y′〉) + i (〈y, x′〉 − 〈x, y′〉) = s(z, z′) . )

Damit laßt sich jeder euklidische Vektorraum in einen unitaren Vektorraum einbetten.Ist weiter F : V → V eine IR–lineare Abbildung, so gibt es genau eine C–lineare AbbildungF : W →W mit F |V = F , d. h. mit F (v) = F (v) fur alle v ∈ V . Dazu definieren wir:

F (z) = F (x+ i y) := F (x) + i F (y)

fur alle z = x + i y ∈ W . Ist F normal, dann ist auch F normal. Hierzu uberlegen wir unszunachst, daß fur den zu F adjungierten Endomorphismus F ∗ gilt:

F ∗(x+ i y) = F ∗(x) + i F ∗(y) , d. h.: F ∗ = F ∗ .

(Denn: Seien z = x+ i y und z′ = x′ + i y′ beliebig aus W ; dann gilt:

s(F (x+ i y) , x′ + i y′) = s(F (x) + i F (y) , x′ + i y′)

= (〈F (x), x′〉+ 〈F (y), y′〉) + i (〈F (y), x′〉 − 〈F (x), y′〉)= (〈x, F ∗(x′)〉+ 〈y, F ∗(y′)〉) + i (〈y, F ∗(x′)〉 − 〈x, F ∗(y′)〉)= s(x+ i y , F ∗(x′) + i F ∗(y′)) . )

Hieraus folgt schließlich wegen F F ∗ = F ∗ F und F G = F G fur F,G ∈ EndIR(V ) :

F F ∗ = F F ∗ = F F ∗ = F ∗ F = F ∗ F = F ∗ F .

Also ist mit F auch F normal.

28.12 Lemma

Es sei V ∈ VRIR euklidisch mit dimIR V = n und F ∈ EndIR(V ) normal. Mit W ∈ VRC

bezeichnen wir die unitare Erweiterung von V und mit F ∈ EndC(W ) die lineare Fortsetzungvon F auf W gemaß Bemerkung 28.11. Ist dann z = x + i y aus W mit ‖z‖ :=

√s(z, z) = 1

ein Eigenvektor von F zum Eigenwert λ ∈ C \ IR , so ist z′ = x− i y ebenfalls ein Eigenvektorvon F mit ‖z′‖ = 1 zum Eigenwert λ . Ferner sind z und z′ dann orthogonal.

Beweis zu Lemma 28.12:

Wegen x, y ∈ V ist 〈x, y〉 = 〈y, x〉 . Hieraus folgt fur das z′ = x− i y ∈W :

s(z′, z′) = (〈x, x〉+ 〈y, y〉) + i (〈−y, x〉 − 〈x,−y〉) = 〈x, x〉+ 〈y, y〉 = s(z, z) = 1 .

Page 155: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

§ 28. ADJUNGIERTE ABBILDUNGEN 147

Weiter gilt mit λ = λ1 + i λ2 fur λ1, λ2 ∈ IR :

F (z) = F (x) + i F (y) = λ · z = (λ1 x− λ2 y) + i (λ1 y + λ2 x) ,

also: F (x) = λ1 x− λ2 y sowie F (y) = λ1 y + λ2 x und daher:

F (z′) = F (x)− i F (y) = (λ1 − i λ2) · (x− i y) = λ · z′ .

Nach Folgerung 28.8b) ist z′ ein Eigenvektor von F ∗ zum Eigenwert λ = λ . Daraus folgt:

λ s(z, z′) = s(λ · z , z′) = s(F z , z′) = s(z , F ∗z′) = s(z , λ · z′) = λ s(z, z′) .

Und wegen λ 6= λ ergibt sich letztlich, daß s(z, z′) = 0 ist.

28.13 Satz (Spektralsatz fur reelle normale Endomorphismen)

Es sei V ∈ VRIR euklidisch mit dimIR V = n und F : V → V ein Endomorphismus. Dann sindfolgende Aussagen aquivalent:

a) F ist normal.

b) Es existiert eine Orthonormalbasis von V derart, daß die darstellende Matrix A von Fbezuglich dieser Basis die Gestalt

A =

λ1λ2 0. . .

λk Ak+1Ak+2

0 . . .Am

hat, wobei λ1, λ2, . . . , λk die reellen Eigenwerte von F sind und wobei die Diagonaleintra-ge Aν reelle (2× 2)-Matrizen der Form

Aν =

(αν +βν−βν αν

)

sind fur ν = k+1, k+2, . . . ,m . Jedem Aν entspricht ein Paar λν , λν konjugiert komplexerEigenwerte von F mit αν = Reλν und βν = Imλν .

Beweis zu Satz 28.13:

”a)⇒ b)“: Man fuhrt den Beweis durch vollstandige Induktion nach n .Der Fall n = 1 ist trivial.Es sei also n ≥ 1 und die Behauptung fur kleinere Dimension bewiesen. Besitzt Feinen reellen Eigenwert, dann ergibt sich die Behauptung wie im Beweis zum Spek-tralsatz 28.9. XBesitzt F nun keinen reellen Eigenwert, so betten wir V in seine komplexe ErweiterungW ein und setzen F zu einem Endomorphismus F von W fort. Sei dazu λ ∈ C \ IREigenwert von F zu einem Eigenvektor z ∈ W mit ‖z‖ = 1 . Ist z = x + i y mit

Page 156: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

148 KAPITEL VII. EUKLIDISCHE UND UNITARE VEKTORRAUME

x, y ∈ V , so ist z′ = x− i y ∈W nach Lemma 28.12 Eigenvektor von F mit ‖z′‖ = 1zum Eigenwert λ . Ferner gilt: z ⊥ z′ . Wir setzen jetzt

v1 :=1√2

(z + z′) =√

2x und v2 :=1i√

2(z − z′) =

√2 y ;

also sind v1, v2 ∈ V mit

〈v1, v1〉 = 〈v2, v2〉 =12

(s(z, z) + s(z, z′) + s(z′, z) + s(z′, z′)) = 1

und 〈v1, v2〉 = 〈v2, v1〉 = − 12i

(s(z, z)− s(z, z′) + s(z′, z)− s(z′, z′)) = 0 .

Weiter gilt:

Fv1 =1√2

(F z + F z′) =1√2

(λ z + λ z′)

=12

(λ+ λ) · 1√2

(z + z′) +i

2(λ− λ) · 1

i√

2(z − z′)

= (Reλ) v1 − (Imλ) v2

und Fv2 =1i√

2(F z − F z′) =

1i√

2(λ z − λ z′)

=12i

(λ− λ) · 1√2

(z + z′) +12

(λ+ λ) · 1i√

2(z − z′)

= (Imλ) v1 + (Reλ) v2 .

Damit lauten die ersten beiden Spalten der darstellenden Matrix A von F bezuglicheiner Basis (v1, v2, . . . , vn) von V :

A =

Reλ Imλ ∗ ∗ · · · ∗− Imλ Reλ ∗ ∗ · · · ∗

0 0 ∗ ∗ · · · ∗...

......

......

0 0 ∗ ∗ · · · ∗

.

Der weitere Beweis verlauft wie bei Satz 28.9. Wir betrachten hierzu U := <v1, v2>⊥.Es gilt dann fur beliebiges u ∈ U :

〈v1, Fu〉 = s(v1, F u) = s(F ∗v1, u)

=1√2s(F ∗z + F ∗z′ , u) =

1√2

[s(λ z , u) + s(λ z′ , u)]

=1√2

[λ√2s(v1 + i v2 , u) +

λ√2s(v1 − i v2 , u)

]=

12λ [s(v1, u) + i s(v2, u)] +

12λ [s(v1, u)− i s(v2, u)] = 0 .

und entsprechend: 〈v2, Fu〉 = 0 . Also gilt: F (U) ⊂ U . Damit ist G := F |U einnormaler Endomorphismus in U , auf den die Induktionsvoraussetzung angewandtwerden kann.

Page 157: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

§ 28. ADJUNGIERTE ABBILDUNGEN 149

”b)⇒ a)“: Nach Satz 28.5 hat F ∗ bezuglich der Orthonormalbasis von V die darstellende MatrixAH = At . (Dadurch ist dann F ∗ eindeutig festgelegt wie im Beweis zum Spektral-satz 28.9.) Wegen A ·At = At ·A ergibt sich die Normalitat von F ; es gilt namlich:

A ·At =

λ1

2. . .λk

2

Ak+1 ·Ak+1t

. . .Am ·Amt

mit Aν ·Aν t =

(αν

2+βν2 00 αν

2+βν2

).

28.14 Definition

Es sei V ∈ VRIK euklidisch oder unitar. Ein Endomorphismus F : V → V heißt selbstad-jungiert, wenn fur alle v, w ∈ V gilt:

〈Fv , w〉 = 〈v , Fw〉 ,d. h. wenn F mit seiner adjungierten Abbildung F ∗ ubereinstimmt.

28.15 Bemerkung

Ein selbstadjungierter Endomorphismus ist stets normal. Jeder selbstadjungierte Endomorphis-mus F ∈ EndIK(V ) besitzt nur reelle Eigenwerte. Also existiert im endlich–dimensionalen Falleine Orthonormalbasis von V , die aus lauter Eigenvektoren von F besteht. Bezuglich dieserBasis ist die darstellende Matrix von F dann eine reelle Diagonalmatrix.

Beweis:

Sei V ∈ VRC unitar, F ∈ EndC(V ) selbstadjungiert und λ ∈ C Eigenwert von F mit Ei-genvektor x ∈ V \ 0 ; dann gilt:

λ 〈x, x〉 = 〈λx , x〉 = 〈Fx, x〉 = 〈x, Fx〉 = 〈x , λ x〉 = λ 〈x, x〉 ,wegen ‖x‖2 6= 0 also: λ = λ ⇒ λ ∈ IR .Ist V ∈ VRIR euklidisch, so sei W die komplexe unitare Erweiterung von V und F : W → Wdie Fortsetzung von F ∈ EndIR(V ) auf W ∈ VRC . Mit F ist auch F selbstadjungiert, weil gilt:

s(F (x+ i y) , x′ + i y′) = s(Fx+ i Fy , x′ + i y′)

= (〈Fx, x′〉+ 〈Fy, y′〉) + i (〈Fy, x′〉 − 〈Fx, y′〉)= (〈x, Fx′〉+ 〈y, Fy′〉) + i (〈y, Fx′〉 − 〈x, Fy′〉)

= s(x+ i y , Fx′ + i Fy′) = s(x+ i y , F (x′ + i y′)) .

Aufgrund der ersten Uberlegung besitzt F nur reelle Eigenwerte. Sei also λ ∈ IR Eigenwert undz ∈W zugehoriger Eigenvektor von F , d. h. F z = λ z mit z = x+ i y . Wegen F z = Fx+ i Fyund λ · z = λx + i λ y folgt dann: Fx = λx und Fy = λ y . Also ist λ auch einEigenwert von F . (Umgekehrt ist jeder Eigenwert von F sofort Eigenwert von F .)

Diese Erkenntnisse wenden wir nun auf spezielle Endomorphismen, d. h. auch auf bestimmteMatrizen an.

Page 158: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

150 KAPITEL VII. EUKLIDISCHE UND UNITARE VEKTORRAUME

§ 29 Orthogonale und unitare Endomorphismen

29.1 Definition

Es sei V ∈ VRIK euklidisch bzw. unitar; ein Endomorphismus F : V → V heißt orthogonalbzw. unitar, wenn fur alle v, w ∈ V gilt:

〈Fv , Fw〉 = 〈v, w〉 .

29.2 Satz

Es sei V ∈ VRIK euklidisch bzw. unitar und F : V → V ein Endomorphismus. Dann sindfolgende Aussagen paarweise aquivalent:

a) F ist orthogonal bzw. unitar.

b) Aus ‖v‖ = 1 folgt stets: ‖Fv‖ = 1 .

c) Fur alle v ∈ V gilt: ‖v‖ = ‖Fv‖ .

d) Ist (v1, v2, . . . , vn) ein Orthonormalsystem, so bildet (Fv1 , Fv2 , . . . , Fvn) ebenfalls einOrthonormalsystem in V .

Beweis:

”a) ⇒ b)“: Ist 〈v, v〉 = 1 , so folgt direkt: 〈Fv , Fv〉 = 1 .

”b) ⇒ c)“: Ohne Beschrankung der Allgemeinheit sei v 6= 0 ; mit w := 1‖v‖ v ist dann

‖w‖ = 1 und v = ‖v‖ · w , also gilt: ‖Fv‖ = ‖v‖ · ‖Fw‖ = ‖v‖ .

Page 159: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

§ 29. ORTHOGONALE UND UNITARE ENDOMORPHISMEN 151

”c) ⇒ d)“: Nach Bemerkung 26.8 folgt wegen 〈vj , vk〉 = 0 fur alle j 6= k :

Re (4 〈Fvj , Fvk〉) = ‖Fvj + Fvk‖2 − ‖Fvj − Fvk‖2

= ‖vj + vk‖2 − ‖vj − vk‖2 = 0

und Im (4 〈Fvj , Fvk〉) = ‖Fvj + i Fvk‖2 − ‖Fvj − i Fvk‖2

= ‖vj + i vk‖2 − ‖vj − i vk‖2 = 0 .

”d) ⇒ a)“: Ohne Einschrankung seien v 6= 0 und w 6= 0 ; wir mussen zeigen:〈Fv, Fw〉 != 〈v, w〉 .

1. Fall: Ist w = c · v und e := 1‖v‖ v , dann gilt:

〈v, w〉 = 〈‖v‖ e , c ‖v‖ e〉 = ‖v‖2 c 〈e, e〉 = ‖v‖2 c

und 〈Fv, Fw〉 = ‖v‖2 c 〈Fe, Fe〉 .

Nach Voraussetzung ist mit (e) auch (Fe) ein Orthonormalsystem in V , d. h. esgilt: ‖Fe‖ = 1 .2. Fall: Sind v, w linear unabhangig, so existiert nach dem Satz von Schmidt–Gram eine Orthonormalbasis (v1, v2) von dem von v und w aufgespannten Un-terraum U . Ist dann v = x1 v1 + x2 v2 und w = x1

′ v1 + x2′ v2 , so folgt:

〈Fv, Fw〉 = 〈x1 Fv1 + x2 Fv2 , x1′ Fv1 + x2

′ Fv2〉= x1 x1

′ 〈Fv1, Fv1〉+ x1 x2′ 〈Fv1, Fv2〉+

+ x2 x1′ 〈Fv2, Fv1〉+ x2 x2

′ 〈Fv2, Fv2〉= x1 x1

′ + x2 x2′ = 〈v, w〉 ,

da mit (v1, v2) auch (Fv1, Fv2) ein Orthonormalsystem bildet.

29.3 Satz

Es sei V ∈ VRIK euklidisch bzw. unitar und F : V → V linear; dann gilt:

a) Ist F orthogonal, so ist F unitar.

b) Ist F orthogonal bzw. unitar, so ist F injektiv.

c) Ist F ein Automorphismus, so ist F genau dann orthogonal bzw. unitar, wenn F−1 = F ∗

gilt.

Beweis:

zu a): folgt direkt aus Satz 29.2d). X

zu b): ist klar nach Definition 29.1. X

Page 160: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

152 KAPITEL VII. EUKLIDISCHE UND UNITARE VEKTORRAUME

zu c): Es seien v′, w′ ∈ V ; dann existieren v, w ∈ V mit v′ = Fv und w′ = Fw . Darausfolgt:

〈F−1v′ , F−1w′〉 = 〈F−1Fv , F−1Fw〉 = 〈v, w〉 .

Ist F orthogonal bzw. unitar, so ergibt sich weiter:

〈F−1v′ , F−1w′〉 = 〈v, w〉 = 〈Fv, Fw〉 = 〈v′, w′〉 .

Also ist mit F auch F−1 orthogonal bzw. unitar. Ferner gilt fur beliebige v ∈ V undw′ ∈ V mit w′ = Fw :

〈Fv,w′〉 = 〈Fv, Fw〉 = 〈v, w〉 = 〈v , F−1w′〉 .

Damit ist F ∗ = F−1 .Ist umgekehrt F ein Automorphismus mit F−1 = F ∗ , dann folgt fur alle v, w ∈ V :

〈Fv, Fw〉 = 〈v, F ∗Fw〉 = 〈v, w〉 ,

d. h. F ist orthogonal bzw. unitar.

Ist nun dimIK V = n mit einer Basis B = (v1, v2, . . . , vn) von V und F ein Automorphismus aufV sowie A = ΦBB(F ) die darstellende Matrix von F bezuglich B , dann gilt: A−1 = ΦBB(F−1) .Ist daruber hinaus B = (v1, v2, . . . , vn) eine Orthonormalbasis von V , so gilt: AH = ΦBB(F ∗) .

Also ist F genau dann orthogonal bzw. unitar, wenn A−1 = At bzw. A−1 = AH gilt.

Das fuhrt zu:

29.4 Definition

Eine quadratische Matrix A ∈ Mat(n, n; C) heißt unitar, wenn A regular ist mit A−1 = AH .Eine quadratische Matrix A ∈ Mat(n, n; IR) heißt orthogonal, wenn A regular ist mit A−1 = At .

29.5 Bemerkung

Es sei V ∈ VRIK euklidisch bzw. unitar mit dimIK V = n. Nach Satz 29.3c) ist ein Endomorphis-mus F : V → V genau dann orthogonal bzw. unitar, wenn eine Orthonormalbasis von V derartexistiert, daß die darstellende Matrix von F bezuglich dieser Basis orthogonal bzw. unitar ist.(Denn: Nach Korollar 14.7 ist ein injektiver Endomorphismus auf einem endlich–dimensionalenVektorraum bereits ein Automorphismus.)

29.6 Lemma

Fur eine Matrix A = (αij) ∈ Mat(n, n; IK) sind folgende Aussagen paarweise aquivalent:

a) A ist orthogonal bzw. unitar.

Page 161: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

§ 29. ORTHOGONALE UND UNITARE ENDOMORPHISMEN 153

b) Die Zeilen von A bilden ein Orthonormalsystem im IKn , d. h. es gilt:

〈Ai, Aj〉 =n∑k=1

αik αjk = δij fur alle 1 ≤ i, j ≤ n .

c) Die Spalten von A bilden ein Orthonormalsystem im IKn , d. h. es gilt:

〈Ai, Aj〉 =n∑k=1

αki αkj = δij fur alle 1 ≤ i, j ≤ n .

Beweis zu Lemma 29.6:

Es gilt fur jedes i, j = 1, 2, . . . , n :

(αj1, αj2, . . . , αjn)t = (AH)j , also: 〈Ai, Aj〉 = Ai · (AH)jund (α1j , α2j , . . . , αnj) = (AH)j , also: 〈Ai, Aj〉 = (AH)j ·Ai .

Gemaß Bemerkung 6.7(i) ist damit die Aussage b) aquivalent zu A ·AH = En und Aussage c)aquivalent zu AH ·A = En . Also ist nach Definition 29.4 A orthogonal bzw. unitar.

Wir wenden dieses Ergebnis auf den Spektralsatz 28.9 an:

29.7 Satz (Spektralzerlegung fur normale Matrizen)

Fur eine komplexe Matrix A ∈ Mat(n, n; C) sind aquivalent:

a) A ist normal, d. h. es gilt: A ·AH = AH ·A .

b) Es existieren eine Orthonormalbasis (v1, v2, . . . , vn) des Cn und Eigenwerte λ1, λ2, . . .. . . , λn ∈ C von A , so daß gilt:

A =n∑i=1

λi vi · viH .

Beweis:

Es sei K = (e1t, e2

t, . . . , ent) die kanonische Orthonormalbasis des Cn , und F der durch A

induzierte Endomorphismus bezuglich K . Dann existiert zur normalen Matrix A gemaß Satz 28.9eine Orthonormalbasis B = (v1, v2, . . . , vn) des Cn derart, daß die darstellende Matrix D von Fbezuglich B Diagonalgestalt hat. Laut §17 (siehe Lineare Algebra I) gilt hierbei:

D = S−1 ·A · S mit S = Rt und vi =n∑j=1

rij ejt fur R = (rij) .

(In der i-ten Spalte von S stehen die Koordinaten von vi bezuglich K .) Daraus folgt nun:

A = S ·D · S−1 ,

Page 162: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

154 KAPITEL VII. EUKLIDISCHE UND UNITARE VEKTORRAUME

wobei die Diagonaleintrage von D genau die Eigenwerte λi von F sind. Da die Spalten von Seine Orthonormalbasis des Cn bilden, ist S nach Lemma 29.6 unitar, d. h.: S−1 = SH . Schreiben

wir dann D in der Form D =n∑i=1

λiEii mit den kanonischen Matrizen Eii ∈ Mat(n, n; C) aus

dem Beweis zu Satz 6.5, so folgt die behauptete Darstellung mit dyadischen Produkten:

A =n∑i=1

λi (S · Eii · SH) =( n∑i=1

λi [(v1, v2, . . . , vn) · Eii])·

v1

H

v2H

...vn

H

= [(λ1 v1,0,0, . . . ,0) + (0, λ2 v2,0, . . . ,0) + (0,0, . . . ,0, λn vn)] ·

v1

H

v2H

...vn

H

= λ1 v1 · v1

H + λ2 v2 · v2H + . . .+ λn vn · vnH =

n∑i=1

λi vi · viH .

Ist umgekehrt A =n∑i=1

λi vi · viH , dann folgt: AH =n∑j=1

λj vj · vjH , nach Lemma 29.6 also:

A ·AH =n∑

i,j=1

λi λj vi · viH · vj · vjH =n∑i=1

|λi|2 vi · viH = AH ·A .

Fur den Fall IK = IR erhalten wir analog:

29.8 Satz (Spektralzerlegung fur symmetrische Matrizen)

Fur eine reelle Matrix A ∈ Mat(n, n; IR) sind aquivalent:

a) A ist symmetrisch, d. h. es gilt: A = At .

b) Es existieren eine Orthonormalbasis (v1, v2, . . . , vn) des IRn und Eigenwerte λ1, λ2, . . .. . . , λn ∈ IR von A mit

A =n∑i=1

λi vi · vit .

Beweis:

”a) ⇒ b)“: Nach Satz 20.7(iv) besitzt A als symmetrische Matrix nur reelle Eigenwerte λi .Dann liefert der Spektralsatz 28.13 mit Lemma 29.6: A = S · D · St , wobeidie Spalten von S die kanonischen Koordinaten der Eigenvektoren vi zu denEigenwerten λi von A sind (entsprechend zum Beweis von Satz 29.7).

”b) ⇒ a)“: Aus der Spektraldarstellung folgt (wie oben) sofort: At = A . X

Page 163: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

§ 30. DREHUNGEN UND SPIEGELUNGEN 155

29.9 Bemerkung

Man sagt auch, daß normale Matrizen unitar–diagonalahnlich und symmetrische Matrizenorthogonal–diagonalahnlich seien.Speziell sind unitare oder orthogonale Vektorraum–Automorphismen normal; jeder Eigenwerteines solchen Endomorphismus hat den Absolutbetrag 1 . (Ist namlich Fv = λ v , so folgt nachSatz 29.2: ‖v‖ = ‖Fv‖ = |λ| ‖v‖ , also: |λ| = 1 .)

29.10 Definition und Satz

Die MengenO(n) := A ∈ GL(n; IR) | A−1 = At ,

U(n) := A ∈ GL(n; C) | A−1 = AH

und SO(n) := A ∈ O(n) | detA = +1

bilden jeweils mit der Matrixmultiplikation als Verknupfung eine Gruppe, namlich die orthogo-nale Gruppe, die unitare Gruppe bzw. die eigentlich (oder spezielle) orthogonale Gruppe.

Wahrend die unitaren Matrizen vollstandig beschrieben werden konnen, ist dies bisher bei denorthogonalen Matrizen nicht der Fall.

§ 30 Drehungen und Spiegelungen

Ist A ∈ Mat(n, n; IR) eine orthogonale Matrix, d. h. gilt: A ∈ O(n) , so existiert nach Spek-tralsatz 28.13 eine Orthonormalbasis B des IRn derart, daß die darstellende Matrix von ΨBB(A)bezuglich dieser Basis die Form

D =

λ1λ2 0. . .

λk Ak+1Ak+2

0 . . .Am

mit den reellen Eigenwerten λ1, λ2, . . . , λk und den ”Zweier–Kastchen“ Aν =

(αν βν−βν αν

)hat.

Wegen A ∈ O(n) ist λν ∈ −1, 1 fur alle 1 ≤ ν ≤ k und αν2 + βν

2 = |λν |2 = 1 furalle k+1 ≤ ν ≤ m . Also existiert zu jedem ν ∈ k+1, k+2, . . . ,m genau ein γν ∈ IR mit0 < γν < 2π , γν 6= π sowie αν = cos γν und βν = sin γν .

Ist also F : IRn → IRn ein orthogonaler Automorphismus, so existiert eine Orthonormalbasisderart, daß fur die darstellende Matrix von F bezuglich dieser Basis gilt:

D =

1 . . . 01−1 . . .−1

Ak+10 . . .

Am

Page 164: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

156 KAPITEL VII. EUKLIDISCHE UND UNITARE VEKTORRAUME

mit den unteren Diagonalblocken Aν =

(cos γν sin γν− sin γν cos γν

). Wir erhalten daraus sofort:

30.1 Bemerkung

Ein Matrix A ∈ O(n) ist genau dann eigentlich orthogonal, wenn −1 als Eigenwert von A einegeradzahlige Vielfachheit besitzt. Die durch A ∈ SO(n) induzierten Endomorphismen heißenauch Drehungen.

Es sei V ∈ VRIR euklidisch mit dimIR V = n und W ein (n−1)-dimensionaler Untervektorraum.Wir wahlen eine Orthonormalbasis (v1, v2, . . . , vn−1) von W aus; dann existiert ein vn ∈ V mitvn ∈ <v1, v2, . . . , vn−1>⊥ und ‖vn‖ = 1 . Wir definieren eine Abbildung S = SW : V → Vdurch

S(v) := v − 2 〈v, vn〉 vn = v − 2P<vn>(v) .

Damit ist S eine IR–lineare Abbildung mit

〈Sv, Sw〉 = 〈v, w〉 − 2 〈v, vn〉 〈vn, w〉 − 2 〈v, vn〉 〈w, vn〉+ 4 〈v, vn〉 〈w, vn〉 〈vn, vn〉 = 〈v, w〉 .

Also ist S ein orthogonaler Endomorphismus mit

S(vn) = −vn und S(w) = w fur alle w ∈W .

Schreiben wir v ∈ V in der Form v = w + α vn = w + 〈v, vn〉 vn mit w ∈W , so gilt:

S(v) = S(w + α vn) = S(w) + 〈v, vn〉S(vn) = w + 〈v, vn〉 (−vn) = w − α vn .

Ein solches S heißt Spiegelung an dem (n− 1)-dimensionalen Unterraum W . Fur die darstellen-de Matrix A = ΦBB(S) von S bezuglich B = (v1, v2, . . . , vn) gilt dann: detA = −1 . Wir sagendeshalb auch: detS := det ΦBB(S) = −1 .

30.2 Satz

Ist V ∈ VRIR euklidisch mit dimIR V = n und F : V → V ein orthogonaler Endomorphismusmit detF = det ΦKK(F ) = −1, so existiert eine Drehung D und eine Spiegelung S mit F = SD .

Beweis:

Sei W ein (n−1)-dimensionaler Unterraum von V mit einer Orthonormalbasis (v1, v2, . . . , vn−1)von W und B = (v1, v2, . . . , vn−1, vn) als Orthonormalbasis von V sowie S definiert wie in Be-merkung 30.1. Dann ist D := S−1 F ein orthogonaler Endomorphismus mit

detD = det ΦKK(D) = detS−1 · detF = detS · detF = (−1) · (−1) = 1 .

Page 165: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

§ 30. DREHUNGEN UND SPIEGELUNGEN 157

30.3 Beispiele

Es sei V ∈ VRIR euklidisch und F : V → V ein orthogonaler Endomorphismus.

a) Ist dimIR V = 2 , so gilt bezuglich einer geeigneten Orthonormalbasis von V fur diedarstellende Matrix von F :

D0 =

(1 00 1

), Dπ =

(−1 0

0 −1

), Dγ =

(cos γ sin γ− sin γ cos γ

)oder S =

(1 00 −1

)

mit γ ∈ ] 0 ; 2π [ und γ 6= π . Dabei beschreibt Dγ die Drehung um 0 mit Winkel γ imUhrzeigersinn. (Setzen wir α := 2π − γ , d. h. γ = 2π − α , so folgt:

Dγ =

(cos(2π−α) sin(2π−α)− sin(2π−α) cos(2π−α)

)=

(cosα − sinαsinα cosα

)=: Dα .

Also beschreibt Dα die Drehung um 0 mit Winkel α gegen den Uhrzeigersinn. Damit istdie Bezeichnung ”Drehung mit Winkel α“ konsistent zu Beispiel 20.12.)

b) Ist dimIR V = 3 , dann gilt fur die darstellende Matrix von F bezuglich einer geeignetenOrthonormalbasis von V :

Dγ =

1 0 00 cos γ sin γ0 − sin γ cos γ

oder Dγ =

−1 0 00 cos γ sin γ0 − sin γ cos γ

mit 0 ≤ γ < 2π .

Ist dann B = (v1, v2, v3) eine solche Orthonormalbasis von V mit ΦBB(F ) = Dγ , so be-trachten wir als Untervektorraume von V jeweils

die Drehachse Da := <v1> und die Drehebene Da⊥ := <v2, v3> von F .

Da v1 zum Eigenwert 1 gehort, bleibt Da unter F fest; und Da⊥ wird durch F auf

sich selbst abgebildet. Die Einschrankung F |Da⊥ stellt eine Drehung des 2-dimensionalen

Unterraumes Da⊥ dar. Der Drehwinkel γ ist nicht eindeutig festgelegt; aus der Bezie-

hung sp(Dγ) = 1 + 2 cos γ folgt:

cos γ =12

( sp(Dγ)− 1) .

Ist nun A = (αij) ∈ SO(3) die darstellende Matrix der Drehung F bezuglich irgendeinerBasis von V , so gilt wegen der Invarianz der Spur bei ahnlichen Matrizen:

sp(A) = α11 + α22 + α33 = 1 + 2 cos γ ⇐⇒ cos γ =12

(α11 + α22 + α33 − 1) .

30.4 Satz

Sei A ∈ SO(3) ; dann gibt es Werte α, β, γ ∈ [ 0 ; 2π [ mit

A =

cos γ sin γ 0− sin γ cos γ 0

0 0 1

· 1 0 0

0 cosβ sinβ0 − sinβ cosβ

· cosα sinα 0− sinα cosα 0

0 0 1

=: M1,γ ·M2,β ·M1,α .

Page 166: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

158 KAPITEL VII. EUKLIDISCHE UND UNITARE VEKTORRAUME

Beweis zu Satz 30.4:

Es sei A = (αij) . Wir wollen zeigen, daß ϕ,ψ, β ∈ IR existieren mit ϕ,ψ ∈ ]−2π ; 0 ] und0 ≤ β < 2π sowie M1,ϕ ·A ·M1,ψ = M2,β . Wegen (M1,ϕ)−1 = M1,−ϕ und (M1,ψ)−1 = M1,−ψerhalten wir dann mit γ := −ϕ und α := −ψ die Behauptung. Dazu sei

B = (βij) := M1,ϕ ·A ·M1,ψ

=

cosϕ sinϕ 0− sinϕ cosϕ 0

0 0 1

· α11 α12 α13

α21 α22 α23

α31 α32 α33

· cosψ sinψ 0− sinψ cosψ 0

0 0 1

=:

0Aϕ 0

0 0 1

· α13

Cα23

α31 α32 α33

· 0

Aψ 00 0 1

=

Aϕ · C Aϕ ·(α13

α23

)α31 α32 α33

· 0

Aψ 00 0 1

=

Aϕ · C ·Aψ Aϕ ·(α13

α23

)(α31, α32) ·Aψ α33

.

1. Schritt: Es gilt: β33 = α33 ; da A orthogonal ist, ergibt sich: |α33| ≤ 1 . Wir wahlenein 0 ≤ β < 2π mit cosβ = α33 .

2. Schritt: Es gilt: β13 = (cosϕ , sinϕ) ·(α13

α23

)= α13 cosϕ+α23 sinϕ ; wir wahlen daher

ein −2π < ϕ ≤ 0 mit α13 cosϕ+ α23 sinϕ = 0 .

3. Schritt: Wir mussen ein −2π < ψ ≤ 0 mit β11 = 1 finden, d. h. mit

(cosϕ , sinϕ) ·(α11 α12

α21 α22

)·(

cosψ− sinψ

)= 1 .

Hierfur wahlen wir ψ ∈ ]−2π ; 0 ] mit

(x1, x2) := (cosϕ , sinϕ) ·(α11 α12

α21 α22

)= (cosψ , − sinψ) .

Diese Wahl von ψ ist moglich wegen

x12 + x2

2 = (α11 cosϕ+ α21 sinϕ+ α31 · 0)2 ++ (α12 cosϕ+ α22 sinϕ+ α32 · 0)2 +

+ (α13 cosϕ+ α23 sinϕ+ α33 · 0︸ ︷︷ ︸= 0

)2 = 1 ,

da mit A und M1,ϕ auch M1,ϕ · A orthogonal ist. Dann gilt wegen β11 = 1und B ∈ O(3) sofort: β12 = β21 = β31 = 0 . Mit detA = 1 muß schließlichauch gelten:

det

(β22 β23

β32 β33

)= 1 , also:

(β22 β23

β32 β33

)=

(cosβ ± sinβ∓ sinβ cosβ

).

Page 167: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

§ 30. DREHUNGEN UND SPIEGELUNGEN 159

30.5 Definition

Ist A ∈ SO(3) , so heißen die Großen α, β, γ ∈ [ 0 ; 2π [ aus Satz 30.4 die Euler’schen45 Winkelder zu A gehorigen Drehung.

30.6 Beispiel

Haben wir als darstellende Matrix

A =

−1

4

√2 −1

2

√3 1

4

√2

14

√6 −1

2 −14

√6

12

√2 0 1

2

√2

,

so rechnet man direkt nach, daß A ∈ SO(3) ist. Gemaß dem Beweis zu Satz 30.4 erhalten wirzunachst:

cosβ = 12

√2 , d. h.: β = π

4 ∨ β = 74π und

14

√2 cosϕ− 1

4

√6 sinϕ = 0 ⇐⇒ tanϕ = 1√

3, d. h.: ϕ = −5

6π ∨ ϕ = −116 π .

Daraus ergibt sich weiter im 3. Schritt:

(cosϕ , sinϕ) ·(−1

4

√2 −1

2

√3

14

√6 −1

2

)= (cosψ , − sinψ) ,

d. h.:

(− 12

√3 , −1

2) ·(−1

4

√2 −1

2

√3

14

√6 −1

2

)= (0 , 1) = (cosψ , − sinψ) fur ϕ = −5

oder (12

√3 , 1

2) ·(−1

4

√2 −1

2

√3

14

√6 −1

2

)= (0 , −1) = (cosψ , − sinψ) fur ϕ = −11

6 π ,

also:ψ = −π

2 ∨ ψ = −32π .

Somit gilt fur die Euler’schen Winkel zu A :

α = −ψ = π2 ∨ α = 3

2π , β = π4 ∨ β = 7

4π , γ = −ϕ = 56π ∨ γ = 11

6 π .

30.7 Bemerkung

Die Matrizen Dγ aus Beispiel 30.3 bzw. M1,ϕ oder M2,β aus Satz 30.4 stellen Drehungen um denWinkel γ, ϕ bzw. β im Uhrzeigersinn dar, was (vgl. Beispiel 30.3a) Drehungen um 2π−γ , 2π−ϕbzw. 2π − β gegen den Uhrzeigersinn entspricht. Drehungen gegen den Uhrzeigersinn um denWinkel γ, ϕ bzw. β entsprechen also die Matrizen

Dγ =

(cos γ − sin γsin γ cos γ

), M1,ϕ =

cosϕ − sinϕ 0sinϕ cosϕ 0

0 0 1

bzw. M2,β =

1 0 00 cosβ − sinβ0 sinβ cosβ

.

45Leonhard Euler, schweizerischer Mathematiker und Physiker (?15.04.1707, †18.09.1783)

Page 168: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

160 KAPITEL VII. EUKLIDISCHE UND UNITARE VEKTORRAUME

Damit gilt Satz 30.4 auch in der Form:

A = M1,γ · M2,β · M1,α .

Geometrisch lassen sich die Euler’schen Winkel im IR3 wie folgt interpretieren:

......

..........

........................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................

...........................................

.......................................................................................................................................................

.......................

....................

.............................................................................................................................................................................................................................................................................................................

................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................

...........................

..........................................................................................................................................................................................

...................................................................

.....................................................................................

........

......................

.................................

...................................................................

.....................................................................................................................................

.................................................

............................................................................................................................................

..........................................

.......

.......

.....

.....................

.............................................................................................r..................................................................................................................................................

-

6

:

AAAAAAAK

...................................................................................................................................................................................................................................................

................................................................................

........

...................

...........................

.

...................

...................

α γ

β

αβ

γ

β

e1t

e2t

e3t

A·e1t

A·e2t

A·e3t

Man spricht dabei auch vom Prazessionswinkel α, vom Nutationswinkel β und vom Drehungs-winkel γ (oder −γ ).

§ 31 Hauptachsentransformation

Unter einem quadratischen Polynom uber IK in den Unbestimmten t1, t2, . . . , tn verstehen wireinen Ausdruck der Form

P (t1, t2, . . . , tn) :=∑

1≤i≤j≤naij ti tj +

∑1≤i≤n

a0i ti + a00

mit Koeffizienten aij ∈ IK fur alle 0 ≤ i ≤ j ≤ n .

31.1 Definition

Eine Teilmenge Q ⊂ IKn heißt eine Quadrik (oder Hyperflache zweiter Ordnung), wenn es einquadratisches Polynom P in den Unbestimmten t1, t2, . . . , tn ∈ IK gibt mit

Q = (x1, x2, . . . , xn) ∈ IKn | P (x1, x2, . . . , xn) = 0 .

Page 169: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

§ 31. HAUPTACHSENTRANSFORMATION 161

31.2 Beispiele

a) Ist n = 2, so stellt Q = (x1, x2) ∈ IR2 | x12 +x2

2−25 = 0 eine Quadrik im IR2 , namlichdie Kreislinie um (0, 0) mit Radius 5 dar. Die Koeffizienten des zugehorigen quadratischenPolynoms sind hier: a00 = −25 , a01 = a02 = 0 , a11 = a22 = 1 und a12 = 0 .

b) Ebenso ist fur n = 2 die Menge

Q := (x1, x2) ∈ IR2 | 41x12 − 24x1 x2 + 34x2

2 − 25 = 0

eine Quadrik im IR2 . Welche geometrische Gestalt hat Q nun?Wir schreiben dazu Q in der Form:

(x1, x2) ·A ·(x1

x2

)= 25 mit A :=

(41 −12−12 34

).

Laßt sich etwa durch eine Drehung die geometrische Gestalt von Q besser bestimmen?Setzen wir weiter: (

x1

x2

)=

(cosα − sinαsinα cosα

)·(y1

y2

)=: Tα ·

(y1

y2

)

mit α ∈ IR , so ergibt sich wegen Tα−1 = Tα

t die Darstellung:

(x1, x2) ·A ·(x1

x2

)= (y1, y2) · Tα−1 ·A · Tα ·

(y1

y2

).

Kann man also A durch Tα auf Diagonalgestalt transformieren?Wegen det (λE2 − A) = (λ − 50) (λ − 25) besitzt A die einfachen Eigenwerte λ1 = 25und λ2 = 50 . Es existiert daher ein α ∈ IR mit

Tα−1 ·A · Tα = 25

(1 00 2

).

Somit ist

(34

)ein Eigenvektor von A zu λ1 und

(−4

3

)Eigenvektor zu λ2 . Also bil-

det((3

545

),

(−4

535

))eine Orthonormalbasis des IR2 aus Eigenvektoren, und wir erhalten

tatsachlich als Drehmatrix:

Tα =15

(3 −44 3

).

Folglich stellt Q die um den Winkel α mit cosα = 35 und sinα = 4

5 gedrehte Quadrik Q′

dar fur

Q′ =

(y1, y2) ∈ IR2∣∣∣ (y1, y2) ·

(1 00 2

)·(y1

y2

)= 1

= (y1, y2) ∈ IR2 | y1

2 + 2 y22 = 1 .

Man erkennt: Q ist eine um α gedrehte Ellipse.

Page 170: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

162 KAPITEL VII. EUKLIDISCHE UND UNITARE VEKTORRAUME

31.3 Bemerkung

Wir uberlegen uns, wie man die Gleichung einer Quadrik Q allgemein durch Matrizen ausdruckenkann. Dazu setzen wir fur P (t1, t2, . . . , tn) =

∑1≤i≤j≤n

aij ti tj +∑

1≤i≤na0i ti + a00 fest:

αii := aii fur alle 0 ≤ i ≤ n sowie αij = αji :=12aij fur alle 0 ≤ i < j ≤ n

und bilden aus diesen Koeffizienten die quadratische Matrix

A′ :=

α00 α01 · · · α0n

α10 α11 · · · α1n...

......

αn0 αn1 · · · αnn

=:

α00 α01 · · · α0n

α10... Aαn0

∈ Mat(n+1 , n+1 ; IK)

sowie den Vektorx′ := (1, x1, x2, . . . , xn)t ∈ IKn+1 .

Dann ist A′ symmetrisch, und es gilt fur x := (x1, x2, . . . , xn) :

P (x1, x2, . . . , xn) = (x′)t ·A′ · x′ , also: Q = (x1, x2, . . . , xn) ∈ IKn | (x′)t ·A′ · x′ = 0 .

Dabei heißt A′ die erweiterte Matrix zu A und x′ der erweiterte Spaltenvektor zu x.

Unser Ziel ist es nun, durch eine orthogonale Transformation die Matrix A auf Diagonalgestaltzu bringen und anschließend durch eine (noch genau zu definierende) ”Verschiebung“ moglichstviele Eintrage der ersten Zeile bzw. Spalte zu Null zu machen. Da A symmetrisch ist, existiertim Fall IK = IR ein S ∈ O(n) mit

St ·A · S =

λ1 0λ2 . . .0 λn

=: D ,

wobei λ1, λ2, . . . , λn ∈ IR die Eigenwerte von A sind. Durch eventuelle Vertauschung der Spaltenvon S (und entsprechend der Zeilen von St ) konnen wir erreichen, daß gilt:

λi > 0 fur alle i = 1, 2, . . . , k ,λi < 0 fur alle i = k+1, k+2, . . . ,m

und λi = 0 fur alle i = m+1,m+2, . . . , n .

Wir setzen dann:

S′ :=

1 0 · · · 00... S0

und erhalten: B′ := (S′)t ·A′ · S′ =

α00 β01 · · · β0n

β10... Dβn0

.

Wie kann man etwa feststellen, ob A nur positive Eigenwerte besitzt? Als Folgerung aus Ubungs-aufgabe 28–6 ist dies aquivalent zur positiven Definitheit von A . Gibt es dazu also ein ”handli-cheres“ Kriterium als x ·A · xH > 0 ∀x 6=0 aus Definition 26.9?

Vorher machen wir uns klar, in welcher Weise sich fur ein S ∈ GL(n; IK) die Eigenwerte voneiner symmetrischen bzw. Hermite’schen Matrix A ∈ Mat(n, n; IK) zu denen von St · A · Sverhalten (vgl. Satz 26.6). Wir beweisen hierzu:

Page 171: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

§ 31. HAUPTACHSENTRANSFORMATION 163

31.4 Satz (Sylvester’scher46 Tragheitssatz)

Vorgegeben seien V ∈ VRIK mit dimIK V = n , eine symmetrische Bilinearform s bzw. eineHermite’sche Form s auf V , zwei Basen Bi von V , die darstellenden Matrizen Ai := ΦBi(s)von s sowie ki ∈ IN als Anzahl der positiven Eigenwerte von Ai und li ∈ IN als Anzahl dernegativen Eigenwerte von Ai , jeweils fur i = 1, 2 . Dann gilt:

k1 = k2 , l1 = l2 und rg(A1) = rg(A2) .

Beweis:

In §28 und §29 haben wir gezeigt, daß es eine orthogonale bzw. unitare Matrix Si derart gibt,daß Si

−1 ·Ai · Si =: Di eine Diagonalmatrix ist, welche die gleichen Eigenwerte wie Ai besitzt.Sei nun B′i die Basis von V mit ΦB′i(s) = Di . Wir definieren fur i = 1, 2 jeweils:

V +i := <v1, v2, . . . , vr> | v% ∈ B′i ∧ s(v%, v%) > 0 ∀1≤%≤r

und V −i := <w1, w2, . . . , wt> | wτ ∈ B′i ∧ s(wτ , wτ ) < 0 ∀1≤τ≤t .

Dann ist in beiden Fallen

V0 := v ∈ V | s(v, w) = 0 fur alle w ∈ V

derjenige Unterraum, welcher von den restlichen Basisvektoren aufgespannt wird. (Beachte hier-zu: ΦB′i(s) = (s(vj , vk)) = Di .) Daraus folgt also: rg(A1) = rg(A2) = n − dimV0 . Weitergilt:

V = V +1 ©⊥ V

−1 ©⊥ V0 und V = V +

2 ©⊥ V−

2 ©⊥ V0 .

Wegen ki = dimV +i und li = dimV −i fur beide i = 1, 2 folgt demnach: k1 + l1 = k2 + l2 .

Es bleibt also noch zu zeigen: k1 = k2 . Nun ist s(v, v) > 0 fur alle v ∈ V +2 \0 und s(v, v) ≤ 0

fur alle v ∈ V −1 ©⊥ V0 ; somit gilt: V +2 ∩ (V −1 ©⊥ V0) = 0 . Hieraus folgt: V +

2 ⊂ V+

1 und damit:k2 ≤ k1 . Analog ergibt sich: k1 ≤ k2 . Also ist insgesamt k1 = k2 . Und dies bedeutet schließlichauch: l1 = l2 .

31.5 Folgerung

Ist A ∈ Mat(n, n; IK) symmetrisch bzw. Hermite’sch und S ∈ GL(n; IK) , so haben A undSt ·A · S den gleichen Rang sowie die gleichen Anzahlen positiver und negativer Eigenwerte.

Beweis:

Direkte Anwendung von Satz 26.6 und Satz 31.4. X

Nun stellen wir eine praktische Bedingung fur positive Definitheit bereit:

46James Joseph Sylvester, englischer Mathematiker und Jurist (?03.09.1814, †15.03.1897)

Page 172: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

164 KAPITEL VII. EUKLIDISCHE UND UNITARE VEKTORRAUME

31.6 Satz (Kriterium von Hurwitz47)

Es sei A ∈ Mat(n, n; IR) symmetrisch mit A = (αij)1≤i,j≤n und Ak := (αij)1≤i,j≤k furk = 1, 2, . . . , n die linke obere (k × k)-Teilmatrix von A . Dann sind aquivalent:

a) A ist positiv definit.

b) Es gilt: detAk > 0 fur jedes 1 ≤ k ≤ n .

Beweis:

”a)⇒ b)“: Wir zeigen zuerst: Ist B ∈ Mat(k, k; IR) fur alle k ∈ 1, 2, . . . , n positiv definit, sogilt: detB > 0 .Sei dazu S ∈ O(k) (gemaß Satz 29.8) mit

St ·B · S =

µ1 0µ2 . . .0 µk

,

wobei µ1, µ2, . . . , µk > 0 die Eigenwerte von B sind. Dann gilt nach dem Determi-nanten–Multiplikationssatz: detB = µ1 · µ2 · . . . · µk > 0 .Sei jetzt Vk := (x1, x2, . . . , xn) ∈ IRn | xk+1 = xk+2 = . . . = xn = 0 fur jedes1 ≤ k ≤ n ; dann gilt wegen der positiven Definitheit von A fur alle vk ∈ Vk \ 0 :

vk ·A · vkt = (x1, x2, . . . , xk) ·Ak · (x1, x2, . . . , xk)t > 0 .

Also ist Ak positiv definit, und damit folgt aus der Voruberlegung: detAk > 0 furjedes 1 ≤ k ≤ n .

”b)⇒ a)“: Wir zeigen die Behauptung durch vollstandige Induktion uber n .Der Induktionsanfang n = 1 ist trivial. XSei die symmetrische Matrix A =: An ∈ Mat(n, n; IR) mit detAk > 0 fur alle1 ≤ k ≤ n gegeben. Nach Induktionsvoraussetzung ist An−1 ∈ Mat(n−1, n−1; IR)positiv definit; also existiert ein Sn−1 ∈ O(n−1) mit

Sn−1t ·An−1 · Sn−1 =

λ1 0λ2 . . .0 λn−1

,

wobei λ1, λ, . . . , λn−1 > 0 die Eigenwerte von An−1 sind. Daraus folgt:0

Sn−1t

...0

0 · · · 0 1

·A ·

0

Sn−1...0

0 · · · 0 1

=

λ1 0 β1. . .

...0 λn−1 βn−1

β1 · · · βn−1 βn

=: C .

Wegen detA = detAn > 0 gilt: detC > 0 . Setzen wir weiter

T :=

c1

En−1...

cn−1

0 · · · 0 1

47Adolf Hurwitz, deutscher Mathematiker (?26.03.1859, †18.11.1919)

Page 173: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

§ 31. HAUPTACHSENTRANSFORMATION 165

mit ci := −βiλi

fur jedes 1 ≤ i ≤ n− 1 , so ergibt sich:

T t · C · T =

0

En−1...0

c1 · · · cn−1 1

· C ·

c1

En−1...

cn−1

0 · · · 0 1

=

λ1 0 β1. . .

...0 λn−1 βn−1

γ1 · · · γn−1 γn

·

c1

En−1...

cn−1

0 · · · 0 1

mit γi := ci λi + βi = 0 fur alle 1 ≤ i ≤ n− 1 und dem Eintrag

γn :=n−1∑i=1

ci βi + βn = −n−1∑i=1

βi2

λi+ βn .

Damit erhalten wir:

T t · C · T =

λ1 0 λ1 c1+β1. . .

...0 λn−1 λn−1 cn−1+βn−1

0 · · · 0 γn

=: D ,

woraus schließlich wegen detT = detT t = 1 und detC > 0 sowie λ1, λ2, . . . , λn−1 > 0folgt: γn > 0 . Also ist D positiv definit und daher nach Folgerung 31.5 auch C .Nochmalige Anwendung von Folgerung 31.5 liefert die positive Definitheit von A .

31.7 Folgerung

Eine symmetrische Matrix A ∈ Mat(n, n; IR) ist genau dann negativ definit, d. h.:

x ·A · xt < 0 fur alle x ∈ IRn \ 0 ,

wenn gilt: (−1)k · detAk > 0 fur jedes 1 ≤ k ≤ n .

Beweis:

Betrachte B := −A und wende das Kriterium von Hurwitz (Satz 31.6) auf B an. X

31.8 Definition

Nach dem Sylvester’schen Tragheitssatz 31.4 gibt es zu jeder symmetrischen bzw. Hermite’schenMatrix A ∈ Mat(n, n; IK) eindeutig bestimmte naturliche Zahlen k und l sowie eine MatrixS ∈ GL(n; IK) mit

A = St ·

Ek 0 00 −El 00 0 0

· S .

Page 174: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

166 KAPITEL VII. EUKLIDISCHE UND UNITARE VEKTORRAUME

Man nennt (k, l) den Typ von A, k den (Tragheits–)Index von A, k−l die Signatur von A undl den Morse–Index 48 von A.Wir schreiben dafur: k = IndexA und k − l = SignA .

Wenden wir diese Ergebnisse mit obiger Begriffsbildung auf das Transformationsproblem reellerQuadriken an, so existiert folglich eine Matrix S1 ∈ GL(n; IR) mit

S1t ·A · S1 =

Ek 0 00 −Em−k 00 0 0

,

wobei m := rg(A) und k = IndexA , also SignA = 2 k −m ist. Setzen wir

S′1 :=

1 0 · · · 00... S1

0

,

dann ergibt sich fur die erweiterte Matrix A′ von A :

B′1 := (S′1)t ·A′ · S′1 =

c00 c01 · · · c0n

c10 Ek 0 0... 0 −Em−k 0cn0 0 0 0

mit c0i = ci0 fur jedes 1 ≤ i ≤ n . Bezuglich der durch S′1 bestimmten neuen Koordinateny1, y2, . . . , yn hat eine Quadrik Q ⊂ IRn die Gleichung

y12 + y2

2 + . . .+ yk2 − yk+1

2 − yk+22 − . . .− ym2 + 2 (c01 y1 + c02 y2 + . . .+ c0n yn) + c00 = 0 .

Setzen wir weiter

S′2 :=

1 0 0 0−c10

...−ck0

Ek 0 0

ck+1,0...cm0

0 Em−k 0

0...0

0 0 En−m

,

48Harold Calvin Marston Morse, amerikanischer Mathematiker (?24.03.1892, †22.06.1977)

Page 175: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

§ 31. HAUPTACHSENTRANSFORMATION 167

so istB′2 := (S′2)t ·B′1 · S′2 = (S′2)t · (S′1)t ·A′ · S′1 · S′2

=

d00 0 0 c0,m+1 · · · c0n

0 Ek 0 0

0 0 −Em−k 0

cm+1,0...cn0

0 0 0

.

Wir wollen spater untersuchen, welche geometrische Veranderung fur Q durch die obige MatrixS′2 ∈ Mat(n+1, n+1; IR) beschrieben wird.Nehmen wir nun an, durch S′2 ergaben sich ”vernunftige“ neue Koordinaten z1, z2, . . . , zn , soließe sich die reelle Quadrik Q auf die Form

z12+z2

2+. . .+zk2−zk+12−zk+2

2−. . .−zm2+2 (cm+1,0 zm+1+cm+2,0 zm+2+. . .+cn0 zn)+d00 = 0

bringen. Wir werden in §34 anhand dieser Gleichung eine Klassifikation der Quadriken vorneh-men.

31.9 Beispiel

Wir betrachten die Menge

Q := (x, y) ∈ IR2 | 8x2 + 12x y + 17 y2 − 44x− 58 y − 7 = 0 ,

von der wir zeigen wollen, daß sie eine Quadrik darstellt, die wir bereits kennen. Dazu bildenwir gemaß Bemerkung 31.3:

A =

(8 66 17

)und A′ =

−7 −22 −29−22−29 A

und berechnen die Eigenwerte von A ; es ergeben sich: λ1 = 20 und λ2 = 5 . Zugehorige

normierte Eigenvektoren sind1√5

(12

)und

1√5

(2−1

). Also transformiert S :=

1√5

(2 1−1 2

)die Matrix A auf Diagonalgestalt, d. h.:

St ·A · S =

(5 00 20

).

Mit S′ :=

1 0 000 S

erhalten wir:

(S′)t ·A′ · S′ =

−7 − 15√

5− 80√

5

− 15√5

5 0

− 80√5

0 20

=: B′ .

Page 176: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

168 KAPITEL VII. EUKLIDISCHE UND UNITARE VEKTORRAUME

Setzen wir weiter 1xy

= S′ ·

1uv

, d. h.: x =1√5

(2u+ v) ∧ y =1√5

(−u+ 2 v)

⇐⇒ u =1√5

(2x− y) ∧ v =1√5

(x+ 2 y) ,

so gilt:

Q =

(x, y) ∈ IR2∣∣∣ (1, x, y) ·A′ ·

1xy

= 0

=

(u, v) ∈ IR2∣∣∣ (1, u, v) ·B′ ·

1uv

= 0.

Nun ist (durch quadratische Erganzung)

(1, u, v) ·B′ ·

1uv

= 20 v2 + 5u2 − 160√5v − 30√

5u− 7

= 20(v2 − 8√

5v +

165

)+ 5

(u2 − 6√

5u+

95

)− 64− 9− 7

= 20(v − 4√

5

)2+ 5

(u− 3√

5

)2− 80 ;

also ergibt sich mit w := u− 3√5

und z := v − 4√5

:

Q = (w, z) ∈ IR2 | 20 z2 + 5w2 = 80

=

(w, z) ∈ IR2∣∣∣ w2

16+z2

4= 1

.

Damit stellt Q eine gedrehte und verschobene Ellipse mit den Halbachsen a = 4 und b = 2 dar:

-

6

z

w

Q

........

.............................

...........................

.............................................

..................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................

..................................

.................................................

........

....

......

......

........

........................................................................................

............

p

Der Ubergang von (u, v) zu (w, z) bedeutet gerade eine ”Verschiebung des Koordinatensystems“.Wir sprechen von der Normalform einer Quadrik, wenn wir eine Drehung und eine Verschiebungdurchgefuhrt haben; dieser Prozeß heißt Hauptachsentransformation.Insgesamt gilt hier:

x =1√5

(2w + z) + 2 und y =1√5

(−w + 2 z) + 1 ;

und die Ellipse im (w, z)–Koordinatensystem wird in den Punkt (2, 1) verschoben und anschlie-ßend um circa −26,6 gedreht (oder umgekehrt). Ferner ist:

w =1√5

(2x− y − 3) , also: w = 0 ⇐⇒ y = 2x− 3

und z =1√5

(x+ 2 y − 4) , also: z = 0 ⇐⇒ y = −12x+ 2 .

Page 177: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

Kapitel VIII

Affine Geometrie

§ 32 Affine Raume

32.1 Definition

Ein affiner Raum uber dem Korper K ist ein Tripel A................................................... := (M,V, →) , bestehend aus einer

nichtleeren Menge M , einem K–Vektorraum V = (V,+, ·) und einer Abbildung

→ : M ×M → V , (P,Q) 7→−→PQ

mit den folgenden Eigenschaften:

(A1) Es gilt:−→PQ+

−→QR =

−→PR fur alle P,Q,R ∈M .

(A2) Fur alle P ∈M und alle v ∈ V gibt es genau ein Q ∈M mit−→PQ = v .

Die Elemente von M heißen Punkte des affinen Raumes, und V heißt der Differenzraum von A................................................... .

Den Vektor−→PQ ∈ V nennt man den Differenzvektor von P und Q. Manchmal sprechen wir auch

kurz vom affinen Raum M (uber K ) statt von (M,V, →) .Die leere Menge ∅ soll ebenfalls ein affiner Raum (uber K ) sein.

32.2 Bemerkung

In §5 (siehe Lineare Algebra I) haben wir affine Unterraume von Vektorraumen eingefuhrt.Wir uberlegen uns, daß dies die wichtigsten Beispiele fur affine Raume sind.Ist namlich V ∈ VRK und W ⊂ V ein Untervektorraum, so definierten wir eine Menge

M := v + w | w ∈W = v +W

als affinen Unterraum von V . Nun ist M auch ein affiner Raum uber dem Korper K mit dem

Differenzraum W und der Abbildung−→PQ := Q− P . Denn:

(i) Ist P = v +w1 , Q = v +w2 mit w1, w2 ∈W , so gilt: Q− P = w2 −w1 ∈W , also ist→ eine Abbildung von M ×M nach W gemaß Definition 32.1.

169

Page 178: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

170 KAPITEL VIII. AFFINE GEOMETRIE

(ii) Fur alle P,Q,R ∈M gilt das Axiom (A1):

−→PQ+

−→QR = (Q− P ) + (R−Q) = R− P =

−→PR .

(iii) Zu jedem P ∈M und jedem w ∈W setzen wir: Q := P+w ; dann ist mit P = v+w1 ∈Mauch Q = P + w = v + (w1 + w) aus M , und es folgt Axiom (A2):

−→PQ = Q− P = P + w − P = w .

Speziell kann also jeder Vektorraum als affiner Raum aufgefaßt werden.

32.3 Bemerkungen

(i) Das Axiom (A2) besagt, daß die Abbildung αP : M → V mit αP (Q) :=−→PQ fur alle

P ∈M bijektiv ist.

(ii) Es gilt:−→PQ = 0 genau dann, wenn P = Q ist.

(iii) Es ist stets−→PQ = −

−→QP .

(iv) Es gilt:−−−→P1Q1 =

−−−→P2Q2 ⇐⇒

−−−→P1P2 =

−−−→Q1Q2 .

r

r

zr

rz

P1

P2

Q2

Q1

−−−→P1P2

−−−→P2Q2

−−−→Q1Q2

−−−→P1Q1

..........................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................

................................................................

................................................................

................................................................

................................................................

......

....

....

....

....

....

....

....

....

....

....

..

Beweis:

zu (i): ist klar. X

zu (ii): Nach (A1) gilt:−→PP +

−→PP =

−→PP , also:

−→PP = 0 . Und (A2) liefert die Behauptung.

zu (iii): Gemaß (A1) und (ii) gilt:−→PQ+

−→QP =

−→PP = 0 , also folgt:

−→PQ = −

−→QP .

zu (iv): Es gilt:

−−−→P1P2 −

−−−→Q1Q2 =

−−−→P1P2 +

−−−→P2Q1 − (

−−−→P2Q1 +

−−−→Q1Q2) =

−−−→P1Q1 −

−−−→P2Q2 .

Page 179: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

§ 32. AFFINE RAUME 171

32.4 Definition

Eine Teilmenge L ⊂M eines affinen Raumes A................................................... = (M,V, →) heißt ein affiner Unterraum

von A................................................... , wenn fur einen beliebigen Punkt P ∈ L die Differenzmenge W :=

−→PQ | Q ∈ L ein

Untervektorraum von V ist, oder wenn L = ∅ gilt.Im Fall L 6= ∅ liegt genau dann ein affiner Unterraum vor, wenn (L,W, →|L×L) mit derAbbildung → : M ×M → V ein affiner Raum (uber K ) ist.

(Diese Definition ist unabhangig von der Wahl des Punktes P ∈ L . Ist namlich P ′ ∈ L , dann

gilt:−→P ′Q =

−→P ′P +

−→PQ = −

−→PP ′ +

−→PQ ∈W ⇐⇒ Q ∈ L .)

Ist A................................................... = (M,V, →) ein affiner Raum (uber K ), so heißt dimK A...........................................

........ := dimK V die Dimensionvon A...........................................

........ . Wir setzen fur den leeren affinen Raum: dimK ∅ := −1 .

Es sei nun (Li)i∈I eine Familie von beliebig vielen affinen Unterraumen des affinen RaumesA................................................... = (M,V, →) mit zugehorigen Differenzraumen Wi ∈ VRK . Gilt dann: L =

⋂i∈I

Li 6= ∅ , so

ist L ein affiner Unterraum von A................................................... mit Differenzraum W =

⋂i∈I

Wi .

(Denn L ist ein affiner Unterraum von A................................................... genau dann, wenn fur ein festes P ∈ L die Menge

−→PQ | Q ∈ L ein Untervektorraum von V ist. Nun gilt:

−→PQ | Q ∈ L =

−→PQ

∣∣∣ Q ∈ ⋂i∈I

Li

=−→PQ

∣∣∣ Q ∈ Li ∀i∈I =

⋂i∈I−→PQi | Qi ∈ Li =

⋂i∈I

Wi = W . )

Ist X ⊂ M , so existiert ein kleinster affiner Unterraum von A................................................... = (M,V, →) , der X umfaßt,

namlich⋂

L⊃X affinerUnterraum von A...................................

...

L .

Ist (Li)i∈I eine beliebige Familie von affinen Unterraumen, so heißt der kleinste affine Unter-raum, welcher die Vereinigung

⋃i∈I

Li enthalt, der Verbindungsraum der Familie (Li)i∈I .

Wir schreiben dafur:∨i∈I

Li . Ist I 6= ∅ endlich, so bezeichnen wir den Verbindungsraum

von (Li)i=1,2,...,n mit:n∨i=1

Li oder L1 ∨ L2 ∨ . . . ∨ Ln .

Sind P und Q nur Punkte aus M , so schreiben wir einfach: P ∨Q anstelle von P ∨ Q .

32.5 Bemerkung

Es seien L1 und L2 zwei affine Unterraume von A................................................... = (M,V, →) . Fur den Differenzraum W des

Verbindungsraumes L = L1 ∨ L2 gilt:

W =

W1 +W2 , falls L1 ∩ L2 6= ∅

(W1 +W2)⊕ U , falls L1 ∩ L2 = ∅ ,

wobei U der Differenzraum von P1 ∨ P2 fur zwei beliebige Punkte P1 ∈ L1 und P2 ∈ L2 ist.

Page 180: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

172 KAPITEL VIII. AFFINE GEOMETRIE

V = IR3

............... ............... ............... ............... ............... ............... ............... ............... ............... ............... ............... ............... ............... ............... ............... ............... ...............

...............................................................................................................................................................................................................................................................

...............

...............

...............

...............

...............

...............

...............

...............

...............

...............

...............

...............

...........

..............................

..............................

..............................

..............................

..............................

..............................

...........

.................................................................................................................................................................................................................................

L1

a

......................................................................................................

..............

..................................

..................................

..................................

..........................

..................................

......

...............................................................................................................................................................................................................................................................................................................................

L2

a

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .q -

*

BBBBBM

Beweis zu Bemerkung 32.5:

1. Fall: Sei L1∩L2 6= ∅ , etwa P ∈ L1∩L2 ; wir betrachten N := Q ∈M |−→PQ ∈W1 +W2 .

Dann ist N ein affiner Unterraum von A................................................... mit (P ∈ N und) Differenzraum W1 + W2 . Ferner

gilt: Li ⊂ N fur i = 1, 2 , also ist auch L1 ∨ L2 ⊂ N und damit W ⊂W1 +W2 . Andererseitsgilt wegen Li ⊂ L1 ∨ L2 auch: Wi ⊂ W fur i = 1, 2 , d. h.: W1 + W2 ⊂ W . Daraus folgt:N = L1 ∨ L2 .

2. Fall: Es sei jeweils Li 6= ∅ fur i = 1, 2 und L1∩L2 = ∅ . (Alle anderen Moglichkeiten sind

trivial.) Wir wahlen zwei Pi ∈ Li fest und betrachten N := Q ∈ M |−→P1Q ∈ W1+W2 + U .

Dann ist L1 ⊂ N und wegen−→P1Q =

−−−→P1P2 +

−→P2Q sowie

−−−→P1P2 ∈ U auch L2 ⊂ N . Damit gilt:

L1 ∨ L2 ⊂ N und W ⊂ W1+W2 + U . Umgekehrt gilt wegen Li ⊂ L1 ∨ L2 fur i = 1, 2 undP1∨P2 ⊂ L1∨L2 , auch: W1+W2 +U ⊂W . Daraus folgt: W = W1+W2 +U und L1∨L2 = N .Wir zeigen noch, daß (W1 +W2) + U eine direkte Summe ist. Dazu betrachten wir die Menge

U ′ := λ ·−−−→P1P2 | λ ∈ K = U . (Wegen

−−−→P1P2 ∈ U und da U ein K–Vektorraum ist, folgt sofort:

λ−−−→P1P2 ∈ U fur alle λ ∈ K , also: U ′ ⊂ U . Andererseits ist N ′ := Q ∈ M |

−→P1Q ∈ U ′

ein affiner Raum mit Pi ∈ N ′ , also P1 ∨ P2 ⊂ N ′ . Dies bedeutet: U ⊂ U ′ , d. h.: U = U ′ .)

Angenommen, es existierte ein w ∈ (W1 +W2)∩U mit w 6= 0 . Dann ware λ−−−→P1P2 ∈W1 +W2

fur ein geeignetes λ ∈ K \ 0 , also galte:−−−→P1P2 ∈W1 +W2 . Es wurden demnach Qi ∈ Li mit

−−−→P1P2 =

−−−→P1Q1 +

−−−→Q2P2 oder

−−−→Q1Q2 =

−−−→Q1P1 +

−−−→P1P2 +

−−−→P2Q2 = 0 existieren. Das ergabe: Q1 = Q2

im Widerspruch zur Voraussetzung L1 ∩ L2 = ∅ .

32.6 Satz (Dimensionsformel)

Es seien L1 , L2 zwei endlich–dimensionale affine Unterraume von A................................................... = (M,V, →) . Dann gilt:

a) dimK L1 + dimK L2 = dimK(L1 ∨ L2) + dimK(L1 ∩ L2)im Falle L1 = ∅ oder L2 = ∅ oder L1 ∩ L2 6= ∅ .

b) dimK L1 + dimK L2 = dimK(L1 ∨ L2) + dimK(W1 ∩W2)− 1im Falle L1 6= ∅ und L2 6= ∅ und L1 ∩ L2 = ∅ .

Page 181: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

§ 32. AFFINE RAUME 173

Beweis zu Satz 32.6:

zu a): Ist L1 = ∅ oder L2 = ∅ , dann bleibt nichts zu zeigen. XHat man L1∩L2 6= ∅ , so gilt nach Bemerkung 32.5 und Dimensionsformel 4.3 (sieheLineare Algebra I):

dim (L1 ∨ L2) = dimW = dim (W1 +W2)= dimW1 + dimW2 − dim (W1 ∩W2)= dimL1 + dimL2 − dim (L1 ∩ L2) .

zu b): Ebenfalls mit Bemerkung 32.5 und Satz 4.3 folgt fur disjunkte L1, L2 6= ∅ analog:

dim (L1 ∨ L2) = dimW = dim (W1 +W2) + dimU

= dimW1 + dimW2 − dim (W1 ∩W2) + dimU

= dimL1 + dimL2 − dim (W1 ∩W2) + 1 .

32.7 Bemerkung

Affine Unterraume der Dimension 1 nennen wir Geraden, bei affinen Unterraumen der Dimen-sion 2 sprechen wir von Ebenen.Ist L ein affiner Unterraum von M mit L 6= M , und existiert ein P ∈ M mit L ∨ P = M ,so heißt L eine Hyperebene von M . Ist dabei dimKM = n , dann sind die Hyperebenen von Mgenau die affinen Unterraume der Dimension n− 1 .Zwei affine Unterraume Li 6= ∅ eines affinen Raumes heißen parallel , wenn W1 ⊂ W2 oderwenn W2 ⊂W1 gilt. Wir schreiben dann auch: L1 ‖ L2 .

32.8 Definition

Es sei A................................................... = (M,V, →) ein affiner Raum uber K . Eine Familie (Pi)i∈0∪I von Punkten

aus M heißt affin unabhangig bzw. eine affine Basis von M , wenn die Familie (−−−→P0Pi )i∈I linear

unabhangig bzw. eine Basis von V ist. (Ist eine Familie von Punkten aus M nicht affin unab-hangig, so nennt man sie affin abhangig.)Ist dabei dimK V = n , und bilden P0, P1, P2, . . . , Pn eine affine Basis von M , so heißt P0

der Ursprung oder Koordinatenanfang. Und wir nennen dann dieses geordnete (n+ 1)-Tupel(P0, P1, P2, . . . , Pn) ein Koordinatensystem von A...........................................

........ .

32.9 Lemma

Es seien A................................................... = (M,V, →) ein affiner Raum und (Pi)i=0,1,2,...,n eine Familie affin unabhangiger

Punkte aus M . Dann sind folgende Aussagen aquivalent:

(a) (Pi)0≤i≤n ist eine affine Basis von M .

(b) dimKM = n .

(c) M = P0 ∨ P1 ∨ P2 ∨ . . . ∨ Pn .

Page 182: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

174 KAPITEL VIII. AFFINE GEOMETRIE

Beweis zu Lemma 32.9:

”(a) ⇐⇒ (b)“: ist klar. X

”(a) ⇒ (c)“: Sei N := P0 ∨ P1 ∨ P2 ∨ . . . ∨ Pn und W der zugehorige Differenzraum. Wegen

Pi ∈ N fur alle 0 ≤ i ≤ n und−−−→P0Pi ∈ W fur jedes 1 ≤ i ≤ n . Da die

−−−→P0Pi

eine Basis von V bilden, ist W = V , also auch N = M .

”(c) ⇒ (b)“: Weil alle (Pi)0≤i≤n affin unabhangig sind, sind die einzelnen Punkte paarweiseverschieden. Mehrmalige Anwendung der Dimensionsformel 32.6 liefert dann:

dimM = dim (P0 ∨ P1 ∨ P2 ∨ . . . ∨ Pn)= dim (P0 ∨ P1 ∨ P2 ∨ . . . ∨ Pn−1) + dimPn︸ ︷︷ ︸

= 0

− 0 + 1

= dim (P0 ∨ P1 ∨ P2 ∨ . . . ∨ Pn−2) + dimPn−1︸ ︷︷ ︸= 0

− 0 + 1 + 1

= . . .

= dim (P0 ∨ P1) + (n− 1)= dimP0︸ ︷︷ ︸

= 0

+ dimP1︸ ︷︷ ︸= 0

− 0 + 1 + (n− 1)

⇐⇒ dimM = n .

Ist (P0, P1, P2, . . . , Pn) ein Koordinatensystem des affinen Raumes A................................................... = (M,V, →) uber

dem Korper K , dann konnen wir jedem Punkt P ∈ M umkehrbar eindeutig einen Vektor(x1, x2, . . . , xn) ∈ Kn zuordnen:

Ist P ∈M , so existiert genau ein (x1, x2, . . . , xn) ∈ Kn mit−→P0P =

n∑i=1

xi−−−→P0Pi .

Dieses n-Tupel (x1, x2, . . . , xn) bezeichnen wir als die Koordinaten von P bezuglich des Koordi-natensystems (P0, P1, P2, . . . , Pn). Ist Q ∈ M ein Punkt mit den Koordinaten (y1, y2, . . . , yn) ,

dann hat der Vektor−→PQ ∈ V bezuglich der Basis (

−−−→P0P1,

−−−→P0P2, . . . ,

−−−→P0Pn) in V die Koordinaten

(y1 − x1 , y2 − x2 , . . . , yn − xn) wegen−→PQ =

−→P0Q−

−→P0P .

Ist nun (P ∗0 , P∗1 , P

∗2 , . . . , P

∗n) ein weiteres Koordinatensystem von A...........................................

........ , so entspricht der Basis-

transformation in V von der Basis (−−−→P0P1,

−−−→P0P2, . . . ,

−−−→P0Pn) zur Basis (

−−−→P ∗0P

∗1 ,−−−→P ∗0P

∗2 , . . . ,

−−−→P ∗0P

∗n)

eine Transformationsmatrix C mit−−−→P ∗0P

∗i =

n∑j=1

γij−−−→P0Pj (vgl. Lemma 17.1 in Lineare Alge-

bra I). P ∗0 habe bezuglich (P0, P1, P2, . . . , Pn) die Koordinaten (t1, t2, . . . , tn) ∈ Kn , d. h.:

−−−→P0P

∗0 =

n∑j=1

tj−−−→P0Pj .

Hat jetzt P ∈ M die Koordinaten (x1, x2, . . . , xn) bezuglich (P0, P1, P2, . . . , Pn) und die Ko-

ordinaten (x∗1, x∗2, . . . , x

∗n) bezuglich (P ∗0 , P

∗1 , P

∗2 , . . . , P

∗n) , so gilt wegen

−→P0P =

−−−→P0P

∗0 +

−→P ∗0P

einerseits:−→P0P =

n∑j=1

xj−−−→P0Pj ,

−→P ∗0P =

n∑i=1

x∗i−−−→P ∗0P

∗i

Page 183: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

§ 32. AFFINE RAUME 175

und andererseits:

−→P0P =

n∑j=1

tj−−−→P0Pj +

n∑i=1

x∗i

n∑j=1

γij−−−→P0Pj =

n∑j=1

[tj +

n∑i=1

x∗i γij]−−−→P0Pj ,

also: (x1, x2, . . . , xn) = (t1, t2, . . . , tn) + (x∗1, x∗2, . . . , x

∗n) · C .

Dies ist genau die Transformationsformel aus Lemma 17.1 wegenx1 − t1x2 − t2

...xn − tn

= Ct ·

x∗1x∗2...x∗n

= S ·

x∗1x∗2...x∗n

⇐⇒

x∗1x∗2...x∗n

= S−1 ·

x1 − t1x2 − t2

...xn − tn

.

Dabei sind die xj − tj fur 1 ≤ j ≤ n gerade die Koordinaten von−→P0P −

−−−→P0P

∗0 =

−→P ∗0P ∈ V

bezuglich der Basis (−−−→P0P1,

−−−→P0P2, . . . ,

−−−→P0Pn) .

32.10 Definition

Es sei A................................................... = (M,V, →) ein affiner Raum uber K ; eine Familie (Pi)i∈I von Punkten Pi ∈ M

heißt kollinear, wenn die Punkte alle auf einer Geraden liegen.Ist (P0, P1, P ) ein Tripel kollinearer Punkte aus M mit P0 6= P1 , so existiert genau ein Skalar

τ = τ(P0, P1, P ) ∈ K mit−→P0P = τ ·

−−−→P0P1 . Wir nennen dieses τ das Teilverhaltnis der kolline-

aren Punkte P0, P1, P und schreiben: τ = TV(P0, P1, P ) .

rP0 rP rP1- -

Sind nun xν , yν , zν fur 1 ≤ ν ≤ n die Koordinaten von P0, P1, P bezuglich irgendeinesKoordinatensystems von A...........................................

........ , so gilt: zν − xν = τ · (yν − xν) fur alle ν = 1, 2, . . . , n ,wobei dimKM =: n vorausgesetzt sei. Fur jene ν ∈ 1, 2, . . . , n mit yν − xν 6= 0 erhalten wirdann:

TV(P0, P1, P ) =zν − xνyν − xν

.

Und P heißt der Mittelpunkt von P0 und P1, wenn TV(P0, P1, P ) = 12 gilt (was naturlich nur

fur Korper K mit charK 6= 2 sinnvoll ist49).

32.11 Definition

Wir sprechen von einem reellen bzw. komplexen affinen Raum, wenn fur den zugrundegelegtenKorper K = IR bzw. K = C gilt.Ist A...........................................

........ = (M,V, →) ein affiner Raum uber IK mit einem euklidischen bzw. unitaren VektorraumV ∈ VRIK , so nennt sich A...........................................

........ selbst ein euklidisch–affiner bzw. unitar–affiner Raum.

Fur zwei Punkte P,Q ∈M heißt dann d(P,Q) := ‖−→PQ‖ =

√〈−→PQ,

−→PQ〉

der Abstand von P nach Q.

49Vgl. etwa Seite 86; in K soll hier also 1 + 1 6= 0 gelten.

Page 184: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

176 KAPITEL VIII. AFFINE GEOMETRIE

Sind P,Q,Q′ ∈M paarweise verschiedene Punkte eines euklidisch–affinen RaumesA................................................... = (M,V, →) mit dem Skalarprodukt 〈·, ·〉 , so heißt

](g, g′) := arccos|〈−→PQ,

−→PQ′〉|

‖−→PQ‖ · ‖

−→PQ′‖

∈ [ 0 ; π2 ]

der Winkel zwischen den Geraden g = P ∨Q und g′ = P ∨Q′ .

...........................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................

..................................

..................................

..................................

..................................

..................................

..................................

..................................

..................................

..................................

..................................

..................................

........................

........

........

........

..........................................

]g

g′

rQ′

rP

rQ

§ 33 Affine Abbildungen

Gegeben seien hier stets zwei nichtleere affine Raume A................................................... = (M,V, →) und IB = (N,W, →)

uber demselben Korper K .

33.1 Definition

Eine Abbildung f : M → N heißt affin, falls es eine K–lineare Abbildung Ff : V → W gibt

mit50 Ff (−→PQ) =

−−−−−−−→f(P )f(Q) fur alle P,Q ∈M .

33.2 Bemerkungen

(i) Jede affine Abbildung f : M → N bestimmt eindeutig eine lineare Abbildung Ff : V →W .

(ii) Ist F : V →W eine lineare Abbildung, so gibt es zu vorgegebenen P0 ∈M und P ∗0 ∈ Ngenau eine affine Abbildung f : M → N mit f(P0) = P ∗0 und Ff = F .

(iii) Ist f : M → N affin, und ist die Familie (Pi)i∈I affin abhangig in M , dann sind dieBildpunkte (f(Pi))i∈I affin abhangig in N .

(iv) Ist f : M → N affin, und sind (f(Pi))i∈I affin unabhangig in N , so sind auch die Urbilder(Pi)i∈I affin unabhangig in M .

(v) Ist f : M → N affin und (Pi)i∈I eine affine Basis von M , so ist f durch Qi := f(Pi) furalle i ∈ I eindeutig festgelegt.

(vi) Ist ID = (S,U, ;) ein weiterer affiner Raum uber K , und sind g : N → S sowief : M → N affin, dann ist auch die Komposition g f : M → S eine affine Abbildungmit Fgf = Fg Ff .

50Man beachte, daß sich die erste Pfeiloperation → auf A............................... , die zweite dagegen auf → von IB bezieht. Kunftig

wird dies bei mehreren affinen Raumen nicht mehr extra unterschieden.

Page 185: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

§ 33. AFFINE ABBILDUNGEN 177

Beweis zu Bemerkung 33.2:

zu (i): ist klar. X

zu (ii): Eindeutigkeit von f : Angenommen, es gabe noch eine affine Abbildung g : M → Nmit g(P0) = P ∗0 und Fg = F . Dann gilt fur alle P ∈M :

Ff (−→P0P ) = Fg(

−→P0P ) = F (

−→P0P ) , d. h. gemaß Definition:

−−−−−−−→f(P0)f(P ) =

−−−−−−−→g(P0)g(P ) = F (

−→P0P ) ⇐⇒

−−−−−−→P ∗0 f(P ) =

−−−−−−→P ∗0 g(P ) = F (

−→P0P ) .

Daraus folgt nach Axiom (A2): f(P ) = g(P ) , also: f = g .Andererseits definieren wir die affine Abbildung f gerade durch die letzte Gleichung;somit ist auch die Existenz von f gesichert.

zu (iii) – (v): folgt aus den entsprechenden Ergebnissen von Bemerkung 14.2 (ii) und (iii) sowieSatz 14.6 (siehe Lineare Algebra I). X

zu (vi): Die Linearitat von Fg Ff ergibt sich direkt aus Bemerkung 14.2(iv); ferner ist furbeliebige P,Q ∈M :

Fg(Ff (−→PQ)

)= Fg

(−−−−−−−→f(P ) f(Q)

)=−−−−−−−−−−−−→g(f(P ))g(f(Q)) =

−−−−−−−−−−−−−−−→(g f)(P ) (g f)(Q) .

Als weitere Folgerung zu §14 ergibt sich:

33.3 Satz

Ist f : M → N affin mit zugehoriger linearer Abbildung Ff : V →W , dann gilt:

(a) Es ist f injektiv genau dann, wenn Ff injektiv ist.

(b) Es ist f surjektiv genau dann, wenn Ff surjektiv ist.

(c) Ist f bijektiv, so ist die Umkehrabbildung f−1 : N →M affin mit Ff−1 = (Ff )−1 .

Beweis:

zu (a) & (b): sind klar. X

zu (c): Fur R,S ∈ N seien P,Q ∈ M mit f(P ) = R und f(Q) = S ; dann gilt nachDefinition von Ff :

Ff(−−−−−−−−−−−−→f−1(R) f−1(S)

)=−→RS , also: (Ff )−1(

−→RS) =

−−−−−−−−−−−−→f−1(R) f−1(S) .

Page 186: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

178 KAPITEL VIII. AFFINE GEOMETRIE

33.4 Satz

Es sei f : M → N eine affine Abbildung; dann gilt:

a) Ist L ein affiner Unterraum von M , so ist das Bild f(L) ein affiner Unterraum von N .

b) Ist L′ ein affiner Unterraum von N , so ist das Urbild−1f (L′) ein affiner Unterraum von M .

Beweis: siehe Ubungsaufgabe 33–1. ()

Es seien nun (P0, P1, P2, . . . , Pn) ein Koordinatensystem von A................................................... und (Q0, Q1, Q2, . . . , Qm) ein

Koordinatensystem von IB .Ist f : M → N affin, so gehort zu der linearen Abbildung Ff ∈ HomK(V,W ) bezuglich der

Basen A = (−−−→P0P1,

−−−→P0P2, . . . ,

−−−→P0Pn) von V und B = (

−−−→Q0Q1,

−−−→Q0Q2, . . . ,

−−−−→Q0Qm) von W eine

Matrix ΦAB (Ff ) = A = (αij) ∈ Mat(m,n;K) mit

Ff (−−−→P0Pj ) =

m∑i=1

αij−−−→Q0Qi .

Ist weiter−−−−−−→Q0f(P0) =

m∑i=1

ti−−−→Q0Qi , d. h. sind (t1, t2, . . . , tm) ∈ Km die Koordinaten von f(P0)

bezuglich (Q0, Q1, Q2, . . . , Qm) , dann folgt fur die Koordinaten x = (x1, x2, . . . , xn) eines be-liebigen Punktes P ∈M und seine ”Bild–Koordinaten“ x∗ = (x∗1, x

∗2, . . . , x

∗m) von f(P ) ∈ N :

x∗1x∗2...x∗m

=

t1t2...tm

+A ·

x1

x2...xn

. (∗)

Es gilt namlich:

−−−−−−→Q0f(P ) =

−−−−−−→Q0f(P0) +

−−−−−−−→f(P0)f(P ) =

m∑i=1

ti−−−→Q0Qi + Ff (

−→P0P )

=m∑i=1

ti−−−→Q0Qi +

n∑j=1

xj Ff (−−−→P0Pj )

=m∑i=1

ti−−−→Q0Qi +

n∑j=1

xj

m∑i=1

αij−−−→Q0Qi .

Umgekehrt definiert jedes (t1, t2, . . . , tm) ∈ Km und jede Matrix A ∈ Mat(m,n;K) durch (∗)eine affine Abbildung.

33.5 Definition

Es sei A................................................... = (M,V, →) ein affiner Raum uber K . Jede bijektive affine Abbildung f : M →M

heißt eine Affinitat oder ein affiner Automorphismus.Gilt dabei: Ff = λ · idV mit λ ∈ K , so heißt f eine Dilatation mit Faktor λ ; im Falle λ = 1nennt man f eine Translation, im Fall λ = 0 heißt die Dilatation f entartet.

Page 187: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

§ 33. AFFINE ABBILDUNGEN 179

33.6 Lemma

Es seien A................................................... = (M,V, →) ein affiner Raum uber K und f : M → M eine affine Abbildung.

Dann sind aquivalent:

a) f ist eine Translation.

b) Fur alle P,Q ∈M gilt:−−−−→Pf(P ) =

−−−−→Qf(Q) .

Beweis:

Wegen−−−−→Pf(P ) = −

−−−−→f(P )P = −

(−−−−−−−→f(P )f(Q) +

−−−−→f(Q)Q +

−→QP

)=−−−−→Qf(Q) −

−−−−−−−→f(P )f(Q) +

−→PQ gilt

fur alle P,Q ∈M :−−−−→Pf(P ) =

−−−−→Qf(Q) ⇐⇒

−−−−−−−→f(P )f(Q) =

−→PQ ,

d. h.: Ff (−→PQ) =

−−−−−−−→f(P )f(Q) = idV (

−→PQ) .

33.7 Bemerkung

Bezuglich der Komposition als Verknupfung bilden die Affinitaten auf M eine Gruppe, nam-lich die sogenannte affine Gruppe Aff(M) von M ; die Translationen auf M bilden die (abelsche)Gruppe T(M) . Insgesamt gilt:

idM ⊆ T(M) ⊆ Aff(M) ⊆ S(M) .

Beweis:

Da S(M) eine Gruppe ist (gemaß Beispiel 1.6d) aus Lineare Algebra I), genugt es zu zeigen,daß f g ∈ Aff(M) gilt fur alle f, g ∈ Aff(M) bzw. daß f g ∈ T(M) gilt fur alle f, g ∈ T(M) .Diese Aussagen sind aber offensichtlich erfullt. X

33.8 Definition

Es sei A................................................... = (M,V, →) euklidisch–affin oder unitar–affin. Eine Affinitat f : M →M heißt

eine Kongruenz, wenn fur alle P,Q ∈M gilt: ‖−−−−−−−→f(P )f(Q)‖ = ‖

−→PQ‖ .

Diese Eigenschaft einer Kongruenz nennt man Langentreue.

33.9 Lemma

Es sei A................................................... = (M,V, →) euklidisch–affin bzw. unitar–affin. Fur eine Affinitat f : M → M sind

folgende Aussagen aquivalent:

a) f ist eine Kongruenz.

b) Die Abbildung Ff ist ein orthogonaler bzw. unitarer Endomorphismus.

Page 188: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

180 KAPITEL VIII. AFFINE GEOMETRIE

Beweis zu Lemma 33.9:

Wegen Ff (−→PQ) =

−−−−−−−→f(P )f(Q) gilt fur alle P,Q ∈M :

‖−−−−−−−→f(P )f(Q)‖ = ‖

−→PQ‖ ⇐⇒ ‖Ff (

−→PQ)‖ = ‖

−→PQ‖ .

Wegen (A2) folgt also:f ist eine Kongruenz genau dann, wenn ‖Ff (v)‖ = ‖v‖ gilt fur alle v ∈ V .

Dies bedeutet mit Satz 29.2: Ff ∈ EndIK(V ) ist orthogonal bzw. unitar.

33.10 Definition

Es seien A................................................... = (M,V, →) euklidisch–affin bzw. unitar–affin und f : M → M eine Affinitat.

Dann heißt f eine Ahnlichkeit, wenn ein reelles c > 0 existiert mit ‖−−−−−−−→f(P )f(Q)‖ = c · ‖

−→PQ‖

fur alle P,Q ∈M . Und c selbst wird der Ahnlichkeitsfaktor von f genannt.

33.11 Bemerkung

Es sei A................................................... = (M,V, →) ein euklidisch–affiner oder unitar–affiner Raum; dann bilden die Ahn-

lichkeiten eine weitere Untergruppe51 von Aff(M) , die Gruppe Ahn(M) . Die KongruenzenKon(M) auf M wiederum bilden eine Untergruppe von Ahn(M) . Unter Verwendung von Be-merkung 33.7 hat man damit den Zusammenhang:

idM ⊆ T(M) ⊆ Kon(M) ⊆ Ahn(M) ⊆ Aff(M) ⊆ S(M) .

Es sei nun U eine Untergruppe von Aff(M) . Eine Aussage uber Teilmengen von A................................................... = (M,V, →)

heißt U–invariant , wenn folgendes gilt:

Trifft die Aussage auf Teilmengen M1,M2,M3, . . . ⊂M zu, so soll sie fur beliebigef ∈ U auch auf die Teilmengen f(M1), f(M2), f(M3), . . . ⊂ f(M) zutreffen.

Die Menge aller solchen U–invarianten Aussagen wird dann die zu U gehorende Geometrie ge-nannt. Die zu Aff(M) gehorende Geometrie heißt affine Geometrie, die zu Ahn(M) bzw.Kon(M) gehorende Geometrie nennt man Ahnlichkeitsgeometrie bzw. Kongruenzgeometrie(oder euklidische Geometrie).Eine solche gruppentheoretische Charakterisierung der Geometrien ist der Inhalt des sogenann-ten Erlanger Programms von F. Klein52.

Wichtige Invarianten sind hier:

51Die genaue Definition einer Untergruppe entnehme man bitte §42 aus Algebra I.52Christian Felix Klein, deutscher Mathematiker (?25.04.1849, †22.06.1925)

Page 189: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

§ 33. AFFINE ABBILDUNGEN 181

33.12 Satz

(a) Es sei f : M → N affin; mit P,Q,R sind auch f(P ), f(Q), f(R) kollinear. Aus P 6= Q undf(P ) 6= f(Q) folgt: TV(P,Q,R) = TV(f(P ), f(Q), f(R)) . Speziell laßt jede Affinitatf : M →M Kollinearitat und Teilverhaltnis invariant.

(b) Jede Abbildung f ∈ Ahn(M) ist winkeltreu (im Fall K = IR ), d. h. fur paarweise ver-schiedene P,Q,Q′ ∈M gilt:

](P ∨Q , P ∨Q′) = ](f(P ) ∨ f(Q) , f(P ) ∨ f(Q′)) .

(c) Jede Abbildung f ∈ Kon(M) ist langentreu und winkeltreu.

Beweis:

zu (a): Sind P,Q,R ∈ M kollinear, so ist dimL ≤ 1 , wobei L := P ∨ Q ∨ R sei. Damitgilt: dim f(L) = dimFf (U) mit U als Differenzraum zu L . Und Satz 15.2 (Dimen-sionsformel) liefert: dimFf (U) ≤ dimU = dimL ≤ 1 . Also sind die Bildpunkte

f(P ), f(Q), f(R) ∈ N ebenfalls kollinear. Ist dann P 6= Q und−→PR = τ ·

−→PQ , so

folgt:−−−−−−−→f(P )f(R) = Ff (

−→PR) = τ · Ff (

−→PQ) = τ ·

−−−−−−−→f(P )f(Q) ,

d. h.: τ = TV(f(P ), f(Q), f(R)) .

zu (b): Wir drucken das Skalarprodukt im Zahler von Definition 32.11 durch die Norm aus(vgl. Bemerkung 26.8(ii)) und benutzen Definition 33.10. X

zu (c): siehe Definition 33.8 und Teil (b) mit Bemerkung 33.11. X

Die Eigenschaft aus Satz 33.12(a) ist charakteristisch fur Affinitaten. Dazu:

33.13 Definition

Es sei A................................................... = (M,V, →) ein affiner Raum und f : M → M eine bijektive Abbildung; f heißt

eine Kollineation, wenn fur jede Gerade L in M auch f(L) eine Gerade ist.

Dann gilt namlich:

33.14 Satz (Hauptsatz der affinen Geometrie)

Ist A................................................... = (M,V, →) ein affiner Raum uber IR mit Dimension dimIRM ≥ 2 , so ist jede

Kollineation f : M →M eine Affinitat.

Page 190: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

182 KAPITEL VIII. AFFINE GEOMETRIE

§ 34 Klassif ikation von Quadriken

Wir betrachten nunmehr den euklidisch–affinen Raum A................................................... = (IRn, IRn, →) mit

−→PR = R − P

fur alle P,R ∈ IRn . Ist dann

Q := (x1, x2, . . . , xn) ∈ IRn | (x′)t ·A′ · x′ = 0

eine reelle Quadrik (nach Bemerkung 31.3), so haben wir in §31 bereits gezeigt:

Es existiert eine orthogonale Matrix S′ ∈ O(n+1) derart, daß fur x′ = S′ · y′ gilt:

Q = (y1, y2, . . . , yn) ∈ IRn | (y′)t ·B′ · y′ = 0 ,

wobei

B′ :=

c00 c01 · · · c0k c0,k+1 · · · c0m c0,m+1 · · · c0n

c01 λ1...

. . . 0 0c0k λkc0,k+1 λk+1

... 0. . . 0

c0,m λmc0,m+1 0

... 0 0. . .

c0n 0

sei mit den Eigenwerten λ1, λ2, . . . , λk > 0 und λk+1, λk+2, . . . , λm < 0 von A .

Es gilt dann also fur die Koordinaten von Q :x1x2...xn

= S ·

y1y2...yn

mit einer zugehorigen orthogonalen Matrix S ∈ O(n) . Setzen wir nun:

T ′ :=

1 0 0− 1λ1c01

... Em 0− 1λmc0m

0... 0 En−m0

und y′ = T ′ · z′ , dann erhalten wir weiter:

B′ · T ′ =

d00 c01 · · · c0m c0,m+1 · · · c0n

0 λ1.... . . 0

0 λmc0,m+1

... 0 0c0n

Page 191: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

§ 34. KLASSIFIKATION VON QUADRIKEN 183

sowie

C ′ := (T ′)t ·B′ · T ′ =

d00 0 · · · 0 c0,m+1 · · · c0n

0 λ1.... . . 0

0 λmc0,m+1

... 0 0c0n

.

Daraus ergibt sich die ”transformierte“ Quadrik

Q = (z1, z2, . . . , zn) ∈ IRn | (z′)t · C ′ · z′ = 0

mit

(∗)

y1y2...yn

=

− 1λ1c01

...− 1λmc0m

0...0

+

z1z2...zn

, d. h.:

z1z2...zn

=

1λ1c01

...1λmc0m

0...0

+ S−1 ·

x1x2...xn

Und durch (∗) wird eine Kongruenz f : IRn → IRn in A................................................... beschrieben. Wir erhalten also:

34.1 Satz (Metrische Hauptachsentransformation)

Es sei Q eine reelle Quadrik, m := rg(A) und m′ := rg(A′) . Dann gibt es eine Kongruenzf : IRn → IRn und Skalare α1, α2, . . . , αm ∈ IR∗ derart, daß f(Q) ⊂ IRn beschrieben wirddurch eine Gleichung der Form

(a)z1

2

α12

+z2

2

α22

+ . . .+zk

2

αk2− zk+1

2

αk+12− zk+2

2

αk+22− . . .− zm

2

αm2= 0 , falls m = m′ ist.

(b)z1

2

α12

+z2

2

α22

+ . . .+zk

2

αk2− zk+1

2

αk+12− zk+2

2

αk+22− . . .− zm

2

αm2= 1 , falls m+ 1 = m′ ist.

(c)z1

2

α12

+z2

2

α22

+ . . .+zk

2

αk2− zk+1

2

αk+12− zk+2

2

αk+22− . . .− zm

2

αm2+ 2 zm+1 = 0 , falls m+ 2 = m′ ist.

Beweis:

Wir erhalten durch eine Kongruenz f :

Q = (z1, z2, . . . , zn) ∈ IRn | (z′)t · C ′ · z′ = 0

mit rg(C ′) = rg(A′) (vgl. Folgerung 31.5).

Typ (a): Ist m = m′ , so folgt: d00 = c0,m+1 = c0,m+2 = . . . = c0n = 0 . Wir setzen αi := 1√|λi|

fur jedes i = 1, 2, . . . ,m .

Page 192: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

184 KAPITEL VIII. AFFINE GEOMETRIE

Typ (b): Ist m + 1 = m′ , dann folgt: d00 6= 0 und c0,m+1 = c0,m+2 = . . . = c0n = 0 . OhneBeschrankung der Allgemeinheit konnen wir d00 < 0 voraussetzen (anderenfalls mul-tiplizieren wir die Gleichung mit −1 und ordnen die z1, z2, . . . , zm um). Wir dividierendie Gleichung durch |d00| und setzen αi := ( |λi||d00|)

− 12 fur alle i = 1, 2, . . . ,m .

Typ (c): Gilt: m + 2 = m′ , so existiert mindestens ein Index r ∈ m + 1,m + 2, . . . , n mitc0,r 6= 0 . Ohne Einschrankung konnen wir r = m + 1 annehmen (sonst ordnen wirdie zm+1, zm+2, . . . , zn geeignet um). Unser Ziel ist es, durch eine Kongruenz f dieEintrage d00, c0,m+2, c0,m+3, . . . , c0n zum Verschwinden zu bringen. Wir setzen dazuv := (c0,m+1, c0,m+2, . . . , c0n) ∈ IRn−m sowie v1 := v

‖v‖ und bestimmen nach demVerfahren von Schmidt–Gram eine Orthonormalbasis (v1, v2, . . . , vn−m) des IRn−m .Dann beschreibt die erweiterte Matrix

R′ :=

1 0 · · · 0 0 · · · 00... Em 00

µ v1t 0 v1

t · · · vn−mt

mit µ := − d00

2 ‖v‖

eine Kongruenz, da die zugehorige Matrix R orthogonal ist. Mit etwas Rechnungergibt sich hieraus die folgende Matrix:

(R′)t · C ′ ·R′ =

0 0 0 · · · 0 ‖v‖ 0 · · · 00 λ1 00 λ2...

. . . 00 0 λm‖v‖0... 0 00

.

Und wir setzen schließlich αi := ( |λi|‖v‖)− 1

2 jeweils fur i = 1, 2, . . . ,m .

34.2 Bemerkung

Die Darstellung einer reellen Quadrik in der Form (a), (b) oder (c) aus Satz 34.1 nennen wirdie (metrische) Normalform einer Quadrik.Allein durch Berechnung von m = rg(A) , m′ = rg(A′) sowie s := SignA und s′ := SignA′

kann man den ”Typ“ der Quadrik bestimmen. Dabei wollen wir uns bezuglich s und s′ an C ′

mit d00 < 0 im Fall (b) bzw. mit c0,m+1 6= 0 im Fall (c) orientieren.

34.3 Beispiel

Nach Rang und Signatur von A und A′ klassifizieren wir nun die Quadriken im IR2 mit A 6= 0 ;dies sind die sogenannten Kurven zweiter Ordnung (oder Kegelschnitte).Mit obigen Bezeichnungen erhalten wir folgende Tabelle:

Page 193: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

§ 34. KLASSIFIKATION VON QUADRIKEN 185

m m′ s s′ Gleichung Beschreibung

2 3 2 1x2

a2+y2

b2= 1 Ellipse (bzw. Kreis, falls a = b )

2 3 0 −1x2

a2− y2

b2= 1 Hyperbel

2 3 −2 −3 −x2

a2− y2

b2= 1 leere Menge ∅

2 2 2 2x2

a2+y2

b2= 0 Nullpunkt (0, 0)

2 2 0 0x2

a2− y2

b2= 0 zwei sich schneidende Geraden

1 3 1 1x2

a2+ 2 y = 0 Parabel

1 2 1 0x2

a2= 1 paralleles Geradenpaar

1 2 −1 −2 −x2

a2= 1 leere Menge ∅

1 1 1 1x2

a2= 0 (Doppel-)Gerade (y–Achse)

34.4 Beispiel

Entsprechend werden jetzt alle Quadriken im IR3 mit A 6= 0 klassifiziert; dies sind die soge-nannten Flachen zweiter Ordnung. In der nachsten Tabelle beziehen sich die Nummern in denKastchen auf die nachfolgenden Abbildungen.

m m′ s s′ Gleichung Beschreibung

3 4 3 2x2

a2+y2

b2+z2

c2= 1 Ellipsoid 1

3 4 1 0x2

a2+y2

b2− z2

c2= 1 einschaliges Hyperboloid 2

3 4 −1 −2x2

a2− y2

b2− z2

c2= 1 zweischaliges Hyperboloid 3

3 4 −3 −4 −x2

a2− y2

b2− z2

c2= 1 leere Menge ∅

3 3 3 3x2

a2+y2

b2+z2

c2= 0 Nullpunkt (0, 0, 0)

3 3 1 1x2

a2+y2

b2− z2

c2= 0 Kegel 6

2 4 2 2x2

a2+y2

b2+ 2 z = 0 elliptisches Paraboloid 7

Page 194: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

186 KAPITEL VIII. AFFINE GEOMETRIE

m m′ s s′ Gleichung Beschreibung

2 4 0 0x2

a2− y2

b2+ 2 z = 0 hyperbolisches Paraboloid 8

2 3 2 1x2

a2+y2

b2= 1 elliptischer Zylinder 9

2 3 0 −1x2

a2− y2

b2= 1 hyperbolischer Zylinder 10

2 3 −2 −3 −x2

a2− y2

b2= 1 leere Menge ∅ (”nullteiliger Zylinder“)

2 2 2 2x2

a2+y2

b2= 0 Gerade (z–Achse)

2 2 0 0x2

a2− y2

b2= 0 zwei sich schneidende Ebenen

1 3 1 1x2

a2+ 2 y = 0 parabolischer Zylinder 14

1 2 1 0x2

a2= 1 zwei parallele Ebenen

1 2 −1 −2 −x2

a2= 1 leere Menge ∅ (”konjugiert komplexe Ebenen“)

1 1 1 1x2

a2= 0 (Doppel-)Ebene ((y, z)–Ebene)

1 Ellipsoid : 2 EinschaligesHyperboloid :

3 ZweischaligesHyperboloid :

Page 195: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

§ 34. KLASSIFIKATION VON QUADRIKEN 187

6 Kegel : 7 ElliptischesParaboloid :

8 HyperbolischesParaboloid :

9 ElliptischerZylinder :

10 HyperbolischerZylinder :

14 ParabolischerZylinder :

(Quelle: [14])

Andererseits existiert nach §31 eine erweiterte Matrix S′1 ∈ GL(n+1 ; IR) , so daß fur x′ = S′1 ·y′gilt:

Q = (y1, y2, . . . , yn) ∈ IRn | (y′)t ·B′1 · y′ = 0 mit B′1 :=

c00 c01 · · · c0n

c01 Ek 0 0... 0 −Em−k 0c0n 0 0 0

.

Setzt man (vgl. Seite 166f.)

S′2 :=

1 0 0 0−c01

...−c0k

Ek 0 0

c0,k+1...c0m

0 Em−k 0

0...0

0 0 En−m

Page 196: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

188 KAPITEL VIII. AFFINE GEOMETRIE

und y′ = S′2 · z′ , dann ergibt sich weiter:

Q = (z1, z2, . . . , zn) ∈ IRn | (z′)t ·B′2 · z′ = 0

mit

B′2 :=

d00 0 0 c0,m+1 · · · c0n

0 Ek 0 0

0 0 −Em−k 0

c0,m+1...c0n

0 0 0

.

Die Koordinatentransformation

(z1, z2, . . . , zn)t = (c01, . . . , c0k,−c0,k+1, . . . ,−c0m, 0, . . . , 0)t + S1−1 · (x1, x2, . . . , xn)t

beschreibt also wegen S1 ∈ GL(n; IR) eine Affinitat f : IRn → IRn in A................................................... .

Damit erhalten wir:

34.5 Satz (Affine Hauptachsentransformation)

Es sei Q eine reelle Quadrik, m = rg(A) und m′ = rg(A′) . Dann gibt es eine Affinitatf : IRn → IRn derart, daß f(Q) ⊂ IRn beschrieben wird durch eine Gleichung der Form

(a) z12 + z2

2 + . . .+ zk2 − zk+1

2 − zk+22 − . . .− zm2 = 0 , falls m = m′ ist.

(b) z12 + z2

2 + . . .+ zk2 − zk+1

2 − zk+22 − . . .− zm2 = 1 , falls m+ 1 = m′ ist.

(c) z12 + z2

2 + . . .+ zk2 − zk+1

2 − zk+22 − . . .− zm2 + 2 zm+1 = 0 , falls m+ 2 = m′ ist.

Beweis:

Wir erhalten durch eine Affinitat: Q = (z1, z2, . . . , zn) ∈ IRn | (z′)t ·B′2 · z′ = 0 mit

B′2 =

d00 0 0 c0,m+1 · · · c0n

0 Ek 0 0

0 0 −Em−k 0

c0,m+1...c0n

0 0 0

und rg(B′2) = rg(A′) .

Typ (a): d00 = c0,m+1 = c0,m+2 = . . . = c0n = 0 ergibt sofort die Behauptung. X

Typ (b): d00 6= 0 ∧ c0,m+1 = c0,m+2 = . . . = c0n = 0 . Ohne Beschrankung der Allgemeinheitsei d00 < 0 . Wir setzen (z1, z2, . . . , zn) = % · (y1, y2, . . . , yn) mit % :=

√−d00 und

dividieren die entstehende Gleichung durch %2 .

Page 197: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

§ 34. KLASSIFIKATION VON QUADRIKEN 189

Typ (c): Ohne Einschrankung sei c0,m+1 6= 0; wir setzen wi = zi fur i ∈ 1, 2, . . . , n\m+1und 2wm+1 = 2 (c0,m+1 zm+1 + c0,m+2 zm+2 + . . .+ c0n zn) + d00 , d. h.:

w1...

wm+1...wn

=

1. . . 0

1c0,m+1 · · · c0n

10 . . .

1

·

z1...

zm+1...zn

+

0...0

d00/20...0

.

Daraus ergibt sich die in (c) angegebene (affine) Normalform von Q . Die obige Ko-ordinatentransformation beschreibt dann eine Affinitat.

34.6 Beispiel

Wir betrachten die Quadrik Q des IR3 mit der Gleichung

x2 + 5 y2 + 9 z2 + 4x y + 2x z + 10 y z − 2 z = 2 ;

dann lautet die beschreibende Matrix

A′ =

−2 0 0 −1

0 1 2 10 2 5 5−1 1 5 9

=

−2 0 0 −1

00 A−1

mit detA = −1 und daher: detA′ = −2 · detA − 1 = 1 . Also gilt direkt: rg(A) = 3 undrg(A′) = 4 . Da A weder positiv definit noch negativ definit ist, besitzt A entweder zwei positiveund einen negativen Eigenwert oder umgekehrt einen positiven und zwei negative Eigenwerte.Damit handelt es sich beiQ um ein einschaliges oder zweischaliges Hyperboloid (vgl. 2 bzw. 3 ).

Wegen pA(0) = (−1)3 ·detA = 1 und pA(5) = det

4 −2 −1−2 0 −5−1 −5 −4

< 0 sowie limt→∞

pA(t) =∞

hat A genau zwei positive und genau einen negativen Eigenwert. Also stellt Q ein einschaligesHyperboloid dar.

Page 198: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

Kapitel IX

Konvexe Mengen undlineare Optimierung

§ 35 Problemstellung

Das Hauptproblem der linearen Optimierung ist die Maximierung oder Minimierung einer Funk-tion von mehreren Veranderlichen, welche einigen Beschrankungen (Restriktionen) unterliegt;dabei werden diese sogenannte Zielfunktion und die Restriktionen als linear angenommen (oderdurch lineare Ausdrucke approximiert). Im Prinzip geht es also bei Problemen der linearen Opti-mierung immer um die optimale Aufteilung knapper Ressourcen (Kapazitaten) auf verschiedeneVerwendungszwecke oder um die optimale Kombination von Einsatzfaktoren fur vorgegebeneZwecke.53

35.1 Beispiel (Transportproblem)

Ein Baugeschaft liefere 1 000 Sacke Zement an drei Baustellen B1, B2 und B3 . Der Zement werdein zwei Lagerhallen L1 und L2 an verschiedenen Orten aufbewahrt. Die Kosten pro Sack beimTransport von der Lagerhalle Li zur Baustelle Bj , der Bedarf an Zement an den drei Baustellenund der vorhandene Lagerbestand gehen aus folgender Tabelle hervor:

Transportkosten in DM je Sack Bedarf

Baustelle ab Lager L1 ab Lager L2 in Sacken

B1 0,90 0,60 300

B2 1,00 0,40 500

B3 1,20 1,00 200

Lagerbestand 600 400 1 000

Hieraus laßt sich die Kostenfunktion Φ herleiten, wenn wir mit x die Anzahl der Sacke bezeich-nen, die von L1 nach B1 geliefert wird, und mit y die Anzahl der Sacke, die von L1 nach B2

53Naheres zur okonomischen Praxis, siehe etwa [9].

190

Page 199: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

§ 35. PROBLEMSTELLUNG 191

geliefert wird:

Φ(x, y) = 0,9 · x+ 1,0 · y + 1,2 · (600− x− y) ++ 0,6 · (300− x) + 0,4 · (500− y) + 1,0 · (200− (600− x− y))

= 0,1 · x+ 0,4 · y + 700 (in DM) .

Wir suchen nun ein Minimum von Φ unter einigen Einschrankungen54 an die auftretenden Gro-ßen:

x ≥ 0 , y ≥ 0 ,600− x− y ≥ 0 ⇐⇒ x+ y ≤ 600 ,

300− x ≥ 0 ⇐⇒ x ≤ 300 ,500− y ≥ 0 ⇐⇒ y ≤ 500 ,

−400 + x+ y ≥ 0 ⇐⇒ x+ y ≥ 400 .

Die Menge K aller Punkte (x, y) ∈ IR2 , die jeder dieser sechs Bedingungen genugen, hat etwafolgende Gestalt:

- xy ≥ 0

6

y

x ≥ 0

........

........

........

........

........

........

........

........

........

........

........

........

........

........

........

........

........

........

........

........

........

........

........

........

........

........

........

........

........

........

........

........

........

........

........

........

........

........

........

........

........

........

........

........

........

........

........

........

........

........

........

........

........

........

........

........

........

........

........

........

........

........

........

.....

x ≤ 300

.................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................... y ≤ 500

......................

......................

......................

......................

......................

......................

......................

......................

......................

......................

......................

......................

......................

......................

......................

......................

......................

......................

......................

......................

......................

......................

......................

......................

......................

......................

.................

x+ y ≥ 400

......................

......................

......................

......................

......................

......................

......................

......................

......................

......................

......................

......................

......................

......................

......................

......................

......................

......................

......................

......................

..................

x+ y ≤ 600

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

K

......................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................

......................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................

......................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................

......................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................

L910

L880

L850

L770

Es sei also ein Minimum von Φ auf K ⊂ IR2 gesucht, d. h. ein optimaler Punkt P ∈ K mit

Φ(P ) = minQ∈K

Φ(Q) .

Dazu betrachten wir die Geraden

Lz := (x, y) ∈ IR2 | Φ(x, y) = z ,also: 0,1 · x+ 0,4 · y + 700 = z ⇐⇒ y = −1

4 x+ 52 (z − 700) .

Man erkennt: Je großer der Wert von z ist, desto großer wird der y–Achsenabschnitt der Gera-den Lz . Fur einige z–Werte sind in der obigen Skizze die Geraden Lz eingezeichnet. Wir erhaltenminimale Kosten fur z = 770,– DM ; dann ist (x, y) = (300, 100) ∈ K der einzige Punkt in K ,fur den dieses Minimum von Φ angenommen wird.

54Meistens ergeben sich diese Beschrankungen direkt aus dem praktischen Rahmen des Problems; so sprichtman z. B. von Absatz- oder Transportrestriktionen etc.

Page 200: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

192 KAPITEL IX. KONVEXE MENGEN UND LINEARE OPTIMIERUNG

Als Losung ergibt sich damit der ”optimale Transportplan“:

Transportmenge in Sacken BedarfBaustelle ab Lager L1 ab Lager L2 in Sacken

B1 300 0 300B2 100 400 500B3 200 0 200

Lagerbestand 600 400 1 000

Um Aufgaben dieser Art genau zu beschreiben, benotigt man im allgemeinen jedoch eine großeZahl von Veranderlichen und hat eine große Zahl von Restriktionen. Dann kann man die Losungnicht mehr wie oben durch geometrische Betrachtungen erhalten. Denn bereits bei drei reel-len Variablen x, y, z werden durch die Vorzeichenbedingungen die Seiten einer Ebene im IR3

beschrieben.

Wir wollen nun die Standardform der linearen Optimierungsaufgabe beschreiben:

35.2 Definition

Vorgegeben seien zwei feste Spaltenvektoren p ∈ IRn und b ∈ IRm sowie eine feste MatrixA = (αij) 1≤i≤m

1≤j≤n∈ Mat(m,n; IR) .

Der Grundtyp der linearen Optimierung besteht darin, einen Vektor x ∈ IRn zu finden mit derEigenschaft55:

pt · x = Min!

unter den Nebenbedingungen (oder Restriktionen):

A · x+ b ≥ 0

und den Vorzeichenbedingungen56:x ≥ 0 .

Dabei sei fur einen reellen Vektor v = (v1, v2, . . . , vk)t

”Nicht–Negativitat“ festgelegt durch:

v ≥ 0 :⇐⇒ vi ≥ 0 ∀i=1,2,...,k .

Setzt man y := A · x + b , so erhalten wir aus den Ungleichungen bei den Nebenbedingungendie Gleichungen

A · x− y + b = 0

und zusatzlich die Vorzeichenbedingungen y ≥ 0 .

Setzen wir weiter

x := (x1, x2, . . . , xn, y1, y2, . . . , ym)t ∈ IRn+m

und p := (p1, p2, . . . , pn, 0, 0, . . . , 0)t ∈ IRn+m

sowie b := b und A := (A | −Em) ∈ Mat(m, m+n ; IR) ,

55Die Komponenten von p bestimmen also die Zielfunktion Φ des Optimierungsproblems.56Man spricht auch von Nicht–Negativitats–Bedingungen.

Page 201: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

§ 36. KONVEXE MENGEN 193

dann ist die obige Aufgabe aquivalent zur Formulierung:

p t · x = Min!

mit A · x+ b = 0 , x ≥ 0 .

Wir erhalten also eine lineare Optimierungsaufgabe in m+ n Variablen, wobei als Nebenbedin-gung genau m lineare Gleichungen gegeben sind.Fur theoretische Uberlegungen ist diese Darstellung der Aufgabe gunstiger, wohingegen beikonkreten Anwendungsbeispielen die Nebenbedingungen in Form von Ungleichungen vorliegen.Die beim Ubergang von Ungleichungen zu Gleichungen eingefuhrten Großen y1, y2, . . . , ym ∈ IRnennen wir Schlupfvariablen57.

§ 36 Konvexe Mengen

36.1 Definition

Es sei V ∈ VRIR ein reeller Vektorraum; eine Menge K ⊂ V heißt konvex, wenn fur allePunkte p, q ∈ K und alle t ∈ [ 0 ; 1 ] gilt58:

(1− t) p+ t q ∈ K .

Ist V = IRn und ϕ ∈ (IRn)∗ eine Linearform auf V , etwa (vgl. §18 aus Lineare Algebra I):

ϕ(x) =n∑i=1

αi xi mit x = (x1, x2, . . . , xn)t und α1, α2, . . . , αn ∈ IR ,

so heißt H ⊂ IRn ein Halbraum, wenn fur ein β ∈ IR gilt:

H = Hϕ,β := x ∈ IRn | ϕ(x) + β ≥ 0 .

(Eigentlich mußten wir von einem abgeschlossenen Halbraum H sprechen.)

36.2 Bemerkungen

(i) Jeder Halbraum H ⊂ IRn ist konvex.

(ii) Ist (Ki)i∈I eine beliebige Familie konvexer Mengen Ki ⊂ V , so ist auch⋂i∈I

Ki konvex

in V (wobei die leere Menge ∅ definitionsgemaß auch als konvex angesehen werde).

Beweis:

zu (i): Sind p, q ∈ H und ist t ∈ [ 0 ; 1 ] , dann gilt stets:

ϕ((1− t) p+ t q) + β = (1− t)ϕ(p) + t ϕ(q) + β

= (1− t)︸ ︷︷ ︸∈ [0 ; 1]

(ϕ(p) + β︸ ︷︷ ︸≥0

) + t (ϕ(q) + β︸ ︷︷ ︸≥0

) ≥ 0 .

zu (ii): ist klar. X

57Und die x1, x2, . . . , xn nennt man Struktur- oder Entscheidungsvariablen.58Dies bedeutet, daß die geradlinige Verbindungsstrecke von p nach q ganz in K liegen muß.

Page 202: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

194 KAPITEL IX. KONVEXE MENGEN UND LINEARE OPTIMIERUNG

36.3 Folgerung

Ist eine lineare Optimierungsaufgabe nach Definition 35.2 vorgegeben, so ist die durch die Ne-benbedingungen beschriebene Menge L := x ∈ IRn | A · x+ b ≥ 0 konvex.

Beweis:

Mit ϕi(x) =n∑j=1

αij xj fur alle 1 ≤ i ≤ m gilt:

L =m⋂i=1

x ∈ IRn

∣∣∣ n∑j=1

αij xj + βi ≥ 0

=m⋂i=1

Hϕi,βi .

36.4 Definition

Ist K ⊂ IRn eine konvexe Menge, und sind P0, P1, P2, . . . , Pm ∈ K , dann heißt

m∑j=0

λj Pj mit λj ≥ 0 sowiem∑j=0

λj = 1

eine Konvexkombination der P0, P1, P2, . . . , Pm. Ist M ⊂ IRn eine beliebige Teilmenge, so nenntman59

kon(M) := m∑j=0

λj Pj∣∣∣ m ∈ IN ,

m∑j=0

λj = 1 , λj ≥ 0 , Pj ∈M ∀0≤j≤m

die konvexe Hulle von M . Also ist kon(M) die Menge aller endlichen Konvexkombinationen vonPunkten aus M . Ist M endlich, etwa M = P0, P1, P2, . . . , Pm , d.h. speziell, dass die PunkteP0, . . . , Pm paarweise verschieden sind, dann schreiben wir kurz:

kon(P0, P1, P2, . . . , Pm) := kon(P0, P1, P2, . . . , Pm) .

36.5 Bemerkungen

(i) Ist K ⊂ IRn konvex, so gilt: kon(P0, P1, . . . , Pm) ⊂ K fur beliebige P0, P1, . . . , Pm ∈ K .

(ii) Ist M ⊂ IRn eine beliebige Menge, so gilt: kon(M) =⋂

M⊂K⊂IRnK konvex

K .

Beweis:

zu (i): ergibt sich durch vollstandige Induktion nach m. X

zu (ii): Wir uberlegen uns zuerst, daß kon(M) stets eine konvexe Menge ist.Dazu seien P,Q ∈ kon(M) beliebig ausgewahlt, jeweils als Konvexkombination

59Eine andere Schreibweise fur die konvexe Hulle von M ist: M .

Page 203: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

§ 36. KONVEXE MENGEN 195

P =m1∑j=0

λj Pj mit λj ≥ 0 ,m1∑j=0

λj = 1 und P0, P1, . . . , Pm1 ∈M bzw. Q =m2∑k=0

µkQk

mit µk ≥ 0 ,m2∑k=0

µk = 1 und Q0, Q1, . . . , Qm2 ∈ M dargestellt, sowie λ, µ ≥ 0 mit

λ+ µ = 1 . Dann gilt:

λP + µQ =m1∑j=0

λλj Pj +m2∑k=0

µµkQk

mit λλj ≥ 0 und µµk ≥ 0 sowiem1∑j=0

λλj+m2∑k=0

µµk = λm1∑j=0

λj+µm2∑k=0

µk = λ+µ = 1,

d. h.: λP + µQ ∈ kon(M) .Wegen M ⊂ kon(M) folgt damit:

⋂M⊂K⊂IRnK konvex

K ⊂ kon(M) .

Ist andererseits K ′ ⊂ IRn konvex mit K ′ ⊃M , so gilt mit Teil (i) auch die umgekehrteInklusion: kon(M) ⊂ K ′ ⊂

⋂M⊂K⊂IRnK konvex

K .

36.6 Definition

(i) Eine Menge K ⊂ IRn heißt ein konvexes Polyeder, wenn es endlich viele (paarweise ver-schiedene) Punkte P0, P1, . . . , Pm ∈ IRn gibt mit K = kon(P0, P1, . . . , Pm) .

(ii) Eine Menge S ⊂ IRn heißt ein k-Simplex, wenn genau k+1 Punkte P0, P1, P2, . . . , Pk ∈ IRnexistieren, die affin unabhangig sind und fur die gilt: S = kon(P0, P1, P2, . . . , Pk) .

r0-Simplex

rr...........................................................................................................

1-Simplexr rr

.................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................

2-Simplexr rrr

.................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................

......

......

......

......

......

................................................

................................................

3-Simplex

(iii) Gilt speziell: S = kon(P0, P1, P2, . . . , Pk) mit P0 = 0 und Pi = eit fur alle 1 ≤ i ≤ k ,

so heißt S das Standard–k-Simplex im IRn.

(iv) Bildet S = kon(P0, P1, P2, . . . , Pk) ein k-Simplex im IRn, so heißen die Punkte P0, P1, P2, . . .. . . , Pk auch die Ecken von S.Nach §32 gibt es zu jedem P ∈ S genau einen Vektor (λ0, λ1, λ2, . . . , λk) ∈ IRk+1 mit

λi ≥ 0 undk∑i=0

λi = 1 sowie P =k∑i=0

λi Pi . Dieses (k + 1)-Tupel (λ0, λ1, λ2, . . . , λk)

bezeichnet man als die baryzentrischen60 Koordinaten von P .

36.7 Lemma

Ist K = kon(P0, P1, . . . , Pm) ⊂ IRn ein konvexes Polyeder, so ist K abgeschlossen und be-schrankt, also kompakt.

60Die baryzentrischen Koordinaten beziehen sich auf den Schwerpunkt des k-Simplex.

Page 204: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

196 KAPITEL IX. KONVEXE MENGEN UND LINEARE OPTIMIERUNG

Beweis zu Lemma 36.7:

Wir setzen61 r := max0≤j≤m

‖Pj‖ ; dann ist die Menge Kr(0) := x ∈ IRn | ‖x‖ ≤ r konvex (denn

aus x, y ∈ Kr(0) und t ∈ [ 0 ; 1 ] folgt: ‖(1− t)x+ t y‖ ≤ (1− t) ‖x‖+ t ‖y‖ ≤ (1− t) r+ t r = r )und enthalt die Punkte P0, P1, . . . , Pm . Somit gilt: K ⊂ Kr(0) , und K ist daher beschrankt.Ferner ist K auch abgeschlossen. Sei dazu (Qk)k∈IN eine Folge in K mit lim

k→∞Qk = Q ∈ IRn ;

dann gilt fur jedes k ∈ IN : Qk =m∑j=0

λk,j Pj mit 0 ≤ λk,j ≤ 1 undm∑j=0

λk,j(∗)= 1. Die beschrankte

Zahlenfolge (λk,0)k∈IN besitzt eine konvergente Teilfolge (λkl,0)l∈IN (da IR vollstandig ist), dieFolge (λkl,1)l∈IN hat eine konvergente Teilfolge (λml,1)l∈IN , . . . usw. So fortfahrend erhalten wireine Teilfolge (nl)l∈IN derart, daß alle Folgen (λnl,j)l∈IN fur jedes 0 ≤ j ≤ m in IR konvergieren.Damit gilt:

Q = limk→∞

Qk = liml→∞

Qnl = liml→∞

m∑j=0

λnl,j Pj =m∑j=0

( liml→∞

λnl,j)Pj ∈ K

wegen liml→∞

λnl,j ∈ [ 0 ; 1 ] fur alle 0 ≤ j ≤ m undm∑j=0

liml→∞

λnl,j = liml→∞

m∑j=0

λnl,j(∗)= 1 .

36.8 Satz

Ist K ⊂ IRn konvex und kompakt sowie Q ∈ IRn \K , dann existiert ein Funktional ϕ ∈ (IRn)∗

mit der Eigenschaft:ϕ(P ) > ϕ(Q) fur alle P ∈ K .

Beweis:

Fur d(x) := ‖x − Q‖ ist wegen |d(x) − d(y)| = |‖x − Q‖ − ‖y − Q‖| ≤ ‖x − y‖ die Funktiond : IRn → IR stetig. Also nimmt d auf K ein Minimum an, d. h. es existiert ein Punkt M ∈ Kmit ‖M − Q‖ ≤ ‖x − Q‖ fur alle x ∈ K . Wir betrachten nun eine Abbildung ϕ : IRn → IRmit ϕ(x) := 〈x , M −Q〉 ; dann ist ϕ ∈ (IRn)∗ (also linear), und fur beliebiges P ∈ K und allet ∈ [ 0 ; 1 ] gilt wegen M + t (P −M) ∈ K :

‖M −Q‖2 ≤ ‖M + t (P −M)−Q‖2

= ‖M −Q‖2 + t2 ‖P −M‖2 + 2 t 〈M −Q , P −M〉

⇐⇒ 0 ≤ t2 ‖P −M‖2 + 2 t 〈M −Q , P −M〉 ∀t∈ [0 ; 1] .

Daraus folgt: 0 ≤ t ‖P −M‖2 + 2 〈M −Q , P −M〉 fur alle t ∈ ] 0 ; 1 ] und damit:

0 ≤ 〈M −Q , P −M〉 = ϕ(P )− ϕ(M) ⇐⇒ ϕ(P ) ≥ ϕ(M) .

Wegen Q ∈ IRn \K ist aber ϕ(M)− ϕ(Q) = 〈M −Q , M −Q〉 = ‖M −Q‖2 > 0 .

61Mit ‖ · ‖ bezeichnen wir hier die vom kanonischen Skalarprodukt auf dem IRn induzierte euklidische Norm;

d. h. wir setzen ‖x‖ :=√〈x, x〉 =

√x1

2 + x22 + . . .+ xn2 . Und Kδ(P ) sei im folgenden die abgeschlossene

Kugel um den Mittelpunkt P ∈ IRn mit Radius δ > 0 .

Page 205: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

§ 37. EXTREMALPUNKTE 197

§ 37 Extremalpunkte

Ist S := kon(P0, P1, P2, . . . , Pk) ein k-Simplex im IRn und P eine Ecke von S , so bleibt dieMenge S \ P konvex. Ist namlich ohne Beschrankung der Allgemeinheit P = P0 , und sindQ,R ∈ S \ P0 , so gilt fur die baryzentrischen Koordinaten von Q bzw. R :

Q =k∑i=0

λi Pi mit 0 ≤ λ0 < 1 und R =k∑i=0

µi Pi mit 0 ≤ µ0 < 1 .

Daraus folgt fur alle t ∈ [ 0 ; 1 ] :

(1− t)Q+ tR =k∑i=0

((1− t)λi + t µi)Pi mit 0 ≤ (1− t)λ0 + t µ0 < 1 ,

d. h.: (1− t)Q+ tR ∈ S \ P0 .Ist P ∈ S jedoch keine Ecke von S , dann ist S \ P nicht mehr konvex; denn sonst wareS \ P eine kleinere konvexe Menge, die alle Punkte P0, P1, P2, . . . , Pk enthalten wurde (imWiderspruch zur Definition der konvexen Hulle; vgl. Bemerkung 36.5(ii)).

Dies fuhrt zu:

37.1 Definition

Es sei K ⊂ IRn eine konvexe Menge. Ein Punkt P ∈ K heißt extremal oder ein Extremalpunkt,wenn K \ P konvex ist.

37.2 Bemerkung

Ist K = kon(P0, P1, . . . , Pm) ein konvexes Polyeder im IRn und P ∈ K ein extremaler Punkt,so gilt stets: P ∈ P0, P1, . . . , Pm .

Extremalpunkte von konvexen Polyedern heißen daher auch Ecken des Polyeders.

Beweis:

Ist P ∈ K \ P0, P1, . . . , Pm , etwa P =m∑j=0

λj Pj mit 0 ≤ λj ≤ 1 undm∑j=0

λj = 1 , so existieren

mindestens zwei Koordinaten, die großer als Null sind. Ohne Einschrankung seien dies λ0 > 0und λ1 > 0 ; dann gilt:

Q0 := (λ0 + λ1)P0 +m∑j=2

λj Pj ∈ K \ P und Q1 := (λ0 + λ1)P1 +m∑j=2

λj Pj ∈ K \ P ,

zugleich aber auch:

λ0

λ0 + λ1Q0+

λ1

λ0 + λ1Q1 = λ0 P0+

λ0

λ0 + λ1

m∑j=2

λj Pj+λ1 P1+λ1

λ0 + λ1

m∑j=2

λj Pj =m∑j=0

λj Pj = P .

Also kann K \ P nicht konvex sein.

Page 206: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

198 KAPITEL IX. KONVEXE MENGEN UND LINEARE OPTIMIERUNG

37.3 Lemma

Es sei K ⊂ IRn konvex und ϕ ∈ (IRn)∗ eine Linearform; ferner sei ein x0 ∈ K gegeben mitγ := ϕ(x0) = min ϕ(x) | x ∈ K . Ist dann K ′ := K ∩ x ∈ IRn | ϕ(x) = γ und P einExtremalpunkt von K ′ , so ist P auch Extremalpunkt von K .

Beweis:

Angenommen, P ware kein Extremalpunkt von K, d. h. K \ P nicht konvex; dann existiertenP1, P2 ∈ K und 0 < λ < 1 mit P = λP1+(1−λ)P2. Da P Extremalpunkt von K ′ ist, liegen nichtzugleich beide Punkte P1, P2 in K ′ . Ohne Beschrankung der Allgemeinheit sei P1 /∈ K ′ , alsoϕ(P1) > γ . Wegen ϕ(P2) ≥ γ folgt der Widerspruch: γ = ϕ(P ) = λϕ(P1)+(1−λ)ϕ(P2) > γ .

37.4 Satz

Es sei der Grundtyp einer linearen Optimierungsaufgabe vorgegeben, und es sei K ⊂ IRndie durch die Nebenbedingungen und die Vorzeichenbedingungen beschriebene konvexe Menge,d. h.:

K := L ∩ L′ =m+n⋂i=1

Hϕi,βi

mit L =m⋂i=1

Hϕi,βi und ϕi(x) =n∑j=1

αij xj fur alle 1 ≤ i ≤ m sowie L′ =m+n⋂i=m+1

Hϕi,0 mit

ϕi(x) = xi−m fur jedes m+ 1 ≤ i ≤ m+ n . Ist dann K 6= ∅ kompakt, so gilt:

(1) K besitzt mindestens einen Extremalpunkt.

(2) Ist Φ ∈ (IRn)∗ ein lineares Funktional, dann existiert ein extremaler Punkt P ∈ K mitΦ(P ) = min

Q∈KΦ(Q) .

Ein solcher Punkt P heißt optimal (bezuglich der Zielfunktion Φ).

Beweis:

zu (1): Es sei K0 := K . Wegen der Stetigkeit von ϕ1 : IRn → IR existiert auf K0 einMinimum γ1 := min

P∈K0

ϕ1(P ) , und es gilt: γ1 ≥ −β1 . Definieren wir

K1 := K0∩P ∈ IRn | ϕ1(P ) = γ1 , dann ist K1 abgeschlossen und beschrankt, alsokompakt, mit K1 6= ∅ . Daher existiert wieder ein γ2 := min

P∈K1

ϕ2(P ) , und dabei ist

γ2 ≥ −β2 . Verfahrt man so induktiv weiter, dann erhalten wir:

Km+n = Km+n−1 ∩ P ∈ IRn | ϕm+n(P ) = γm+n= x ∈ IRn | ϕ1(x) = γ1 , ϕ2(x) = γ2 , . . . , ϕm+n(x) = γm+n 6= ∅ .

Somit ist Km+n der Losungsraum eines inhomogenen linearen Gleichungssystems.Ist W der Losungsraum des zugehorigen homogenen Systems und P ∈ Km+n einbeliebiger Punkt, dann gilt: Km+n = P+W . Wegen der Kompaktheit von Km+n muß

Page 207: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

§ 38. BESTIMMUNG OPTIMALER PUNKTE 199

W = 0 sein (besteht also nur aus der trivialen Losung), so daß gilt: Km+n = P .Damit ist P Extremalpunkt von Km+n, und Lemma 37.3 liefert sukzessive, daß Pauch Extremalpunkt von K ist.

zu (2): Wir setzen γ := minP∈K

Φ(P ) ; dann ist K ′ = K ∩ x ∈ IRn | Φ(x) = γ kompakt und

K ′ 6= ∅ . Ferner gilt:

K ′ =m+n⋂i=1

Hϕi,βi ∩ x ∈ IRn | Φ(x) ≥ γ ∩ x ∈ IRn | Φ(x) ≤ γ

=m+n⋂i=1

Hϕi,βi ∩ HΦ,−γ ∩H−Φ,γ .

Nach Teil (1) besitzt K ′ einen extremalen Punkt P , der nach Lemma 37.3 auchExtremalpunkt von K ist.

§ 38 Bestimmung optimaler Punkte

Ist K =m+n⋂i=1

Hϕi,βi nichtleer und kompakt, so konnen wir uns bei der Suche nach optimalen

Punkten auf die Extremalpunkte von K beschranken. Wir zeigen zunachst:

38.1 Lemma

Es sei M ⊂ IRn ein affiner Unterraum des IRn mit dimIRM ≥ 1 ; ferner sei

KM :=m+n⋂i=1

x ∈M | ϕi(x) + βi ≥ 0 .

Ist dann P ∈ KM ein Extremalpunkt von KM , so gibt es ein i ∈ 1, 2, . . . ,m+n mit ϕi 6= 0und ϕi(P ) + βi = 0 .

Beweis:

Wir lassen alle ϕi mit ϕi(x) + βi = 0 fur alle x ∈ M weg; dadurch wird KM nicht verandert.Deshalb konnen wir ohne Beschrankung der Allgemeinheit voraussetzen, daß zu jedem Indexi ∈ 1, 2, . . . ,m+ n ein Punkt x ∈M mit ϕi(x) + βi > 0 existiert.Angenommen, es ware nun ϕi(P ) + βi > 0 fur alle 1 ≤ i ≤ m + n . Dann existierte einMinimum ε := min

1≤i≤m+nϕi(P ) + βi > 0 , und wegen der Stetigkeit aller ϕi gabe es ein δ > 0

mit62 ϕi(Kδ(P )) ⊂ Kε(ϕi(P )) fur jedes 1 ≤ i ≤ m + n , d. h.: |ϕi(Q) − ϕi(P )| ≤ ε fur alleQ ∈M mit ‖P −Q‖ ≤ δ . Also galte fur ein solches Q stets:

−ε ≤ ϕi(Q)− ϕi(P ) ≤ ε ⇐⇒ ϕi(Q) ≥ ϕi(P )− ε ≥ −βi , d. h.: Kδ(P ) ⊂ KM .

Somit ware P innerer Punkt einer in Kδ(P ) und damit auch ganz in KM gelegenen Strecke.Daher ist P nicht extremal im Widerspruch zur Voraussetzung.

62Hier ist die Kugel Kε

(ϕi(P )

)also das symmetrische Intervall um ϕi(P ) ∈ IR der Lange 2 ε > 0 .

Page 208: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

200 KAPITEL IX. KONVEXE MENGEN UND LINEARE OPTIMIERUNG

38.2 Satz

Es sei K :=m+n⋂i=1

Hϕi,βi ; dann sind fur P ∈ K folgende Aussagen aquivalent:

a) P ist ein Extremalpunkt von K .

b) Es existieren Indizes i1, i2, . . . , in ∈ 1, 2, . . . ,m + n derart, daß ϕi1 , ϕi2 , . . . , ϕin alsVektoren aus (IRn)∗ linear unabhangig sind, und es gilt:

ϕi1(P ) + βi1 = 0 ∧ ϕi2(P ) + βi2 = 0 ∧ . . . ∧ ϕin(P ) + βin = 0 .

Beweis:

”a)⇒ b)“: 1. Schritt: Wir wenden Lemma 38.1 auf M0 = IRn und K0 := KM0 = K an. Danngibt es ein i1 ∈ 1, 2, . . . ,m+ n mit ϕi1 6= 0 und ϕi1(P ) + βi1 = 0 .

2. Schritt: Wir setzen einfach M1 := x ∈ IRn | ϕi1(x) + βi1 = 0 und dannK1 := KM1 = K0 ∩M1 . Wegen ϕi1 6= 0 gilt: dimIRM1 = n − 1 . Au-ßerdem ist P auch Extremalpunkt von K1 , denn aus der Konvexitat vonK0 \ P folgt die von K1 \ P . Lemma 38.1 liefert die Existenz einesIndex i2 ∈ 1, 2, . . . ,m+n\i1 mit ϕi2 |M1 6= 0 und ϕi2(P )+βi2 = 0.

3. Schritt: Wir setzen M2 := x ∈M1 | ϕi2(x)+βi2 = 0 und K2 = K1∩M2 . Wegenϕi2 |M1 6= 0 gilt: dimIRM2 = n− 2 , und analog ist P ein Extremalpunktvon K2 .

Fahren wir so immer weiter fort, dann folgt als(n+ 1)-ter Schritt: Es gilt:

Mn := x ∈Mn−1 | ϕin(x) + βin = 0 =n⋂k=1

x ∈ IRn | ϕik(x) + βik = 0

mit dimIRMn = n − n = 0 und P ∈ Mn , also: Mn = P . Da P dieeinzige Losung des linearen Gleichungssystems

n∑j=1

αik,j xj + βik = 0 fur k = 1, 2, . . . , n

ist, sind die Linearformen ϕi1 , ϕi2 , . . . , ϕin mit ϕik(x) =n∑j=1

αik,j xjlinear unabhangig.

”b)⇒ a)“: Wir setzen K0 := K ,

K1 := K0 ∩ x ∈ IRn | ϕi1(x) + βi1 = 0 ,K2 := K1 ∩ x ∈ IRn | ϕi2(x) + βi2 = 0 ,

...Kn := Kn−1 ∩ x ∈ IRn | ϕin(x) + βin = 0 = P .

Dann ist P Extremalpunkt von Kn , also gemaß Lemma 37.3 auch Extremalpunktvon Kn−1 . Und n-malige Anwendung dieses Lemmas liefert schließlich, daß P Extre-malpunkt von K ist.

Page 209: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

§ 38. BESTIMMUNG OPTIMALER PUNKTE 201

38.3 Folgerung

Ist K =m+n⋂j=1

Hϕj ,βj kompakt, so besitzt K hochstens

(m+ n

n

)Extremalpunkte.

Beweis:

Nach Satz 38.2 besitzt K hochstens so viele Extremalpunkte wie n-elementige Teilmengen einer(m+ n)-elementigen Menge existieren. (Vgl. Bemerkung 52.2 aus Algebra I.) X

38.4 Bemerkung

Die bisherigen Uberlegungen ergeben fur den Fall, daß K =m+n⋂j=1

Hϕj ,βj nichtleer und beschrankt

ist, folgendes ”naive“ Losungsverfahren:

(A) Bestimme alle linear unabhangigen Teilmengen

ϕi1 , ϕi2 , . . . , ϕin ⊂ ϕ1, ϕ2, . . . , ϕm+n

und berechne jeweils die Losungen P1, P2, . . . , Pk der zugehorigen linearen Gleichungssy-steme

ϕil(x) + βil = 0 fur l = 1, 2, . . . , n .

Dabei gibt es hochstens k ≤(m+ n

n

)solche Gleichungssysteme.

(B) Bestimme alle diejenigen Punkte Pk1 , Pk2 , . . . , Pkr mit r ≤ k , die zur ”Losungsmen-ge“ K gehoren (durch Einsetzen in die restlichen Ungleichungen ϕj(Pk%) + βj ≥ 0 furdie Indizes j ∈ 1, 2, . . . ,m+n \ i1, i2, . . . , in , wenn jedes Pk% durch die Linearformenϕi1 , ϕi2 , . . . , ϕin bestimmt wurde).

(C) Berechne nun Φ(Pk1),Φ(Pk2), . . . ,Φ(Pkr) und suche einen minimalen dieser endlich vielenWerte. Der zugehorige Punkt Pk% ist dann optimal bezuglich der Zielfunktion Φ .

Praktisch ist diese Methode63 allerdings kaum anwendbar; so hat man z. B. fur n = m = 10

bereits

(m+ n

n

)=

(2010

)=

20!10! · 10!

= 184 756 mogliche Extremalpunkte.

Gesucht ist also ein Verfahren, das solche Ecken ”ansteuert“, die mit großerer Wahrscheinlichkeitoptimal sind.

38.5 Lemma

Ist K ⊂ IRn konvex, Φ ∈ (IRn)∗ ein Funktional, P ∈ K und ε > 0 mit Φ(P ) ≤ Φ(x) fur allex ∈ Kε(P ) ∩K , so gilt:

Φ(P ) ≤ Φ(y) fur alle y ∈ K .

63Man spricht hierbei auch von vollstandiger Enumeration.

Page 210: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

202 KAPITEL IX. KONVEXE MENGEN UND LINEARE OPTIMIERUNG

Beweis zu Lemma 38.5:

Es sei y ∈ K mit y 6= P ; dann wahle 0 < s ≤ ε

‖y − P‖und betrachte ys := (1− s)P + s y .

Wegen ‖ys − P‖ = s ‖y − P‖ ≤ ε und der Konvexitat von K ist ys ∈ Kε(P ) ∩K . Es folgt:(1− s) Φ(P ) + sΦ(y) = Φ(ys) ≥ Φ(P ) , also: Φ(y) ≥ Φ(P ) .

38.6 Bemerkung

Ist K ein konvexes Polyeder im IRn , so ist eine Ecke P ∈ K genau dann optimal bezuglich Φ ,wenn fur alle Ecken Q ∈ K gilt: Φ(P ) ≤ Φ(Q) .

Dabei genugt es, Ecken Q zu untersuchen, fur welche die Verbindungsstrecke von P nach Q,

[P ,Q ] := (1− t)P + tQ | 0 ≤ t ≤ 1 ⊂ K ,

keine Punkte aus anderen Verbindungsstrecken von Eckpunkten aus K enthalt.

Beweis:

Angenommen, es gebe Ecken Q1, Q2 ∈ K und einen Punktx ∈ [P ,Q ] ∩ [Q1 , Q2 ] mit Φ(P ) ≤ Φ(Qi) fur i = 1, 2 ; dannist x = (1 − t)Q1 + tQ2 mit einem t ∈ [ 0 ; 1 ] , und es folgt(wieder mit der Linearitat von Φ ):

Φ(x) = (1− t) Φ(Q1) + tΦ(Q2) ≥ Φ(P ) .

Außerdem ist x = (1− s)P + sQ fur ein s ∈ ] 0 ; 1 [ , also gilt:

Φ(x) = (1− s) Φ(P ) + sΦ(Q) ≥ Φ(P )

oder sΦ(Q) ≥ sΦ(P ) ⇐⇒ Φ(Q) ≥ Φ(P ) .

Beispiel fur K ⊂ IR2 :

r

r rr

r

..................................

..................................

.......................................................................................................................................................

..................................

..................................

..................................

..................................

...................................................................................................................

......................................

......................................

......................................

......................................

..............................................................................................................................................................................................................................

................................................................................................................

P

Q′

Q1

Q2

Q

38.7 Definition

Es sei K ⊂ IRn ein konvexes Polyeder und P,Q zwei Ecken von K . Die Verbindungsstrecke[P ,Q ] heißt eine Kante von K, wenn K \ [P ,Q ] konvex ist. Ferner heißen P und Q dannbenachbarte Ecken.

Implizit haben wir bisher daran gedacht, daß die Menge K :=m+n⋂j=1

Hϕj ,βj ein konvexes Polyeder

ist, wenn K nichtleer und zugleich beschrankt ist. Wir wollen dies nun auch explizit zeigen:

38.8 Lemma

Ist K 6= ∅ beschrankt, so ist K stets die konvexe Hulle ihrer Extremalpunkte, also speziell einkonvexes Polyeder.

Page 211: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

§ 38. BESTIMMUNG OPTIMALER PUNKTE 203

Beweis zu Lemma 38.8:

Es seien P1, P2, . . . , Pk mit k ≤(m+n

n

)die Extremalpunkte von K sowie L := kon(P1, P2, . . . , Pk).

Da K konvex ist, gilt bereits: L ⊂ K (siehe Bemerkung 36.5(i)). Angenommen, es existiertenun ein Q ∈ K \ L . Gemaß Satz 36.8 wahlen wir ein ϕ ∈ (IRn)∗ aus mit ϕ(Q) < ϕ(x) furalle x ∈ L . Wir setzen β := min

x∈Kϕ(x) ≤ ϕ(Q) und betrachten die kompakte konvexe Menge

K ′ := K ∩ x ∈ IRn | ϕ(x) = β . Nach Satz 37.4 (angewandt auf K ′ = K ∩Hϕ,−β ∩H−ϕ,β )besitzt K ′ dann mindestens einen extremalen Punkt P . Laut Lemma 37.3 ist dieses P auchExtremalpunkt von K. Damit ist jedoch P ∈ L im Widerspruch zu β = ϕ(P ) ≤ ϕ(Q) < ϕ(x)fur alle x ∈ L .

38.9 Bemerkung

Damit erhalten wir folgenden Losungsweg zur Bestimmung eines optimalen Punktes fur den

Fall, daß K =m+n⋂j=1

Hϕj ,βj nichtleer und beschrankt ist:

(i) Starte mit einer Ecke P der ”Losungsmenge“ K und berechne den Wert Φ(P ) .

(ii) Berechne Φ(Q) fur alle zu P benachbarten Ecken Q ∈ K .

(iii) Gilt: Φ(P ) ≤ Φ(Q) fur alle benachbarten Ecken Q , so ist P schon optimal.

(iv) Existiert anderenfalls eine benachbarte Ecke Q mit Φ(Q) < Φ(P ) , dann setze P := Qund beginne bei (i) von vorne.

Dies ist die Idee fur das Simplex–Verfahren, das erstmals G. B. Dantzig64 im Jahre 1947 ent-worfen hat. Bevor wir den Algorithmus notieren, wollen wir uns uberlegen, wie man von einemextremalen Punkt P ausgehend eine benachbarte Ecke Q erreichen kann.

Analog zu Lemma 37.3 und Satz 37.4 zeigen wir:

38.10 Lemma

Es sei K ⊂ IRn ein konvexes Polyeder und ϕ ∈ (IRn)∗ eine Linearform; ferner existiere einx0 ∈ K mit γ := ϕ(x0) = min ϕ(x) | x ∈ K , und es sei K ′ = K ∩ x ∈ IRn | ϕ(x) = γ . Istdann [P ,Q ] eine Kante von K ′ , so ist [P ,Q ] auch eine Kante von K .

Beweis:

Angenommen, [P ,Q ] ware keine Kante von K , d. h. K \ [P ,Q ] nicht konvex; dann existiertenP1, P2 ∈ K \ [P ,Q ] und ein λ ∈ ] 0 ; 1 [ mit x = λP1 + (1− λ)P2 ∈ [P ,Q ] . Da [P ,Q ] Kantevon K ′ ist, liegen nicht beide Punkte P1, P2 in K ′. Ohne Einschrankung sei P1 /∈ K ′ , alsoϕ(P1) > γ . Wegen ϕ(P2) ≥ γ folgt der Widerspruch: γ = ϕ(x) = λϕ(P1) + (1− λ)ϕ(P2) > γ .

64George Bernard Dantzig, amerikanischer Mathematiker (?08.11.1914)

Page 212: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

204 KAPITEL IX. KONVEXE MENGEN UND LINEARE OPTIMIERUNG

38.11 Satz

Es sei K =m+n⋂j=1

Hϕj ,βj nichtleer und beschrankt, also ein konvexes Polyeder im IRn . Ferner seien

ϕi1 , ϕi2 , ϕi3 , . . . , ϕin und ϕi2 , ϕi3 , . . . , ϕin+1 linear unabhangige Mengen, P,Q ∈ K mit

ϕi1(P ) + βi1 = ϕi2(P ) + βi2 = ϕi3(P ) + βi3 = . . . = ϕin(P ) + βin = 0sowie ϕi2(Q) + βi2 = ϕi3(P ) + βi3 = ϕi4(P ) + βi4 = . . . = ϕin+1(P ) + βin+1 = 0 .

Dann sind P und Q benachbarte Ecken.

Beweis:

Nach Satz 38.2 sind P und Q Ecken von K . Wir definieren jetzt:

K1 := K ,

K2 := K1 ∩ x ∈ IRn | ϕi2(x) + βi2 = 0 ,K3 := K2 ∩ x ∈ IRn | ϕi3(x) + βi3 = 0 ,

...Kn := Kn−1 ∩ x ∈ IRn | ϕin(x) + βin = 0

und M := x ∈ IRn | ϕi2(x) + βi2 = ϕi3(x) + βi3 = . . . = ϕin(x) + βin = 0 .

Wegen der linearen Unabhangigkeit von ϕi2 , ϕi3 , . . . , ϕin stellt M eine Gerade im IRn dar; undes gilt: Kn = K ∩M . Ferner ist P ∈ M und Q ∈ M ; da P und Q Ecken von K sind, folgt:Kn = [P ,Q ] . Daher ist [P ,Q ] eine Kante von Kn , also mit Lemma 38.10 auch von Kn−1 unddamit schließlich eine Kante von K1 = K .

§ 39 Das Simplex–Verfahren

In Bemerkung 38.9 und Satz 38.11 wird beschrieben, wie wir zu einer Losung der linearenOptimierungsaufgabe gemaß Definition 35.2 kommen konnen. Wir starten hierzu mit einerbeliebigen Ecke P der nichtleeren, kompakten Menge K . Nach Satz 38.2 existieren Indizesi1, i2, . . . , in ∈ 1, 2, . . . ,m + n derart, daß ϕi1 , ϕi2 , . . . , ϕin linear unabhangige Funktionalesind mit ϕiν (P )+βiν = 0 fur jedes 1 ≤ ν ≤ n . Wegen dimIR(IRn)∗ = dimIR HomIR(IRn, IR) = n(nach §18) bilden die ϕi1 , ϕi2 , . . . , ϕin eine Basis des Dualraumes (IRn)∗ . Um nun von P zueiner benachbarten Ecke zu gelangen, muß eines dieser linearen Funktionale ϕik ausgetauschtwerden (vgl. Satz 38.11), so daß wieder eine linear unabhangige Familie entsteht. Seien da-zu ϕj1 , ϕj2 , . . . , ϕjm diejenigen Linearformen, die nicht fur P benotigt werden. Dann existierenSkalare aµν ∈ IR mit

ϕjµ =n∑ν=1

aµν ϕiν fur alle 1 ≤ µ ≤ m .

Ferner gibt es Koeffizienten c1, c2, . . . , cn ∈ IR mit

Φ =n∑ν=1

cν ϕiν .

Page 213: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

§ 39. DAS SIMPLEX–VERFAHREN 205

Diese Daten einschließlich der Funktionswerte an der Stelle P fassen wir im sogenannten Ecken–Tableau von P zusammen:

P ϕi1 ϕi2 · · · ϕin Werte

ϕj1 a11 a12 · · · a1n ϕj1(P ) + βj1

ϕj2 a21 a22 · · · a2n ϕj2(P ) + βj2...

......

......

ϕjm am1 am2 · · · amn ϕjm(P ) + βjm

Φ c1 c2 · · · cn Φ(P )

Wie kann man diesem Tableau aber ansehen, ob P ein optimaler Punkt ist? — Mit obigenBezeichnungen ergibt sich:

39.1 Satz

(1) Gilt: c1 ≥ 0 , c2 ≥ 0 , . . . , cn ≥ 0 , dann ist P optimal bezuglich Φ .

(2) Ist cν0 < 0 fur ein ν0 ∈ 1, 2, . . . , n , so gilt: Φ(P ) > Φ(x) fur alle Punkte

x ∈M+ := y ∈ IRn | ϕiν (y) + βiν = 0 ∀ν∈1,2,...,n\ν0 ∧ ϕiν0 (y) + βiν0 ≥ 0 ,

die von P verschieden sind.

Beweis:

Fur alle x ∈ IRn gilt zunachst:

Φ(x)− Φ(P ) =n∑ν=1

cν (ϕiν (x)− ϕiν (P )) =n∑ν=1

cν (ϕiν (x) + βiν ) .

zu (1): Ist x ∈ K , d. h. ϕiν (x)+βiν ≥ 0 fur alle 1 ≤ ν ≤ n , so folgt direkt: Φ(x)−Φ(P ) ≥ 0.

zu (2): Ist x ∈M+ \ P , dann gilt: Φ(x)− Φ(P ) = cν0 (ϕiν0 (x) + βiν0 ) < 0 .

Jetzt ist es moglich, daß dieser ”Suchstrahl“ M+ mit K nur genau den Punkt P gemeinsam hat.

39.2 Definition

Es sei P eine Ecke von K =m+n⋂j=1

Hϕj ,βj ; dann heißt P einfach (oder nicht–entartet), wenn

ϕj(P ) + βj = 0 fur genau n Indizes j ∈ 1, 2, . . . ,m + n erfullt ist. Ansonsten heißt Peine mehrfache (oder entartete) Ecke.

Dem Ecken–Tableau kann man nun entnehmen, ob P eine einfache Ecke von K ist. Dies ist nam-lich genau dann der Fall, wenn in der Werte–Spalte des Ecken–Tableaus (abgesehen von Φ(P ) )

Page 214: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

206 KAPITEL IX. KONVEXE MENGEN UND LINEARE OPTIMIERUNG

keine Null auftaucht. Ist eine solche einfache Ecke P nicht optimal, so existiert eine benachbarteEcke Q ∈ K mit Φ(Q) < Φ(P ) (vgl. §38). Wie erhalt also man dieses Q ?

Man muß hierfur ein Funktional der Basis austauschen. Sei dazu ν0 ∈ 1, 2, . . . , n wie obenmit cν0 < 0 . Wir betrachten den Suchstrahl M+ . Da P einfach ist, gibt es einen Punktz ∈ K ∩M+ \ P . Wir betrachten fur t ≥ 0 ein

zt := P + t (z − P ) ∈M+

und beobachten die Werte ϕjµ(zt) + βjµ fur jedes 1 ≤ µ ≤ m . Weil P nicht–entartet ist, giltweiter:

ϕjµ(z0) + βjµ > 0 fur alle 1 ≤ µ ≤ m .

Also existiert ein Parameter t0 > 0 und ein Index µ0 ∈ 1, 2, . . . ,m mit

ϕjµ0(zt0) + βjµ0

= 0 .

Wir berechnen dann, fur welches µ der Wert ϕjµ(zt) + βjµ zuerst verschwindet. Dazu schreibenwir:

ϕjµ =n∑ν=1

aµν ϕiν fur jedes 1 ≤ µ ≤ m .

Ware aµν0 = 0 fur alle 1 ≤ µ ≤ m , so galte:

ϕjµ(zt) =n∑ν=1ν 6=ν0

aµν ϕiν (zt) = −n∑ν=1ν 6=ν0

aµν βiν = −n∑ν=1

aµν βiν = ϕjµ(P ) ≥ −βjµ

fur alle t ≥ 0 . Also ist M+ ⊂ K im Widerspruch zur Kompaktheit von K .

Sei daher aµ0ν0 6= 0 fur (mindestens) ein µ0 ∈ 1, 2, . . . ,m . Nach dem Austauschlemma 3.8 (ausLineare Algebra I) bilden die Linearformen ϕi1 , ϕi2 , . . . , ϕiν0−1 , ϕjµ0

, ϕiν0+1 , ϕiν0+2 , . . . , ϕineine Basis von (IRn)∗ . Also existiert genau ein

Q ∈ y ∈ IRn | ϕiν (y) + βiν = 0 ∀ν∈1,2,...,n\ν0 mit ϕjµ0(Q) + βjµ0

= 0 .

Damit erhalten wir:

ϕjµ0(P ) =

n∑ν=1

aµ0ν ϕiν (P ) = −n∑ν=1

aµ0ν βiν und

ϕjµ0(Q) =

n∑ν=1

aµ0ν ϕiν (Q) = aµ0ν0 ϕiν0 (Q)−n∑ν=1ν 6=ν0

aµ0ν βiν ,

also: aµ0ν0 (ϕiν0 (Q) + βiν0 ) = ϕjµ0(Q) + aµ0ν0 βiν0 +

n∑ν=1ν 6=ν0

aµ0ν βiν

= ϕjµ0(Q)− ϕjµ0

(P ) = −(

>0︷ ︸︸ ︷ϕjµ0

(P ) + βjµ0) < 0

⇐⇒ ϕiν0 (Q) + βiν0 = −ϕjµ0

(P ) + βjµ0

aµ0ν0

. (∗)

Page 215: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

§ 39. DAS SIMPLEX–VERFAHREN 207

Es folgt:Q ∈M+ \ P ⇐⇒ ϕiν0 (Q) + βiν0 > 0

⇐⇒ aµ0ν0 < 0 .

Es existiert also mindestens ein Index µ ∈ 1, 2, . . . ,m mit aµν0 < 0 , und der zugehorige,eindeutig bestimmte Punkt Qµ ∈ M+ mit ϕjµ(Qµ) + βjµ = 0 ist genau dann eine zu Pbenachbarte Ecke von K , wenn der sogenannte charakteristische Quotient

χµ :=ϕjµ(P ) + βjµ

aµν0

< 0

maximal wird bezuglich der Teilmenge µ ∈ 1, 2, . . . ,m | aµν0 < 0 . Ist nun µ0 ein solcherIndex mit maximalem χµ0 , so tauschen wir ϕiν0 gegen ϕjµ0

aus.Dazu mussen wir die Koeffizienten aµν

′ und cν′ bezuglich der neuen Basis berechnen, d. h. be-

zuglich der Basis (ϕi1 , ϕi2 , . . . , ϕiν0−1 , ϕjµ0, ϕiν0+1 , ϕiν0+2 , . . . , ϕin) des (IRn)∗ . Wegen aµ0ν0 6= 0

und ϕjµ0=

n∑ν=1

aµ0ν ϕiν ergibt sich:

ϕiν0 = − aµ01

aµ0ν0

ϕi1 − . . . −aµ0,ν0−1

aµ0ν0

ϕiν0−1 +1

aµ0ν0

ϕjµ0− aµ0,ν0+1

aµ0ν0

ϕiν0+1 − . . . −aµ0n

aµ0ν0

ϕin

und fur jedes µ ∈ 1, 2, . . . ,m \ µ0 :

ϕjµ =(aµ1 −

aµ01

aµ0ν0

aµν0

)ϕi1 + . . . +

(aµ,µ0−1 −

aµ0,ν0−1

aµ0ν0

aµν0

)ϕiν0−1 +

+aµν0

aµ0ν0

ϕjµ0+(aµ,ν0+1 −

aµ0,ν0+1

aµ0ν0

aµν0

)ϕiν0+1 + . . . +

(aµn −

aµ0n

aµ0ν0

aµν0

)ϕin .

Entsprechend folgt fur die Zielfunktion:

Φ =(c1 −

aµ01

aµ0ν0

cν0

)ϕi1 + . . . +

(cν0−1 −

aµ0,ν0−1

aµ0ν0

cν0

)ϕiν0−1 +

+cν0

aµ0ν0

ϕjµ0+(cν0+1 −

aµ0,ν0+1

aµ0ν0

cν0

)ϕiν0+1 + . . . +

(cn −

aµ0n

aµ0ν0

cν0

)ϕin .

In dieser Situation heißt das Element aµ0ν0 ein Pivot65, die ν0-te Spalte heißt Pivotspalte unddie µ0-te Zeile Pivotzeile.

39.3 Bemerkung (Simplex–Verfahren)

Fassen wir alle Ergebnisse zusammen, so erhalt man fur den Fall, daß P eine einfache, nicht–optimale Ecke des beschrankten, nichtleeren Bereichs K ist:

(A) Man stelle das Ecken–Tableau von P auf und kontrolliere, ob in der Werte–Spalte alleWerte ϕjµ(P ) + βjµ ungleich Null sind; nur dann ist P eine einfache Ecke.

(B) Wahle einen negativen Koeffizienten cν0 in der Zeile von Φ ; dann wird ν0 der Index derPivotspalte.

65Franz. pivot = Angel; Dreh-, Angelpunkt; Achse

Page 216: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

208 KAPITEL IX. KONVEXE MENGEN UND LINEARE OPTIMIERUNG

(C) Berechne fur alle in der Pivotspalte stehenden Elemente aµν0 , die negativ sind, den cha-rakteristischen Quotienten

χµ =ϕjµ(P ) + βjµ

aµν0

.

(D) Eine Zeile des Index µ0 mit maximalem χµ0 kann als Pivotzeile gewahlt werden. Wirnehmen also aµ0ν0 als Pivot. Die dadurch festgelegte, zu P benachbarte Ecke Q ist wiedereinfach, wenn der maximale Wert von χµ genau einmal angenommen wird.

(E) Ersetze die Koeffizienten aµν und cν im Tableau von P gemaß folgender Regeln:

(1) beim Pivot durch: aµ0ν0′ =

1aµ0ν0

.

(2) in der Pivotzeile durch:

(2.1) aµ0ν′ = − aµ0ν

aµ0ν0

∀ν∈1,2,...,n\ν0 ,

(2.2) ϕiν0 (Q) + βiν0 = −ϕjµ0

(P ) + βjµ0

aµ0ν0

.

(3) in der Pivotspalte durch:

(3.1) aµν0′ =

aµν0

aµ0ν0

∀µ∈1,2,...,m\µ0 ,

(3.2) cν0′ =

cν0

aµ0ν0

.

(4) Fur alle anderen µ ∈ 1, 2, . . . ,m \ µ0 und ν ∈ 1, 2, . . . , n \ ν0 setze man:

(4.1) aµν′ = aµν −

aµ0ν

aµ0ν0

· aµν0 ,

(4.2) cν′ = cν −

aµ0ν

aµ0ν0

· cν0 ,

(4.3) ϕjµ(Q) + βjµ = ϕjµ(P ) + βjµ − aµν0 ·ϕjµ0

(P ) + βjµ0

aµ0ν0

;

(4.4) Φ(Q) = Φ(P )− cν0 ·ϕjµ0

(P ) + βjµ0

aµ0ν0

.

Beweis zu Bemerkung 39.3:

Es sind nur noch die Regeln (E) (2.2), (4.3) und (4.4) zu zeigen.Dabei ist (2.2) gerade die Aussage (∗) auf Seite 206. XNach Definition von P und Q gilt ferner:

ϕjµ(P ) =n∑ν=1

aµν ϕiν (P ) = −n∑ν=1

aµν βiν

und ϕjµ(Q) =n∑ν=1

aµν ϕiν (Q) =n∑ν=1ν 6=ν0

aµν ϕiν (Q) + aµν0 ϕiν0 (Q)

= −n∑ν=1ν 6=ν0

aµν βiν + aµν0 ϕiν0 (Q) ,

also: ϕjµ(Q)− ϕjµ(P ) = aµν0 (ϕiν0 (Q) + βiν0 ) .

Und Einsetzen von (2.2) liefert (4.3). Analog ergibt sich (4.4). X

Page 217: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

§ 39. DAS SIMPLEX–VERFAHREN 209

39.4 Beispiel

Wir betrachten nochmals das Transportproblem 35.1. Dort war gefordert:

−x − y + 600 ≥ 0 , d. h.: ϕ1(x, y) := −x − y und β1 := 600 .−x + 300 ≥ 0 , d. h.: ϕ2(x, y) := −x und β2 := 300 .

−y + 500 ≥ 0 , d. h.: ϕ3(x, y) := −y und β3 := 500 .x + y − 400 ≥ 0 , d. h.: ϕ4(x, y) := x + y und β4 := −400 .x ≥ 0 , d. h.: ϕ5(x, y) := x und β5 := 0 .

y ≥ 0 , d. h.: ϕ6(x, y) := y und β6 := 0 .

Ferner wird Φ(x, y) := 0,1 ·x+0,4 ·y genau dann minimal, wenn Φ(x, y) = Φ(x, y)+700 minimalist. Oftmals gehort der Nullpunkt 0 zu K und man startet mit diesem. Hier ist das jedoch nichtder Fall. Wir gehen deshalb bei der Suche nach einer Start–Ecke gemaß Bemerkung 38.4(A) vor:ϕ1 und ϕ3 sind linear unabhangig; man berechnet P := (100, 500)t als Losung von

ϕ1(P ) + β1 = ϕ3(P ) + β3 = 0 ⇐⇒ −x− y + 600 = −y + 500 = 0 .

Wegen ϕi(P ) +βi > 0 fur i = 2, 4, 5, 6 ist P eine einfache Ecke von K ⊂ IR2 . Wir konnen alsodas Ecken–Tableau von P aufstellen und mit dem Simplex–Verfahren 39.3 beginnen:

P ϕ1 ϕ3 Werte χ

ϕ2 1 −1 200 −200 ←ϕ4 −1 0 200

ϕ5 −1 1 100

ϕ6 0 −1 500 −500

Φ −0,1 −0,3 210

Wir wahlen ν0 = 2 und bestimmen die charakteristischen Quotienten fur µ = 1 und µ = 4 .Dann wird χ maximal fur µ0 = 1 , also ist ϕ3 durch ϕ2 zu ersetzen. Und Q := (300, 300)t istLosung von

ϕ1(Q) + β1 = ϕ2(Q) + β2 = 0 ⇐⇒ −x− y + 600 = −x+ 300 = 0

mit Q ∈ K . Wir erhalten fur diese Ecke Q das nachste Tableau:

Q ϕ1 ϕ2 Werte χ

ϕ3 1 −1 200

ϕ4 −1 0 200 −200 ←ϕ5 0 −1 300

ϕ6 −1 1 300 −300

Φ −0,4 0,3 150

Page 218: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

210 KAPITEL IX. KONVEXE MENGEN UND LINEARE OPTIMIERUNG

Nun ist ν0 = 1 , und man erhalt: µ0 = 2 . Somit muß ϕ1 durch ϕ4 ersetzt werden. UndR := (300, 100)t bekommt man als Losung von

ϕ2(R) + β2 = ϕ4(R) + β4 = 0 ⇐⇒ −x+ 300 = x+ y − 400 = 0 ,

wobei R ∈ K ist. Es ergibt sich schließlich das Ecken–Tableau:

R ϕ4 ϕ2 Werte χ

ϕ3 −1 −1 400

ϕ1 −1 0 200

ϕ5 0 −1 300

ϕ6 1 1 100

Φ 0,4 0,3 70

Jetzt gilt: c1 ≥ 0 und c2 ≥ 0 , also ist R = (300, 100)t tatsachlich eine optimale Ecke mitΦ(R) = 70 , d. h. fur das ursprungliche Kostenfunktional: Φ(R) = Φ(R) + 700 = 770 (in DM).

39.5 Bemerkung

Notwendige Voraussetzungen fur die Durchfuhrung des Simplex–Verfahrens 39.3 waren:

a) K ist kompakt.

b) K besitzt nur einfache Ecken.

Diese Bedingungen sind ”normalerweise“ erfullt. Was passiert aber, wenn a) oder b) nicht erfulltist?

zu a): Ist zum Beispiel als konvexer Bereich

K = (x, y)t ∈ IR2 | x ≥ 0 ∧ y ≥ 0 ⊂ IR2

gegeben, so besitzt die Zielfunktion Φ mit Φ(x, y) = x+y zwar ein Minimum im Null-punkt 0 ∈ K , aber −Φ ist auf dem nicht–kompakten K nach unten unbeschrankt.Es existiert daher gar keine optimale Losung bezuglich −Φ .

zu b): Es sei n = 2 und

K := (x, y)t ∈ IR2 | x ≥ 0 ∧ y ≥ 0 ∧ −y + 3 ≥ 0 ∧ −x+ 2 ≥ 0 ∧ −x+ y ≥ 0

durch zwei Vorzeichenbedingungen und drei Restriktionen sowie Φ(x, y) := −x alsZielfunktion vorgegeben. Soll hierauf das Simplex–Verfahren angewandt werden, soergeben sich zunachst die linearen Funktionale:

ϕ1(x, y) := −y und β1 := 3 ,ϕ2(x, y) := −x und β2 := 2 ,ϕ3(x, y) := −x + y und β3 := 0 ,ϕ4(x, y) := x und β4 := 0 ,ϕ5(x, y) := y und β5 := 0 .

Page 219: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

§ 39. DAS SIMPLEX–VERFAHREN 211

Fur K ⊂ IR2 haben wir die Situation:

-y ≥ 0

6

x ≥ 0

....................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................y ≤ 3

........

........

........

........

........

........

........

........

........

........

........

........

........

........

........

........

........

........

........

........

........

........

........

........

........

........

........

........

........

........

........

........

........

........

........

........

........

........

........

........

....

x ≤ 2...............................................................................

............................................

............................................

............................................

............................................

............................................

............................................

............................................

............................................

............................................

.................

y ≥ x

...................................................................................................................................................................................................................................................................................... M3+

M1+ = M2

+

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

K

Im allgemeinen wird man — allein anhand der Nebenbedingungen und Vorzeichen-bedingungen — nicht sofort sehen, daß sich die Bedingung y ≥ 0 , also ϕ5 , alsuberflussig erweist. Dies macht den Nullpunkt 0 ∈ K zu einer mehrfachen Ecke mit

ϕ3(0) = ϕ4(0) = ϕ5(0) = 0 .

Man erhalt deswegen drei verschiedene Tableaus fur 0 , namlich:

0 ϕ3 ϕ4 Werte

ϕ1 −1 −1 3

ϕ2 0 −1 2

ϕ5 1 1 0

Φ 0 −1 0

0 ϕ3 ϕ5 Werte

ϕ1 0 −1 3

ϕ2 1 −1 2

ϕ4 −1 1 0

Φ 1 −1 0

0 ϕ4 ϕ5 Werte

ϕ1 0 −1 3

ϕ2 −1 0 2

ϕ3 −1 1 0

Φ −1 0 0

Die Pivotspalte ist jeweils eindeutig festgelegt. Wir erhalten dabei die Suchstrahlen

M1+ := (x, y)t ∈ IR2 | ϕ3(x, y) = 0 ∧ ϕ4(x, y) ≥ 0

= (x, y)t ∈ IR2 | x = y ∧ x ≥ 0 ,M2

+ := (x, y)t ∈ IR2 | x = y ∧ y ≥ 0und M3

+ := (x, y)t ∈ IR2 | y = 0 ∧ x ≥ 0 .

Man erkennt, daß M1+ und M2

+ zusammenfallen. Nun ist M3+ als Suchstrahl nicht

geeignet, da keine Kante von K eingeschlossen wird; jedoch eignet sich M1+ = M2

+

fur ein Austauschverfahren.Diese Beobachtung fuhrt unter einer Zusatzbedingung an das Tableau allgemein beientarteten Ecken weiter (vgl. hierzu [11], Abschnitt 2.3.4, oder auch [7]).

Page 220: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

Kapitel X

Grundzuge derprojektiven Geometrie

Mochte man in der Realitat auftretende Zentralprojektionen mathematisch beschreiben, so wirdman zur sogenannten projektiven Geometrie gefuhrt. ”Objekte“ der Abbildung sind dann nichtmehr einzelne Punkte des IR2 oder IR3 , sondern gesamte Geraden in diesen Raumen.

§ 40 Projektive Raume

40.1 Definition

Es sei V ∈ VRK ein beliebiger K–Vektorraum; dann heißt

IP (V ) := U | U ist Untervektorraum von V mit dimK U = 1

der zu V gehorige projektive Raum. Die Elemente von IP (V ) nennt man Punkte (obwohl sieformal Geraden in V sind). Und

dimK IP (V ) := dimK V − 1

heißt die (projektive) Dimension von IP (V ). Es ist IP (0) = ∅ mit dimK ∅ = −1 .Wir setzen IPn(K) := IP (Kn+1) und nennen IPn(K) den (kanonischen) n-dimensionalen pro-jektiven Raum uber K.Eine Teilmenge Z ⊂ IP (V ) des projektiven Raumes zu V heißt ein (projektiver) Unterraumvon IP (V ), wenn Z genau aus den eindimensionalen Unterraumen eines Untervektorraumes Wvon V besteht, d. h. wenn Z = IP (W ) gilt.Gilt speziell: dimK Z = 1 , dann spricht man von (projektiven) Geraden, und im FalledimK Z = 2 von (projektiven) Ebenen.

40.2 Bemerkung

Der Begriff des projektiven Raumes unterscheidet sich also von dem des Vektorraumes nurdurch die Art der Auffassung. Alle Satze uber Untervektorraume eines Vektorraumes konnenalso sofort in Satze uber projektive Unterraume eines projektiven Raumes ubersetzt werden. Soist zum Beispiel der Durchschnitt beliebig vieler projektiver Unterraume wieder ein projektiverUnterraum.

212

Page 221: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

§ 40. PROJEKTIVE RAUME 213

40.3 Definition

Ist (Zi)i∈I eine beliebige Familie projektiver Unterraume eines projektiven Raumes IP (V ) , d. h.Zi = IP (Wi) mit Untervektorraumen Wi ⊂ V , so heißt der kleinste projektive Unterraumvon IP (V ) , der die Vereinigung

⋃i∈I

Zi enthalt, der Verbindungsraum der Familie (Zi)i∈I . Wir

bezeichnen ihn mit∨i∈I

Zi . Ist dabei I = 1, 2, . . . , n , so schreiben wir auch:n∨i=1

Zi

oder Z1 ∨ Z2 ∨ . . . ∨ Zn .Ein projektiver Unterraum H von IP (V ) heißt eine Hyperebene, wenn H 6= IP (V ) gilt undwenn ein Punkt P ∈ IP (V ) existiert mit H ∨ P = IP (V ) .

40.4 Bemerkung

Unter Berucksichtigung von Bemerkung 4.8(ii) und 3.3(iv) (aus Lineare Algebra I) erhaltman fur einen Verbindungsraum:∨

i∈IZi =

⋂Z⊃

Si∈I

Zi projektiver

Unterraum von IP (V )

Z = IP(∑i∈I

Wi

)= IP

( ⋂W ⊃

Si∈I

Wi Unter-

vektorraum von V

W

),

wobei Zi = IP (Wi) ist.

Beweis:

Es ist∑i∈I

Wi ein Untervektorraum von V mit Wj ⊂∑i∈I

Wi fur alle j ∈ I , also gilt weiter:

Zj = IP (Wj) ⊂ IP (∑i∈I

Wi) fur alle j ∈ I . Daraus folgt:

∨j∈I

Zj ⊂ IP(∑i∈I

Wi

).

Umgekehrt ist IP (Wj) = Zj ⊂∨i∈I

Zi = IP (W ′) mit einem Untervektorraum W ′ von V fur alle

j ∈ I . Daraus ergibt sich: Wj ⊂W ′ fur alle j ∈ I , also:∑j∈I

Wj ⊂W ′ und damit:

IP(∑j∈I

Wj

)⊂ IP (W ′) =

∨i∈I

Zi .

40.5 Satz (Dimensionsformel)

Es sei IP (V ) ein endlich–dimensionaler projektiver Raum zu V ∈ VRK sowie Z1 = IP (W1) undZ2 = IP (W2) zwei projektive Unterraume von IP (V ) . Dann gilt:

dimK Z1 + dimK Z2 = dimK(Z1 ∨ Z2) + dimK(Z1 ∩ Z2) .

Ist H eine projektive Hyperebene und Z ein nicht in H enthaltener Unterraum von IP (V ) , sofolgt:

dimK(Z ∩H) = dimK Z − 1 .

Insbesondere besitzen in einer projektiven Ebene E , d. h. in E = IP (V ) mit dimK V = 3 , zweiverschiedene Geraden stets genau einen Schnittpunkt.

Page 222: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

214 KAPITEL X. GRUNDZUGE DER PROJEKTIVEN GEOMETRIE

Beweis zu Satz 40.5:

Die Dimensionsformel 4.3 fur Untervektorraume liefert mit Bemerkung 40.4:

dimZ1 + dimZ2 = dimW1 − 1 + dimW2 − 1= dim (W1 +W2)− 1 + dim (W1 ∩W2)− 1= dim IP (W1 +W2) + dim IP (W1 ∩W2)= dim (Z1 ∨ Z2) + dim (Z1 ∩ Z2) .

Ist Z nicht in H enthalten, so gilt: Z∨H = IP (V ) , also: dim (Z∨H) = dim IP (V ) = dimH+1und damit:

dim (Z ∩H) = dimZ + dimH − dim (Z ∨H) = dimZ − 1 .

Ist dimE = 2 , dann sind die Hyperebenen in E genau die projektiven Geraden. Daher gilt furzwei verschiedene Geraden G1 und G2 in E :

dim (G1 ∩G2) = dimG1 − 1 = 0 ,

d. h. G1 ∩G2 ist ein projektiver Punkt aus E .

Es seien nun IP (V ) ein projektiver Raum mit dimK V ≥ 1 , H eine Hyperebene von IP (V ) undP0 ∈ IP (V ) \ H , d. h. P0 ∨ H = IP (V ) . Ferner sei W derjenige Untervektorraum von V mitH = IP (W ) und M := IP (V ) \H . Wir wollen eine Abbildung → : M ×M →W so definieren,daß A...........................................

........ = (M,W, →) ein affiner Raum uber K wird. Zu P0 ∈M wahlen wir einen festen Vektorv0 ∈ V mit P0 = IP (<v0>) . Ist jetzt P ∈M , so existiert wegen V = <v0>⊕W genau ein

vP ∈W mit P = IP (<v0 + vP>) . Fur zwei Punkte P,Q ∈M setzen wir−→PQ := vQ − vP .

Dann gelten die Axiome (A1) und (A2) aus Definition 32.1.

Dabei ist (A1) bereits klar wegen−→PQ+

−→QR =

−→PR .

Zu (A2): Sind P ∈ M und P = IP (<v0 + vP>) sowie w ∈ W gegeben, so betrachte einfach

Q := IP (<v0 + vP + w>) ; dann ist−→PQ = vQ − vP = vP + w − vP = w .

Nach Konstruktion ist also A................................................... = (IP (V ) \H , W , →) ein affiner Raum uber K mit Dimension

dimK A................................................... = dimKW = dimK H + 1 = dimK IP (V ) .

Dies fuhrt zu:

40.6 Definition

Entfernt man aus einem projektiven Raum IP (V ) zu V ∈ VRK eine Hyperebene H , so kanndie Menge aller ubrigen Punkte als ein affiner Raum A...........................................

........ uber K mit dimK A................................................... = dimK IP (V )

aufgefaßt werden.Die Punkte von M = IP (V ) \ H heißen eigentliche Punkte, die von H uneigentliche Punkte.Und H selbst heißt die zu A...........................................

........ gehorige uneigentliche Hyperebene.

Page 223: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

§ 40. PROJEKTIVE RAUME 215

Skizze fur das Beispiel V = IR3 :

............................................................................................................................

............................................................................................................................

............................................................................................................................

............................................................................................................................

.....................................................................................

.............................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................

H = IP (W )

r

...............................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................P

.................................................................................................................

P0

.................................................................................................................................................................

6

-

........................................................................

v

@@@Iv0

.............................................................................................................................................................................................................................................................

......

......

...................

Ist P = IP (<v>) , so existiert genau ein Skalar λ ∈ K und genau ein Vektor w ∈ W mitv = λ v0 + w . Wegen P /∈ H ist λ 6= 0 , also gilt: 1

λ v = v0 + 1λ w = v0 + vP .

40.7 Satz

Wir ubernehmen die obigen Bezeichnungen; es gilt:

a) Ist Z := IP (U) ⊂ IP (V ) ein projektiver Unterraum, so ist Z0 := Z ∩ M ein affinerUnterraum von A...........................................

........ = (M,W, →) .

b) Ist Z0 6= ∅ ein affiner Unterraum von M , so existiert genau ein projektiver UnterraumZ = IP (U) ⊂ IP (V ) mit Z0 = Z ∩M .

Es gilt dann: dimK Z0 = dimK Z , und der Differenzraum zu Z0 ist U ∩W .

Beweis:

zu a): Ist Z ⊂ H , so folgt wegen M = IP (V ) \H sofort: Z0 = Z ∩M = ∅ ; also ist Z0 einaffiner Unterraum. Sonst existiert ein P ∈ Z0 , und es ist

−→PQ | Q ∈ Z0 =

−→PQ | Q ∈ Z ∩

−→PQ | Q ∈M = U ∩W

der Differenzraum zu Z0 .

zu b): Ist Z0 6= ∅ ein affiner Unterraum von M mit dem Differenzraum X , so wahlen wirfur festes P ∈ Z0 ein v ∈ V mit P = IP (<v>) ; dann ist v /∈ W . Wir setzenU := X + <v> und Z := IP (U) . Dann ist Z0 = Z ∩M . Und aus Z0 = Z ∩Mmit Z = IP (U) folgt: U = (U ∩W ) + <v> = X + <v> wie in Teil a); also ist Ueindeutig bestimmt.Im Falle endlicher Dimension gilt: dimZ0 = dimX = dimU − 1 = dimZ .

Wir wollen im endlich–dimensionalen Fall mit Koordinaten rechnen. Dazu legen wir fest:

Page 224: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

216 KAPITEL X. GRUNDZUGE DER PROJEKTIVEN GEOMETRIE

40.8 Definition

Ein (r+1)-Tupel (P0, P1, P2, . . . , Pr) von Punkten eines projektiven Raumes IP (V ) zu V ∈ VRK

heißt projektiv unabhangig, wenn eine der folgenden aquivalenten Bedingungen erfullt ist:

(a) Es gibt r + 1 linear unabhangige Vektoren v0, v1, v2, . . . , vr ∈ V mit Pi = IP (<vi>) furjedes i = 0, 1, 2, . . . , r .

(b) Jedes (r + 1)-Tupel (v0, v1, v2, . . . , vr) von Vektoren aus V mit Pi = IP (<vi>) fur allei = 0, 1, 2, . . . , r ist linear unabhangig.

(c) Es gilt: dimK(P0 ∨ P1 ∨ P2 ∨ . . . ∨ Pr) = r .

Ist dimK IP (V ) = n , so heißt ein (n+ 2)-Tupel (P0, P1, P2, . . . , Pn, Pn+1) eine projektive Basisvon IP (V ), wenn je n+ 1 Punkte davon projektiv unabhangig sind.

40.9 Bemerkung

Es sei dimK IP (V ) = n , d. h. dimK V = n+ 1 . Weiter sei (P0, P1, P2, . . . , Pn, Pn+1) eine projek-tive Basis von IP (V ) . Wir wahlen dazu Vektoren v0, v1, v2, . . . , vn+1 ∈ V mit Pi = IP (<vi>)fur alle i = 0, 1, 2, . . . , n + 1 . Da jeweils n + 1 von ihnen eine Basis von V ∈ VRK bilden,

existieren Skalare λ0, λ1, λ2, . . . , λn ∈ K mit vn+1 =n∑i=0

λi vi . Dabei sind alle λi 6= 0 , denn

sonst waren die n+ 1 Vektoren vn+1 und vj fur jedes j ∈ 0, 1, 2, . . . , n \ i linear abhangig.Mit wi := λi vi fur 0 ≤ i ≤ n gilt dann:

Pi = IP (<wi>) fur alle 0 ≤ i ≤ n und Pn+1 = IP (<w0 + w1 + w2 + . . .+ wn>) .

Bei fester Wahl von vn+1 ist die Basis (w0, w1, w2, . . . , wn) von V eindeutig bestimmt. Ist namlichPn+1 = IP (<v′n+1>) , so gilt die Darstellung: v′n+1 = c vn+1 mit c 6= 0 . Und zu v′n+1 gibt esgenau eine Basis (w′0, w

′1, w

′2, . . . , w

′n) von V mit Pi = IP (<w′i>) fur alle 0 ≤ i ≤ n und

Pn+1 = IP (<w′0 + w′1 + w′2 + . . .+ w′n>) , d. h. v′n+1 =n∑i=0

w′i . Daraus folgt: w′i = cwi

fur i = 0, 1, 2, . . . , n . Also ist durch (P0, P1, P2, . . . , Pn+1) auf obige Art und Weise eine Basis(w0, w1, w2, . . . , wn) von V bis auf einen gemeinsamen Faktor c 6= 0 aller Vektoren eindeutigbestimmt.

Ist nun P ∈ IP (V ) ein beliebiger Punkt mit P = IP (<v>) , so entspricht v bezuglich der Basis(w0, w1, . . . , wn) eindeutig ein (n+ 1)-Tupel (x0, x1, . . . , xn) ∈ Kn+1 , das bis auf einen gemein-samen Faktor c 6= 0 eindeutig bestimmt ist. Wegen v 6= 0 gibt es mindestens eine Komponentexi 6= 0 . Ist dann P = IP (<v′>) , etwa v′ = a v mit a 6= 0 , so unterscheiden sich die Koordi-naten von v′ bezuglich der Basis (w0, w1, . . . , wn) von denen von v nur durch den gemeinsamenFaktor a 6= 0 . Man bezeichnet dabei (x0, x1, . . . , xn) als homogene Koordinaten von P ∈ IP (V )bezuglich der sogenannten Grundpunkte P0, P1, . . . , Pn und des Einheitspunktes Pn+1.Die Grundpunkte Pi selbst haben die Koordinaten ei+1 , die Koordinaten des EinheitspunktesPn+1 lauten (1, 1, . . . , 1) . Umgekehrt bestimmt jedes von 0 ∈ Kn+1 verschiedene (n+ 1)-Tupel(x0, x1, . . . , xn) bezuglich der Basis (w0, w1, . . . , wn) genau einen Punkt P ∈ IP (V ) .Ist speziell IP (V ) = IPn(K) = IP (Kn+1) , so erhalt man die kanonische projektive Basis vonIPn(K) aus der kanonischen Basis (e1, e2, . . . , en+1) des Kn+1 und dem zusatzlichen Vektor

(1, 1, . . . , 1) =n+1∑i=1

ei .

Page 225: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

§ 41. PROJEKTIVITATEN 217

§ 41 Projektivitaten

Gegeben seien nunmehr zwei projektive Raume IP (V ) und IP (W ) zu V,W ∈ VRK sowie einVektorraum–Isomorphismus F : V → W . Dann bildet F jeden 1-dimensionalen Untervektor-raum von V auf einen 1-dimensionalen Untervektorraum von W ab. Deshalb induziert F einebijektive Abbildung f : IP (V )→ IP (W ) durch

f(P ) := IP (<F (v)>) fur alle P = IP (<v>) .

Ist namlich P = IP (<v′>) fur v′ = c v mit c 6= 0 , so gilt: F (v′) = c F (v) , also folgt:<F (v′)> = <F (v)> . Damit ist f wohldefiniert. Außerdem ist f wegen der Bijektivitat vonF ebenfalls injektiv und zugleich surjektiv. Wir schreiben dafur kurz: f = IP (F ) .

41.1 Definition

Eine bijektive Abbildung f : IP (V )→ IP (W ) heißt eine Projektivitat, wenn ein IsomorphismusF : V →W existiert mit f = IP (F ) .

41.2 Bemerkung

Fur zwei Isomorphismen F1, F2 : V → W gilt genau dann: IP (F1) = IP (F2) , wenn ein Skalarλ ∈ K∗ existiert mit F2 = λF1 .

Beweis:

”⇐“: Sei F2 = λF1 mit λ 6= 0 und fi := IP (Fi) fur i = 1, 2 . Dann gilt fur jeden Vektorv ∈ V : <F1(v)> = <F2(v)> , also: f1(P ) = f2(P ) fur alle P ∈ IP (V ) .

”⇒“: Ist f1 = IP (F1) = IP (F2) = f2 , so gibt es zu jedem v ∈ V ein λ ∈ K∗ mitF2(v) = λF1(v) . Wir mussen zeigen, daß fur alle v ∈ V dasselbe λ 6= 0 gewahltwerden kann. Gilt: dimV ≤ 1 , so ist die Behauptung bereits klar. Sonst betrachtenwir linear unabhangige v, w ∈ V . Dann gibt es λ, µ, ν ∈ K∗ mit F2(v) = λF1(v) ,F2(w) = µF1(w) und F2(v + w) = ν F1(v + w) . Daraus folgt wegen der Linearitatvon F1 und F2 :

λF1(v) + µF1(w)− ν F1(v + w) = (λ− ν)F1(v) + (µ− ν)F1(w) = 0 .

Da F1 ein Isomorphismus ist, sind F1(v) und F1(w) linear unabhangig. Und hierausergibt sich: λ = ν = µ .

41.3 Lemma

Es seien (P0, P1, . . . , Pn+1) und (Q0, Q1, . . . , Qn+1) zwei Basen des n-dimensionalen projektivenRaumes IP (V ) . Dann gibt es genau eine Projektivitat f : IP (V )→ IP (V ) mit f(Pi) = Qi furalle 0 ≤ i ≤ n+ 1 .

Page 226: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

218 KAPITEL X. GRUNDZUGE DER PROJEKTIVEN GEOMETRIE

Beweis zu Lemma 41.3:

Wir wahlen gemaß Bemerkung 40.9 zwei Basen (w0, w1, . . . , wn) und (w′0, w′1, . . . , w

′n) von V mit

Pi = IP (<wi>) , Qi = IP (<w′i>) fur alle 0 ≤ i ≤ nund Pn+1 = IP (<w0 + w1 + . . .+ wn>) , Qn+1 = IP (<w′0 + w′1 + . . .+ w′n>) .

Nach Satz 14.6 (siehe Lineare Algebra I) existiert genau ein Automorphismus F : V → Vmit F (wi) = w′i fur jedes 0 ≤ i ≤ n . Dann erfullt f = IP (F ) die geforderten Eigenschaften,und die Existenz von f ist gezeigt.Ist g : IP (V )→ IP (V ) eine weitere Projektivitat mit g(Pi) = Qi fur alle 0 ≤ i ≤ n+ 1 , so mußmit g = IP (G) gelten:

F (wi) = ciG(wi) ∀0≤i≤n und F (w0 + w1 + . . .+ wn) = cG(w0 + w1 + . . .+ wn) .

Wegen der linearen Unabhangigkeit von G(w0), G(w1), . . . , G(wn) folgt: c = c0 = c1 = . . . = cn ,also: F = cG . Und Bemerkung 41.2 liefert die Eindeutigkeit: f = g .

Ist (P0, P1, . . . , Pn+1) eine projektive Basis von IP (V ) — man spricht auch von einem (projekti-ven) Koordinatensystem (P0, P1, . . . , Pn+1) —, so betrachten wir die Basis (w0, w1, . . . , wn) vonV mit Pi = IP (<wi>) fur jedes i = 0, 1, . . . , n und Pn+1 = IP (<w0 + w1 + . . .+ wn>) .Ist f = IP (F ) eine Projektivitat auf IP (V ) , so entspricht der K–linearen Abbildung F bezuglichder Basis (w0, w1, . . . , wn) umkehrbar eindeutig eine Matrix A = (αij) ∈ GL(n+1 ;K) mit

F (wj) =n∑i=0

αij wi fur alle 0 ≤ j ≤ n . Ist (w′0, w′1, . . . , w

′n) eine andere Basis von V mit

Pi = IP (<w′i>) fur alle 0 ≤ i ≤ n und Pn+1 = IP (<w′0 + w′1 + . . .+ w′n>) ,

dann folgt: w′i = cwi und damit fur die darstellende Matrix B bezuglich (w′0, w′1, . . . , w

′n) die

Gleichheit: A = B .

Nun ist F durch f noch nicht eindeutig bestimmt. Ist namlich f = IP (F ) = IP (G) , so folgtnach Bemerkung 41.2: F = λG mit einem λ ∈ K∗ . Dann gilt fur die darstellenden Matrizen Avon F bzw. B von G bezuglich derselben Basis (w0, w1, . . . , wn) der Zusammenhang: A = λB .Umgekehrt definieren zwei Matrizen A,B ∈ GL(n+1 ;K) genau dann die gleiche Projektivitat,wenn A = λB mit λ 6= 0 gilt.

Sind (x∗0, x∗1, . . . , x

∗n) die homogenen Koordinaten von P ∈ IP (V ) und (x∗0

′, x∗1′, . . . , x∗n

′) diehomogenen Koordinaten von f(P ) ∈ IP (V ) , so gilt:

x∗0′

x∗1′

...x∗n′

= A ·

x∗0x∗1...x∗n

.

Wir wollen jetzt eine Projektivitat auf dem gemaß Definition 40.6 konstruierten affinen Raumbetrachten.Dazu sei IP (V ) ein projektiver Raum zu V ∈ VRK mit dimK IP (V ) = n und A...........................................

........ = (M,W, →)derjenige n-dimensionale affine Raum uber K , der aus IP (V ) durch Herausnahme einer un-eigentlichen Hyperebene H entsteht. Weiter sei (P0, P1, . . . , Pn) ein affines Koordinatensystem

Page 227: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

§ 41. PROJEKTIVITATEN 219

von A................................................... , d. h. (

−−−→P0P1,

−−−→P0P2, . . . ,

−−−→P0Pn) ist eine Basis von W . Wir konstruieren ein projektives

Koordinatensystem (P ∗0 , P∗1 , . . . , P

∗n , P

∗n+1) von IP (V ) auf folgende Art und Weise:

Nach Satz 40.5 schneiden die projektiven Verbindungsgeraden P0 ∨ Pν die Hyperebene H ingenau einem Punkt P ∗ν := (P0 ∨ Pν) ∩ H , jeweils fur ν = 1, 2, . . . , n . Sei zudem P ∗n+1 ∈ M

der Punkt mit−−−−→P0P

∗n+1 =

n∑ν=1

−−−→P0Pν ; dann hat P ∗n+1 die affinen Koordinaten (1, 1, . . . , 1) ∈ Kn .

Setzen wir noch P ∗0 := P0 , so bildet (P ∗0 , P∗1 , . . . , P

∗n , P

∗n+1) eine projektive Basis von IP (V ) .

Ist P0 = IP (<v0>) und setzen wir vν :=−−−→P0Pν fur jedes 1 ≤ ν ≤ n, so bildet (v0, v1, . . . , vn) eine

Basis von V und (v1, v2, . . . , vn) eine Basis von W ; es gilt: P ∗n+1 = IP (<v0 + v1 + . . .+ vn>) .

Ist P ∈ A................................................... , also P ∈M mit den affinen Koordinaten (x1, x2, . . . , xn) , d. h.

−→P0P =

n∑i=1

xi−−−→P0Pi ,

so betrachten wir:

v := v0 +−→P0P = v0 +

n∑i=1

xi vi ;

dann ist P = IP (<v>) . Also sind (1, x1, x2, . . . , xn) die homogenen Koordinaten von P be-zuglich des projektiven Koordinatensystems (P ∗0 , P

∗1 , . . . , P

∗n+1) .

Sind umgekehrt (x∗0, x∗1, . . . , x

∗n) die homogenen Koordinaten eines Punktes P ∈ IP (V ) , und ist

(v1, v2, . . . , vn) die obige Basis von W , so gilt: P ∈ H ⇐⇒ x∗0 = 0 . Ist also P ein eigentlicher

Punkt, d. h. ein Punkt aus A................................................... , dann gilt: x∗0 6= 0 ; und damit ist auch

(1,x∗1x∗0,x∗2x∗0, . . . ,

x∗nx∗0

)ein

(n+ 1)-Tupel homogener Koordinaten von P . Es folgt:

−→P0P = 1 · v0 +

n∑i=1

x∗ix∗0vi − v0 =

n∑i=1

x∗ix∗0vi ,

und(x∗1x∗0,x∗2x∗0, . . . ,

x∗nx∗0

)sind die affinen Koordinaten von P .

Sei nun f0 eine Affinitat auf A................................................... = (M,W, →). Dann existiert bezuglich der Basis (P0, P1, . . . , Pn)

eine Matrix A0 ∈ GL(n;K) und ein n-Tupel (t1, t2, . . . , tn) ∈ Kn derart, daß fur die affi-nen Koordinaten (x1, x2, . . . , xn) von P ∈ M und die affinen Koordinaten (x′1, x

′2, . . . , x

′n) von

f0(P ) ∈M gilt:

(∗)

x′1x′2...x′n

=

t1t2...tn

+A0 ·

x1

x2...xn

.

Die homogenen Koordinaten von P bzw. f0(P ) bezuglich des projektiven Koordinatensystems(P ∗0 , P

∗1 , . . . , P

∗n+1) sind dann (1, x1, x2, . . . , xn) bzw. (1, x′1, x

′2, . . . , x

′n) . Und (∗) laßt sich daher

in der folgenden Form schreiben:1x′1x′2...x′n

=

1 0 0 · · · 0t1t2... A0

tn

·

1x1

x2...xn

=: A ·

1x1

x2...xn

.

Wegen A ∈ GL(n+1 ;K) definiert A in eindeutiger Weise eine Projektivitat f : IP (V )→ IP (V ).Fur P ∈ A...........................................

........ gilt: f0(P ) = f(P ) . Also ist f eine Fortsetzung der Affinitat f0 : M → M auf

Page 228: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

220 KAPITEL X. GRUNDZUGE DER PROJEKTIVEN GEOMETRIE

A................................................... zu einer Projektivitat f auf IP (V ) . Dabei gilt: f(H) = H fur die uneigentliche Hyperebene,

und f ist die einzige Fortsetzung von f0 ∈ Aff(M) zu einer Projektivitat auf IP (V ) .

Ist schließlich umgekehrt f ein Projektivitat auf IP (V ), welcher hinsichtlich der projektivenBasis (P ∗0 , P

∗1 , . . . , P

∗n+1) die Matrix A ∈ GL(n+1 ;K) entspricht, so ist notwendig dafur, daß

f die Fortsetzung einer Affinitat f0 auf A................................................... darstellt, daß f in IP (V ) uneigentliche Punkte auf

uneigentliche Punkte abbildet, d. h. daß f(H) = H gilt. Nun ist P ∈ H genau dann, wenn furseine homogenen Koordinaten (x∗0, x

∗1, . . . , x

∗n) bezuglich der projektiven Basis (P ∗0 , P

∗1 , . . . , P

∗n+1)

gilt: x∗0 = 0 . Und f(H) = H impliziert also fur die Matrix A = (αij)0≤i,j≤n die Bedingung:α01 = α02 = . . . = α0n = 0 . Wegen detA 6= 0 muß dann aber α00 6= 0 sein. Da A nur bis auf einenkonstanten Faktor c 6= 0 durch f eindeutig bestimmt ist, konnen wir etwa α00 = 1 annehmen.Ist nun P ∈ IP (V ) ein eigentlicher Punkt mit den affinen Koordinaten (x1, x2, . . . , xn) , so folgtweiter:

1x′1x′2...x′n

= A ·

1x1

x2...xn

und x′i = αi0 +n∑ν=1

αiν xν fur alle 1 ≤ i ≤ n .

Also sind (x′1, x′2, . . . , x

′n) die affinen Koordinaten von f(P ) ; und f ist damit Fortsetzung einer

Affinitat f0 auf A................................................... , welcher hinsichtlich des affinen Koordinatensystems (P0, P1, . . . , Pn) die

Matrix A0 = (αij)1≤i,j≤n und der Vektor (α10, α20, . . . , αn0)t aus Kn zugeordnet sind.

Insgesamt haben wir damit gezeigt:

41.4 Satz

Jede Affinitat f0 auf A................................................... kann eindeutig zu einer Projektivitat f auf IP (V ) fortgesetzt werden.

Umgekehrt induziert eine Projektivitat f auf IP (V ) genau dann eine Affinitat f0 auf A................................................... , wenn

f(H) = H gilt.

41.5 Definition

Es seien Zi = IP (Ui) fur i = 1, 2 zwei projektive Unterraume von IP (V ) mit dimK Z1 = dimK Z2.Die Abbildung f : Z1 → Z2 heißt Zentralprojektion, wenn es einen projektiven UnterraumZ = IP (U) derart gibt, daß folgende drei Eigenschaften erfullt sind:

(a) Es gilt: Z ∨ Z1 = Z ∨ Z2 = IP (V ) .

(b) Es gilt: Z ∩ Z1 = Z ∩ Z2 = ∅ .

(c) Fur alle P ∈ Z1 ist f(P ) = (Z ∨ P ) ∩ Z2 .

Sind Z1 und Z2 Hyperebenen, so bedeuten die Bedingungen (a) und (b), daß Z ein Punktaußerhalb von Z1 ∪ Z2 ist. Im allgemeinen sind (a) und (b) aquivalent zu:

V = U ⊕ U1 = U ⊕ U2 .

Der projektive Unterraum Z heißt dann das Zentrum von f .

Page 229: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

§ 41. PROJEKTIVITATEN 221

..................................

..................................

..................................

..................................

..................................

..................................

..................................

..................................

..................................

..................................

..................................

..................................

..............................

Z2

......................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................

Z1

..................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................

rZrf(P )

rP

41.6 Satz

Jede Zentralprojektion ist eine Projektivitat.

Beweis:

Mit obigen Bezeichnungen sei f : Z1 → Z2 die Zentralprojektion; gesucht ist ein Vektorraum–Isomorphismus F : U1 → U2 mit f = IP (F ) .Wir betrachten hierfur die Abbildung pr : V = U ⊕ U2 → U2 mit pr(u + u2) := u2 undsetzen F := pr |U1 . Dann ist F linear; außerdem ist F bijektiv. (Denn: Zu jedem u2 ∈ U2 gibtes eindeutig bestimmte u ∈ U und u1 ∈ U1 mit u2 = u + u1 , d. h.: u1 = −u + u2 ; also istF (u1) = pr(−u+ u2) = u2 .)Wir zeigen, daß f = IP (F ) gilt. Dazu sei P = IP (<u1>) ∈ Z1 mit u1 ∈ U1 . Wir bildenW := U ⊕<u1> ; dann ist (nach Bemerkung 40.4) IP (W ) = IP (U) ∨ IP (<u1>) = Z ∨ P mitF (<u1>) = W ∩ U2 , d. h. es gilt:

IP (F )(P ) = IP (<F (u1)>) = IP (W ∩ U2) = IP (W ) ∩ IP (U2) = (Z ∨ P ) ∩ Z2 = f(P ) .

41.7 Definition

Gegeben seien vier kollineare Punkte P0, P1, P2, P eines projektiven Raumes IP (V ) , d. h. alleP0, P1, P2, P liegen auf einer projektiven Geraden Z = IP (U) .Sind dabei P0, P1, P2 paarweise verschieden, etwa Pi = IP (<vi>) , dann sind je zwei von ihnenprojektiv unabhangig. Also bildet (P0, P1, P2) ein projektives Koordinatensystem von Z mit denGrundpunkten P0, P1 und dem Einheitspunkt P2 . Ein Punkt P ∈ Z besitzt bezuglich diesesKoordinatensystems die homogenen Koordinaten (x0, x1) ∈ K2 . Im Fall P 6= P1 gilt: x0 6= 0 ;dann ist

x1

x0durch die vier Punkte eindeutig bestimmt. Man nennt diesen Skalar

x1

x0∈ K

das Doppelverhaltnis des geordneten 4-Tupels (P0, P1, P2, P ) kollinearer Punkte und bezeichnetes mit kurz mit DV(P0, P1, P2, P ) .Ist P = P1 , d. h. x0 = 0 , so setzen wir fur das Doppelverhaltnis: DV(P0, P1, P2, P ) =∞ .

41.8 Lemma

Ist f : IP (V ) → IP (V ) eine Projektivitat, so laßt f das Doppelverhaltnis kollinearer Punktestets unverandert.

Page 230: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

222 KAPITEL X. GRUNDZUGE DER PROJEKTIVEN GEOMETRIE

Beweis zu Lemma 41.8:

Sind P0, P1, P2, P kollineare projektive Punkte, so sind ebenfalls f(P0), f(P1), f(P2), f(P ) kol-linear, da Isomorphismen Unterraume eines Vektorraumes auf Unterraume gleicher Dimensionabbilden. Gilt: Pi = IP (<vi>) fur i = 0, 1, 2 sowie P = IP (<v>) mit v0 + v1 = v2 , und istv = x0 v0 + x1 v1 , dann folgt fur f = IP (F ) :

f(Pi) = IP (<F (vi)>) fur i = 0, 1, 2 und f(P ) = IP (<F (v)>) .

Andererseits gilt aber auch: F (v0) + F (v1) = F (v2) und F (v) = x0 F (v0) + x1 F (v1) , also:

DV(P0, P1, P2, P ) =x1

x0= DV(f(P0), f(P1), f(P2), f(P )) .

Wir wollen zum Abschluß zwei ”geometrische“ Anwendungen betrachten:

41.9 Satz (Satz von Desargues66)

In einer projektiven Ebene IP (V ) seien zwei Dreiecke in perspektivischer Lage gegeben, d. h.es seien paarweise verschiedene Punkte P1, P2, P3 und P1

′, P2′, P3

′ derart gegeben, daß sich dieVerbindungsgeraden P1 ∨ P1

′ , P2 ∨ P2′ und P3 ∨ P3

′ in einem Punkt Z ∈ IP (V ) schneiden.Dann sind die Schnittpunkte

Q1 := (P1 ∨P2)∩ (P1′ ∨P2

′) , Q2 := (P2 ∨P3)∩ (P2′ ∨P3

′) und Q3 := (P1 ∨P3)∩ (P1′ ∨P3

′)

entsprechender ”Dreiecksseiten“ kollinear.

...........................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................

........................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................

..................................

..................................

..................................

..................................

..................................

..................................

..................................

..................................

..................................

..................................

..................................

..................................

..................................

..................................

..................................

..................................

..................................

..................................

..................................

..................................

..................................

..................................

..................................

..................................

..................................

..................................

..................................

..................................

...

IP (V )

rP1

rP2

rP3

rP1′

r P2′

rP3′

rZ..................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................

...........................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................

...........................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................

..........................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................

..................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................

..................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................

rQ1r

Q2

rQ3

rRrR′rS

.................................................................................................................................

................................................

f

.............................

.........................

......................

............

......................... .......................g

.....................................................................................................................................

.........................

.......................

h

....................................................

................................................................................................................................................................................................................................................................................................

...................................................................................................................................

................................................

................................................

................................................

................................................

.............................................................................................................................................................................................................................................................................

............. ............. ............. ............. ............. ............. ............. ............. ............. ............. ............. ............. ............. ............. ............. ............. ............. ............. ............. ............. ............. ............. ............. ............. ............. .............

66Gerard Desargues, franzosischer Mathematiker, Architekt und Ingenieur (?21.02.1591, †Okt. 1661)

Page 231: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

§ 41. PROJEKTIVITATEN 223

Beweis zu Satz 41.9:

Es seien

R := (P1 ∨ P2) ∩ (P3 ∨ P3′) , R′ := (P1

′ ∨ P2′) ∩ (P3 ∨ P3

′) , S := (Q1 ∨Q3) ∩ (P3 ∨ P3′)

und T := (Q1 ∨Q3) ∩ (P2 ∨ P3) , T ′ := (Q1 ∨Q3) ∩ (P2′ ∨ P3

′) .

Dann ist zu zeigen, daß gilt: Q2 = T = T ′ . Dazu genugt es, T = T ′ nachzuweisen, d. h.:DV(Q1, Q3, S, T ) = DV(Q1, Q3, S, T

′) . Sei dazu f : Q1 ∨Q3 → Q1 ∨ P1 die Zentralprojektionmit dem Zentrum P3 . Dann ist f nach Satz 41.6 eine Projektivitat, laßt also das Doppelver-haltnis unverandert gemaß Lemma 41.8, und es gilt:

DV(Q1, Q3, S, T ) = DV(Q1, P1, R, P2) .

Entsprechend ergibt sich durch die Zentralprojektion g : Q1 ∨ P1 → Q1 ∨ P1′ mit Zentrum Z :

DV(Q1, P1, R, P2) = DV(Q1, P1′, R′, P2

′) .

Schließlich liefert h : Q1 ∨ P1′ → Q1 ∨Q3 mit dem Zentrum P3

′ analog:

DV(Q1, P1′, R′, P2

′) = DV(Q1, Q3, S, T′) .

Zusammengefaßt hat man also: T = T ′ .

In ahnlicher Weise folgt (zum Beweis siehe [11], Abschnitt 3.3.7):

41.10 Satz (Satz von Pappos67)

In einer projektiven Ebene seien zwei verschiedene Geraden Z und Z ′ sowie darauf jeweilspaarweise verschiedene Punkte P1, P2, P3 ∈ Z und P1

′, P2′, P3

′ ∈ Z ′ vorgegeben. Dann erweisensich die Schnittpunkte

Q1 := (P1 ∨P2′)∩ (P1

′ ∨P2) , Q2 := (P2 ∨P3′)∩ (P2

′ ∨P3) und Q3 := (P3 ∨P1′)∩ (P3

′ ∨P1)

als kollinear.

rP1

rP2

rP3

rP1′ r

P2′ r

P3′

.........................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................

........

........

........

........

........

........

........

........

........

........

........

........

........

........

........

........

........

........

........

........

........

........

........

........

........

........

........

........

........

........

........

........

........

........

........

........

........

........

........

........

.

..............................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................

.....................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................

........................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................

r rr.......................................

..............................................................................

..............................................................................

..............................................................................

..............................................................................

..............................................................................

..............................................................................

..............................................................................

..............................................................................

..............................................................................

.................................. Z

............................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................... Z ′

rZ ∩ Z ′ ........... ........... ........... ........... ........... ........... ........... ........... ........... ........... ........... ........... ........... ........... ........... ........... ........... ........... ........... ........... ........ Q1 ∨Q3 ∨Q2

67Pappos von Alexandria, altgriechischer Mathematiker und Astronom (um 320 n. Chr.)

Page 232: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik
Page 233: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

Teil 3

ALGEBRA UNDDISKRETE MATHEMATIK I

225

Page 234: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik
Page 235: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

Kapitel XI

Gruppen

Wir erinnern uns an einige Definitionen und Satze aus §1 (siehe Lineare Algebra I). Wirschreiben im folgenden die Verknupfungen multiplikativ, lassen also den Punkt · meist weg.

§ 42 Grundlegende Begriffe

42.1 Definition

Gegeben seien zwei Gruppen G und G′ . Eine Abbildung ϕ : G→ G′ heißt ein (Gruppen–)Homo-morphismus, wenn fur alle a, b ∈ G gilt68: ϕ(a · b) = ϕ(a) · ϕ(b) .Im Falle G = G′ sprechen wir von einem (Gruppen–)Endomorphismus.

42.2 Bemerkungen

Gegeben seien die Gruppen G,G′, G′′ und die Gruppen–Homomorphismen ϕ : G → G′ sowieϕ′ : G′ → G′′ . Ferner seien e ∈ G und e′ ∈ G′ die neutralen Elemente. Dann gilt:

(i) ϕ(e) = e′ .

(ii) ϕ(a−1) = (ϕ(a))−1 fur alle a ∈ G .

(iii) Die Komposition ϕ′ ϕ ist auch ein Gruppen–Homomorphismus.

(iv) ϕ ist injektiv genau dann, wenn Kerϕ := a ∈ G | ϕ(a) = e′ = e gilt.

Beweis:

zu (i): Aus ϕ(e) = ϕ(e e) = ϕ(e)ϕ(e) folgt wegen der eindeutigen Bestimmtheit von e′ :ϕ(e) = e′ (vgl. Bemerkung 1.3).

zu (ii): Ist a ∈ G , so gilt mit (i): e′ = ϕ(e) = ϕ(a a−1) = ϕ(a)ϕ(a−1) , also wegen dereindeutigen Bestimmtheit des inversen Elementes: ϕ(a−1) = (ϕ(a))−1 .

68Man beachte, daß sich die erste Operation · auf die Gruppe G bezieht, die zweite Verknupfung · gilt in G′ .Dies wird — wie angekundigt — ab jetzt nicht mehr extra unterschieden.

227

Page 236: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

228 KAPITEL XI. GRUPPEN

zu (iii): ist klar. X

zu (iv): ”⇒“: Ist ϕ injektiv, so muß Kerϕ einelementig sein, d. h.: Kerϕ = e .

”⇐“: Ist ϕ(a) = ϕ(b) , dann gilt:ϕ(a b−1) = ϕ(a)ϕ(b−1) = ϕ(a) (ϕ(b))−1 = ϕ(a) (ϕ(a))−1 = e′ ,

also a b−1 = e , d. h.: a = b .

42.3 Definition

Ist U 6= ∅ eine Teilmenge einer Gruppe G , so heißt U eine Untergruppe von G, wenn U mitder Verknupfung aus G selbst eine Gruppe ist.(Kurzschreibweisen fur Untergruppen U : U ≤ G oder falls U ⊂

6=G ist: U < G .)

Die Teilmengen E := e und G selbst bilden stets Untergruppen von G ; man nennt sie auchdie trivialen Untergruppen von G.

42.4 Satz

Ist G eine Gruppe und ∅ 6= U ⊂ G eine Teilmenge von G , dann sind aquivalent:

a) U ist eine Untergruppe von G .

b) Aus a, b ∈ U folgt: a b−1 ∈ U .

c) Aus a, b ∈ U folgt: a−1 b ∈ U .

Beweis:

”a) ⇒ b)“ und ”a) ⇒ c)“ sind klar. X

”b)⇒ a)“: Wegen U 6= ∅ existiert ein u ∈ U ; damit ist uu−1 = e ∈ U . Ist also a ∈ U , so auche a−1 = a−1 ∈ U . Sind schließlich a, b ∈ U , so auch a, b−1 ∈ U woraus sich a (b−1)−1 = a b ∈ Uergibt.Entsprechend folgt die Aussage ”c) ⇒ a)“.

42.5 Folgerung

Ist ϕ : G→ G′ ein Gruppen–Homomorphismus, so ist der Kern Kerϕ stets eine Untergruppevon G und das Bild Imϕ := ϕ(G) stets eine Untergruppe von G′ .

Beweis:

(i) Es gilt: Kerϕ 6= ∅ wegen ϕ(e) = e′ ; sind a, b ∈ Kerϕ , so folgt:ϕ(a b−1) = ϕ(a)ϕ(b)−1 = e′ (e′)−1 = e′ e′ = e′ .

(ii) Gilt: a′, b′ ∈ Imϕ , d. h.: a′ = ϕ(a) und b′ = ϕ(b) mit a, b ∈ G , dann folgt:a′ (b′)−1 = ϕ(a)ϕ(b)−1 = ϕ(a b−1) , also: a′ (b′)−1 ∈ Imϕ .

Page 237: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

§ 42. GRUNDLEGENDE BEGRIFFE 229

42.6 Definition

Ein (Gruppen–)Homomorphismus ϕ : G→ G′ heißt (Gruppen–)Isomorphismus, wenn ϕ bijektivist. Ein (Gruppen–)Isomorphismus ϕ : G → G heißt ein (Gruppen–)Automorphismus. Eininjektiver (Gruppen–)Homomorphismus heißt ein (Gruppen–)Monomorphismus, ein surjektiver(Gruppen–)Homomorphismus heißt (Gruppen–)Epimorphismus.

42.7 Beispiel

Wir betrachten eine Menge e, a, b, c von vier Elementen mit der Verknupfungstafel

· e a b c

e e a b ca a b c eb b c e ac c e a b

und bezeichnen die sich so ergebende Gruppe mit A(4) .Entsprechend bildet e′, a′, b′, c′ mit der Verknupfungstafel

· e′ a′ b′ c′

e′ e′ a′ b′ c′

a′ a′ e′ c′ b′

b′ b′ c′ e′ a′

c′ c′ b′ a′ e′

eine abelsche Gruppe, die wir mit A(2,2) bezeichnen.Dann existiert kein Isomorphismus ϕ : A(4) → A(2,2) . Gabe es namlich einen solchen, so wareϕ(e) = e′ und ϕ(d) ∈ A(2,2) \ e′ fur d 6= e . Und dann folgte mit ϕ(a2) = ϕ(b) 6= e′ und(ϕ(a))2 = e′ ein Widerspruch zur Eindeutigkeit des neutralen Elements.Die Gruppe A(2,2) heißt (Klein’sche) Vierergruppe.

42.8 Bemerkung

Ist G eine beliebige Gruppe, dann bildet die Menge

AutG := ϕ : G→ G | ϕ ist Automorphismus

mit der Komposition als Verknupfung eine Gruppe, die sogenannte Automorphismengruppevon G. Ist x ∈ G , so definieren wir ϕx : G→ G durch ϕx(y) := x y x−1 .Wegen ϕx(y z) = x (y z)x−1 = x y x−1 x z x−1 = ϕx(y)ϕx(z) ist ϕx bereits ein Homomor-phismus. Aus ϕx ϕx−1 = ϕx−1 ϕx = idG folgt, daß ϕx sogar ein Automorphismus auf Gist.Und ϕ ∈ AutG heißt ein innerer Automorphismus, wenn ein x ∈ G existiert mit ϕ = ϕx .Zwei Elemente a, b ∈ G heißen konjugiert, wenn es ein x ∈ G gibt mit

ϕx(b) = x b x−1 = a .

Page 238: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

230 KAPITEL XI. GRUPPEN

Wir erhalten einen Homomorphismus αG : G→ AutG durch αG(x) := ϕx ; denn es gilt:

ϕxy(z) = x y z (x y)−1

= x y z y−1 x−1

= xϕy(z)x−1

= ϕx(ϕy(z))⇐⇒ ϕxy(z) = (ϕx ϕy)(z) ,

d. h.: αG(x y) = αG(x) αG(y) .Weiter ist

KerαG = x ∈ G | ϕx = idG= x ∈ G | x y x−1 = y fur alle y ∈ G

⇐⇒ KerαG = x ∈ G | x y = y x fur alle y ∈ G .

Und KerαG heißt das Zentrum von G. Manchmal schreiben wir auch Z(G) statt KerαG .Eine Gruppe G ist genau dann abelsch, wenn Z(G) = G ist.

42.9 Bemerkung

Es seien X,Y nichtleere Mengen und f : X → Y eine bijektive Abbildung; dann sind die sym-metrischen Gruppen S(X) und S(Y ) isomorph zueinander (vgl. Beispiel 1.6d) aus LineareAlgebra I).

Beweis:

Wir betrachten die Abbildung ϕ : S(X) → S(Y ) mit ϕ(g) := f g f−1 ; dann definiertϕ−1(h) = f−1 h f die Umkehrabbildung von ϕ . Außerdem gilt:

ϕ(g1 g2) = f (g1 g2) f−1

= (f g1) (g2 f−1)= (f g1 f−1) (f g2 f−1)= ϕ(g1) ϕ(g2) ,

also ist ϕ ein Homomorphismus und damit ein Isomorphismus.

42.10 Satz

Zu jeder Gruppe G gibt es einen Monomorphismus ψ : G→ S(G) , also ist G stets isomorph zueiner Untergruppe von S(G) .

Beweis:

Wir definieren ψ(g) := ϕg mit ϕg(a) = g a ; dann ist ϕg injektiv (durch ”Kurzen“) und surjektiv(Losbarkeit der Gleichung g x = b ; vgl. Satz 1.4 aus Lineare Algebra I), also ist ϕg ∈ S(G) .

Page 239: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

§ 42. GRUNDLEGENDE BEGRIFFE 231

Fur alle g, h ∈ G und beliebigem a ∈ G gilt:

ψ(g h)(a) = ϕg h(a)= (g h) a= g (h a)= g ϕh(a)= ϕg(ϕh(a))= ϕg(a) ϕh(a) ,

also ist ψ ein Homomorphismus auf Imψ . Und ψ ist injektiv, denn aus ψ(g) = idG = ψ(e)folgt: ϕg(e) = g e = e und damit: g = e .

42.11 Bemerkung

Ist die Gruppe G endlich, so ist also G isomorph zu einer Untergruppe der Permutationen Sn ,wobei n die Anzahl der Elemente in G sei.Als Ordnung ordG bezeichnet man die exakte Anzahl der Elemente einer endlichen Gruppe G ;ist die Anzahl nicht endlich, so schreiben wir: ordG =∞ .Existiert ein n ∈ IN∗ mit an = e , so heißt die kleinste positive Zahl n mit dieser Eigenschaftdie Ordnung ord a von a in G. Existiert ein solches n nicht, so sei ord a =∞ .

42.12 Bemerkung und Definition

Ist G eine Gruppe, I eine nichtleere (Index)Menge und (Uα)α∈I eine Familie von Untergruppenvon G , dann ist der Durchschnitt

⋂α∈I

Uα eine Untergruppe von G (siehe Satz 42.4, und vgl.

Satz 2.6 aus Lineare Algebra I). Ist M eine Teilmenge von G , so heißt

<M> :=⋂U | U ist Untergruppe von G mit M ⊂ U

die von M erzeugte Untergruppe von G.Ist G = <M> , dann nennt man M selbst ein Erzeugendensystem von G.Und G heißt endlich erzeugt, wenn es ein endliches Erzeugendensystem a1, a2, . . . , an ⊂ Ggibt69. Wir schreiben dann auch: G = <a1, a2, . . . , an> . Es ist <∅> := e = E = <e>und <G> = G .Eine Gruppe G heißt zyklisch, wenn ein Element g ∈ G existiert mit G = <g> .

42.13 Satz

Ist M eine Teilmenge der Gruppe G , so besteht das Erzeugnis <M> aus allen endlichenProdukten der Elemente von M und M−1 mit M−1 := g−1 | g ∈M , d. h.

<M> = x1 · x2 · . . . · xn | xi ∈M ∪M−1 , n ∈ IN∗ .

69Es sei erwahnt, daß a1, a2, . . . , an eine Familie ist und keine Menge im strengen Sinne zu sein braucht.

Page 240: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

232 KAPITEL XI. GRUPPEN

Beweis zu Satz 42.13:

Sei∼M := x1 · x2 · . . . · xn | xi ∈ M ∪M−1 , n ∈ IN∗ . Ist nun U eine Untergruppe von G mit

M ⊂ U , so enthalt U auch M ·M = x · y | x, y ∈M und M−1 . Damit ist M ⊂∼M⊂<M> .

Mit Satz 42.4 ergibt sich, daß∼M eine Untergruppe von G ist. Wegen <M> ⊂<

∼M> =

∼M ist

schließlich∼M= <M> .

42.14 Folgerung

Ist G = <g> eine zyklische Gruppe, dann gilt stets: G = gn | n ∈ ZZ .Wegen gn gm = gn+m = gm+n = gm gn fur alle m,n ∈ ZZ ist jede zyklische Gruppe abelsch.Ist G = <g> eine unendliche zyklische Gruppe, so betrachten wir auf der additiven zyklischenGruppe ZZ die Abbildung ϕ : ZZ→ G mit ϕ(n) := gn .Wegen ϕ(n + m) = gn+m = ϕ(n)ϕ(m) ist ϕ dann ein Homomorphismus. Und ϕ ist sogar einIsomorphismus.

Beweis:

Angenommen, ϕ ware nicht injektiv; dann gabe es ein m ∈ ZZ\0 mit ϕ(m) = gm = e . Wegenϕ(−m) = g−m = (gm)−1 = e−1 = e konnen wir ohne Beschrankung der Allgemeinheit m ∈ IN∗voraussetzen. Ist nun n ∈ ZZ beliebig, so existieren r, k ∈ ZZ mit 0 ≤ k ≤ m und n = r ·m+ k .Dann gilt: gn = grm+k = (gm)r gk = e gk = gk , also: G = gn |n ∈ ZZ = gk | 0 ≤ k ≤ m− 1 .Ist m minimal gewahlt, so besteht G genau aus den m Elementen g0, g1, g2, . . . , gm−1 . Gabe esnun Zahlen 0 ≤ n < k ≤ m− 1 mit gn = gk , so folgte: gk−n = e mit 1 ≤ k − n ≤ m− 1 einWiderspruch zur Minimalitat von m .

42.15 Beispiele

a) Fur n ∈ IN∗ ist (ZZn,+) eine abelsche Gruppe mit Addition Ka +Kb := Ka+b furZZn := K0,K1,K2, . . . ,Kn−1 und Ka := c ∈ ZZ | c−a ist durch n teilbar (vgl.

Bemerkung 25.2(ii) aus Lineare Algebra I). Dann ist wegen Km = m ·K1 die GruppeZZn = <K1> zyklisch von der Ordnung n .

b) Ist G eine zyklische Gruppe der Ordnung n ∈ IN∗ , so ist G isomorph zu (ZZn,+) . Ist etwaG = e, g, g2, g3, . . . , gn−1 , so definiere man ϕ : G → ZZn durch ϕ(gk) := Kk ; dann istϕ ein Isomorphismus.

c) Es sei IE2 die reelle euklidische Ebene (IR2 mit kanonischemSkalarprodukt) und n ∈ IN∗ ; mit D bezeichnen wir die Dre-hung im Nullpunkt um den Winkel 2π

n und mit S die Spiege-lung an der y–Achse:

q - x

6

y

-e1

6e2

........

......................... 2πn

....................

....................

....................

....

(Bezuglich der kanonischen Basis hat D bei Drehung gegen den Uhrzeigersinn die darstel-

lende Matrix

(cos 2π

n − sin 2πn

sin 2πn cos 2π

n

)∈ SO(2) , und S besitzt die darstellende Matrix(

−1 00 1

)∈ O(2) . Siehe hierzu §30 in Lineare Algebra II.)

Page 241: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

§ 43. DER SATZ VON LAGRANGE 233

Wir betrachten die von D und S erzeugte Gruppe als Untergruppe von O(2) und erhalten:

Dn = idIE2 , S2 = idIE2 , S D S = Dn−1 und DSD = S .

Mit Satz 42.13 ergibt sich daraus wegen S ∪D ∪ (S ∪D)−1 = S,D,Dn−1 :

<S,D> = SiDj | i, j ∈ IN .

Wieviele verschiedene Elemente ergeben nun die Produkte SiDj ?Es ist <S,D> = idIE2 , D,D2, D3, . . . , Dn−1, S, S D, S D2, S D3, . . . , S Dn−1 . DieseGruppe Dn := <S,D> heißt Diedergruppe. Die Ordnung von Dn lautet 2n . Spezi-ell fur n = 4 erhalten wir also eine Gruppe der Ordnung 8 . Es ist ordD = 4 undordS = 2 ; ferner gilt: DS = S D3 , d. h. D4 ist nicht abelsch.

42.16 Satz

Jede Untergruppe einer zyklischen Gruppe ist zyklisch.

Beweis:

Sei G = <g> und U ⊂ G eine Untergruppe von G . Ohne Beschrankung der Allgemeinheitsei U 6= e , da e zyklisch ist. Sei weiter u ∈ U mit u 6= e ; dann existiert ein m ∈ ZZ \ 0mit u = gm . Nach dem Untergruppenkriterium ist mit u = gm ∈ U auch u−1 = g−m ∈ U .Also ist entweder m oder −m positiv und damit A := k ∈ IN∗ | gk ∈ U 6= ∅ . Sei s := minAund gl ∈ U beliebig; dann existieren q, r ∈ ZZ mit l = q · s + r und 0 ≤ r < s . Mit gl ∈ Uund gs ∈ U ist auch gr = gl−q s = gl (gs)−q ∈ U .Im Falle r > 0 ergabe sich ein Widerspruch zur Minimalitat von s . Also ist r = 0 , l = q s unddamit gl = (gs)q , d. h. U ⊂<gs> . Andererseits ist gs ∈ U und <gs> ⊂<U> = U , alsogilt schließlich: U = <gs> .

Im folgenden beschaftigen wir uns mit dem Zusammenhang zwischen ordG und ordU .

§ 43 Der Satz von Lagrange

Es sei G eine Gruppe und U eine Untergruppe von G ; wir legen eine Relation ∼ auf G festdurch

a ∼ b :⇐⇒ a−1 b ∈ U .

Dann definiert ∼ eine Aquivalenzrelation auf G :

(A1) a ∼ a fur jedes a ∈ Ggilt wegen a−1 a = e ∈ U .

(A2) a ∼ b ⇒ b ∼ a fur alle a, b ∈ G ;denn es ist b−1 a = (a−1 b)−1 ∈ U fur a−1 b ∈ U .

Page 242: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

234 KAPITEL XI. GRUPPEN

(A3) a ∼ b ∧ b ∼ c ⇒ a ∼ c fur alle a, b, c ∈ Gist gultig, denn aus a−1 b ∈ U und b−1 c ∈ U folgt: a−1 c = (a−1 b) (b−1 c) ∈ U .

(Vgl. §22 in Lineare Algebra I.)Ist dann Ka = x ∈ G | x ∼ a = x ∈ G | a−1 x ∈ U eine Aquivalenzklasse bezuglich ∼ , sogilt:

Ka = aU := a u | u ∈ U .

43.1 Definition

Fur eine Untergruppe U der Gruppe G heißen die Mengen aU mit a ∈ G die Linksnebenklassenvon U . Ist die Menge der Linksnebenklassen endlich, so heißt ihre Anzahl der Index von U in Gund wird mit

[G : U ] = indG U

bezeichnet. Ist diese Anzahl unendlich, so sei [G : U ] = indG U =∞ .Ist E die von e erzeugte Untergruppe von G , dann gilt: [G : E] = ordG .

43.2 Satz

Sind U und U ′ Untergruppen der Gruppe G mit U ′ ⊂ U , so gilt: [G : U ′] = [G : U ] · [U : U ′] .

Beweis:

Gemaß §22 gelte: G =⋃i∈I

ai U mit paarweise disjunkten Teilmengen ai U und ebenso

U =⋃j∈J

bj U′ mit paarweise disjunkten Teilmengen bj U

′ . Dann folgt:

I enthalt genau [G : U ] Elemente, und

J enthalt genau [U : U ′] Elemente.

Damit ist auchG =

⋃i∈I

⋃j∈J

ai bj U′

eine Vereinigung paarweise verschiedener Linksnebenklassen von U ′ .(Ist namlich ai bj U

′ = ak bl U′ , so folgt durch Multiplikation mit U wegen U ′ U = U und

bj U = U , bl U = U : ai U = ak U . Also ist ai = ak ; in ai bj U′ = ak bl U

′ kann nun ”gekurzt“werden, und wir erhalten: bj U

′ = bl U′ ⇐⇒ bj = bl .)

Daher ist [G : U ′] das Produkt der Anzahlen aller Elemente aus I und J .

43.3 Folgerung (Satz von Lagrange70)

Ist U eine Untergruppe von G , dann gilt: ordG = ordU · indG U .

70Joseph Louis de Lagrange, italienisch–franzosischer Mathematiker und Physiker (?25.01.1736, †10.04.1813)

Page 243: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

§ 43. DER SATZ VON LAGRANGE 235

43.4 Folgerung

In einer endlichen Gruppe G ist ord a fur jedes a ∈ G ein Teiler von ordG .

43.5 Folgerung (Kleiner Fermat’scher71 Satz)

In einer endlichen Gruppe G gilt fur jedes Element a ∈ G stets: aordG = e .

Beweis:

Es sei m := ord a und n := ordG ; nach Folgerung 43.4 gilt dann: n = k ·m mit k ∈ IN∗ ,woraus folgt: an = (am)k = ek = e .

43.6 Folgerung

Jede Gruppe von Primzahlordnung ist zyklisch und damit nach Folgerung 42.14 abelsch.

Beweis:

Ist a ∈ G \ e , so gilt: ord a 6= 1 . Folgerung 43.4 liefert: ord a = ordG ; damit stimmt dieAnzahl der Elemente von <a> mit ordG uberein, was <a> = G impliziert.

43.7 Definition

Ist ggT(m,n) der großte gemeinsame Teiler von m und n aus IN , so sei ϕ(n) die Anzahlaller naturlichen Zahlen mit 1 ≤ m < n und ggT(m,n) = 1 . Dadurch wird die sogenannteEuler’sche Funktion ϕ : IN → IN erklart. Es ist ϕ(0) = 0 , ϕ(1) = 1 , ϕ(2) = 1 , ϕ(3) = 2 undϕ(p) = p− 1 fur eine Primzahl p ≥ 2 .

43.8 Folgerung

Ist G eine zyklische Gruppe der Ordnung n , so gibt es genau ϕ(n) Elemente der Ordnung n .

Beweis:

Nach Beispiel 42.15b) konnen wir uns G als (ZZn,+) gegeben denken. Der Fall n = 1 ist trivial.Sei n ≥ 2; es ist ordKa = n ⇐⇒ ggT(a, n) = 1 . Ist namlich ggT(a, n) = d > 1, so ware bereitsKn

da = Ka

dn = K0 , also ordKa < n . Ist dagegen ggT(a, n) = 1 , so sind Ka,K2a,K3a, . . . ,Kna

paarweise verschieden, liefern also ZZn . (Denn ware Kλa = Kµa mit 1 ≤ µ < λ ≤ n , so ergabesich λa − µa = kn mit k ∈ IN , d. h. (λ − µ) · a = k · n mit k ∈ IN . Also mußte n wegenggT(a, n) = 1 dann (λ− µ) teilen im Widerspruch zu λ− µ < n .)

Wir betrachten nun ZZn , versehen mit der Multiplikation Ka ·Kb := Ka·b(wie in Bemerkung 25.2(ii) aus Lineare Algebra I).

71Pierre de Fermat, franzosischer Jurist, Mathematiker und Humanist (?20.08.1601, †12.01.1665)

Page 244: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

236 KAPITEL XI. GRUPPEN

Wann existiert dann zu Ka ein inverses Element, d. h. ein Kb mit Ka ·Kb = K1 ?Das ist genau dann der Fall, wenn ab − 1 = kn mit k ∈ IN gilt. Also existiert genau dannein Inverses zu Ka ∈ ZZn bezuglich · , wenn es Zahlen b, k ∈ ZZ gibt mit 1 = ab+ kn . Dies istaquivalent dazu, daß ggT(a, n) = 1 ist. (Wir betrachten die Menge Γ := ax+ ny | x, y ∈ ZZ der Vielfachsummen von a und n ; sei p die kleinste positive Vielfachsumme von a und n . Danngilt:

Γ = tp | t ∈ ZZ =: Γ′ .

[ Γ′ ⊂ Γ ist klar; ist umgekehrt v ∈ Γ ∩ IN∗ , so schreibe v = lp + r mit 0 ≤ r < p . Wegenv ∈ Γ , p ∈ Γ und lp ∈ Γ ist auch r = v− lp ∈ Γ . Die Minimalitat von p liefert r = 0 ; also istv = lp .] Ist d := ggT(a, n) ≥ 2 , so teilt d auch jedes tp ∈ Γ . Und ist umgekehrt ax+ ny 6= 1fur alle x, y ∈ ZZ , so ist p ≥ 2 , und p teilt jedes Element aus Γ also auch a = a · 1 + n · 0 sowien = a · 0 + n · 1 .)

43.9 Definition

Es sei fur festes n ∈ IN∗ die Menge

ZZ ∗n := Km ∈ ZZn | ggT(m,n) = 1

definiert; man uberlegt sich leicht, daß (ZZ ∗n , ·) eine Gruppe bildet, namlich die sogenannteprime Restklassengruppe mod n. Und ZZ ∗n ist eine Gruppe mit genau ϕ(n) Elementen.

43.10 Folgerung (nach Euler)

Gegeben seien m,n ∈ IN∗ mit ggT(m,n) = 1 ; dann gilt72:

mϕ(n) ≡ 1 (mod n) :⇐⇒ mϕ(n) − 1 = k · n mit k ∈ IN .

Beweis:

Fur n = 1 ist nichts zu zeigen. Ist n ≥ 2 , so gilt nach Folgerung 43.5 fur jedes Km ∈ ZZ ∗n :Km

ϕ(n) = K1 , d. h.: mϕ(n) − 1 = k · n mit k ∈ IN .

43.11 Folgerung (nach Fermat)

Ist p ∈ IN∗ eine Primzahl und m ∈ IN∗ , so gilt:

mp ≡ m (mod p) ⇐⇒ mp −m = k · p mit k ∈ IN .

Beweis:

Ist p ∈ IN∗ eine Primzahl, so liefert Folgerung 43.10 wegen ϕ(p) = p−1: mp−1 ≡ 1 (mod p)fur alle m ∈ IN∗ mit ggT(m, p) = 1 . Daraus folgt dann: mp ≡ m (mod p) .Ist aber ggT(m, p) ≥ 2 , d. h. m = l · p , so gilt die Behauptung ebenfalls. X

72Sprechweise:”mϕ(n) kongruent 1 modulo n“

Page 245: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

§ 44. ISOMORPHIESATZE 237

Definiert man auf einer Gruppe G bezuglich einer Untergruppe U :

a ∼1 b :⇐⇒ a b−1 ∈ U ,

so erhalt man eine Aquivalenzrelation und dementsprechend eine Zerlegung von G in paarweisedisjunkte Rechtsnebenklassen. Man kann den Index von U bezuglich dieser Zerlegung definieren.Die Anzahl der Linksnebenklassen stimmt mit der Anzahl der Rechtsnebenklassen uberein.(Betrachte dazu ϕ : G→ G mit ϕ(g) := g−1 ; dann wird aus G =

⋃i∈I

ai U mit ai U ∩ aj U = ∅

fur i 6= j direkt: ϕ(G) = G =⋃i∈I

U ai−1 mit U ai

−1 ∩ U aj−1 = ∅ fur i 6= j .)

Im allgemeinen gilt aber nicht: aU = U a .

§ 44 Isomorphiesatze

44.1 Definition

Eine Untergruppe U einer Gruppe G heißt ein Normalteiler von G (oder normale Untergruppein G), wenn fur jedes a ∈ G gilt: aU = U a .Kurzschreibweisen fur normale U ≤ G : U E G oder falls U 6= G ist: U C G .

44.2 Satz

Sei U eine Untergruppe der Gruppe G ; dann sind folgende Aussagen aquivalent:

a) U ist ein Normalteiler von G .

b) Es ist aU a−1 ⊂ U fur alle a ∈ G .

c) Es gilt: x y−1 ∈ U ⇐⇒ x−1 y ∈ U .

Beweis:

”a) ⇒ b)“: ist klar. X

”b) ⇒ a)“: Aus aU a−1 ⊂ U folgt: aU ⊂ U a ; andererseits gilt auch:a−1 U (a−1)−1 = a−1 U a ⊂ U ⇐⇒ U a ⊂ aU .

”b) ⇒ c)“: Sei x y−1 ∈ U ; dann ist (x y−1)−1 = y x−1 =: u ∈ U , also mit a = y−1 folgt:y−1 u y = y−1 (y x−1) y = x−1 y ∈ U .

Entsprechend folgt aus x−1 y ∈ U auch: x y−1 ∈ U .

”c) ⇒ b)“: Sei a ∈ G und u ∈ U ; dann ist U 3 u−1 = (u−1 a−1︸ ︷︷ ︸=x

) a︸︷︷︸=y−1

,

also x−1 y = a u a−1 ∈ U .

Page 246: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

238 KAPITEL XI. GRUPPEN

44.3 Beispiele

a) Die trivialen Untergruppen e und G sind stets Normalteiler von G , genannt triviale Nor-malteiler. Ist G abelsch, so ist jede Untergruppe ein Normalteiler.Das Zentrum Z(G) einer beliebigen Gruppe G ist stets ein Normalteiler von G .

b) Gegeben seien zwei Untergruppen U und U ′ der Gruppe G mit U ⊂ U ′ . Ist dann U einNormalteiler von G , so ist U auch ein Normalteiler von U ′ .

c) Ist U eine Untergruppe in G vom Index 2 , so ist U ein Normalteiler von G . (Sei dazuG = U ∪ aU mit a ∈ G \ U ; dann ist auch G = U ∪ U a , also aU = U a .)

d) Sei n ∈ IN∗ ; dann ist SO(n) ein Normalteiler von GL(n;K) bzw. O(n) .

44.4 Satz

Es sei G eine Gruppe, I ein nichtleere Indexmenge und (Uα)α∈I eine Familie von Normaltei-lern Uα in G ; dann ist auch der Durchschnitt U :=

⋂α∈I

Uα ein Normalteiler von G .

Beweis:

Nach §42 ist U eine Untergruppe von G . Ist nun a ∈ G und u ∈ U , also u ∈ Uα fur jedesα ∈ I , so folgt: a u a−1 ∈ Uα fur alle α ∈ I , d. h.: a u a−1 ∈ U .

44.5 Satz

Es seien ϕ : G → G′ ein Gruppen–Homomorphismus, U ein Normalteiler von G und U ′ einNormalteiler von G′ :

a) Dann ist das Urbild−1ϕ(U ′) = g ∈ G | ϕ(g) ∈ U ′ ein Normalteiler in G .

b) Ist ϕ ein Epimorphismus, so ist das Bild ϕ(U) ein Normalteiler in G′ .

Beweis:

Gemaß §42 sind ϕ(U) und−1ϕ(U ′) Untergruppen von G′ bzw. G .

zu a): Sei a ∈ G und x ∈ −1ϕ(U ′) , d. h. ϕ(x) ∈ U ′ . Da U ′ ein Normalteiler in G′ ist, folgt:

ϕ(a)ϕ(x) (ϕ(a))−1 = ϕ(a x a−1) ∈ U ′ , d. h.: a x a−1 ∈ −1ϕ(U ′) .

zu b): Da U ein Normalteiler in G ist, gilt fur alle a ∈ G : aU a−1 ⊂ U , woraus folgt:ϕ(a)ϕ(U) (ϕ(a))−1 ⊂ ϕ(U) .

Ist ϕ surjektiv, so existiert zu jedem b ∈ G′ ein a ∈ G mit ϕ(a) = b . Also gilt furalle b ∈ G′ : b ϕ(U) b−1 ⊂ ϕ(U) .

44.6 Folgerung

Fur einen Homomorphismus ϕ : G→ G′ ist Kerϕ stets ein Normalteiler in G .

Page 247: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

§ 44. ISOMORPHIESATZE 239

Es sei G eine Gruppe und U ein Normalteiler in G . Mit G/U bezeichnen wir die Menge allerNebenklassen, d. h. G/U := aU | a ∈ G . Da U ein Normalteiler ist, muß nicht zwischenRechts- und Linksnebenklassen unterschieden werden.

Wir wollen nun G/U zu einer Gruppe machen (in Analogie zu §22 bzw. §23 aus LineareAlgebra I):

44.7 Satz und Definition

Sei U ein Normalteiler der Gruppe G ; dann wird G/U mit der Verknupfung

(aU) · (b U) := (a b)U (∗)zu einer Gruppe, der sogenannten Faktorgruppe von G nach U .

Beweis:

Durch (∗) wird eine innere Verknupfung auf G/U definiert. Diese Verknupfung ist assoziativ.eU = U ist neutrales Element in G/U . Und a−1 U ist Inverses zu aU ∈ G/U . X

44.8 Bemerkung

Bezeichnen wir die kanonische Abbildung von G nach G/U mit π , d. h. π(a) := aU , so ist dieVerknupfung (∗) die einzige auf G/U derart, daß π zu einem Gruppen–Homomorphismus wird.Es ist ordG/U = indG U und Kerπ = U sowie π(G) = G/U , also π surjektiv.

Zusammenfassend gilt:

44.9 Satz

Es sei G eine Gruppe und ∅ 6= U eine Teilmenge von G . Dann sind aquivalent:

a) U ist Normalteiler von G .

b) Es existiert eine Gruppe G′ und ein Homomorphismus ϕ : G→ G′ mit U = Kerϕ .

Beweis:

”a) ⇒ b)“: Bemerkung 44.8. X

”b) ⇒ a)“: Folgerung 44.6. X

44.10 Definition

Eine Gruppe G heißt einfach, wenn außer e und G keine weiteren Normalteiler existieren.

44.11 Satz (Homomorphiesatz fur Gruppen)

Es sei ϕ : G→ G′ ein Gruppen–Homomorphismus; dann ist die Faktorgruppe G/Kerϕ isomorphzum Bild Imϕ = ϕ(G) , kurz: G/Kerϕ ∼= Imϕ .

Page 248: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

240 KAPITEL XI. GRUPPEN

Beweis zu Satz 44.11:

(Vgl. hierzu auch Satz 23.7 und Folgerung 23.8 aus Lineare Algebra I.) Wir definierenΦ : G/Kerϕ → Imϕ durch Φ(a Kerϕ) := ϕ(a) . Zu zeigen ist, daß Φ reprasentanten-unab-

hangig ist. Es gilt:a Kerϕ = b Kerϕ

⇐⇒ a b−1 ∈ Kerϕ⇐⇒ ϕ(a b−1) = e′

⇐⇒ ϕ(a)ϕ(b)−1 = e′

⇐⇒ ϕ(a) = ϕ(b)⇐⇒ Φ(a Kerϕ) = Φ(b Kerϕ) .

Hieraus folgt weiter, daß durch Φ eine Abbildung erklart ist, die zugleich injektiv ist. Die Sur-jektivitat von Φ ist klar. Die Homomorphie von Φ folgt schließlich noch aus (∗) :

Φ((a Kerϕ) (b Kerϕ)) = Φ((a b) Kerϕ)= ϕ(a b)= ϕ(a)ϕ(b)= Φ(a Kerϕ) Φ(b Kerϕ) .

44.12 Beispiele

a) Ist ϕ : G→ G′ ein injektiver Gruppen–Homomorphismus, dann gilt: G ∼= ϕ(G) .

b) Ist K ein kommutativer Korper und n ∈ IN∗ , so ist ϕ : GL(n;K)→ K∗ mit ϕ(A) := detAein surjektiver Gruppen–Homomorphismus von GL(n;K) auf die multiplikative Gruppevon K . Es ist Kerϕ = SO(n) , also gilt mit dem Homomorphiesatz 44.11:

GL(n;K)/SO(n) ∼= K∗ .

c) Wir betrachten die Gruppen (IR,+) und (C∗, ·) sowie die Abbildung ϕ : IR→ C∗ mitϕ(α) = e2πiα = cos 2πα + i · sin 2πα . Dann ist ϕ ein Gruppen–Homomorphismus mit

Kerϕ = ZZ ; also gilt: IR/ZZ ∼= Imϕ = e2πiα | α ∈ IR = z ∈ C ; |z| = 1 .(Dies findet Anwendung in der sogenannten Fourier–Analysis73.)

d) Ist G eine Gruppe, so ist αG : G→ AutG ein Gruppen–Homomorphismus; also hat man:G/KerαG

∼= ImαG .Nun ist KerαG = Z(G) das Zentrum von G , somit gilt: G/Z(G) ∼= ImαG .

44.13 Satz (1. Isomorphiesatz)

Es seien G eine Gruppe, U eine Untergruppe und V ein Normalteiler von G . Dann ist die MengeU · V := u · v | u ∈ U ∧ v ∈ V eine Untergruppe von G , U ∩ V ein Normalteiler in U , undes gilt: U ·V /V ∼= U/(U∩V ) .Man spricht bei U V := U · V auch vom Komplexprodukt von U und V .

73Jean–Baptiste Joseph de Fourier, franzosischer Mathematiker und Physiker (?21.03.1768, †16.05.1830)

Page 249: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

§ 44. ISOMORPHIESATZE 241

Beweis zu Satz 44.13:

Nach Satz 42.4 ist U ·V genau dann Untergruppe von G , wenn aus a, b ∈ U ·V stets a b−1 ∈ U ·Vfolgt. Wegen g V = V g fur alle g ∈ G gilt nun fur alle a, b ∈ U V :

a b−1 ∈ (U V ) (U V )−1 = (U V ) (V −1 U−1)= U (V V −1)U−1

= U (V V )U−1

= (U V ) (V U)= (U V ) (U V )= U (V U)V= U (U V )V= (U U) (V V )= U V .

Ferner ist V = e V ⊂ U V auch ein Normalteiler von U V . Ist π : G → G/V der kanonischeEpimorphismus aus Bemerkung 44.8 und π0 := π|U , so gilt:

Imπ0 = π0(u) | u ∈ U= uV | u ∈ U=

⋃v∈Vu v V | u ∈ U

= u v V | u v ∈ U V = U V /V ,

und da V das neutrale Element in G/V ist:

Kerπ0 = u ∈ U | π0(u) = V = u ∈ U | uV = V = u ∈ U | uV = e V = u ∈ U | u ∈ V = U ∩ V .

Nach Satz 44.9 ist damit U ∩ V = Kerπ0 ein Normalteiler in U . Der Homomorphiesatz 44.11liefert dann die Behauptung.

44.14 Beispiele

a) Wir betrachten A(2,2) als Untergruppe von S4 = S(1, 2, 3, 4) . Dann ist A(2,2) ein Nor-malteiler in S4 , und es gilt: S3 ·A(2,2) = S4 , wobei S3 als Untergruppe von S4 aufgefaßtwird. Somit liefert der 1. Isomorphiesatz 44.13:

S4/A(2,2) = S3 A(2,2)

/A(2,2) ∼= S3/(S3 ∩A(2,2))∼= S3 .

Page 250: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

242 KAPITEL XI. GRUPPEN

b) Unter den Voraussetzungen von Satz 44.13 sei U V eine endliche Untergruppe; dann giltmit Folgerung 43.3 (Satz von Lagrange):

ord(U V ) = ordV · indU V V= ordV · ord (U V /V )= ordV · ord (U/(U∩V ))= ordV · indU (U ∩ V )

= ordV · ordUord(U ∩ V )

=ordU · ordVord(U ∩ V )

.

Beweis zu Beispiel 44.14a):

Wir konnen A(2,2) als die Untergruppe id, (2 1 4 3), (3 4 1 2), (4 3 2 1) ⊂ S4 betrachten (zurSchreibweise siehe auch die Einleitung von §10 in Lineare Algebra I). Durch Rechnungverifiziert man: σ A(2,2) = A(2,2) σ fur alle σ ∈ S4 . Und S3 fassen wir als diejenigen Permu-tationen der Zahlen 1, 2, 3, 4 auf, welche die 4 festlassen. Dann rechnet man leicht nach, daßS3A

(2,2) = S4 gilt. Wegen σ(4) 6= 4 fur alle σ ∈ A(2,2) \ id ist S3 ∩A(2,2) = id , also habenwir: S3/id ∼= S3 .

44.15 Satz (2. Isomorphiesatz)

Sind U, V Normalteiler der Gruppe G mit U ⊂ V , so ist V /U Normalteiler von G/U , und esgilt: (G/U) / (V /U) ∼= G/V .

Beweis:

Wir definieren ϕ : G/U → G/V durch ϕ(g U) := g V . Dann ist ϕ wohldefiniert; denn ausg U = hU folgt: g h−1 ∈ U ⊂ V , also auch: g V = hV . Außerdem ist ϕ ein Homomor-phismus mit Imϕ = G/V und Kerϕ = g U | g V = V = g U | g ∈ V = V /U . Und derHomomorphiesatz 44.11 liefert die Behauptung.

44.16 Beispiel

Fur m,n ∈ IN∗ sind mZZ und nZZ Normalteiler von ZZ . Und mZZ ⊂ nZZ ist aquivalent zum = nr mit einem r ∈ ZZ . Aus dem 2. Isomorphiesatz 44.15 ergibt sich dann:

(ZZ/mZZ) / (nZZ/mZZ) ∼= ZZ/nZZ = ZZn .

44.17 Definition

Gegeben seien Gruppen G1, G2, G3, . . . , Gn und Gruppen–Homomorphismen ϕi : Gi → Gi+1

fur 1 ≤ i ≤ n− 1 . Wir betrachten die Sequenz G1ϕ1−→ G2

ϕ2−→ G3ϕ3−→ . . .

ϕn−2−→ Gn−1ϕn−1−→ Gn ;

eine solche Sequenz heißt exakt, wenn fur alle 1 ≤ i ≤ n− 2 gilt: Imϕi = Kerϕi+1 .

Page 251: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

§ 45. PRODUKTE VON GRUPPEN 243

44.18 Beispiel

Wir bilden die folgende Sequenz: e −→ Hϕ−→ G

ψ−→ K −→ e ;diese ist genau dann exakt, wenn gilt: Kerϕ = e , Kerψ = Imϕ und K = Imψ .Also muß ϕ injektiv sein; und Beispiel 44.12a) liefert dann: H ∼= ϕ(H) = Kerψ .Da ψ surjektiv sein muß, folgt weiter mit dem Homomorphiesatz 44.11:

K = Imψ ∼= G/Kerψ = G/ϕ(H) .Ist H =: N ein Normalteiler von G , K = G/N und ϕ = ι die Einbettung von N in G ,d. h.: ϕ(x) = x = ι(x) , sowie ψ = π der kanonische Epimorphismus von G auf G/N , so iste −→ N

ι−→ Gπ−→ G/N −→ e eine exakte Sequenz.

§ 45 Produkte von Gruppen

45.1 Definition

Es seien G1, G2, . . . , Gn Gruppen; auf dem kartesischen Produkt G := G1 × G2 × . . . × Gndefinieren wir eine Verknupfung mit geordneten n-Tupeln:

(a1, a2, . . . , an) · (b1, b2, . . . , bn) := (a1 b1 , a2 b2 , . . . , an bn)

fur (a1, a2, . . . , an), (b1, b2, . . . , bn) ∈ G . Durch diese Verknupfung wird G zu einer Gruppe mitdem neutralen Element e := (e1, e2, . . . , en) , wobei ei ∈ Gi jeweils die neutralen Elemente sind,und dem Inversen (a1, a2, . . . , an)−1 := (a1

−1, a2−1, . . . , an

−1) zu jedem (a1, a2, . . . , an) ∈ G .Mit dieser Verknupfung · heißt G das direkte Produkt von G1, G2, . . . , Gn.

45.2 Bemerkungen

a) Sind die Gruppen G1, G2, . . . , Gn endlich, so ist auch ihr direktes Produkt G :=n∏i=1

Gi

endlich mit Ordnung ordG =n∏i=1

ordGi .

b) Fur das Zentrum gilt allgemein:

Z( n∏i=1

Gi)

=n∏i=1

Z(Gi) .

c) Das direkte Produkt G =n∏i=1

Gi ist genau dann abelsch, wenn alle Gi abelsch sind.

d) Ist π ∈ Sn eine Permutation, so gilt:

n∏i=1

Gi ∼=n∏i=1

Gπ(i) .

e) Gilt: Gi ∼= Hi fur alle 1 ≤ i ≤ n , dann istn∏i=1

Gi auch isomorph zun∏i=1

Hi .

Page 252: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

244 KAPITEL XI. GRUPPEN

45.3 Beispiele

a) Es seien G1 := e1, g und G2 := e2, h Gruppen der Ord-nung 2 . Dann erhalten wir fur G := G1×G2 und die Elementee := (e1, e2) , a := (g, e2) , b := (e1, h) und c := (g, h) aus Gdie Verknupfungstafel:

· e a b c

e e a b ca a e c bb b c e ac c b a e

Somit ist G = G1 ×G2 die Klein’sche Vierergruppe.Denn es gilt: G1

∼= G2∼= ZZ2 , also: G ∼= ZZ2 × ZZ2

∼= A(2,2) .

b) Betrachten wir drei Modelle G1, G2 und G3 von ZZ2 , so ist das direkte ProduktG = G1 ×G2 ×G3

∼= ZZ2 × ZZ2 × ZZ2 eine abelsche Gruppe mit genau 8 Elementen.Außer e hat jedes g ∈ G die Ordnung 2 ; also ist G nicht zyklisch.

45.4 Bemerkung

Das direkte Produkt der Gruppen G1, G2, . . . , Gn konnen wir auch folgendermaßen auffassen:

Wir bilden die Menge aller formalen Produkte g1 · g2 · . . . · gn mit gi ∈ Gi , wo-bei zwei solche Produkte genau dann ubereinstimmen, wenn sie komponentenweiseubereinstimmen. Wir definieren:

(g1 · g2 · . . . · gn)·(h1 · h2 · . . . · hn) := (g1 h1) · (g2 h2) · . . . · (gn hn)

und schreiben statt e1 · e2 · . . . · ei−1 · gi · ei+1 · . . . · en fur alle 1 ≤ i ≤ n kurzer: gi .

Dann konnen wir die Gi als Untergruppen von G betrachten.

45.5 Definition

Eine Gruppe G heißt das innere direkte Produkt der Untergruppen U1, U2, . . . , Un, wenn jedesg ∈ G genau eine Darstellung der Form g = u1 · u2 · . . . · un mit ui ∈ Ui besitzt und fur allei 6= j Kommutativitat vorliegt, d. h.: ui · uj = uj · ui mit ui ∈ Ui und uj ∈ Uj .

45.6 Satz

Es seien U1, U2, . . . , Un Untergruppen von G . Die Gruppe G ist genau dann das innere direkteProdukt von U1, U2, . . . , Un , wenn folgende drei Aussagen gleichzeitig gelten:

a) G =n∏i=1

Ui .

b) Ui ∩ (U1 · U2 · . . . · Ui−1 · Ui+1 · . . . · Un) = e ∀1≤i≤n .

c) Ui E G ∀1≤i≤n .

Page 253: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

§ 45. PRODUKTE VON GRUPPEN 245

Beweis zu Satz 45.6:

”⇒“: Sei G das innere direkte Produkt von U1, U2, . . . , Un . Dann ist a) bereits erfullt. X

zu b): Sei i ∈ 1, 2, . . . , n fest und ci ∈ Ui ∩ (U1 · U2 · . . . · Ui−1 · Ui+1 · . . . · Un) ; dann istci = e · . . . · e · ci · e · . . . · e und ci = u1 · . . . · ui−1 · e · ui+1 · . . . · un mit ui ∈ Ui .Die Eindeutigkeit der Darstellung liefert ci = e .

zu c): Sei i ∈ 1, 2, . . . , n fest; zu zeigen ist, daß fur jedes g ∈ G gilt: g Ui g−1 ⊂ Ui .

Sei dazu g = u1 · u2 · . . . · un mit uj ∈ Uj und v ∈ Ui ; wegen uj v = v uj fur allej ∈ 1, 2, . . . , n \ i folgt:

g v g−1 = u1 · . . . · un · v · un−1 · . . . · u1−1

=

u1 · . . . · un−1 · v · un · un−1 · . . . · u1

−1 , falls i 6= nu1 · . . . · un−1 · w · un−1

−1 · . . . · u1−1 , falls i = n

mit w := un v un−1 ∈ Un

=

u1 · . . . · un−1 · v · un−1

−1 · . . . · u1−1 , falls i 6= n

u1 · . . . · un−1 · w · un−1−1 · . . . · u1

−1 , falls i = n

mit w = un v un−1 ∈ Un

= . . .

= ui v ui−1 ∈ Ui .

”⇐“: Seien also a), b) und c) erfullt. Aus c) folgt fur ein vi ∈ Ui und ein vj ∈ Uj nachSatz 44.2b): vi vj vi

−1 ∈ Uj und vj vi vj−1 ∈ Ui , also fur alle i 6= j wegen b):

vi vj vi−1 vj

−1 ∈ vi Ui ∩ Uj vj−1

⊂ Ui Ui ∩ Uj Uj= Ui ∩ Uj⊂ Ui ∩ (U1 · . . . · Ui−1 · Ui+1 · . . . · Un)= e ,

d. h.: vi vj vi−1 vj

−1 = e ⇐⇒ vi vj = vj vi .Aus a) folgt, daß sich jedes g ∈ G in der Form g = u1 · u2 · . . . · un darstellen laßt. ZurEindeutigkeit dieser Darstellung betrachte zunachst g = e : Sei e = u1 ·u2 · . . . ·ui · . . . ·unmit ui ∈ Ui ; die gerade bewiesene Vertauschbarkeitsrelation liefert fur alle 1 ≤ i ≤ n :ui−1 = u1 · . . . ·ui−1 ·ui+1 · . . . ·un , d. h.: ui−1 ∈ Ui ∩ (U1 · . . . ·Ui−1 ·Ui+1 · . . . ·Un) = e ,

also: ui = e fur alle 1 ≤ i ≤ n . Ist nun noch g = u1 · u2 · . . . · un = v1 · v2 · . . . · vn mitbeliebigen ui, vi ∈ Ui , so ergibt die Vertauschbarkeit (durch sukzessive Multiplikation mitvn−1, vn−1

−1, . . . , v1−1 von rechts und anschließender Vertauschung):

(u1 v1−1) · (u2 v2

−1) · . . . · (un vn−1) = e .Durch Eindeutigkeit der Darstellung von e folgt: ui vi

−1 = e fur 1 ≤ i ≤ n , d. h.: ui = vifur alle 1 ≤ i ≤ n .

45.7 Satz

Gegeben seien zwei zyklische Gruppen Gi der Ordnung mi ∈ IN∗ fur i = 1, 2 . Das direkteProdukt G1 ×G2 ist genau dann zyklisch, wenn ggT(m1,m2) = 1 gilt.

Page 254: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

246 KAPITEL XI. GRUPPEN

Beweis zu Satz 45.7:

Es genugt zu zeigen: ZZm1 × ZZm2 zyklisch ⇐⇒ ggT(m1,m2) = 1 .Nun ist ord (ZZm1 × ZZm2) = m1 ·m2 .

”⇐“: Ist ggT(m1,m2) = 1 , dann gilt: G1 × G2 = <(g1, g2)> , wobei Gi = <gi> ist furi = 1, 2. Dazu zeigen wir, daß die Elemente (g1, g2)k fur alle 0 ≤ k ≤ m1 ·m2−1 paarweiseverschieden sind. Ist (g1, g2)r = (g1, g2)s ohne Einschrankung mit 0 ≤ s ≤ r < m1 ·m2 ,so folgt:

(g1, g2)r−s = (g1r−s, g2

r−s)= e

= (e1, e2)= (K0,K0) .

Dann muß sowohl m1 als auch m2 die Zahl r − s teilen. Wegen ggT(m1,m2) = 1 teiltdann auch m1 ·m2 die Zahl r − s ; dies ist aber wegen 0 ≤ r − s < m1 ·m2 nur moglichfur r = s .

”⇒“: Ist ggT(m1,m2) = d > 1 , so betrachte v :=m1 ·m2

d; dann ist v < m1 ·m2 , und es gilt

fur beliebige (g1k, g2

l) ∈ ZZm1 × ZZm2 :

(g1k, g2

l)v = (g1k v, g2

l v)

= ((g1m1)k·

m2d , (g2

m2)l·m1d )

= (K0,K0) .

Also hat jedes Element von ZZm1 × ZZm2 eine Ordnung, die kleiner als m1 ·m2 ist. Damitkann ZZm1 × ZZm2 nicht zyklisch sein.

45.8 Folgerung

Es seien p1, p2, . . . , pr verschiedene Primzahlen. Eine Gruppe G der Ordnung p1k1 ·p2

k2 · . . . ·prkrmit ki ∈ IN∗ ist genau dann zyklisch, wenn gilt: G ∼= ZZp1

k1 × ZZp2k2 × . . .× ZZprkr .

45.9 Folgerung

Es sei m,n ∈ IN∗ mit ggT(m,n) = 1 . Dann gilt fur die Euler’sche Funktion:ϕ(m · n) = ϕ(m) · ϕ(n) .

Beweis:

Aus dem Beweis zu Satz 45.7 folgt:(g1, g2) erzeugt genau dann die zyklische Gruppe ZZm × ZZn , wenn ZZm = <g1> undZZn = <g2> gilt. Also enthalt ZZm × ZZn genau ϕ(m) · ϕ(n) Elemente der Ordnung m · n . Diezu ZZm × ZZn isomorphe Gruppe ZZm·n enthalt genau ϕ(m · n) erzeugende Elemente.

Page 255: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

§ 46. OPERATIONEN VON GRUPPEN AUF MENGEN 247

45.10 Folgerung

Ist n ∈ IN mit n ≥ 2 und n = p1k1 · p2

k2 · . . . · prkr mit ki ∈ IN∗ die Primfaktorzerlegung vonn mit paarweise verschiedenen Primzahlen p1, p2, . . . , pr , so gilt:

ϕ(n) =r∏i=1

piki(1− 1

pi

).

Beweis:

Nach Folgerung 45.9 ist ϕ(n) =r∏i=1

ϕ(piki) . Gemaß Voraussetzung existieren insgesamt

piki − |s · pi | 1 ≤ s ≤ piki−1| zu piki teilerfremde Zahlen zwischen 1 und piki . Dies sind genau

piki − piki−1 = pi

ki−1 (pi − 1) = piki (1− 1

pi) Zahlen.

45.11 Folgerung (Chinesischer Restsatz)

Sind m,n ∈ IN∗ mit ggT(m,n) = 1 , und sind a, b ∈ ZZ beliebig, so gibt es ein x ∈ ZZ mitx ≡ a (mod m) und x ≡ b (mod n) .

Beweis:

Zur Anwendung obiger Satze betrachten wir die Abbildung ϕ : ZZ→ ZZm × ZZn mitϕ(y) := (Ky,Ky) = (z1 ∈ ZZ | z1 − y = k · m , z2 ∈ ZZ | z2 − y = l · n) . Dann ist ϕ ein

Gruppen–Homomorphismus mit Kerϕ = y ∈ ZZ | y = km = ln fur k, l ∈ ZZ = mnZZ wegenggT(m,n) = 1 . Der Homomorphiesatz 44.11 liefert: ZZ/mnZZ ∼= Imϕ , und Satz 45.7 ergibtwegen ZZ/mnZZ = ZZmn : ZZ/mnZZ ∼= ZZm × ZZn . Also ist ϕ surjektiv, d. h. zu a, b ∈ ZZexistiert ein x ∈ ZZ mit ϕ(x) = (Ka,Kb) ∈ ZZm × ZZn ; somit gilt: x ≡ a (mod m) undzugleich: x ≡ b (mod n) .

45.12 Beispiel

Ist G eine Gruppe der Ordnung 4 , so ist entweder G ∼= ZZ4 oder G ∼= ZZ2 × ZZ2∼= A(2,2) .

§ 46 Operationen von Gruppen auf Mengen

Es sei an Satz 42.10 erinnert:

Eine Gruppe G ist stets isomorph zu einer Untergruppe von S(G) vermoge ψ mitψ(g) = ϕg und ϕg(a) = g a .

46.1 Definition

Es sei G eine Gruppe und X 6= ∅ eine beliebige Menge. Wir sagen, die Gruppe G operiereauf X, wenn es eine Abbildung : G×X → X gibt mit den Eigenschaften:

(O1) g (h x) = (g h) x fur alle g, h ∈ G und alle x ∈ X .(O2) e x = x fur alle x ∈ X mit e ∈ G als neutralem Element.

Page 256: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

248 KAPITEL XI. GRUPPEN

46.2 Beispiele

a) Ist X = G und g x := g x , so operiert G auf sich selbst in trivialer Weise.

b) Es sei X = U ⊂ G | U ist Untergruppe von G und g U := g U g−1 ; wegen(g u g−1) (g v g−1) = g (u v) g−1 ∈ g U fur alle g u g−1, g v g−1 ∈ g U ist g U ∈ X .Ferner sind die Axiome (O1) und (O2) erfullt.

c) Fur X = G mit g x := g x g−1 operiert G auf G .

46.3 Bemerkung

Eine Gruppe G operiert genau dann auf der nichtleeren Menge X , wenn ein Homomorphismusvon G in die symmetrische Gruppe S(X) existiert.

Beweis:

”⇒“: Wir definieren fur g ∈ G die Abbildung ψg : X → X durch ψg(x) := g x . Dann folgt:

ψg ψg−1(x) = ψg(g−1 x)

= g (g−1 x)= (g g−1) x gemaß (O1)= e x= x gemaß (O2)

und ebenso: ψg−1 ψg(x) = x ; also ist ψg ∈ S(X) . Und die Abbildung ψ : G → S(X)mit ψ(g) := ψg ist wegen ψg h(x) = (g h) x = g (h x) = ψg(h x) = ψg ψh(x) fur allex ∈ X ein Homomorphismus.

”⇐“: Ist ψ : G→ S(X) ein Gruppen–Homomorphismus, so ist : G×X → X definiert durchg x := ψ(g)(x) . Wegen ψ(e) = idX und ψ(g h) = ψ(g)ψ(h) folgt fur alle g, h ∈ G undx ∈ X :

g (h x) = g (ψ(h)(x))= ψ(g)(ψ(h)(x))= ψ(g h)(x)= (g h) x

sowie: e x = ψ(e)(x) = idX(x) = x . Damit genugt sowohl (O1) als auch (O2).

46.4 Satz

Die Gruppe G operiere auf einer nichtleeren Menge X ; dann wird durch

x ∼ y :⇐⇒ ∃g∈G y = g x

eine kanonische Aquivalenzrelation auf X definiert.

Page 257: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

§ 46. OPERATIONEN VON GRUPPEN AUF MENGEN 249

Beweis zu Satz 46.4:

Wegen (O2) ist x ∼ x ; ist x ∼ y , also y = g x mit einem g ∈ G , so folgt mit (O1) und (O2):g−1 y = g−1 (g x) = (g−1 g) x = e x = x , d. h.: y ∼ x . Ist x ∼ y und y ∼ z , alsoy = g x und z = h y , dann gilt: z = h (g x) = (h g) x , d. h.: x ∼ z .

46.5 Definition

Die Aquivalenzklassen [x] := Kx von X bezuglich der Relation ∼ aus Satz 46.4 nennt manBahnen (oder Orbits) von G in X. Ein [x] heißt die Bahn von x, und die Anzahl der zu x aqui-valenten Elemente heißt die Lange der Bahn von x. Fur ein x ∈ X heißt die Menge

Gx := g ∈ G | g x = x

der Stabilisator von x in G.

46.6 Satz

Die Gruppe G operiere auf der Menge X . Dann ist der Stabilisator Gx fur jedes x ∈ X eineUntergruppe von G (die Stabilitatsuntergruppe). Die Lange der Bahn von x stimmt mit demIndex [G : Gx] von Gx in G uberein.

Beweis:

Sind g, h ∈ Gx , so folgt:

(g h−1) x = g (h−1 x)= g (h−1 (h x))= g (h−1 h) x= g x= x .

Satz 42.4 liefert dann, daß Gx eine Untergruppe von G ist. Wir definieren nun eine Abbildungf : [x]→ g Gx | g ∈ G mit [x] = y ∈ X | y ∼ x = y ∈ X | ∃g∈G y = g x =: G x

durch f(g x) := g Gx . Wegen

g x = h x⇐⇒ h−1 (g x) = h−1 (h x)

(h−1 g) x = x⇐⇒ h−1 g ∈ Gx⇐⇒ (h−1 g)Gx = Gx

g Gx = hGx

ist mit f eine bijektive Abbildung von [x] = Gx auf die Menge aller Linksnebenklassen von Gxin G gegeben. Also gilt: |[x]| = indGGx .

Page 258: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

250 KAPITEL XI. GRUPPEN

46.7 Bemerkung

Eine Gruppe G operiere auf X 6= ∅ , und es sei X =⋃i∈I

G xi mit paarweise disjunkten G xi .

Ist dabei X endlich und steht |X| fur die Anzahl der Elemente in X , so gilt nach Satz 46.6:

|X| =∑i∈I

[G : Gxi ] .

Nun ist

[G : Gxi ] = 1 ⇐⇒ |[xi]| = 1⇐⇒ |G xi| = 1⇐⇒ G xi = xi⇐⇒ Gxi = G .

Ein xi ∈ X heißt Fixpunkt unter der Gruppenoperation, wenn eine dieser aquivalenten Bedin-gungen erfullt ist. Dann erhalten wir:

|X| =∑i∈I

[G:Gxi ]=1

[G : Gxi ] +∑i∈I

[G:Gxi ]>1

[G : Gxi ] .

Ist FixG(X) := x ∈ X | g x = x fur alle g ∈ G , so gilt damit:

|X| = |FixG(X)|+∑i∈I

[G:Gxi ]≥2

[G : Gxi ] .

46.8 Satz

Es sei p eine Primzahl und G eine Gruppe der Ordnung pr . Operiert G dann auf einer endlichenMenge X 6= ∅ , so gilt:

|X| ≡ |FixG(X)| (mod p) .

Beweis:

Wir ubernehmen die Bezeichnungen aus Bemerkung 46.7 . Dann ist hier:

|X| − |FixG(X)| =∑i∈I

[G:Gxi ]>1

[G : Gxi ] ;

nach dem Satz von Lagrange teilt jeder Summand auf der rechten Seite die Ordnung von G , istalso eine Teiler von ordG = pr . Somit gilt: [G : Gxi ] = pli mit einem li ≥ 1 , d. h. die gesamteSumme ist durch p teilbar.

Page 259: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

§ 47. DIE SYLOW’SCHEN SATZE 251

46.9 Beispiel

Gemaß Beispiel 46.2c) operiert G auf X = G vermoge g x = g x g−1 . Die Bahnen von xbezuglich dieser Operation sind dann [x] = G x = g x g−1 | g ∈ G , also alle zu xkonjugierten Elemente.Der Stabilisator zu x ∈ G ist Gx = g ∈ G | g x g−1 = x = g ∈ G | g x = x g ;und wir haben:

FixG(G) = x ∈ G | g x g−1 = x fur alle g ∈ G= x ∈ G | g x = x g fur alle g ∈ G= Z(G) .

Ist G endlich, so folgt die sogenannte Klassengleichung :

|G| = |Z(G)|+∑i∈I

[G:Gxi ]>1

[G : Gxi ] ,

wobei G =⋃i∈I

G xi eine disjunkte Zerlegung von G in Bahnen ist.

Daraus folgt:

46.10 Satz

Es sei p eine Primzahl und G eine Gruppe der Ordnung pr . Dann hat G ein nicht–trivialesZentrum Z(G) .

Beweis:

Als Untergruppe von G hat Z(G) die Ordnung pk mit einem 0 ≤ k ≤ r . Nach Beispiel 46.9ist |Z(G)| = |G| −

∑i∈I

[G:Gxi ]>1

[G : Gxi ] , und nach dem Beweis zu Satz 46.8 ist die rechte Summe

durch p teilbar. Also gilt: |Z(G)| = pk mit einem k ≥ 1 .

§ 47 Die Sylow’schen Satze

Von nun an sei eine Gruppe G der Ordnung n ∈ IN∗ vorgegeben; ferner sei p ein Primfaktorvon n und r ∈ IN∗ derart, daß pr die Zahl n teilt, aber pr+1 nicht mehr, d. h.: n = prm furein m ∈ IN∗ mit ggT(p,m) = 1 .

Es geht hier um Existenz und Eindeutigkeit von Untergruppen der Ordnung ps mit 0 ≤ s ≤ r .

47.1 Hilfssatz

Die Situation sei wie oben, d. h. n = pr ·m mit ggT(p,m) = 1 . Dann ist pr−s+1 kein Teiler

von

(n

ps

)fur jedes s ∈ 1, 2, . . . , r .

Page 260: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

252 KAPITEL XI. GRUPPEN

Beweis zu Hilfssatz 47.1:

Es gilt: (n

ps

)=

n!ps! · (n− ps)!

=n · (n− 1) · (n− 2) · . . . · (n− ps+1)

1 · 2 · . . . · ps

=prm · (n− 1) · (n− 2) · . . . · (n− ps+1)

ps · 1 · 2 · . . . · (ps − 1)

= pr−sm ·(n− 1ps − 1

)=: pr−sm · l .

Zu zeigen ist, daß l nicht durch p teilbar ist. Dazu beweisen wir l = λ p + 1 mit beliebigem

λ ∈ IN . In l =ps−1∏ν=1

prm− νps − ν

setzen wir ν = p% tν mit 0 ≤ % = %(ν) < s und ggT(p, tν) = 1 ;

dann ist l =ps−1∏ν=1

pr−%m− tνps−% − tν

mit s − % > 0 , also r − % > 0 fur jedes % = %(ν) fur alle

ν = 1, 2, . . . , ps − 1 . Multiplizieren wir das Produkt aus, so ergibt sich l =A · p+ a

B · p+ amit

A,B ∈ ZZ und a = (−1)ps−1 ·

ps−1∏ν=1

tν . Da ggT(p, tν) = 1 gilt fur alle 1 ≤ ν ≤ ps − 1 , teilt p

nicht die Zahl a ∈ ZZ . Es folgt: Ap+ a = B p l + a l ⇐⇒ a (l − 1) = p (A−B l) .Also teilt p nur die Zahl l − 1 , d. h.: λ p = l − 1 .

47.2 Satz (1. Sylow’scher74 Satz)

Es sei G eine Gruppe der Ordnung n = prm mit p prim und ggT(p,m) = 1 . Dann gibt es zujedem s ∈ 1, 2, . . . , r eine Untergruppe von G mit der Ordnung ps .

Beweis75:

Bei gegebenem s ∈ 1, 2, . . . , r sei X := T ⊂ G ; |T | = ps die Menge aller ps-elementigenTeilmengen von G . Und G operiert auf X vermoge g T := g T . Wir suchen nun eine Stabili-

tatsuntergruppe U von G mit genau ps Elementen. Es gilt: |X| =

(n

ps

). Wir zerlegen X in

disjunkte Bahnen, etwa X =⋃i∈I

G Ti ; dann gilt: |X| =∑i∈I

[G : GTi ] .

Nach dem Hilfssatz 47.1 ist pr−s+1 kein Teiler von

(n

ps

); also gibt es eine Bahn [Ti] ⊂ X , deren

Lange den Primteiler p hochstens in der Vielfachheit r − s enthalt. Da diese Lange mit dem

74Peter Ludwig Mejdell Sylow, norwegischer Mathematiker (?12.12.1832, †07.09.1918)75Dieser Beweis zum 1. Sylow–Satz sowie auch die Beweise zum 2. und 3. Sylow’schen Satz stammen vom

deutschen Mathematiker Helmut Wielandt (?19.12.1910) aus dem Jahre 1959.

Page 261: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

§ 47. DIE SYLOW’SCHEN SATZE 253

Index [G : GTi ] ubereinstimmt, wobei GTi der Stabilisator von Ti ∈ X ist, und da [G : GTi ] einTeiler von n ist, folgt: |[Ti]| = |G Ti| ≤ pr−sm .Es gilt weiter:

|GTi | · [G : GTi ] = n = prm ⇒ |GTi | ≥ ps .

Andererseits gilt fur jedes g ∈ GTi und jedes t ∈ Ti stets: g t ∈ Ti ; also ist fur jedes t ∈ Tiauch GTi t ⊂ Ti . Daraus folgt (fur jedes t ∈ Ti ):

|GTi t| = |GTi | ≤ |Ti| = ps .

Damit ist GTi die gesuchte Untergruppe von G .

47.3 Folgerung (Satz von Cauchy)

Ist G eine endliche Gruppe und die Primzahl p ein Teiler der Ordnung von G , dann enthalt Gauch ein Element der Ordnung p .

Beweis:

Nach dem 1. Satz von Sylow enthalt G eine Untergruppe U der Ordnung p . Und Folgerung 43.6liefert, daß U zyklisch ist, etwa U = <a> . Dann ist bereits: ord a = p .

47.4 Definition

Ist G eine Gruppe der Ordnung n = prm mit ggT(p,m) = 1 , so heißen alle Untergruppen derOrdnung pr die zur Primzahl p gehorenden Sylow–Gruppen von G oder kurz: die p-Sylow–Gruppen von G.

47.5 Satz (2. Sylow’scher Satz)

Die Voraussetzungen seien wie oben; ferner sei U eine Untergruppe von G der Ordnung ps mit1 ≤ s ≤ r und V ein p-Sylow–Gruppe von G . Dann ist U Untergruppe einer zu V konjugiertenp-Sylow–Gruppe, d. h. es existiert ein a ∈ G mit aU a−1 ⊂ V (oder U ⊂ a−1 V a oderU ⊂ a V a−1 ).

Beweis:

Es sei X := a V | a ∈ G die Menge aller Linksnebenklassen von V , und U operiere auf Xdurch uT := uT fur alle u ∈ U und T ∈ X . Sei nun X =

⋃i∈I

U Ti eine disjunkte Vereinigung

von Bahnen. Wegen |X| = m und ggT(p,m) = 1 existiert eine Bahn a V ∈ X mit einer nichtdurch p teilbaren Bahnlange. Nach Satz 46.6 ist also diese Bahnlange ein Teiler von |U | = ps .Damit ist |a V | = 1 ; dies bedeutet:Fur jedes u ∈ U ist u aV = a V , also u a ∈ a V oder u ∈ a V a−1 , d. h.: U ⊂ a V a−1 .

Page 262: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

254 KAPITEL XI. GRUPPEN

47.6 Satz (3. Sylow’scher Satz)

Die Voraussetzungen seien wie oben; ferner sei ks die Anzahl aller Untergruppen von G derOrdnung ps mit s ≤ r . Dann gilt: ks ∈ p IN + 1 ; ist sogar s = r , so gilt zusatzlich:m ∈ kr IN .

Beweis:

Es sei s ≤ r ; wir zahlen die Anzahl der Rechtsnebenklassen mit ps Elementen in G ab. Diessind genau ks pr−sm ; denn sind U1 und U2 Untergruppen von G , und ist U1 a = U2 b , so folgt:a ∈ U2 b , also: U2 a = U2 b = U1 a oder U1 = U2 . Sei nun wie im Beweis zum 1. Sylow–SatzX := T ⊂ G ; |T | = ps und g T = g T fur T ∈ X . Wir zeigen, daß T ∈ X ge-

nau dann eine durch pr−s+1 nicht teilbare Bahnlange hat, wenn T eine der oben abgezahltenRechtsnebenklassen aus G ist.Sei dazu K ⊂ X eine Bahn in X mit einer nicht durch pr−s+1 teilbaren Lange und T ein Elementvon K . In Satz 47.2 zeigten wir, daß der Stabilisator GT ebenfalls ps Elemente besitzt. Fur jedest ∈ T galt ferner: GT t ⊂ T . Wegen der Gleichheit der Elementezahlen folgt: T = GT t . JedesT mit einer nicht durch pr−s+1 teilbaren Bahnlange ist also Rechtsnebenklasse einer UntergruppeU von G der Ordnung ps .Ist umgekehrt T = U a mit a ∈ G eine Rechtsnebenklasse von U und |U | = ps , so ist T ∈ X mitGT = U wegen g U a = U a ⇐⇒ g ∈ U . Die Bahnlange |[T ]| = [G : GT ] = pr−sm vonT = U a ist also durch pr−s+1 nicht teilbar. Somit existieren genau die ks pr−sm TeilmengenT von G mit |T | = ps und nicht durch pr−s+1 teilbarer Bahnlange. Nun gibt es insgesamt(n

ps

)= l pr−sm Teilmengen T ⊂ G mit |T | = ps , wobei l = λ p + 1 mit λ ∈ IN sei. Es

bleiben dann noch (l − ks) pr−sm Teilmengen T mit ps Elementen und durch pr−s+1 teilbarenBahnlangen. Deshalb muß p ein Teiler von (l−ks) pr−sm sein, also auch den Faktor l−ks teilen.Daraus folgt: λ p+ 1− ks = µ p mit µ ∈ IN oder ks = κ p+ 1 mit κ ∈ ZZ . Nach Satz 47.5ist kr gleich der Anzahl aller zu einer p-Sylow–Gruppe konjugierten Gruppen, also ein Teilervon n = prm (vgl. hierzu die Bemerkung nach Definition 47.14). Wegen ggT(kr, p) = 1 mußschließlich m durch kr teilbar sein.

47.7 Beispiele

Wir betrachten Gruppen der Ordnung pr mit einer Primzahl p :

a) Ist r = 1 , d. h. |G| = p , so ist G zyklisch und damit isomorph zu ZZp (vgl. Folgerung 43.6und Beispiel 42.15b); außerdem ist G abelsch (gemaß Folgerung 42.14).

b) Ist r = 2 , so gilt: |Z(G)| > 1 (nach Satz 46.10). Da |Z(G)| ein Teiler von |G| = p2 ist,gilt entweder: |Z(G)| = p oder: |Z(G)| = p2 . Im zweiten Fall ist G abelsch. Im ersten

Fall hat die Faktorgruppe G/Z(G) die Ordnung p . Also ist G =p−1⋃i=0

ai Z(G) mit a ∈ G .

Wegen Z(G) = e, b, b2, . . . , bp−1 gilt fur jedes g ∈ G : g = aλ bµ mit 0 ≤ λ, µ ≤ p−1 .Wegen b ∈ Z(G) folgt daraus fur g = aλ bµ und h = a% bσ :

g · h = aλ bµ · a% bσ = aλ (a% bµ) bσ = a% aλ · bσ bµ = a% bσ · aλ bµ = h · g .

Damit ist |Z(G)| = p nicht moglich, d. h. daß jede Gruppe G der Ordnung p2 abelsch ist.

Page 263: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

§ 47. DIE SYLOW’SCHEN SATZE 255

47.8 Satz

Fur jede Primzahl p gibt es (bis auf Isomorphie) genau zwei nicht–isomorphe Gruppen derOrdnung p2 , namlich ZZp2 und ZZp × ZZp .

Beweis:

Die beiden Gruppen ZZp2 und ZZp × ZZp haben beide die Ordnung p2 und sind nicht isomorph,da ZZp2 genau eine Untergruppe der Ordnung p besitzt (Schreiben wir dazu ZZp2 = <K1> , soist <Kp> eine Untergruppe der Ordnung p ; und ist U eine weitere Untergruppe der Ordnungp , so ist U = <Kk> fur ein k ≥ 1 , also k p ≡ 0 (mod p2) oder ggT(p2, k) = p . Damit ist pein Teiler von k , etwa k = mp , also Kk = Kmp ∈<Kp> und somit U ⊂<Kp> . Wegen derUbereinstimmung der Elementezahlen ist U = <Kp> .), wahrend ZZp × ZZp mindestens zweiUntergruppen der Ordnung p besitzt, namlich 0 × ZZp und ZZp × 0 .Sei nun |G| = p2 und G nicht isomorph zu ZZp2 , d. h. G ist nicht zyklisch. Nach Folgerung 47.3(Satz von Cauchy) gibt es ein u ∈ G mit ordu = p . Sei dann U := <u> ; ist a ∈ G \ U ,so ist ord a = p oder ord a = p2 . Da G aber nicht zyklisch ist, folgt sofort: ord a = p .Nun ist <a>∩<u> = e und ord(<a> ·<u> ) = ord<a> · ord<u> = |G| = p2

(vgl. Beispiel 44.14b), d. h. <a> ·<u> = G . Nach Satz 45.6 ist also G das innere direkteProdukt von <a> und <u> . Wegen Bemerkung 45.4 ist G ZZp2 schließlich isomorph zu<a>×<u> und damit zu ZZp × ZZp .

47.9 Satz

Jede Gruppe der Ordnung pr mit einer Primzahl p und r ∈ IN∗ hat einen Normalteiler derOrdnung pr−1 .

Beweis:

Vollstandige Induktion nach r : r = 1 : ist klar. Xr − 1 → r : Nach Satz 46.10 ist |Z(G)| > 1 , und als Teiler von pr (mit r > 1 ) gilt dann:|Z(G)| = pl mit l ≥ 1 . Nach dem 1. Sylow’schen Satz besitzt Z(G) eine Untergruppe N derOrdnung p . Und N ist als Untergruppe von Z(G) ein Normalteiler. Die Faktorgruppe G/N

hat die Ordnung |G/N | =|G||N |

= pr−1 . Nach Induktionsvoraussetzung besitzt G/N einen

Normalteiler U der Ordnung pr−2 . Ist nun π : G→ G/N der kanonische Epimorphismus, so ist−1π(U) ein Normalteiler von G (nach Satz 44.5), der N enthalt und fur den U =

−1π(U)/N gilt.

Aus pr−2 = |U | =∣∣∣−1π(U)/N

∣∣∣ =|−1π(U)||N |

=|−1π(U)|p

folgt: |−1π(U)| = pr−1 .

47.10 Folgerung

Es sei G eine Gruppe der Ordnung pr ; dann existiert eine endliche Folge von Untergruppen Uimit

E = e = U0 ⊂ U1 ⊂ U2 ⊂ . . . ⊂ Ur−1 ⊂ Ur = G ,

wobei jeweils Ui Normalteiler in Ui+1 ist fur alle 0 ≤ i ≤ r − 1 , und wobei Ui die Ordnung pi

hat fur jedes 0 ≤ i ≤ r . (Man nennt dies auch eine Normalreihe von G nach E.)

Page 264: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

256 KAPITEL XI. GRUPPEN

Wir betrachten nun Gruppen der Ordnung pq mit Primzahlen p 6= q , also speziell Gruppen derOrdnung 2p mit einer Primzahl p ≥ 3 .

47.11 Satz

Fur jede Primzahl p ≥ 3 gibt es (bis auf Isomorphie) genau zwei nicht–isomorphe Gruppen derOrdnung 2p , namlich ZZ2p und Dp .

Beweis:

Es sei |G| = 2p ; dann besitzt G Untergruppen der Ordnung 2 und Untergruppen der Ordnungp . Ist kp die Anzahl der Untergruppen mit Ordnung p , so ist kp von der Form kp = p λ+ 1 mitλ ∈ IN , und außerdem teilt kp noch die Zahl 2 . Also ist kp = 1 . Sei V := e, b, b2, . . . , bp−1und U = e, a eine Untergruppe der Ordnung 2 . Es ist a /∈ V , da V keine Untergruppe derOrdnung 2 besitzt. Es folgt: G/V = V, a V und damit G = aλ bµ |0 ≤ λ ≤ 1 , 0 ≤ µ ≤ p−1mit den ”Rechenregeln“ a2 = e und bp = e . Wir berechnen b a ; zunachst ist b a /∈ V , alsob a ∈ a V oder a−1 b a ∈ V , d. h.: a−1 b a = bλ mit 0 ≤ λ ≤ p − 1 . Wegen a2 = e ista b a = a−1 b a = bλ , also b = a (a b a) a = a bλ a = (a b a)λ = (bλ)λ = bλ

2, d. h.: bλ

2−1 = e .Wegen ord b = p folgt, daß p ein Teiler von λ2− 1 ist. Also ist λ = 1 oder λ = p− 1 . Im erstenFall folgt sofort: a−1 b a = b ⇐⇒ a b = b a ; also ist G abelsch und wird von a b erzeugt.Es ist somit G ∼= ZZ2p . Im zweiten Fall ist a b a = bp−1 , und der Vergleich mit Beispiel 42.15c)zeigt, daß eine zu Dp isomorphe Gruppe G vorliegt.

47.12 Satz

Es sei G eine Gruppe der Ordnung pq mit zwei Primzahlen p < q . Dann besitzt G genau eineq-Sylow–Gruppe der Ordnung q . Ist q /∈ p IN + 1 , so ist G zyklisch, also G ∼= ZZpq ∼= ZZp×ZZq .

Beweis:

Sei sq die Anzahl der q-Sylow–Gruppen von G . Der 3. Sylow’sche Satz liefert: sq = kq + 1 mitk ∈ IN und pq = sql mit l ∈ IN∗ , also: sq ∈ 1, p, q, pq ∩ q IN + 1 . Daraus folgt direkt:sq = 1 . Entsprechend folgt fur die Anzahl sp der p-Sylow–Untergruppen von G , daß sp = 1 istgenau dann, wenn q /∈ p IN + 1 vorausgesetzt wird. Ist Uq die Untergruppe der Ordnung q undUp die der Ordnung p , so zeigt man wie im Beweis zu Satz 47.8: G ∼= ZZp × ZZq .

47.13 Beispiel

Gruppen der Ordnung 15 = 3 ·5 oder der Ordnung 35 = 5 ·7 sind zyklisch. S3 hat die Ordnung6 = 2 · 3 , es ist 3 = 2 + 1 und S3 nicht zyklisch; also kann auf die Voraussetzung q /∈ p IN + 1nicht verzichtet werden. Durch Zusammenfassen unserer bisherigen Ergebnisse erhalten wir als

Page 265: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

§ 47. DIE SYLOW’SCHEN SATZE 257

nicht–isomorphe Gruppen der Ordnung:

1 : E = e2 : ZZ2

3 : ZZ3

22 = 4 : ZZ4 , ZZ2 × ZZ2∼= A(2,2) (Satz 47.8)

5 : ZZ5

2 · 3 = 6 : ZZ6 , D3∼= S3 (Satz 47.11)

7 : ZZ7

23 = 8 : ZZ8 , D4 , ZZ2 × ZZ4 , ZZ2 × ZZ2 × ZZ2 , Q (Ubungsaufgabe 47–12)32 = 9 : ZZ9 , ZZ3 × ZZ3 (Satz 47.8)

2 · 5 = 10 : ZZ10 , D5

11 : ZZ11

22 · 3 = 12 : ZZ12 , D6 , ZZ2 × ZZ2 × ZZ3 , A4 , ?13 : ZZ13

2 · 7 = 14 : ZZ14 , D7

3 · 5 = 15 : ZZ15

24 = 16 : ZZ16 , D8 , ZZ8 × ZZ2 , ZZ4 × ZZ4 , ZZ4 × ZZ2 × ZZ2 ,ZZ2 × ZZ2 × ZZ2 × ZZ2 , . . . ? (Bemerkung 48.6)

47.14 Definition

Es sei G eine Gruppe und X ⊂ G eine nichtleere Teilmenge; dann heißt die Menge

N = N(X) := m ∈ G | mX = Xm

der Normalisator von X in G. Und G erfullt die Normalisatorbedingung, wenn fur jede Unter-gruppe U ⊂

6=G gilt: U ⊂

6=N(U) .

Seien U, V zwei Untergruppen von G ; dann heißt V Konjugierte von U , wenn ein g ∈ G existiertmit V = g U g−1 .

Bemerkung

Im Beweis zum 3. Sylow–Satz 47.6 wurde der Schluß verwendet, daß die Anzahl der p-Sylow–Gruppen von G mit ordG = pr ·m und ggT(p,m) = 1 gemaß dem 2. Sylow’schen Satz 47.5identisch ist mit der Anzahl aller Konjugierten einer p-Sylow–Gruppe. Dies kann man nun auchexplizit nachweisen:Wir zeigen, daß die Anzahl der Konjugierten einer Untergruppe U mit dem Index des Norma-lisators von U in G ubereinstimmt. Dann ist namlich die Anzahl der Konjugierten von U einTeiler der Ordnung |G| von G . Dazu sei x, y ∈ G mit xU x−1 = y U y−1 . Es folgt:

y−1 xU x−1 x = y−1 y U y−1 x ⇐⇒ y−1 xU = U y−1 x ⇒ y−1 x ∈ N(U) .Also gehoren x und y zur selben Linksnebenklasse von N(U) .Und sind umgekehrt hu1 , h u2 ∈ hN(U) fur beliebiges h ∈ G , so gilt wegen ui U = U uimit i = 1, 2 :

(hui)U (hui)−1 = hui U ui−1 h−1 = hU ui ui

−1 h−1 = hU h−1 .

Page 266: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

258 KAPITEL XI. GRUPPEN

47.15 Satz

Es sei G ein Gruppe der Ordnung n = prm mit einer Primzahl p und ggT(p,m) = 1 . Fernersei P eine p-Sylow–Gruppe von G . Dann gilt:

a) P ist genau dann einzige p-Sylow–Gruppe, wenn P ein Normalteiler in G ist.

b) Es gilt: N(N(P )) = N(P ) .

c) Erfullt G zusatzlich die Normalisatorbedingung, so gibt es genau eine p-Sylow–Gruppein G .

Beweis

zu a):

”⇒“: Ist P eine p-Sylow–Gruppe von G , so auch aP a−1 fur alle a ∈ G (wegenord(a p a−1) = ord p). Da P nun die einzige p-Sylow–Gruppe in G ist, folgt sofort:aP a−1 = P ⇐⇒ aP = P a ⇐⇒ P E G .

”⇐“: Es sei P ein Normalteiler und P ′ irgendeine p-Sylow–Gruppe von G . Nach dem2. Sylow’schen Satz existiert ein a ∈ G mit P ′ ⊂ aP a−1 ; und da aP a−1 einezu P isomorphe Untergruppe von G ist, folgt: P ′ = aP a−1 oder, da P einNormalteiler von G ist: P ′ = P .

zu b): P ist ein Normalteiler in N(P ) , also ist P nach Teil a) einzige p-Sylow–Gruppe inN(P ) . Sei x ∈ N(N(P )) , d. h. xN(P )x−1 = N(P ) ; dann gilt wegen P ⊂ N(P )fur die p-Sylow–Gruppe xP x−1 auch: xP x−1 ⊂ xN(P )x−1 = N(P ) . Da P einzigep-Sylow–Gruppe in N(P ) ist, folgt: xP x−1 = P ⇐⇒ xP = P x , d. h.:x ∈ N(P ) . Damit ist N(N(P )) ⊂ N(P ) ; und weil außerdem N(P ) ⊂ N(N(P ))gilt, folgt direkt die Behauptung.

zu c): Sei P eine p-Sylow–Gruppe in G ; nach Teil b) folgt: N(P ) = G . (Denn ware namlichN(P ) ⊂

6=G , so lieferte die Normalisatorbedingung: N(P ) ⊂

6=N(N(P )) .) Also ist P

ein Normalteiler in G , und aus a) ergibt sich die Eindeutigkeit von P .

§ 48 Endlich erzeugte abelsche Gruppen

48.1 Satz

Jede endliche abelsche Gruppe G ist inneres direktes Produkt ihrer Sylow–Untergruppen.

Beweis:

Sei |G| = n = p1k1 ·p2

k2 · . . . ·prkr die (bis auf die Reihenfolge eindeutig bestimmte) Primfaktor-zerlegung von n mit pi 6= pj fur alle i 6= j . Nach dem 1. Sylow’schen Satz und Satz 47.15 gibt esnun zu jedem j ∈ 1, 2, . . . , r genau eine pj-Sylow–Gruppe Gj von G der Ordnung pjkj . Wirbetrachten Gr := G1 ·G2 · . . . ·Gr und zeigen durch Induktion nach r , daß Gr inneres direktesProdukt der G1, G2, . . . , Gr ist: r = 1 : ist klar. X

Page 267: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

§ 48. ENDLICH ERZEUGTE ABELSCHE GRUPPEN 259

Sei nun n = p1k1 · p2

k2 · . . . · prkr mit r ≥ 2 ; nach Induktionsvoraussetzung ist die GruppeGj′ := G1 · . . . ·Gj−1 ·Gj+1 · . . . ·Gr inneres direktes Produkt der G1, . . . , Gj−1, Gj+1, . . . , Gr .

Und Gj′ hat die Ordnung

r∏i=1i 6=j

piki , welche zu pj

kj teilerfremd ist. Damit gilt: Gj ′ ∩Gj = e

(denn es ist Gj′ ∩Gj sowohl Untergruppe von Gj ′ als auch von Gj , d. h. |Gj ′ ∩Gj | ist sowohl

ein Teiler von |Gj ′| als auch von |Gj | ). Nach Satz 45.6 ist damit Gr inneres direktes Produktvon G1, G2, . . . , Gr . Ein Vergleich der Ordnungen zeigt: G = Gr = G1 ·G2 · . . . ·Gr .

48.2 Satz

Eine abelsche Gruppe G , die von endlich vielen Elementen erzeugt wird, ist das direkte Produktzyklischer Untergruppen.

Beweis:

Zu jeder Gruppe G , welche die obige Voraussetzung erfullt, gibt es immer Erzeugendensystemea1, a2, . . . , an mit minimaler Elementeanzahl n = n(G) ∈ IN∗ . Wir fuhren den Beweis durchvollstandige Induktion nach n . Sei n = 1 ; dann ist der Satz richtig. XSei nun n > 1 und der Satz bewiesen fur abelsche Gruppen, die von weniger als n Elementenerzeugt werden. Wir betrachten samtliche mogliche Mengen a1, a2, . . . , an von n Erzeugendenvon G . Gibt es eine Menge mit der Eigenschaft, daß aus a1

γ1 · a2γ2 · . . . · anγn = e folgt:

γ1 = γ2 = . . . = γn = 0 , so ist G das direkte Produkt der Gruppen <a1>,<a2>, . . . ,<an> ;denn dann folgt aus a1

ν1 ·a2ν2 ·. . .·anνn = a1

µ1 ·a2µ2 ·. . .·anµn stets: ν1 = µ1, ν2 = µ2, . . . , νn = µn.

Somit ist G das innere direkte Produkt von n unendlichen zyklischen Gruppen.Wir nehmen deshalb fur das Folgende an, daß fur jedes Erzeugendensystem a1, a2, . . . , an mitminimaler Elementeanzahl Exponenten γ1, γ2, . . . , γn existieren, die nicht alle gleich Null sindund fur die gilt: a1

γ1 · a2γ2 · . . . · anγn = e . Wir denken uns alle diese Gleichungen fur samtliche

Erzeugendensysteme mit n Elementen aufgeschrieben. Da mit a1γ1 · a2

γ2 · . . . · anγn = e aucha1−γ1 · a2

−γ2 · . . . · an−γn = e gilt, kommen unter den Exponenten auch positive vor. Unterden insgesamt in allen diesen Gleichungen auftretenden Exponenten gibt es einen kleinstenpositiven; dieser sei α1 > 0 . Unter den betrachteten Erzeugendensystemen a1, a2, . . . , an gibtes also nach eventueller Umnumerierung der Indizes ein spezielles g1, g2, . . . , gn derart, daßg1α1 · g2

α2 · . . . · gnαn = e gilt mit obigem α1 > 0 und gewissen αi ∈ ZZ fur i ∈ 2, 3, . . . , n .Wir betrachten nun g1, g2, . . . , gn ; wir zeigen, daß α1 alle anderen αi teilt. Sei dazu αi miti ∈ 2, 3, . . . , n fest gewahlt und αi = βiα1 + %i mit βi ∈ ZZ und 0 ≤ %i < α1 . Dann gilt:

(g1 giβi)α1 · g2

α2 · g3α3 · . . . · gi−1

αi−1 · gi%i · gi+1αi+1 · . . . · gnαn = e ,

und g1 giβi , g2, g3, . . . , gn ist wegen

g1λ1 · g2

λ2 · . . . · gnλn = (g1 giβi)λ1 · g2

λ2 · . . . · gi−1λi−1 · giλi−λ1βi · gi+1

λi+1 · . . . · gnλn

ebenfalls ein Erzeugendensystem fur G . Wegen der Minimalitat von α1 ist 0 < %i < α1 nichtmoglich; also ist %i = 0 . Damit gilt: αi = βiα1 mit βi ∈ ZZ fur alle 2 ≤ i ≤ n . Setzen wirg := g1 · g2

β2 · g3β3 · . . . gnβn , so ist gα1 = e . Außerdem ist g, g2, g3, . . . , gn wegen

g1λ1 · g2

λ2 · . . . · gnλn = gλ1 · g2λ2−λ1β2 · g3

λ3−λ1β3 · . . . · gnλn−λ1βn

Page 268: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

260 KAPITEL XI. GRUPPEN

ein Erzeugendensystem von G . Wir setzen A := <g> und B := <g2, g3, . . . , gn> ; dann istG = AB . Und wir mussen noch zeigen, daß die Darstellung h = a b mit a ∈ A und b ∈ Beindeutig ist. Aquivalent dazu ist, daß aus a b = e mit a ∈ A und b ∈ B folgt: a = b = e . Seialso a = gk , b = g2

k2 · g3k3 · . . . · gnkn mit k, ki ∈ ZZ und gk · g2

k2 · . . . · gnkn = e . Schreiben wirk = qα1 + r mit q ∈ ZZ und 0 ≤ r < α1 , so folgt wegen gα1 = e : gr · g2

k2 · . . . · gnkn = e . Dag, g2, . . . , gn ein Erzeugendensystem von G ist, und da α1 minimal gewahlt war, folgt: r = 0 .Dies bedeutet: a = gk = (gα1)q = e und damit: b = g2

k2 · . . . · gnkn = e .Induktiv ergibt sich hieraus schließlich die Behauptung.

48.3 Bemerkung

Ist G eine abelsche Gruppe der Ordnung n = p1k1 · p2

k2 · . . . · prkr mit paarweise verschiedenenPrimzahlen pj , so liefert Satz 48.1: G = G1 ·G2 · . . . ·Gr ∼= G1 ×G2 × . . .×Gr ,wobei Gj jeweils die pj-Sylow–Gruppe in G ist fur alle 1 ≤ j ≤ r .

Unser Ziel ist jetzt die Bestimmung der Anzahl A(n) aller nicht–isomorpher abelscher Gruppender Ordnung n . Mit Satz 48.1 folgt:

A(n) = A(p1k1) ·A(p2

k2) · . . . ·A(prkr) ;

also ist fur eine Primzahl p und m ∈ IN∗ die Zahl A(pm) zu bestimmen. Nach Satz 48.2 gilt furjede abelsche Gruppe G′ der Ordnung pm : G′ = G′1 ·G′2 · . . . ·G′k ∼= G′1 ×G′2 × . . .×G′k ,wobei G′i zyklische Untergruppen von G′ sind. Also gilt weiter:

G′ ∼= ZZpm1 × ZZpm2 × . . .× ZZpmk

mit m1 +m2 + . . .+mk = m . Die G′i sind nicht als inneres direktes Produkt von Untergruppendarstellbar; ist namlich G′i eine zyklische Untergruppe der Ordnung pmi , so lauten ihre echtenUntergruppen G′i

p, G′ip2, . . . , G′i

pmi−1, wobei jede in der vorhergehenden enthalten ist.

48.4 Definition

Eine abelsche Gruppe G der Ordnung pm (mit einer Primzahl p ≥ 2 und m ∈ IN∗ ) heißtvom Typ (pm1 , pm2 , . . . , pmk), wenn gilt:

m1 +m2 + . . .+mk = m und G ∼= ZZpm1 × ZZpm2 × . . .× ZZpmk .

48.5 Satz

Ist die abelsche Gruppe G vom Typ (pm1 , pm2 , . . . , pmk) mit 1 ≤ mk ≤ mk−1 ≤ . . . ≤ m2 ≤ m1 ,so sind die Kennzahlen m1,m2, . . . ,mk eindeutig bestimmt.

Beweis:

Vollstandige Induktion nach m = m1 +m2 + . . .+mk . Fur m = 1 bleibt nichts zu zeigen. XSei nun die Behauptung bewiesen fur alle abelschen Gruppen der Ordnung pl mit l < mund m > 1 , also fur alle echten Untergruppen von G . Ist G = G1 · G2 · . . . · Gk , so gilt:

Page 269: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

§ 49. DIE SYMMETRISCHE GRUPPE Sn 261

Gp = G1p ·G2

p · . . . ·Gkp ; ist Gi ∼= ZZpmi , so ist Gip ∼= pZZpmi . Ist m > 1 , dann ist Gp 6= G .

Sei nun G = G1 ·G2 · . . . ·Gk mit Gi ∼= ZZpmi und G = H1 ·H2 · . . . ·Hs mit Hj∼= ZZprj fur

alle m1 ≥ m2 ≥ . . . ≥ mk ≥ 1 , r1 ≥ r2 ≥ . . . ≥ rs ≥ 1 mitk∑i=1

mi =s∑j=1

rj = m . Dann ist

Gp = G1p ·G2

p · . . . ·Gkp = H1p ·H2

p · . . . ·Hsp mit |Gip| = pmi−1 und |Hj

p| = prj−1 .

Es gelte m1−1 > 0, m2−1 > 0, . . . , mk′−1 > 0, mk′+1 = 1, . . . , mk = 1 und r1−1 > 0, r2−1 > 0,. . . , rs′−1 > 0, rs′+1 = 1, . . . , rs = 1; dann ist Gp = G1

p ·G2p ·. . .·Gk′p = H1

p ·H2p ·. . .·Hs′

p , alsoGp vom Typ (pm1−1, pm2−1, . . . , pmk′−1) und vom Typ (pr1−1, pr2−1, . . . , prs′−1) . Die Ordnungvon Gp ist kleiner als die Ordnung von G . Nach Induktionsvoraussetzung ist damit k′ = s′ undm1 − 1 = r1 − 1 , m2 − 1 = r2 − 1 , . . . , mr′ − 1 = rs′ − 1 . Also ist auch m1 = r1 , m2 = r2 ,. . . , mk′ = rs′ . Und weiter gilt:

|G| =k∏i=1

|Gi| =k∏i=1

pmi =( k′∏i=1

pmi)· pk−k′ =

s∏j=1

|Hj | =s∏j=1

prj =( s′∏j=1

prj)· ps−s′ ,

d. h. k − k′ = s− s′ ⇔ k = s und m1 = r1 , m2 = r2 , . . . , mk′ = rs′ , mk′+1 = rs′+1 , . . . ,mk = rs .

48.6 Bemerkung

Es gibt so viele nicht–isomorphe abelsche Gruppen der Ordnung pm wie es Partitionen (m1,m2,. . . ,mk) von m mit m1 ≥ m2 ≥ . . . ≥ mk ≥ 1 gibt.

Damit existieren genau drei nicht–isomorphe abelsche Gruppen der Ordnung 8 = 23 , namlicheine vom Typ (23) , eine vom Typ (22, 21) und eine vom Typ (21, 21, 21) . Das ergibt die inBeispiel 47.13 aufgefuhrten Gruppen ZZ8 , ZZ4 × ZZ2

∼= ZZ ∗16 und ZZ2 × ZZ2 × ZZ2 .Es gibt aber z. B. nur zwei abelsche nicht–isomorphe Gruppen der Ordnung 12 = 22 ·3 , namlichZZ4 × ZZ3 und ZZ2 × ZZ2 × ZZ3 . Nun ist dabei ZZ4 × ZZ3

∼= ZZ12 .Es gibt funf abelsche nicht–isomorphe Gruppen der Ordnung 16 = 24 , namlich ZZ16 , ZZ8 × ZZ2 ,ZZ4 × ZZ4 , ZZ4 × ZZ2 × ZZ2 und ZZ2 × ZZ2 × ZZ2 × ZZ2 .Und wieviele nicht–isomorphe abelsche Gruppen etwa der Ordnung n = 16 200 gibt es?Es ist 16 200 = 23 · 52 · 34 , also nur: A(n) = A(23) ·A(52) ·A(34) = 3 · 2 · 5 = 30 .

§ 49 Die symmetrische Gruppe Sn

49.1 Definition

Eine Permutation σ ∈ Sn heißt ein r-Zykel (oder ein r-Zyklus), wenn es eine Teilmenge i1, i2,i3, . . . , ir ⊂ 1, 2, 3, . . . , n derart gibt, daß σ(ik) = ik+1 fur alle 1 ≤ k < r mit σ(ir) = i1und σ(m) = m fur alle m ∈ 1, 2, 3, . . . , n \ i1, i2, i3, . . . , ir gilt. Wir schreiben dann statt

σ =

(1 2 3 · · · n

σ(1) σ(2) σ(3) · · · σ(n)

)kurz: σ = (i1, i2, i3, . . . , ir) .

Speziell fur r = 2 erhalten wir die Transpositionen (vgl. Definition 10.2 aus Lineare Alge-bra I).

Page 270: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

262 KAPITEL XI. GRUPPEN

49.2 Bemerkungen

Es sei σ = (i1, i2, i3, . . . , ir) ∈ Sn ein r-Zykel. Dann gilt:

a) Wegen i2 = σ(i1) , i3 = σ(i2) = σ2(i1) , . . . , d. h. ik+1 = σk(i1) fur alle 1 ≤ k < r gilt:

σ = (i1, σ(i1), σ2(i1), . . . , σr−1(i1)) .

b) Es ist σ = (i1, i2, . . . , ir) = (i2, i3, . . . , ir, i1) = . . . = (ir, i1, i2, . . . , ir−1) .

c) Ist 1 < j < r , so gilt: σ = (i1, i2, . . . , ij) · (ij , ij+1, . . . , ir) .

d) Induktiv folgt aus c): σ = (i1, i2) · (i2, i3) · . . . · (ir−1, ir) .

e) Ist m ≥ 1 , so gilt:

(i1, i2, . . . , ir)m =

(i1 i2 · · · irim+1 im+2 · · · im+r

),

wobei alle ubrigen k ∈ 1, 2, . . . , n \ i1, i2, . . . , ir fest bleiben und die Indizes m+ t inZZr zu wahlen sind, d. h. m+ t ≡ l (mod r) mit 0 ≤ l < r .

f) Es ist stets ord(i1, i2, . . . , ir) = r .

g) Es gilt: (i1, i2, . . . , ir−1, ir)−1 = (ir, ir−1, . . . , i2, i1) .

h) Fur jedes f ∈ Sn gilt: f · (i1, i2, . . . , ir) · f−1 = (f(i1), f(i2), . . . , f(ir)) .

Beweis:

a) – d): sind klar. Xzu e): folgt mit Induktion nach m aus

(i1, i2, . . . , ir)m+1 =

(i1 i2 · · · irim+1 im+2 · · · im+r

)·(i1 i2 · · · iri2 i3 · · · i1+r

)

=

(i1 i2 · · · ir−1 irim+2 im+3 · · · im+r im+1+r

)(wobei die Indizes mod r zu nehmen sind).

zu f): folgt direkt aus e).zu g): Wegen f) ist (i1, i2, . . . , ir)−1 = (i1, i2, . . . , ir)r−1 , also

(i1, i2, . . . , ir)−1 =

(i1 i2 · · · irir ir+1 · · · i2r−1

)= (ir, ir−1, . . . , i2, i1) .

zu h): Die Abbildung Sn 3 g 7→ f g f−1 ∈ Sn ist bei festem f ∈ Sn ein Gruppen–Automorphismus. Wegen d) genugt es daher, die Behauptung fur Transpositionenτ = (i, j) und f ∈ Sn zu zeigen. Dann gilt fur alle m ∈ 1, 2, . . . , n :

f(i, j) f−1(m) =

m , wenn f−1(m) /∈ i, jf(i) , wenn f−1(m) = j ⇔ m = f(j)f(j) , wenn f−1(m) = i ⇔ m = f(i)

,

d. h. f(i, j) f−1 = (f(i), f(j)) .

Page 271: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

§ 49. DIE SYMMETRISCHE GRUPPE Sn 263

Fur n ≤ m betrachten wir Sn als Teilmenge von Sm , wobei ϕ ∈ Sn mit demjenigen Elementvon Sm identifiziert wird, das auf 1, 2, . . . , n mit ϕ ubereinstimmt und auf n+1, n+2, . . . ,mmit id1,2,...,m . Dann konnen wir Sn als Untergruppe von Sm auffassen.

49.3 Satz

Es sei n > 1 eine naturliche Zahl; ferner seien τl = (l, n+1) fur alle l = 1, 2, . . . , n Transpositionenund τn+1 = id1,2,...,n+1 =: (1). Dann sind die Nebenklassen τl Sn fur alle 1 ≤ l ≤ n+1 paarweise

verschieden, und es gilt: Sn+1 =n+1⋃l=1

τl Sn .

Beweis:

Es sei ϕ ∈ Sn+1 ; ist ϕ(n + 1) = n + 1 , dann konnen wir im obigem Sinne ϕ als Element vonSn = τn+1 Sn auffassen. Ist dagegen ϕ(n+ 1) = l mit l ∈ 1, 2, . . . , n , dann istτl ϕ(n+ 1) = τl(l) = n+ 1 , d. h. τl ϕ ∈ Sn . Wegen τl

2 = τn+1 folgt daraus:

ϕ = τl2 ϕ = τl (τl ϕ) ∈ τl Sn . Damit ist Sn+1 =

n+1⋃l=1

τl Sn . Weiter gilt:

τk Sn = τl Sn⇐⇒ τl

−1 τk ∈ Sn⇐⇒ τl

−1 τk(n+ 1) = n+ 1⇐⇒ τk(n+ 1) = τl(n+ 1)⇐⇒ k = l .

49.4 Folgerungen

a) Es gilt: [Sn+1 : Sn] = n+ 1 , also: ord Sn = n! .

b) Ist n ≥ 2 , so laßt sich jedes ϕ ∈ Sn als Produkt von Transpositionen schreiben.

Beweis:

zu a): Der erste Teil der Behauptung ist klar; und daraus folgt mit dem Satz von Lagrange:| Sn+1 | = (n+ 1) · | Sn | . Induktiv ergibt sich dann die zweite Behauptung. X

zu b): Vollstandige Induktion nach n : Im Falle n = 2 gilt: S2 = id=(1, 2)(2, 1) , (1, 2) .Ist ϕ ∈ Sn+1 , so gilt nach Satz 49.3: ϕ = τl ψ mit ψ ∈ Sn .

49.5 Definition

Fur ϕ ∈ Sn heißt B[ϕ] := k ∈ 1, 2, . . . , n | ϕ(k) 6= k der Wirkungsbereich von ϕ.Speziell gilt fur ein k ∈ B[ϕ] und l := ϕ(k) : ϕ(l) 6= l , also: ϕ(B[ϕ]) = B[ϕ] .

Page 272: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

264 KAPITEL XI. GRUPPEN

49.6 Satz

Sind ϕ,ψ ∈ Sn mit B[ϕ] ∩B[ψ] = ∅ , so gilt: ϕψ = ψ ϕ .

Beweis:

Ist m ∈ 1, 2, . . . , n \ (B[ϕ] ∪ B[ψ]) , so gilt: ϕψ(m) = m = ψ ϕ(m) . Ist m ∈ B[ϕ] , so folgt:ψ(m) = m , also ϕψ(m) = ϕ(m) ; andererseits folgt aus ϕ(m) ∈ B[ϕ] sofort: ψ ϕ(m) = ϕ(m) .Und entsprechend folgt fur ein m ∈ B[ψ] : ϕψ(m) = ψ(m) = ψ ϕ(m) .

49.7 Satz

Jede Permutation ϕ ∈ Sn\id ist bis auf die Reihenfolge der Faktoren eindeutig als Produktvon Zykeln (oder Zyklen) darstellbar, die samtlich von der Identitat verschieden sind und von de-nen je zwei disjunkte Wirkungsbereiche haben. Diese Darstellung heißt die kanonische Faktori-sierung von ϕ.

Beweis:

Wir definieren auf B[ϕ] eine Aquivalenzrelation ∼ durch:

k ∼ l :⇐⇒ ∃r∈ZZ ϕr(k) = l .

(Denn: k ∼ k mit r = 0 ; ist k ∼ l , also ϕr(k) = l , so folgt: k = ϕ−r(l) , d. h. l ∼ k ; istϕr(k) = l und ϕs(l) = m , so folgt: ϕs+r(k) = ϕs(ϕr(k)) = ϕs(l) = m .)Sei nun K eine Aquivalenzklasse in B[ϕ] bezuglich ∼ und a ∈ K . Wegen K ⊂ B[ϕ] ist ϕ(a) 6= a,also ϕ(a) ∈ K und ϕ(a) 6= a . Ist s die Ordnung von ϕ in Sn , dann ist ϕs(a) = a . Ist r ∈ IN∗die kleinste Zahl mit ϕr(a) = a . Dann ist K = a, ϕ(a), ϕ2(a), . . . , ϕr−1(a) ; wir definierenfur % = 1, 2, . . . , r : ij := ϕ%(a) . Dann ist K = i1, i2, . . . , ir mit i%+1 = ϕ(i%) fur alle1 ≤ % ≤ r − 1 und i1 = ϕ(ir) . Dies bedeutet also: K ist der Wirkungsbereich des Zykels(i1, i2, . . . , ir) =: ϕk . Seien noch Kj fur 1 ≤ j ≤ m die Aquivalenzklassen bezuglich ∼ in B[ϕ]und ϕj := ϕKj die oben beschriebenen Zykeln bezuglich Kj .Nach Konstruktion haben alle ϕ1, ϕ2, . . . , ϕm paarweise disjunkte Wirkungsbereiche. GemaßSatz 49.6 sind sie somit vertauschbar. Das Produkt ϕ1 ·ϕ2 · . . . ·ϕm stimmt mit ϕ auf jedem Kj ,also auch auf B[ϕ] und damit auf ganz 1, 2, . . . , n uberein.Sei schließlich ϕ = ψ1 ·ψ2 · . . . ·ψk eine Faktorisierung von ϕ in Zykel ψl mit paarweise disjunktenWirkungsbereichen B[ψl] fur alle 1 ≤ l ≤ k . Dann ist ϕ|B[ψl] = ψl , und damit ist B[ψl] eineder Aquivalenzklassen K1,K2, . . . ,Km . Wegen

B[ϕ] =m⋃j=1

Kj =m⋃j=1

B[ϕj ] =k⋃l=1

B[ψl]

ist k = m , und wir konnen die Numerierung so wahlen, daß B[ψl] = Kl = B[ϕl] gilt. Dannstimmen ψl und ϕl auf Kl und damit auf 1, 2, . . . , n uberein.

Page 273: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

§ 49. DIE SYMMETRISCHE GRUPPE Sn 265

49.8 Beispiele

a) Es ist S3 = (1) , (1, 2) , (1, 3) , (2, 3) , (1, 2, 3) , (1, 3, 2) mit (1) = id1,2,3 .

b) Fassen wir die Klein’sche Vierergruppe A(2,2) als Untergruppe der symmetrischen GruppeS4 auf, so ist

A(2,2) ∼=

id ,

(1 2 3 42 1 4 3

),

(1 2 3 43 4 1 2

),

(1 2 3 44 3 2 1

)

(vgl. Beispiel 44.14a). In Zykel–Schreibweise erhalten wir:

A(2,2) ∼= (1) , (1, 2)(3, 4) , (1, 3)(2, 4) , (1, 4)(2, 3) .

c) Es ist

ϕ =

(1 2 3 4 5 6 7 82 3 7 4 8 5 1 6

)= (1, 2, 3, 7)(5, 8, 6) .

Hier konnen wir die Beweisschritte von Satz 49.7 gut nachvollziehen:Es gilt: B[ϕ] = 1, 2, 3, 5, 6, 7, 8 ; und sei K1 die Aquivalenzklasse mit 1 ∈ K1 . Dannist 2 ∼ 1 , da ϕ(1) = 2 , 3 ∼ 2 , da ϕ(2) = 3 , und 7 ∼ 3 , da ϕ(3) = 7 . Also istK1 = 1, 2, 3, 7 . Entsprechend folgt: K2 = 5, 8, 6 .

d) Hat man ϕ = (1, 4, 7, 6, 3)(2, 4, 3)(4, 5, 8, 1) , so ist dies noch nicht die kanonische Fakto-risierung. Wir erhalten die kanonische Faktorisierung als ϕ = (2, 7, 6, 3)(4, 5, 8) .

e) Berechne:

[(1, 2, 3, 7)(5, 8, 6)]22 Satz 49.6= (1, 2, 3, 7)22(5, 8, 6)22

Bem. 49.2f)= (1, 2, 3, 7)2(5, 8, 6)1

= (1, 3)(2, 7)(5, 8, 6) .

Dies ist die gewunschte kanonische Faktorisierung.

49.9 Bemerkung

Aus Satz 49.7 und Bemerkung 49.2d) folgt, daß sich jede Permutation σ ∈ Sn als Produkt vonTranspositionen schreiben laßt. In §10 (siehe Lineare Algebra I) haben wir bereits gezeigt,daß das Signum von σ — definiert uber den Begriff des Fehlstandes — dann mit Hilfe derTranspositionen, die σ faktorisieren, berechnet werden kann. Ist namlich σ = τ1 · τ2 · . . . · τkmit Transpositionen τi , so gilt: signσ = (−1)k . Ferner gilt: sign(σ τ) = (signσ)(sign τ) fur alleσ, τ ∈ Sn . Also ist ε : Sn → −1, 1 mit ε(σ) := signσ ein Gruppen–Homomorphismus vonSn auf die multiplikative Gruppe −1, 1 (mit n ≥ 2 ). Dann ist die alternierende Gruppe (vgl.Definition 10.9) An = Ker ε ; daher gilt nach dem Homomorphiesatz 44.11:

Sn/An = Sn/Ker ε ∼= −1, 1 , und damit: |Sn/An| =|Sn ||An |

= 2 oder: |An | = 12 n! .

Speziell ist A2 = (1) und A3 = (1) , (1, 2, 3) , (1, 3, 2) .

Page 274: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

266 KAPITEL XI. GRUPPEN

49.10 Satz

Fur alle n ≥ 3 wird die alternierende Gruppe An von den 3-Zykeln erzeugt.

Beweis:

Ist (i, j, k) ein 3-Zykel, so gilt: (i, j, k) = (i, j)(j, k) , also sign(i, j, k) = 1 . Damit liegen alle3-Zykeln in An . Ist umgekehrt σ ∈ An und σ ein Produkt von Transpositionen, so gibt es einegerade Anzahl von Transpositionen. Wir fassen je zwei zusammen zu der Permutation (i, j)(k, l)und zeigen, daß sich jedes solche Produkt als Produkt von 3-Zykeln schreiben laßt. Nun gilt:

(i, j)(i, j) = (1) = (1, 2, 3)3

(i, j)(j, l) = (i, j, l) , falls i 6= l

(i, j)(k, l) = (i, j)(j, k)(j, k)(k, l)= (i, j, k)(j, k, l) im Falle B[(i, j)] ∩B[(k, l)] = ∅ .

49.11 Hilfssatz

Fur n ≥ 5 sind samtliche 3-Zykeln in An zueinander konjugiert.

Beweis:

Gemaß Bemerkung 42.8 ist zu zeigen, daß zu je zwei 3-Zykeln ϕ = (i1, i2, i3) und ϕ = (j1, j2, j3)ein ψ ∈ An existiert mit ψ ϕψ−1 = ϕ . Dazu definieren wir eine Abbildung ψ1 ∈ Sn durchψ1(ik) := jk fur k = 1, 2, 3 und Fortsetzung auf 1, 2, . . . , n \ i1, i2, i3 . Dann ist

ψ1 ϕψ1−1(ψ1(ik)) = ψ1(ik+1) = jk+1 fur k = 1, 2 ,

ψ1 ϕψ1−1(ψ1(i3)) = ψ1(i1) = j1 fur k = 3 und

ψ1 ϕψ1−1(ψ1(l)) = ψ1(l) fur alle anderen l ∈ 1, 2, . . . , n \ i1, i2, i3 .

Also ist ψ1 ϕψ1−1 = (j1, j2, j3) = ϕ . Wegen n ≥ 5 gibt es eine mit ϕ vertauschbare

Transposition (i4, i5) in Sn . Setzen wir dazu ψ2 := ψ1(i4, i5) , so ist

ψ2 ϕψ2−1 = ψ1 ϕ(i4, i5)(i4, i5)ψ1

−1

= ψ1 ϕψ1−1

= ϕ .

Und wegen signψ2 = − signψ1 gehort eine der beiden Permutationen ψ1 oder ψ2 zu An .

49.12 Satz

Fur alle n ≥ 5 ist An eine einfache Gruppe.

Page 275: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

§ 49. DIE SYMMETRISCHE GRUPPE Sn 267

Beweis zu Satz 49.12:

Gemaß Definition 44.10 ist zu zeigen, daß kein Normalteiler N von An existiert mit(1) ⊂

6=N ⊂6=

An . Sei dazu N ein Normalteiler von An mit (1) ⊂6=N ; wir zeigen, daß N ein

3-Zykel enthalt, etwa ϕ . Dann gilt namlich fur alle ψ ∈ An : ψ ϕψ−1 ∈ N . Und nach dem Hilfs-satz 49.11 sind dies samtliche 3-Zykeln in An . Nach Satz 49.10 liegt also ein Erzeugendensystemvon An in N ; also ist An = N .Sei nun f ∈ N \ (1) und f = f1 · f2 · . . . · ft die kanonische Faktorisierung. Wir machen eineFallunterscheidung nach der Anzahl der in den Zykeln f1, f2, . . . , ft auftretenden Zahlen.

1. Fall: Es existiert mindestens ein r-Zykel mit r ≥ 4 . Wegen Satz 49.6 konnen wir ohne Be-schrankung der Allgemeinheit annehmen, daß f1 = (i, j, k, l, . . . ) ist mit paarweise verschiedenenZahlen i, j, k, l . Wir setzen g := (i, j, k) ; dann ist ϕ := f(g f−1 g−1) ∈ N , und es gilt:

ϕ = (f(i, j, k) f−1)(k, j, i)= [ft · ft−1 · . . . · f2(i, j, k, l, . . . )(i, j, k)(. . . , l, k, j, i) f2

−1 · . . . · ft−1](k, j, i)= (j, k, l)(k, j, i)

⇐⇒ ϕ = (i, l, j) .

Also ist ϕ das gewunschte 3-Zykel.

2. Fall: In der Faktorisierung gibt es mindestens ein 3-Zykel und sonst — wenn uberhaupt —nur Transpositionen. Daher gilt: f = (i, j, k)(l,m, .)f3 · f4 · . . . · ft , wobei i, j, k, l,m paarweiseverschieden sind und (l,m, .) ein 3-Zykel oder eine Transposition ist. Wir setzen nochg := (i, j, l) , dann ist ϕ := f(g f−1 g−1) ∈ N und

ϕ = [ft · ft−1 · . . . · f3(l,m, .)(i, j, k)(i, j, l)(k, j, i)(.,m, l) f3−1 · f4

−1 · . . . · ft−1](l, j, i)= (j, k,m)(l, j, i)= (i, l, k,m, j)

ein 5-Zykel. Nach Fall 1 existiert dann ein 3-Zykel in N .

3. Fall: Ist f = f1 · f2 · . . . · ft ein Produkt von Transpositionen, so gilt wegen f ∈ An :f = (i, j)(k, l) f3 · f4 · . . . · ft mit geradem t und paarweise verschiedenen i, j, k, l . Wegenn ≥ 5 existiert nun ein m ∈ 1, 2, . . . , n \ i, j, k, l . Wir setzen schließlich g := (i, k,m) undbezeichnen ϕ := f(g f−1 g−1) ∈ N zu

ϕ = [ft · ft−1 · . . . · f3(k, l)(i, j)(i, k,m)(j, i)(l, k) f3−1 · . . . · ft−1](m, k, i)

=

(j, l, f(m))(m, k, i) = (i, j, l,m, k) , falls m = f(m)(j, l, f(m))(m, k, i) = (i,m, k)(j, l, f(m)) , falls m 6= f(m)

wegen f3 = (m, f(m)) und f3−1 = (f(m),m)

.

Im Fall m = f(m) konstruieren wir das 3-Zykel gemaß Fall 1 , und im Fall m 6= f(m)konstruieren wir das 3-Zykel gemaß Fall 2 .

Page 276: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

268 KAPITEL XI. GRUPPEN

49.13 Bemerkung

Die Gruppen A1 = S1 = (1) , A2 = (1) und A3 = (1) , (1, 2, 3) , (1, 3, 2) sind einfach; dieGruppe A4 ist nicht einfach (vgl. Ubungsaufgabe 44–4). Und A5 ist die kleinste nicht–abelscheeinfache Gruppe (vgl. Ubungsaufgabe 47–11).

Es existiert eine vollstandige Klassifizierung aller einfachen Gruppen mit endlicher Ordnung.

§ 50 Auflosbare Gruppen

50.1 Definition

Es sei G eine Gruppe und g, h ∈ G zwei Elemente der Gruppe; dann heißt

[g, h] := g h g−1 h−1

der Kommutator von g und h. Die von allen Kommutatoren erzeugte Gruppe

K(G) := <[g, h] | g, h ∈ G>heißt Kommutatorgruppe von G.

50.2 Bemerkungen

a) Wegen [g, h]−1 = h g h−1 g−1 = [h, g] besteht K(G) gemaß Satz 42.13 aus allen endlichenProdukten von Kommutatoren.

b) Aus g h = [g, h]h g ersehen wir, daß [g, h] ein ”Maß“ fur die ”Nicht–Kommutativitat“ vong h ist. Sind g und h vertauschbar, so ist [g, h] = e . Eine Gruppe G ist also genau dannabelsch, wenn K(G) = e gilt.

50.3 Satz

Es sei G eine Gruppe; dann gilt:

a) Die Kommutatorgruppe K(G) ist ein Normalteiler von G .

b) Fur einen Normalteiler N von G ist G/N genau dann abelsch, wenn K(G) ⊂ N gilt.

Beweis:

zu a): Gemaß Satz 44.2 ist fur alle x ∈ G zu zeigen: xK(G)x−1 ⊂ K(G) . Dies istaquivalent zu ϕ(K(G)) ⊂ K(G) fur alle ϕ ∈ AutG . Ist nun ϕ ein Gruppen–Homo-morphismus auf G , so gilt:

ϕ([g, h]) = ϕ(g h g−1 h−1) = ϕ(g)ϕ(h)ϕ(g)−1 ϕ(h)−1 = [ϕ(g), ϕ(h)] .

Also ist ϕ([g, h]) ∈ K(G) fur alle [g, h] ∈ K(G) und alle ϕ ∈ AutG . Ist jetztz ∈ K(G) beliebig, so gilt:

z = [g1, h1] · [g2, h2] · . . . · [gr, hr] , also: ϕ(z) = [ϕ(g1), ϕ(h1)] · . . . · [ϕ(gr), ϕ(hr)]

fur alle ϕ ∈ AutG oder: x z x−1 ∈ K(G) fur alle z ∈ K(G) und alle x ∈ G .

Page 277: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

§ 50. AUFLOSBARE GRUPPEN 269

zu b):

G/N ist abelsch ⇐⇒ g N · hN = (g h)N = (h g)N = hN · g N ∀g,h∈G⇐⇒ (h g)−1 g h = g−1 h−1 g h ∈ N ∀g,h∈G⇐⇒ [g−1, h−1] ∈ N ∀g,h∈G

Wegen G−1 = G ist dies aquivalent zu K(G) ⊂ N .

50.4 Folgerung

Ist G eine Gruppe, so ist G/K(G) stets abelsch.

50.5 Satz

a) Fur alle n ≥ 2 gilt: K(Sn) = An .

b) Fur alle n ≥ 5 gilt: K(An) = An .

Beweis:

zu a): S2 ist abelsch, also K(S2) = (1) = A2 . Ist n ≥ 3 , so ist jedes 3-Zykel (i, j, k) mitpaarweise verschiedenen i, j, k ∈ 1, 2, . . . , n ein Kommutator in Sn wegen

(i, j, k) = (i, k, j)(i, k, j) = (i, k)(k, j)(i, k)(k, j) = [(i, k) , (k, j)] .

Mit Satz 49.10 folgt daraus: An ⊂ K(Sn). Wegen [Sn : An] = 2 (vgl. Bemerkung 49.9)ist Sn/An abelsch; Satz 50.3 liefert dann: K(Sn) ⊂ An . Also gilt: K(Sn) = An .

zu b): Nach Satz 50.3 ist K(An) ein Normalteiler von An . Und Satz 49.12 liefert dann:K(An) = (1) oder K(An) = An . Da An jedoch fur n ≥ 5 nicht abelsch ist, gilt:K(An) 6= (1) .

50.6 Bemerkung

Es ist K(S2) = A2 = (1) , K(S3) = A3 und K(A3) = (1) , da A3 abelsch ist. Ferner istK(S4) = A4 , K(A4) = A(2,2) und K(A(2,2)) = (1) .(Denn: Es ist K(A4) ein Normalteiler von A4 , also K(A4) = (1) , K(A4) = A(2,2) oderK(A4) = A4 (gemaß Ubungsaufgabe 44–4). Nun ist K(A4) 6= (1) , da A4 nicht abelsch ist;wegen ord (A4/A(2,2)) = 3 prim ist A4/A(2,2) abelsch; und ware K(A4) = A4 , so ergibt sichmit Satz 50.3: A4 ⊂ A(2,2) im Widerspruch zu den Ordnungen.)

50.7 Definition

Wir definieren induktiv fur n ∈ IN und eine Gruppe G :

K0(G) := G , Kn+1(G) := K(Kn(G)) .

Eine Gruppe G heißt auflosbar, wenn ein m ∈ IN existiert mit Km(G) = e .

Page 278: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

270 KAPITEL XI. GRUPPEN

50.8 Satz

Die symmetrische Gruppe Sn ist fur n = 1, 2, 3, 4 auflosbar und fur alle n ≥ 5 nicht auflosbar.

Beweis:

Es ist S1 = K0(S1) = (1) , K1(S2) = A2 = (1) , K2(S3) = K(A3) = (1) undK3(S4) = K(K(A4)) = K(A(2,2)) = (1) . Fur alle n ≥ 5 ist Kt(Sn) = An fur alle t ≥ 1 , alsoKt(Sn) 6= (1) fur alle t ∈ IN .

50.9 Satz

Es seien G eine Gruppe, U eine Untergruppe von G und N ein Normalteiler in G . Dann gilt:

a) Ist G auflosbar, so auch U .

b) Ist G auflosbar, so auch G/N .

c) Sind N und G/N auflosbar, so ist G auflosbar.

Beweis:

zu a): Durch vollstandige Induktion nach n folgt: Kn(U) ⊂ Kn(G) . X

zu b): Ist π : G→ G/N der kanonische Epimorphismus, und sind g, h ∈ G , dann folgt:[π(g), π(h)] = π([g, h]) ; also ist K(G/N) = π(K(G)) . Daraus folgt mit Iteration:Kn(G/N) = π(Kn(G)) . Ist nun Km(G) = e fur ein m ∈ IN , so gilt:

Km(G/N) = π(e) = N .

zu c): Sei m ∈ IN mit Km(G/N) = N ; dann ist Km(G) ⊂ N wegenKm(G/N) = π(Km(G)) . Ist r ∈ IN mit Kr(N) = e , so folgt insgesamt:

Km+r(G) = Kr(Km(G)) ⊂ Kr(N) = e .

50.10 Satz

Es sei p eine Primzahl und G ein Gruppe der Ordnung pn mit n ∈ IN . Dann ist G auflosbar.

Beweis:

Vollstandige Induktion nach n : Der Fall n = 0 ist trivial. Xn→ n+1: Sei nun ordG = pn mit n ≥ 1 . Nach Satz 46.10 ist das Zentrum Z(G) nicht–trivial,d. h. ord (Z(G)) = pr mit r ≥ 1 . Dann ist ord (G/Z(G)) = pn−r und n − r < n ; gemaßInduktionsvoraussetzung ist G/Z(G) auflosbar. Als abelsche Gruppe ist Z(G) auflosbar, alsoist nach Satz 50.9c) auch G auflosbar.

Page 279: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

Kapitel XII

Zahlprinzipien

Die Euler’sche Funktion ϕ zahlt in einer Gruppe der Ordnung n die Elemente der Ordnung n ,d. h.:

ϕ(n) = |m ∈ 1, 2, . . . , n | ggT(m,n) = 1| .

Ist fur n ≥ 2 die Primfaktorzerlegung n = p1k1 · p2

k2 · . . . · prkr mit paarweise verschiedenenPrimzahlen pi bekannt, so gilt:

ϕ(n) =r∏i=1

piki(1− 1

pi

).

Mit A(n) haben wir die Anzahl nicht–isomorpher abelscher Gruppen der Ordnung n bezeichnet.Ist n = p1

k1 · p2k2 · . . . · prkr wie oben, dann gilt:

A(n) =r∏i=1

A(piki) ;

und zur Bestimmung von A(piki) benotigt man die Anzahl der Partitionen von ki (vgl. Bemer-kung 48.6).

§ 51 Erste Zahlprinzipien

Fur alle n ∈ IN bezeichnen wir mit INn die Menge

INn := 1, 2, 3, . . . , n

der ersten n positiven naturlichen Zahlen; d. h. im Fall n = 0 beachte: IN0 := ∅ .Eine Menge X heißt n-elementig, wenn eine bijektive Abbildung f : X → INn existiert.

51.1 Satz

Sind m,n ∈ IN∗ mit n < m , so existiert keine injektive Abbildung von INm nach INn .

271

Page 280: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

272 KAPITEL XII. ZAHLPRINZIPIEN

Beweis zu Satz 51.1:

Sei S := m ∈ IN∗ | es existiert eine injektive Abbildung f : INm → INn fur irgendein n < m.Angenommen, es ware S 6= ∅ ; dann enthielte S ein kleinstes Element, etwa k , und es existierteeine injektive Abbildung f : INk → INl fur irgendein l < k . Ferner gilt: l 6= 1 , da es keineinjektive Abbildung von INk nach IN1 = 1 fur k > 1 gibt. Also ist l − 1 ∈ IN∗ .Gilt: f(j) 6= l fur alle j = 1, 2, . . . , k−1 , so betrachte f |INk−1

. Dann ist f |INk−1eine injektive

Abbildung von INk−1 nach INl−1 .Ist f(b) = l fur ein b ∈ 1, 2, . . . , k−1, so folgt: f(k) = c 6= l . Wir betrachten f∗ : INk−1 → INl−1

mit f∗(b) = c und f∗(r) = f(r) fur alle r ∈ INk−1 \ b . Dann ist f∗ eine injektive Abbildung.In beiden Fallen erhalten wir also jeweils einen Widerspruch zu Minimalitat von k .

51.2 Bemerkung

Die Aussage von Satz 51.1 findet man in der Literatur unter verschiedenen Namen, etwa:

a) ”(Dirichlet’sches76) Schubfachprinzip“:Sind m,n ∈ IN∗ mit n < m , und verteilt man m Kugeln auf n Schubfacher, so enthaltmindestens ein Schubfach mehr als eine Kugel.

b) ”Taubenschlag–Prinzip“:Wenn m Objekte auf n Boxen verteilt werden mit m > n , so enthalt mindestens eine Boxmehr als ein Objekt.

51.3 Definition

Eine nichtleere Menge X heißt unendlich, wenn eine injektive Abbildung IN → X existiert.Gibt es eine bijektive Abbildung von IN nach X , so heißt X abzahlbar(–unendlich).Sonst heißt X uberabzahlbar.Und X heißt endlich, wenn X n-elementig ist fur ein n ∈ IN . Wir schreiben dann: |X| := n .

Sind nun X1, X2, . . . , Xn endliche Mengen, die paarweise disjunkt sind, d. h. Xi ∩Xj = ∅ furalle i 6= j , so gilt: ∣∣∣ n⋃

i=1

Xi

∣∣∣ =n∑i=1

|Xi| . (∗)

Eine einfache Anwendung ist das sogenannte verallgemeinerte Taubenschlag–Prinzip:

Wenn m Objekte auf n Boxen verteilt werden mit m > n · r (fur ein r ∈ IN∗ ), soenthalt mindestens eine Box wenigstens r + 1 Objekte.

Sind X,Y endliche Mengen, und ist S ⊂ X × Y eine Teilmenge, so definieren wir fur x ∈ Xdie Zeilensumme zx(S) durch

zx(S) := |y ∈ Y | (x, y) ∈ S|76Johann Peter Gustav Lejeune–Dirichlet, deutscher Mathematiker (?13.02.1805, †05.05.1859)

Page 281: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

§ 51. ERSTE ZAHLPRINZIPIEN 273

und fur y ∈ Y die Spaltensumme sy(S) durch

sy(S) := |x ∈ X | (x, y) ∈ S| .

X \ Y y1 y2 · · · ynx1

x2... ← zx(S)xm

↑sy(S)

51.4 Satz

Sind X,Y 6= ∅ endlich und S ⊆ X × Y , so gilt:

|S| =∑x∈X

zx(S) =∑y∈Y

sy(S) ,

also speziell: |X × Y | = |X| · |Y | .

Beweis:

Ist X = x1, x2, . . . , xm und Y = y1, y2, . . . , yn , so definieren wir

Xi := (xi, y) ∈ X × Y | (xi, y) ∈ S und Yj := (x, yj) ∈ X × Y | (x, yj) ∈ S .

Dann sind die Xi bzw. Yj paarweise disjunkt mit

S =m⋃i=1

Xi =n⋃j=1

Yj und |Xi| = zxi(S) bzw. |Yj | = syj (S) .

Es gilt die Aussage (∗):∣∣∣ m⋃i=1

Xi

∣∣∣ =m∑i=1

|Xi| , falls Xi ∩Xj = ∅ ist fur alle i 6= j .

Und (∗) liefert dann die Behauptung.

Sind X1, X2, . . . , Xn endliche Mengen, so erhalten wir durch Induktion nach n :∣∣∣ n

Xi=1

Xi

∣∣∣ =n∏i=1

|Xi| . (∗∗)

Die Aussage (∗) wird auch Summenregel und (∗∗) Produktregel genannt.

51.5 Satz

Es sei n ∈ IN∗ ; dann gilt:n∑d=1

d teilt n

ϕ(d) = n .

Page 282: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

274 KAPITEL XII. ZAHLPRINZIPIEN

Beweis zu Satz 51.5:

Wir schreiben kunftig zur Abkurzung d |n statt ”d teilt n“ als Laufindex.Sei X = Y = INn und S := (d, f) ∈ INn2 | 1 ≤ f ≤ d , ggT(d, f) = 1 , d |n ; dann gilt fur alled ∈ INn mit d |n :

zd(S) = |f ∈ 1, 2, . . . , d | ggT(d, f) = 1| = ϕ(d) , also: |S| =∑d |n

zd(S) =∑d |n

ϕ(d) .

Es bleibt zu zeigen: |S| = n . Dazu konstruieren wir eine bijektive Abbildung β : S → INn .Fur (d, f) ∈ S sei β(d, f) := f · n

d; wegen d |n folgt: β(d, f) ∈ IN und wegen 1 ≤ f ≤ d ist

β(d, f) ∈ IN∗ , also β wohldefiniert.Zur Injektivitat von β :Aus β(d, f) = β(d′, f ′) folgt: f · n

d= f ′ · n

d′⇐⇒ fd′ = f ′d ; wegen ggT(d, f) = 1 existieren

dann m,n ∈ ZZ mit md+ nf = 1 (vgl. §43). Daraus ergibt sich:

f ′ = (md+ nf)f ′

= mdf ′ + nff ′

= md′f + nf ′f

f ′ = (md′ + nf ′)f ⇐⇒ f | f ′ .

Entsprechend folgt wegen ggT(d′, f ′) = 1 : f ′ | f . Damit ist f = f ′ oder f = −f ′ , jedochbleibt wegen f, f ′ ∈ IN∗ nur f = f ′ und somit auch d = d′ .Zur Surjektivitat von β :Sei x ∈ INn ; wir setzen gx := ggT(x, n) , dx :=

n

gxund fx :=

x

gx. Dann sind dx, fx ∈ IN∗ , und

es gilt: ggT(dx, fx) = 1 . Es ist (dx, fx) ∈ S , und weiter folgt:

β(dx, fx) = fx ·n

dx=

x

gx· nngx

= x .

Insgesamt ergibt sich also: |S| = n .

51.6 Beispiel

Ist n = 12 , so sind zu berechnen: ϕ(1), ϕ(2), ϕ(3), ϕ(4), ϕ(6), ϕ(12) ; dabei ist

ϕ(1) = 1ϕ(2) = 1ϕ(3) = 2ϕ(4) = 2ϕ(6) = 2

+ ϕ(12) = 412

51.7 Definition

Gegeben sei ein Menge Y , etwa Y = y1, y2, . . . , yn ; ist dann m ∈ IN∗ , so heißt eine Abbildungf : INm → Y ein Wort der Lange m im Alphabet Y .

Page 283: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

§ 52. TEILMENGEN UND DESIGNS 275

51.8 Beispiel

Ist etwa Y = a, b, c, d und m = 3 , so ist f : IN3 → Y mit f(1) = c , f(2) = a und f(3) = bein Wort der Lange 3 im Alphabet Y . Und f wird vollstandig durch ein geordnetes 3-Tupel,namlich durch (c, a, b) beschrieben. Durch Weglassen der Klammern und Kommas entsteht dasWort cab . Im obigen Sinne ist z. B. auch dad oder cca oder ddd ein Wort der Lange 3 in Y .

Insgesamt gibt es fur ein Alphabet Y = y1, y2, . . . , yn genau nm Worter der Lange m in Y .Hierbei kommt es also entscheidend auf die Reihenfolge der Buchstaben, d. h. der Elemente ausdem Alphabet an.

51.9 Definition

Ist Y = y1, y2, . . . , yn endlich und m ∈ IN∗ , so heißt eine injektive Abbildung f : INm → Yeine geordnete Selektion von m Elementen einer n-elementigen Menge ohne Wiederholung.Dagegen heißt ein Wort der Lange m im Alphabet Y auch eine geordnete Selektion (von m Ele-menten einer n-elementigen Menge) mit Wiederholung.

51.10 Satz

Die Anzahl der geordneten Selektionen von m Elementen einer n-elementigen Menge Y ohneWiederholung ist77

(n)m :=m−1∏i=0

(n− i) = n · (n− 1) · (n− 2) · . . . · (n−m+1) .

Beweis:

Ist f : INm → Y eine injektive Abbildung, so ist f eindeutig bestimmt durch das geordnetem-Tupel (f(1), f(2), . . . , f(m)) ∈ Y m , wobei alle Komponenten paarweise verschieden sind. Furdie 1. Komponente gibt es n Moglichkeiten, fur die 2. Komponente (n− 1) Moglichkeiten, furdie 3. Komponente (n − 2) Moglichkeiten, . . . usw. und fur die m-te Komponente (n −m+1)Moglichkeiten.

§ 52 Teilmengen und Designs

52.1 Definition

Ist Y = y1, y2, . . . , yn und 0 ≤ m ≤ n , so heißt eine Teilmenge X ⊂ Y mit |X| = meine ungeordnete Selektion von m Elementen einer n-elementigen Menge ohne Wiederholung.Eine ungeordnete Selektion (von m Elementen einer n-elementigen Menge) mit Wiederholung78

ist ein m-Tupel der Form

( yi1 , yi1 , . . . , yi1︸ ︷︷ ︸k1-mal

, yi2 , yi2 , . . . , yi2︸ ︷︷ ︸k2-mal

, . . . , yir , yir , . . . , yir︸ ︷︷ ︸kr-mal

)

77Man nennt diese Zahl die fallende Fakultat von n mit m Faktoren; Sprechweise:”m unter n“.

78Hierbei spricht man auch von einer ungeordneten m-Auswahl (ohne bzw.) mit Vielfachheit aus der Menge Y .

Page 284: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

276 KAPITEL XII. ZAHLPRINZIPIEN

mit 1 ≤ i1 < i2 < . . . < ir ≤ m undr∑

%=1k% = m .

52.2 Bemerkung

Die Anzahl der ungeordneten Selektionen (von m Elementen einer n-elementigen Menge) ohne

Wiederholung ist

(n

m

).

52.3 Satz

Die Anzahl der ungeordneten Selektionen (von m Elementen einer n-elementigen Menge) mit

Wiederholung ist

(n+m− 1

m

).

Beweis:

Die gesuchte Anzahl sei A(n,m) ; dann ist zu zeigen: A(n,m) =

(n+m− 1

m

).

Vollstandige Induktion nach m :

m = 1 : Es ist A(n, 1) = n =

(n

1

). X

m → m + 1 : Sei A(k,m) =

(k +m− 1

m

)fur alle k ∈ IN∗ und ein m ≥ 1 . Zeige nun:

A(n,m + 1) =

(n+m

m+ 1

). Sei dazu ein (m + 1)-Tupel der oben aufgefuhrten Art gegeben mit

Y = y1, y2, . . . , yn . Ist dann dieses (m + 1)-Tupel von der Form (y1, . . . ) , so gibt es davongenau A(n,m) Stuck; ist das (m+ 1)-Tupel von der Form (y2, . . . ) , so gibt es davon A(n−1,m)Stuck, . . . usw.; und ist das (m+1)-Tupel von der Form (yn, yn, . . . , yn) , so gibt es davon genau1 = A(1,m) Stuck. Insgesamt gibt es also

A(n,m) +A(n− 1,m) + . . .+A(1,m) =

(n+m−1

m

)+

(n+m−2

m

)+ . . .+

(m

m

)=

(n+m

m+ 1

)

(m+ 1)-Tupel der geforderten Art.

52.4 Bemerkung

Wir erhalten folgende Ubersicht uber die maximale Anzahl verschiedener Selektionen von mElementen aus einer n-elementigen Menge:

geordnet ungeordnet

ohne Wiederholung (n)m

(n

m

)

mit Wiederholung nm(n+m− 1

m

)

Page 285: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

§ 52. TEILMENGEN UND DESIGNS 277

Gegeben seien endliche Mengen X1, X2, . . . , Xn ; wie viele Elemente enthalt nunn⋃i=1

Xi , wenn

nicht notwendig Xi ∩Xj = ∅ fur alle i 6= j gilt?Wir definieren zunachst:

α1 :=n∑i=1

|Xi| ,

α2 :=∑

1≤i<j≤n|Xi ∩Xj | ,

α3 :=∑

1≤i<j<k≤n|Xi ∩Xj ∩Xk| ,

...

αn :=∣∣∣ n⋂i=1

Xi

∣∣∣ .52.5 Satz (Das Sieb–Prinzip)

Fur endliche Mengen X1, X2, . . . , Xn gilt mit obigen Bezeichnungen:∣∣∣ n⋃i=1

Xi

∣∣∣ =n∑i=1

(−1)i−1αi .

Beweis:

Es ist m :=∣∣∣ n⋃i=1

Xi

∣∣∣ =∑

x1,x2,...,xm∈nSi=1

Xi

1 . Wir zeigen, daß jedes x ∈n⋃i=1

Xi auf der rechten Seite

der behaupteten Gleichung ebenfalls den Beitrag 1 liefert. Gehort x zu genau k der MengenX1, X2, . . . , Xn , so liefert x zu α1 den Beitrag k ; und zu α2 liefert x genau dann einen Beitrag,wenn x ∈ Xi ∩Xj ist. Da x in genau k Mengen liegt, gibt es

(k2

)Schnitte Xi ∩Xj , in denen x

liegt. Also ist der Beitrag von x zu α2 gerade(k

2

). Allgemein liefert x zu αi den Beitrag

(ki

)fur

alle 1 ≤ i ≤ k . Somit ist der Beitrag von x zur rechten Seite insgesamt gleichn∑i=1

(−1)i−1

(k

i

)=

k∑i=1

(−1)i−1

(k

i

).

Wegenk∑i=0

(−1)i−1(ki

)= 0 folgt:

k∑i=1

(−1)i−1

(k

i

)= 1 .

52.6 Folgerung

Ist X eine Menge mit N Elementen, und sind X1, X2, . . . , Xn Teilmengen von X , so gilt:∣∣∣X \ n⋃i=1

Xi

∣∣∣ = N −∣∣∣ n⋃i=1

Xi

∣∣∣ = N +n∑i=1

(−1)iαi .

Page 286: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

278 KAPITEL XII. ZAHLPRINZIPIEN

52.7 Beispiel

Von 73 Studenten einer Mathematik–Vorlesung

sprechen 52 Franzosisch (F),sprechen 25 Italienisch (I),sprechen 20 Russisch (R),sprechen 17 Franzosisch und Italienisch,sprechen 12 Franzosisch und Russisch,sprechen 7 Italienisch und Russisch,

spricht 1 Franzosisch und Italienisch und Russisch.

Wieviele Studenten sprechen nun keine dieser drei Fremdsprachen?Es ergibt sich mit Anwendung des Sieb–Prinzips 52.5 und Folgerung 52.6:

α1 = |F|+ |I|+ |R| = 52 + 25 + 20 = 97 ,α2 = |F ∩ I|+ |F ∩ R|+ |I ∩ R| = 17 + 12 + 7 = 36 ,α3 = |F ∩ I ∩ R| = 1 ;

also sprechen genau 73− 97 + 36− 1 = 11 Studenten keine der drei Fremdsprachen.

52.8 Definition

Wir definieren eine Funktion µ : IN∗ → −1, 0, 1 durch

µ(d) :=

1 , falls d = 1 gilt.(−1)k , falls d das Produkt von k paarweise verschiedenen Primzahlen ist.0 , falls in der Primfaktorzerlegung von d mindestens eine Primzahl mit

Exponent ≥ 2 auftaucht.Dann heißt µ Mobius–Funktion79.

52.9 Bemerkung

Ist n ∈ IN und n ≥ 2 , so gilt:∑d |n

µ(d) = 0 .

Beweis:

Sei n = p1k1 ·p2

k2 · . . . ·prkr mit paarweise verschiedenen Primzahlen p1, p2, . . . , pr und ki ∈ IN∗ .Teilt d die Zahl n , so gilt: d = p1

l1 · p2l2 · . . . · prlr mit 0 ≤ li ≤ ki . Es ist µ(d) 6= 0 , wenn

0 ≤ li ≤ 1 fur alle 1 ≤ i ≤ r gilt. Jedem solchen Teiler d von n ordnen wir die Teilmengepi ∈ p1, p2, . . . , pr | li = li(d) = 1 von p1, p2, . . . , pr zu.Umgekehrt gehort zu jeder solchen Menge ein Teiler d von n mit µ(d) 6= 0 . Die Anzahl derk-elementigen Teilmengen von p1, p2, . . . , pr ist

(rk

), und jedes zugehorige d liefert den Wert

µ(d) = (−1)k . Also betragt die Summe∑d |n

µ(d) = 1−(r

1

)+

(r

2

)∓ . . . + (−1)r

(r

r

)= 0 .

79August Ferdinand Mobius, deutscher Mathematiker und Astronom (?17.11.1790, †26.09.1868)

Page 287: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

§ 52. TEILMENGEN UND DESIGNS 279

52.10 Satz (Mobius’sche Umkehrformel)

Gegeben sei eine Funktion g : IN∗ → IR , und es sei f : IN∗ → IR definiert durch

f(n) :=∑d |n

g(d) .

Dann gilt fur alle n ∈ IN∗ :g(n) =

∑d |n

µ(d) f(nd

).

Beweis:

Durch Einsetzen erhalten wir:∑d |n

µ(d) f(nd

)=∑d |n

µ(d) ·∑c | n

d

g(c) =∑

(c,d)∈Sµ(d) g(c)

mit S := (c, d) ; d |n und c | nd . Wegen d |n existiert ein s ∈ ZZ mit n = ds , d. h. s = nd ;

wegen c | nd existiert ein t ∈ ZZ mit s = ct . Daraus folgt: n = ds = d(ct) = c(dt) , d. h. c |nmit n

c = dt oder d | nc . Also sind (d |n ∧ c | nd ) und (c |n ∧ d | nc ) aquivalent. Somit gilt:∑(c,d)∈S

µ(d) g(c) =∑c |n

g(c) ·∑d | n

c

µ(d) .

Ist nc ≥ 2 , so folgt nach Bemerkung 52.9:

∑d | n

c

µ(d) = 0 . Damit lautet die fragliche Summe:

∑d |n

µ(d) f(nd

)=∑n |n

g(n) ·∑d | 1

µ(d) = g(n) · 1 = g(n) .

52.11 Folgerung

Fur die Euler’sche Funktion ϕ gilt:

ϕ(n) =∑d |n

µ(d) · nd.

Beweis:

Setze einfach g = ϕ in Satz 52.10 und berucksichtige Satz 51.5, dann ist f = idIN∗ .

Page 288: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

280 KAPITEL XII. ZAHLPRINZIPIEN

Gegeben seien v Variationen eines Produktes. Eine jede Testperson moge nun k Variationen desProduktes testen, und die Anzahl jeder der getesteten Variationen solle genau r sein.Gilt z. B.: v = 8 , k = 4 und r = 3 , so ist folgendes Schema bei 6 Testpersonen moglich:

1 2 3 4 , 5 6 7 8 , 1 3 5 7 ,2 4 6 8 , 1 2 4 7 , 3 5 6 8 .

52.12 Definition

Es sei X eine Menge mit |X| =: v ; eine Familie B von paarweise verschiedenen k-elementigenTeilmengen von X heißt ein Design (oder Blockplan) mit den Parametern (v, k, r), wenn jedesx ∈ X in genau r Mengen B von B liegt. Ein B ∈ B heißt auch Block des Designs B.80

(Im obigen Beispiel liegt also ein Design mit den Parametern (8, 4, 3) vor.)

52.13 Satz

Es existiert genau dann ein Design B mit den Parametern (v, k, r) , wenn gilt:

k | v · r undv · rk≤(v

k

).

Beweis:

”⇒“: Es sei B ein Design; wir betrachten die Teilmenge S := (x,B) | x ∈ B von X ×B .Dann ist die Zeilensumme

zx(S) = |B ∈ B | (x,B) ∈ S| = |B ∈ B | x ∈ B|

die Anzahl der Mengen aus B , in denen x liegt; und die Spaltensumme

sB(S) = |x ∈ X | (x,B) ∈ S| = |x ∈ X | x ∈ B|

ist stets gleich k . Satz 51.4 liefert dann:

|S| =∑x∈X

zx(S) =∑B∈B

sB(S) = |B| · k .

Liegt ein Design B vor, so ist |B ∈ B | x ∈ B| = r , also |X| r = v r = |B| k =: b k ,d. h. k | v r .

Wegen |B| ≤(v

k

)folgt weiter: |B| = v r

k≤(v

k

).

”⇐“: Wir setzen b :=v r

k∈ IN∗; sei C eine Familie von b verschiedenen k-elementigen Teilmengen

von X , S := (x,C) | x ∈ C ⊂ X × C und zx(S) = |C ∈ C | x ∈ C| . Dann gilt:∑x∈X

zx(S) = b k = v r .

80Da nur paarweise verschiedene Blocke zugelassen sind, ist hier nur von einfachen Designs die Rede.

Page 289: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

§ 52. TEILMENGEN UND DESIGNS 281

Ist zx(S) = r fur jedes x ∈ X , so ist C bereits ein Design. Wenn nicht, so existierenjedenfalls x1, x2 ∈ X mit zx1(S) > r > zx2(S) .Sei nun q12 die Anzahl der Mengen C ∈ C mit x1 ∈ C und x2 /∈ C , q12 die Anzahl derMengen C ∈ C mit x1 /∈ C und x2 ∈ C sowie q12 die Anzahl der Mengen C ∈ C mitx1 ∈ C und x2 ∈ C . Dann gilt:

q12 = zx1(S)− q12 , q12 = zx2(S)− q12 , also: q12 − q12 = zx1(S)− zx2(S) > 0 .

Wir andern nun die Mengen aus C ab. Jede der q12 Mengen C , die x1 enthalten, abernicht x2 , andern wir ab zu C∗ := (C \ x1) ∪ x2 . Wegen q12 − q12 > 0 ergibt sich somindestens eine Menge C∗0 , die nicht zu C gehort. Wir bilden C∗ := (C \ C0) ∪ C∗0 ;dann ist C∗ wieder eine Familie von b verschiedenen k-elementigen Teilmengen von X .Fur die Menge S∗ := (x,C) | x ∈ C ⊂ X × C∗ lautet die Zeilensumme

zx(S∗) = zx(S) fur alle x ∈ X \ x1, x2 ,zx1(S∗) = zx1(S)− 1 undzx2(S∗) = zx2(S) + 1 .

Ist C∗ ein Design, dann sind wir fertig; sonst wiederholen wir den obigen Schritt. Und nacheiner endlichen Anzahl von Schritten erhalten wir eine Menge C′ mit zx(S′) = r fur allex ∈ X . Damit ist C′ ein Design.

52.14 Bemerkung

Die zweite Behauptung aus Satz 52.13 laßt sich in der Form r ≤(v − 1k − 1

)schreiben, falls

v, k ≥ 1 gilt.

52.15 Definition

Es sei X eine Menge mit |X| = v ; eine Familie B von paarweise verschiedenen k-elementigenTeilmengen von X heißt ein t-Design mit den Parametern (v, k, rt), wenn jede t-elementige Teil-menge von X in den Blocken B ∈ B jeweils rt-mal enthalten ist.

52.16 Bemerkung

Ein Design ist also ein 1-Design; das ursprunglich betrachtete Beispiel mit X = 1, 2, 3, . . . , 8und B = 1, 2, 3, 4 , 5, 6, 7, 8 , 1, 3, 5, 7 , 2, 4, 6, 8 , 1, 2, 4, 7 , 3, 5, 6, 8ist ein 1-Design mit r1 = 3 . B ist kein 2-Design, da z. B. 1, 2 in genau zwei Blocken, jedoch1, 5 in nur einem Block und 1, 6 in gar keinem Block enthalten ist. Entsprechend kann mansich uberlegen, daß B kein 3-Design ist.Folgendes Teilmengensystem B′ bildet ein 3-Design mit v = 8 und k = 4 :

B′ = 1, 2, 3, 5 , 4, 6, 7, 8 , 1, 3, 4, 6 , 2, 5, 7, 8 , 1, 4, 5, 7 , 2, 3, 6, 8 , 1, 5, 6, 8 ,2, 3, 4, 7 , 1, 2, 6, 7 , 3, 4, 5, 8 , 1, 3, 7, 8 , 2, 4, 5, 6 , 1, 2, 4, 8 , 3, 5, 6, 7 .

Mit etwas Muhe zeigt man, daß jede 3-elementige Teilmenge von X in genau r3 = 1 Block vonB′ enthalten ist.

Page 290: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

282 KAPITEL XII. ZAHLPRINZIPIEN

52.17 Satz

Ist B ein t-Design, so ist B auch ein s-Design fur alle 1 ≤ s ≤ t− 1 .

Beweis:

Es genugt zu zeigen, daß B ein (t−1)-Design ist. Sei dazu |X| = v und S eine (t−1)-elementigeTeilmenge von X . Wir zahlen die folgende Menge ab:

M := (x,B) | x ∈ X , B ∈ B , x /∈ S und (x ∪ S) ⊂ B .

Es gibt v − (t−1) Elemente x ∈ X mit x /∈ S ; fur jedes solche x ist die Menge x ∪ S ingenau rt Blocken B enthalten. Also ist einerseits |M | = (v − (t−1)) · rt .Sei noch rs die Anzahl der Blocke B ∈ B mit S ⊂ B . Fur jedes solche B ist (x,B) ∈M , wennx ∈ B \ S gewahlt wird. Nun enthalt B \ S genau k − (t−1) Elemente; also ist anderer-

seits |M | = (k− (t−1)) · rs . Damit gilt: rs =v − (t−1)k − (t−1)

· rt , d. h. rs bleibt konstant fur jede

(t− 1)-elementige Teilmenge; und daher ist B ein (t− 1)-Design mit rt−1 =v − (t−1)k − (t−1)

· rt .

52.18 Bemerkung

Satz 52.17 gilt auch fur t = 1 ; ist namlich S = ∅ , so gilt:

rs = |B| = b , und wir erhalten: b = r0 =v

k· r1 .

Fur das 3-Design aus Bemerkung 52.16 ergibt sich daraus:

B′ ist ein Design mit r1 = 7 und ein 2-Design mit r2 =8− 24− 2

r3 = 3 r3 = 3 .

52.19 Folgerungen

Es sei B ein t-Design mit den Parametern (v, k, rt) .

a) Betrachten wir B als s-Design mit 1 ≤ s ≤ t− 1 , so ist

rs =(v − s) · (v − s−1) · . . . · (v − t+1)(k − s) · (k − s−1) · . . . · (k − t+1)

· rt .

b) Fur jedes s ∈ 1, 2, . . . , t−1 muß gelten:

(k − s) · (k − s−1) · . . . · (k − t+1) | (v − s) · (v − s−1) · . . . · (v − t+1) · rt .

52.20 Bemerkung

Ist t ≥ 2 , so ist die Teilbarkeitsbedingung aus Satz 52.13 nicht hinreichend fur die Existenzeines t-Designs.

Page 291: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

§ 53. PARTITIONEN UND VERTEILUNGEN 283

§ 53 Partitionen und Verteilungen

53.1 Definition

Gegeben sei eine Menge X ; eine Familie (Xi)i∈I von nichtleeren Teilmengen von X heißteine Partition von X, wenn gilt:

(i) X =⋃i∈I

Xi .

(ii) Xi ∩Xj = ∅ fur alle i 6= j .

Ein Xi heißt dann auch Teil der Partition.

53.2 Bemerkung

In §22 (siehe Lineare Algebra I) haben wir gezeigt, daß jede Aquivalenzrelation ∼ auf einerMenge X 6= ∅ eine Partition von X definiert. Die Teile der Partition sind dann namlich dieAquivalenzklassen bezuglich ∼ .

53.3 Satz

Ist (Xi)i∈I eine Partition von X , so wird durch

x ∼ x′ :⇐⇒ ∃i∈I mit x, x′ ∈ Xi

eine Aquivalenzrelation auf X festgelegt mit den Aquivalenzklassen Xi .

Beweis:

(A1) – (A3) sind klar. X Ist Kx eine Aquivalenzklasse, so ist x ∈ Xi fur ein i ∈ I , und damitgilt: Kx = x′ ∈ X | x′ ∼ x = Xi .

53.4 Satz

Es sei nun X eine endliche Menge mit |X| = n ; fur alle 1 ≤ k ≤ n bezeichne S(n, k) dieAnzahl der Partitionen von X in k Teile. Dann gilt:

S(n, 1) = 1 , S(n, n) = 1 und ∀2≤k≤n−1 S(n, k) = S(n− 1, k − 1) + k · S(n− 1, k) .

Beweis:

Der erste Teil der Behauptung ist klar. X

Sei nun x ∈ X beliebig. Dann gilt fur eine Partition (Xi)1≤i≤k von X entweder:(i) x = Kx (als Teil der Partition) oder: (ii) x ⊂

6=Kx .

Im Falle (i) ist (Xi)1≤i≤k \Kx eine Partition von X \x , und es gibt S(n−1, k−1) Partitionenvon X \ x . Umgekehrt definiert jede Partition von X \ x in (k − 1) Teile eine Partition

Page 292: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

284 KAPITEL XII. ZAHLPRINZIPIEN

von X in k Teile.Im Fall (ii) erhalten wir eine Partition ((Xi)1≤i≤k \Kx) ∪ (Kx \ x) von X \ x , d. h. einePartition von X \x in k Teile. Nun gibt es k Partitionen von X mit x ⊂

6=Kx , also insgesamt

k · S(n − 1, k) solcher Partitionen. Umgekehrt definiert jede Partition von X \ x in k Teilegerade k Partitionen von X in k Teile.Damit gilt insgesamt:

S(n, k) = S(n− 1, k − 1) + k · S(n− 1, k) .

53.5 Bemerkung

Aufgrund dieser Rekursionsformel ergibt sich fur die Zahlen S(n, k) eine Art ”Pascal’sches81

Dreieck“ der folgenden Form:

1S(2, 1) = 1 1 = S(2, 2)

S(3, 1) = 1 3 1 = S(3, 3)1 7 6 1

1 15 25 10 11 31 90 65 15 1

1 63 301 350 140 21 1...

......

......

......

Durch vollstandige Induktion folgt aus der Rekursionsformel:

S(n, n− 1) =

(n

2

)und S(n, 2) = 2n−1 − 1 fur alle n ≥ 2 .

53.6 Satz

Die Zahlen S(n, k) aus Satz 53.4 sind die Stirling’schen Zahlen zweiter Art Sn,k .

Beweis:

Die Stirling’schen Zahlen zweiter Art Sn,k wurden bereits in Beispiel 17.5 (Lineare Algebra I)eingefuhrt durch

xn =n∑k=0

Sn,k · (x)k mit (x)k :=k−1∏j=0

(x− j) = x · (x− 1) · (x− 2) · . . . · (x− k+1) .

Und in Ubungsaufgabe 16–1a) wurde gezeigt, daß die reellen Funktionen f0, f1, f2, . . . , fn mitfk(x) = (x)k eine Basis des Polynomraumes Πn ⊂ Abb(IR, IR) bilden. Es ist

Sn,n = 1 fur alle n ∈ INund Sn,0 = 0 fur alle n ∈ IN∗

sowie S0,k = 0 fur alle k ∈ IN∗ .81Blaise Pascal, franzosischer Mathematiker, Physiker und Philosoph (?19.06.1623, †19.08.1662)

Page 293: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

§ 53. PARTITIONEN UND VERTEILUNGEN 285

Ferner gilt fur alle n ∈ IN∗ :

n∑k=0

Sn,k · (x)k = xn = x · xn−1

= x ·n−1∑l=0

Sn−1,l · (x)l

=n−1∑l=0

Sn−1,l · [(x)l+1 + l · (x)l]

wegen (x)l+1 + l · (x)l = (x)l · [(x− l) + l] = x · (x)l ,

also:n∑k=0

Sn,k · (x)k =n∑k=1

Sn−1,k−1 · (x)k +n−1∑k=1

k · Sn−1,k · (x)k .

Da (fk)0≤k≤n eine Basis von Πn ist, liefert ein Koeffizientenvergleich fur alle k, n ∈ IN∗ :

Sn,k = Sn−1,k−1 + k · Sn−1,k .

Also erfullen Sn,k und S(n, k) dieselbe Rekursionsformel. Wegen Sn,1 = 1 = S(n, 1) undSn,n = 1 = S(n, n) folgt: S(n, k) = Sn,k .

53.7 Definition

Ist (Xi)i∈I eine Partition der Menge X , so definieren wir eine Abbildung

p : X → I durch p(x) := i , wenn x ∈ Xi ist .

Man sagt dann, daß man eine Verteilung von X in Boxen vornimmt, die durch die Elemente derIndexmenge I 6= ∅ gekennzeichnet sind. Damit ist p eine surjektive Abbildung.Umgekehrt erhalten wir durch eine surjektive Abbildung p : X → Y eine Partition von X indisjunkte Teilmengen Xy := x ∈ X | p(x) = y mit y ∈ Y .

53.8 Satz

Es sei X eine Menge mit |X| = n und Y eine Menge mit |Y | = k ≤ n . Ist J die Menge allersurjektiven Abbildungen von X auf Y , so gilt:

|J | = k! · S(n, k) .

Beweis:

Ist p : X → Y surjektiv, so induziert p eine Partition von X in k Teile. Ist f : Y → Y bijektiv,d. h. f ∈ S(Y ) , so ist f p ebenfalls surjektiv und induziert dieselbe Partition. Umgekehrterhalten wir aus jeder Partition von X in k Teile k! surjektive Abbildungen f p mit f ∈ S(Y ) .

Page 294: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

286 KAPITEL XII. ZAHLPRINZIPIEN

53.9 Definition

Gegeben seien die Mengen X,Y mit |X| = n , |Y | = k und k ≤ n . Ist Y = y1, y2, . . . , yk ,und sind n1, n2, . . . , nk ∈ IN∗ mit n1 + n2 + . . . + nk = n , so bezeichnen wir die Anzahl dersurjektiven Abbildungen

p : X → Y mit |−1p (yk)| = nk als

(n

n1, n2, . . . , nk

).

53.10 Satz

Sind n1, n2, . . . , nk ∈ IN∗ mit n1 + n2 + . . .+ nk = n , so gilt:(n

n1, n2, . . . , nk

)=

n!n1! · n2! · . . . · nk!

.

Beweis:

Seien X = x1, x2, . . . , xn , Y = y1, y2, . . . , yk und π ∈ Sn . Dann ist pπ : X → Y mit

pπ(xπ(i)) =

y1 fur 1 ≤ i ≤ n1

y2 fur n1 + 1 ≤ i ≤ n1 + n2...

......

...

yk furk−1∑j=1

nj + 1 ≤ i ≤ n

eine der in Definition 53.9 betrachteten Abbildungen. Umgekehrt gibt es zu jeder surjektivenAbbildung p1 mit |−1

p1(yk)| = nk eine Permutation π ∈ Sn derart, daß p1 = pπ gilt. Unter deninsgesamt n! Abbildungen gibt es nun etliche, die ubereinstimmen. Jede Permutation π , die eine

Permutation 1, 2, . . . , n1 , n1 +1, n1 +2, . . . , n1 +n2 , . . . , k−1∑j=1

nj +1, . . . , n

bewirkt, liefert

dieselbe surjektive Abbildung pπ . Von solchen Permutationen gibt es somit genau n1!·n2!·. . .·nk!verschiedene.

53.11 Bemerkung

Die Zahl

(n

n1, n2, . . . , nk

)heißt Multinomialkoeffizient (oder Multinomialzahl).

Ist dabei k = 2 , so ergibt sich wegen n1 + n2 = n der Binomialkoeffizient:(n

n1, n2

)=

n!n1! · (n− n1)!

=

(n

n1

)=

(n

n2

).

Und fur n, n1, n2, . . . , nk ∈ IN wird

(n

n1, n2, . . . , nk

)eben durch

n!n1! · n2! · . . . · nk!

definiert.

Page 295: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

§ 54. PARTITIONEN EINER POSITIVEN GANZEN ZAHL 287

53.12 Beispiel

Wieviele Worter mit 11 Buchstaben konnen aus den Buchstaben des Wortes ABRACADABRA ge-bildet werden?Jedes Wort hat 11 Buchstaben x1x2x3 · · ·x11 , wobei funfmal das A , zweimal das B , zweimaldas R , einmal das C und einmal das D vorkommen. Es geht also darum, 11 Objekte in 5 Boxen,namlich A , B , R , C , D zu verteilen, wobei 5 Objekte in A , jeweils 2 Objekte in B bzw. R und jeein Objekt in C bzw. D verteilt werden sollen. Damit ist die gesuchte Zahl die Multinomialzahl(

115, 2, 2, 1, 1

)= 3 · 7 · 4 · 9 · 10 · 11 = 83 160 .

53.13 Satz

Sind n, k ∈ IN∗ , so gilt fur beliebige x1, x2, . . . , xk ∈ C der Polynomische Lehrsatz :

(x1 + x2 + . . .+ xk)n =∑

(n1,n2,...,nk)∈INk

n1+n2+...+nk=n

(n

n1, n2, . . . , nk

)· x1

n1 · x2n2 · . . . · xknk .

Beweis:

Durch n-fache Multiplikation von x1 +x2 + . . .+xk entsteht eine Summe von Termen der Formx1n1 · x2

n2 · . . . · xknk . Der Multinomialkoeffizient zahlt nun, wieviele Moglichkeiten es gibt, ausn Faktoren den Summanden x1 genau n1-mal, den Summanden x2 genau n2-mal, . . . usw. undden Summanden xk genau nk-mal auszuwahlen.

§ 54 Partitionen einer positiven ganzen Zahl

Wir interpretieren Partitionen (m1,m2, . . . ,mk) einer positiven ganzen Zahl m ∈ IN∗ mit derEigenschaft m1 ≥ m2 ≥ . . . ≥ mk ≥ 1 folgendermaßen:

Gegeben sei eine m-elementige Menge X und eine Partition X =k⋃i=1

Xi mit |Xi| =: mi , wobei

jeweils nur die Anzahl der Elemente aus Xi berucksichtigt wird. Dazu gehort nun die Gleichungm = m1 +m2 + . . .+mk . Auf die Reihenfolge der Xi kommt es dann nicht an; also konnen wirm1 ≥ m2 ≥ . . . ≥ mk ≥ 1 voraussetzen. Mit pk(m) bezeichnen wir die Anzahl der Partitionenvon m in k Teile; (vgl. Bemerkung 48.6) mit p(m) bezeichnen wir alle Partitionen von m , d. h.:

p(m) :=m∑k=1

pk(m) .

Es ist etwa p(3) = 3 mit p1(3) = p2(3) = p3(3) = 1; dies sind die Partitionen (3) , (2, 1) , (1, 1, 1) .Demgegenuber ist S(3, 2) = 3 , da z. B. fur X = 1, 2, 3 drei Partitionen Pi existieren mitLange |Pi| = 2 , namlich P1, P2, P3 = 1 ∪ 2, 3 , 2 ∪ 1, 3 , 3 ∪ 1, 2 .

Page 296: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

288 KAPITEL XII. ZAHLPRINZIPIEN

Ferner ist zum Beispiel p(6) = 11 wegen

p1(6) = 1 : 6p2(6) = 3 : 5 + 1 , 4 + 2 , 3 + 3p3(6) = 3 : 4 + 1 + 1 , 3 + 2 + 1 , 2 + 2 + 2p4(6) = 2 : 3 + 1 + 1 + 1 , 2 + 2 + 1 + 1p5(6) = 1 : 2 + 1 + 1 + 1 + 1

+ p6(6) = 1 : 1 + 1 + 1 + 1 + 1 + 1p(6) = 11

Es hat sich (leider) eingeburgert, solche Partitionen durch folgende Abkurzungen zu kennzeich-nen:

[6] ,[5, 1] , [4, 2] , [32][4, 12] , [3, 2, 1] , [23][3, 13] , [22, 12][2, 14] ,[16] .

Gunstiger ist diese Darstellung der Partitionen:Wir ordnen einer Partition von m in k Teile eine (k ×m1)-Matrix zu mit

αij = 1 fur alle 1 ≤ j ≤ mi

und αij = 0 sonst .

Dann entspricht z. B. der Partition 5 + 3 + 2 der Zahl 10 die Matrix 1 1 1 1 11 1 1 0 01 1 0 0 0

.

54.1 Satz

Gegeben seien m, r ∈ IN∗ mit r ≤ m . Dann gilt:r∑

k=1

pk(m) = pr(m+ r) .

Beweis:

Wir zeigen mit Hilfe der obigen Matrix–Darstellung, daß eine bijektive Abbildung existiertzwischen den Partitionen, die links bzw. rechts vom Gleichheitszeichen gezahlt werden. Ist Peine Partition von m + r in (exakt) r Teile, so gehort dazu eine Matrix AP ∈ Mat(r,m1; ZZ2)mit

AP =

6 1 1 1 · · · 16 1 1 1 · · · 1 06 1 1 · · · 1 0 0

6... 06 1 · · · 1

.

Durch Weglassen (/) der ersten Spalte (und eventuelles Streichen der letzten Nullzeilen) erhalten

Page 297: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

§ 54. PARTITIONEN EINER POSITIVEN GANZEN ZAHL 289

wir eine Matrix B ∈ Mat(s,m1−1; ZZ2) mitβij = 1 fur 1 ≤ j ≤ mi − 1 ,βij = 0 sonst und fur 1 ≤ i ≤ s ≤ r .

Dies ist eine Matrix mit hochstens r Zeilen und exakt m Einsen. Also entspricht B einer Partitionvon m in hochstens r Teile.Umgekehrt erhalten wir aus jeder Matrix B ∈ Mat(s,m′1; ZZ2) mit exakt m Einsen und sonstnur Nullen durch Hinzufugen einer Spalte mit r Einsen eine Matrix A ∈ Mat(r,m′1+1; ZZ2) , dieeiner Partition von m+ r in genau r Teile entspricht.So erhalten wir die gewunschte bijektive Abbildung.

54.2 Folgerung

Fur m, k ∈ IN∗ mit k ≤ m gilt:

pk(m) =k∑i=0

pi(m− k) ,

wobei p0(0) = 1 und pi(m− k) = 0 fur alle i > m− k ist.

54.3 Definition

Sei P = (m1,m2, . . . ,mk) eine Partition von m und AP ∈ Mat(k,m1; ZZ2) die zugehorigeMatrix; dann entspricht der Matrix (AP )t ∈ Mat(m1, k; ZZ2) eine Partition P ′ von m in genaum1 Teile. Und P ′ heißt die zu P konjugierte Partition.Eine Partition P heißt selbst–konjugiert, wenn P ′ = P ist, d. h. wenn gilt: AP = (AP )t .

54.4 Satz

Die Anzahl der selbst–konjugierten Partitionen von m stimmt mit der Anzahl der Partitionen(m1,m2, . . . ,mk) von m mit m1 > m2 > . . . > mk und ungeraden mi uberein.

Beweis:

Jeder symmetrischen Matrix AP ∈ Mat(k, k; ZZ2) ordnen wir eine Matrix B zu mit 2k−1 Einsenin der ersten Zeile, 2l − 1 Einsen in der zweiten Zeile, . . . usw.:

AP =

1 · · · 1...· · · 1

.... . .

11︸ ︷︷ ︸

l

l

1

k×k

7−→ B =

1 · · · 11 · · · 1︸ ︷︷ ︸

2l−1...1

k×(2k−1)

.

Umgekehrt ordnen wir jeder Partition von m mit m1 = 2k − 1 , m2 = 2l − 1 , . . . usw. einesymmetrische Matrix mit k Einsen in der ersten Zeile und Spalte, l + 1 Einsen in der zweitenZeile und Spalte, . . . usw. zu.

54.5 Beispiel

Die Anzahl der selbst–konjugierten Partitionen von m = 20 lautet 7 , diese sind:

(19, 1) , (17, 3) , (15, 5) , (13, 7) , (11, 9) , (11, 5, 3, 1) , (9, 7, 3, 1) .

Page 298: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

Kapitel XIII

Ringe, Korper und Polynome

Wir beziehen uns jetzt auf Definition 1.7 bzw. Definition 1.9 aus Lineare Algebra I.

Jeder Ring (R,+, ·) erfullt bekanntlich die Axiome:

(R1) (R,+) ist eine abelsche Gruppe.

(R2) (R, ·) ist eine Halbgruppe.

(R3) Es gelten die beiden Distributivgesetze (D1) und (D2).

Ein Ring (R,+, ·) heißt kommutativ, wenn fur alle a, b ∈ R gilt: a · b = b · a . Existiert nochein Element 1 ∈ R mit 1 a = a 1 = a fur alle a ∈ R , so sprechen wir von einem Ring mitEinselement 1 .

Erfullt (K,+, ·) die Axiome (K1) , (K2) und (K3) , dann nennt man K einen (kommutativen)Korper. Ist die Gruppe (K \ 0, ·) dabei nicht kommutativ, so heißt K ein Schiefkorper.

§ 55 Grundbegriffe der Ringtheorie

55.1 Beispiele

Es sei (G,+) eine abelsche Gruppe und EndG die Menge aller Endomorphismen auf G . Furϕ,ψ ∈ EndG definieren wir ϕ+ ψ und ψ ϕ aus EndG durch

(ϕ+ ψ)(x) := ϕ(x) + ψ(x)und (ψ ϕ)(x) := ψ(ϕ(x)) .

Man rechnet leicht nach, daß dann (EndG,+, ) ein Ring ist. Und EndG heißt der Endomor-phismenring von G.

Ist X 6= ∅ eine beliebige Menge und R ein Ring, so ist (Abb(X,R),+, · ) mit

(f + g)(x) := f(x) + g(x)und (f · g)(x) := f(x) · g(x)

fur alle f, g ∈ Abb(X,R) und x ∈ X ein Ring.

290

Page 299: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

§ 55. GRUNDBEGRIFFE DER RINGTHEORIE 291

55.2 Bemerkungen

Ist (R,+, ·) ein Ring, so gilt fur beliebige Elemente a, b ∈ R :

(i) a · 0 = 0 · a = 0 .

(ii) a (−b) = (−a) b = −a b .

(iii) (−a) (−b) = a b .

Beweis:

Vgl. Bemerkung 1.10(i) und (iii) (siehe Lineare Algebra I), oder betrachte:Fur festes a ∈ R sind ψ,ϕ : (R,+) → (R,+) mit ϕ(x) := a x bzw. ψ(x) := x a Gruppen–Endomorphismen. Wegen ϕ(0) = ψ(0) = 0 folgt dann sofort (i). Und wegen ϕ(−x) = −ϕ(x)bzw. ψ(−x) = −ψ(x) ergibt sich direkt (ii). Ersetzt man schließlich in (ii) noch a durch −a , sofolgt auch (iii).

55.3 Bemerkung

Es sei (R,+, ·) ein Ring; wir setzen zur Abkurzung

x− y := x+ (−y) .

Dann gilt wegen Bemerkung 55.2 auch:

x (y − z) = x y − x z und (x− y) z = x z − y z .

Setzen wir fur beliebige x1, x2, . . . , xm ∈ R :

m∑i=1

xi := x1 + x2 + . . .+ xm undm∏i=1

xi := x1 · x2 · . . . · xm ,

so gelten die allgemeinen Distributivgesetze (mit y1, y2, . . . , yn ∈ R ):(m∑i=1

xi

)(n∑j=1

yj

)=

m∑i=1

(n∑j=1

xi yj

)

=n∑j=1

(m∑i=1

xi yj

)

=:∑i,j

xi yj .

Setzt man nun x1 := x und xn+1 := xn x fur x ∈ R und n ∈ IN∗ , so gelten die ublichenRegeln:

(xm)n = xmn und xm xn = xm+n .

Ist R ein Ring mit Einselement 1 , dann setzt man noch x0 := 1 fur beliebige x ∈ R und erhaltdie obigen Potenzregeln fur alle m,n ∈ IN .

Page 300: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

292 KAPITEL XIII. RINGE, KORPER UND POLYNOME

55.4 Definition

Gegeben seien zwei Ringe R und S ; eine Abbildung ϕ : R→ S heißt ein (Ring–)Homomorphis-mus, wenn fur alle x, y ∈ R gilt:

ϕ(x+ y) = ϕ(x) + ϕ(y)und ϕ(x · y) = ϕ(x) · ϕ(y) .

Analog zu den Gruppen–Homomorphismen gibt es (entsprechend zur Definition 42.6) noch dieBegriffe (Ring–)Monomorphismus, (Ring–)Epimorphismus, (Ring–)Isomorphismus, (Ring–)En-domorphismus und (Ring–)Automorphismus.Ebenfalls wie bei den Gruppen–Homomorphismen sei

Kerϕ := x ∈ R | ϕ(x) = 0 und Imϕ := ϕ(R) .

55.5 Beispiel

Es sei ϕ : ZZ→ ZZ ein Ring–Homomorphismus. Dann ist fur alle n ∈ IN∗ :

ϕ(n) = ϕ( 1 + 1 + . . .+ 1︸ ︷︷ ︸n Summanden

)

= ϕ(1) + ϕ(1) + . . .+ ϕ(1)︸ ︷︷ ︸n Summanden

= nϕ(1)

und ϕ(n) = ϕ(n 1) = ϕ(n)ϕ(1) . Die Beziehung nϕ(1) = ϕ(n)ϕ(1) = ϕ(n) gilt damit furn ∈ IN und wegen ϕ(−n) = −ϕ(n) fur alle n ∈ ZZ .Ist ϕ(1) = 0 , so ist ϕ = 0 ; ist ϕ(1) 6= 0 , dann folgt: ϕ = idZZ .

55.6 Definition

Eine Teilmenge U 6= ∅ eines Ringes (R,+, ·) heißt ein Unterring von R, wenn U mit derAddition und der Multiplikation aus R selbst wieder ein Ring ist.

55.7 Satz

Ist R ein Ring und ∅ 6= U ⊂ R , so sind die folgenden beiden Aussagen aquivalent:

a) U ist ein Unterring von R .

b) Es gilt: a, b ∈ U ⇒ a− b ∈ U ∧ a b ∈ U .

Beweis:

”a) ⇒ b)“: ist klar. X

”b) ⇒ a)“: Nach Satz 42.4 ist (U,+) eine (abelsche) Gruppe. Wenn mit a, b ∈ U aucha b ∈ U ist, so folgt, daß ·|U eine innere Verknupfung auf U ist. Diese Verknup-fung ist assoziativ, weil ja · in R bereits assoziativ ist. Die beiden Distributivge-setze gelten in R , also auch in der Teilmenge U .

Page 301: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

§ 55. GRUNDBEGRIFFE DER RINGTHEORIE 293

55.8 Definition

Es sei R ein Ring mit 1 . Ein Element a ∈ R besitzt ein Linksinverses (bzw. Rechtsinverses),wenn es ein b ∈ R (bzw. ein c ∈ R ) gibt mit b a = 1 (bzw. mit a c = 1 ).Und a ∈ R heißt invertierbar, wenn a sowohl ein Links- wie auch ein Rechtsinverses besitzt.Dann heißt a eine Einheit, und die Menge aller Einheiten in R bezeichnen wir mit R∗ .

55.9 Satz

Es sei R ein Ring mit 1 . Dann gilt:

a) Ist a ∈ R∗ mit b a = a c = 1 , so ist b = c .

b) (R∗, ·) bildet eine Gruppe, die sogenannte Einheitengruppe von R.

Beweis:

zu a): Es gilt: b = b 1 = b (a c) = (b a) c = 1 c = c .

zu b): Wir zeigen zuerst, daß · eine innere Verknupfung auf R∗ ist (R∗ 6= ∅ wegen 1 ∈ R∗ ).Sind a, a′ ∈ R∗ , so existieren b, b′ ∈ R mit a b = b a = 1 und a′ b′ = b′ a′ = 1 .Daraus folgt:

(a a′) (b b′) = a (a′ b′) b = a 1 b = a b = 1 und (b′ b) (a a′) = b′ (b a) a′ = b′ a′ = 1 .

Das Assoziativgesetz gilt in (R, ·) , also auch in (R∗, ·) . Und 1 ∈ R∗ ist das neutraleElement. Teil a) besagt, daß mit a auch das Inverse b eine Einheit ist.

55.10 Bemerkung

Gemaß Bemerkung 25.2(ii) (siehe Lineare Algebra I) ist (ZZn,+, ·) ein kommutativer Ringmit Eins. Dann bildet (ZZ ∗n , ·) nach Satz 55.9 eine Gruppe (vgl. die Bemerkung in Definition 43.9).

In einem Ring mit Eins gilt stets: R∗ ⊂ R \ 0 .

55.11 Definition

Es sei R ein Integritatsring (oder Integritatsbereich), d. h. R ist kommutativ, nullteilerfrei undbesitzt ein vom Nullelement 0 verschiedenes Einselement 1 (vgl. Definition 25.1). Dann sei

F := a ∈ R \ 0 | ord a ist endlich ;

hierbei ist ord a die Ordnung von a als Element aus (R,+) .Und die Charakteristik charR von R wird folgendermaßen definiert:

charR :=

0 , falls F = ∅minord a | a ∈ F sonst

.

Page 302: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

294 KAPITEL XIII. RINGE, KORPER UND POLYNOME

55.12 Bemerkung

Ist p := charR , so gilt stets: p 6= 1 ; ist zudem p ≥ 2 , dann gilt:

p.a := a+ a+ . . .+ a︸ ︷︷ ︸p Summanden

= 0 fur alle a ∈ R .

(Beweis: Ist namlich p ≥ 2 , so existiert ein b ∈ R \ 0 mit p.b = 0 . Daraus folgt:0 = p.b = p.(1 b) = (p.1) b . Wegen der Nullteilerfreiheit von R und wegen b 6= 0 ergibt sich:p.1 = 0 . Damit gilt fur beliebiges a ∈ R : p.a = p.(1 a) = (p.1) a = 0 a = 0 . )

55.13 Satz

Ist R ein Integritatsring mit p := charR , so ist p = 0 oder aber eine Primzahl p ≥ 2 .

Beweis:

Angenommen, es ware p = mn mit m,n ∈ IN∗ . Dann gilt nach Bemerkung 55.12:

0 = (mn).1 = m.(n.1) = m.(1(n.1)) = (m.1)(n.1) .

Da R ein Integritatsring ist, gilt: m.1 = 0 oder n.1 = 0 . Also ist die Zerlegung p = m ·n nichtecht und damit p eine Primzahl.

§ 56 Ideale und Restklassenringe

56.1 Definition

Es sei (R,+, ·) ein Ring; eine Teilmenge a ⊂ R heißt ein Linksideal (bzw. Rechtsideal) von R,wenn gilt:

(I1) a ist eine Untergruppe von (R,+) .

(I2) Fur alle a ∈ a und alle x ∈ R ist x a ∈ a (bzw. a x ∈ a ).

Und a heißt ein Ideal in R, wenn a zugleich Links- und Rechtsideal von R ist.

56.2 Satz

Es seien ϕ : R→ S ein Ring–Homomorphismus und a ⊂ R sowie b ⊂ S Ideale; dann gilt:

a) Das Urbild−1ϕ(b) ist ein Ideal in R ; insbesondere ist Kerϕ stets ein Ideal.

b) Ist ϕ surjektiv, so ist auch das Bild ϕ(a) ein Ideal in S .

Page 303: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

§ 56. IDEALE UND RESTKLASSENRINGE 295

Beweis zu Satz 56.2:

Nun ist−1ϕ(b) eine Untergruppe von R und ϕ(a) eine Untergruppe von S (im surjektiven Fall).

zu a): Fur x ∈ R und a ∈ −1ϕ(b) folgt wegen ϕ(a) ∈ b :

ϕ(x a) = ϕ(x)ϕ(a) ∈ b und ϕ(a x) = ϕ(a)ϕ(x) ∈ b ,

da b ein Ideal in S ist.

zu b): Ist ϕ(a) ∈ ϕ(a) und y ∈ S , so existiert ein x ∈ R mit y = ϕ(x) ; daraus folgt:

y ϕ(a) = ϕ(x)ϕ(a) = ϕ(x a) ∈ ϕ(a) und entsprechend: ϕ(a) y ∈ ϕ(a) .

56.3 Satz

Gegeben seien ein Ring (R,+, ·) und ein Ideal a ⊂ R ; dann ist R/a := x + a | x ∈ R mitder durch

(x+ a) + (y + a) := (x+ y) + a und (x+ a) · (y + a) := (x y) + a

festgelegten Addition und Multiplikation ein Ring.Die Abbildung π : R → R/a mit π(x) := x + a ist ein Ring–Homomorphismus, und es gilt:a = Kerπ .

Beweis:

Da (R,+) abelsch ist, ist a ein Normalteiler in (R,+) , also (R/a ,+) wohldefiniert. Die Multi-plikation ist reprasentanten-unabhangig, denn aus x+ a = x′ + a und y + a = y′ + a folgt:

x′ y′ − x y = x′ (y′ − y) + (x′ − x) y∈ x′ a + a y

⊂ a + a ⊂ a ,

d. h.: x y + a = x′ y′ + a .

Außerdem ist · assoziativ. Ferner gelten die Distributivgesetze (D1) und (D2), z. B.:

(x+ a) [(y + a) + (z + a)] = (x+ a) [(y + z) + a]= x (y + z) + a

= (x y + x z) + a

= (x y + a) + (x z + a)= (x+ a) (y + a) + (x+ a) (z + a) .

Nach §44 ist π ein Gruppen–Homomorphismus von (R,+) auf (R/a ,+) mit Kerπ = a . Danngilt:

π(x y) = x y + a = (x+ a) (y + a) = π(x)π(y) .

Page 304: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

296 KAPITEL XIII. RINGE, KORPER UND POLYNOME

56.4 Definition

Wir nennen R/a den Restklassenring von R modulo a, und π ist der kanonische Epimorphis-mus.

56.5 Bemerkungen

a) Ist R kommutativ, so auch R/a ; besitzt R ein Einselement 1 , dann ist 1+a das Einselementin R/a .

Viele Aussagen aus §44 ubertragen sich, zum Beispiel:

b) Eine Teilmenge a eines Ringes ist genau dann ein Ideal in R , wenn a der Kern einesHomomorphismus ϕ : R→ S ist (vgl. Satz 44.9, Satz 56.2a) und Satz 56.3).

c) Ist ϕ : R→ S ein Ring–Homomorphismus, so gilt der Homomorphiesatz:

R/Kerϕ ∼= ϕ(R) .

(Vgl. dazu Satz 44.11; fur den im Beweis zu Satz 44.11 angegebenen IsomorphismusΦ : (R/Kerϕ ,+)→ (ϕ(R),+) gilt hier:

Φ((x+ Kerϕ) (y + Kerϕ)) = Φ(x y + Kerϕ)= ϕ(x y)= ϕ(x)ϕ(y)= Φ(x+ Kerϕ) Φ(y + Kerϕ) . )

d) Ist U ein Unterring und a ein Ideal im Ring R , so ist U ∩ a ein Ideal in U , und es giltder 1. Isomorphiesatz (vgl. Satz 44.13):

(U + a)/a ∼= U/(U ∩ a) .

e) Sind a, b Ideale eines Ringes R mit a ⊂ b , so ist b/a ein Ideal in R/a , und es gilt der2. Isomorphiesatz (vgl. Satz 44.15):

(R/a)/(b/a) ∼= R/b .

f) Fur n ∈ IN∗ ist nZZ ein Ideal in ZZ ; es ergibt sich der Restklassenring ZZn = ZZ/nZZ .

g) Ist (aα)α∈I eine Familie von Idealen des Ringes R , so ist auch a :=⋂α∈I

aα ein Ideal in R .

(Vgl. Satz 44.4; fur a ∈ a und x ∈ R gilt: x a ∈ aα sowie a x ∈ aα fur alle α ∈ I , also:x a ∈ a und a x ∈ a .)

56.6 Definition

Gegeben seien ein Ring R und eine beliebige Teilmenge A ⊂ R ; dann heißt

(A) :=⋂ a | a ist Ideal in R mit A ⊂ a

das von A erzeugte Ideal in R. Es ist dabei

(∅) = 0 und (a) = a ,

wenn a ein Ideal ist.

Page 305: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

§ 56. IDEALE UND RESTKLASSENRINGE 297

56.7 Satz

Es seien R ein Ring und ∅ 6= A ⊂ R eine Teilmenge; dann gilt:

(A) = ∑

endlich

xi ai yi +∑

endlich

x′i a′i +

∑endlich

a′′i x′′i +

∑endlich

ni.a′′′i

∣∣∣ xi, yi, x′i, x′′i ∈ R ,

ai, a′i, a′′i , a′′′i ∈ A und ni ∈ ZZ

=: S

mit 0.a = 0 und n.a := (−a) + (−a) + . . .+ (−a)︸ ︷︷ ︸(−n) Summanden

fur n ∈ ZZ \ IN .

Ist dabei R kommutativ, so gilt kurz:

(A) = ∑

endlich

xi ai +∑

endlich

ni.a′i

∣∣∣ xi ∈ R , ai, a′i ∈ A und ni ∈ ZZ

.

Besitzt R ein Einselement 1 , dann ist einfach

(A) = ∑

endlich

xi ai y∣∣∣ xi, yi ∈ R und ai ∈ A

.

Ist R sogar ein kommutativer Ring mit Eins, so gilt noch kurzer:

(A) = ∑

endlich

xi ai∣∣∣ xi ∈ R und ai ∈ A

.

Beweis:

Es sei b ein Ideal, das A enthalt; dann liefert (I1), daß mit a ∈ A auch n.a ∈ b ist fur allen ∈ ZZ . Axiom (I2) ergibt ferner mit a ∈ A stets: x a ∈ b , a y ∈ b fur x, y ∈ R und damitauch: x a y ∈ b fur x, y ∈ R . Somit ist S ⊂ b , also S ⊂ (A) .Andererseits ist S ein Ideal in R ; S ist eine Untergruppe von R , da auch die Differenz zweierElemente aus S wieder eine Summe der angegebenen Art ist (siehe Satz 42.4). Durch Multi-plikation von Elementen aus S von links oder rechts mit Elementen aus R ergeben sich wiederElemente aus S . Ferner enthalt S die Menge A , woraus folgt: (A) ⊂ S .Ist R kommutativ, so gilt: x a y = (x y) a und a x = x a . Besitzt R ein Einselement 1 , dann istx a = x a 1 , a x = 1 a x und n.a = n.(1 a) = (n.1) a = (n.1) a 1 fur alle n ∈ ZZ .

56.8 Folgerung

Ist R ein kommutativer Ring mit Eins und A ⊂ R endlich, etwa A = a1, a2, . . . , an , so gilt:

(A) = n∑i=1

ai xi∣∣∣ xi ∈ R .

56.9 Definition

Ein Ideal a eines Ringes R heißt ein Hauptideal, wenn es ein a ∈ R gibt mit (a) = a .

Page 306: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

298 KAPITEL XIII. RINGE, KORPER UND POLYNOME

56.10 Bemerkungen

(i) Ist R ein kommutativer Ring und a ∈ R , so gilt:

(a) = r a+ n.a | r ∈ R ∧ n ∈ ZZ =: Ra+ ZZ.a .

(ii) Ist R ein kommutativer Ring mit Eins und a ∈ R , dann gilt: (a) = Ra .

(iii) In einem kommutativen Ring R ist fur a ∈ R im allgemeinen (a) 6= Ra ;so gilt zum Beispiel in 2 ZZ : (2) 6= (2 ZZ ) 2 wegen 2 /∈ (2 ZZ ) 2 .

56.11 Definition

Ein Integritatsring R heißt ein Hauptidealring, wenn jedes Ideal von R ein Hauptideal ist.

56.12 Beispiel

Direkt aus Definition 56.1 folgt, daß jede Untergruppe von (ZZ,+) ein Ideal in (ZZ,+, ·) ist. NachSatz 42.16 ist jede Untergruppe von ZZ von der Form sZZ , wobei s = 0 oder s die kleinstein dieser Untergruppe vorkommende naturliche Zahl großer oder gleich 1 ist. Nun gilt aber:sZZ = (s) . Also ist ZZ ein Hauptidealring.

§ 57 Korper

57.1 Definition

Fur einen Ring (R,+, ·) mit 1 6= 0 heißt R ein Korper, wenn R∗ = R\0 gilt. Ist R kommutativ,so sprechen wir auch von einem kommutativen Korper; anderenfalls heißt R ein Schiefkorper.

57.2 Satz

Ein Ring R ist genau dann ein Korper, wenn (R \ 0, ·) eine Gruppe ist.

Beweis:

”⇒“: Ist R∗ = R \ 0 , so ist R∗ 6= ∅ und R∗ eine Gruppe nach Satz 55.9b).

”⇐“: Das Einselement der Gruppe R \ 0 sei e . Dann ist e 6= 0 , und wegen 0 = 0 e = e 0 iste auch Einselement von R . Damit gilt: R∗ = R \ 0 .

57.3 Satz

Es sei K ein endlicher kommutativer Korper der Charakteristik p . Dann ist p ≥ 2 eine Primzahl,und die Anzahl der Elemente von K ist eine Potenz von p .

Page 307: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

§ 57. KORPER 299

Beweis zu Satz 57.3:

Da K endlich ist, haben auch Elemente von K eine endliche Ordnung. Nach Satz 55.13 ist p ≥ 2eine Primzahl. Gemaß Bemerkung 55.12 haben dann alle von 0 verschiedenen Elemente aus Kdie Ordnung p . Daraus folgt die Behauptung.

57.4 Bemerkung

Die Frage, ob zu jeder Primzahl p ≥ 2 und zu jedem m ∈ IN∗ ein Korper der Charakteristik pmit genau pm Elementen existiert, werden wir spater behandeln (vgl. Satz 65.7 aus Algebra II).Homomorphismen, Endomorphismen, Epimorphismen, Monomorphismen, Isomorphismen undAutomorphismen von Korpern K sind die entsprechenden ”Morphismen“ von K , als Ring be-trachtet.Wir untersuchen auch die Frage spater, ob ein Korper K mit charK = p 6= 0 und |K| = pm

bis auf Isomorphie eindeutig bestimmt ist. (Siehe hierzu §74 in Algebra II.)

57.5 Definition

Eine Teilmenge K eines Ringes L heißt ein Unterkorper oder Teilkorper von L, wenn K einUnterring von L ist und wenn (K,+, ·) ein Korper ist. Ist K Unterkorper eines Korpers L , soheißt L auch Oberkorper oder Erweiterungskorper von K.

57.6 Bemerkung

Ist K ein Unterkorper eines Ringes L , so enthalt K mindestens zwei Elemente, namlich 0 unddas Einselement e 6= 0 des Ringes K . Ist L ein Korper, dann ist e das Einselement 1 von Lwegen e = e e = e 1 ⇐⇒ e = 1 . So bildet etwa (bezeichnet nach W. R. Hamilton) die Menge

IH :=

(u v−v u

)∈ Mat(2, 2; C)

∣∣∣ u, v ∈ C einen Unterkorper des Matrizenringes (Mat(2, 2; C),+, π) (vgl. Bemerkung 6.9 aus LineareAlgebra I und Ubungsaufgabe 6–7). Dabei ist IH ein Schiefkorper, weil z. B. gilt:(

i 00 −i

)·(

0 ii 0

)=

(0 −11 0

)und

(0 ii 0

)·(

i 00 −i

)=

(0 1−1 0

).

Und IH heißt Quaternionen–Schiefkorper. Jedes Element

(u v−v u

)∈ IH laßt sich in der

Form (u v−v u

)=

(u 00 u

)+

(v 00 v

)·(

0 1−1 0

)

schreiben. Nun ist Φ : C →(

u 00 u

) ∣∣∣ u ∈ C =:∼C mit Φ(u) =

(u 00 u

)ein Isomorphis-

mus auf den Unterring∼C von IH . Setzen wir J :=

(0 1−1 0

), so gilt fur alle u, v ∈ C :

(u v−v u

)= Φ(u) + Φ(v) · J mit J2 = −

(1 00 1

)= −E2 .

Page 308: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

300 KAPITEL XIII. RINGE, KORPER UND POLYNOME

Schreiben wir u = a+ b i , v = c+ d i mit a, b, c, d ∈ IR , so folgt:

Φ(u) + Φ(v) · J = Φ(a) + Φ(b) Φ(i) + Φ(c) · J + Φ(d) Φ(i) · J

= a ·(

1 00 1

)+ b ·

(i 00 −i

)+ c ·

(0 1−1 0

)+ d ·

(0 ii 0

)=: aE2 + b I + c J + dK

mit I2 = J2 = K2 = −E2 und I J = −J I = K , J K = −K J = I , K I = −I K = J .

Die MengeZZ [I, J ] := aE2 + b I + c J + dK | a, b, c, d ∈ ZZ

bildet einen Unterring von IH , den sogenannten Ring der ganzen Quaternionen. Die Einheiten-gruppe ZZ [I, J ]∗ von ZZ [I, J ] ist die Quaternionengruppe Q aus Ubungsaufgabe 47–12b).

57.7 Definition

Es sei K ein kommutativer Korper; dann heißt der Durchschnitt aller Unterkorper von K ,

P (K) :=⋂U | U ist Unterkorper von K ,

der Primkorper von K.

57.8 Bemerkung

Wegen 1 ∈ P (K) und damit m.1 ∈ P (K) fur alle m ∈ ZZ ist P (K) der von 1 erzeugte, alsoder kleinste aller Unterkorper von K .

57.9 Satz

Fur einen kommutativen Korper K gilt stets:

a) charK = 0 ⇐⇒ P (K) ∼= Q .

b) charK = p 6= 0 ⇐⇒ P (K) ∼= ZZp .

Beweis:

zu a):

”⇒“: Sei n ∈ ZZ \ 0 ; dann ist n.1 ∈ P (K) und n.1 6= 0 , also (n.1)−1 ∈ P (K) . Wirbetrachten

P ′ := (m.1) (n.1)−1 | m,n ∈ ZZ mit n 6= 0 ;

dann ist P ′ ⊂ P (K) , und außerdem ist P ′ ein Korper, der zu Q isomorph ist.Daraus folgt: P (K) = P ′ ∼= Q .

”⇐“: ist klar wegen charP (K) = char Q = 0 . X

Page 309: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

§ 57. KORPER 301

zu b):

”⇒“: Wir betrachten ϕ : ZZ → K mit ϕ(n) := n.1 . Es ist Kerϕ = pZZ , wobeip = charK eine Primzahl ist. Der Homomorphiesatz 56.5c) liefert:

ZZp = ZZ/pZZ ∼= ϕ(ZZ ) = 0, 1, 2.1, 3.1, . . . , (p−1).1 .

Also ist ϕ(ZZ ) ein Korper. Da ϕ(ZZ ) in jedem Unterkorper von K enthalten ist,folgt:

P (K) = ϕ(ZZ ) ∼= ZZp .

”⇐“: ist klar wegen charP (K) = char ZZp = p . X

57.10 Definition

Ein Ring R heißt einfach, wenn R außer (0) und R selbst keine weiteren Ideale besitzt.

57.11 Satz

Es sei R ein kommutativer Ring mit 1 6= 0 . Dann gilt:R ist genau dann einfach, wenn R ein Korper ist.

Beweis:

”⇒“: Sei x ∈ R \ 0 ; nach Bemerkung 56.10(ii) gilt fur das von x erzeugte Hauptideal in R :(x) = Rx . Wegen x 6= 0 folgt: (x) = Rx = R . Also laßt sich jedes r ∈ R in der Formr = s x mit s ∈ R darstellen; fur x = 1 gilt speziell: 1 = s x = x s mit geeignetem s ∈ R .

”⇐“: Ist a 6= (0) ein Ideal im Korper R , so existiert ein a ∈ a mit a 6= 0 ; dann ist a−1 ∈ R ,also nach Axiom (I2): a−1 a = 1 ∈ a . Daraus folgt wieder mit (I2): a = R .

57.12 Bemerkung

Ist der Ring R aus Satz 57.11 nicht kommutativ, so ist die Aussage im allgemeinen falsch.

57.13 Definition

Es sei R ein Ring und m ⊂6=R ein Ideal von R . Dieses m heißt maximal, wenn fur jedes Ideal a

in R mit m ⊂ a folgt: m = a oder a = R .

57.14 Satz

Das Ideal m ⊂6=R ist genau dann maximal im Ring R , wenn R/m einfach ist.

Page 310: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

302 KAPITEL XIII. RINGE, KORPER UND POLYNOME

Beweis zu Satz 57.14:

Nach den Satzen 56.2 und 56.3 gibt es eine bijektive Abbildung zwischen der Menge der IdealeR/m und der Menge der Ideale in R , die Kerπ = m umfaßt. Also enthalt die eine Menge genaudann zwei Elemente, wenn die andere Menge auch zwei Elemente besitzt.

57.15 Folgerung

In einem kommutativen Ring R mit 1 6= 0 ist das Ideal m genau dann maximal, wenn R/m einKorper ist.

§ 58 Teilbarkeit in Integritatsringen

58.1 Definition

Es sei R ein kommutativer Ring. Ein Ideal p ⊂6=R heißt Primideal, wenn gilt:

Sind a, b ∈ R mit a b ∈ p , so ist a ∈ p oder b ∈ p .

58.2 Satz

Es seien R ein kommutativer Ring mit 1 6= 0 und p ⊂6=R ein Ideal. Dann sind aquivalent:

a) p ist Primideal.

b) R/p ist ein Integritatsring.

c) Es existiert ein Homomorphismus f : R→ S in einen Integritatsring mit Ker f = p .

Beweis:

”a) ⇒ b)“: Nach Voraussetzung ist R/p ein kommutativer Ring mit 1 + p 6= 0 + p . Sinda + p , b + p ∈ (R/p) \ 0 + p , d. h. a /∈ p und b /∈ p , so ist a b /∈ p , also(a + p) (b + p) = a b + p 6= 0 + p . Damit ist R/p nullteilerfrei, also R/p einIntegritatsring.

”b) ⇒ c)“: Wahle S = R/p und f = π . X

”c) ⇒ a)“: Sei f : R→ S ein Homomorphismus in den Integritatsring S und Ker f = p (mitp 6= R ). Sind nun a, b ∈ R mit a b ∈ Ker f , d. h. f(a b) = f(a) f(b) = 0 , so folgtwegen der Nullteilerfreiheit von S : f(a) = 0 oder f(b) = 0 , d. h. a ∈ Ker f = p

oder b ∈ p .

58.3 Folgerung

Ist R ein kommutativer Ring mit 1 6= 0 , so ist jedes maximale Ideal auch Primideal.

Page 311: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

§ 58. TEILBARKEIT IN INTEGRITATSRINGEN 303

58.4 Bemerkung

Ein n ∈ IN∗ \ 1 ist genau dann eine Primzahl, wenn nZZ ein Primideal in ZZ ist.

Beweis:

”⇒“: Ist n eine Primzahl, so ist ZZ/nZZ ein Korper, also nZZ gemaß Satz 58.2 ein Primideal.

”⇐“: Ist nZZ ein Primideal in ZZ , so ist ZZn = ZZ/nZZ nach Satz 58.2 ein Integritatsring. Alsoist fur a ∈ ZZn \ 0 die Abbildung fa : ZZn → ZZn mit fa(x) = a x injektiv. Da ZZnendlich ist, ist fa sogar bijektiv. Damit existiert zu a, b ∈ ZZn \ 0 ein x ∈ ZZn \ 0 mita x = x a = b . Gemaß Satz 1.4 aus Lineare Algebra I ist also (ZZn \ 0, ·) eine Gruppeund damit (ZZn,+, ·) ein Korper.

58.5 Definition

Es sei R ein Integritatsring.

a) Sind a, b ∈ R und existiert ein c ∈ R mit b = a c , so heißt a ein Teiler von b (oder bein Vielfaches von a). Wir sagen: ”a teilt b“ und schreiben: a | b .Sonst schreiben wir: a - b oder a 6 | b .

b) Zwei Elemente a, b ∈ R heißen assoziiert, wenn eine Einheit ε ∈ R∗ existiert mit a = ε b .

c) Ein p ∈ R \ (R∗ ∪ 0) heißt ein Primelement, wenn fur a, b ∈ R und p | a b stets folgt:p | a oder p | b .

d) Ein Element u ∈ R \ (R∗ ∪ 0) heißt irreduzibel (oder unzerlegbar), wenn aus u = a bmit a, b ∈ R stets folgt: a ∈ R∗ oder b ∈ R∗ .Ist q ∈ R \ (R∗ ∪ 0) nicht irreduzibel, so heißt q reduzibel (oder zerlegbar).

58.6 Bemerkungen

(i) a | b ⇐⇒ b ∈ (a) ⇐⇒ (b) ⊂ (a) .

(ii) (a | b ∧ b | a) ⇐⇒ (a) = (b) ⇐⇒ a = b u mit u ∈ R∗ ⇐⇒ a und b sindassoziiert.

Beweis:

Die meisten Aussagen sind klar. Xzu ” (a) = (b) ⇒ a = b u mit u ∈ R∗ “: Es existieren u, v ∈ R mit a = b u und b = a v .Daraus folgt: b = b u v . Ist b = 0 , so auch a = 0 , und damit sind a und b assoziiert. Ist b 6= 0 ,so ist u v = 1 , also u ∈ R∗ und v ∈ R∗ .Umgekehrt folgt aus a = b u mit u ∈ R∗ : b | a ; und aus b = a u−1 folgt: a | b .

Page 312: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

304 KAPITEL XIII. RINGE, KORPER UND POLYNOME

58.7 Satz

Es sei R ein Integritatsring und p ∈ R \ (R∗ ∪ 0) . Dann gilt:

a) p ist Primelement ⇐⇒ (p) ist Primideal.

b) Ist p ein Primelement, so ist p irreduzibel.

c) p ist irreduzibel ⇐⇒ Fur jedes (p) umfassende Hauptideal a gilt: a = (p)oder a = R .

Beweis:

zu a):

”⇒“: Sei p Primelement; wegen p /∈ R∗ ist (p) 6= R . Seien nun a, b ∈ R mit a b ∈ (p) ,d. h. a b = r p mit r ∈ R . Dann gilt: p | a oder p | b , d. h.: a ∈ (p) oder b ∈ (p) .

”⇐“: Ist (p) ⊂6=R ein Primideal, so folgt aus p | a b direkt: a b ∈ (p) , also a ∈ (p) oder

b ∈ (p) , d. h. p | a oder p | b .

zu b): Sei p ein Primelement und p = a b mit a, b ∈ R ; dann gilt: p | a oder p | b . Imersten Fall ist etwa a = p r , also p = a b = p r b . Wegen p 6= 0 folgt durch Kurzung:r b = 1 ⇔ b ∈ R∗ . Und im Falle p | b folgt erhalt man entsprechend: a ∈ R∗ .

zu c):

”⇒“: Sei p irreduzibel und (p) ⊂ a = (a) ; dann gilt: p = a r mit r ∈ R . NachDefinition 58.5d) folgt sofort: a ∈ R∗ oder r ∈ R∗ . Im ersten Fall ist (a) = R ;im zweiten Fall sind a und p assoziiert, also ist (a) = (p) .

”⇐“: Aus (p) ⊂ (a) fur ein a ∈ R folgt: (a) = (p) oder (a) = R . Sei p = b cmit b, c ∈ R ; ist b /∈ R∗ , so ist (b) ⊂

6=R und (p) ⊂ (b) , also (b) = (p) . Nach

Bemerkung 58.6(ii) folgt: p = b ε = b c mit ε ∈ R∗ , d. h. c = ε ∈ R∗ .

58.8 Satz

Es sei R ein Hauptidealring und p ∈ R \ 0 . Dann sind aquivalent:

a) p ist Primelement ⇐⇒ p ist irreduzibel.

b) (p) ist Primideal ⇐⇒ (p) ist maximales Ideal.

Beweis:

Wir erhalten folgende Schlußkette:p ist Primelement ⇒ p ist irreduzibel (gemaß Satz 58.7b)

⇒ (p) ist maximales Ideal (gemaß Satz 58.7c)⇒ (p) ist Primideal (nach Folgerung 58.3)⇒ p ist Primelement (nach Satz 58.7a).

Page 313: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

§ 58. TEILBARKEIT IN INTEGRITATSRINGEN 305

58.9 Definition

Es sei R ein kommutativer Ring.

a) Eine aufsteigende Folge von Idealen a1 ⊂ a2 ⊂ a3 ⊂ . . .in R heißt stationar, wenn es ein m ≥ 1 gibt mit an = am fur alle n ≥ m .

b) Der Ring R heißt noethersch82, wenn jede Folge a1 ⊂ a2 ⊂ a3 ⊂ . . . von Idealen in Rstationar wird.

c) Ist R ein Integritatsring, und laßt sich jedes a ∈ R \ (R∗ ∪0) als endliches Produkt vonPrimelementen schreiben, so heißt R faktoriell.

d) Ist R ein Integritatsring, und laßt sich jedes a ∈ R\(R∗∪0) als endliches Produkt irredu-zibler Elemente schreiben derart, daß die Faktoren bis auf die Reihenfolge und eine Multi-plikation mit Einheiten eindeutig sind, so heißt R einGauß’scher Ring (oder ZPE–Ring83).(Aus a = q1 · q2 · . . . · qs = q′1 · q′2 · . . . · q′r mit irreduziblen qi, q

′i folgt dann: r = s und

(q′i) = (q′π(i)) fur alle 1 ≤ i ≤ s mit einer beliebigen Permutation π ∈ Sr = Ss .)

58.10 Satz

Ist R ein Hauptidealring, so ist R noethersch.

Beweis:

Sei Ra1 ⊂ Ra2 ⊂ Ra3 ⊂ . . . eine aufsteigende Folge von Idealen in R ; wir mussen zeigen, daßdiese Folge stationar wird. Dazu betrachten wir

a :=∞⋃n=1

Ran .

Durch Uberprufen der Eigenschaften in Definition 56.1 ergibt sich, daß a ein Ideal ist. Da R einHauptidealring ist, existiert ein a ∈ R mit a = Ra . Nun existiert ein m ∈ IN∗ mit a ∈ Ram .Hieraus folgt dann: a = Ra ⊂ Ram und wegen Ram ⊂ a zusammen: Ram = a . Damit giltfur alle n ≥ m : a = Ram ⊂ Ran ⊂ a = Ram , d. h.: Ran = Ram .

58.11 Definition

Es sei R ein Integritatsring.

a) Es seien a1, a2, . . . , an ∈ R und d ∈ R ein gemeinsamer Teiler aller a1, a2, . . . , an ; d heißtein großter gemeinsamer Teiler von a1, a2, . . . , an, wenn jeder andere Teiler von a1, a2, . . .. . . , an auch ein Teiler von d ist. Existiert ein großter gemeinsamer Teiler von a1, a2, . . . , an ,so schreiben wir: d = ggT(a1, a2, . . . , an) .

b) Elemente a1, a2, . . . , an ∈ R heißen teilerfremd oder relativ prim, wenn jeder Teiler vona1, a2, . . . , an eine Einheit ist.

82Amalie (Emmy) Noether, deutsche Mathematikerin (?23.03.1882, †14.04.1935)83Der Name ruhrt daher, daß in einem solchen Ring die mogliche Zerlegung einer von Null verschiedenen

Nichteinheit in Primelemente (eigentlich noch: in irreduzible Elemente) eindeutig bestimmt ist.

Page 314: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

306 KAPITEL XIII. RINGE, KORPER UND POLYNOME

58.12 Satz

Seien R ein Hauptidealring und a1, a2, . . . , an ∈ R . Dann sind aquivalent:

a) d = ggT(a1, a2, . . . , an) .

b) (a1, a2, . . . , an) = (d) .

Beweis:

”a) ⇒ b)“: Es sei d = ggT(a1, a2, . . . , an) ; da R ein Hauptidealring ist, existiert ein d′ ∈ Rmit (d′) = (a1, a2, . . . , an) . Dann gilt: ai = ri d

′ mit ri ∈ R (fur alle 1 ≤ i ≤ n ).Also teilt d′ alle ai . Damit teilt d′ auch d . Andererseits folgt aus: d | ai fur

1 ≤ i ≤ n auch: d |n∑i=1

ri ai fur beliebige r1, r2, . . . , rn ∈ R . Also teilt d auch d′ .

Damit gilt nach Bemerkung 58.6(ii): (d) = (d′) .

”b) ⇒ a)“: Ist (d) = (a1, a2, . . . , an) , so gilt: ai = ri d mit ri ∈ R fur 1 ≤ i ≤ n , d. h.d | ai fur alle i = 1, 2, . . . , n . Ist nun c ein weiterer Teiler von a1, a2, . . . , an , so

teilt c jede Linearkombinationn∑i=1

ri ai mit ri ∈ R . Damit gilt auch: c | d , d. h.:

d = ggT(a1, a2, . . . , an) .

58.13 Folgerung (Satz von Bezout84)

Ist R ein Hauptidealring, so existiert zu beliebigen Elementen a1, a2, . . . , an ∈ R stets ein großtergemeinsamer Teiler; dieser laßt sich darstellen in der Form

ggT(a1, a2, . . . , an) =n∑i=1

ri ai mit ri ∈ R .

58.14 Folgerung

Ist R ein Hauptidealring, so sind a1, a2, . . . , an ∈ R genau dann teilerfremd, wenn es r1, r2, . . .. . . , rn ∈ R gibt mit n∑

i=1

ri ai = 1 .

Beweis:

”⇒“: Sind a1, a2, . . . , an teilerfremd, so existiert ein d = ggT(a1, a2, . . . , an) (gemaß Folge-

rung 58.13) und laßt sich in der Form d =n∑i=1

r′i ai darstellen mit r′i ∈ R . Da a1, a2, . . . , an

teilerfremd sind, ist d eine Einheit im Ring; also existiert ein c ∈ R mit c d = 1 .

”⇐“: Istn∑i=1

ri ai = 1 und c ein Teiler von a1, a2, . . . , an , so ist c ein Teiler von 1 , also c eine

Einheit in R .

84Etienne Bezout, franzosischer Mathematiker (?31.03.1730, †27.09.1783)

Page 315: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

§ 58. TEILBARKEIT IN INTEGRITATSRINGEN 307

58.15 Folgerungen

Es seien R ein Hauptidealring und a, b ∈ R teilerfremd. Dann gilt:

(i) Aus a | b c folgt: a | c .

(ii) Aus a | c und b | c folgt: a b | c .

Beweis:

Nach Folgerung 58.14 gibt es r, s ∈ R mit r a+ s b = 1 . Eine Multiplikation auf beiden Seitenmit c 6= 0 ergibt: c = r a c+ s b c .

zu (i): Aus a | b c , d. h. a u = b c fur u ∈ R , folgt, daß a jeden Summanden auf der rechtenSeite teilt, also auch c .

zu (ii): Aus a | c und b | c , d. h. a u = c und b v = c fur u, v ∈ R , folgt: c = r v a b+ s u a b ,also: a b | c .

58.16 Satz

Es sei R ein Integritatsring; ist p ∈ R ein Primelement und a ∈ R beliebig, so ist entweder pein Teiler von a , oder a und p sind teilerfremd.

Beweis:

Sind a und p nicht teilerfremd, so gibt es ein d ∈ R \ (R∗ ∪ 0) mit d | a und d | p . NachSatz 58.7b) ist p irreduzibel; also folgt aus du = p wegen d /∈ R∗ : u ∈ R∗ . Damit sind d und passoziiert, d. h. d = u−1 p . Aus d | a , d. h. dw = a fur w ∈ R , folgt dann: u−1w p = a , alsogilt: p | a .

58.17 Folgerung

Je zwei Primelemente in einem Integritatsring sind entweder assoziiert oder teilerfremd.

58.18 Satz

Es sei R ein Integritatsring. Dann sind aquivalent:

a) R ist ein Gauß’scher Ring.

b) R ist ein faktorieller Ring.

c) Jedes r ∈ R \ (R∗ ∪ 0) ist ein endliches Produkt von irreduziblen Elementen, und jedesirreduzible Element ist auch ein Primelement.

Page 316: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

308 KAPITEL XIII. RINGE, KORPER UND POLYNOME

Beweis zu Satz 58.18:

”a) ⇒ c)“: Es ist nur zu zeigen, daß irreduzible Elemente Primelemente sind. Sei dazu a ∈ Rirreduzibel und a ein Teiler von u v , d. h. u v = a r mit r ∈ R .Ist u (bzw. v) eine Einheit, dann teilt a den Faktor v (bzw. u). Sindu, v /∈ R∗ ∪0 , so ist auch r /∈ R∗ ∪0 (sonst ware a nicht irreduzibel). Dannkonnen wir u, v, r als Produkt von irreduziblen Elementen darstellen, etwa

u = u1 ·u2 ·. . .·un , v = v1 ·v2 ·. . .·vm , r = r1 ·r2 ·. . .·rk mit irreduziblen ui, vj , rl .

Dann folgt:

u1 · u2 · . . . · un · v1 · v2 · . . . · vm = a · r1 · r2 · . . . · rk .

Da nun alle Faktoren irreduzibel sind, liefert die Eindeutigkeit (bis auf Reihen-folge und Multiplikation mit Einheiten) der Zerlegung: a = ε ui oder a = ε′ vjfur ein i ∈ 1, 2, . . . , n bzw. ein j ∈ 1, 2, . . . ,m und ε, ε′ ∈ R∗ .Daraus folgt: a |u oder a | v . Also ist a ein Primelement.

”c) ⇒ a)“: Es muß bloß die Eindeutigkeit der Faktorisierung gezeigt werden. Sei dazu mitirreduziblen pi und qj : p1 · p2 · . . . · pk = q1 · q2 · . . . · ql . (∗)Ohne Beschrankung der Allgemeinheit sei k ≤ l . Nach Voraussetzung sind diepi und qj Primelemente. Diese Eigenschaft wird verwendet.Wegen p1 | q1 · q2 · . . . · ql teilt p1 wenigstens einen Faktor qm fur mindestens einm ∈ 1, 2, . . . , l . Wir wahlen einen davon aus und numerieren die qj so um, daßgilt: p1 | q1 . Nach Folgerung 58.17 sind p1 und q1 assoziiert, d. h. q1 = ε1 p1 mitε1 ∈ R∗ . Durch Kurzen erhalten wir aus (∗): p2 · . . . · pk = ε1 · q2 · . . . · ql .Wiederholen wir obige Uberlegung insgesamt k-mal, so folgt mit pi = εi qπ(i) furalle 1 ≤ i ≤ k und π ∈ Sl :

1 = ε1 · ε2 · . . . · εk · qπ(k+1) · qπ(k+2) · . . . · qπ(l) .

Ware nun k < l, dann ergabe sich: qπ(k+1) ·qπ(k+2) ·. . .·qπ(l) ∈ R∗ im Widerspruchzu qj /∈ R∗ fur alle 1 ≤ j ≤ l .

”b) ⇒ c)“: Jedes r ∈ R \ (R∗ ∪0) ist nach Voraussetzung endliches Produkt von Primele-menten, also von irreduziblen Elementen (vgl. Satz 58.7b). Ist q irreduzibel undq = p1 · p2 · . . . · pk mit Primelementen pi , so lieferte k ≥ 2 , daß mindestens einFaktor eine Einheit ist im Widerspruch zu pi /∈ R∗ . Also ist k = 1 und damitq = p1 ein Primelement.

”c) ⇒ b)“: ist trivial wegen Definition 58.9. X

58.19 Satz

Jeder Hauptidealring R ist ein Gauß’scher Ring.

Beweis:

Wegen Satz 58.18 genugt es zu zeigen, daß jedes r ∈ R \ (R∗ ∪ 0) endliches Produkt vonirreduziblen Elementen ist. Angenommen, es existierte doch ein r ∈ R \ (R∗ ∪ 0) , das sich

Page 317: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

§ 58. TEILBARKEIT IN INTEGRITATSRINGEN 309

nicht als endliches Produkt von irreduziblen Elementen darstellen laßt. Dann ist r reduzibel;also gibt es d1, d2 ∈ R \ (R∗ ∪ 0) mit r = d1 d2 .Damit gilt: (r) ⊂

6=(d2). (Ware namlich (d2) = (r), so waren r und d2 assoziiert, d. h. r = ε d2 mit

ε ∈ R∗ . Daraus folgt aber wegen r = d1 d2 = ε d2 : d1 = ε ∈ R∗ im Widerspruch zu d1 /∈ R∗ .)Wenigstens einer der Faktoren d1, d2 , etwa d2 , ist kein endliches Produkt von irreduziblenElementen; also existieren d3, d4 ∈ R \ (R∗ ∪ 0) mit d2 = d3 d4 und (d2) ⊂

6=(d4) . So weiter

fortfahrend erhielten wir eine aufsteigende Folge von Idealen (r) ⊂ (d2) ⊂ (d4) ⊂ (d6) ⊂ . . . ,die nicht stationar wird im Widerspruch zu Satz 58.10.

58.20 Definition

Ein Integritatsring R heißt euklidisch, wenn es eine Abbildung grad: R \ 0 → INgibt mit der folgenden Eigenschaft:

Sind a, b ∈ R mit b 6= 0, dann gibt es einen ”Quotienten“ q ∈ R und einen ”Rest“ r ∈ Rderart, daß a = q · b+ r gilt, wobei entweder r = 0 oder grad r < grad b ist.

58.21 Beispiele

a) ZZ bildet mit grad z := |z| einen euklidischen Ring.

b) Es sei85 ZZ [i] := a+b i | a, b ∈ ZZ ⊂ C . Man rechnet leicht nach, daß ZZ [i] einen Un-terring von C bildet (vgl. Ubungsaufgabe 55–2). Dieses ZZ [i] heißt Ring der ganzen Gauß-schen Zahlen86 und ist sogar ein Integritatsring. Wir definieren als Grad–Funktion (nachDefinition 58.20) die Abbildung N : ZZ [i] \ 0 → IN mit

N(a+ b i) := a2 + b2 ;

dann ist N multiplikativ, d. h.

N((a+ b i) (c+ d i)) = N(a+ b i)N(c+ d i)

wegen N(z) = |z|2 = z z fur z ∈ C .Seien nun a+ b i , c+ d i ∈ ZZ [i] mit c2 + d2 6= 0 ; dann gilt:

a+ b i

c+ d i=

(a+ b i) (c− d i)c2 + d2

=ac+ bd

c2 + d2+bc− adc2 + d2

i .

Es gibt dann e, f ∈ ZZ und v, w ∈ IR mit |v| ≤ 12 und |w| ≤ 1

2 derart, daß

ac+ bd

c2 + d2= e+ v und

bc− adc2 + d2

= f + w

gilt. Mit q := e+ f i und r := (c+ d i) (v + w i) erhalten wir:

a+ b i = q (c+ d i) + r .

85Sprechweise:”ZZ adjungiert i“

86Man stelle sich die Elemente aus ZZ [i] anschaulich als ganzzahlige Gitterpunkte der Gauß’schen Zahlenebenemit reeller x–Achse und imaginarer y–Achse vor.

Page 318: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

310 KAPITEL XIII. RINGE, KORPER UND POLYNOME

Wegen q ∈ ZZ [i] ist auch r = (a+ b i)− q (c+ d i) ∈ ZZ [i] . Ferner gilt:

N(r) = N(c+ d i)N(v + w i) = (c2 + d2) (v2 + w2)

≤ 12

(c2 + d2) < N(c+ d i) .

Also ist ZZ [i] ein euklidischer Ring.

58.22 Satz

Ist R ein euklidischer Ring, so ist R ein Hauptidealring (und damit auch ein Gauß’scher Ring).

Beweis:

Es sei a 6= (0) ein Ideal in R . Dann ist grad a | 0 6= a ∈ a 6= ∅ und besitzt als Teilmenge vonIN ein kleinstes Element; dies sei grad b . Wir zeigen, daß a = (b) gilt. Ist nun x ∈ a beliebig,so gilt nach Definition 58.20: x = q b+ r mit r = 0 oder grad r < grad b . Mit x ∈ a undb ∈ a ist auch r = x− q b ∈ a ; also ist r 6= 0 wegen grad r < grad b nicht moglich. Und r = 0liefert: x = q b , d. h.: a = (b) .

58.23 Bemerkungen

(i) R euklidisch ⇒ R Hauptidealring⇒ R ZPE–Ring.

Die Umkehrungen gelten im allgemeinen nicht.

(ii) In einem euklidischen Ring R ist der sogenannte euklidische Algorithmus, als konstruktivesVerfahren zur Berechnung des ggT(a1, a2) ∈ R , durchfuhrbar:Seien dazu a1, a2 ∈ R ; ist a1 kein Vielfaches von a2 , so gibt es q1, a3 ∈ R , a3 6= 0 mit

a1 = q1 · a2 + a3 mit grad a3 < grad a2 .

Teilen wir a2 durch a3 , so ergibt sich weiter:

a2 = q2 · a3 + a4 mit grad a4 < grad a3 oder a4 = 0 .

Fahren wir so weiter fort, dann ergibt sich schließlich:

am−1 = qm−1 · am + am+1 mit grad am+1 < grad am

undam = qm · am+1 .

Ist dabei am+2 = 0 , so sind alle Reste a3, a4, . . . , am+1 von Null verschieden. Nun gilt:

am+1 = ggT(a1, a2) .

Page 319: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

§ 58. TEILBARKEIT IN INTEGRITATSRINGEN 311

Beweis zu Bemerkung 58.23(ii):

Wir zeigen den Algorithmus in Matrizen–Schreibweise:(qi 11 0

)·(ai+1

ai+2

)=

(aiai+1

)fur alle 1 ≤ i ≤ m .

Setzen wir

A :=m∏i=1

(qi 11 0

),

so ergibt sich:

A ·(am+1

0

)=

(a1

a2

).

Also ist a1 ∈ Ram+1 sowie a2 ∈ Ram+1 und damit (a1, a2) ⊂ (am+1). Da jede Matrix der Form(q 11 0

)im Matrizenring Mat(2, 2;R) ein inverses Element besitzt, namlich

(0 11 −q

), hat

auch A ein Inverses, das wir wie ublich mit A−1 bezeichnen. Dann ist(am+1

0

)= A−1 ·

(a1

a2

).

Daraus folgt: am+1 ∈ Ra1 +Ra2 = (a1, a2) .Daher gilt also: (am+1) = (a1, a2) , und Satz 58.12 liefert die Behauptung.

58.24 Hilfssatz

Es seien p ∈ IN∗ eine Primzahl und k ∈ ZZ mit ggT(k, p) = 1 und k p = x2 + y2 fur x, y ∈ ZZ .Dann gibt es a, b ∈ ZZ mit p = a2 + b2 .

Beweis:

Wir zeigen, daß p in ZZ [i] kein Primelement ist. Angenommen, es ware p doch ein Primelementin ZZ [i] . Wegen x2 + y2 = (x+ i y) (x− i y) = kp gilt: p |x+ i y oder p |x− i y . Im ersten Fallfolgt: x + i y = p (u + i v) = pu + i pv , d. h.: x = pu und y = pv . Dann gilt: p |x − i y ; alsoteilt p2 das Produkt (x+ i y) (x− i y) = x2 + y2 = kp . Damit teilt p auch k im Widerspruch zuggT(k, p) = 1 . Entsprechend liefert auch der zweite Fall p |x− i y einen Widerspruch.Somit gilt in ZZ [i] : p = (a+ i b) (c+ i d) (∗)mit Nichteinheiten a + i b und c + i d . Nun ist a + i b genau dann eine Einheit in ZZ [i] , wenna2 + b2 = 1 ist. Also gilt hier: a2 + b2 6= 1 und c2 + d2 6= 1 . Aus (∗) folgt dann:p2 = p p = (a2 + b2) (c2 + d2) , d. h.: p = a2 + b2 wegen a2 + b2 6= 1 6= c2 + d2 .

58.25 Hilfssatz

Ist die Primzahl p ∈ IN∗ von der Form p = 4m+ 1 mit m ∈ IN∗ , so gibt es ein x ∈ ZZ mit

x2 ≡ −1 (mod p) , d. h. x2 + 1 = kp mit k ∈ IN∗ .

Page 320: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

312 KAPITEL XIII. RINGE, KORPER UND POLYNOME

Beweis zu Hilfssatz 58.25:

Wir setzen x := 1 ·2 ·3 · . . . · p−12 ; dann ist p−1

2 gerade, also ist auch x = (−1) ·(−2) ·(−3) ·(− p−12 )

gerade. Damit folgt wegen −k ≡ −k + p (mod p) :

x2 ≡ 1 · 2 · 3 · . . . · p− 12· (p− 1) · (p− 2) · . . . ·

(p+ 12

)(mod p) = (p− 1)! (mod p)

≡ (p− 1) (mod p) ≡ −1 (mod p)

nach dem Satz von Wilson87 aus Ubungsaufgabe 44–2.

58.26 Satz (nach Fermat)

Ist die Primzahl p ∈ IN∗ von der Form p = 4m + 1 mit m ∈ IN∗ , so existieren a, b ∈ ZZ mitp = a2 + b2 .

Beispiele fur Primzahlen p = 4m+ 1 mit p = a2 + b2 :5 = 12 + 22

13 = 22 + 32

17 = 42 + 12

29 = 52 + 22

37 = 62 + 12

41 = 52 + 42

......

Beweis zu Satz 58.26:

Nach dem Hilfssatz 58.25 existiert ein x ∈ ZZ mit x2 ≡ −1 (mod p) , d. h. x2 + 1 = kp mitk ∈ IN∗ . Ohne Beschrankung der Allgemeinheit kann x ∈ 0, 1, 2, . . . , p−1 gewahlt werden.Wir konnen sogar 0 ≤ x ≤ p

2 annehmen. Ist namlich y ∈ ZZ mit p2 < y ≤ p−1 und y2 +1 = kp ,

so setzen wir x := p − y ; dann ist x2 ≡ y2 (mod p) und 0 ≤ x ≤ p2 . Aus x2 + 1 = kp mit

k ∈ IN∗ und 0 ≤ x ≤ p2 folgt: kp ≤ p2

4 + 1 < p2 , d. h. k < p . Damit sind k und p teilerfremd.Und Hilfssatz 58.24 liefert die Behauptung.

§ 59 Polynomringe

Wir setzen nunmehr generell voraus, daß R ein kommutativer Ring mit 1 6= 0 ist.

59.1 Definition

Es sei R[[X]] := Abb(IN,R) ; wir definieren eine Addition und eine Multiplikation auf R[[X]]durch

(f + g)(m) := f(m) + g(m)

und (f · g)(m) :=m∑k=0

f(k) · g(m− k)

=∑

k+l=m

f(k) · g(l)

fur alle f, g ∈ Abb(IN,R) und m ∈ IN .

87John Wilson, englischer Mathematiker und Jurist (?06.08.1741, †18.10.1793)

Page 321: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

§ 59. POLYNOMRINGE 313

59.2 Satz und Definition

Die in Definition 59.1 eingefuhrte Addition und Multiplikation macht R[[X]] zu einem kommu-tativen Ring mit Einselement e : IN → R , wobei e(0) = 1 und e(m) = 0 ist fur alle m ∈ IN∗ .Und R[[X]] heißt Ring der formalen Potenzreihen oder kurz: Potenzreihenring. Die Elementevon R[[X]] heißen mithin formale Potenzreihen.

59.3 Bemerkung

Definieren wir α : R → R[[X]] durch α(r) := fr mit fr(0) = r und fr(m) = 0 fur allem ∈ IN∗ , d. h. in Kurzschreibweise: α(r) = (r, 0, 0, 0, . . . ) , so ist α ein Ring–Monomorphismus.Daher konnen wir R auch als Unterring von R[[X]] auffassen.

Wir betrachten X ∈ Abb(IN,R) mit X(1) = 1 und sonst X(m) = 0 fur alle m ∈ IN \ 1 .Dann erhalten wir fur die Potenzen Xn von X in R[[X]] das Kronecker–Symbol:

Xn(m) = δn,m fur n,m ∈ IN .

(Beweis durch vollstandige Induktion nach n : Fur n = 0 ergibt sich sofort: X0 = e ; furn = 1 ist X1 = X . Dann folgt mit n→ n+1 :

Xn+1(m) = (XXn)(m)

=m∑k=0

X(k)Xn(m− k)

=m∑k=0

δ1,kXn(m− k)

= Xn(m− 1)= δn,m−1

= δn+1,m .

)Fur r ∈ R erhalten wir weiter:

(α(r)Xn)(m) =m∑k=0

α(r)(k)Xn(m− k)

=m∑k=0

Xn(k)α(r)(m− k)

= r Xn(m) ,

d. h.: (α(r)Xn)(0, 1, 2, . . . ) = (0, 0, . . . , 0, r, 0, 0, . . . )↑

(n+ 1)-te Stelle

.

Ist nun f ∈ R[[X]] beliebig mit f(m) = fm ∈ R fur alle m ∈ IN , so gilt fur jedes n ∈ IN :

f =n∑k=0

α(fk)Xk + gn+1

Page 322: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

314 KAPITEL XIII. RINGE, KORPER UND POLYNOME

mit gn+1(0, 1, 2, . . . ) :=

(n+ 1)-te Stelle

↓(0, 0, . . . , 0, fn+1, fn+2, . . . ) . Identifiziert man α(fk) mit fk , dann

schreibt man abkurzend fur eine formale Potenzreihe f ∈ R[[X]] :

f =∞∑k=0

fkXk .

Wegen α(1) = e schreibt man haufig auch 1 anstelle von e = X0 . In dieser Form heißen dieElemente fk ∈ R die Koeffizienten von f .Ist a ein Ideal in R , so bezeichne a[[X]] die Menge der formalen Potenzreihen mit Koeffizientenin a. Dann ist a[[X]] ein Ideal in R[[X]] .

59.4 Satz und Definition

Es sei

R[X] :=f =

∞∑k=0

fkXk ∈ R[[X]]

∣∣∣ es gibt ein n = n(f) ∈ IN mit fk = 0 fur alle k > n.

Dann ist R[X] ein Unterring von R[[X]] . Und R[X] heißt Polynomring uber R in der Unbe-stimmten X; die Elemente von R[X] nennt man Polynome (in X ) mit Koeffizienten in R.

Beweis:

Sind f =∞∑k=0

fkXk mit fk = 0 fur alle k > m und g =

∞∑k=0

gkXk mit gk = 0 fur alle k > n .

Dann ist

f − g =∞∑k=0

(fk − gk)Xk mit fk − gk = 0 fur alle k > maxm,n

sowie

f · g =∞∑k=0

hkXk mit hk =

k∑j=0

fj gk−j = 0 fur alle k > m+ n .

59.5 Bemerkung

Es ist f ∈ R[X] genau dann das Nullpolynom, wenn fur alle Koeffizienten fk von f gilt:

fk = 0 . Gilt fur ein f =∞∑k=0

fkXk ∈ R[X] fur alle k > m : fk = 0 , so schreiben wir:

f =m∑k=0

fkXk .

Ist R Unterring eines Ringes S derart, daß die Einselemente von R und S ubereinstimmen, d. h.:1R = 1S , dann definieren wir fur ein x ∈ S die Abbildung

Φx : R[X]→ S durch Φx(f) :=m∑k=0

fk xk mit f =

m∑k=0

fkXk .

Page 323: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

§ 59. POLYNOMRINGE 315

Ist weiter g =n∑k=0

gkXk ∈ R[X] , so gilt:

Φx(f + g) =maxm,n∑

k=0

(fk + gk)xk = Φx(f) + Φx(g)

und Φx(f · g) =m+n∑k=0

( k∑j=0

fj gk−j)xk = Φx(f) · Φx(g) .

Also ist Φx ein Ring–Homomorphismus mit

Φx(X) = Φx(1R ·X) = 1R · x = 1S · x = x ;

und Φx heißt Einsetz–Homomorphismus.

Es gilt: Im Φx = m∑k=0

fk xk∣∣∣ m ∈ IN ∧ f0, f1, . . . , fm ∈ R

fur ein x ∈ S , dabei ist Im Φx

der kleinste Unterring von S , der R und x enthalt. Deshalb schreibt man auch R[x] anstellevon Im Φx . Und R[x] entsteht aus R durch Ring–Adjunktion der Elemente x. In diesem Sinneheißt das Polynom X Unbestimmte, da man eine Festlegung erst spater vornimmt. Als Beispielfur diesen Prozeß haben wir in Beispiel 58.21b) bereits ZZ [i] kennengelernt.

59.6 Definition

a) Die Abbildung grad: R[X] \ 0 → IN , definiert durch

grad f := maxk ∈ IN

∣∣∣ fk 6= 0 fur f =∞∑k=0

fkXk,

heißt die Grad–Funktion auf R[X]. Und grad f heißt der Grad des Polynoms f .

b) Ist f =n∑k=0

fkXk ein Polynom vom Grad n (uber R ), so heißt fn =: HK(f) der Leitkoeffi-

zient oder Hochstkoeffizient von f . Ist HK(f) = 1 , dann nennt man f auch normiert.

59.7 Satz

Es seien f, g ∈ R[X] \ 0 zwei Polynome. Dann gelten die Aussagen:

a) Es ist f + g = 0 oder f + g 6= 0 mit grad(f + g) ≤ maxgrad f, grad g .

b) Es ist f · g = 0 oder f · g 6= 0 mit grad(f · g) ≤ grad f + grad g .

c) Ist HK(f) · HK(g) 6= 0 , so ist f · g 6= 0 mit HK(f · g) = HK(f) · HK(g) , und es gilt:grad(f · g) = grad f + grad g .

Beweis:

Die Aussagen a) und b) folgen direkt aus dem Beweis zu Satz 59.4, ebenso Teil c). X

Page 324: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

316 KAPITEL XIII. RINGE, KORPER UND POLYNOME

59.8 Folgerungen

a) Der Polynomring R[X] ist genau dann ein Integritatsring, wenn R ein Integritatsring ist.

b) Ist R ein Integritatsring, so gilt: R[X]∗ = R∗ .

c) Polynomringe sind niemals Korper.

Beweis:

zu a):

”⇒“: ist klar. X

”⇐“: Sind f, g ∈ R[X]\0, so ist HK(f) 6= 0 und HK(g) 6= 0, also HK(f)·HK(g) 6= 0.Dann liefert Satz 59.7c) die Behauptung.

zu b): Es gilt: f ∈ R[X]∗ ⇐⇒ ∃g∈R[X] mit f · g = 1 .Daraus folgt: 0 = grad 1 = grad(f ·g) = grad f+grad g . Wegen grad f, grad g ∈ INergibt sich also: grad f = grad g = 0 , d. h.: f, g ∈ R und damit: f ∈ R∗ .Die Umkehrung ist trivial. X

zu c): Nach Definition 57.1 und Teil b) gilt:R[X] Korper ⇐⇒ R[X] \ 0 = R[X]∗ = R∗ .

59.9 Bemerkung

Ist R ein Integritatsring, so ist R[X] ebenfalls ein Integritatsring. Der gemaß Satz 25.3 (inLineare Algebra I) gebildete Quotientenkorper

R(X) :=[fg

] ∣∣∣∣ f, g ∈ R[X] mit g 6= 0

heißt Korper der rationalen Funktionen uber R in der Unbestimmten X.

59.10 Satz

Ist R[X] ein Hauptidealring, so ist R ein (kommutativer) Korper.

Beweis:

Wir betrachten den Einsetz–Homomorphismus Φ0 : R[X]→ R mit Φ0

( m∑k=0

fkXk)

= f0 . Der

Homomorphiesatz 56.5c) liefert: R[X]/Ker Φ0∼= Φ0(R[X]) = R . Als Hauptidealring ist R[X]

bereits ein Integritatsring, also auch R und damit R[X]/Ker Φ0 ebenfalls.Nach Satz 58.2 ist somit Ker Φ0 ein Primideal in R[X] . Gemaß Satz 58.8 ist dann Ker Φ0 imHauptidealring R[X] maximal. Und Folgerung 57.15 liefert schließlich, daß R[X]/Ker Φ0 einKorper ist.

Page 325: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

§ 59. POLYNOMRINGE 317

59.11 Satz (Division mit Rest)

Es seien f, g ∈ R[X] mit HK(g) ∈ R∗ ; dann existieren eindeutig bestimmte q, r ∈ R[X] derart,daß gilt:

f = q · g + r mit r = 0 oder grad r < grad g .

Beweis:

(Vgl. hierzu auch den Beweis zu Satz 20.2 in Lineare Algebra I.)Ist f = 0 , so gilt einfach: f = 0 · g + 0 .

Wir zeigen fur f 6= 0 die Existenz von q und r durch vollstandige Induktion nach grad f :Ist grad f = 0 , so ist f ∈ R ; ist auch grad g = 0 , so ist g = g0 = HK(g) ∈ R∗ . Mit q = f g0

−1

und r = 0 folgt dann die Behauptung. Ist grad g > grad f , so setzen wir q = 0 und r = f . XSei nun grad f ≥ 1 . Im Falle grad g > grad f wahle wieder q = 0 und r = f . Ist grad g = 0 ,

so setze q = f g0−1 und r = 0 . Sei jetzt aber grad f ≥ grad g ≥ 1 , etwa f =

m∑k=0

fkXk und

g =n∑k=0

gkXk mit gn = HK(g) ∈ R∗ . Wir definieren

f1 := f − fm gn−1Xm−n g .

Dann ist f1 =m∑k=0

hkXk mit hm = fm − fm gn−1 gn = 0 , also f1 = 0 oder grad f1 < grad f .

Im zweiten Falle gibt es nach Induktionsvoraussetzung q1, r1 ∈ R[X] mit f1 = q1 · g+ r1 , wobeir1 = 0 oder grad r1 < grad g gilt. Durch Einsetzen erhalten wir dann:

f = f1 + fm gn−1Xm−n g

= (q1 + fm gn−1Xm−n) g + r1

mit r1 = 0 oder grad r1 < grad g .

Zur Eindeutigkeit der Zerlegung:Angenommen, es ware f = q · g + r = q′ · g + r′ , d. h. (q − q′) g = r′ − r . Ist r′ 6= r , d. h.(q − q′) g 6= 0 , so liefert Satz 59.7:

grad(r′ − r) = grad(q − q′) + grad g .

Wegen grad(r′ − r) < grad g ist dies ein Widerspruch. Also ist r = r′ und damit q = q′ .

59.12 Satz

Folgende Aussagen sind fur einen kommutativen Ring R mit 1 6= 0 aquivalent:

a) R ist ein Korper.

b) R[X] ist ein Hauptidealring.

c) R[X] ist ein euklidischer Ring.

Page 326: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

318 KAPITEL XIII. RINGE, KORPER UND POLYNOME

Beweis zu Satz 59.12:

”a) ⇒ c)“: Ist R ein Korper, so ist fur jedes g ∈ R[X] \ 0 der HochstkoeffizientHK(g) ∈ R∗ = R \ 0 . Dann liefert Satz 59.11 die Behauptung. X

”c) ⇒ b)“: Satz 58.22. X

”b) ⇒ a)“: Satz 59.10. X

59.13 Beispiel

Wir betrachten X3 + 2X2 + 1 ∈ ZZ [X] und X2 − 1 ∈ ZZ [X] ; dann gilt nach Satz 59.11:

X3 + 2X2 + 1 = (X + 2) · (X2 − 1) + (X + 3) ,

und man erhalt X + 2 bzw. X + 3 nach dem ublichen Divisionsalgorithmus:

(X3 + 2X2 + 1) : (X2 − 1) = X + 2− (X3 − X)

2X2 + X + 1− (2X2 − 2)

X + 3

59.14 Bemerkung

Wir betrachten die Situation aus Bemerkung 59.5. Fur ein f ∈ R[X] definieren wir f : S → Sdurch

f(x) := Φx(f) ;

dann ist f eine Polynomabbildung auf S mit Koeffizienten aus R . Ist R = S ein Korper derCharakteristik charR 6= 0 , so kann f ∈ R[X] \ 0 und f(r) = 0 fur alle r ∈ R sein. Es istzum Beispiel fur R = ZZ2 :

f = X2 −X ∈ ZZ2[X] \ 0

und f(0) = 0 sowie f(1) = 0 , d. h. f(r) = 0 fur alle r ∈ ZZ2 (vgl. Bemerkung 19.9 ausLineare Algebra I).

Ist R = S ein kommutativer Ring mit 1 6= 0 , so bezeichnet man mit Π(R) im allgemeinen denRing der Polynomabbildungen auf R, d. h.:

Π(R) :=f ∈ Abb(R,R)

∣∣∣ f(x) =m∑k=0

ak xk mit m ∈ IN und a0, a1, a2, . . . , am ∈ R ∀x∈R

.

Wann ist nun Π(R) ∼= R[X] ?

59.15 Definition

Wir betrachten zwei kommutative Ringe R und S mit 1R = 1S , R ⊂ S sowie 1R 6= 0R . EinElement a ∈ S heißt Nullstelle oder Wurzel von f ∈ R[X] , wenn Φa(f) = 0 gilt.

Page 327: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

§ 59. POLYNOMRINGE 319

59.16 Satz

Es seien R ein Integritatsring und f ∈ R[X] mit n = grad f . Dann besitzt f hochstens nverschiedene Nullstellen in R ; und fur jede Nullstelle a ∈ R ist (X − a) ein Teiler von f .

Beweis:

Sei Φa(f) = 0 ; nach Satz 59.11 gibt es dann zu f und g = X − a Polynome q, r ∈ R[X] mitf = q · g + r , wobei r = 0 oder grad r < grad g = 1 , d. h. r = 0 oder grad r = 0 . Also iststets r ∈ R . Durch den Einsetz–Homomorphismus folgt:

0 = Φa(f) = Φa(q) · Φa(g) + Φa(r) = r ; also ist f = q · g .Ist b 6= a eine weitere Nullstelle von f , so folgt:

0 = Φb(f) = Φb(q) · Φb(g) = Φb(q) · (b− a) .Wegen b 6= a ist Φb(q) = 0 . Es ist grad q = n − 1 . Sind nun a1, a2, . . . , as ∈ R paarweiseverschiedene Nullstellen von f , so zeigt man mit vollstandiger Induktion:

f = qs · (X − a1) · (X − a2) · . . . · (X − as) mit qs ∈ R[X] .Wegen s ≤ grad f folgt daraus die Behauptung.

59.17 Satz

Ist R ein Integritatsring mit |R| =∞ , so ist R[X] isomorph zu Π(R) .

Beweis:

Betrachte F : R[X] → Π[R] mit F (f) := f , d. h. F (f)(x) = f(x) = Φx(f) . Dann ist F einHomomorphismus. Und F ist surjektiv. Wir zeigen, daß F auch injektiv, d. h. KerF = 0ist. Sei dazu f ∈ KerF , also Φx(f) = 0 fur alle x ∈ R . Ware nun f 6= 0 , so ergabe sich einWiderspruch zu Satz 59.16.

59.18 Satz

Es sei K ein kommutativer Korper und G eine endliche Untergruppe von K∗ = K \ 0 . Dannist G zyklisch.

Beweis:

Sei |G| = n und n = p1k1 · p2

k2 · . . . · prkr die Primfaktorzerlegung von n . Nach Satz 48.1 laßtsich G als (inneres) direktes Produkt ihrer Sylow–Untergruppen G1, G2, . . . , Gr mit |Gi| = pi

ki

darstellen. Gemaß Satz 45.7 genugt es nun zu zeigen, daß jedes Gi zyklisch ist. Sei dazu der Indexi ∈ 1, 2, . . . , r fest und U := Gi . Ist x ∈ U , so ist ordx = pi

jx mit jx ∈ 0, 1, 2, . . . , ki . DaU endlich ist, existiert ein a ∈ U mit api

j= 1 und j = maxjx | x ∈ U . Dann gilt fur alle

x ∈ U : xpij

= 1 . Damit sind alle x ∈ U Nullstellen von Xpij − 1 ∈ K[X] . Nach Satz 59.16

hat U nun hochstens pij verschiedene Elemente. Also ist <a> = U = Gi .

59.19 Folgerung

Ist der Korper K endlich, so ist seine Einheitengruppe K∗ = K \ 0 zyklisch.Speziell ist ZZ ∗p (mit p prim) eine zyklische Gruppe.

Page 328: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

Kapitel XIV

Rekursive Techniken

Aus Satz 53.4 kennen wir bereits die Rekursionsformel

S(n, k) = S(n− 1, k − 1) + k · S(n− 1, k) .

Ebenfalls ist uns zum Beispiel die rekursive Definition der Fibonacci–Zahlen bekannt (sonst sieheetwa Beispiel 61.3):

F0 = F1 = 1 ,Fn+2 = Fn+1 + Fn ∀n≥0 .

Ist nun eine Folge (un)n≥0 gegeben, so bilden wir eine formale Potenzreihe

U :=∞∑n=0

unXn ∈ R[[X]]

und versuchen durch Kenntnis spezieller Potenzreihen, die Koeffizienten un ∈ R von U explizitanzugeben.

§ 60 Partialbruchzerlegung

60.1 Satz

Ist K ein kommutativer Korper, so existiert zu B :=∞∑k=0

bkXk ∈ K[[X]] genau dann ein inverses

Element, wenn b0 6= 0 gilt.

Beweis:

”⇒“: Ist U =∞∑k=0

ukXk ∈ K[[X]] mit B · U = 1 , so folgt: b0 u0 = 1 und damit: b0 6= 0 .

320

Page 329: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

§ 60. PARTIALBRUCHZERLEGUNG 321

”⇐“: Gilt: b0 6= 0 , so ist ein U =∞∑k=0

ukXk ∈ K[[X]] gesucht mit B · U = 1 , d. h.:

b0 u0 = 1b0 u1 + b1 u0 = 0

b0 u2 + b1 u1 + b2 u0 = 0...

...k∑j=0

bj uk−j = 0 .

Bestimme dann un rekursiv aus:

u0 =1b0, u1 = − 1

b0b1 u0 , u2 = − 1

b0· (b1 u1 + b2 u0) , . . . , uk = − 1

b0·k∑j=1

bj uk−j .

60.2 Beispiel

Es gilt: (1−X)−1 =∞∑k=0

Xk ∈ ZZ [[X]] ; hier ist b0 = 1 6= 0 , b1 = −1 und bk = 0 fur alle k ≥ 2 .

Nach Satz 60.1 existiert dann ein inverses Element in IR[[X]] . Aus (1−X) ·∞∑k=0

ukXk = 1 folgt:

u0 = 1u1 − u0 = 0u2 − u1 = 0

...uk − uk−1 = 0 fur k ∈ IN∗ ,

d. h.: u0 = u1 = u2 = . . . = 1 .

60.3 Satz

Gegeben seien ein kommutativer Korper K und Polynome P,Q ∈ K[X] derart, daß gilt:

(i) gradP < gradQ ,

(ii) Q = S · T mit teilerfremden S, T ∈ K[[X]] ,

(iii) Q besitze in K[[X]] ein inverses Element.

Dann existieren Polynome F,G ∈ K[X] mit

P ·Q−1 = F · S−1 +G · T−1 ∈ K[[X]] ,

wobei F = 0 oder gradF < gradS ist und G = 0 oder gradG < gradT ist.

Page 330: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

322 KAPITEL XIV. REKURSIVE TECHNIKEN

Beweis zu Satz 60.3:

Seien p0, q0, s0, t0 die ”Absolutglieder“ von P,Q, S, T . Fur einen Korper K ist mit Satz 59.12K[X] sowohl ein euklidischer Ring als auch ein Hauptidealring. Aus q0 = s0 t0 folgt wegenq0 6= 0 nach Satz 60.1, daß auch S und T invertierbar sind. Gemaß Folgerung 58.14 existierenf, g ∈ K[X] mit f · T + g · S = 1 . Durch Multiplikation mit P folgt:

P = (P · f) · T + (P · g) · S =: f · T + g · S .

Der euklidische Algorithmus aus Bemerkung 58.23(ii) liefert:

f = q · S + F mit F = 0 oder gradF < gradS .

Und Einsetzen in die obige Gleichung ergibt:

P = (q · S + F ) · T + g · S= (q · T + g) · S + F · T=: F · T +G · S .

Im Falle F = 0 gilt dann: P = G · S , d. h.: P ·Q−1 = G · T−1 undgrad(G · S) = gradP < gradQ = grad(S · T ) , woraus weiter gradG < gradT folgt.Im Falle gradF < gradS erhalt man aus gradP < gradQ und grad(F · T ) < grad(S · T )wegen G · S = P − F · T :

grad(G · S) = grad(P − F · T ) ≤ max gradP , grad(F · T ) < gradQ = grad(S · T ) ,

also: gradG < gradT oder eben: G · S = 0 , d. h.: G = 0 .

60.4 Bemerkungen

(i) Die Polynome F und G aus Satz 60.3 sind eindeutig bestimmt.

(ii) Sind P,Q ∈ K[X] mit gradP < gradQ , und ist Q = Q1m1 · Q2

m2 · . . . · Qkmk ”die“Faktorisierung von Q mit paarweise verschiedenen irreduziblen Polynomen Qi ∈ K[X] ,so liefert mehrmalige Anwendung von Satz 60.3 die Darstellung:

P

Q=

H1

Q1m1

+H2

Q2m2

+ . . .+Hk

Qkmk

mit Hi ∈ K[X] und gradHi < gradQimi fur alle 1 ≤ i ≤ k . Man spricht dann von ”der“Partialbruchzerlegung von P

Q .

(iii) Ist speziell Qi = X − ai mit ai ∈ K fur alle 1 ≤ i ≤ k , so gilt:

P

Q=

k∑i=1

Hi

(X − ai)mimit gradHi < mi .

Sukzessive Anwendung des euklidischen Algorithmus liefert dann:

Hi = (X − ai) · qi1 + γ1mi

qij = (X − ai) · qi,j−1 + γi,mi−j+1 fur 2 ≤ j ≤ mi

mit γij ∈ K fur 1 ≤ j ≤ mi und qij ∈ K[X] .

Page 331: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

§ 60. PARTIALBRUCHZERLEGUNG 323

Daraus folgt:

Hi = γimi + γi,mi−1(X − ai) + γi,mi−2(X − ai)2 + . . .+ γi1(X − ai)mi−1 ,

also:Hi

(X − ai)mi=

mi∑j=1

γij(X − ai)j

.

60.5 Beispiel

Bestimme die Partialbruchzerlegung von1

X4 + 1∈ ZZ3[[X]] .

Zuerst ist die Faktorisierung von X4 + 1 = Q zu berechnen. Ließe sich Q nun faktorisieren miteinem ”Linearfaktor“ (X − a) fur a ∈ ZZ3 , so ware (X − a) ein Teiler von Q . Dies ist aquivalentdazu, daß a eine Nullstelle von Q ware (vgl. Satz 59.16). Wegen

Q(0) = 1 , Q(1) = 2 , Q(2) = 2

existiert jedoch keine Nullstelle in ZZ3 . Also gibt es hochstens eine Faktorisierung der Form

Q = (X2 +AX +B) · (X2 + C X +D)

mit Koeffizienten A,B,C,D ∈ ZZ3 . Und Koeffizientenvergleich liefert:

BD = 1 (I)AD +BC = 0 (II)

B +D +AC = 0 (III)A+ C = 0 (IV)

Daraus folgt: A(IV)= −C und B

(I)= D 6= 0 . Im Falle B = D = 1 folgte: 0 (III)= 2 + AC ,d. h.: AC = 1 im Widerspruch zu A = −C . Es bleibt somit nur der Fall B = D = 2 ; darausergibt sich: AC = 2 , dann ist A = 1 und C = 2 eine Losung, und fur Q erhalten wir:

X4 + 1 = (X2 +X + 2) · (X2 + 2X + 2) .

Also gilt die Partialbruchzerlegung:

1X4 + 1

=F

X2 +X + 2+

G

X2 + 2X + 2

mit F,G ∈ ZZ3[X] und gradF < 2 sowie gradG < 2 . Der Ansatz F = A+BX , G = C+DXmit neuen A,B,C,D ∈ ZZ3 liefert schließlich: A = 1 , B = 1 , C = 1 und D = 2 , also:

1X4 + 1

=X + 1

X2 +X + 2+

2X + 1X2 + 2X + 2

/Erweitern mit 2

=2X + 2

2X2 + 2X + 1+

X + 22X2 +X + 1

.

Page 332: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

324 KAPITEL XIV. REKURSIVE TECHNIKEN

60.6 Bemerkung (Der Binomialsatz fur negative Exponenten)

Wie in Beispiel 60.2 zeigt man: (1 +X)−1 =∞∑k=0

(−1)kXk ∈ ZZ [[X]] .

Also ist (1 + X)−m = ((1 + X)−1)m wohldefiniert als m-faches Produkt von (1 + X)−1 imPotenzreihenring ZZ [[X]] . Durch vollstandige Induktion nach m laßt sich zeigen:

(1 +X)−m =∞∑k=0

(−1)k(m+ k − 1

k

)Xk .

Definiert man fur α ∈ ZZ und k ∈ IN den Binomialkoeffizienten als(α

k

):=

α · (α− 1) · (α− 2) · . . . · (α− k+1)k!

=(α)kk!

,

so ist fur ein m ∈ IN∗ und k ∈ IN :(−mk

)=

(−m)kk!

=(−m) · (−m− 1) · (−m− 2) · . . . · (−m− k+1)

k!

= (−1)km · (m+ 1) · (m+ 2) · . . . · (m+ k−1)

k!

= (−1)k(m+ k − 1

k

).

Also gilt fur alle m ∈ ZZ :

(1 +X)m =∞∑k=0

(m

k

)Xk ∈ ZZ [[X]] .

§ 61 Die lineare Rekursion

61.1 Definition

Gegeben sei ein Folge (uk)k≥0 von Zahlen uk ∈ R , wobei fortan R ∈ ZZ, IR, C sei; dann heißt

die formale Potenzreihe U =∞∑k=0

ukXk ∈ R[[X]] die erzeugende Funktion von (uk)k≥0 .

61.2 Definition

Ist die Folge (uk)k≥0 gegeben durch u0 = c0 , u1 = c1 , u2 = c2 , . . . , un−1 = cn−1 mit ci ∈ Rund

un+k + a1 un+k−1 + a2 un+k−2 + . . .+ an uk = 0

fur k ≥ 0 mit ai ∈ R , so sagen wir, (uk)k≥0 erfulle eine homogene lineare Rekursionsgleichungn-ter Ordnung.

Page 333: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

§ 61. DIE LINEARE REKURSION 325

61.3 Beispiel

Die sogenannten Fibonacci–Zahlen88 erfullen eine homogene lineare Rekursionsgleichung zweiterOrdnung (siehe auch Bemerkung 61.8), namlich:

F0 = 1 , F1 = 1 , Fk+2 − Fk+1 − Fk = 0 fur k ≥ 0 .

61.4 Satz

Erfullt die Folge (uk)k≥0 eine homogene lineare Rekursionsgleichung n-ter Ordnung, so gilt furihre erzeugende Funktion:

U =P

1 + a1X + a2X2 + . . .+ anXn

mit P ∈ R[X] und P = 0 oder gradP < n fur R ∈ IR, C .

Beweis:

Betrachte das Produkt P := U · (1 + a1X + a1X2 + . . .+ anX

n) =∞∑k=0

pkXk ; dann ist

pn+k =n+k∑j=0

uj an+k−j = 0 fur alle k ≥ 0 , also gilt: P =n−1∑k=0

pkXk . Und die Koeffizienten p0,

p1, p2, . . . , pn−1 berechnen sich aus:

pk =k∑j=0

uj ak−j , d. h. p0 = u0 a0 = c0 ,p1 = u0 a1 + u1 a0 = c0 a1 + c1 ,p2 = u0 a2 + u1 a1 + u2 a0 = c0 a2 + c1 a1 + c2

... usw.

61.5 Definition

Erfullt die Folge (uk)k≥0 eine homogene lineare Rekursionsgleichung n-ter Ordnung, so heißt

n∑j=0

aj tn−j = 0

mit a0 = 1 die zugehorige Hilfsgleichung.

88Leonardo von Pisa, genannt: Fibonacci, italienischer Mathematiker und Kaufmann (?ca. 1170, †ca. 1250)

Page 334: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

326 KAPITEL XIV. REKURSIVE TECHNIKEN

61.6 Bemerkung

Wir betrachten die Hilfsgleichung in C ; dann ist C[X] mit den Polynomabbildungen Π(C)zu identifizieren (gemaß Satz 59.17). In C existieren nun s paarweise verschiedene Konstan-ten α1, α2, . . . , αs und m1,m2, . . . ,ms ∈ IN∗ mit

n∑j=0

aj tn−j = (t− α1)m1 · (t− α2)m2 · . . . · (t− αs)ms ,

wobeis∑

σ=1mσ = n sei. Fur x 6= 0 erhalten wir mit t := 1

x die Umformungen:

1 + α1 x+ α2 x2 + . . .+ αn x

n = xn(an + an−1

1x

+ an−21x2

+ . . .+ a11

xn−1+

1xn

)= xn (an + an−1 t+ an−2 t

2 + . . .+ a1 tn−1 + tn)

= xn (t− α1)m1 · (t− α2)m2 · . . . · (t− αs)ms

= xn(1x− α1

)m1 ·(1x− α2

)m2 · . . . ·(1x− αs

)ms= (1− α1 x)m1 · (1− α2 x)m2 · . . . · (1− αs x)ms .

Diese letzte Gleichung gilt fur alle x ∈ C . Also ist

U =P

(1− α1 x)m1 · (1− α2 x)m2 · . . . · (1− αs x)ms.

61.7 Satz

Erfullt (uk)k≥0 eine homogene lineare Rekursionsgleichung n-ter Ordnung, und besitzt die zu-gehorige Hilfsgleichung die paarweise verschiedenen Nullstellen α1, α2, . . . , αs mit den Vielfach-heiten m1,m2, . . . ,ms , so gilt per Einsetz–Homomorphismus Φk(Pσ) =: Pσ(k) :

uk = P1(k)α1k + P2(k)α2

k + . . .+ Ps(k)αsk

mit Polynomen Pσ ∈ C[X] und Pσ = 0 oder gradPσ ≤ mσ − 1 fur alle σ = 1, 2, . . . , s , d. h.:

Pσ(k) = Aσ,0 +Aσ,1 k +Aσ,2 k2 + . . .+Aσ,mσ−1 k

mσ−1 .

Beweis:

Nach Bemerkung 60.4(ii) gilt fur die erzeugende Funktion von (uk)k≥0 :

U =s∑

σ=1

(1− ασX)mσ

mit Hσ ∈ C[X] und gradHσ < mσ . Und Bemerkung 60.4(iii) liefert fur jeden Summanden(wobei wir den Index σ weglassen):

H

(1− αX)m=

m∑j=1

γj(1− αX)j

mit γj ∈ C .

Page 335: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

§ 61. DIE LINEARE REKURSION 327

Der Binomialsatz fur negative Exponenten ergibt wegen (1− αX)−1 =∞∑k=0

αkXk :

m∑j=1

γj(1− αX)j

=∞∑k=0

(m∑j=1

γj

(j + k − 1

k

))αkXk .

Mit(j+k−1

k

)=(j+k−1j−1

)erhalten wir weiter fur l := j − 1 :

m∑j=1

γj(1− αX)j

=∞∑k=0

(m−1∑l=0

γl+1

(l + k

l

))αkXk .

Nun ist(k+ll

)= (k+l)·(k+l−1)·...·(k+1)

l! bei festem l eine Polynomabbildung vom Grad ≤ l an derStelle k . Damit folgt:

m−1∑l=0

γl+1

(l + k

l

)= P (k) mit grad P ≤ m− 1 .

61.8 Bemerkung

In den Anwendungen setzt man uk in der in Satz 61.7 angegebenen Form mit Koeffizientenfur die Polynome Pσ an und bestimmt aus den ”Anfangswerten“ c0, c1, c2, . . . , cn−1 (und derRekursionsgleichung) die Koeffizienten der erzeugenden Funktion.

Als Beispiel betrachten wir nochmals die Fibonacci–Zahlenfolge (Fk)k≥0 . Die zugehorige Hilfs-gleichung lautet:

t2 + a1 t+ a2 = t2 − t− 1 = 0 .

Wir erhalten daraus:

t2 − t− 1 =(t− 1 +

√5

2

)·(t− 1−

√5

2

);

dann gilt:

m1 = m2 = 1 , also: Fk = A1,0

(1 +√

52

)k+A2,0

(1−√

52

)kmit Aσ,0 ∈ C .

Und F0 = F1 = 1 liefert: A1,0 +A2,0 = 1 sowie

A1,01 +√

52

+A2,01−√

52

= 1 ⇐⇒ A1,0 =1 +√

52√

5∧ A2,0 =

√5− 12√

5.

Damit ist

Fk =1√5·[(

1 +√

52

)k+1

−(

1−√

52

)k+1]

fur k ≥ 0 ,

z. B.: F20 = 10 946 oder F50 = 20 365 011 074 .

Page 336: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

328 KAPITEL XIV. REKURSIVE TECHNIKEN

61.9 Definition

Ist die Folge (uk)k≥0 gegeben durch u0 = c0 , u1 = c1 , u2 = c2 , . . . , un−1 = cn−1 sowieun+k+a1 un+k−1 +a2 un+k−2 + . . .+an uk = f(k) fur k ≥ 0 mit ai, ci ∈ R und R ∈ ZZ, IR, C ,so erfullt (uk)k≥0 eine inhomogene lineare Rekursionsgleichung n-ter Ordnung.

61.10 Bemerkung

In Abhangigkeit von f laßt sich manchmal mit der oben angegebenen Methode eine Losung fureine inhomogene lineare Rekursionsgleichung berechnen. Betrachte (uber C ) etwa

u0 = 0 , u1 = 1 , uk+2 − uk+1 − 6uk = k fur k ≥ 0 .Der Ansatz

(1−X − 6X2) ·∞∑k=0

ukXk = u0 + (u1 − u0)X + (u2 − u1 − 6u0)X2 + . . .+

+ (uk+2 − uk+1 − 6uk)Xk+2 + . . .

= X +X3 + 2X4 + . . .+ kXk+2 + . . .

= X +X3 (1 + 2X + 3X2 + . . .+ kXk−1 + . . . )

fuhrt wegen (1−X)−2 =∞∑k=0

(k+1k

)Xk =

∞∑k=0

(k + 1)Xk zu:

(1 + 2X) · (1− 3X) · U = X +X3

(1−X)2

⇐⇒ U =X − 2X2 + 2X3

(1 + 2X) (1− 3X) (1−X)2

=A

1 + 2X+

B

1− 3X+

C

1−X+

D

(1−X)2

mit A,B,C,D ∈ C . Die Einsetzmethode liefert z. B.: A = −29 , B = 1

4 , C = 536 , D = −1

6 ;und wir erhalten:

uk =136

[(−2)k+3 + 3k+2 − 6 k − 1] .

§ 62 Partitionen und erzeugende Funktionen

Ist p(m) die Anzahl der Partitionen von m ∈ IN mit p(0) = 1, so ist P :=∞∑m=0

p(m)Xm gesucht.

Wir betrachten in C[[X]] die formale Potenzreihe

(1−Xi)−1 =∞∑n=0

Xni =: F =∞∑k=0

fkXk mit einem i ∈ IN∗ .

Dabei ist fk die Anzahl der Partitionen von k , wobei jede Teilmenge genau i Elemente enthalt.Es gilt namlich:

fk =

1 , wenn k = ni mit n ∈ IN0 sonst

.

Page 337: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

§ 62. PARTITIONEN UND ERZEUGENDE FUNKTIONEN 329

Sind i, j ∈ IN∗ mit i 6= j und G ∈ C[[X]] mit G := (1−Xj)−1 =∞∑n=0

Xnj , so sei

H := F ·G = (1−Xi)−1 · (1−Xj)−1 .Bezeichnet hk dann die Anzahl der Partitionen von k , wobei jede Teilmenge i oder j Elementeenthalt, so ist hk die Anzahl der Moglichkeiten, k als Summe von r und k − r zu schreiben,wobei r in Teilmengen mit jeweils i Elementen und k− r in Teilmengen mit jeweils j Elementenunterteilt wird. Also gilt:

hk =k∑r=0

fr gk−r ;

damit ist H die erzeugende Funktion von (hk)k≥0 . Ist zum Beispiel i = 2 und j = 3 , so gilt:

(1−X2)−1 · (1−X3)−1 = (1 +X2 +X4 + . . . ) · (1 +X3 +X6 + . . . )= (1 +X2 +X3 +X4 +X5 + 2X6 +X7 +X8 +

+ 2X9 + 2X10 + 2X11 + . . . ) .

Also gibt es genau zwei Partitionen von m = 10 , wobei alle Teile gleich 2 oder 3 sind, namlich:

10 = 3 + 3 + 2 + 2und 10 = 2 + 2 + 2 + 2 + 2 .

62.1 Satz

Die erzeugende Funktion P ∈ C[[X]] von (p(m))m≥0 kann als unendliches Produkt

P =∞∏i=1

(1−Xi)−1

geschrieben werden.

Beweis:

Es sei k ∈ IN∗ fest und p(k)(m) die Anzahl der Partitionen von m , wobei jeder Summand derPartition eine der Zahlen 1, 2, . . . , k ist. Dann ist

P (k) = (1−X)−1 · (1−X2)−1 · . . . · (1−Xk)−1

nach den Voruberlegungen die erzeugende Funktion von (p(k)(m))m≥0 . Wir wollen zeigen, daß

die Koeffizienten von P , d. h. p(n) , mit denen von∞∏i=1

(1−Xi)−1 ubereinstimmen.

Ist n ∈ IN beliebig, so ist p(n) = p(n)(n) . Im unendlichen Produkt ist der Koeffizient von Xn

durch P (n) vollstandig bestimmt, denn fur alle i > n beeinflußt der Faktor(1−Xi)−1 = 1 +Xi +X2i +X3i + . . .

nicht den Koeffizienten von Xn . Also stimmt der Koeffizient von Xn im endlichen Produkt mitdem Koeffizienten von Xn in P (n) uberein.

Page 338: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

330 KAPITEL XIV. REKURSIVE TECHNIKEN

62.2 Bemerkung

Wie oben lassen sich erzeugende Funktionen fur Partitionen mit Einschrankungen bestimmen.

Bezeichnet p(m | k , i) die Anzahl der Partitionen von m , wobei hochstens k Summanden uber-einstimmen und jeder Summand ein Vielfaches von i ∈ IN∗ ist, so gilt:

p(m | k , i) =

1 , wenn m = αi und 0 ≤ α ≤ k0 sonst

.

Also ist Fi,k = 1+Xi+X2i+X3i+ . . .+Xki ∈ C[X] erzeugende Funktion von (p(m |k , i))m≥0 .Dann ist

∞∏i=1

Fi,k =∞∏i=1

1−X(k+1)i

1−Xi∈ C[[X]]

erzeugende Funktion von (p(m | k))m≥0 , der Anzahl der Partitionen von m , wobei hochstens kSummanden ubereinstimmen. Speziell fur k = 1 erhalten wir Partitionen, fur die alle Summan-

den verschieden sind; anstelle von∞∏i=1

Fi,1 schreiben wir V .

Entsprechende Uberlegungen ergeben folgende Ubersicht:

erzeugende Funktion

p(m | alle Summanden sind verschieden) V =∞∏i=1

(1 +Xi)

p(m | jeder Summand ist ungerade)∞∏i=1

(1−X2i−1)−1

p(m | jeder Summand ist gerade)∞∏i=1

(1−X2i)−1

p(m | jeder Summand ist ≤ n)n∏i=1

(1−Xi)−1

Wir betrachten die formalen Potenzreihen

V =∞∏i=1

(1 +Xi) =:∞∑m=0

vmXm ∈ C[[X]] und Q :=

∞∏i=1

(1−Xi) =∞∑m=0

qmXm ∈ C[[X]] .

Wir lassen sich nun die Koeffizienten qm von Q interpretieren?Ist m1 > m2 > . . . > mk ≥ 1 eine Partition von m in k verschiedene Teile, so liefert sie einenBeitrag 1 zu vm . Diese Partition liefert den Beitrag (−1)k zum Koeffizienten qm . Also liefertjede Partition von m den Beitrag +1 zu qm , wenn die Anzahl k der verschiedenen Summandengerade ist, und den Beitrag −1 , wenn die Anzahl der verschiedenen Summanden ungerade ist.Setzen wir dann

gm := p(m | alle Summanden sind verschieden und deren Anzahl ist gerade)und um := p(m | alle Summanden sind verschieden und deren Anzahl ist ungerade) ,

so ist qm = gm − um .

Page 339: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

§ 62. PARTITIONEN UND ERZEUGENDE FUNKTIONEN 331

62.3 Satz

Mit den obigen Bezeichnungen gilt:

qm = gm − um =

(−1)k , wenn m = 1

2k(3k ± 1) mit k ∈ IN∗0 sonst.

Beweis:

Wir zeigen, daß mit Ausnahme der in der Behauptung angegebenen Werte von m eine bijektiveAbbildung zwischen den Partitionen, die durch (gm)m≥0 gezahlt werden, und den Partitionen,die durch (um)m≥0 gezahlt werden, existiert. Dabei bedienen wir uns der in §54 eingefuhrtenMatrixschreibweise fur Partitionen.Ist λv := (m1,m2, . . . ,mk) mit m1 > m2 > . . . > mk ≥ 1 eine Partition von m in genau kverschiedene Teile, so sei

s(λv) := mk und t(λv) := l ,

wenn mj = m1− (j− 1) fur 1 ≤ j ≤ l und ml+1 < m1− l gilt. Anschaulich bedeutet dies, daßzum Beispiel bei der Partition λv = (7, 6, 5, 3, 1) von m = 22 mit k = 5 verschiedenen Teilenin der zugehorigen Matrix

Aλv =

1 1 1 1 1 1 11 1 1 1 1 11 1 1 1 11 1 11

t(λv) die Anzahl l der ”Einer–Stufen“ zahlt, hier: t(λv) = 3, und s(λv) die Lange mk der letztenZeile bezeichnet, hier: s(λv) = 1 .

Nun sei λg (bzw. λu ) eine Partition von m ∈ IN \ 12k(3k ± 1) | k ∈ IN∗ =:

∼IN in eine gerade

(bzw. ungerade) Anzahl verschiedener Teile. In Abhangigkeit von s(λ) und t(λ) mit λ ∈ λg, λudefinieren wir eine Partition λ∗ in eine ungerade (bzw. gerade) Anzahl verschiedener Teile.

1. Fall: Es sei s(λ) ≤ t(λ) . Wir bilden, ausgehend von der beschreibenden Matrix Aλ , zumBeispiel:

Aλ =

1 1 1 1 1 1 11 1 1 1 1 11 1 1 1 11 1 1

mit s(λ) = 3 = t(λ) , eine Matrix A∗λ , welche dadurch entsteht, daß die s(λ) Einsen in derletzten Zeile auf die ersten s(λ) der t(λ) Zeilen verteilt werden. Ist dabei s(λ) < t(λ) , soentsteht eine Matrix A∗λ , die zu einer Partition λ∗v (der gleichen Zahl) gehort mit s(λ∗v) > t(λ∗v) .Ist s(λ) = t(λ) und s(λ) < k , dann liefert A∗λ ebenfalls eine Partition λ∗v mit s(λ∗v) > t(λ∗v) ;wir erhalten etwa im obigen Fall von Aλ die Matrix

A∗λ =

1 1 1 1 1 1 1 11 1 1 1 1 1 11 1 1 1 1 1

.

.................................

...

...

................

...

...

.

Page 340: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

332 KAPITEL XIV. REKURSIVE TECHNIKEN

Ist aber s(λ) = t(λ) = k , wie zum Beispiel bei

Aλ =

1 1 1 1 1 1 11 1 1 1 1 11 1 1 1 11 1 1 1

,

dann gilt:

m =k∑j=1

mj = k + (k+1) + (k+2) + . . .+ (2k−1) = 12k(3k − 1) ;

und A∗λ wird eine Matrix, die nicht zu einer Partition gehort.

2. Fall: Es sei s(λ) > t(λ) . Wir nehmen jeweils eine Eins von den ersten t(λ) Zeilen undbilden eine neue Zeile mit diesen t(λ) Einsen. Ein Beispiel ware

Aλ =

1 1 1 1 1 11 1 1 1 11 1 1

mit s(λ) = 3 und t(λ) = 2 . Ist dabei t(λ) < k , so entsteht eine Matrix A∗λ , die zu einerPartition λ∗v gehort mit s(λ∗v) ≤ t(λ∗v) . Oder es ist t(λ) = k und s(λ) > t(λ) + 1 = k+ 1 , dannerhalt man eine Matrix A∗λ , die eine Partition λ∗v mit s(λ∗v) = k = t(λ) ≤ t(λ∗v) beschreibt.Ist dagegen t(λ) = k und s(λ) = k + 1 , wie etwa fur

Aλ =

1 1 1 1 1 11 1 1 1 11 1 1 1

,

so entsteht eine Matrix A∗λ , die keine Partition mit verschiedenen Teilen darstellt. Und dies istgenau dann der Fall, wenn gilt:

m =k∑j=1

mj = (k+1) + (k+2) + . . .+ 2k = 12k(3k + 1) .

Damit haben wir eine Abbildung f (bzw. g ) von der Menge aller Partitionen von m ∈∼IN mit

gerader (bzw. ungerader) Anzahl verschiedener Teile in die Menge aller Partitionen von m ∈∼IN

mit ungerader (bzw. gerader) Anzahl verschiedener Teile erklart, wobei f g = id und gf = idgilt. Also ist f bijektiv. Und nur in den Ausnahmefallen handelt es sich somit jeweils um einePartition von m /∈

∼IN in genau k Teile, liefert daher den Beitrag (−1)k zu gm − um .

62.4 Bemerkung

Wir stellen noch eine Tabelle fur diese ”Ausnahmewerte“ m /∈∼IN auf:

k 1 2 3 4 5 6 7 · · ·12k(3k − 1) 1 5 12 22 35 51 70 · · ·12k(3k + 1) 2 7 15 26 40 57 77 · · ·

Page 341: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

§ 63. LINEARE DIFFERENZENGLEICHUNGEN 333

62.5 Bemerkung (Berechnung von p(m) )

Nun ist

P ·Q =∞∏i=1

(1−Xi)−1 ·∞∏i=1

(1−Xi) = 1 ,

d. h.( ∞∑m=0

p(m)Xm)·( ∞∑m=0

qmXm)

= 1 odern∑ν=0

p(ν) qn−ν = 0 fur alle n ≥ 1 .

Also ist

p(n)− p(n−1)− p(n−2) + p(n−5) + p(n−7)− p(n−12)− p(n−15)± ± . . . = 0⇐⇒ p(n) = p(n−1) + p(n−2)− p(n−5)− p(n−7) + p(n−12) + p(n−15)∓ ∓ . . . ,

wobei auf der rechten Seite nur endlich viele Summanden auftreten.Zum Beispiel ist p(13) = p(12) + p(11)− p(8)− p(6) + p(1) .Und nach Ubungsaufgabe 54–1a) gilt:

p(0) = p(1) = 1 , p(2) = 2 , p(3) = 3 , p(4) = 5 , p(5) = 7 , p(6) = 11 und p(7) = 15 .

62.6 Tabelle

Als Fortsetzung ergibt sich fur die Anzahl p(n) der Partitionen einer naturlichen Zahl n :

n 0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 · · ·+p(n−1) — 1 1 2 3 5 7 11 15 22 30 42 56 77 101+p(n−2) — 1 1 2 3 5 7 11 15 22 30 42 56 77−p(n−5) — — — 1 1 2 3 5 7 11 15 22 30−p(n−7) — — 1 1 2 3 5 7 11 15

+p(n−12) — — — — — 1 1 2... — — —

p(n) 1 1 2 3 5 7 11 15 22 30 42 56 77 101 135 · · ·

§ 63 Lineare Differenzengleichungen

Wir betrachten die homogene lineare Rekursionsgleichung n-ter Ordnung aus §61, d. h.:

un+k + a1 un+k−1 + a2 un+k−2 + . . .+ an uk = 0 mit k ≥ 0

fur eine Folge (uk)k≥0 . Wir wollen eine homogene lineare Rekursionsgleichung als spezielle Diffe-renzengleichung erkennen und danach mit entsprechenden Methoden losen. Sei dazu die Menge Fgegeben als

F := u = (uk)k≥0 | u ist Folge mit uk ∈ C = f : IN → C | f(k) = uk ∈ C ;

Page 342: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

334 KAPITEL XIV. REKURSIVE TECHNIKEN

dann bildet F mit der ublichen Addition und Skalarmultiplikation einen Vektorraum uber C .

Wir definieren die Abbildung ∆ : F → F , f 7→ ∆f durch

(∆f)(k) := f(k + 1)− f(k)= uk+1 − uk ∀k≥0 ;

damit ist ∆ linear, also ∆ ∈ HomC(F ,F) .

63.1 Definition

Gegeben seien n ∈ IN∗ , eine Matrix A = (ajν) ∈ Mat(n, n; C) und Folgen f1, f2, . . . , fn ∈ F .Dann wird durch

(D) ∆fj =n∑ν=1

ajν fν mit j = 1, 2, . . . , n

ein System von linearen Differenzengleichungen fur f1, f2, . . . , fn definiert. Setzen wir

f :=

f1

f2...fn

und ∆f :=

∆f1

∆f2...

∆fn

,

so laßt sich (D) kurz in der Form

(D′) ∆f = A · f

schreiben.

63.2 Satz

a) Die Differenzengleichung (D′) ∆f = A · f hat zu einem vorgegebenen Anfangs-wert f(0) := (f1(0), f2(0), . . . , fn(0))t genau eine Losung, namlich f = (f1, f2, . . . , fn)t mit

f(k) = (A+ En)k · f(0) fur k ∈ IN .

Dabei ist (A+ En)0 := En , auch fur A = −En .

b) Die Losungen von (D′) (und damit von (D)) bilden einen n-dimensionalen C–Vektorraum.

Beweis:

zu a): Fur alle k ≥ 0 gilt:

(∆f)(k) = f(k + 1)− f(k)= (A+ En)k+1 · f(0)− (A+ En)k · f(0)= (A+ En − En) · (A+ En)k · f(0)= A · f(k)= (A · f)(k) .

Die Eindeutigkeit dieser Losung bei vorgegebenem f(0) ist klar. X

Page 343: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

§ 63. LINEARE DIFFERENZENGLEICHUNGEN 335

zu b): Die Losungen von (D′) bilden einen Untervektorraum L von F . Jede Losung f wirdeindeutig bestimmt durch Vorgabe ihrer Anfangswerte

f1(0) = c1 , f2(0) = c2 , . . . , fn(0) = cn .

Also ist Φ : L → Cn mit Φ(f) = f(0) eine bijektive Abbildung, d. h.: dimC L = n .

63.3 Satz

Gegeben sei eine homogene lineare Rekursionsgleichung n-ter Ordnung

(R) f(k + n) = −n−1∑ν=0

an−ν f(k + ν) mit k ≥ 0 und an 6= 0 .

Die Losungen von (R) bilden einen n-dimensionalen C–Vektorraum L . Jede Losung f ist ein-deutig bestimmt durch Vorgabe der Anfangswerte

f(0) = c0 , f(1) = c1 , f(2) = c2 , . . . , f(n− 1) = cn−1 .

Beweis:

Sei f eine Losung von (R). Wir definieren Folgen f1, f2, . . . , fn ∈ F durch

fν(k) := f(k + ν − 1) mit ν = 1, 2, . . . , n .

Fur alle 1 ≤ ν < n ist dann

(∆fν)(k) = fν(k + 1)− fν(k)= fν+1(k)− fν(k) ∀k≥0 ,

d. h. ∆fν = fν+1 − fν .

Und fur ν = n gilt:

(∆fn)(k) = fn(k + 1)− fn(k)= f(k + n)− f(k + n− 1)

= −n−1∑ν=0

an−ν f(k + ν)− f(k + n− 1)

= −n−1∑ν=0

an−ν fν+1(k)− fn(k) ∀k≥0 ,

d. h.: ∆fn = −an f1 − an−1 f2 − . . .− a2 fn−1 − (a1 + 1) fn .

Setzen wir noch

g :=

f1

f2...fn

und A :=

−1 1 0−1 1

. . . . . .0 −1 1−an −an−1 · · · −a2 −(a1+1)

,

Page 344: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

336 KAPITEL XIV. REKURSIVE TECHNIKEN

so erhalten wir: ∆g = A · g . Nach Satz 63.2 ist der Losungsraum L dieses Systems n-di-mensional und jede Losung g durch Vorgabe ihrer Anfangswerte

g(0) =

f1(0)f2(0)

...fn(0)

=

f(0)f(1)

...f(n−1)

eindeutig bestimmt.

63.4 Hilfssatz

Fur festes c ∈ C sei nun

J := cEn +N =

c 1 0

c. . .. . . 10

c

∈ Mat(n, n; C)

eine Jordan–Matrix (vgl. §21 aus Lineare Algebra I). Die eindeutig bestimmte Losungf = (f1, f2, . . . , fn)t von ∆f = J · f mit vorgegebenem Anfangswert f(0) lautet:

fj(k) =n−j∑ν=0

(k

ν

)(c+ 1)k−ν fj+ν(0)

fur j = 1, 2, . . . , n mit (c+ 1)0 = 1 , auch fur c = −1 .

Beweis:

Nach Satz 63.2a) gilt:

f(k) = (J + En)k · f(0)

= ((c+ 1)En +N)k · f(0)

=k∑ν=0

(k

ν

)(c+ 1)k−ν Nν · f(0) .

Nun ist Nn = 0 , und fur ν < n gilt:

Nν · f(0) =

0 0 · · · 0 1 0 · · · 0

0 0 · · · 0 1. . .

...

↑ . . . . . . 0...

... (ν+1)-te

Spalte0 1

...... 0

...0 0 · · · 0

·

f1(0)f2(0)

...fn(0)

=

fν+1(0)fν+2(0)

...fn(0)

0...0

.

Also folgt fur die j-te Komponente einer jeden Losung:

fj(k) =k∑ν=0

(k

ν

)(c+ 1)k−ν (Nν · f(0))j =

n−j∑ν=0

(k

ν

)(c+ 1)k−ν fj+ν(0) .

Page 345: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

§ 63. LINEARE DIFFERENZENGLEICHUNGEN 337

63.5 Satz

Es sei A ∈ Mat(n, n; C) eine feste Matrix und pA das charakteristische Polynom von A mit denm paarweise verschiedenen Eigenwerten c1, c2, . . . , cm ∈ C und den zugehorigen Vielfachheitenz1, z2, . . . , zm ∈ IN∗ , d. h.

pA(t) =m∏j=1

(t− cj)zj

mit z1 + z2 + . . .+ zm = n . Dann hat jede Losung f =

f1

f2...fn

von ∆f = A · f die Gestalt

fj(k) =m∑µ=1

pjµ(k) (cµ + 1)k

mit Polynomen pjµ ∈ Π(C) vom Grad ≤ zµ − 1 .

Beweis:

Sei T ∈ GL(n; C) derart, daß A in Jordan’scher Normalform

T−1 ·A · T =

J1 0 · · · 0

0 J2. . .

......

. . . . . . 00 · · · 0 Jr

mit Jordan–Kastchen J% gemaß Hilfssatz 63.4 vorliegt. Wegen T−1 · (∆f) = ∆(T−1 · f) ergibtsich mit g := T−1 · f :

∆g = T−1 ·∆f = T−1 ·A · f = T−1 ·A · T · g =

J1 0 · · · 0

0 J2. . .

......

. . . . . . 00 · · · 0 Jr

· g .

Nach Hilfssatz 63.4 erhalten wir fur die Komponenten einer Losung der Differenzengleichung

∆y = J% · y (mit 1 ≤ % ≤ r ) Linearkombinationen von

(k

ν

)(c% + 1)k mit ν ≤ n%− 1 , wenn

jeweils die Jordan–Matrix J% ∈ Mat(n%, n%; C) den Eigenwert c% besitzt.

Nun ist

(k

ν

)der Wert eines Polynoms vom Grade ν an der Stelle k (vgl. Beweis zu Satz 61.7)

und n% ≤ z% . Damit hat g die behauptete Gestalt, und so auch f .

Page 346: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

338 KAPITEL XIV. REKURSIVE TECHNIKEN

63.6 Bemerkung

Ist eine homogene lineare Rekursionsgleichung f(k+n) = −n−1∑ν=0

an−ν f(k+ ν) mit k ∈ IN und

an 6= 0 gegeben, so gehort dazu also ein Differenzengleichungssystem ∆g = A · g mit

A =

−1 1 0−1 1

. . . . . .0 −1 1−an −an−1 · · · −a2 −(a1+1)

.

Wir bilden gemaß Satz 63.5 das charakteristische Polynom pA als

pA(t) = det (t En −A)

= det

t+ 1 −1 0

t+ 1 −1. . . . . .

0t+ 1 −1

an an−1 · · · a2 t+(a1+1)

=

n∑j=0

aj (t+ 1)n−j mit a0 = 1

per Induktion nach n . Gilt fur die Hilfsgleichung, welche zur homogenen linearen Rekursions-

gleichung gehort (vgl. Bemerkung 61.6):n∑j=0

aj xn−j =

s∏σ=1

(x− ασ)mσ , dann ergibt sich hier:

pA(t) =s∏

σ=1

((t+ 1)− ασ)mσ =s∏

σ=1

(t− (ασ − 1))mσ .

Nach Satz 63.5 erhalten wir fur die Losung g =

f1

f2...fn

von ∆g = A · g :

fj(k) =s∑

σ=1

pjσ(k)ασk fur alle j = 1, 2, . . . , n mit k ∈ IN

und Polynomen pjσ vom Grad ≤ mσ − 1 . Sind nun die Anfangswerte f(0), f(1), . . . , f(n − 1)bekannt, so lautet die eindeutig bestimmte Losung f der homogenen linearen Rekursionsglei-chung:

f(k) = f1(k) =s∑

σ=1

p1σ(k)ασk .

(Vgl. hierzu auch Satz 61.7.)

Page 347: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

Teil 4

ALGEBRA UNDDISKRETE MATHEMATIK II

339

Page 348: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik
Page 349: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

Kapitel XV

Weiterfuhrende Aussagen uberPolynome

§ 64 Polynomringe uber Gauß’schen Ringen

In Kapitel XIII (siehe hierzu und im folgenden stets Algebra I) haben wir bereits gezeigt, daßPolynomringe uber Korpern Gauß’sche Ringe sind:

K Korper Satz 59.12=⇒ K[X] HauptidealringSatz 58.19=⇒ K[X] Gauß’scher Ring .

Ziel ist es nun, folgendes zu zeigen:

R Gauß’scher Ring !⇐⇒ R[X] Gauß’scher Ring .

Wir setzen wie bisher voraus, daß R generell ein kommutativer Ring mit 1 6= 0 ist.

64.1 Satz

Es sei ϕ : R → R ein Ring–Homomorphismus, der Einselement auf Einselement abbildet, undes sei x ∈ R . Dann gibt es genau einen Ring–Homomorphismus ϕ∗ : R[X]→ R mit ϕ∗|R = ϕund ϕ∗(X) = x .

Beweis:

Es sei f ∈ R[X] , etwa f =m∑µ=0

fµXµ mit fµ ∈ R . Soll ϕ∗ obiger Bedingung genugen, so muß

gelten:

ϕ∗(f) =m∑µ=0

ϕ(fµ)Xµ .

Man zeige nun, daß ϕ∗ die geforderten Eigenschaften erfullt; dann ist ϕ∗ eindeutig bestimmt.Ist a ∈ R , so gilt: ϕ∗(a) = ϕ∗(aX0) = ϕ(a) und ϕ∗(X) = ϕ∗(1 ·X) = ϕ(1R) · x = 1

R· x = x .

341

Page 350: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

342 KAPITEL XV. WEITERFUHRENDE AUSSAGEN UBER POLYNOME

Ist ferner g =n∑ν=0

gν Xν mit gν ∈ R , so gilt:

ϕ∗(f · g) =m+n∑λ=0

( ∑µ+ν=λ

ϕ(fµ gν))xλ

=m+n∑λ=0

( ∑µ+ν=λ

ϕ(fµ)ϕ(gν))xλ

= ϕ∗(f) · ϕ∗(g)

und ϕ∗(f + g) = ϕ∗(f) + ϕ∗(g) .

64.2 Bemerkung

Es sei ϕ : R → R ein Ring–Homomorphismus, der Einselement auf Einselement abbildet. Wirbetrachten die Polynomringe R[X] und R[X] ; dann ergibt sich ein naturlicher Homomorphismusϕ : R → R[X] , indem wir R in R[X] einbetten. Dieser Homomorphismus laßt sich gemaßSatz 64.1 fortsetzen zu einem Ring–Homomorphismus ϕ∗ : R[X] → R[X] mit ϕ∗(X) = X ,d. h.:

ϕ∗( m∑µ=0

fµXµ)

=m∑µ=0

ϕ(fµ) Xµ .

Kurz: Die Koeffizienten von f ∈ R[X] werden (um ϕ∗(f) zu erhalten) mittels ϕ ausgetauscht.

64.3 Satz

Es sei R ein Ring, a ⊂6=R ein Ideal und a′ das von a in R[X] erzeugte Ideal. Dann gilt:

(1) a′ ∩R = a .

(2) Es existiert ein naturlicher Isomorphismus R[X]/a′ ∼= (R/a)[X] .

(3) a′ ist genau dann ein Primideal, wenn a ein Primideal ist.

Beweis:

zu (1): Nach Satz 56.7 ist a′ = ∑

endlichfi ai

∣∣∣ fi ∈ R[X] , ai ∈ a

. Ist a ∈ a und f ∈ R[X] ,

so ist a f ein Polynom, dessen Koeffizienten alle zu a gehoren. Also liegen samtlicheElemente aus a′ in der Menge aller Polynome mit Koeffizienten in a . Andererseitslaßt sich jedes Polynom mit Koeffizienten in a als Summe von Monomen aXn mita ∈ a schreiben, gehort somit zu a′ . Also besteht a′ aus der Menge aller Polynomemit Koeffizienten in a . Daraus folgt direkt Aussage (1).

zu (2): Ist π : R → R/a der kanonische Epimorphismus, so betrachten wir gemaß Bemer-kung 64.2 die naturliche Fortsetzung auf Polynomringe:

π∗ : R[X]→ (R/a)[X] mit π∗(X) = X .

Page 351: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

§ 64. POLYNOMRINGE UBER GAUSS’SCHEN RINGEN 343

Da π surjektiv ist, bleibt auch π∗ surjektiv. Nun gilt:

f =m∑µ=0

fµXµ ∈ Kerπ∗

⇐⇒ π(fµ) = 0 fur alle 0 ≤ µ ≤ m⇐⇒ fµ ∈ a fur alle 0 ≤ µ ≤ m .

Also ist Kerπ∗ = a′ (nach dem Beweis zu (1)). Dann liefert der Homomorphiesatzfur Ringe (aus Bemerkung 56.5c) die Behauptung.

zu (3): Nach Satz 58.2 ist a′ genau dann Primideal in R[X] , wenn R[X]/a′ ein Integritatsringist. Gemaß (2) ist dies aquivalent dazu, daß (R/a)[X] ein Integritatsring ist. NachFolgerung 59.8 ist dies wiederum dazu aquivalent, daß R/a Integritatsring ist. UndSatz 58.2 liefert dann, daß a Primideal in R ist.

64.4 Folgerung

Es seien R ein Integritatsring und u ∈ R \ 0 ein beliebiges Element:

u ist Primelement in R ⇐⇒ u ist Primelement in R[X] .

Beweis:

Nach Satz 58.7 ist u genau dann Primelement, wenn u keine Einheit ist und das von u erzeugteIdeal ein Primideal ist. Gemaß Folgerung 59.8b) gilt: R∗ = R[X]∗ , und mit Satz 64.3 ist (u)Primideal in R genau dann, wenn u in R[X] ein Primideal erzeugt.

64.5 Satz

Es sei R ein Integritatsring. Ferner sei a ∈ R und a = u1 ·u2 ·. . .·un mit festen uν ∈ R[X] . Diesesa = u1 ·u2 · . . . ·un ist genau dann eine ”Primfaktorzerlegung“ in R[X] , wenn a = u1 ·u2 · . . . ·uneine ”Primfaktorzerlegung“ in R ist.

Beweis:

”⇒“: Alle u1, u2, . . . , un seien Primelemente in R[X] . Die Gradformel liefert:0 = grad a = gradu1 + gradu2 + . . .+ gradun

und damit:gradu1 = gradu2 = . . . = gradun = 0 , also: u1, u2, . . . , un ∈ R .

Gemaß Folgerung 64.4 ist dann jedes uν ein Primelement in R .

”⇐“: Sind u1, u2, . . . , un Primelemente in R , so sind sie nach Folgerung 64.4 auch Primelementein R[X] .

64.6 Folgerung

Ist R[X] ein Gauß’scher Ring, so ist R selbst ein Gauß’scher Ring.

Page 352: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

344 KAPITEL XV. WEITERFUHRENDE AUSSAGEN UBER POLYNOME

Von nun an sei R stets ein Gauß’scher Ring. Wir zeigen, daß jedes f ∈ R[X] \ (R∗ ∪ 0) eineendliche Produktdarstellung aus Primelementen in R[X] besitzt (vgl. Satz 58.18).

Als Primfaktorzerlegung im Gauß’schen Ring wollen wir kunftig also die bis auf eine Multipli-kation mit Einheiten und bis auf die Reihenfolge eindeutig bestimmte Faktorisierung in endlichviele Primelemente bezeichnen.

Ist grad f = 0 , d. h. f ∈ R , und ist f keine Einheit in R[X] , also auch keine Einheit in R ,so besitzt f ein endliche Produktdarstellung f = u1 · u2 · . . . · un mit Primelementen uν ∈ R .Nach Satz 64.5 ist dies zugleich eine Primfaktorzerlegung in R[X] .Ist grad f ≥ 1 , so ist f keine Einheit mehr in R[X] ; wir mussen nur zeigen, daß spezielle f eineendliche Primfaktorzerlegung in R[X] besitzen und daraus die obige Behauptung folgt.

64.7 Hilfssatz

Fur a, b ∈ R \ 0 existiert stets ein ggT von a und b .

Beweis:

Sei a = ε · q1 · q2 · . . . · qm , b = ε′ · q′1 · q′2 · . . . · q′n mit Primelementen qi, q′j ∈ R sowie Einheiten

ε, ε′ ∈ R∗ . Ist p ∈ R | p = qi fur ein i oder p = q′j fur ein j = p1, p2, . . . , pk , so gilt:

a = ε ·k∏ν=1

pναν und b = ε′ ·

k∏ν=1

pνβν mit αν , βν ∈ IN .

Dann ist d =k∏ν=1

pνminαν ,βν ein ggT von a und b . Ist namlich d′ ein weiterer Teiler von a und b ,

d. h. a = a′ d′ oder b = b′ d′ , so kommen wegen der Eindeutigkeit der Primfaktorzerlegung (bisauf Einheiten) nur solche Potenzen von den Primelementen in d′ vor, die in den Faktorisierungenvon a und b auftreten.

64.8 Definition

Sind a0, a1, a2, . . . , an ∈ R , so sei ggT(a0, a1, a2, . . . , an) ein ggT aller von Null verschiedenenElemente aus a0, a1, a2, . . . , an . Ein Polynom f ∈ R[X] \ 0 mit grad f ≥ 1 heißt primitiv,

wenn fur f =m∑µ=0

fµXµ ein ggT(f0, f1, f2, . . . , fm) ∈ R eine Einheit ist.

Zur Abkurzung sei I(f) := ggT(f0, f1, f2, . . . , fm) , auch Inhalt von f genannt.

Ist grad f ≥ 1 , so schreiben wir: f = I(f) g ; dann ist I(f) ∈ R und g primitiv. Ist I(f) ∈ R∗ ,so ist f primitiv; ist I(f) ∈ R \ (R∗ ∪ 0) , so besitzt der Inhalt I(f) in R und damit in R[X]eine endliche Zerlegung in Primelemente. Es genugt also zu zeigen, daß primitive Polynome diegewunschte Produktdarstellung besitzen.

64.9 Hilfssatz

Jedes primitive Polynom f ∈ R[X] kann als Produkt endlich vieler irreduzibler Polynome dar-gestellt werden.

Page 353: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

§ 64. POLYNOMRINGE UBER GAUSS’SCHEN RINGEN 345

Beweis zu Hilfssatz 64.9:

Ist f zerlegbar, etwa f = g · h mit zwei Nichteinheiten g, h ∈ R[X] so gilt: grad g ≥ 1 undgradh ≥ 1 ; denn sonst ware f nicht primitiv. Zudem sind g und h primitiv, denn jeder ggT derKoeffizienten von g oder h ist auch ein gemeinsamer Teiler von f . Durch vollstandige Induktionnach dem Grad folgt dann die Behauptung, da die Gradformel wegen grad g ≥ 1 und gradh ≥ 1liefert: grad g < grad f und gradh < grad f .

64.10 Satz

Es sei R ein Gauß’scher Ring und Q der Quotientenkorper von R (Korper der Bruche; vgl.Satz 25.3 aus Lineare Algebra I). Fur ein primitives Polynom f ∈ R[X] sind dann aquivalent:

(a) f ist irreduzibel in R[X] .

(b) f ist irreduzibel in Q[X] .

(c) f ist Primelement in Q[X] .

(d) f ist Primelement in R[X] .

Beweis:

”(a) ⇒ (b)“: Angenommen, es ware f = g · h eine echte Zerlegung in Q[X] , d. h. etwa

g =m∑µ=0

aµbµXµ mit m = grad g ≥ 1 und h =

n∑ν=0

cνdνXν mit n = gradh ≥ 1 .

Wir setzen b :=m∏µ=0

bµ , d :=n∏ν=0

dν und erhalten:

b g =m∑µ=0

a′µXµ , d. h.: b g ∈ R[X] , und d h =

n∑ν=0

c′ν Xν , d. h.: d h ∈ R[X] .

Betrachten wir nun b d f = (b g) · (d h) ∈ R[X] . Ist b d keine Einheit, so gibtes eine Primfaktorzerlegung von b d in R[X] , wobei samtliche Faktoren zu R ge-horen. Ist u ein Primfaktor von b d , so wird b g oder d h in R[X] von u geteilt. Wirkurzen durch u und erhalten schließlich, nachdem wir durch alle Primfaktorenvon b d gekurzt haben: f = g0 · h0 mit g0, h0 ∈ R[X] , wobei sich g0 und gbzw. h0 und h nur um Faktoren aus R unterscheiden. Damit liefert g0 · h0 wegengrad g0 ≥ 1 und gradh0 ≥ 1 eine echte Zerlegung von f in R[X] , also einenWiderspruch zur vorherigen Annahme.

”(b) ⇒ (c)“: Da Q ein Korper ist, ist Q[X] Gauß’sch, also jedes irreduzible Element auch einPrimelement (vgl. Satz 58.18).

”(c) ⇒ (d)“: Sei f ein Teiler von g · h mit g, h ∈ R[X] . Dann ist f auch ein Teiler von g · hin Q[X] . Wegen (c) gilt: f | g oder f | a in Q[X] . Ohne Beschrankung derAllgemeinheit sei f ein Teiler von g in Q[X] . Zu zeigen ist nun, daß f auch inR[X] ein Teiler von g ist. Sei also f · f1 = g mit f1 ∈ Q[X] . Dann existiert ein

Page 354: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

346 KAPITEL XV. WEITERFUHRENDE AUSSAGEN UBER POLYNOME

a ∈ R\0 derart, daß f2 := a f1 ∈ R[X] ist. Wir betrachten f ·f2 = a g ∈ R[X].Ist a ∈ R∗ , so sind wir fertig. Sonst teilt jeder Primfaktor von a das Polynom foder f2 . Da jedoch f primitiv ist, teilt jeder Primfaktor von a das Polynom f2 .So ergibt sich durch Kurzen: g = f · f3 mit f3 ∈ R[X] .

”(d) ⇒ (a)“: Gemaß Satz 58.7 sind Primelemente (in Integritatsringen) irreduzibel.

64.11 Satz (nach Gauß)

Ein Polynomring R[X] ist genau dann ein Gauß’scher Ring, wenn R Gauß’sch ist.

64.12 Folgerung

Es gibt ZPE–Ringe, die keine Hauptidealringe sind, z. B. ZZ [X] (vgl. Bemerkung 58.23(i)).

64.13 Satz (Kriterium von Eisenstein89)

Es sei R ein Gauß’scher Ring und f =m∑µ=0

fµXµ mit m = grad f ≥ 1 ein primitives Polynom

uber R . Ferner existiere ein Primelement u ∈ R mit folgenden Eigenschaften:

(E1) u | fµ fur alle 0 ≤ µ ≤ m− 1 .

(E2) u - fm und u2 - f0 .

Dann ist f irreduzibel in R[X] .

Beweis:

Angenommen, es ware f = g · h mit

g =r∑

%=0

g%X% ∈ R[X] , r = grad g ≥ 1 und h =

s∑σ=0

hσXσ ∈ R[X] , s = gradh ≥ 1 .

Wegen f0 = g0 h0 und u | f0 folgt: u | g0 oder u |h0 . Ohne Beschrankung der Allgemeinheitgelte: u | g0 . Wegen fm = gr hs und u - fm gilt: u - gr . Sei nun n := min 1, 2, . . . , r | u - g% ;dann ist 1 ≤ n ≤ r , und es gilt:

fn =n∑ν=0

gν hn−ν sowien−1∑ν=0

gν hn−ν ∈ Ru , also: gn h0 = fn−n−1∑ν=0

gν hn−ν ∈ Ru+Ru ⊂ Ru

wegen n ≤ r < m = r + s und (E1). Da Ru ein Primideal ist und gn nicht zu Ru gehort, isth0 ∈ Ru . Dann ist aber f0 = g0 h0 durch u2 teilbar im Widerspruch zu (E2).

89Ferdinand Gotthold Max Eisenstein, deutscher Mathematiker (?16.04.1823, †11.10.1852)

Page 355: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

§ 65. NULLSTELLEN VON POLYNOMEN 347

64.14 Beispiel

Das Polynom X5 + 4X3 + 2X + 2 ∈ ZZ [X] ist irreduzibel uber ZZ . Wahle u = 2 in Satz 64.13.Nach Satz 64.10 ist dieses Polynom auch uber Q irreduzibel.

64.15 Satz

Es sei p ∈ IN eine Primzahl; dann ist ein Polynom f =p−1∑ν=0

Xν ∈ ZZ [X] irreduzibel in ZZ [X] .

Beweis:

Es ist g := Xp − 1 = (X − 1) · f ; durch Substitution X 7→ X + 1 erhalten wir:

g := (X + 1)p − 1 = ((X + 1)− 1) · f = X · f mit g =p∑

ν=0

(pν

)Xν − 1 =

p∑ν=1

(pν

)Xp , d. h.:

f =p∑

ν=0

(p

ν

)Xν − 1 =:

p−1∑ν=0

fν Xν mit fp−1 =

(p

p

)= 1 .

Fur alle anderen 1 ≤ ν ≤ p − 2 gilt: p | fν ⇐⇒ p |(

p

ν + 1

). Wegen f0 =

(p

1

)= p liefert

das Kriterium von Eisenstein, daß f irreduzibel ist und damit nach Ubungsaufgabe 64–1a) auchf selbst.

§ 65 Nullstellen von Polynomen

Es sei f ∈ R[X] ; in Satz 59.16 haben wir gezeigt, daß fur eine Nullstelle a ∈ R der Linearfaktor(X − a) ein Teiler von f in R[X] ist. Ist umgekehrt X − a ein Teiler von f mit a ∈ R , so ist aeine Nullstelle von f . Denn es gilt: f = (X − a) · g ⇒ Φa(f) = 0 · Φa(g) . Also folgt:

65.1 Bemerkung

a ∈ R ist Nullstelle von f ∈ R[X] ⇐⇒ (X − a) ist Teiler von f in R[X] .

65.2 Definition

Es sei 0 6= f ∈ R[X] ein Polynom und n ∈ IN∗ fest; ein Element a ∈ R heißt n-fache Nullstelleoder Nullstelle der Ordnung n von f , wenn f von (X − a)n , aber nicht mehr von (X − a)n+1

geteilt wird.

Die Abbildung D : R[X]→ R[X] , f 7→ D(f) mit

Df := D

( m∑µ=0

fµXµ)

:=

0 , falls grad f = m = 0

m∑µ=1

µ fµXµ−1 fur alle grad f = m ≥ 1

heißt (algebraische) Differentiation.Wir schreiben auch f ′ := Df und nennen f ′ die Ableitung von f .

Page 356: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

348 KAPITEL XV. WEITERFUHRENDE AUSSAGEN UBER POLYNOME

65.3 Satz

Die Differentiation D : R[X]→ R[X] erfullt fur f, g ∈ R[X] , a ∈ R und ein n ∈ IN∗ die ub-lichen Regeln:

a) D(f + g) = D(f) +D(g) .

b) D(a f) = aD(f) .

c) D(f · g) = D(f) · g + f ·D(g) .

d) D(fn) = n fn−1 ·D(f) .

Beweis: ist klar (vgl. auch Analysis). X

65.4 Satz

Es seien 0 6= f ∈ R[X] und a ∈ R .

a) Ist a eine Nullstelle von f der Ordnung n ≥ 2 , so gilt: Df = 0 , oder a ist eine Nullstellevon Df der Ordnung j ≥ n− 1 .

b) Ist zusatzlich n.1 kein Nullteiler in R , so ist a eine Nullstelle der Ordnung n− 1 von Df .

c) Es gilt: a ist einfache Nullstelle von f ⇐⇒ f(a) = 0 ∧ f ′(a) 6= 0 .

Beweis:

zu a): Nach Voraussetzung ist f = (X − a)n · g mit g ∈ R[X] und g(a) 6= 0 . Daraus folgt:

Df = n (X − a)n−1 · g + (X − a)n · g′ = (X − a)n−1 · (n g + (X − a) · g′) .

Also ist Df = 0 , oder a ist eine Nullstelle der Ordnung j ≥ n− 1 von Df .

zu b): Es gilt: j = n − 1 ⇐⇒ Φa(n g + (X − a) · g′) 6= 0 , d. h.: n.g(a) 6= 0 . Dies istgewahrleistet, wenn n.1 kein Nullteiler in R ist.

zu c): Sei a ∈ R eine einfache Nullstelle von f ; dann gilt: f = (X − a) · g mit g(a) 6= 0 .Daraus folgt: Df = 1 · g + (X − a) · g′ , also: Df(a) = g(a) 6= 0 .Ist umgekehrt f(a) = 0 und f ′(a) 6= 0 , so kann a nach Teil a) keine mehrfacheNullstelle von f sein.

65.5 Satz

Es seien R ein Integritatsring, Q der Quotientenkorper von R und f ∈ R[X] ein Polynom mitgrad f = m ∈ IN∗ . Dann existiert ein Korper K , der R als Unterring enthalt und in dem f eineNullstelle besitzt.

Page 357: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

§ 65. NULLSTELLEN VON POLYNOMEN 349

Beweis zu Satz 65.5:

Wir fassen f als Element von Q[X] auf. Da Q[X] Gauß’sch ist, laßt sich f als endliches Produktirreduzibler Polynome f1, f2, . . . , fn ∈ Q[X] darstellen. Wenn wir zeigen, daß jedes irreduziblePolynom f ∈ Q[X] eine Nullstelle in einem R umfassenden Oberkorper K besitzt, sind wirfertig.Sei also f irreduzibel im Hauptidealring Q[X] ; dann ist das von f in Q[X] erzeugte Ideal (f)maximal (nach Satz 58.8), also K := Q[X]/(f) ein Korper (gemaß Folgerung 57.15). Ist dannπ : Q[X] → K der kanonische Epimorphismus, so ist seine Einschrankung ε := π|Q injektiv;denn aus ε(q) = q + (f) = (f) fur q ∈ Q folgt: q = 0 . Also laßt sich Q (und damit auch R )vermoge ε injektiv in K einbetten.Betrachten wir noch x := π(X) = X+(f) ∈ K und den zugehorigen Einsetz–Homomorphismus

Φx : Q[X]→ K mit Φx(g) =m∑µ=0

ε(gµ)xµ fur g =m∑µ=0

gµXµ , so gilt:

Φx(g) =m∑µ=0

π(g) (π(X))µ

= π

( m∑µ=0

gµXµ)

= π(g) .

Daraus folgt: (f) = 0K = π(f) = Φx(f) , d. h. x ist eine Nullstelle von f in K .

65.6 Folgerung

Es seien R ein Integritatsring und f ∈ R[X] ein Polynom mit grad f ≥ 1 . Dann existiert einR enthaltender Korper K derart, daß f uber K vollstandig in Linearfaktoren zerfallt, d. h. esgibt Elemente x1, x2, . . . , xr ∈ K und c ∈ R mit

f = c ·r∏

%=1

(X − x%) .

Beweis: durch vollstandige Induktion nach r = grad f unter Benutzung von Satz 65.5 undBemerkung 65.1. X

Diese Ergebnisse wollen wir nun bei der Existenzfrage endlicher Korper anwenden (vgl. Bemer-kung 57.4 in Algebra I).

65.7 Satz

Zu jeder Primzahl p ≥ 2 und jedem m ∈ IN∗ existiert stets ein Korper mit pm Elementen.

Beweis:

Nach Folgerung 65.6 existiert ein Korper L′ mit L′ ⊃ ZZp , in dem f = Xpm −X vollstandig inLinearfaktoren zerfallt. Es ist charL′ = p , also: Df = pmXpm−1 − 1 = −1 . Damit hat f in L′

nur einfache Nullstellen. Sei nun L := a1, a2, . . . , apm | aj ist Nullstelle von f in L′ ; dannist L wegen des Zusammenhangs (x+ y)p

m= xp

m+ yp

m(vgl. Ubungsaufgabe 55–5)

ein Teilkorper von L′ mit genau pm Elementen.

Page 358: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

350 KAPITEL XV. WEITERFUHRENDE AUSSAGEN UBER POLYNOME

65.8 Satz

Es sei K ein endlicher Korper mit charK = p und pm Elementen (fur m ∈ IN∗ ). Dann geltenfolgende Aussagen:

a) Ist k ⊂ K ein Teilkorper und gilt: |k| = pn , so ist n ein Teiler von m .

b) Ist n ein Teiler von m , so gibt es genau einen Teilkorper k ⊂ K mit |k| = pn .

c) Die Elemente von k sind die Nullstellen von Xpn −X in K .

Beweis:

zu a): Es ist k∗ eine Untergruppe von K∗ , also pn − 1 ein Teiler von pm − 1 , d. h.:a (pn − 1) = pm − 1 . Schreiben wir m = q n + r mit 0 ≤ r < n , so folgt wegen

(pn)q = ((pn − 1) + 1)q =q∑

ν=0

(qν

)(pn − 1)ν = a′ (pn − 1) + 1 :

a (pn − 1) = (pn)q pr − 1= (a′ (pn − 1) + 1) pr − 1= a′ pr (pn − 1) + (pr − 1) .

Wegen 0 ≤ pr − 1 < pn − 1 kann diese Gleichung nur fur r = 0 gelten. Also ist nein Teiler von m .

zu b): Wir zeigen zunachst, daß es hochstens einen Teilkorper k ⊂ K gibt mit |k| = pn .Wegen |k∗| = pn − 1 gilt fur alle x ∈ k∗ : xp

n= x ; dies gilt auch fur x = 0 . Also

besteht k aus den Nullstellen von Xpn − X = 0 , denn als Polynom vom Grade pn

kann dieses Polynom nicht mehr Nullstellen besitzen.

zu b) & c): Sei n ein Teiler von m ; wir zeigen, daß die Nullstellen von Xpn−X einen Teilkorpervon K mit pn Elementen liefern.Diese Nullstellen bilden einen Teilkorper vonK (vgl. Beweis zu Satz 65.7). Es bleibt zuzeigen, daß es mindestens pn−1 Elemente in K∗ gibt, welche die Gleichung xp

n−1 = 1

erfullen. Nun ist pn−1 ein Teiler von pm−1 wegen pm−1 = (pn)q−1 = (pn−1)q−1∑ν=0

pνn.

Da K∗ zyklisch ist, existiert eine Untergruppe der Ordnung pn − 1 in K∗ .

65.9 Beispiel

Es sei p = 3 und m = 2 ; gesucht ist ein Korper K mit 9 Elementen. Nach Satz 65.7 betrachtenwir f = X9−X ∈ ZZ3[X] ; gesucht ist eine Faktorisierung von f mit irreduziblen Faktoren. Es istf = X (X−1) (X−2) (X6 +X4 +X2 + 1) . g := X6 +X4 +X2 + 1 besitzt keine Linearfaktorenin einer Faktorisierung; es gilt: g = (X2 + 1) (X4 + 1) = (X2 + 1) (X2 +X + 2) (X2 + 2X + 2) ,und alle drei Faktoren sind irreduzibel in ZZ3[X] . Bilde nun

K := ZZ3[X]/(X2 + 1) = f + (X2 + 1) | f ∈ ZZ3[X] ;

dann hat f in K mindestens eine Nullstelle. Wie kann man sich solch ein K nun vorstellen? —

Page 359: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

§ 66. POLYNOME IN MEHREREN VERANDERLICHEN 351

Analog zu Ubungsaufgabe 59–1 kann man zeigen, daß K isomorph ist zum endlichen KorperL = u+i v | u, v ∈ ZZ3, wobei i die Bedingung i2 = −1 = 2 in ZZ3 erfullt und die Verknupfungenin L wie ublich definiert sind, d. h.:

(u1 + i v1) + (u2 + i v2) = u1 + u2 + i (v1 + v2)und (u1 + i v1) · (u2 + i v2) = u1 u2 − v1 v2 + i (u1 v2 + u2 v1) .

Uber K ∼= L laßt sich g vollstandig faktorisieren. Es gilt:

f = X (X − 1) (X − 2) (X − i) (X − 2 i) (X − (1 + i)) (X − (1 + 2 i)) (X − (2 + i)) (X − (2 + 2 i))

wegen Φ1+2 i(g) = 0 , weil:

Φ1+2 i(X2 +X + 2) = (1 + 2 i)2 + (1 + 2 i) + 2= 1 + 4 i+ 4 i2 + 1 + 2 i+ 2= 1 + 4 i+ 2 + 2 i+ 0= 0

usw.

§ 66 Polynome in mehreren Veranderlichen

Sei kunftig R wieder ein kommutativer Ring mit 1 6= 0 . Dann ist R[X1] ebenfalls ein kommu-tativer Ring mit 1 6= 0 . Also konnen wir

R[X1, X2] := (R[X1])[X2]

als Polynomring uber R[X1] in der Unbestimmten X2 definieren. Gemaß §59 ist f ∈ R[X1, X2]eine Abbildung f ∈ Abb(IN,R[X1]) mit f(µ) = 0 ∈ R[X1] fur alle µ > m aus IN . Iden-tifizieren wir f mit dem ”∞-Tupel“ (f(0), f(1), f(2), . . . ) , so ist X2 ∈ R[X1, X2] das Tupel(0,1,0,0, . . . ) , wobei 1 = (1, 0, 0, . . . ) das Einselement in R[X1] und 0 = (0, 0, 0, . . . ) das Null-element in R[X1] bezeichne. Betten wir auf kanonische Art R in R[X1] und R[X1] in R[X1, X2]ein, d. h.:

R 3 r 7→ (r, 0, 0, . . . ) ∈ R[X1] undR[X1] 3 (f0, f1, f2, . . . , fm, 0, 0, . . . ) 7→ ((f0, f1, f2, . . . , fm, 0, 0, . . . ),0,0, . . . ) ∈ R[X1, X2] ,

so konnen wir R auch als Unterring von R[X1, X2] auffassen vermoge

R 3 r 7→ ((r, 0, 0, . . . ),0,0, . . . ) ∈ R[X1, X2] undR[X1] 3 X1 7→ ((0, 1, 0, 0, . . . ),0,0, . . . ) ∈ R[X1, X2] .

Mit dieser Identifikation laßt sich f ∈ R[X1, X2] nun eindeutig darstellen in der Form:

f =m∑µ=0

fµX2µ mit fµ ∈ R[X1] . Schreiben wir dies jetzt in der gewohnten Art und Weise als

fµ =nµ∑ν=0

fµν X1ν mit fµν ∈ R und nµ ∈ IN , so erhalten wir ausfuhrlich:

f =m∑µ=0

nµ∑ν=0

fµν X1ν X2

µ .

Page 360: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

352 KAPITEL XV. WEITERFUHRENDE AUSSAGEN UBER POLYNOME

Induktiv ergibt sich so weiter fur n ≥ 2 :

R[X1, X2, . . . , Xn] := (R[X1, X2, . . . , Xn−1])[Xn] ;

mit den entsprechenden Identifikationen laßt sich jedes f ∈ R[X1, X2, . . . , Xn] eindeutig in derForm

f =∑

ν1,ν2,...,νn≥0

fν1ν2···νn X1ν1 ·X2

ν2 · . . . ·Xnνn

mit Koeffizienten fν1ν2···νn ∈ R darstellen, wobei hochstens endlich viele fν1ν2···νn von Nullverschieden sind. Man kann sofort zeigen, daß fur alle 1 ≤ m < n gilt:

(R[X1, X2, . . . , Xm])[Xm+1, Xm+2, . . . , Xn] ∼= R[X1, X2, . . . , Xn] ;

ferner gilt fur jede Permutation σ ∈ Sn :

R[X1, X2, . . . , Xn] ∼= R[Xσ(1), Xσ(2), . . . , Xσ(n)] .

66.1 Definition

Der oben konstruierte Ring R[X1, X2, . . . , Xn] heißt Polynomring uber R in n Unbestimmten(oder Veranderlichen).Die Abbildung grad: R[X1, X2, . . . , Xn] \ 0 → IN mit

grad f := maxν1 + ν2 + . . .+ νn

∣∣∣ fν1ν2···νn 6= 0 fur

f =∑

ν1,ν2,...,νn≥0

fν1ν2···νn X1ν1 ·X2

ν2 · . . . ·Xnνn ∈ R[X1, X2, . . . , Xn]

heißt Grad–Funktion auf R[X1, X2, . . . , Xn]. Und grad f nennt man den Grad des Polynoms fin n Veranderlichen.

Da diese Grad–Funktion Satz 59.7 entsprechende Aussagen erfullt, erhalten wir durch vollstandi-ge Induktion nach n :

66.2 Satz

a) R[X1, X2, . . . , Xn] ist Integritatsring ⇐⇒ R ist Integritatsring (vgl. Folgerung 59.8a).

b) Ist R ein Integritatsring, so gilt: R[X1, X2, . . . , Xn]∗ = R∗ (vgl. Folgerung 59.8b).

c) Ist R ein Gauß’scher Ring, so auch R[X1, X2, . . . , Xn] (vgl. Satz 64.11).

66.3 Bemerkung

Ist R ein Korper, so ist R[X] ein Hauptidealring, aber R[X1, X2] , R[X1, X2, X3] usw. nicht.

Page 361: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

§ 67. SYMMETRISCHE POLYNOME 353

66.4 Bemerkung

Analog zu §59 definiert man einen ”mehrdimensionalen“ Einsetz–HomomorphismusΦx1x2···xn : R[X1, X2, . . . , Xn] → R bei vorgegebenem (x1, x2, . . . , xn) ∈ Rn sowie die Poly-

nomabbildungen auf R in n Veranderlichen, d. h. den Ring

Πn(R) :=f ∈ Abb(Rn, R)

∣∣∣ f(x1, x2, . . . , xn) =∑

ν1,ν2,...,νn≥0

fν1ν2···νn x1ν1 · x2

ν2 · . . . · xnνn ,

fast alle fν1ν2···νn = 0.

In der algebraischen Geometrie beschaftigt man sich mit der Nullstellenmenge von Polynomenin mehreren Veranderlichen, d. h. der Menge aller (b1, b2, . . . , bn) ∈ Rn mit Φb1b2···bn(f) = 0 .

Zum Beispiel ist fur f ∈ IR[X1, X2] mit f = X12 + X2

2 − r2 die Nullstellenmenge im IR2 alsKreislinie bekannt, ebenso fur f = aX1 + bX2 + c als Gerade.

§ 67 Symmetrische Polynome

Wie ublich sei R immer ein kommutativer Ring mit 1 6= 0 .

67.1 Definition

Wir definieren fur ein festes n ∈ IN∗ und die symmetrische Gruppe Sn eine Abbildung : Sn×R[X1, X2, . . . , Xn]→ R[X1, X2, . . . , Xn] durch

π f :=∑

ν1,ν2,...,νn≥0

fν1ν2···νn Xπ(1)ν1 ·Xπ(2)

ν2 · . . . ·Xπ(n)νn

fur f =∑

ν1,ν2,...,νn≥0

fν1ν2···νn X1ν1 ·X2

ν2 · . . . ·Xnνn ∈ R[X1, X2, . . . , Xn] . Ein Polynom f heißt

symmetrisch, wenn fur alle π ∈ Sn gilt: π f = f . ( Sn operiert auf R[X1, X2, . . . , Xn] .)

67.2 Satz

Die Menge f ∈ R[X1, X2, . . . , Xn] | f symmetrisch aller symmetrischen Polynome bildet einenUnterring von R[X1, X2, . . . , Xn] .

Beweis: ist klar. X

Wir wollen einige typische symmetrische Polynome betrachten:

Sei n ∈ IN∗ und P [X] := (R[X1, X2, . . . , Xn])[X] ∼= R[X1, X2, . . . , Xn, X] ;

dann sei p ∈ P [X] definiert durch p :=n∏i=1

(X − Xi) . Wir multiplizieren das Produkt aus,

sortieren nach Potenzen von X und schreiben:

(∗) p =n∑ν=0

(−1)ν s(n)ν ·Xn−ν mit s

(n)ν ∈ R[X1, X2, . . . , Xn] .

Page 362: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

354 KAPITEL XV. WEITERFUHRENDE AUSSAGEN UBER POLYNOME

Wegen p =n∏i=1

(X−Xi) =n∏i=1

(X−Xπ(i)) fur jedes π ∈ Sn ist π s(n)ν = s

(n)ν fur alle 0 ≤ ν ≤ n ,

also s(n)ν symmetrisch. Und ein Koeffizientenvergleich liefert:

s(n)0 = 1 ,

s(n)1 = X1 +X2 + . . .+Xn =

n∑i=1

Xi ,

s(n)2 = X1X2 +X1X3 + . . .+X1Xn +X2X3 + . . .+Xn−1Xn =

∑1≤i<j≤n

XiXj ,

s(n)3 =

∑1≤i<j<k≤n

XiXj Xk ,

...s(n)m =

∑1≤i1<i2<...<im≤n

Xi1 ·Xi2 · . . . ·Xim ,

...s(n)n = X1 ·X2 · . . . ·Xn .

67.3 Definition

Die durch (∗) definierten symmetrischen Polynome s(n)ν heißen fur 0 ≤ ν ≤ n die elementarsym-

metrischen Polynome in den Unbestimmten X1, X2, . . . , Xn.

67.4 Bemerkung

Diese s(n)ν sind uns gut bekannt: Denn ist zum Beispiel f =

n∑i=0

aiXi mit an = 1 ein Polynom,

das samtliche Nullstellen x1, x2, . . . , xn in R hat, so gilt: f =n∑i=0

aiXi =

n∏j=1

(X−xj) , was durch

Vergleich mit (∗):an−k = (−1)k s(n)

k (x1, x2, . . . , xn)

fur 0 ≤ k ≤ n liefert. Speziell fur n = 2 ergibt sich:

f = X2 + pX + q = (X − x1) · (X − x2) ⇐⇒ x1 + x2 = −p ∧ x1 · x2 = q .

Dies wird haufig als Wurzelsatz von Vieta90 bezeichnet.

67.5 Satz (Hauptsatz fur symmetrische Polynome)91

Es sei f ∈ R[X1, X2, . . . , Xn] symmetrisch. Dann existiert ein Polynom g ∈ R[X1, X2, . . . , Xn]mit

f = g(s(n)1 , s

(n)2 , . . . , s

(n)n ) .

90Francois Viete, lateinisch: Vieta, franzosischer Jurist und Mathematiker (?1540, †23.02.1603)91Dieser Satz aus dem Jahre 1673 stammt von Sir Isaac Newton, englischer Physiker, Mathematiker und Astro-

nom (?04.01.1643, †31.03.1727)

Page 363: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

§ 67. SYMMETRISCHE POLYNOME 355

Beweis zu Satz 67.5:

Sei f =∑

ν1,ν2,...,νn≥0

fν1ν2···νn X1ν1 ·X2

ν2 · . . . ·Xnνn mit fν1ν2···νn ∈ R von Null verschieden fur

hochstens endlich viele (ν1, ν2, . . . , νn) ∈ INn sowie m := grad f . Wegen der Symmetrie von fgilt fur jedes π ∈ Sn : fν1ν2···νn = fνπ(1)νπ(2)···νπ(n)

. Also laßt sich f in der Form

f =∑

m≥α1≥α2≥...≥αn≥0

fα1α2···αn∑π∈Sn

X1απ(1) ·X2

απ(2) · . . . ·Xnαπ(n)

schreiben mit α1 + α2 + . . . + αn ≤ m . Dabei bedeute π ∈ Sn , daß nur uber diejenigenPermutationen π ∈ Sn zu summieren ist, die zu verschiedenen Summanden von f fuhren, wobeidie Koeffizienten von f nicht geandert werden. Wir sortieren nun die Summanden so um, daßfα1α2···αn

∑π∈Sn

X1απ(1) ·X2

απ(2) · . . . ·Xnαπ(n) vor fβ1β2···βn

∑π∈Sn

X1βπ(1) ·X2

βπ(2) · . . . ·Xnβπ(n) steht,

wenn fur i0 := min i ∈ 1, 2, . . . , n | αi 6= βi gilt: βi0 < αi0 . Wegen grad f = m existiertein n-Tupel (α1, α2, . . . , αn) ∈ INn mit α1 + α2 + . . .+ αn = m und α1 ≥ α2 ≥ . . . ≥ αn . Wirdefinieren g1 durch

g1 := fα1α2···αn (s(n)1 )α1−α2 · (s(n)

2 )α2−α3 · . . . · (s(n)n−1)αn−1−αn · (s(n)

n )αn ;

dann ist g1 ∈ R[X1, X2, . . . , Xn] und

grad g1 = α1 − α2 + 2(α2 − α3) + . . .+ (n−1)(αn−1 − αn) + nαn

= α1 + α2 + α3 + . . .+ αn

= m .

Stellen wir g1 in kanonischer Form dar, so erhalten wir, wenn wir jeweils den ”ersten“ Term vons

(n)k betrachten, als ersten Term von g1 in der Gestalt

fα1α2···αn X1α1−α2 · (X1X2)α2−α3 · . . . · (X1 ·X2 ·. . .·Xn)αn = fα1α2···αn X1

α1 ·X2α2 · . . . ·Xn

αn .

Da g1 symmetrisch ist, kommen in der Darstellung von g1 auch alle Termefα1α2···αn X1

απ(1) ·X2απ(2) · . . . ·Xn

απ(n) fur jedes π ∈ Sn vor. Somit laßt sich g1 in der Form

g1 =∑

m≥α1≥α2≥...≥αn≥0

gα1α2···αn∑π∈Sn

X1απ(1) ·X2

απ(2) · . . . ·Xnαπ(n)

schreiben. Bezuglich der obigen Ordnung hat der erste Term den Koeffizienten fα1α2···αn . Wirbetrachten schließlich d := f − g1 ; ist d = 0 , so sind wir fertig. Anderenfalls wenden wir denoben beschriebenen Prozeß auf das symmetrische Polynom d an. Nach endlich vielen Schrittenbricht das Verfahren ab.

Page 364: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

Kapitel XVI

Endliche Korper und einigeAnwendungen

Unser Hauptziel in diesem Kapitel ist die Konstruktion von t-Designs. (Vgl. §52 aus Algebra I.)Zuvor jedoch wollen wir uns Fragen aus der ”Unterhaltungs–Mathematik“ widmen.

§ 68 Lateinische Quadrate

68.1 Definition

Ein lateinisches Quadrat der Ordnung n ist eine (n×n)-Matrix L , deren Eintrage n verschiedenelateinische Buchstaben sind, mit der Eigenschaft, daß kein Buchstabe in derselben Zeile oderSpalte von L zweimal vorkommt.

68.2 Beispiel

Die folgende (4 × 4)-Matrix aus den Buchstaben a, o, m und r bildet ein lateinisches Quadratder Ordnung 4 :

r o m ao r a mm a r oa m o r

68.3 Bemerkung

Der Bequemlichkeit halber wahlen wir haufig die Eintrage der Quadrate als Elemente aus ZZn ,etwa: 1, 2, 3, . . . , n. Dann ist ein lateinisches Quadrat L = (lij)1≤i,j≤n darstellbar als quadratischeMatrix mit Koeffizienten lij ∈ ZZn .

68.4 Satz

Fur jedes n ≥ 2 stellt die Matrix L = (lij) ∈ Mat(n, n; ZZn) mit lij = i+ j (mod n)ein lateinisches Quadrat der Ordnung n dar.

Beweis: ist klar. X

356

Page 365: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

§ 68. LATEINISCHE QUADRATE 357

68.5 Definition

Zwei lateinische Quadrate L = (lij) und L′ = (l′ij) der Ordnung n heißen orthogonal, wenn dien2 Paare (lij , l′ij) paarweise verschieden sind.

68.6 Beispiel

Die lateinischen Quadratea b c db c d ac d a bd a b c

und

a b c dc d a bd c b ab a d c

sind nicht orthogonal, jedoch

a b c dc d a bd c b ab a d c

und

a b c db a d cc d a bd c b a

.

68.7 Bemerkung

Fassen wir L , L′ als Elemente von Mat(n, n; ZZn) auf, so sind L und L′ orthogonal genau dann,wenn fur jedes Paar (k, k′) ∈ ZZn × ZZn ein (i, j) ∈ INn2 existiert mit lij = k und l′ij = k′ .

Mit der Existenz orthogonaler lateinischer Quadrate befaßte sich 1781/82 bereits L. Euler. ImJahre 1781 wollte er das ”Offiziersproblem“ losen, wobei 36 Offiziere mit 6 verschiedenen Dienst-graden aus 6 verschiedenen Regimentern auf eine (6× 6)-Matrix verteilt werden sollten; dies istaquivalent zur Existenz zweier orthogonaler lateinischer Quadrate der Ordnung 6 .In 1782 fand Euler: Ist n 6≡ 2 (mod 4) , so existieren zwei orthogonale lateinische Quadrateder Ordnung n . Und ist n ≡ 2 (mod 4) , so existieren keine zwei orthogonale lateinischeQuadrate der Ordnung n (Euler’sche Vermutung). Diese Vermutung ist richtig fur n = 2 undn = 6 (nach [33]; 1901), jedoch falsch fur alle n ≥ 10 (nach [6]; 1960). Bis heute offen ist dieFrage, wieviele paarweise zueinander orthogonale lateinische Quadrate der Ordnung n fur n ≡ 2(mod 4) mit n ≥ 10 maximal existieren.

68.8 Satz

Es seien p ≥ 2 eine Primzahl, n ∈ IN∗ und q := pn . Dann existieren genau q − 1 paarweiseverschiedene orthogonale lateinische Quadrate der Ordnung q .

Beweis:

Es sei K ein Korper mit q Elementen. Fur r ∈ K∗ definieren wir Lr = (l(r)ij ) ∈ Mat(q, q;K)

durch l(r)ij := r i+ j mit i, j ∈ K . Dann bildet Lr ein lateinisches Quadrat; denn aus l(r)ij = l

(r)ij′ ,

Page 366: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

358 KAPITEL XVI. ENDLICHE KORPER UND EINIGE ANWENDUNGEN

d. h. r i+ j = r i+ j′ , folgt: j = j′ , und aus l(r)ij = l(r)i′j , d. h. r i+ j = r i′+ j ⇔ r (i− i′) = 0 ,

folgt wegen r ∈ K∗ : i = i′ . Sind Lr, Ls nun zwei wie oben gebildete lateinische Quadrate, sosind Lr und Ls fur alle r 6= s orthogonal. Existiert namlich ein Paar (k, k′) ∈ K × K und(i1, j1) sowie (i2, j2) mit r i1 + j1 = k , s i1 + j1 = k′ und r i2 + j2 = k , s i2 + j2 = k′ , so folgt:r (i1− i2) = j2− j1 und s (i1− i2) = j2− j1 . Ist i1 = i2 , so folgt: j1 = j2 . Und im Fall i1 6= i2erhalten wir: r = s = (i1 − i2)−1 (j2 − j1) und damit: Lr = Ls . Also sind Lr und Ls fur aller 6= s orthogonal.

68.9 Beispiel

Ist p = 3 und n = 1 , d. h. q = 3 , so sind orthogonal:

L1 =

0 1 21 2 02 0 1

und L2 =

0 1 22 0 11 2 0

.

§ 69 Differenzmethoden zur Konstruktion von Designs

69.1 Definition

Betrachte die abelsche Gruppe (ZZm,+) ; eine Menge ∅ 6= D ⊂ ZZm heißt Differenzmenge, wennes zu jedem a ∈ ZZm \ 0 die gleiche Anzahl von Paaren (d, d′) ∈ D × D fur d 6= d′ mitDifferenz a = d− d′ gibt.

69.2 Beispiel

Die Menge D = 1, 2, 4 ist eine Differenzmenge in ZZ7 , denn es gilt:

− 1 2 41 — 1 32 6 — 24 4 5 —

Also ist jedes a ∈ ZZ7 \ 0 auf genau eine Art und Weise als Differenz von Elementen aus Ddarstellbar.

69.3 Bemerkung

Ist D ⊂ ZZm eine Differenzmenge mit |D| = k , so gibt es k · (k− 1) Differenzen und m− 1 vonNull verschiedene Elemente in ZZm . Also lautet die Anzahl aller Darstellungen von a ∈ ZZm\0als Differenz von Elementen aus D genau k (k−1)

m−1 .

69.4 Satz

Es sei D ⊂ ZZm eine Differenzmenge mit |D| = k ; dann bilden die Mengen D + i mit i ∈ ZZmdie Blocke eines 2-Designs mit den Parametern (m, k, k (k−1)

m−1 ) .

Page 367: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

§ 69. DIFFERENZMETHODEN ZUR KONSTRUKTION VON DESIGNS 359

Beweis zu Satz 69.4:

Seien α, β ∈ ZZm mit α 6= β gegeben. Da D eine Differenzmenge ist, existieren genau k (k−1)m−1

Paare (x, y) ∈ D ×D mit x 6= y und x− y = α− β (∗) .Fur jede Losung von (∗) gilt dann mit a := α − x : α = a+ x und β = α − (x− y) = y + a ,d. h.: α, β ⊂ D + a .

69.5 Bemerkung

Gemaß Satz 52.17 und Satz 69.4 ist das oben konstruierte 2-Design auch ein 1-Design mit

r1 =m− 1k − 1

· r2 =m− 1k − 1

· k (k − 1)m− 1

= k und r0 = m .

Wie erhalt man nun solche Differenzmengen?

Es sei dazu K ein endlicher Korper mit pn =: q Elementen; dann ist K∗ zyklisch, d. h.:

K∗ = α, α2, α3, . . . , αq−1

mit α ∈ K∗ . Zu jedem α2m ∈ K∗ existiert dabei eine ”Quadratwurzel“ wegen (αm)2 = α2m .Angenommen, auch α2m+1 ∈ K∗ besaße eine ”Quadratwurzel“, d. h. es gabe ein β ∈ K∗ mitβ2 = α2m+1 . Wegen β ∈ K∗ existierte dann ein k ∈ 1, 2, 3, . . . , q − 1 mit β = αk . Darausfolgte:

α2(m−k)+1 = 1 , also: 2 (m− k) + 1 = v · ordK∗ = v · (q − 1) .

Nun ist aber fur ungerades q die Zahl q − 1 gerade und 2 (m − k) + 1 ungerade. Also besitzenfur ungerades q nur die Elemente α2m ∈ K∗ eine ”Quadratwurzel“.

69.6 Satz

Es sei p ≥ 2 eine Primzahl, q := pn ungerade mit n ∈ IN∗ sowie K ein Korper mit q Elementen,K∗ = α, α2, α3, . . . , αq−1 und := α2, α4, α6, . . . , αq−1 die Menge aller Quadrate in K .Gilt dann: q ≡ 1 (mod 4) , so ist −1 ∈ ; und gilt: q ≡ 3 (mod 4) , so folgt: −1 /∈ .

Beweis:

Da K∗ zyklisch ist mit |K∗| = q − 1 ∈ 2 IN , gibt es genau zwei Losungen von x2 = 1 , namlichx = 1 und x = −1 . Andererseits ist αq−1 = 1 und auch α

12

(q−1) eine Losung von x2 = 1 .Damit gilt: α

12

(q−1) = −1 . Nach den Voruberlegungen ist α12

(q−1) genau dann ein Quadrat,wenn 1

2(q − 1) = 2m ⇐⇒ q = 4m+ 1 ist.

69.7 Satz

Unter den Voraussetzungen wie in Satz 69.6 sei q ≡ 3 (mod 4) ; dann ist eine Differenz-menge in K , d. h. jedes x ∈ K∗ kann auf genau m unterschiedliche Arten als Differenz vonverschiedenen Quadraten dargestellt werden, wobei q = 4m+ 3 ist.

Page 368: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

360 KAPITEL XVI. ENDLICHE KORPER UND EINIGE ANWENDUNGEN

Beweis zu Satz 69.7:

Sei z ∈ K∗ ein Quadrat, etwa z = ζ2 mit ζ 6= 0 . Gibt es µ Moglichkeiten, das z als Differenzvon Quadraten darzustellen, etwa z = u2− v2 , so zeigen wir, daß es fur jedes w ∈ K∗ genausoviele Darstellungen als Differenz von Quadraten gibt. Ist w ein Quadrat, etwa w = ω2 , so folgt:

w = (ω ζ−1)2 · ζ2 =: β2 · z mit β = ω ζ−1 ∈ K∗ , d. h.: w = β2 (u2− v2) = (β u)2− (β v)2 .

Ist w kein Quadrat, dann ist w = α2r+1 ; ferner ist −1 = α2s+1 , also gilt:

−w = (−1)w = α2(r+s+1) =: ϑ2

und damit: w = −ϑ2 = −(ϑ ζ−1)2 · ζ2 =: γ2 · (−z) = (γ v)2 − (γ u2) .

Wegen || = 12(q−1) = 2m+1 ist die Anzahl der moglichen Differenzen verschiedener Quadrate

gleich 2m(2m+ 1) . Mit q − 1 = 4m+ 2 ist schließlich µ =2m(2m+ 1)

4m+ 2= m .

69.8 Folgerung

Ist die Primzahl p von der Form 4m+ 3 , so ist eine Differenzmenge in ZZp , gemaß Satz 69.4definiert als 2-Design mit den Parametern (4m+ 3 , 2m+ 1 , m) .

69.9 Beispiel

Ist p = 23 , d. h. m = 5 , so ist = 1, 2, 3, 4, 6, 8, 9, 12, 13, 16, 18 ;und wir erhalten ein 2-Design mit den Parametern (23, 11, 5) .

§ 70 Endliche Geometrien und Designs

Wie in §69 sei fur eine Primzahl p ≥ 2 und festes n ∈ IN∗ ein endlicher Korper K mit q = pn

Elementen der Charakteristik charK = p vorgegeben.

Wir betrachten den affinen Raum A................................................... = (K2,K2, →) . Dann enthalt K2 genau q2 Punkte; und

es gibt so viele Geraden durch jeden Punkt von K2 wie es eindimensionale Teilraume von K2

gibt (vgl. hierzu das Kapitel VIII aus Lineare Algebra II). Eine Gerade ist dabei die Mengealler Punkte (x, y) ∈ K2 , welche eine Gleichung der Form a x+ b y = cmit a, b, c ∈ K erfullen, wobei a und b nicht beide gleichzeitig Null sind.

70.1 Satz

Unter den obigen Voraussetzungen bilden die Geraden in K2 die Blocke eines 2-Designs mit denParametern (q2, q, 1) .

Page 369: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

§ 70. ENDLICHE GEOMETRIEN UND DESIGNS 361

Beweis zu Satz 70.1:

Wir mussen zeigen, daß jede Gerade im endlichen affinen Raum A................................................... genau q Punkte enthalt und

daß je zwei Punkte genau eine Gerade festlegen.Sei dazu g eine Gerade mit den Parametern a, b, c ; ist b 6= 0 , so bestimmt jedes x ∈ K genauein y ∈ K mit y = b−1 (c− a x) .Also hat eine solche Gerade genau q Punkte. Ist dagegen b = 0 , also a 6= 0 , d. h.

a x = c ⇐⇒ x = a−1 c ,so erhalten wir die q Punkte (a−1c, y) mit y ∈ K auf der Geraden g .Sind (x1, y1), (x2, y2) ∈ K2 und (x1, y1) 6= (x2, y2) , also x1−x2 6= 0 oder y1−y2 6= 0 , so liefert

(y1 − y2)x+ (x2 − x1) y = x2 y1 − x1 y2 (∗)die Gleichung einer Geraden, die (x1, y1) und (x2, y2) enthalt. Ist a x = b y = c eine weitereGerade, die (x1, y1) und (x2, y2) enthalt, so gilt: a xi + b yi = c fur i = 1, 2 ,d. h.: a (x2 − x1) = b (y1 − y2) . Ist x1 6= x2 , also x2 − x1 invertierbar in K , so erhalten wirweiter a = α (y1 − y2) mit α = b (x2 − x1)−1 . Daraus folgt: b = α (x2 − x1) ; also gilt:c = a x1 + b y1 = α (x2 y1 − x1 y2) und damit zusammen fur die Gerade a x+ b y = c :

α (y1 − y2)x+ α (x2 − x1) y = α (x2 y1 − x1 y2) .Diese Gerade stellt die gleiche Punktmenge dar wie (∗). Ist y1 6= y2 , so verfahre man entspre-chend.

70.2 Bemerkung

Die affine Ebene uber K besitzt genau

b = r0 =v

k· r1 =

q2

q· r1 = q · r1

affine Geraden als Blocke des 2-Designs mit

r1 =v − 1k − 1

· r2 =q2 − 1q − 1

= q + 1 .

Also gibt es q (q + 1) Geraden, und jeder Punkt liegt auf genau q + 1 Geraden.

Ist zum Beispiel p = 3 und n = 1 , d. h. K = ZZ3 , so erhalten wir folgendes Modell fur A................................................... (vgl.

Ubungsaufgabe 32–4):

r r r

r r r

r r r

A1 A2A3

A4 A5

A6

A7 A8 A9

.............. .............. .............. .............. .............. .............. .............. .............. .............. .............

.............. .............. .............. .............. .............. .............. .............. .............. .............. .............

.............. .............. .............. .............. .............. .............. .............. .............. .............. .............

........

......

........

......

........

......

........

......

........

......

........

......

........

......

........

......

........

......

........

.....

........

......

........

......

........

......

........

......

........

......

........

......

........

......

........

......

........

......

........

.....

........

......

........

......

........

......

........

......

........

......

........

......

........

......

........

......

........

......

........

.....

..............

..............

..............

..............

..............

..............

..............

..............

..............

..............

..............

..............

..............

..

..............

..............

..............

..............

..............

..............

..............

..............

..............

..............

..............

..............

..............

.. ..............

............................ .............. .............. .............. ..............

............................

......................................................................

.........................

............................

........................................................

............................

....................................................................................

.........................

....................................................................................

..........................

............

..................

.................................................................................

..............

..............

....................................................................................

..............

............................ .............. .............. .............. ..............

...........

..............................

....................

...............

...............

...............

.....

...............

...............

...............

.....

..............................

....................

..............

..............

..............

..............

..............

..............

.............. ..............

............................

............................

............................

................................................................................................................

............................

............................

............................

Die gestrichelten Geraden bil-den in ZZ3 × ZZ3 ein 2-Designmit den Parametern (9, 3, 1) .

Page 370: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

362 KAPITEL XVI. ENDLICHE KORPER UND EINIGE ANWENDUNGEN

In §40 aus Lineare Algebra II haben wir festgestellt, daß sich durch Herausnehmen einerHyperebene eines projektiven Raumes IP2(K) der Rest als affiner Raum auffassen laßt. Um-gekehrt erhalten wir, z. B. fur K = ZZ3 , die projektive Ebene uber K aus der affinen Ebeneuber K durch Hinzunahme der uneigentlichen Hyperebene. Diese uneigentliche Hyperebene isteine Gerade und enthalt vier Punkte B1, B2, B3, B4 (im Fall ZZ3 ). Wir stellen uns dies so vor,daß B1 auf den Geraden L(A1, A2, A3) , L(A4, A5, A6) und L(A7, A8, A9) liegt, B2 auf den Ge-raden L(A1, A4, A7) , L(A2, A5, A8) und L(A3, A6, A9) liegt, B3 auf den Geraden L(A1, A6, A8) ,L(A2, A4, A9) und L(A3, A5, A7) liegt sowie B4 auf den Geraden L(A1, A5, A9) , L(A2, A6, A7) ,L(A3, A4, A8) und auf L(B1, B2, B3) liegt:

r r r

r r r

r r r

A1 A2A3

A4 A5

A6

A7 A8 A9

.............. .............. .............. .............. .............. .............. .............. .............. .............. .............

.............. .............. .............. .............. .............. .............. .............. .............. .............. .............

.............. .............. .............. .............. .............. .............. .............. .............. .............. .............

........

......

........

......

........

......

........

......

........

......

........

......

........

......

........

......

........

......

........

.....

........

......

........

......

........

......

........

......

........

......

........

......

........

......

........

......

........

......

........

.....

........

......

........

......

........

......

........

......

........

......

........

......

........

......

........

......

........

......

........

.....

..............

..............

..............

..............

..............

..............

..............

..............

..............

..............

..............

..............

..............

..

..............

..............

..............

..............

..............

..............

..............

..............

..............

..............

..............

..............

..............

.. ..............

............................ .............. .............. .............. ..............

............................

......................................................................

.........................

............................

........................................................

............................

....................................................................................

.........................

....................................................................................

..........................

............

..................

.................................................................................

..............

..............

....................................................................................

..............

............................ .............. .............. .............. ..............

...........

..............................

....................

...............

...............

...............

.....

...............

...............

...............

.....

..............................

....................

..............

..............

..............

..............

..............

..............

.............. ..............

............................

............................

............................

................................................................................................................

............................

............................

............................

r

rr

rB3

B2

B4

B1

.........................................

. . . . . . . . . . . . . . . . . .

.............................

...................

.......................

.............................

....................... ....

....

....

....

....

....

....

.

...................... .. .

. . .. . .

. . .. . . .

. . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ...

....

....

......

......

.... . .

. . . .. . . .

. . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .........................................

. . . . . . . .. .

.........................

......

......

......

......

......

........

........

..........

......................

...... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

........

......

......

......

......

......

......................

. .. .

. . . . . . ......

..... .

. . .. . .

. . .. . . .

. . . . . . . . . ....

Ubertragt man obige Uberlegung auf die affine Ebene A................................................... uber K mit q2 Punkten, so erhalt man

die projektive Ebene uber K mit q2 + q+ 1 Punkten, mit q(q+ 1) + 1 = q2 + q+ 1 Geraden undgenau q+ 1 Punkten auf jeder Geraden. Je zwei Punkte legen genau eine Gerade fest. Also gilt:

70.3 Satz

Unter den obigen Voraussetzungen bilden die Geraden der projektiven Ebene uber K die Blockeeines 2-Designs mit den Parametern (q2 + q + 1 , q + 1 , 1) . Zusatzlich ist der Durchschnitt vonje zwei Blocken einelementig.

70.4 Bemerkung

Dabei gilt:

r1 =v − 1k − 1

· r2 =q2 + q

q= q + 1 und b = r0 =

v

k· r1 =

q2 + q + 1q + 1

· (q + 1) = q2 + q + 1 .

Speziell fur IP2(ZZ2) ergibt sich etwa dieses Modell:

r r rrr rr

B2 B3 B1

A1 A2A4

A3

............................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................

......................

......................

......................

......................

......................

......................

......................

......................

......................

................................................................................................................................................................................................................................................................................................

................................................

................................................

................................................

................................................

................................................

......

................................................

................................................

................................................

................................................

................................................

..............................

........

........

........

........

........

........

........

........

........

........

........

........

........

........

........

........

........

........

........

........

........

...

..............................................................................................................................................................................................................................................................

Page 371: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

§ 71. EXISTENZ VON DESIGNS 363

§ 71 Existenz von Designs

71.1 Definition

Ein 2-Design mit den Parametern (4n− 1 , 2n− 1 , n− 1) heißt ein Hadamard–2-Design92.

71.2 Beispiel

Ist p eine Primzahl der Form 4m + 3 , so ist das gemaß Folgerung 69.8 gebildete 2-Design einHadamard–2-Design (mit n = m+ 1 ).

71.3 Satz

Ist B ein Hadamard–2-Design mit der Grundmenge X und den Blocken B ∈ B , so sei

X∗ := X ∪ ∞ mit ∞ /∈ Xsowie B∗ := B+ ∪B−

mit B+ := B+ = B ∪ ∞ | B ∈ Bund B− := B− = X \B | B ∈ B .

Dann bilden die Elemente von B∗ ein 3-Design mit den Parametern (4n , 2n , n− 1) .

Beweis:

Die Anzahl |X∗| = 4n ist klar; fur alle B∗ ∈ B∗ gilt:

|B∗| =|B+| = |B|+ 1 = (2n− 1) + 1 = 2n fur B∗ ∈ B+

|B−| = |X| − |B| = (4n− 1)− (2n− 1) = 2n fur B∗ ∈ B−.

Es bleibt zu zeigen, daß jeweils 3 Punkte von X∗ in genau n− 1 Blocken aus B∗ liegen.

1. Fall: Seien x, y ∈ X ; betrachte die Blocke B∗ ∈ B∗ mit x, y,∞ ⊂ B∗ . Dann istB∗ ∈ B+ , da die Elemente aus B− das ∞ nicht enthalten. Also sind die Blocke B∗ ∈ B∗ mitx, y,∞ ⊂ B∗ genau die Blocke B ∪ ∞ mit x, y ⊂ B . Davon gibt es exakt n− 1 Stuck.

2. Fall: Seien x1, x2, x3 ∈ X und a = a(x1, x2, x3) ∈ IN die Anzahl der Blocke B ∈ B mitx1, x2, x3 ⊂ B . Wir berechnen nun die Anzahl c = c(x1, x2, x3) der Blocke B ∈ B , die wederx1 noch x2 noch x3 enthalten. Das Sieb–Prinzip 52.5 liefert mit Bi := B ∈ B | xi ∈ B :

c = b− |B1 ∪B2 ∪B3| = b− 3r1 + 3r2 − a ,

wobei r2 = n− 1 , r1 =v − 1k − 1

r2 = 2n− 1 und b =v

kr1 = 4n− 1 ist. Also gilt: c = (n− 1)− a .

Damit gibt es genau n − 1 − a Blocke B ∈ B− ⊂ B∗ mit x1, x2, x3 ⊂ B . Ferner existierenexakt a Blocke B ∈ B+ mit x1, x2, x3 ⊂ B , also insgesamt n − 1 Blocke aus B∗ , in denenx1, x2, x3 enthalten ist.

92Jacques Salomon Hadamard, franzosischer Mathematiker (?08.12.1865, †17.10.1963)

Page 372: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

364 KAPITEL XVI. ENDLICHE KORPER UND EINIGE ANWENDUNGEN

71.4 Definition

Die gemaß Satz 71.3 aus Hadamard–2-Designs B konstruierten 3-Designs B∗ heißen Hadamard–3-Designs.

71.5 Beispiel

Ist p eine Primzahl der Form 4m+ 3 mit m ∈ IN , so existiert ein 3-Design mit den Parametern(4m+ 4 , 2m+ 2 , m) .

71.6 Bemerkungen

a) Existiert ein 2-Design mit den Parametern (v, k1, r2) , und existiert ein 2-Design mit denParametern (k1, k2, s2) , so existiert ein 2-Design mit dem Parametern (v, k2, r2s2) . ZumBeispiel gibt es ein 2-Design mit (169, 4, 1) , denn es existiert nach Satz 70.1 ein 2-Designmit den Parametern (169, 13, 1) und gemaß Satz 70.3 ein 2-Design mit den Parametern(13, 4, 1) .

b) Existieren 2-Designs mit den Parametern (v, k, r2) und (v, k, s2) , so gibt es auch ein 2-De-sign mit (v , k , r2 + s2) .

c) Ist n ∈ IN∗ \ 1 mit n ≡ 1 (mod 6) , dann existiert ein 2-Design mit den Parametern(n, 3, 1) . Solche Designs heißen Steiner–Tripelsysteme93.

d) Es existiert ein 5-Design mit den Parametern (12, 6, 1) , der sogenannte kleine Witt’sche94

Blockplan von 1938. Daraus ergibt sich die Existenz eines 4-Designs mit (11, 5, 1) und eines3-Designs mit (10, 4, 1) .

93Jakob Steiner, schweizerischer Mathematiker (?18.03.1796, †01.04.1863)94Ernst Witt, deutscher Mathematiker (?26.06.1911, †03.07.1991)

Page 373: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

Kapitel XVII

Korpererweiterungen

Wir setzen die Untersuchungen aus §65 fort. Dabei seien alle Korper stets als kommutativ vor-ausgesetzt.

§ 72 Algebraische Erweiterungen

Wir betrachten einen Korper K und einen Erweiterungskorper L von K (vgl. Definition 57.5 inAlgebra I). Ist L+ die additive Gruppe von L , und definieren wir eine Skalarmultiplikation

· : K × L+ → L+ durch (k, a)· := k

Multiplika-tion in L

↓· a ,

so erhalten wir L+ = L als Vektorraum uber K. Dafur schreiben wir auch L+K .

72.1 Definition

Ist L Erweiterungskorper von K , so schreiben wir zur Abkurzung: L : K .Sprechweise: ”L uber K “ . Man nennt L : K dann eine Korpererweiterung.Ist Z ein Korper und Unterkorper von L mit K ⊂ Z ⊂ L , so heißt Z ein Zwischenkorper derErweiterung L : K. Wir schreiben dann auch: L : Z : K .Mit

[L : K] := dimK L+K

bezeichnen wir den Korpergrad (kurz: Grad oder Rang) von L uber K.

72.2 Satz

Sei Z Zwischenkorper der Erweiterung L : K mit [L : Z] <∞ und [Z : K] <∞ , dann gilt:

[L : K] = [L : Z] · [Z : K] .

365

Page 374: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

366 KAPITEL XVII. KORPERERWEITERUNGEN

Beweis zu Satz 72.2:

Es seien n := [L : Z] und l1, l2, . . . , ln eine Basis von L+Z ∈ VRZ sowie m := [Z : K] und

z1, z2, . . . , zm eine Basis von Z+K ∈ VRK . Dann ist

z1l1, z2l1, . . . , zml1, z1l2, z2l2, . . . , zml2, . . . , z1ln, z2ln, . . . , zmln

eine Basis von L+K ∈ VRK . Aus L 3 l =

n∑ν=1

αν lν mit αν ∈ Z folgt wegen αν =m∑µ=1

βνµzµ mit

βνµ ∈ K die Linearkombination:

l =n∑ν=1

( m∑µ=1

βνµzµ)lν .

Ferner sind die zµlν 1≤µ≤m1≤ν≤n

linear unabhangig.

72.3 Bemerkung

Ist L : Z : K mit [L : K] <∞ , so ist auch [L : Z] <∞ und [Z : K] <∞ . Es gilt:

[L : K] = 1 ⇐⇒ L = K .

72.4 Definition

Eine Erweiterung L : K heißt endlich, wenn [L : K] <∞ gilt; sonst heißt L : K eine unendlicheErweiterung.

72.5 Beispiele

a) Es ist [C : IR] = 2 mit Basis 1, i . Und es existiert kein echter Zwischenkorper vonC : IR , d. h. kein Korper Z mit IR ⊂

6=Z ⊂6=C .

b) Es ist [IR : Q] = ∞ . Ware namlich [IR : Q] = n < ∞ und r1, r2, . . . , rn mit rν ∈ IReine Basis von IR+

Q , so wurde gelten:

IR = n∑ν=1

qνrν∣∣∣ qν ∈ Q =: M .

Nun ist aber M bijektiv auf Qn abbildbar. Damit ist M abzahlbar im Widerspruch zurUberabzahlbarkeit von IR .

72.6 Definition

Es sei L : K eine Korpererweiterung. Ein Element a ∈ L heißt algebraisch uber K, wenn es einPolynom f ∈ K[X] \ 0 gibt mit f(a) = Φa(f) = 0 . Und a heißt transzendent uber K, wenna nicht algebraisch uber K ist.Der Erweiterungskorper L heißt algebraisch uber K, wenn alle Elemente von L uber K algebra-isch sind. Und L heißt transzendent uber K, wenn es (mindestens) ein a ∈ L gibt, das uber Ktranszendent ist.

Page 375: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

§ 72. ALGEBRAISCHE ERWEITERUNGEN 367

72.7 Beispiele

a) Betrachte C : IR und i ∈ C , dann ist i algebraisch uber IR wegen f(i) = 0 fur dasPolynom f = 1 +X2 ∈ IR[X] .

b) Wir betten den Korper K in den Integritatsring K[X] und diesen in seinen Quotien-tenkorper K(X) ein (vgl. Bemerkung 59.9). Wir betrachten nun K(X) : K ; dann ist dasPolynom X transzendent uber K , denn fur jedes f ∈ K[X] mit ΦX(f) = 0 folgt wegenf = ΦX(f) sofort: f = 0 .

72.8 Satz

Ist L : K eine endliche Korpererweiterung, so ist L algebraisch uber K .

Beweis:

Sei n = [L : K] und a ∈ L beliebig. Dann bilden 1, a, a2, a3, . . . , an ∈ L+K eine linear abhangige

Familie. Also existieren k0, k1, k2, . . . , kn ∈ K , nicht alle gleich Null, mitn∑i=0

kiai = 0 , wobei

a0 := 1 ist. Betrachte dann f =n∑i=0

kiXi .

72.9 Satz

Es sei L : K eine Korpererweiterung und 0 6= a ∈ L algebraisch uber K . Dann existiert einPolynom f ∈ K[X] mit folgenden Eigenschaften:

(1) f(a) = 0 .

(2) Ist g ∈ K[X] und grad g < grad f , so gilt: g(a) 6= 0 .

(3) f ist normiert, d. h. HK(f) = 1 .

Durch diese drei Eigenschaften ist f eindeutig bestimmt.

Beweis:

Sei i := g ∈ K[X] | g(a) = 0 ; dann ist i 6= 0 und i ein Ideal in K[X] . Betrachte nun dieTeilmenge J := g ∈ i \ 0 | HK(g) = 1 und ein Polynom h ∈ J kleinsten Grades. Da K[X]ein Hauptidealring ist, gilt: i = (h) .Und h ist eindeutig bestimmt. (Aus i = (h1) mit HK(h1) = 1 folgt namlich wegen h1 = q · hund h = r · q1 mit q, r ∈ K[X] : h = r ·h1 = r · q ·h , d. h. r · q = 1 . Und HK(h) = HK(h1) = 1liefert: q = 1 .)Das h ist uberdies Polynom niedrigsten Grades in K[X] mit h(a) = 0 . (Denn: Angenommen,es existierte ein g ∈ K[X] mit g(a) = 0 und grad g < gradh ; dann ware g ∈ i = (h) , also:g = s · h mit Widerspruch: grad g = grad s+ gradh ≥ gradh .)

Page 376: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

368 KAPITEL XVII. KORPERERWEITERUNGEN

72.10 Definition

Ist 0 6= a ∈ L algebraisch uber K , so heißt das nach Satz 72.9 eindeutig bestimmte Polynom fdas Minimalpolynom von a uber K. Wir schreiben dann aK statt f .

72.11 Satz

Es sei L : K eine Korpererweiterung und 0 6= a ∈ L . Dann gilt:

(i) Erfullt f ∈ K[X] die Eigenschaften (1) und (3) aus Satz 72.9, und ist f irreduzibel uber K,so ist f = aK .

(ii) Ist a algebraisch und f = aK , so ist f irreduzibel.

Beweis:

zu (i): Gemaß Satz 59.11 gibt es q, r ∈ K[X] mit f = q · aK + r , wobei entweder: r = 0oder: grad r < grad aK gilt. Daraus folgt:

0 = f(a) = q(a) aK(a) + r(a) = r(a) .

Wegen (2) muß r = 0 sein. Also ist f = q · aK . Und mit grad aK ≥ 1 muß dannq ∈ K sein, denn f ist nach Voraussetzung irreduzibel. Wegen HK(f) = 1 = HK(aK)folgt: q = 1 und damit: f = aK .

zu (ii): Angenommen, es ware f = g · h mit g, h ∈ K[X] sowie grad g ≥ 1 und gradh ≥ 1 .Wegen

grad f = grad g + gradh > maxgrad g, gradh

und f(a) = g(a)h(a) ergibt sich ein Widerspruch zu (2).

72.12 Definition

Es seien L : K eine Korpererweiterung und M ⊂ L eine Menge; dann sei

K(M) :=⋂

K⊂Z⊂LZ⊃M Korper

Z .

Der Korper K(M) entsteht durch Adjunktion von M zu K. Ist M = a , so schreiben wir zurAbkurzung K(a) statt K(a) ; entsprechend sei fur endliches M = a1, a2, . . . , an :

K(a1, a2, . . . , an) := K(a1, a2, . . . , an) .

72.13 Bemerkung

Ist L : K eine Korpererweiterung, und gilt: M1,M2 ⊂ L , so istK(M1 ∪M2) = (K(M1))(M2) = (K(M2))(M1) .

Page 377: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

§ 72. ALGEBRAISCHE ERWEITERUNGEN 369

72.14 Satz

Es sei L : K eine Erweiterung und a ∈ L . Dann sind folgende Aussagen aquivalent:

(a) a ist algebraisch uber K .

(b) K[a] = Im Φa ist ein Korper.

(c) Es gilt: K[a] = K(a) .

(d) Es gilt: [K(a) : K] <∞ .

(e) a ist Element einer endlichen Korpererweiterung von K .

Beweis:

”(a) ⇒ (b)“: Sei f = aK das Minimalpolynom und Φa : K[X]→ Im Φa = K[a] der Einsetz–Homomorphismus aus §59. Dann ist

Ker Φa = g ∈ K[X] | g(a) = 0 = (aK) .Und aK ist nach Satz 72.11 irreduzibel, also (aK) gemaß Satz 58.7 maximal undK[X]/(aK) ein Korper (vgl. Folgerung 57.15).

Wegen K[X]/(aK) ∼= Im Φa = K[a] ist also K[a] ein Korper.

”(b) ⇒ (c)“: folgt direkt aus der Definition von K[a] als kleinster Unterring von L , der K unda enthalt, sowie aus Definition 72.12 fur K(a) . X

”(c) ⇒ (a)“: Angenommen, a ware nicht algebraisch uber K , d. h. es galte:f ∈ K[X] | f(a) = 0 = Ker Φa = 0 .

Dann ware K[X] ∼= K[a] = K(a) . Jedoch kann im Widerspruch dazu der Poly-nomring K[X] kein Korper sein (Folgerung 59.8c).

”(a) ⇒ (d)“: Nach Definition ist

K[a] = m∑k=0

αk ak∣∣∣ m ∈ IN und α0, α1, α2, . . . , αm ∈ K

.

Also bildet (1, a, a2, a3, . . . ) ein Erzeugendensystem fur den Vektorraum K[a]+K .

Da a algebraisch ist, existiert ein f = Xn +n−1∑ν=0

βν Xν mit f(a) = 0 , d. h.

an = −n−1∑ν=0

βν aν . Daher bilden bereits 1, a, a2, a3, . . . , an−1 ein Erzeugendensy-

stem fur K[a]+K . Somit ist [K(a) : K] = [K[a] : K] <∞ .

”(d) ⇒ (e)“: ist klar. X

”(e) ⇒ (a)“: Angenommen, a ware nicht algebraisch uber K . Dann waren alle 1, a, a2, a3, . . .linear unabhangig im Widerspruch dazu, daß [K(a) : K] <∞ gilt.

72.15 Folgerung

Es seien L : K eine Erweiterung und a ∈ L algebraisch. Ist n = grad aK , so bilden 1, a, a2, a3, . . .. . . , an−1 eine Basis von K(a)+

K . Insbesondere gilt: [K(a) : K] = n .

Page 378: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

370 KAPITEL XVII. KORPERERWEITERUNGEN

Beweis zu Folgerung 72.15:

Wahle im Beweisschritt ”(a) ⇒ (d)“ von Satz 72.14: f = aK . Dann bilden 1, a, a2, a3, . . . , an−1

ein Erzeugendensystem von K(a)+K .

Ausn−1∑k=0

αk ak = 0 mit (α0, α1, α2, . . . , αn−1) ∈ Kn \ (0, 0, 0, . . . , 0) ergabe sich ein Polynom

g =n−1∑k=0

αkXk ∈ K[X] \ 0 mit g(a) = 0 und grad g ≤ n− 1 im Widerspruch zur Minimalitat

von aK mit grad aK = n . Also sind 1, a, a2, a3, . . . , an−1 linear unabhangig.

72.16 Folgerung

Die Erweiterung L : K ist genau dann endlich, wenn es endlich viele uber K algebraischeElemente a1, a2, . . . , an gibt mit L = K(a1, a2, . . . , an) .

Beweis:

”⇒“: Sei [L : K] = n und (a1, a2, . . . , an) eine Basis von L+K . Dann sind a1, a2, . . . , an nach

Satz 72.8 algebraisch uber K , und es gilt nach Definition: L = K(a1, a2, . . . , an) .

”⇐“: Beweis durch vollstandige Induktion nach der Anzahl n der adjungierten Elemente:Fur n = 1 ist die Behauptung gerade die Aussage von Satz 72.14. XSeien nun also a1, a2, . . . , an algebraisch uber K und die Folgerung fur n − 1 bewiesen,d. h. [L1 : K] <∞ fur L1 = K(a1, a2, . . . , an−1) . Nach Bemerkung 72.13 gilt:

L = K(a1, a2, . . . , an) = (K(a1, a2, . . . , an−1))(an) = L1(an) .Da an algebraisch ist uber K , ist an auch algebraisch uber L1 . Satz 72.14 liefert:[L : L1] <∞ . Und der Gradsatz 72.2 ergibt: [L : K] = [L : L1] · [L1 : K] <∞ .

72.17 Folgerung

Es sei L : K eine Erweiterung und a, b ∈ L algebraisch uber K . Dann sind auch a± b und a · bsowie

a

bfur b 6= 0 algebraisch uber K .

Beweis:

Nach Folgerung 72.16 ist K(a, b) algebraisch uber K .

72.18 Definition

a) Gegeben seien zwei Erweiterungen L1 : K und L2 : K sowie ein Korper–Isomorphismusϕ : L1 → L2 . Dieses ϕ heißt ein K–Isomorphismus, wenn fur alle k ∈ K gilt: ϕ(k) = k .

b) Seien L : K eine Erweiterung und a, b ∈ L algebraisch uber K . Die Elemente a und bheißen konjugiert uber K, wenn aK = bK gilt.

Page 379: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

§ 72. ALGEBRAISCHE ERWEITERUNGEN 371

72.19 Satz

Es sei L : K eine Korpererweiterung und a, b ∈ L algebraisch uber K . Dann gilt:

a, b sind konjugiert uber K ⇐⇒ ∃ K–Isomorphismus ϕ : K(a)→ K(b) mit ϕ(a) = b .

L

@

@@

K(a)∼= - K(b)

@@@

K

Beweis:

”⇒“: Nach Folgerung 72.15 gilt mit n = grad aK = grad bK :

K(a) = n−1∑ν=0

kν aν∣∣∣ k0, k1, k2, . . . , kn−1 ∈ K

und K(b) = n−1∑ν=0

kν bν∣∣∣ k0, k1, k2, . . . , kn−1 ∈ K

.

Definiere nun eine Abbildung ϕ : K(a)→ K(b) durch

ϕ

( n−1∑ν=0

kν aν)

:=n−1∑ν=0

kν bν .

Dann ist ϕ bijektiv und ein Homomorphismus zwischen den additiven Gruppen (K(a),+)und (K(b),+) . Zur Homomorphie–Eigenschaft bezuglich · uberlegen wir uns:

Sind zwei zi =n−1∑ν=0

k(i)ν aν =: gi(a) ∈ K(a) mit gi ∈ K[X] , so existieren h, q ∈ K[X] mit

g1 g2 = h aK + q = h bK + q , wobei entweder q = 0 oder grad q < grad aK ist. WegenaK(a) = 0 = bK(b) folgt: g1(a) g2(a) = q(a) und g1(b) g2(b) = q(b) . Nach Definition istϕ(zi) = gi(b) , also gilt:

ϕ(z1 z2) = ϕ(g1(a) g2(a)) = ϕ(q(a)) = q(b) = g1(b) g2(b) = ϕ(z1)ϕ(z2) .

”⇐“: Ist f =m∑µ=0

αµXµ ∈ (aK) , so gilt wegen f(a) =

m∑µ=0

αµ aµ = 0 :

0 = ϕ

( m∑µ=0

αµ aµ)

=m∑µ=0

αµ (ϕ(a))µ =m∑µ=0

αµ bµ = f(b) ,

d. h.: f ∈ (bK) ⇐⇒ (aK) ⊂ (bK) . Unter Verwendung von ϕ−1 folgt umgekehrt:(bK) ⊂ (aK) . Also ist (aK) = (bK) und damit aK = bK .

Page 380: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

372 KAPITEL XVII. KORPERERWEITERUNGEN

72.20 Folgerung

Es seien K ein Korper und f ∈ K[X] irreduzibel. Nach Folgerung 65.6 existiert eine ErweiterungL : K derart, daß f uber L vollstandig in Linearfaktoren zerfallt. Sind a und b Nullstellen vonf in L , so existiert ein K–Isomorphismus ϕ : K(a)→ K(b) mit ϕ(a) = b .

§ 73 Separable Erweiterungen

73.1 Definition

Es sei L : K eine Korpererweiterung; ein Element a ∈ L heißt separabel uber K, wenn a uberK algebraisch ist und a eine einfache Nullstelle von aK ist. Ein algebraisches Element a ∈ Lheißt inseparabel uber K, wenn a eine Nullstelle der Ordnung ≥ 2 von aK ist.Der Erweiterungskorper L heißt separabel uber K, wenn jedes a ∈ L algebraisch und separabeluber K ist. Und L heißt inseparabel uber K, wenn L uber K algebraisch, aber nicht separabelist.

73.2 Beispiele

a) Es sei L : K eine algebraische Erweiterung mit charK = 0 ; dann ist L separabel uber K .

b) Ist K ein Korper mit charK = p > 0 und ein Monomorphismus ϕ : K → K definiert durchϕ(k) = kp , so sei Kp := ϕ(K) . (Diese Abbildung ϕ heißt auch Frobenius–Homomorphis-mus95.) Ist dann K = Kp und L eine algebraische Erweiterung von K , so ist L separabeluber K .

Beweis:

zu a): Angenommen, es existierte ein a ∈ L derart, daß aK = (X −a)2 g gilt mit g(a) 6= 0oder g(a) = 0 . Dann ist 0 6= aK

′ = DaK = 2 (X − a) g + (X − a)2 g′ =: (X − a) · hmit h(a) 6= 0 oder h(a) = 0 sowie aK

′(a) = 0 im Widerspruch zur Minimalitatvon aK .

zu b): Man mache denselben Ansatz wie bei a); ist aK ′ 6= 0 , so ergibt sich ein Widerspruch

zur Minimalitat von aK . Im Falle aK′ = 0 , d. h. aK ′ =

n∑i=1

i ciXi−1 = 0 mit

aK =n∑i=0

ciXi , gilt: i ci = 0 fur alle 1 ≤ i ≤ n , also: ci = 0 ∨ i.1 = 0 . Daraus

erhalt man:

aK = c0 + cpXp + c2pX

2p + c3pX3p + . . .+ c%pX

% p =%∑

ν=0

cνp (Xp)ν .

Wegen K = Kp existieren b0, b1, b2, . . . , b% ∈ K mit bνp = cνp , d. h. es gilt:

aK =%∑

ν=0bνp (Xν)p =

( %∑ν=0

bν Xν)p

. Und durch p > 1 ergibt sich dann der Wider-

spruch, daß aK nicht irreduzibel ware.

95Georg Ferdinand Frobenius, deutscher Mathematiker (?26.10.1849, †03.08.1917)

Page 381: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

§ 74. ZERFALLUNGSKORPER 373

73.3 Definition

Ein Korper K heißt vollkommen, wenn charK = 0 oder charK = p > 0 ∧ K = Kp gilt.

73.4 Satz

Ein Korper K ist genau dann vollkommen, wenn jede algebraische Erweiterung von K eineseparable Erweiterung von K ist.

Beweis:

”⇒“: siehe Beispiel 73.2. X

”⇐“: Ist charK = p > 0 und Kp ⊂6=K , so wahlen wir ein a ∈ K \ Kp und betrachten das

Polynom (Xp−a) ∈ K[X] . Wir schreiben: Xp−a = q ·s mit s ∈ K[X] , einem irreduziblenq ∈ K[X] und HK(q) = 1 . Nach Satz 65.5 existiert eine Korpererweiterung L : K , in derq eine Nullstelle b ∈ L besitzt. In L gilt also: 0 = bp−a = q(b) · s(b) , d. h.: a = bp . Damiterhalten wir in L[X] : Xp − a = Xp − bp = (X − b)p . Und da q in K[X] das PolynomXp − a teilt, teilt q in L[X] das Polynom (X − b)p . Somit ist q = (X − b)m mit einemm ∈ IN∗ . Dabei kann m = 1 nicht auftreten, weil q ∈ K[X] als irreduzibel angenommenwurde und b ∈ L \ K ist. Also gilt: q = (X − b)m mit m ≥ 2 . Wegen q = bK (nachSatz 72.11) und m ≥ 2 ist b inseparabel uber K im Widerspruch zur Voraussetzung.

73.5 Folgerung

Jeder endliche Korper K ist vollkommen.

Beweis:

Ist charK = p > 0 , so ist der Frobenius–Monomorphismus ϕ : K → K , k 7→ kp wegen derEndlichkeit von K ein Automorphismus in K .

§ 74 Zerfallungskorper

74.1 Definition

Es sei L : K eine Erweiterung und 0 6= f ∈ K[X] ; ein Polynom f zerfallt in L[X], wenn es eina ∈ K und (eine Familie) a1, a2, . . . , an ∈ L gibt mit

f = a (X − a1) · (X − a2) · . . . · (X − an) ,

wobei n = grad f ist. Dann heißt K(a1, a2, . . . , an) ein Zerfallungskorper von f uber K. (Dabeiist K(a1, a2, . . . , an) wie ublich definiert, auch falls ∃i 6=j ai = aj gilt.)

Page 382: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

374 KAPITEL XVII. KORPERERWEITERUNGEN

74.2 Bemerkungen

a) Die Existenz eines Zerfallungskorpers ist nach Folgerung 65.6 stets gesichert.

b) Es ist [K(a1, a2, . . . , an) : K] <∞ wegen

[K(a1, a2, . . . , an) : K] = [K(a1, a2, . . . , an) : K(a1, a2, . . . , an−1)] ··[K(a1, a2, . . . , an−1) : K(a1, a2, . . . , an−2)] · . . .. . . · [K(a1, a2) : K(a1)] · [K(a1) : K]

und

[K(a1) : K] = gradm1 ,

[K(a1, a2) : K(a1)] = gradm2 ,

...[K(a1, a2, . . . , an) : K(a1, a2, . . . , an−1)] = gradmn ,

wobei m1 das Minimalpolynom von a1 uber K ,m2 das Minimalpolynom von a2 uber K(a1) ,...

......

mn das Minimalpolynom von an uber K(a1, a2, . . . , an−1)ist, und wobei die a1, a2, . . . , an als paarweise verschieden angenommen wurden.

c) Es sei Z ein Zwischenkorper mit L : Z : K und Z ⊂ K(a1, a2, . . . , an) . Dann istauch K(a1, a2, . . . , an) Zerfallungskorper von f ∈ K[X] ⊂ Z[X] uber Z . (Denn: IstZ(a1, a2, . . . , an) Zerfallungskorper von f uber Z , so gilt:

K(a1, a2, . . . , an) ⊂ Z(a1, a2, . . . , an) .Wegen Z ⊂ K(a1, a2, . . . , an) und a1, a2, . . . , an ∈ K(a1, a2, . . . , an) folgt auch:

Z(a1, a2, . . . , an) ⊂ K(a1, a2, . . . , an) . )

74.3 Satz

Seien ϕ : K1 → K2 ein Korper–Isomorphismus, f1 ∈ K1[X] irreduzibel, L1 : K1 eine Erweite-rung, a1 ∈ L1 eine Nullstelle von f1 , und sei f2 definiert durch

f2 := f1ϕ :=

n∑ν=0

ϕ(aν)Xν

fur f1 =n∑ν=0

aν Xν mit aν ∈ K1 . Dann gibt es zu jeder Nullstelle a2 von f2 ∈ K2[X] in einer

Erweiterung L2 : K2 einen Isomorphismus Φ : K1(a1)→ K2(a2) mit Φ(a1) = a2 und Φ|K1 = ϕ .

L1 L2

K1(a1)∼= Φ- K2(a2)

K1∼= ϕ- K2

Beweis:

Der Satz 74.3 ist eine Verallgemeine-rung von Satz 72.19. X

Page 383: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

§ 74. ZERFALLUNGSKORPER 375

74.4 Satz

Die Bezeichnungen und Voraussetzungen seien wie in Satz 74.3. Ist f1 6= 0 (nicht notwendigirreduzibel), K1(a1, a2, . . . , an) ⊂ L1 ein Zerfallungskorper von f1 und K2(b1, b2, . . . , bn) ⊂ L2

ein Zerfallungskorper von f2 = f1ϕ , so existiert ein Isomorphismus

Φ : K1(a1, a2, . . . , an)→ K2(b1, b2, . . . , bn) mit Φ|K1 = ϕ .

Beweis: durch vollstandige Induktion nach % := [K1(a1, a2, . . . , an) : K1] :% = 1 : Es ist K1(a1, a2, . . . , an) = K1 (nach Bemerkung 72.3). Also zerfallt f1 uber K1

vollstandig in Linearfaktoren, d. h.:

f1 = a (X − k1) · (X − k2) · . . . · (X − kn)

mit a, k1, k2, . . . , kn ∈ K1 . Damit gilt (gemaß §67 uber elementarsymmetrische Polynome):

f2 = ϕ(a) (X − ϕ(k1)) · (X − ϕ(k2)) · . . . · (X − ϕ(kn)) .

Damit liegen alle Nullstellen von f2 = f1ϕ bereits in K2 , d. h. K2(b1, b2, . . . , bn) = K2 . Also

ist Φ = ϕ .Induktionsschluß von %− 1 auf % > 1 :Die Behauptung sei bewiesen fur alle Korper–Isomorphismen ψ : F1 → F2 und alle Polynome0 6= g ∈ F1[X] mit [F1(c1, c2, . . . , cm) : F1] < % . Sei nun K1(a1, a2, . . . , an) ein Zerfallungskorpervon f1 ∈ K1[X] mit [K1(a1, a2, . . . , an) : K1] = % . Wir schreiben: f1 = p1 r1 mit einemirreduziblen p1 ∈ K1[X] vom Grade ≥ 2 . Dann gilt: f2 = p2 r2 = p1

ϕ r1ϕ = f1

ϕ . Undp2 ∈ K2[X] ist ebenfalls irreduzibel. Sei dann a1 ∈ L1 eine Nullstelle von p1 . Nach Satz 74.3existiert zu jeder Nullstelle b1 von p2 ein Isomorphismus ϕ∗ : K1(a1)→ K2(b1) mit ϕ∗|K1 = ϕund ϕ∗(a1) = b1 . Gemaß Bemerkung 74.2c) ist K1(a1, a2, . . . , an) ein Zerfallungskorper von f1

uber K1(a1) und K2(b1, b2, . . . , bn) ein Zerfallungskorper von f2 uber K2(b1) . Wegen

[K1(a1, a2, . . . , an) : K1(a1)] =[K1(a1, a2, . . . , an) : K1]

[K1(a1) : K1]=

%

grad p1< %

liefert die Induktionsvoraussetzung die Existenz einer linearen Fortsetzung Φ von ϕ∗ aufK1(a1, a2, . . . , an) = K1(a1)(a2, a3, . . . , an) .

74.5 Folgerung

Je zwei Zerfallungskorper eines Polynoms f ∈ K[X] \ 0 sind stets K–isomorph.

74.6 Satz

Zu jeder Primzahl p ≥ 2 und jedem m ∈ IN∗ existiert bis auf Isomorphie genau ein Korpermit pm Elementen.

Beweis:

Ist K ein Korper mit pm Elementen, so ist charK = p und damit nach Satz 57.9 der PrimkorperP (K) isomorph zu ZZp . Gemaß Satz 65.8 ist K Zerfallungskorper von Xpm −X uber P (K) .Sind nun K1 und K2 zwei Korper mit pm Elementen, so sind diese Zerfallungskorper uber demPrimkorper P (K1) bzw. P (K2) . Wegen P (K1) ∼= ZZp ∼= P (K2) existiert mit Satz 74.4 auch einIsomorphismus zwischen K1 und K2 .

Page 384: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

376 KAPITEL XVII. KORPERERWEITERUNGEN

74.7 Definition

Der bis auf Isomorphie eindeutig bestimmte Korper mit pm Elementen ( p ≥ 2 prim, m ∈ IN∗ )wird als Galois–Feld96 GF(pm) bezeichnet.

74.8 Bemerkung

In Beispiel 65.9 haben wir bereits gezeigt, daß mit i2 = −1 = 2 gilt:GF(9) = u+ i v | u, v ∈ ZZ3 .

§ 75 Normale Korpererweiterungen

75.1 Definition

Eine Korpererweiterung L : K heißt normal, wenn L uber K algebraisch ist und jedes irredu-zible Polynom f ∈ K[X] , das in L (mindestens) eine Nullstelle besitzt, in L[X] vollstandig inLinearfaktoren zerfallt.

75.2 Satz

Es sei L : K eine endliche Erweiterung. Dann sind aquivalent:

(a) L : K ist eine normale Erweiterung.

(b) L ist Zerfallungskorper eines Polynoms f ∈ K[X] \ 0 .

Beweis:

”(a) ⇒ (b)“: Als Basis von L+K konnen wir die algebraischen Elemente a1, a2, . . . , an ∈ L

wahlen, wobei n = [L : K] ist. Sei mi ∈ K[X] das jeweilige Minimalpolynomvon ai . Nach Voraussetzung zerfallt jedes mi in L[X] und damit auchf := m1 ·m2 · . . . ·mn . Und L entsteht durch Adjunktion der Nullstellen von fan K (es genugt, a1, a2, . . . , an zu adjungieren). Also ist L der Zerfallungskorpervon f uber K .

”(b) ⇒ (a)“: Sei L Zerfallungskorper von 0 6= f ∈ K[X] und p ∈ K[X] irreduzibel mit einerNullstelle a ∈ L . Angenommen, p zerfiele nicht in L[X] . Dann betrachten wirden Zerfallungskorper M von p uber L und eine Nullstelle b ∈M \ L .Wir haben dann die umseitige Situation:

96Evariste Galois, franzosischer Mathematiker (?25.10.1811, †31.05.1832)Die Bezeichnung

”Feld“ kommt aus dem fachsprachlichen Englisch: field = Korper.

Page 385: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

§ 76. GALOIS–ERWEITERUNGEN 377

M

@

@@

L = L(a)∼= Φ- L(b)

K(a)∼= ϕ - K(b)

@@@

K

Nach Folgerung 72.20 existiert ein Isomorphismus ϕ : K(a)→ K(b) mit ϕ(a) = bund ϕ|K = idK . Gemaß Bemerkung 74.2c) ist L = L(a) Zerfallungskorper vonf ∈ K(a)[X] uber K(a) . Weiter ist L(b) Zerfallungskorper von f ∈ K(b)[X]uber K(b) . Mit f1 = f und f2 = f1

ϕ = f sowie K1 = K(a) und K2 = K(b)liefert Satz 74.4 die Existenz eines Isomorphismus Φ : L→ L(b) mit Φ|K(a) = ϕ ,d. h. speziell Φ(k) = k fur alle k ∈ K . Damit gilt:

[L : K] = dimL+K = dimL(b)+

K = [L(b) : K] ;

wegen L(b) : L : K liefert der Gradsatz 72.2:

[L(b) : L] =[L(b) : K]

[L : K]= 1 ,

woraus nach Bemerkung 72.3 sofort L(b) = L folgt im Widerspruch zu b ∈M \L .Als endliche Erweiterung ist L : K auch algebraisch.

§ 76 Galois–Erweiterungen

76.1 Definition

Eine Korpererweiterung L : K heißt eine Galois–Erweiterung von K (oder der Erweiterungs-korper L heißt galois’sch uber K), wenn L : K zugleich endlich, separabel und normal ist.Ist L : K eine beliebige Erweiterung, so bildet die Menge aller K–Automorphismen auf L eineUntergruppe der Korper–Automorphismengruppe von L mit der Verknupfung (τ, σ) = σ τ .Diese Untergruppe heißt die Galois–Gruppe von L uber K und wird mit G(L,K) bezeichnet.

76.2 Satz

Ist L : K eine Galois–Erweiterung, so ist |G(L,K)| = [L : K] .

Page 386: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

378 KAPITEL XVII. KORPERERWEITERUNGEN

Beweis zu Satz 76.2: durch vollstandige Induktion nach Grad % := [L : K] :

Fur % = 1 ist L = K , also G(L,K) = idK . XInduktionsschluß von % − 1 auf % ≥ 2 : Seien a ∈ L \K , ma ∈ K[X] das Minimalpolynomvon a mit n := gradma und a2, a3, . . . , an die weiteren Nullstellen von ma in L . Dann sinda, a2, a3, . . . , an wegen der Separabilitat von L : K paarweise verschieden. Der Gradsatz liefert:

% = [L : K] = [L : K(a)] · [K(a) : K] ;

wegen a ∈ L \ K ist dabei [K(a) : K] > 1 , also s := [L : K(a)] < % und % = s · n . Da Lnach Voraussetzung uber K galois’sch ist, ist L auch uber dem Zwischenkorper K(a) galois’sch.Seien nun τ1, τ2, . . . , τs die paarweise verschie-denen K(a)–Automorphismen von L . Wir kon-struieren damit % paarweise verschiedene K–Automorphismen von L . Dazu seien zunachstαj : K(a) → K(aj) fur alle 1 ≤ j ≤ n mita1 = a die K–Isomorphismen mit αj(a) = aj(vgl. Folgerung 72.20). Nach Satz 74.4 kanndann jedes αj fortgesetzt werden zu einem K–Automorphismus σj : L→ L mit σj |K(a) = αj .

L∼= σj - L

K(a)∼= αj - K(aj)

@@@

K

Wir definieren jetzt noch ϕij := σj τi fur alle 1 ≤ i ≤ s und 1 ≤ j ≤ n . Dann sind die ϕijpaarweise verschiedene K–Automorphismen auf L . (Denn: Angenommen, es wareσj1 τi1 = σj2 τi2 ; dann gilt speziell:

σj1(τi1(a)) = σj2(τi2(a))d. h.: σj1(a) = σj2(a)oder aj1 = aj2⇐⇒ j1 = j2 .

Daraus folgt: τi1 = τi2 ⇔ i1 = i2 .)Insgesamt gibt es also genau % K–Automorphismen ϕij . Wir zeigen schließlich, daß es keineanderen K–Automorphismen von L gibt. (Sei namlich γ ein beliebiger K–Automorphismus aufL ; dann gilt: γ(a) = aj mit j ∈ 1, 2, . . . , n . Daraus folgt: σj−1(γ(a)) = a ; also ist σj−1 γein K(a)–Automorphismus, d. h. σj−1 γ = τi fur ein i ∈ 1, 2, . . . , s oder γ = σj τi = ϕij .)

76.3 Definition

Es sei f ∈ K[X] ein Polynom mit grad f ≥ 1 ; ist dann Z der Zerfallungskorper von f uber K ,so heißt G(Z,K) die (Galois–)Gruppe von f uber K.

76.4 Bemerkung

Ist G(Z,K) die Galois–Gruppe von f und g ∈ K[X] mit einer Nullstelle a ∈ Z , so ist ϕ(a)eine Nullstelle von g fur alle ϕ ∈ G(Z,K) .

Page 387: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

§ 76. GALOIS–ERWEITERUNGEN 379

76.5 Beispiel

Wir betrachten: X4 + 1 ∈ Q[X] ; X4 + 1 besitzt die vier Nullstellen√

22 ± 1 ± i mit i2 = −1 .

Numerieren wir diese Nullstellen mit a1, a2, a3, a4 , so gilt: Z := Q(a1, a2, a3, a4) = Q(√

2, i) .Da Z uber Q galois’sch ist, gilt nach Satz 76.2: |G(Z, Q)| = [Z : Q] . Nun ist der Grad

[Z : Q] = [Q(√

2, i) : Q(√

2 )] · [Q(√

2 ) : Q] = 2 · 2 = 4 .

Betrachte die Minimalpolynome g = X2−2 und h = X2 + 1 , dann muß fur jedes ϕ ∈ G(Z, Q)nach Bemerkung 76.4 gelten: ϕ(

√2 ) = ±

√2 und ϕ(i) = ±i .

1,√

2, i, i√

2 ist eine Basis von Z+Q . Jedes ϕ ∈ G(Z, Q) ist eindeutig festgelegt durch die

Werte auf ±√

2 und ±i . Also kann ϕ aufgefaßt werden als Element von S(M) ∼= S4 mitM =

√2,−√

2, i,−i . Identifizieren wir√

2 mit 1 , −√

2 mit 2 , i mit 3 und −i mit 4 , so gibtes folgende Moglichkeiten fur ϕ :(

1 2 3 41 2 3 4

),

(1 2 3 41 2 4 3

),

(1 2 3 42 1 3 4

)oder

(1 2 3 42 1 4 3

),

d. h. in Zykel–Schreibweise: (1) , (3, 4) , (1, 2) , (1, 2)(3, 4) . Damit ist G(Z, Q) ∼= A(2,2) .

76.6 Hilfssatz

Gegeben seien zwei Korper L und R sowie n paarweise verschiedene Korper–Monomorphismenγi : L→ R mit 1 ≤ i ≤ n . Gibt es dann Elemente r1, r2, . . . , rn ∈ R mit

n∑i=1

ri γi(l) = 0 fur alle l ∈ L ,

so folgt: r1 = r2 = . . . = rn = 0 .

Beweis: durch vollstandige Induktion nach n :

n = 1 : Sei r1 γ1(l) = 0 fur alle l ∈ L ; dann folgt fur l = 1 : r1 · 1R = 0 ⇔ r1 = 0 .Induktionsschluß von n − 1 auf n ≥ 2 : Wegen γ1 6= γn existiert ein a ∈ L \ 0 mitγ1(a) 6= γn(a) . Aus

n∑ν=1

rν γν(l) = 0 ∀l∈L (∗)

folgt dann fur alle l ∈ L :

n∑ν=1

rν γν(a l) = 0/· γn(a−1) 6= 0

⇐⇒n−1∑ν=1

rν γn(a−1) γν(a) γν(l) + rn γn(a−1) γn(a)︸ ︷︷ ︸=1R

γn(l) = 0 . (∗∗)

Aus der Differenz (∗)− (∗∗) ergibt sich:

n−1∑ν=1

rν (1− γn(a−1) γν(a))︸ ︷︷ ︸=:r′ν

γν(l) = 0 ∀l∈L .

Page 388: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

380 KAPITEL XVII. KORPERERWEITERUNGEN

Nach Induktionsvoraussetzung folgt: r′ν = 0 fur alle 1 ≤ ν ≤ n − 1 , d. h. speziell fur ν = 1 :r1 (1− γn(a−1) γ1(a)) = 0 , also wegen γ1(a) 6= γn(a) : r1 = 0 . Damit reduziert sich (∗) auf eine

”(n− 1)-fache Linearkombination“ von r2, r3, . . . , rn . Die Induktionsvoraussetzung liefert dann:r2 = r3 = . . . = rn = 0 .

76.7 Definition

Gegeben seien zwei Korper L und R sowie n paarweise verschiedene Korper–Monomorphismenγ1, γ2, . . . , γn von L nach R ; dann heißt die Menge

F := F (γ1, γ2, . . . , γn) := l ∈ L | γ1(l) = γ2(l) = . . . = γn(l) = l

der Fixbereich von γ1, γ2, . . . , γn.

76.8 Hilfssatz

Ist F der Fixbereich von γ1, γ2, . . . , γn : L→ R , so ist F ein Teilkorper von L mit [L : F ] ≥ n .

Beweis:

Sind 0, 1 ∈ L , so gilt auch: 0, 1 ∈ F . Mit a, b ∈ F folgt auch: a− b ∈ F wegen

γ1(a− b) = γ1(a)− γ1(b) = γν(a)− γν(b) = γν(a− b) ∀1≤ν≤n .

Ferner gilt fur a ∈ F und b ∈ F \ 0 auch: a b−1 ∈ F wegen

γ1(a b−1) = γ1(a) γ1(b−1) = γν(a) (γν(b))−1 = γν(a b−1) ∀1≤ν≤n .

Angenommen, es ware nun [L : F ] =: d < n . Sei dann b1, b2, . . . , bd eine Basis von L+F . Wir

betrachten das homogene lineare Gleichungssystemn∑ν=1

γν(bi)xν = 0 (∗)

fur alle i = 1, 2, . . . , d mit (x1, x2, . . . , xn) ∈ Rn . Da (∗) nicht–trivial losbar ist, existiert ein

(r1, r2, . . . , rn) ∈ Rn \ (0, 0, . . . , 0) . Weiter sei a ∈ L dargestellt in der Form l =d∑i=1

ϕi bi mit

ϕi ∈ F . Ausn∑ν=1

γν(bi) rν = 0 folgt durch Multiplikation mit γ1(ϕi) = γ2(ϕi) = . . . = γn(ϕi) :n∑ν=1

γν(ϕi bi) rν = 0 ; und Addition dieser Gleichungen fur i = 1, 2, . . . , d liefert:n∑ν=1

γν(l) rν = 0.

Hilfssatz 76.6 ergibt dann einen Widerspruch zur Voraussetzung der nicht–trivialen Losbarkeitvon (∗).

76.9 Hilfssatz

Gegeben seien n paarweise verschiedene Automorphismen γ1, γ2, . . . , γn des Korpers L . Bil-den dann γ1, γ2, . . . , γn eine Gruppe G (bezuglich der kanonischen Verknupfung ), und ist derFixbereich als F := F (G) = l ∈ L | γ(l) = l ∀γ∈G bekannt, so gilt: [L : F ] = n = |G| .

Page 389: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

§ 76. GALOIS–ERWEITERUNGEN 381

Beweis zu Hilfssatz 76.9:

Nach Hilfssatz 76.8 ist [L : F ] ≥ n . Angenommen, es ware [L : F ] > n . Dann existiertenn+1 linear unabhangige Elemente b1, b2, . . . , bn+1 in L+

F ∈ VRF . Wir betrachten das homogene

lineare Gleichungssystemn+1∑ν=1

γi(bν)xν = 0 ∀1≤i≤n . (∗)

(r1, r2, . . . , rn+1) sei eine nicht–triviale Losung von (∗) und η = η(r1, r2, . . . , rn+1) die Anzahl dervon Null verschiedenen Komponenten. Sei η0 die minimale Anzahl der von Null verschiedenenKomponenten aller nicht–trivialen Losungen von (∗), und sei

(0, 0, . . . , 0, ri1 , 0, 0, . . . , 0, ri2 , 0, 0, . . . , 0, riη0 , 0, 0, . . . , 0)eine dieser nicht–trivialen Losungen mit genau η0 von Null verschiedenen Komponenten. DurchUmnumerierung erreichen wir, daß der Losungsvektor die Form (r1, r2, . . . , rη0 , 0, 0, . . . , 0) be-sitzt. Ohne Beschrankung der Allgemeinheit sei dabei rη0 = 1 . Es ist dann η0 ≥ 2 . (Warenamlich η0 = 1 , so lieferte (∗): γi(b1) r1 = 0 ∀1≤i≤n ; daraus folgte: r1 = 0 im Widerspruchzur Definition von η0 .) Wir betrachten nun:

η0∑ν=0

γi(bν) rν = 0 ∀i=1,2,...,n (∗∗)

mit rη0 = 1 . Nicht alle r1, r2, . . . , rη0 gehoren zu F . (Denn: Angenommen, es waren alle

r1, r2, . . . , rη0 ∈ F ; dann ergabe sich wegen rν = γi(rν) aus (∗∗):η0∑ν=1

bν rν = 0 im Widerspruch

zur linearen Unabhangigkeit von b1, b2, . . . , bn+1 .) Ohne Einschrankung sei r1 /∈ F ; dann exi-

stiert ein γ ∈ G mit γ(r1) 6= r1 . Fur dieses γ gilt dann fur alle 1 ≤ i ≤ n:η0∑ν=1

γγi(bν) γ(rν) = 0.

Da G eine Gruppe bildet, ist γ G = G . Also enthalten wir nach eventueller Umnumerierung:η0∑ν=1

γi(bν) γ(rν) = 0 ∀i=1,2,...,n . (∗∗∗)

Und die Differenz (∗∗)− (∗∗∗) betragtη0∑ν=1

γi(bν) (rν − γ(rν)) = 0 ∀1≤i≤n .

Wegen rη0 = 1 ist rη0 − γ(rη0) = 0 , und wegen γ(r1) 6= r1 ergibt dies einen Widerspruch zurMinimalitat von η0 .

76.10 Satz

Es sei L : K eine endliche Korpererweiterung; dann sind aquivalent:

(a) L ist galois’sch uber K .

(b) Es gilt: F (G(L,K)) = K .

Beweis:

”(a) ⇒ (b)“: Zur Abkurzung sei F = F (G(L,K)) ; nach Definition ist K ⊂ F . Also gilt:

[L : K] = [L : F ] · [F : K]

mit [L : K] = |G(L,K)| (nach Satz 76.2) und [L : F ] = |G(L,K)| (gemaßHilfssatz 76.9). Daraus folgt: [F : K] = 1 ⇐⇒ F = K .

Page 390: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

382 KAPITEL XVII. KORPERERWEITERUNGEN

”(b) ⇒ (a)“: Zu zeigen bleibt folgendes:(i) L ist normal uber K .

(ii) L ist separabel uber K .Beweis:

zu (i): Sei p ∈ K[X] irreduzibel und p(a) = 0 mit a ∈ L . Ohne Beschrankungder Allgemeinheit sei HK(p) = 1 . Wir zeigen, daß p in L[X] zerfallt. Seidazu G(L,K) = γ1, γ2, . . . , γn mit n = [L : K] und ohne Einschrankungγ1 = idL . Dann sind a = γ1(a), γ2(a), γ3(a), . . . , γn(a) Nullstellen von p .Gegebenenfalls nach Umnumerierung seien a = γ1(a), γ2(a), . . . , γm(a) diem paarweise verschiedenen Elemente unter allen γ1(a), γ2(a), . . . , γn(a) .Wir setzen noch ai := γi(a) fur alle 1 ≤ i ≤ n und betrachten:γ(a1), γ(a2), . . . , γ(am) fur jedes γ ∈ G(L,K) . Es ist

γ(a1), γ(a2), . . . , γ(am) = γ γ1(a), γ γ2(a), . . . , γ γm(a)= γ1(a), γ2(a), . . . , γm(a)= a1, a2, . . . , am .

Bilde nun f ∈ L[X] mit f = (X − a1) · (X − a2) · . . . · (X − am) . Nach§67 gilt:

f =m∑µ=0

(−1)µ s(m)µ (a1, a2, . . . , am) ·Xm−µ .

Wegen a1, a2, . . . , am = γ(a1), γ(a2), . . . , γ(am) ∀γ∈G(L,K) gilt:

γ(s(m)µ (a1, a2, . . . , am)) = s(m)

µ (a1, a2, . . . , am)

fur alle γ ∈ G(L,K) und 0 ≤ µ ≤ m . Wegen F (G(L,K)) = K ists

(m)µ (a1, a2, . . . , am) ∈ K und damit f ∈ K[X] . Da p das Minimalpolynom

zu a ist und f(a) = 0 gilt, ist p ein Teiler von f . Wegen grad p ≥ grad ffolgt also: f = p .

zu (ii): Wahle in (i) einfach: p = aK ; dann ergibt sich direkt die Behauptung. X

Page 391: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

Kapitel XVIII

Der Hauptsatz der Galois–Theorieund einige Anwendungen

§ 77 Konstruktion mit Zirkel und Lineal

Wir betrachten von jetzt an die euklidische Ebene IE2 und eine Menge M ⊂ IE2 von Punkten,die (mindestens) zwei Punkte der Entfernung 1 enthalte.

77.1 Definition

(1) Eine Gerade g in IE2 heißt (aus M) konstruierbar, wenn es zwei Punkte P,Q ∈ M gibtmit P 6= Q und P,Q ∈ g .

(2) Ein Kreis K in IE2 heißt (aus M) konstruierbar, wenn es drei Punkte M0, P,Q ∈M gibtmit P 6= Q und97 K = R ∈ IE2 | d(R,M0) = d(P,Q) .

r r∈MM 3

.....................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................

....................................................................................................................................................................................................................................................................

.......................

............................

.....................................................

............................................................................................................................................................................................................................................... ........................................................................................................

.......................

............................

.....................................................

..................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................

............................................................................................................................................................

........

........

........

........

........

........

........

........

........

........

........

........

........

........

........

........

........

........

........

........

........

........

........

........

........

........

........

........

........

........

........

........

........

........

........

........

........

........

........

........

........

........

........

........

........

........

........

..

........

........

........

........

........

........

........

........

........

........ -1

r

r

..........................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................

r rM (1) 3

∈M (1)

(3) Mit G(M) bezeichnen wir die Menge aller aus M konstruierbaren Geraden oder Kreise.

(4) Ein Punkt P ∈ IE2 heißt (aus M) konstruierbar, wenn es Geraden oder KreiseA,B ∈ G(M) mit A 6= B derart gibt, daß P Schnittpunkt von A und B ist.

97Dabei bezeichne d die euklidische Metrik in IE2 , d. h. die von der euklidischen Norm auf dem IR2 induzierteMetrik.

383

Page 392: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

384 KAPITEL XVIII. DER HAUPTSATZ DER GALOIS–THEORIE

(5) Die Menge aller (aus M) konstruierbaren Punkte aus IE2 bezeichnen wir mit M (1) . Furein n ≥ 2 sei

M (n) := (M (n−1))(1) und Ω(M) :=∞⋃n=1

M (n) .

(6) Das Ω(M) ist die Menge aller Punkte der euklidischen Ebene IE2 , welche aus M in endlichvielen Schritten mit Zirkel und Lineal konstruiert werden konnen.

77.2 Satz

Gegeben seien zwei Teilmengen M,N ⊂ IE2 , die jeweils mindestens zwei Punkte (der Entfer-nung 1) enthalten. Dann gilt:

a) M ⊂M (1) .

b) M (m) ⊂M (n) fur alle n ≥ m .

c) Ω(Ω(M)) = Ω(M) .

d) Aus M ⊂ N folgt: M (n) ⊂ N (n) fur alle n ∈ IN∗ und damit: Ω(M) ⊂ Ω(N) .

e) Ist M ⊂ N ⊂ Ω(M) , so ist Ω(M) = Ω(N) .

Beweis:

zu a): ist klar. X

zu b): ist mit a) auch klar. X

zu c): Es genugt, (Ω(M))(1) ⊂ Ω(M) zu zeigen. Sei dazu P ∈ Ω(M)(1) ; dann gibt esA,B ∈ G(Ω(M)) mit A 6= B derart, daß P Schnittpunkt von A und B ist. Zu Aund B gibt es nun endlich viele Punkte P1, P2, . . . , Pm ∈ Ω(M) , die A und B gemaßDefinition 77.1 (1) bzw. (2) bestimmen. Also existiert ein n ∈ IN∗ mit Pµ ∈ M (n)

fur alle 1 ≤ µ ≤ m . Damit ist P ∈ (M (n))(1) = M (n+1) ⊂ Ω(M) .

zu d): Die erste Behauptung folgt durch vollstandige Induktion nach n . XDer zweite Teil ist dann klar. X

zu e): c) und d) ergeben sofort: Ω(M) ⊂ Ω(N) ⊂ Ω(M) ⇒ Ω(M) = Ω(N) .

77.3 Satz

Die Menge M ⊂ IE2 enthalte mindestens zwei Punkte (der Entfernung 1). Eine Gerade g inIE2 sei aus Ω(M) konstruierbar. Dann gilt:

a) Ist P ∈ Ω(M) mit P /∈ g , so ist die Parallele zu g durch P aus Ω(M) konstruierbar.

b) Ist P ∈ Ω(M) , so ist die Senkrechte zu g durch P aus Ω(M) konstruierbar.

Page 393: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

§ 77. KONSTRUKTION MIT ZIRKEL UND LINEAL 385

Beweis zu Satz 77.3:

zu a): Seien Q1, Q2 ∈ Ω(M) mit Q1 6= Q2 und Q1, Q2 ∈ g . Erganze PQ1Q2 zu einemParallelogramm:

r r............................................

........................................................................................

........................................................................................

........................................................................................

........................................................................................

...............................

Q1

Q2

g

rP...................................................

.................

........................................................

........................................................

......................................

......................................

........................................................

........................................................

r............................................

........................................................................................

........................................................................................

........................................................................................

.................................................................................... ‖

zu b): 1. Fall: P ∈ g ; wahle Q ∈ Ω(M)∩ g mit Q 6= P . Der Schnittpunkt von g mit demKreis um P mit Radius d(P,Q) sei Q′ . Die Schnittpunkte der Kreise um Q bzw. Q′

mit Radius d(Q,Q′) bestimmen dann die Senkrechte zu g durch P :

r...............................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................Q g

rP......................

......................

.................................

.................................rQ′

............................................

............................................

............................................

.......................

.....................

...........................

.................

............................................

......................................

..................................................

r

r

...................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................

2. Fall: P /∈ g ; wahle Q ∈ Ω(M)∩g derart, daß Q nicht Fußpunkt des Lotes von Pauf g ist. Schlage einen Kreis um P mit Radius d(P,Q) , der zweite Schnittpunkt mitg sei Q′ ∈ Ω(M) . Schlage dann Kreise um Q bzw. Q′ mit Radius d(Q,Q′) . DerenSchnittpunkte bestimmen die gesuchte senkrechte Gerade durch P :

r...........................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................Q g

rP.......................

.......................

..................................

.................................. r

Q′

........................................................

........................................................

........................................................

.......................

.....................

............

...........................

.............................

........................................................

.....................................

...................

........................................................

r

r

...........................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................

Page 394: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

386 KAPITEL XVIII. DER HAUPTSATZ DER GALOIS–THEORIE

Sei nun M ⊂ IE2 stets eine feste Menge mit zwei Punkten P,Q ∈M mit d(P,Q) = 1. Wir legenein Koordinatensystem derart in IE2 fest, daß P die Koordinaten (0, 0) und Q die Koordinaten(1, 0) hat:

........................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................... . . . . . . . . . . . . . .

..

..

..

..

..

..

..

..

..

..

..

..

..

..

..

..

..

..

..

..

..

..

..

..

..

..

..

..

..

..

..

..

..

..

..

..

..

..

..

..

-

6

r rP = (0, 0) (1, 0) = Q

Im

Re................................

................................

............................................... ...............................................ri

...............................................................................................................................................................................................................................r

....................

......................

.....

...............................................

..............................................................................r

z

eit

r

.....................

.........

..............................

........

........

....

....................

..............................

..............................

.....................................................................................................................................................................................r zDurch dieses Koordinatensystem konnen wir IE2 mit IR2 , d. h. mit C identifizieren. Eine reelleZahl a ∈ IR ist also genau dann konstruierbar, wenn (a, 0) bezuglich des obigen Koordinaten-systems mit Zirkel und Lineal konstruierbar ist.

77.4 Satz

Vermoge des oben eingefuhrten Koordinatensystems gilt:

a) Es ist i ∈ Ω(M) .

b) Gilt: z ∈ Ω(M) , dann ist auch z ∈ Ω(M) .

c) Ist z = r eit ∈ C \ 0 , so gilt: z ∈ Ω(M) ⇐⇒ r, eit ∈ Ω(M) .

Beweis: klar durch Konstruktion (siehe oben). X

77.5 Satz

Die Menge Ω(M) ⊂ C ist ein Korper.

Page 395: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

§ 77. KONSTRUKTION MIT ZIRKEL UND LINEAL 387

Beweis zu Satz 77.5:

Definitionsgemaß enthalt Ω(M) die Zahlen 0, 1 ∈ C . Zeige nun:

a) Mit z, w ∈ Ω(M) ist auch z − w ∈ Ω(M) .

b) Mit z, w ∈ Ω(M) und w 6= 0 ist auchz

w∈ Ω(M) .

zu a): Die Differenz z−w ist Schnittpunkt des Kreises um z mit Radius |w| und des Kreisesum −w mit Radius |z| .

zu b): Es sei z = r eit , w = s eiu ∈ Ω(M) mit s 6= 0 . Wegenz

w=r

sei(t−u) genugt es nach

Satz 77.4c) zu zeigen: Mit s > 0 und r ist auchr

skonstruierbar, und mit eit und eiu

ist auch ei(t−u) konstruierbar:

-

6

r r

r r

0 1

i 1 + i

..........................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................

g

r rr s

................................

........

........

........

........

.........................................................................................

......................

.........................

...

............................................

........

........

........

........

........

........

........

................................................................................................................................................................................

....................

......................

.......................

.........................

.

rr

a

b

rc

......................................................................................................................................................................................................................................

.....................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................

g2

g1

Wegen 1, i ∈ Ω(M) gilt auch: 1 + i ∈ Ω(M) . Also ist die Gerade g durch 0 und1 + i aus Ω(M) konstruierbar. Sei a Schnittpunkt vom Kreis um 0 mit Radius r undder Geraden g sowie b Schnittpunkt vom Kreis um 0 mit Radius s und der Geradeng . Nach Definition ist g1 ∈ G(Ω(M)) und nach Satz 77.3a) ist g2 ∈ G(Ω(M)) (alsParallele zu g1 durch a ). Sei c der Schnittpunkt von g2 mit der ”reellen Achse“ inΩ(M) . Der erste Strahlensatz liefert dann:

c

1=|a||b|

=r

s⇐⇒ c =

r

s.

Mit eiu ist auch eiu = e−iu konstruierbar und damit auch eit−iu = ei(t−u) .

77.6 Folgerung

Wegen char C = 0 ist P (C) ∼= Q , also Ω(M) ein Zwischenkorper der Erweiterung C : Q .

Page 396: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

388 KAPITEL XVIII. DER HAUPTSATZ DER GALOIS–THEORIE

77.7 Satz

Ist z ∈ Ω(M) und ω ∈ C mit ω2 = z , so gehort auch die ”Quadratwurzel“ ω zu Ω(M) .

Beweis:

Wegen Satz 77.4c) reicht es, fur z = r eit zu zeigen:

a) Ist r ∈ IR ∩ Ω(M) und r > 0 , so gilt:√r ∈ Ω(M) .

b) Ist eit ∈ Ω(M) , so ist auch eit2 ∈ Ω(M) .

zu a): Sei zunachst r > 1 ; a sei der Schnittpunkt vom Kreis um 0 mit Radius r und der

”oberen imaginaren Achse“ in Ω(M) . Mit a,−i ∈ Ω(M) ist auch a−i2 ∈ Ω(M) . Dann

gehort der Thales–Kreis98 um a−i2 mit Radius r+1

2 zu G(Ω(M)) , und damit ist auchs ∈ Ω(M) :

-

6

r r

r

r

r

r

0 1

i

−i

r

a

ra−i2 rs

.....................................................................................

.....................................

............................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................

.....................

.......................

..........................

...............................

...........................................

.................................................................

...........................................................................................................................................................................

................

................

................

................

................

................

................

................

................

................

................

................

........

Der Hohensatz von Euklid liefert dann: s2 = r · 1 , d. h.: s =√r .

Ist nun r < 1 , so ist1r> 1 , also

√1r∈ Ω(M) und damit

(√1r

)−1

=√r ∈ Ω(M) .

Der Fall r = 1 ist trivial.

zu b): ist klar (einfache Winkelteilung). X

Wir wollen uns nunmehr mit der Umsetzung der behandelten geometrischen Aspekte in dieAlgebra beschaftigen.

98Thales von Milet, altgriechischer Philosoph und Mathematiker (?ca. 624 v. Chr., †544 v. Chr.)

Page 397: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

§ 77. KONSTRUKTION MIT ZIRKEL UND LINEAL 389

77.8 Bemerkung

Es sei N ⊂ C , und N enthalte mindestens zwei Elemente (mit Abstand 1); wir setzen kurzK := Q(N,N ) als Korper–Adjunktion aller komplexen und konjugiert komplexen Zahlen ausN an Q . Fur jedes z ∈ N (1) gilt dann:

[K(z) : K] ≤ 2 und [K(z) : K] ≤ 2 .

Beweis:

Nach Definition 77.1 ist genau dann z ∈ N (1) , wenn es Geraden oder Kreise A,B ∈ G(N) mitA 6= B derart gibt, daß z Schnittpunkt von A und B ist.

1. Fall: A und B sind Geraden.Eine Gerade in der Ebene C besteht aus allen Punkten w , welche die Gleichung w = a+ c terfullen bei festem a ∈ C , bei festem c ∈ C \0 und beliebigem t ∈ IR . Durch Ubergang zumKonjugiert–Komplexen erhalten wir: c (w − a) = c (w − a) .Sind A,B ∈ G(N) Geraden, so existieren a1, a2, b1, b2 aus N mit a1 6= a2 , b1 6= b2 , a1, a2 ∈ Aund b1, b2 ∈ B . Mit c := a2 − a1 und d := b2 − b1 sind dann z und z Losungen des linearenGleichungssystems

c (w − a1)− c (w − a1) = 0d (w − b1)− d (w − b1) = 0

in w und w . Da die Koeffizienten dieses Gleichungssystems zu K gehoren, folgt: z ∈ K und soauch: z ∈ K .

2. Fall: A ist eine Gerade, und B ist ein Kreis.Die Gerade A wird beschrieben durch eine Gleichung der Form

b (w − a)− b (w − a) = 0 (1)

mit a, b ∈ K und b 6= 0 . Der Kreis wird beschrieben durch eine Gleichung der Form

(w − c) (w − c) = s , (2)

wobei c ∈ N ist und s das Quadrat des Abstandes zweier Punkte aus N ist. Insbesondere sindc, s ∈ N (1) . Ein Schnittpunkt z von A und B erfullt zusammen mit z beide Gleichungen. AusGleichung (1) folgt zum Beispiel:

z =b (z − a)

b+ a .

Einsetzen in (2) ergibt dann eine quadratische Gleichung fur z . Entsprechend erhalt man einequadratische Gleichung fur z .

Page 398: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

390 KAPITEL XVIII. DER HAUPTSATZ DER GALOIS–THEORIE

3. Fall: A und B sind Kreise.Fur einen Schnittpunkt z gilt dann:

(z − a) (z − a) = rund (z − b) (z − b) = s

mit a, b, r, s ∈ K und a 6= b . Durch Subtraktion beider Gleichungen erhalten wir:

(b− a) z + (b− a) z = r − s+ b b− a a =: c ;

dann lost z das Gleichungssystem

(b− a)w + (b− a)w = c(w − b) (w − b) = s .

Wegen a 6= b ist a− b 6= 0 , also der dritte Fall auf den zweiten zuruckgefuhrt.

77.9 Satz

Fur z ∈ C sind folgende Aussagen aquivalent:

a) Es ist z ∈ Ω(M) .

b) Es existiert eine Kette von Korpern Q(M,M ) =: L0 ⊂ L1 ⊂ L2 ⊂ . . . ⊂ Lm = L ⊂ Cderart, daß z ∈ L und [Lj : Lj−1] ≤ 2 ist fur alle 1 ≤ j ≤ m .

Beweis:

”a) ⇒ b)“: Ist z ∈ Ω(M) , so existiert ein n ∈ IN mit z ∈ M (n) . Also gibt es endlich vielePunkte aus M (n−1) , aus denen z konstruierbar ist. Insgesamt erhalten wir sofortfahrend endlich viele Punkte z1, z2, . . . , zm mit folgenden Eigenschaften:(i) Es gilt: zm = z .

(ii) Fur µ = 2, 3, . . . ,m ist zµ aus M ∪ z1, z2, . . . , zµ−1 konstruierbar.(iii) z1 ist aus M konstruierbar.Sei nun N1 := M und Nµ := M ∪z1, z2, . . . , zµ−1 fur alle µ = 2, 3, . . . ,m+ 1 .Ferner sei Lµ := Q(Nµ+1, Nµ+1 ) = L0(z1, z2, . . . , zµ, z1, z2, . . . , zµ) fur alle0 ≤ µ ≤ m . Dann liefert Bemerkung 77.8:

[Lµ−1(zµ) : Lµ−1] ≤ 2und [Lµ−1(zµ) : Lµ−1] ≤ 2 ,

d. h.: [Lµ : Lµ−1] ≤ 2 ∀1≤µ≤m .

”b) ⇒ a)“: Wir zeigen durch vollstandige Induktion nach m , daß die Elemente aus Lm kon-struierbar sind:Die Elemente von L0 sind konstruierbar. XSei nun [Lm : Lm−1] = 2 . Dann existiert ein bm ∈ Lm mit einem zugehorigenMinimalpolynom f = X2 + cX + d ∈ Lm−1[X] , und es ist Lm = Lm−1(bm) .

Page 399: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

§ 77. KONSTRUKTION MIT ZIRKEL UND LINEAL 391

Wegen f = (X + c2)2 + d − c2

4 existiert dann ein am−1 ∈ Lm−1 derart, daßLm = Lm−1(√am−1 ) ist. Alle Elemente von Lm lassen sich somit in der Formb+ c

√am−1 mit b, c ∈ Lm−1 darstellen. Nach Induktionsvoraussetzung sind b, c

und am−1 konstruierbar, also auch b, c und √am−1 (gemaß Satz 77.7) und damitauch b+ c

√am−1 ∈ Ω(M) .

77.10 Folgerung

a) Ist z ∈ C aus M konstruierbar, so existiert ein endlicher Korperturm

Q(M,M ) = L0 ⊂ L1 ⊂ L2 ⊂ . . . ⊂ Ls = L ⊂ C

derart, daß z ∈ L und [Lj : Lj−1] = 2 ist fur alle 1 ≤ j ≤ s . Also gilt: [Ls : L0] = 2s .

b) Ist a ∈ C algebraisch uber L0 , f das Minimalpolynom von a uber L0 und n = grad fdurch eine Primzahl p 6= 2 teilbar, so ist a nicht konstruierbar.

Beweis:

zu a): ist klar. X

zu b): Ware a ∈ C konstruierbar, so existierte eine Erweiterung L : L0 mit a ∈ L und[L : L0] = 2s . Daraus folgt mit dem Gradsatz 72.2 und Folgerung 72.15 der Wider-spruch:

2s = [L : L0] = [L : L0(a)] · [L0(a) : L0] = [L : L0(a)] · n ,

also: n = 2k mit k ∈ IN .

77.11 Bemerkung

Ist M = 0, 1 , so ist L0 = Q . Alle folgenden Konstruierbarkeitsfragen beziehen sich aufdieses M . Ohne Beweis benutzen wir, daß π uber Q transzendent ist. Allgemein sind samtlichetranszendenten Zahlen nicht konstruierbar.

77.12 Beispiel (Das Delische Problem99)

Existiert eine aus M = 0, 1 mit Zirkel und Lineal konstruierbare Zahl a ∈ C mit a3 = 2? Diegesuchte Zahl ware dann Nullstelle des uber Q irreduziblen Polynoms f = X3−2 ∈ Q[X] . Alsoist f das Minimalpolynom von a uber Q . Doch wegen grad f = 3 ist a nach Folgerung 77.10b)aber nicht konstruierbar und somit eine Wurfelverdopplung nicht durchfuhrbar.

99Der antiken Sage nach hat das Orakel von Delos in einem seiner Spruche gefordert, einen Apoll geweihtenAltarwurfel zu

”verdoppeln“. Das bedeutet, es ist aus einem vorgegebenen Wurfel mit Kantenlange l ein Wurfel

zu konstruieren mit dem Volumen 2 l3 . Ohne Einschrankung sei dabei l = 1 .

Page 400: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

392 KAPITEL XVIII. DER HAUPTSATZ DER GALOIS–THEORIE

77.13 Beispiel (Quadratur des Kreises)

Existiert eine aus M = 0, 1 mit Zirkel und Lineal konstruierbare Zahl a ∈ C derart, daßdas Quadrat mit Kantenlange a denselben Flacheninhalt hat wie der Einheitskreis? — Gabees nun ein solches a ∈ Ω(M) , so ware a algebraisch uber Q und damit auch a2 = π (vgl.Folgerung 72.17) im Widerspruch dazu, daß π transzendent uber Q ist. Also ist die Quadraturdes Kreises unmoglich.

77.14 Beispiel (Winkeldreiteilung)

Gegeben sei ein Winkel ψ mit 0 ≤ ψ ≤ π . Kann ein beliebiger Winkel ϕ = ψ3 dann mit Zirkel

und Lineal aus M konstruiert werden?ϕ ist genau dann konstruierbar, wenn cosϕ konstruierbarist. Bei gegebenem c = cosψ ist also a = cosϕ gesucht mit

c = cos 3ϕ = 4 cos3 ϕ− 3 cosϕ = 4 a3 − 3 a ;

somit ist a Nullstelle von f = 4X3 − 3X − c ∈ Q(c)[X] .Um nun zu entscheiden, ob a konstruierbar ist, mussen wirdas Minimalpolynom von a uber Q(c) bestimmen. Und obf dabei uber Q(c) irreduzibel ist, hangt von c ∈ IR ab.

-

6

........

........

........

................................................................................

.......................

............................

.....................................................

................

..........................................................................................................................................................................................................

r r0 1

rr

r eiϕ

cosϕ..................................................................................................................

Ist zum Beispiel ψ = π3 , d. h. c = cosψ = 1

2 , so ist Q(c) = Q und f = 4X3 − 3X − 12

ist irreduzibel uber Q , da g = 2 f = 8X3 − 6X − 1 durch die Substitution X 7→ X+12

in h = 8 (X+12 )3 − 6 (X+1

2 ) − 1 = X3 + 3X2 − 3 ubergeht und h nach dem Kriterium vonEisenstein 64.13 mit u = 3 irreduzibel ist. Nach Folgerung 77.10b) ist also der Winkel ψ = π

3nicht mit Zirkel und Lineal in drei gleich große Teile zu unterteilen.Ist dagegen ψ = π

2 , d. h. c = cosψ = 0 , so ist das sich entsprechend ergebende Polynomf = 4X3 − 3X = X · (4X2 − 3) reduzibel uber Q(c) = Q . Und das Minimalpolynom zua = cos ψ3 = cos π6 lautet g = 4X2 − 3 . Damit ist a = cos π6 = 1

2

√3 mit Zirkel und Lineal

konstruierbar.

Ein allgemeines Verfahren zur Winkeldreiteilung mit Zirkel und Lineal gibt es jedoch nicht.

§ 78 Der Hauptsatz der Galois–Theorie

Hier sei L : K generell eine Galois–Erweiterung; mit Φ(L : K) bezeichnen wir die Menge allerZwischenkorper Z von L : K , und mit U bezeichnen wir die Menge aller Untergruppen U derGalois–Gruppe G(L,K) . Wir definieren auf Φ(L : K) eine Abbildung τ mit τ(Z) := G(L,Z)und auf U eine Abbildung σ mit σ(U) := F (U) fur den Fixbereich F (G) .

78.1 Satz (Hauptsatz der Galois–Theorie)

Unter den obigen Voraussetzungen gilt:

a) Das τ ist eine bijektive Abbildung von Φ(L : K) auf U .

b) Es gilt: τ−1 = σ .

Page 401: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

§ 78. DER HAUPTSATZ DER GALOIS–THEORIE 393

c) Fur Z1, Z2 ∈ Φ(L : K) gilt: Z1 ⊂ Z2 ⇐⇒ G(L,Z1) ⊃ G(L,Z2) .

d) Es gilt: |G(L,Z)| = [L : Z] , und der Index von G(L,Z) in G(L,K) ist [Z : K] , wobeiL : Z : K sei.

Beweis zu Satz 78.1:

zu a): τ ist eine Abbildung von Φ(L : K) nach U , weil G(L,Z) eine Untergruppe vonG(L,K) ist.τ ist injektiv, da aus G(L,Z1) = G(L,Z2) folgt: F (G(L,Z1)) = F (G(L,Z2)). Hierausergibt sich mit Satz 76.10: Z1 = Z2 .Und τ ist surjektiv. Denn: Sei dazu U die Untergruppe von G(L,K) ; und wir be-trachten Z := F (U) . Hilfssatz 76.9 liefert: [L : Z] = |U | . Wegen U ⊂ G(L,F (U))( γ ∈ U ⇒ γ(z) = z ∀z∈F (U) ) ist

|U | ≤ |G(L,F (U))| = [L : F (U)] = [L : Z] = |U | .

Also gilt sogar: U = G(L,F (U)) und damit: τ(Z) = G(L,Z) = U .

zu b): folgt sofort aus der Definition von σ und τ . X

zu c): ist auch klar. X

zu d): Es gilt nach Satz 76.2:

|G(L,K)| = [L : K]= [L : Z] · [Z : K]= |G(L,Z)| · [Z : K]

⇐⇒ indG(L,K) G(L,Z) = [Z : K] .

Das Ziel ist es nun, die Aussagen a) – c) von Hauptsatz 78.1 zusammenzufassen.

78.2 Definition

Eine Menge M 6= ∅ heißt teilweise geordnet, wenn eine Relation ≤ existiert, die folgendeEigenschaften erfullt:

(i) a ≤ a ∀a∈M .

(ii) ( a ≤ b ∧ b ≤ a ) ⇒ a = b ∀a,b∈M .

(iii) ( a ≤ b ∧ b ≤ c ) ⇒ a ≤ c ∀a,b,c∈M .

Eine Menge M heißt geordnet, wenn M teilweise geordnet ist und das Trichotomiegesetz erfulltist:

(iv) Fur alle a, b ∈M gilt: a ≤ b ∨ b ≤ a .

Page 402: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

394 KAPITEL XVIII. DER HAUPTSATZ DER GALOIS–THEORIE

Ist M teilweise geordnet, so heißt s = sup(a, b) = a t b ∈M das Supremum von a und b, wennfolgendes gilt:

a ≤ s ∧ b ≤ s und ( ∀t∈M : a ≤ t ∧ b ≤ t ⇒ s ≤ t ) .

Entsprechend wird das Infimum inf(a, b) = a u b ∈M von a und b erklart.

Ein Verband ist eine teilweise geordnete Menge, in der je zwei Elemente a und b Supremum undInfimum besitzen. Zwei Verbande V1 und V2 heißen isomorph bzw. dual–isomorph (oder antiiso-morph), wenn eine bijektive Abbildung α : V1 → V2 mit folgenden Eigenschaften existiert:

(i) α(a t b) = α(a) t α(b) bzw. α(a t b) = α(a) u α(b) .

(ii) α(a u b) = α(a) u α(b) bzw. α(a u b) = α(a) t α(b) .

78.3 Bemerkung

Es sei L : K eine Galois–Erweiterung; Φ(L : K) wird zu einem Verband, wenn wir fur zweiZwischenkorper Z1, Z2 von L : K definieren:

Z1 ≤ Z2 :⇐⇒ Z1 ⊂ Z2

sowie Z1 t Z2 :=⋂

F⊂L KorperZi⊂F fur i=1,2

F = K(Z1 ∪ Z2) = Z1(Z2) = Z2(Z1)

und Z1 u Z2 := Z1 ∩ Z2 .

Und U wird zu einem Verband, wenn fur zwei Untergruppen U1, U2 von G(L,K) entsprechend

U1 ≤ U2 :⇐⇒ U1 ⊂ U2

sowie U1 t U2 :=⋂

U⊂G(L,K) GruppeUi⊂U fur i=1,2

U

und U1 u U2 := U1 ∩ U2

gesetzt wird.

78.4 Satz (Andere Form des Hauptsatzes)

Es sei L : K eine Galois–Erweiterung. Dann ist der Zwischenkorper–Verband Φ(L : K) dual–isomorph zum Untergruppen–Verband U von G(L,K) .

Beweis:

Seien Z1, Z2 ∈ Φ(L : K) ; dann gilt: Zi ⊂ Z1 t Z2 fur i = 1, 2 , also: τ(Zi) ⊃ τ(Z1 t Z2) furi = 1, 2 und damit: τ(Z1)∩ τ(Z2) ⊃ τ(Z1 tZ2) . Da aber kein γ aus τ(Z1)∩ τ(Z2) \ τ(Z1 tZ2)existiert, gilt: τ(Z1 t Z2) = τ(Z1) u τ(Z2) .Entsprechend folgt: τ(Z1 u Z2) = τ(Z1) t τ(Z2) .

Page 403: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

§ 78. DER HAUPTSATZ DER GALOIS–THEORIE 395

78.5 Beispiel

Wir betrachten K = Q und den Zerfallungskorper L von f = X3 − 2 ∈ Q[X] . Dann ist L : Kgalois’sch. Wie sieht der Zwischenkorper–Verband Φ(L : K) nun aus?Die Nullstellen von f sind α = 3

√2 und β1/2 = −α

2 (1 ∓√−3 ) . Also gilt: L = Q(α,

√−3 )

und damit: [L : Q] = [L : Q(α)] · [Q(α) : Q] = 2 · 3 = 6 . Eine Basis von L+Q ist etwa

1, α, α2, δ, δα, δα2 mit δ :=√−3 . Wie in Beispiel 76.5 erhalten wir:

G(L,K) ∼= S3 mit S3 = (1) , (1, 2) , (1, 3) , (2, 3) , (1, 2, 3) , (1, 3, 2) .

Es ergeben sich Untergruppen von S3 der Ordnung:

n = 1 : (1) = E

n = 2 : (1) , (1, 2) , (1) , (1, 3) , (1) , (2, 3)n = 3 : (1) , (1, 2, 3) , (1, 3, 2) = A3 ,

also der Untergruppen–Verband:

S3

@@@

HHHHH

HHHA3 (1, 2) (1, 3) (2, 3)

HHHHH

HHH

E

und damit der Zwischenkorper–Verband:

Q(α,√−3 )

@@@

HHHHH

HHHQ(√−3 ) Q(α) Q(β1) Q(β2)

HHHHH

HHH

Q

Ohne Beweis (vgl. Ubungsaufgabe 78–3) erwahnen wir noch:

78.6 Satz

Es sei L : K galois’sch und Z ein Zwischenkorper dieser Erweiterung. Z ist genau dann galois’schuber K , wenn G(L,Z) ein Normalteiler von G(L,K) ist. Ist Z : K galois’sch, so existiert einnaturlicher Isomorphismus G(Z,K) ∼= G(L,K)/G(L,Z) .

Page 404: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

396 KAPITEL XVIII. DER HAUPTSATZ DER GALOIS–THEORIE

§ 79 Einheitswurzeln und Kreisteilungskorper

Unser Ziel in diesem Abschnitt ist die Untersuchung der Elemente von K∗ endlicher Ordnung.

79.1 Definition

Ist K ein Korper und L = En(K) der Zerfallungskorper von f = Xn − 1 ∈ K[X] , so heißendie Nullstellen von f in L die n-ten Einheitswurzeln. Eine n-te Einheitswurzel x heißt primitiv,wenn fur alle 1 ≤ ν < n gilt: xν 6= 1 .

79.2 Beispiel

Ist f = X2− 1 ∈ C[X] , so ist 1 nicht primitiv, aber −1 eine primitive 2-te Einheitswurzel. Furf = X4− 1 ∈ C[X] sind 1 und −1 nicht primitiv, aber i und −i primitive 4-te Einheitswurzeln.

79.3 Satz

Es sei K ein Korper und n ∈ IN∗ kein Vielfaches von charK . Die n-ten Einheitswurzelnbilden eine zyklische Untergruppe von En(K)∗ der Ordnung n . Es gibt genau ϕ(n) primitiveEinheitswurzeln in En(K) .

Beweis:

Ist N die Menge aller Nullstellen von f = Xn−1, so ist |N | ≤ n. Und N bildet eine Untergruppevon En(K)∗ . Nach Satz 59.18 ist dann N zyklisch. Ist n kein Vielfaches von charK , so besitztf wegen f ′ = nXn−1 und f ′(a) 6= 0 fur alle a ∈ En(K)∗ nur einfache Nullstellen. Da fuber En(K) zerfallt, hat f also in En(K) genau n = grad f paarweise verschiedene Nullstellen.Damit ist N zyklisch mit ordN = n . Und gemaß Folgerung 43.8 gibt es dann in En(K) exaktϕ(n) Elemente der Ordnung n .

79.4 Definition

Ist K = Q , so heißt En(Q) fur n ∈ IN∗ der n-te Kreisteilungskorper. (Dieser Name beruhtauf folgendem Zusammenhang: En(Q) ist genau dann aus M = 0, 1 mit Zirkel und Linealkonstruierbar, wenn das regelmaßige n-Eck mit Zirkel und Lineal konstruierbar ist.)

-

6

r r...................................................................................

..........................

..................................................

..................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................

......................................................................................................................

...................................................................................................................................rr

r r0 1

e2πin

...........

...........

...........

...........

...........

.............................................................................

...........

...........

...........

...........

...........

........... ........... ........... ........... ........... ........... ...........................................................................

Page 405: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

§ 79. EINHEITSWURZELN UND KREISTEILUNGSKORPER 397

79.5 Satz

Der Kreisteilungskorper En(Q) ist fur jedes n ∈ IN∗ galois’sch uber Q ; die Galois–GruppeG(En(Q), Q) ist isomorph zur primen Restklassengruppe ZZ ∗n .

Beweis:

Als Zerfallungskorper ist En(Q) uber Q wegen char Q = 0 galois’sch (vgl. Beispiel 73.2 undSatz 75.2). Samtliche n-ten Einheitswurzeln sind von der Form

η(n)ν := eν

2πin = cos (ν 2π

n ) + i · sin (ν 2πn ) ∀1≤ν≤n .

Primitive n-te Einheitswurzeln sind diejenigen η(n)ν , fur die ggT(ν, n) = 1 gilt. Dann ist zum

Beispiel En(Q) = Q(η(n)1 ) . Setzen wir nun fur m ∈ IN∗ :

Φm :=∏

1≤d≤mggT(d,m)=1

(X − η(m)d ) ,

so gilt:

(a) Φm ∈ ZZ [X] .

(b) HK(Φm) = 1 .

(c) Xn − 1 =∏

1≤m≤nm |n

Φm .

(d) Φm ist irreduzibel uber Q .

zu (b): ist klar. X

zu (c): ergibt sich durch Betrachtung der Nullstellen der rechten bzw. linken Seite. X

zu (a): folgt durch vollstandige Induktion unter Berucksichtigung von (c). X

zu (d): vgl. zum Beispiel Satz 272 aus [31] oder Satz 45.3 in [16] oder Satz 6.8.7 aus [29b].

Damit ist Φn das Minimalpolynom von η(n)1 uber Q ; und es gilt:

[En(Q) : Q] = grad Φn = ϕ(n) .

Also ist: |G(En(Q), Q)| = ϕ(n) . Die Automorphismen γ ∈ G(En(Q), Q) sind bekannt, wennγ(η(n)

1 ) bekannt ist. Nach Bemerkung 76.4 kommen fur γ(η(n)1 ) nur diejenigen Nullstellen η von

Φn in Frage. Somit folgt:

G(En(Q), Q) = γd | 1 ≤ d ≤ n mit ggT(d, n) = 1 mit γd(η(n)1 ) = ed

2πin .

Der gesuchte Isomorphismus ψ : G(En(Q), Q)→ ZZ ∗n ist dann durch ψ(γd) := d gegeben.

Page 406: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

398 KAPITEL XVIII. DER HAUPTSATZ DER GALOIS–THEORIE

79.6 Satz

Das regelmaßige n-Eck ist genau dann (aus M = 0, 1 ) mit Zirkel und Lineal konstruierbar,wenn ϕ(n) eine Potenz von 2 ist.

Beweis:

Ist z = η(n)1 , so bleibt zu untersuchen, ob z ∈ Ω(M) ist. Nach §77 ist dies genau dann der Fall,

wenn [Q(z) : Q] = 2s gilt mit s ∈ IN .

79.7 Bemerkung

Wann ist nun ϕ(n) = 2s ?Sei dazu n = p1

s1 · p2s2 · . . . · prsr die Primfaktorzerlegung von n mit r paarweise verschiedenen

Primzahlen p% . Dann gilt gemaß Folgerung 45.10 (aus Algebra I):

ϕ(n) =r∏

%=1

p%s%−1 (p% − 1) .

Also ist ϕ(n) = 2s genau dann, wenn fur alle Primzahlen p% 6= 2 gilt:

s% = 1 und p% − 1 = 2k% .

79.8 Definition

Eine Primzahl p > 2 heißt eine Fermat’sche Primzahl, wenn p− 1 eine Zweierpotenz ist.

Daraus ergibt sich eine andere Formulierung von Satz 79.6:

79.9 Satz

Das regelmaßige n-Eck ist genau dann (aus M = 0, 1 ) mit Zirkel und Lineal konstruierbar,wenn n die Darstellung n = 2m · p1 · p2 · . . . · pr besitzt, wobei m ∈ IN ist und p1, p2, . . . , prpaarweise verschiedene Fermat’sche Primzahlen sind.

79.10 Satz

Ist p eine Fermat’sche Primzahl, so hat p die Darstellung p = 22t + 1 mit t ∈ IN .

Beweis:

Ist s ∈ IN∗ ungerade, so ist −1 eine Nullstelle von Xs+1 ∈ ZZ [X] . Also gilt: Xs−1 = (X+1)·gmit einem g ∈ ZZ [X] . Ist r ∈ IN∗ , dann folgt:

(2r)s + 1 = 2rs + 1 = (2r + 1) · g(2r) .

Ist p = 2m + 1 und m = r s mit ungeradem s > 2 , so folgt: 2m + 1 = (2r + 1) g(2r) ; d. h. pist dann keine Primzahl. Damit p eine Primzahl ist, muß also m = 2t sein.

Page 407: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

§ 80. AUFLOSUNG ALGEBRAISCHER GLEICHUNGEN 399

79.11 Bemerkung

Fur t = 0, 1, 2, 3, 4 erhalten wir gemaß Satz 79.10 die Primzahlen: 3 , 5 , 17 , 257 , 65 537 .Bei t = 5 dagegen ergibt sich keine Primzahl. Bis heute hat man fr t ≥ 5 keine weiterenFermat’schen Primzahlen gefunden!Und Satz 79.9 liefert dann, daß das regelmaßige n-Eck zum Beispiel fur n = 3 , 4 , 5 , 6 , 8 , 10 ,12 , 15 , 16 , 17 , 20 konstruierbar ist, aber fur n = 7 , 9 , 11 , 13 , 14 , 18 , 19 nicht.

§ 80 Auflosung algebraischer Gleichungen

In diesem Paragraphen sei K immer ein Korper der Charakteristik charK = 0 .

80.1 Definition

Ein Polynom f ∈ K[X] heißt auflosbar durch Radikale uber K, wenn es einen Korperturm

K = K0 ⊂ K1 ⊂ K2 ⊂ . . . ⊂ Km = L (∗)gibt, in dem Ki+1 aus Ki durch Adjunktion einer Wurzel des Polynoms Xni − ai ∈ Ki[X]entsteht, d. h. Ki+1 = Ki(bi) mit bi

ni = ai ∈ Ki ist, und wobei der Zerfallungskorper von fuber K in L enthalten sei.

80.2 Beispiele

a) f = aX2 + bX + c ∈ K[X] mit a 6= 0 ist auflosbar durch Radikale.

b) f = aX3 + bX2 + cX + d ∈ K[X] mit a 6= 0 ist auflosbar durch Radikale.

c) f = aX4 + bX3 + cX2 + dX + e ∈ K[X] mit a 6= 0 ist auflosbar durch Radikale.

Beweis:

zu a): Wir setzen p :=b

aund q :=

c

a; dann ist x bekanntlich Nullstelle von f genau dann,

wenn (x− p

2

)2=p2

4− q

gilt. Setzen wir noch ϑ :=

√p2

4− q , so erhalten wir: x+

p

2= ±ϑ .

Also sind ”beide“ Nullstellen in K(ϑ) enthalten.

zu b): Sei x Nullstelle von f ; wir setzen y := x+b

3aund zeigen, daß y in einem Korperturm

der Form (∗) liegt. Aus f(x) = 0 folgt wegen x = y − b

3a:

a

(y3 +

(c

a− 1

3

( ba

)2)

︸ ︷︷ ︸=: p

y +227

( ba

)3− bc

3a2+d

a︸ ︷︷ ︸=: q

)= 0 .

Page 408: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

400 KAPITEL XVIII. DER HAUPTSATZ DER GALOIS–THEORIE

Also ist y Nullstelle von g = X3− pX + q aus K[X] . Im Fall p = 0 sind wir bereitsfertig.Betrachte sonst eine Nullstelle z von h = X2 − y X − p

3∈ K(y)[X] . Wegen p 6= 0

ist z 6= 0 ; aus z (z− y) =p

3folgt dann: z− y =

p

3z⇐⇒ y = z− p

3z. Und wegen

g(y) = 0 ergibt sich weiter: z3 − p3

27z3+ q = 0 . Also ist w := z3 eine Nullstelle

von h1 = X2 + q X − p3

27∈ K[X] .

zu c): Sei x eine Nullstelle von f ; wir setzen y := x +b

4aund zeigen, daß y in einer

entsprechenden Korpererweiterung liegt. Wie oben zeigt man, daß y eine Nullstellevon g = X4 + pX2 + q X + r ∈ K[X] ist. Dazu bestimmen wir z so, daß in

y4 + py2 + qy + r = y4 + y2z +z2

4− y2z − z2

4+ py2 + qy + r

=(y2 +

z

2

)2−[(z − p)y2 − qy +

(z2

4− r

)]die eckige Klammer ein Quadrat der Form (αy + β)2 wird. Dies ist gewahrleistet,wenn z so gewahlt wird, daß

q2 = 4(z − p)(z2

4− r

)gilt. Ein solches z existiert und liegt nach b) in einer Korpererweiterung der Form

(∗). Dann sind α und β Quadratwurzeln aus z − p undz2

4− r . Damit folgt:

y4 + py2 + qy + r =(y2 +

z

2

)2− (αy + β)2

=[y2 + αy +

(z2

+ β)]·[y2 − αy +

(z2− β

)].

Wegen g(y) = 0 ist also y Nullstelle eines quadratischen Polynoms und mit a) zuberechnen.

80.3 Bemerkung

Ist ein Korperturm (∗) wie in Definition 80.1 gegeben:

K = K0 ⊂ K1 ⊂ K2 ⊂ . . . ⊂ Km = L mit Ki+1 = Ki(bi) und bini = ai ∈ Ki ∀0≤i≤m−1 ,

so heißt L eine Radikalerweiterung von K. Ohne Beschrankung der Allgemeinheit kann manstets voraussetzen, daß alle ni Primzahlen sind.

80.4 Satz

Ist L : K eine Radikalerweiterung von K , so existiert eine Erweiterung M : L derart, daßM : K eine galois’sche Radikalerweiterung von K ist.

Page 409: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

§ 80. AUFLOSUNG ALGEBRAISCHER GLEICHUNGEN 401

Beweis zu Satz 80.4: durch vollstandige Induktion nach [L : K] = n :

n = 1 : ist klar. XSei also n > 1 und der Satz bewiesen fur Radikalerweiterungen vom Grad ≤ n− 1 . Sei L : Keine Radikalerweiterung mit [L : K] = n . Dann existiert wegen n ≥ 2 ein Zwischenkorper Zder Erweiterung L : K mit folgenden Eigenschaften:

(a) Es ist L = Z(x) mit x ∈ L und xr ∈ Z fur ein r ∈ IN∗ .

(b) Es gilt: [L : Z] ≥ 2 .

Wegen (b) gilt nach dem Gradsatz 72.2: [Z : K] ≤ n − 1 . Gemaß Induktionsvoraussetzungexistiert eine galois’sche Radikalerweiterung N von K mit Z ⊂ N . Wir betrachten das Polynom

f :=∏

ϕ∈G(N,K)

(Xr − ϕ(xr)) =∑i

aiXi ∈ N [X] ;

und M sei der Zerfallungskorper von f . Sei nun ψ ∈ G(N,K) beliebig und ψ∗ : N [X]→ N [X]die Fortsetzung von ψ gemaß §64. Dann gilt:

ψ∗(f) = ψ∗(∑

i

aiXi)

=∑i

ψ(ai)Xi =∏

ϕ∈G(N,K)

(Xr − ψ ϕ(xr)) = f ,

also: ψ(ai) = ai , d. h.: ai ∈ F (G(N,K)) = K . Somit ist f ∈ K[X] . Da M durch Adjunktionvon r-ten Wurzeln von Elementen aus N entsteht, ist M : N eine Radikalerweiterung. WeilN : K bereits eine Radikalerweiterung, ist auch M : K eine Radikalerweiterung. x ∈ L ist eineNullstelle von f , also gilt: L = Z(x) ⊂ M . Es bleibt zu zeigen, daß M : K auch galois’sch ist.Da N : K galois’sch ist, ist N Zerfallungskorper eines Polynoms g ∈ K[X] \ 0 . Ferner ist MZerfallungskorper von f (uber N), also M Zerfallungskorper von f · g ∈ K[X] \ 0 und damitM galois’sch uber K (wegen charK = 0 ).

Als Vorbereitung zeigen wir:

80.5 Satz

Es seien G eine Gruppe und G1, G2, . . . , Gm Untergruppen von G mit

G = G0 ⊃ G1 ⊃ G2 ⊃ . . . ⊃ Gm = e .

Ist Gi+1 Normalteiler von Gi fur alle i = 0, 1, 2, . . . ,m−1 und Gi/Gi+1 abelsch fur 0 ≤ i ≤ m−1,so ist G auflosbar.(Die Folge G0 D G1 D G2 D . . . D Gm heißt dann eine abelsche Normalreihe der Lange m.)

Beweis: per Induktion nach m :

Ist m = 1 , d. h. G0/G1∼= G abelsch, dann ist G auflosbar wegen K(G) = e .

Sei m > 1 und die Behauptung gezeigt fur alle abelschen Normalreihen der Lange ≤ m . SeiG0 ⊃ G1 ⊃ G2 ⊃ . . . ⊃ Gm eine abelsche Normalreihe der Lange m ; dann ist G1 ⊃ G2 ⊃ . . .. . . ⊃ Gm nach Induktionsvoraussetzung auflosbar. Da G1 in G Normalteiler ist mit abelscherFaktorgruppe G/G1 , liefert Satz 50.9c) (aus Algebra I) die Auflosbarkeit von G .

Page 410: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

402 KAPITEL XVIII. DER HAUPTSATZ DER GALOIS–THEORIE

80.6 Satz

Ist L : K eine galois’sche Radikalerweiterung, so ist G(L,K) auflosbar.

Beweis:

Betrachte noch einmal den Korperturm (∗) aus Definition 80.1:

K = K0 ⊂ K1 ⊂ K2 ⊂ . . . ⊂ Km = L mit Ki+1 = Ki(bi) und bini = ai ∈ Ki ∀0≤i≤m−1 .

Wir setzen n = n0 ·n1 ·n2 · . . . ·nm−1 und wahlen eine primitive n-te Einheitswurzel ϑ . Definierenwir Ki

′ := Ki(ϑ) , so gilt: Ki+1′ = Ki

′(bi) mit bini = ai ∈ Ki fur alle i = 0, 1, 2, . . . ,m− 1 .

Ki′ enthalt fur 0 ≤ i ≤ m− 1 eine primitive ni-te Einheitswurzel ϑi . (Ist namlich n = nisi , so

gilt mit ϑi := ϑsi : (ϑi)ni = ϑsini = 1.) Damit ist Mi := ϑiνbi | 1 ≤ ν ≤ n die Nullstellenmenge

von fi = Xni − ai ∈ Ki[X] mit |Mi| = ni . Also ist Ki+1′ der Zerfallungskorper von fi uber

Ki′ und damit galois’sch uber Ki

′ . Die Galois–Gruppe Gi := G(Ki+1′,Ki

′) ist zyklisch, da eininjektiver Homomorphismus Φ : Gi → ZZni existiert. (Denn: Ist γ ∈ Gi , so gilt: γ(bi) ∈ Mi ;also existiert genau ein ν ∈ 1, 2, . . . , n mit γ(bi) = ϑi

νbi . Wir definieren Φ(γ) := ν . Ist weiterγ′ ∈ Gi mit Φ(γ′) = µ , dann gilt:

γ′ γ(bi) = γ′(ϑiνbi) = ϑiνϑi

µbi = ϑiν+µbi , d. h. Φ(γ′ γ) = (ν+µ) mod ni = Φ(γ′)+Φ(γ) .

Ist Φ(γ) = 0 fur ein γ ∈ Gi , so gilt: ϑinibi = γ(bi) , d. h.: γ = idKi′ .)Da L : K nun galois’sch ist, sind auch L(ϑ) : K und L(ϑ) : K(ϑ) galois’sch. (Da namlich L : Kgalois’sch ist, existiert ein g ∈ K[X] derart, daß L Zerfallungskorper von g uber K ist. Dannist L(ϑ) Zerfallungskorper von g · (Xn − 1) .)Zu dem Korperturm K = K0 ⊂ K0(ϑ) ⊂ K1(ϑ) ⊂ K2(ϑ) ⊂ . . . ⊂ Km(ϑ) = L(ϑ) gehort nachdem Hauptsatz der Galois–Theorie 78.1, Teil c), eine Kette von Gruppen

G(L(ϑ),K) ⊃ G(L(ϑ),K(ϑ)) ⊃ G(L(ϑ),K1(ϑ)) ⊃ . . . ⊃ G(L(ϑ), L(ϑ)) = idL(ϑ)

mit K = K0 und Km = L . Da L(ϑ) : Ki′ und Ki+1

′ : Ki′ galois’sch sind, liefert Satz 78.6, daß

G(L(ϑ),Ki+1′) ein Normalteiler von G(L(ϑ),Ki

′) ist und daß

G(Ki+1′,Ki

′) ∼= G(L(ϑ),Ki′)/G(L(ϑ),Ki+1

′)

gilt fur alle i = 0, 1, 2, . . . ,m − 1 . Ferner sind L(ϑ) : K und K(ϑ) : K galois’sch; also istG(L(ϑ),K(ϑ)) ein Normalteiler von G(L(ϑ),K) mit

G(K(ϑ),K) ∼= G(L(ϑ),K)/G(L(ϑ),K(ϑ)) .

Wegen charK = 0 ist G(K(ϑ),K) isomorph zu einer Untergruppe von ZZ ∗n , also abelsch. Daalle Gruppen Gi zyklisch, also abelsch sind, liefert Satz 80.5 die Auflosbarkeit von G(L(ϑ),K) .Weil in der Erweiterung L(ϑ) : K der Zwischenkorper L uber K galois’sch ist, ergibt Satz 78.6wieder:

G(L,K) ∼= G(L(ϑ),K)/G(L(ϑ), L) .

Und Satz 50.9b) liefert schließlich die Auflosbarkeit von G(L,K) .

Page 411: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

§ 80. AUFLOSUNG ALGEBRAISCHER GLEICHUNGEN 403

80.7 Satz

Ist f ∈ K[X] auflosbar durch Radikale uber K , so ist die Galois–Gruppe G von f uber Kauflosbar.

Beweis:

Ist M der Zerfallungskorper von f , so ist G = G(M,K) , und M ist Zwischenkorper einergalois’schen Radikalerweiterung M ′ : K (gemaß Satz 80.4). Nach Satz 80.6 ist G(M ′,K) auf-losbar. Da M : K galois’sch ist, gilt:

G(M,K) ∼= G(M ′,K)/G(M ′,M) ;

also ist G(M,K) mit Satz 50.9b) auflosbar.

80.8 Folgerung

Ist f ∈ Q[X] mit grad f ≥ 5 , so ist f im allgemeinen nicht durch Radikale auflosbar.

Beweis:

Als Gegenbeispiel betrachte f = X5−2X4 +2; sei K der Zerfallungskorper von f uber Q . Nachdem Kriterium von Eisenstein 64.13 ist f irreduzibel, besitzt also funf paarweise verschiedeneNullstellen x1, x2, x3, x4, x5 ∈ C . Wegen f(−1) = −1 < 0 , f(0) = 2 > 0 , f(3

2) = −1732 < 0 und

f(2) = 2 > 0 besitzt f mindestens drei paarweise verschiedene reelle Nullstellen. Angenommen,f besaße mehr als drei reelle verschiedene Nullstellen; dann hatte f ′ nach dem Satz von Rolle100

(aus Analysis I) mindestens drei paarweise verschiedene reelle Nullstellen. Nun ist jedochf ′ = 5X4−8X3 = X3 (5X−8), also hat f genau 3 reelle verschiedene Nullstellen. Es gilt ferner:x4 = x5 . Ist γ ∈ G(K, Q) , so werden die Nullstellen x1, x2, x3, x4, x5 auf sich abgebildet.Also entspricht jedem γ ∈ G(K, Q) eindeutig eine Permutation Φ(γ) =: π ∈ S5 der Indizes1, 2, 3, 4, 5 . Und Φ : G(K, Q) → S5 ist ein injektiver Homomorphismus; damit ist G(K, Q)isomorph zu einer Untergruppe von S5 . Wir zeigen, daß Φ(G(K, Q)) eine Transposition und einElement der Ordnung 5 enthalt. Dazu betrachten wir die Abbildung ψ : C → C mit ψ(z) = zund setzen ϕ := ψK . Dann ist ϕ ∈ G(K, Q) mit ϕ(xi) = xi fur i = 1, 2, 3 und ϕ(x4) = x5

sowie ϕ(x5) = x4 . Also ist Φ(ϕ) =: τ eine Transposition, namlich τ = (4, 5) . Ferner gilt nachdem Gradsatz 72.2:

[K : Q] = [K : Q(xi)] · [Q(xi) : Q] = [K : Q(xi)] · 5 ;

also ist 5 ein Teiler von [K : Q] = |G(K, Q)| . Nach dem Satz von Cauchy (Folgerung 47.3)enthalt G(K, Q) und damit Φ(G(K, Q)) ⊂ S5 ein Element der Ordnung 5 .

Ein Element σ ∈ S5 hat die Ordnung 5 ⇐⇒ σ ist ein 5-Zykel.Nach Ubungsaufgabe 49–1a) erzeugen τ und σ dann die symmetrische Gruppe S5 . Also istΦ(G(K, Q)) = S5 , d. h. G(K, Q) ∼= S5 , und S5 ist gemaß Satz 50.8 nicht auflosbar.

Um diese Aussage fur alle Polynome f mit grad f > 5 zu beweisen, betrachten wir Xk · f mitgeeigneten k ∈ IN∗ . (Zum allgemeinen Vorgehen siehe auch Ubungsaufgabe 80–3a).)

100Michel Rolle, franzosischer Mathematiker (?21.04.1652, †08.11.1719)

Page 412: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

Kapitel XIX

Elemente der Codierungstheorie

Gegeben sei ein Alphabet Fq := α1, α2, . . . , αq mit q paarweise verschiedenen Symbolen (vgl.Definition 51.7 aus Algebra I). Im folgenden wird Fq haufig durch ZZq oder einen endlichenKorper dargestellt, d. h. Fq = GF(pm) mit einer Primzahl p und q = pm , m ∈ IN∗ . Sehrgebrauchlich ist p = 2 und m = 1 , also: F2 = ZZ2 .Es gibt genau qn Worter der Lange n . Wir konnen ein Wort der Lange n im Alphabet Fq alsgeordnetes n-Tupel schreiben, d. h. als Element von Fq

n = (Fq)n auffassen.Ein (q-narer) Code der Lange n ist eine Teilmenge C von Fqn . Wir wollen eine Nachricht uber-mitteln, d. h. eine Folge von M Elementen aus C , also von M Codewortern aussenden. DieseNachricht konnen wir in einer (M × n)-Matrix darstellen, wobei die Zeilen der Matrix jeweilsElemente von C sind.101

Beispiel

Ein Gerat soll durch Ubermittlung der Nachrichten ”rechts“, ”links“, ”oben“ bzw. ”unten“ be-wegt werden:

6

-

?

Wir benotigen zur Codierung dieser vier Befehle eine 4-elementige Teilmenge C von ZZ2n (fur

q = 2 ) und konnen die Lange n des binaren Codes bestimmen.Ist n = 2 , so mussen wir C1 = ZZ2

2 zulassen; ist dagegen n = 3 oder n = 6 , so konnen wiraus 8 Elementen bzw. 64 Elementen auswahlen. Wir erhalten zum Beispiel:

Code Lange ”oben“ ”unten“ ”rechts“ ”links“

C1 2 00 10 01 11C2 3 000 110 011 101C3 6 000000 111000 001110 110011

101Hier werden also nur sogenannte Block–Codes betrachtet, d. h. im Code haben alle Codeworter dieselbekonstante Lange.

404

Page 413: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

§ 81. DAS HAUPTPROBLEM DER CODIERUNGSTHEORIE 405

Soll damit das Gerat — etwa durch Fernsteuerung — um zwei Einheiten nach ”oben“ und eineEinheit nach ”rechts“ bewegt werden, so ist eine (3× n)-Matrix zu ubermitteln, und zwar:

0 00 00 1

oder0 0 00 0 00 1 1

oder0 0 0 0 0 00 0 0 0 0 00 0 1 1 1 0

.

Bei Benutzung des Codes C1 kann kein Fehler entdeckt werden, der bei der Ubermittlung mogli-cherweise auftaucht. Bei Verwendung von C2 kann jeder Fehler, der durch Abanderung genaueines Bits entstanden ist, zwar festgestellt werden, aber nicht korrigiert werden. Bei Benutzungdes Codes C3 konnen alle Fehler, die durch Abanderung genau eines Bits aufgetreten sind,erkannt und auch korrigiert werden.

§ 81 Das Hauptproblem der Codierungstheorie

81.1 Definition

Gegeben sei ein Alphabet Fq ; wir definieren fur n ∈ IN∗ einen Abstand d : Fqn × Fqn → INdurch

d(x, y) := |i ∈ 1, 2, . . . , n | xi 6= yi fur x = x1x2 · · ·xn ∈ Fqn und y = y1y2 · · · yn ∈ Fqn| .

Dann stellt d eine Metrik auf Fqn dar, namlich die sogenannte Hamming–Metrik102.Ist C ⊂ Fqn ein q-narer Code der Lange n , so heißt

d(C) := min d(x, y) | x, y ∈ C ∧ x 6= y

der Minimalabstand von C.

Wird ein Codewort x ∈ C ubermittelt, und erreicht den Empfanger das Wort y ∈ Fqn , so

besteht das Prinzip des nachsten Nachbarn darin, als Decodierung ein Codewort x′ ∈ C zuwahlen, fur das der Hamming–Abstand d(x′, y) minimal ist.

81.2 Beispiel

Fur die obigen Codes C1, C2 und C3 gilt: d(C1) = 1 , d(C2) = 2 und d(C3) = 3 .

81.3 Satz (Fehlererkennung, Fehlerkorrektur)

(a) Ein Code C (der Lange n ) kann bis zu s Fehler in jedem Codewort entdecken, wenn gilt:

d(C) ≥ s+ 1 .

(b) Ein Code C kann (mit dem Prinzip des nachsten Nachbarn) bis zu t Fehler in jedemCodewort korrigieren, wenn

d(C) ≥ 2t+ 1

gilt.102Richard Wesley Hamming, amerikanischer Mathematiker (?11.02.1915)

Page 414: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

406 KAPITEL XIX. ELEMENTE DER CODIERUNGSTHEORIE

Beweis zu Satz 81.3:

zu (a): Ein Wort x ∈ C werde ubermittelt und als y ∈ Fqn empfangen mit d(x, y) ≤ s .Ist dann d(C) ≥ s+ 1 , so folgt wegen d(C) ≤ d(x, z) fur alle x, z ∈ C mit x 6= zsofort: y /∈ C .

zu (b): Es werde x ∈ C gesendet und y ∈ Fqn empfangen mit d(x, y) ≤ t . Fur alle z ∈ Cmit z 6= x gilt dann: d(z, y) ≥ t + 1 . (Denn aus d(z, y) ≤ t fur ein z ∈ C \ xfolgte: d(x, z) ≤ d(x, y) + d(y, z) ≤ 2t im Widerspruch zu d(C) ≥ 2t+ 1 .)Also ist x das eindeutig bestimmte Element aus C mit minimalem Abstand zu y .

81.4 Definition

Wir sprechen von einem (q-naren) (n,M, d)-Code C, wenn C ein (q-narer) Code der Lange nmit genau M := |C| Codewortern und Minimalabstand d := d(C) ist.

81.5 Bemerkung

Ein ”guter“ (n,M, d)-Code hat kleines n (fur schnelle Ubermittlung), großes M (um viele ver-schiedene Nachrichten senden zu konnen) und großes d (um moglichst viele Fehler erkennen undkorrigieren zu konnen). Diese drei Forderungen widersprechen sich jedoch. Das Hauptproblemder Codierungstheorie besteht nun darin, bei zwei fest vorgegebenen Parametern die dritte Großezu optimieren. Wir betrachten eines dieser Probleme.Dazu legen wir fest:

81.6 Definition

Bei vorgegebenen Parametern q , n und d sei

Aq(n, d) := max M ∈ IN∗ | es existiert ein q-narer (n,M, d)-Code .

81.7 Satz

Es gilt fur alle q, n ∈ IN∗ :

(a) Aq(n, 1) = qn .

(b) Aq(n, n) = q .

Beweis:

zu (a): Wegen d(C) ≥ 1 fur alle Codes C der Lange n kommt nur C = Fqn als Code mit

den meisten Elementen in Frage.

Page 415: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

§ 81. DAS HAUPTPROBLEM DER CODIERUNGSTHEORIE 407

zu (b): Es sei C ein q-narer (n,M, n)-Code; dann unterscheiden sich jeweils zwei Codeworterx, y ∈ C mit x 6= y in allen Komponenten. Also stehen z. B. in der ersten Komponentealler Codeworter aus C verschiedene Elemente von Fq . Damit ist M = |C| ≤ q .Andererseits ist der Wiederholungscode C der Lange n mit

C = αjαj · · ·αj | j = 1, 2, . . . , q

ein (n, q, n)-Code; d. h. es gilt: Aq(n, n) = q .

Unser Ziel ist es, einen Uberblick von der Große Aq(n, d) zu bekommen.

Zunachst sei q = 2 . Fur zwei Worter x, y ∈ ZZ2n mit x = x1x2 · · ·xn und y = y1y2 · · · yn

definieren wir:x+ y := x1+y1 x2+y2 · · · xn+yn ,x ∩ y := x1y1 x2y2 · · · xnyn

und w(x) := |i ∈ 1, 2, . . . , n | xi = 1| .

Dann gilt stets: d(x, y) = w(x+ y) und d(x, y) = w(x) + w(y)− 2w(x ∩ y) .

Wir erhalten daraus:

81.8 Satz

Es sei d ∈ IN ungerade. Ein binarer (n,M, d)-Code existiert genau dann, wenn ein binarer(n+1,M, d+1)-Code existiert.

Beweis:

”⇒“: Sei C ein binarer (n,M, d)-Code. Wir definieren eine Menge C ⊂ F2n+1 durch

C :=x = x1x2 · · ·xnxn+1

∣∣∣ x1x2 · · ·xn ∈ C und xn+1 =n∑i=1

xi mod 2.

Dann ist w(x) ∈ 2 IN fur alle x ∈ C , also d(x, y) ∈ 2 IN fur alle x, y ∈ C und damitauch d(C) ∈ 2 IN∗ . Ferner ist d = d(C) ≤ d(C) ≤ d + 1 . Da d ungerade ist, muß somitd(C) = d+ 1 gelten. Also ist C ein (n+1,M, d+1)-Code.

”⇐“: Sei D ein (n+1,M, d+1)-Code. Betrachte x, y ∈ D mit d(x, y) = d + 1 und wahle eineKomponente i0 ∈ 1, 2, . . . , n+1 mit xi0 6= yi0 . Bilde dann

C := x = x1x2 · · ·xi0−1xi0+1 · · ·xn+1 | x1x2 · · ·xn+1 ∈ D ,

so ist C ein (n,M, d)-Code.

Page 416: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

408 KAPITEL XIX. ELEMENTE DER CODIERUNGSTHEORIE

81.9 Folgerung

Ist d ungerade, so gilt: A2(n+1, d+1) = A2(n, d) ;und ist d gerade, so gilt: A2(n, d) = A2(n−1, d−1) .

Fur beliebige q ∈ IN∗ , n ∈ IN∗ und ein 0 ≤ r ≤ n heißt

B(u, r) := v ∈ Fqn | d(u, v) ≤ r

die Kugel (oder der Ball) um u ∈ Fqn mit Radius r.

Es folgt:

81.10 Hilfssatz

Fur jedes u ∈ Fqn und jedes r ∈ 0, 1, 2, . . . , n gilt:

|B(u, r)| =r∑

ν=0

(n

ν

)(q − 1)ν .

Beweis:

Ist ν ∈ 0, 1, 2, . . . , n , so berechnen wir die Anzahl aller v ∈ Fqn mit d(u, v) = ν . Es gibtgenau

(nν

)Moglichkeiten, die ν Komponenten auszuwahlen, in denen sich u und v unterscheiden.

Fur jede solche Komponente von v gibt es nun q−1 Moglichkeiten, sich von der entsprechendenKomponente von u zu unterscheiden.

81.11 Satz (”Kugelpackungsschranke“)

Ist C ein q-narer (n,M, 2t+1)-Code, so gilt:

M ·t∑

ν=0

(n

ν

)(q − 1)ν ≤ qn .

Beweis:

Fur x, y ∈ C mit x 6= y ist B(x, t) ∩ B(y, t) = ∅ . (Ware namlich z ∈ B(x, t) ∩ B(y, t) , soergabe sich mit der Dreiecksungleichung fur die Hamming–Metrik:

d(x, y) ≤ d(x, z) + d(z, y) ≤ t+ t = 2t

ein Widerspruch zur Voraussetzung d(C) = 2t+ 1 .)Also bilden die Kugeln um die Codeworter mit Radius t eine disjunkte Familie in Fq

n . Jede

solcher Kugeln enthalt nach Hilfssatz 81.10 exaktt∑

ν=0

(nν

)(q−1)ν Elemente; ferner ist |Fqn| = qn .

Page 417: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

§ 82. LINEARE CODES 409

81.12 Bemerkungen

a) Speziell fur q = 2 ergibt sich:

M ·t∑

ν=0

(n

ν

)≤ 2n

fur einen (n,M, 2t+1)-Code.

b) Aus Satz 81.11 erhalten wir Abschatzungen fur Aq(n, d) nach oben. Ist zum Beispiel C einbinarer (5,M, 3)-Code, so liefert Teil a):

M · [1 + 5] ≤ 25 = 32 ⇒ A2(5, 3) ≤ 5 .

81.13 Definition

Existiert ein q-narer (n,M, 2t+1)-Code C mit

M ·t∑

ν=0

(n

ν

)(q − 1)ν = qn ,

so heißt C ein perfekter Code.

§ 82 Lineare Codes

Von nun an sei q := pm mit einer Primzahl p und mit m ∈ IN∗. Dann konnen wir Fqn := GF(q)n

zu einem Vektorraum uber GF(q) machen, indem wir komponentenweise addieren bzw. mitSkalaren multiplizieren. Wir bezeichnen diesen Vektorraum kurz mit V (n, q) .

82.1 Definition

Ein linearer Code C uber GF(q) ist ein Untervektorraum C von V (n, q) , wobei n ∈ IN∗ sei.Ist C ein k-dimensionaler Untervektorraum von V (n, q) , so sprechen wir von einem (q-naren)[n, k, d]-Code der Lange n mit Minimalabstand d = d(C) .Wir definieren als Gewichtsfunktion die Abbildung103

w : V (n, q)→ IN durch w(x) := |i ∈ 1, 2, . . . , n | xi 6= 0| .

82.2 Bemerkung

Fur alle x, y ∈ V (n, q) gilt: d(x, y) = w(x− y) .

82.3 Satz

Ist C ein linearer Code, so gilt: d(C) = w(C) , wobei w(C) := min w(x) | x ∈ C \ 0 sei.

103Engl. weight = Gewicht

Page 418: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

410 KAPITEL XIX. ELEMENTE DER CODIERUNGSTHEORIE

Beweis zu Satz 82.3:

Seien x, y ∈ C mit d(x, y) = d(C) . Dann gilt wegen x− y ∈ C : d(C) = w(x− y) ≥ w(C) .Andererseits gilt fur ein x ∈ C \ 0 mit w(C) = w(x) :

w(C) = w(x− 0) = d(x,0) ≥ d(C) .

82.4 Definition

Es sei C ein q-narer [n, k, d]-Code; jede (k × n)-Matrix mit Eintragen aus GF(q) , deren Zeilen-vektoren eine Basis von C ∈ VRGF(q) bilden, heißt eine erzeugende Matrix von C.Zwei lineare [n, k, d]-Codes heißen aquivalent, wenn sie durch eine endliche Anzahl von Opera-tionen folgenden Typs ineinander ubergefuhrt werden konnen:

(A) Permutation von Komponenten der Codeworter.

(B) Multiplikation der i-ten Komponente aller Codeworter mit einem Skalar α ∈ GF(q)\0 .

Mit Hilfsmitteln aus der Linearen Algebra folgt (siehe auch §8):

82.5 Satz

Zwei (k×n)-Matrizen erzeugen aquivalente [n, k, d]-Codes uber GF(q) , wenn die beiden Matri-zen durch elementare Zeilenumformungen (d. h. Zeilenvertauschung, Multiplikation einer Zeilemit einem von Null verschiedenen Skalar, Addition eines skalaren Vielfachen einer Zeile zu ei-ner anderen Zeile) und elementare Spaltenumformungen (Spaltenvertauschung, Multiplikationeiner Spalte mit einem von Null verschiedenen Skalar, aber keine Spaltenaddition) auseinanderhervorgehen.

82.6 Satz

Ist G erzeugende Matrix fur einen linearen [n, k, d]-Code, so kann G durch die in Satz 82.5aufgefuhrten elementaren Zeilenumformungen auf die sogenannte Standardform 1 01

A. . .0 1

=: [ Ek | A ]

mit einer Matrix A ∈ Mat(k , n−k ; ZZq) transformiert werden.

82.7 Beispiel

Die Menge C2 = 000, 110, 011, 101 ist ein binarer (3, 4, 2)-Code. Er ist linear mit dimZZ2 C2 = 2.Also ist C2 ein [3, 2, 2]-Code; als Basis konnen wir z. B. 011, 101 wahlen. Eine erzeugende

Matrix ist dann G =

(0 1 11 0 1

). Durch eine Spalten- bzw. Zeilenvertauschung erhalten wir

die Standardform:(

1 0 10 1 1

).

Page 419: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

§ 82. LINEARE CODES 411

Sei nun C ein [n, k, d]-Code uber GF(q) mit erzeugender Matrix G . Sind z1, z2, . . . , zk die Zeilenvon G , so gilt fur jedes Codewort x ∈ C :

x =k∑i=1

ui zi mit ui ∈ GF(q) .

Jedem x ∈ C ordnen wir so eindeutig ein u = u1u2 · · ·uk ∈ V (k, q) zu. Es gilt also: x = u ·G .Wir nennen die Abbildung f : V (k, q)→ C mit f(u) = u ·G die Codierungsfunktion oderkurz: den Codierer.

Wir stellen uns vor:Eine Nachrichtenquelle gibt den Nachrichtenvektor u = u1u2 · · ·uk vor; der Codierer liefert dasCodewort x = u ·G . Es wird x ∈ C ubermittelt. Der Empfanger erhalt den Vektor y ∈ V (n, q)mit dem Fehler e := y − x und muß nun entscheiden, welches Codewort tatsachlich gesendetwurde.

Bezeichnen wir mit 〈·, ·〉 das Skalarprodukt auf dem GF(q)–Vektorraum V (n, q) , d. h.:

〈u, v〉 :=n∑i=1

ui vi

fur u = u1u2 · · ·un und v = v1v2 · · · vn aus V (n, q) , so sei fur einen jeden linearen Code Cder duale Code C⊥ ⊂ V (n, q) definiert durch

C⊥ := v ∈ V (n, q) | 〈v, u〉 = 0 fur alle u ∈ C .

Ist C ein [n, k]-Code uber GF(q) , d. h. ein [n, k, d]-Code C mit irgendeinem Minimalabstandd ∈ IN , so ist C⊥ ebenfalls ein linearer Code, und zwar ein [n, n−k]-Code.

82.8 Definition

Eine Paritatsprufungsmatrix 104 H eines [n, k]-Codes C ist eine erzeugende Matrix des dualenCodes C⊥ .

Ist C ein [n, k, d]-Code mit erzeugender Matrix G ∈ Mat(k, n; GF(q)) und Paritatsprufungsma-trix H ∈ Mat(n − k , n ; GF(q)) , so bilden die Zeilen h1, h2, . . . , hn−k von H stets eine Basisvon C⊥ , d. h.:

〈zκ, hλ〉 = zκ · hλt = 0 ∀ 1≤κ≤k1≤λ≤n−k

⇐⇒ G ·Ht = 0 .

Wegen (C⊥)⊥ = C erhalten wir:

C = x ∈ V (n, q) | 〈x, v〉 = x · vt = 0 ∀v∈C⊥ = x ∈ V (n, q) | x ·Ht = 0 .

Also ist jeder lineare Code eindeutig bestimmt durch eine Paritatsprufungsmatrix. Ist zum Bei-

spiel H =

(1 1 0 00 0 1 1

), so lautet der zugehorige Code C fur q = 2 :

C = x1x2x3x4 ∈ V (4, 2) | x1 +x2 = 0 ∧ x3 +x4 = 0 , d. h. C = 0000, 1100, 0011, 1111 .104Manchmal nennt man H auch einfach Kontrollmatrix zu C.

Page 420: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

412 KAPITEL XIX. ELEMENTE DER CODIERUNGSTHEORIE

82.9 Definition

Eine Paritatsprufungsmatrix H ∈ Mat(n− k , n ; GF(q)) besitzt die Standardform, wenn

H = [ B | En−k ]

ist mit B ∈ Mat(n−k , k ; GF(q)) .

82.10 Satz

Liegt eine erzeugende Matrix G des [n, k, d]-Codes C in Standardform vor, so ist

H = [ −At | En−k ]

eine Paritatsprufungsmatrix fur C , falls G = [ Ek | A ] gilt.

Beweis:

Es genugt zu zeigen, daß jede Zeile von H zu jeder Zeile von G orthogonal ist. Nun gilt:

〈zi, hj〉 = 〈(0, 0, . . . , 0,

i-te

↓1, 0, 0, . . . ,

k-te Komponente

↓0, ai1, ai2, . . . , ai,n−k) ,

(−a1j ,−a2j , . . . ,−akj , 0, 0, . . . , 0, 1↑

(k + j)-te Stelle

, 0, 0, . . . , 0)〉

= −aij + aij= 0 .

82.11 Satz

Sei C ein linearer [n, k]-Code uber GF(q) mit Paritatsprufungsmatrix H . Es gilt genau dann:d = d(C) , wenn jeweils d − 1 Spalten von H linear unabhangig sind, aber d linear abhangigeSpalten von H existieren.

Beweis:

Nach Satz 82.3 ist d(C) = w(C) = min w(x) | x ∈ C \ 0 ; und nach unserer Voruberlegungist x = x1x2 · · ·xn ∈ V (n, q) genau dann ein gultiges Codewort aus C , wenn

x ·Ht = x1 · s1 + x2 · s2 + . . .+ xn · sn = 0

gilt, wobei s1, s2, . . . , sn die Spalten von H seien.

”⇒“: Ist d = d(C) und x ∈ C \0 mit d = w(x) , so existieren d linear abhangige Spalten vonH . Denn: Angenommen, es gabe d− 1 linear abhangige Spalten von H ; dann existiertenIndizes i1, i2, . . . , id−1 ∈ 1, 2, . . . , n und Skalare xi1 , xi2 , . . . , xid−1

∈ GF(q) mit

(xi1 , xi2 , . . . , xid−1) 6= (0, 0, . . . , 0) sowie xi1 si1 + xi2 si2 + . . .+ xid−1

sid−1= 0 .

Page 421: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

§ 82. LINEARE CODES 413

Damit ware

x = (0, 0, . . . , 0,

i1-te

↓xi1 , 0, 0, . . . , 0,

i2-te Stelle

↓xi2 , 0, 0, . . . , xid−1

, 0, 0, . . . , 0) ∈ C

wegen x ·Ht = 0 und w(x) = d− 1 im Widerspruch zu d = d(C) = w(C) .

”⇐“: entsprechend. X

82.12 Definition

Sei H eine Paritatsprufungsmatrix eines [n, k]-Codes. Dann heißt fur jedes Wort y ∈ V (n, q)der Zeilenvektor

S(y) := y ·Ht

das Syndrom105 von y.

82.13 Bemerkung

Fur y1, y2 ∈ V (n, q) sind aquivalent:

(a) S(y1) = S(y2) .

(b) y1 + C = y2 + C , d. h. y1 und y2 liegen in derselben Aquivalenzklasse von V (n, q)/C .

Beweis:

S(y1) = S(y2) ⇐⇒ (y1 − y2) ·Ht = 0 ⇐⇒ y1 − y2 ∈ C ⇐⇒ y1 + C = y2 + C .

Wir beschreiben nun den Decodierungsvorgang nach der Ubermittlung unter Benutzung einesq-naren [n, k, d]-Codes C zunachst ohne und danach mit Verwendung von S .

Dazu betrachten wir die paarweise verschiedenen Aquivalenzklassen

0 + C , a1 + C , a2 + C , a3 + C , . . . , as + C aus V (n, q)/C

mit s := qn−k − 1 und bilden den sogenannten Standard–Array , d. h. eine (qn−k × qk)-Matrix,in der alle Elemente aus V (n, q) eingetragen werden, und zwar auf folgende Art und Weise:

1. Schritt: Schreibe in der ersten Zeile alle Codeworter von C auf, beginnend mit 0 = a0 .

2. Schritt: Wahle a1 ∈ V (n, q) \ C mit minimalem Gewicht w(a1) , und schreibe in diezweite Zeile alle Elemente von a1 + C , beginnend mit a1 .

3. Schritt: Wahle a2 ∈ V (n, q) \ (C ∪ (a1 + C)) mit minimalem w(a2) , und schreibe indie dritte Zeile alle Elemente von a2 + C , beginnend mit a2 .

(s+1)-ter Schritt: Fahre so fort, bis alle Elemente von V (n, q) aufgelistet sind.105Analog zur Medizin, wo das Syndrom als Menge charakteristischer Symptome ein Krankheitsbild beschreibt,

wird hier dieser Begriff zur”Diagnose“ eines Ubertragungsfehlers e = y − x verwendet.

Page 422: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

414 KAPITEL XIX. ELEMENTE DER CODIERUNGSTHEORIE

Beispiel: Fur den [4, 2, 2]-Code C = 0000, 1100, 0011, 1111 erhalt man als Standard–Array:

0000 1100 0011 11111000 0100 1011 01110010 1110 0001 11010110 1010 0101 1001

Wird nun ein y ∈ V (n, q) empfangen, so finden wir y in der (j + 1)-ten Zeile des Standard–Arrays von C , d. h.: y ∈ aj + C mit j ∈ 0, 1, 2, . . . , s . Wir decodieren ydurch

x′ = y − aj ∈ C ;

dann ist namlich d(y, x′) = w(y − x′) = w(aj) . Also wird nach dem Prinzip des nachstenNachbarn decodiert.

Benutzen wir jetzt das Syndrom S , so gilt nach Bemerkung 82.13 in jeder Zeile des Standard–Arrays:

S(aj) = S(aj + u) ∀u∈C .Wird ein y ∈ V (n, q) empfangen, so existiert ein Index j ∈ 0, 1, 2, . . . , s mit

S(y) = S(aj) .

Dann wahle man wie oben als Decodierung von y das Codewort x′ = y − aj .Fur diese Syndrom–Decodierung benotigen wir also nur zwei Spalten, anstatt den gesamtenStandard–Array aufzustellen:

00 · · · 0 00 · · · 0a1 S(a1)a2 S(a2)...

...as S(as)

82.14 Beispiel

Wir betrachten fur q = 2 den [4, 2]-Code C mit C = 0000, 1011, 0101, 1110 ;

dann ist G =

(1 0 1 10 1 0 1

)eine erzeugende Matrix von C und H =

(1 0 1 01 1 0 1

)eine

Paritatsprufungsmatrix von C jeweils in Standardform.Wir erhalten: a1 = 1000 , a2 = 0100 , a3 = 0010 und wegen S(ai) = ai ·Ht : S(a1) = 11 ,S(a2) = 01 , S(a3) = 10 . Also ist etwa im Rechner bloß abzuspeichern:

0000 001000 110100 010010 10

Wird dann y = 1111 empfangen, so berechnen wir S(y) = 01 und wahlen als Decodierungvon y : x′ = y − 0100 = 1011 .

Page 423: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

§ 83. CODES UND LATEINISCHE QUADRATE 415

§ 83 Codes und lateinische Quadrate

Zum Ziel haben wir eine Verbesserung bzw. eine konkrete Berechnung von Aq(n, d) fur einbeliebiges Alphabet Fq := ZZq mit q ∈ IN∗ \ 1 .

Nach Satz 81.11 gilt zum Beispiel fur n = 4 und d = 3 :

Aq(4, 3) ≤ q4

4q − 3.

Fur q ≥ 4 erhalten wir folgende Verscharfung:

83.1 Satz

Fur alle q ∈ IN∗ gilt: Aq(4, 3) ≤ q2 .

Beweis:

Sei C ein q-narer (4,M, 3)-Code. Sind x = x1x2x3x4 und y = y1y2y3y4 aus C mit x 6= y , sofolgt: (x1, x2) 6= (y1, y2) wegen d(C) = 3 . Damit gilt fur

A := (x1, x2) | x1x2x3x4 ∈ C ⊂ Fq2

die Abschatzung: |A| = M ≤ q2 .

Existiert nun ein q-narer (4, q2, 3)-Code?Der Beweis zu Satz 83.1 liefert, daß ein solcher Code von der Form

(i, j, aij , bij) | (i, j) ∈ Fq2 ∧ aij , bij ∈ Fq

sein muß.

83.2 Satz

Es existiert genau dann ein q-narer (4, q2, 3)-Code, wenn es zwei orthogonale lateinische Quadrateder Ordnung q gibt.

Beweis:

Wir zeigen, daßC := (i, j, aij , bij) | (i, j) ∈ Fq2 ∧ aij , bij ∈ Fq

genau dann einen q-naren (4, q2, 3)-Code bildet, wenn A = (aij) und B = (bij) ein Paarorthogonaler lateinischer Quadrate der Ordnung q ist.Es gilt: d(C) = 3 genau dann, wenn die Menge aller Paare von zwei Komponenten der Code-worter aus exakt M = q2 Elementen besteht. Und A ist genau dann ein lateinisches Quadrat,wenn die q2 2-Tupel (i, aij)(i,j)∈Fq2 bzw. (j, aij)(i,j)∈Fq2 paarweise verschieden sind. Entsprechendist B genau dann ein lateinisches Quadrat, wenn (i, bij) bzw. (j, bij) paarweise verschieden sind.A und B sind nur dann orthogonal, wenn die q2 Paare (aij , bij)(i,j)∈Fq2 jeweils verschieden sind.

Page 424: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

416 KAPITEL XIX. ELEMENTE DER CODIERUNGSTHEORIE

83.3 Folgerung

Ist q = pm eine Primzahlpotenz mit q 6= 2 , so existiert ein q-narer (4, q2, 3)-Code.

Beweis: siehe Satz 83.2 und Satz 68.8. X

83.4 Bemerkung

Benutzen wir die Ergebnisse von L. Euler bzw. aus [6] (vgl. §68, Seite 357), so gilt fur alle q 6= 2und q 6= 6 :

Aq(4, 3) = q2 .

Fur q = 2 erhalt man dagegen: A2(4, 3) = 2 , und fur q = 6 ergibt sich: A6(4, 3) = 34 .

Durch Ubertragung des Beweises zu Satz 83.1 erhalten wir:

83.5 Satz

Fur alle q ∈ IN∗ gilt: Aq(n, d) ≤ qn−d+1 .

Durch Verallgemeinerung von Satz 83.2 folgt weiter:

83.6 Satz

Es existiert genau dann ein q-narer (n, q2, n−1)-Code, wenn es n − 2 paarweise verschiedeneorthogonale lateinische Quadrate der Ordnung q gibt.

83.7 Folgerungen

a) Es gilt: Aq(3, 2) = q2 fur alle q ∈ IN∗ .

b) Ist q = pm mit Primzahl p und m ∈ IN∗ sowie n ≤ q + 1 , so gilt: Aq(n, n−1) = q2 .

Beweis:

zu a): Satz 83.6 mit n = 3 und Satz 68.4 liefern die Existenz eines (3, q2, 2)-Codes C . UndSatz 83.5 zeigt, daß C bereits optimal ist.

zu b): Satz 83.6 und Satz 68.8 liefern die Existenz eines (n, q2, n−1)-Codes C fur allen − 2 ≤ q − 1 ⇐⇒ n ≤ q + 1 . Dann zeigt Satz 83.5 wieder, daß C schon optimal

ist.

Page 425: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

§ 83. CODES UND LATEINISCHE QUADRATE 417

83.8 Bemerkung

Welche Werte bzw. Abschatzungen gibt es nun fur die Große A2(n, d) binarer Codes bei bestimm-ten Parametern n und d ? — Siehe hierzu folgende Tabelle aus [15] unter Berucksichtigung vonFolgerung 81.9:

n d = 3 d = 53 2 — Satz 81.74 2 — Bemerkung 83.45 4 2 Satz 81.76 8 27 16 28 20 49 40 610 72 – 79 1211 144 – 158 2412 256 3213 512 6414 1 024 12815 2 048 25616 2 560 – 3 276 256 – 340

Page 426: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

Kapitel XX

Elemente der Graphentheorie

§ 84 Grundlegende Begriffe

84.1 Definition

Ein geordnetes Paar G := (V,E) heißt ein (endlicher, schlichter106, ungerichteter107) Graph,wenn V 6= ∅ eine endliche Menge und E eine Teilmenge ist von

P2(V ) := v, v′ | v, v′ ∈ V mit v 6= v′ .108

Dabei ist V die Eckenmenge109 von G, ein Element von V heißt eine Ecke (oder ein Knoten)von G. Analog heißt E die Kantenmenge110 von G, und jedes Element e = v, v′ ∈ E nenntman eine Kante (oder Seite) von G.Man sagt, daß eine Kante e = v, v′ die Ecken v und v′ miteinander verbindet und daß v undv′ in G benachbart sind.Ist E = P2(V ) , so heißt der Graph vollstandig und wird mit Kn bezeichnet, wobei n = |V |ist.

84.2 Beispiel

Es sei V = a, b, c, d und E = a, b, b, c, b, d, c, d, a, d . Dann ist G = (V,E) einGraph, den man sich folgendermaßen vorstellen kann:

r rrr

d

c

b

a

..............................................................................................

..............................................................................................

........................................................................................................................................................................................

..............................................................................................

..............................................................................................

.............................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................

106Unter schlicht verstehen wir, daß nur einfache Kanten existieren, d. h. es gibt maximal nur eine Kante voneiner Ecke zur anderen.

107Und ungerichtet bedeutet, daß wir keine Richtung festlegen, in der eine Kante verlauft.108Da v und v′ paarweise verschieden sind, treten keine

”Schlingen“ auf, also Kanten, die von einer Ecke direkt

wieder zu derselben Ecke zurucklaufen.109Engl. vertex (Plural: vertices) = Scheitelpunkt; Ecke, Knoten110Engl. edge = Rand, Kante, Grenze; Seite

418

Page 427: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

§ 84. GRUNDLEGENDE BEGRIFFE 419

Der vollstandige Graph K4 laßt sich durch Erganzung von G mit a, c ”kreuzungsfrei“ darstellenetwa in der Form:

r

r

rr

a

b

c

d

..................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................

....................................................................................................................................................................................................................................................

........

........

........

........

........

........

........

........

........

........

........

........

........

........

........

........

........

.......

84.3 Definition

Zwei Graphen G = (V,E) und G′ = (V ′, E′) heißen isomorph, wenn es eine bijektive Abbildungα : V → V ′ derart gibt, daß je zwei Ecken v1, v2 ∈ V genau dann in G benachbart sind, wennα(v1), α(v2) ∈ V ′ in G′ benachbart sind.

Fur eine Ecke v ∈ V heißt die Anzahl derjenigen Kanten von G , die v enthalten, also

deg(v,G) := |e ∈ E | v ∈ e| ,

der Eckengrad111 von v in G. Eine Ecke v in G heißt gerade bzw. ungerade, wenn deg(v,G) ∈ INgerade bzw. ungerade ist.

84.4 Satz

Ist G = (V,E) ein Graph, dann gilt stets:∑v∈V

deg(v,G) = 2 · |E| .

Beweis:

Sei S := (v, e) ∈ V × E | v ∈ e ; dann lautet die Zeilensummezv(S) = |e ∈ E | (v, e) ∈ S| = deg(v,G) ,

und die Spaltensumme ist se(S) = |v ∈ V | (v, e) ∈ S| = 2 . Also liefert Satz 51.4 (ausAlgebra I):

|S| =∑v∈V

zv(S) =∑v∈V

deg(v,G) =∑e∈E

se(S) = 2 · |E| .

84.5 Folgerung

Ist Vg := v ∈ V | v gerade und Vu := v ∈ V | v ungerade , so gilt:∑v∈Vu

deg(v,G) ∈ 2 IN .

111Engl. degree = Grad

Page 428: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

420 KAPITEL XX. ELEMENTE DER GRAPHENTHEORIE

Beweis zu Folgerung 84.5:

Es gilt:∑v∈V

deg(v,G) =∑v∈Vg

deg(v,G) +∑v∈Vu

deg(v,G) ∈ 2 IN und∑v∈Vg

deg(v,G) ∈ 2 IN .

84.6 Beispiele

Ist G = Kn , so gilt: |E| =(n

2

)und deg(v,G) = n− 1 fur jedes v ∈ Kn :

rr...........................................................................................................

n = 2r rr

.................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................

n = 3r rrr

..............................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................

.....................................................................................................................................................................

........

........

........

........

........

........

......

n = 4r rrrr

..................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................

..................................

........................................................................................................................

......................

......................

......................

......................

.......................................................................................................

........

........

........

........

.........

........

........

........

.......

n = 5

........................

..................................................................................

Ist G der sogenannte GEW–Graph:

r r rr r r..........................................................................................................................................................................................................................................................................................................

..................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................

...............................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................

........

........

........

........

........

........

........

........

........

........

........

........

..............................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................

G E W

A1 A2 A3

Versorger:

Verbraucher:

GaswerkElektrizitatswerkWasserwerk

Hauser

so heißt dieser Graph auch K3,3–Graph.

84.7 Definition

Ein Graph G = (V,E) heißt r-regular, wenn fur alle v ∈ V gilt: deg(v,G) = r .(Wegen r · |V | = 2 · |E| muß fur einen regularen Graphen mit ungeradem r stets |V | ∈ 2 INsein.)Ein Kantenweg in einem Graphen ist eine endliche Folge von Ecken v1, v2, . . . , vk derart, daßvi und vi+1 fur alle 1 ≤ i ≤ k − 1 benachbart sind. Ist v1 = vk , so heißt der Kantenweggeschlossen. Sind die Ecken eines Kantenweges paarweise verschieden, so sprechen wir von einemWeg. Ein geschlossener Kantenweg v1, v2, . . . , vk heißt ein geschlossener Weg, wenn alle Eckenv1, v2, . . . , vk paarweise verschieden sind.Ein Kantenweg v1, v2, . . . , vk , in dem jede Kante von G genau einmal (als vi, vi+1 ) auftritt,heißt Euler’sche Linie.Ein Graph G heißt zusammenhangend, wenn zwischen jeweils zwei Ecken x, y ∈ V ein Wegx = v1, v2, . . . , vk = y existiert.

Ein Graph T = (V,E) heißt ein Baum112, wenn folgende Eigenschaften erfullt sind:

(T1) T ist zusammenhangend.(T2) Es gibt keinen geschlossenen Weg in T .

112Engl. tree = Baum

Page 429: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

§ 84. GRUNDLEGENDE BEGRIFFE 421

Beispiel fur einen Baum:

rrrr rr rr r

..........................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................

................................................................................................................................................

..................................................................................................................................................................................... ................................................................................

84.8 Satz

Ist T = (V,E) ein Baum mit |V | ≥ 2 , so gilt auch:

(T3) Fur alle x, y ∈ V gibt es genau einen Weg in T von x nach y .(T4) Entsteht T ′ aus T durch Wegnahme einer Kante, so gilt:

T ′ = T1 ∪ T2 := (V1 ∪ V2 , E1 ∪ E2)

mit zwei Baumen Ti = (Vi, Ei) .(T5) Es ist |E| = |V | − 1 .

Beweis:

zu (T3): Da T zusammenhangend ist, existiert ein Weg x = v1, v2, . . . , vk = y von x nach y .Angenommen, es gabe noch einen anderen Weg x = u1, u2, . . . , ul = y von x nachy . Sei i ∈ IN∗ die kleinste Zahl mit ui+1 6= vi+1 . Wegen vk = ul existiert einekleinste Zahl j > i derart, daß vj = uλ fur irgendein λ ∈ 1, 2, . . . , l gilt. Dann istvi, vi+1, . . . , vj , uλ−1, uλ−2, . . . , ui+1, vi ein geschlossener Weg in T im Widerspruch zu(T2).

zu (T4): Sei u, v eine Kante in T ; wir bilden T ′ = (V,E′) mit E′ := E \ u, v . Sei nun

V1 := x ∈ V | es existiert in T ein Weg von x nach v , der durch u geht .

Ist x ∈ V1 und x = x1, x2, . . . , xs, u, xs+2, . . . , v , so muß bereits xs+2 = v sein, dasonst ein geschlossener Weg in T , namlich u, xs+2, . . . , u existierte. Also gibt es zujedem x ∈ V1 einen Weg in T ′ nach u . Damit ist T1 = (V1, E1) zusammenhangend.Sei V2 := V \ V1 ; ist x ∈ V2 , so existiert kein Weg in T von x nach y , der durch ugeht. Damit gibt es zu jedem x ∈ V2 einen Weg in T ′ zu v . Also ist T2 = (V2, E2)zusammenhangend. In T1 und T2 gibt es keine geschlossenen Wege, da solche auchnicht in T existieren.

zu (T5): Beweis durch vollstandige Induktion nach |V | :|V | = 2 ist klar. XIst T ein Baum mit |V | = n+ 1 , so betrachten wir T1 und T2 gemaß (T4), die durchWegnahme der Kante u, v aus T entstehen. Die Induktionsvoraussetzung liefertdann: |Ei| = |Vi| − 1 , also:

|E| = |E′|+ 1 = (|E1|+ |E2|) + 1 = |V1| − 1 + |V2| − 1 + 1 = |V1|+ |V2| − 1 = |V | − 1 .

Page 430: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

422 KAPITEL XX. ELEMENTE DER GRAPHENTHEORIE

§ 85 Klassische Fragen der Graphentheorie

a) Das Konigsberger Bruckenproblem

A,B,C,D seien (im geographischen Sinne) die Stadtteile von Konigsberg (Kaliningrad), diedurch insgesamt sieben Brucken uber den Fluß miteinander verbunden sind:

....................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................

...............................................................................................................................................

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

...........................

......................................................................................................................................................................

.....

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................

........................................................

........................................................

........................................................

........................................................

...................................

.........................................................................................................................................................................................................................................................

.............................................................................................................................................................................................................................................................................................

.............................................................................................................................................................................................................................................................................................

..................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

...................................................................................................................................

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.....................................................................................................................................................................................

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

..................................................................................................................

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

..........................................................................................................................................................................................

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

................

................

................

................

........

................

................

................

................

........

................

................

................

................

........

................

................

................

................

........

................

................

................

................

........

................

................

................

................

........

................

................

................

................

........

................

................

................

................

........

................

................

................

................

................

................

...........

................

................

................

................

................

................

......................... ..............

.............. ..............

..............

..............

..............

..............

..............

..............

..............

..............

..............

..............

..............

..............

..............

..............

..............

.........................................................................................................................................................................................................................................................................................................

...............

............... ..............................

.............................................................................................

...............................................................................................

............... ...............

............... ...............

Pregel

A

B

C

D

Existiert nun ein Weg durch alle Stadtteile, wobei jede Brucke nur genau einmal betreten wird?Gibt es sogar einen Rundweg mit der gleichen Bedingung?

Verbinden wir A,B,C,D gemaß dem ”Bruckenplan“, so entsteht folgender nicht–schlichterGraph:

rrr

r.........................................................................................................................................................

........................................

........................................

........................................

........................................

........................................

................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................

............................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................

..............................................................................................

........................

...........................................................................................................................................................

A

B

C

D

Um daraus einen schlichten Graphen zu erhalten, unterteilen wir die Stadtteile A,B,C in jeweilszwei Bezirke:

r rr rr r

r...............................................................................................................................................................................................

.......................................................................................................................................................................................

..........................

..........................

..........................

..........................

..........................

..........................

............................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................

.................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................

........

........

........

........

........

........

........

........

........

........

........

........

........

.........

........

........

........

........

........

........

........

........

........

........

........

........

.....A1 A2

B1B2

C1 C2

D

Das Konigsberger Bruckenproblem ist gelost, wenn die Frage nach der Existenz einer (geschlos-senen) Euler’schen Linie im obigen Graphen positiv entschieden ist.

Page 431: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

§ 85. KLASSISCHE FRAGEN DER GRAPHENTHEORIE b) 423

85.1 Satz

Sei G = (V,E) ein zusammenhangender Graph.

a) G besitzt genau dann eine geschlossene Euler’sche Linie, wenn deg(v,G) fur jedes v ∈ Vgerade ist.

b) Besitzt G genau zwei Ecken mit ungeradem Eckengrad, so besitzt G eine Euler’sche Linie,deren Anfangs- und Endpunkt diese beiden Ecken sind, und umgekehrt.

Beweis:

zu a):

”⇒“: Sei v1, v2, . . . , vk, vk+1 eine geschlossene Euler’sche Linie in G ; ist v ∈ V beliebigund e ∈ E mit v ∈ e , so existiert genau ein Index i ∈ 1, 2, . . . , k mite = vi, vi+1. Also ist v = vi oder v = vi+1 ; im ersten Fall ist auch v ∈ vi−1, vi(mit v0 = vk ), im zweiten Fall ist auch v ∈ vi+1, vi+2 (mit vk+2 = v2 ).

”⇐“: durch vollstandige Induktion. X

zu b):

”⇒“: Sind u, v ∈ V mit ungeraden deg(u,G) und deg(v,G) , dann erweitere man denGraphenG zu einem GraphenG′ = (V,E′) mit E′ = E∪u, v im Fall u, v /∈ Eoder zu G′ = (V ′, E′) mit V ′ = V ∪w (w /∈ V ) und E′ = E∪u,w∪v, wim Falle u, v ∈ E . So entsteht ein Graph G′ , der ebenfalls zusammenhangendist und in dem alle Ecken gerade sind. Nach Teil a) existiert eine geschlosseneEuler’sche Linie in G′ . Entfernt man dann die hinzugefugten Kanten, so erhaltman in G eine Euler’sche Linie mit u und v als Anfangs- bzw. Endpunkt.

”⇐“: ist klar. X

85.2 Folgerung

Das Konigsberger Bruckenproblem ist nicht losbar.

b) Plattbare Graphen

Wir untersuchen eine Darstellung von Graphen auf Mannigfaltigkeiten.

85.3 Definition

Gegeben sei ein topologischer RaumX; ein Graph G = (V,E) heißt ein topologischer Graph oderein Graph auf X, wenn V eine Teilmenge von X ist und zu jeder Kante e = v, w eine ho-moomorphe Abbildung γe : [ 0 ; 1 ] → X mit γe(0) = v und γe(1) = w derart existiert, daßder Durchschnitt je zweier verschiedener ”Kanten“ γe([ 0 ; 1 ]) und γe′([ 0 ; 1 ]) stets entweder leeroder gleich einer gemeinsamen Ecke der Kanten e = v, w und e′ = v′, w′ ist.

Page 432: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

424 KAPITEL XX. ELEMENTE DER GRAPHENTHEORIE

(Ein Graph G heißt eine Darstellung eines Graphen G′, wenn G und G′ isomorph sind und Gein topologischer Graph ist.)

Ein Graph G auf der euklidischen Ebene IE2 heißt ein ebener Graph. Ein Graph heißt plattbar,wenn er zu einem ebenen Graphen isomorph ist.

Ein zusammenhangender ebener Graph G zerlegt IE2 (nach dem Jordan’schen Kurvensatz) inendlich viele Gebiete, wovon ein Gebiet nicht beschrankt ist. Diese Gebiete heißen Gebiete oderLander von G.Ein ebener Graph G = (V,E) heißt ein ebener Streckengraph, wenn die ”Kanten“ γe([ 0 ; 1 ])fur alle e ∈ E Strecken in IE2 sind. Ein ebener Streckengraph G heißt ein Dreiecksgraph, wennjedes Gebiet von G durch ein Dreieck berandet ist.Mit α0 , α1 und α2 bezeichnen wir |V | , |E| und die Anzahl der Gebiete eines zusammenhangen-den ebenen Graphen, wobei bei α2 das nicht–beschrankte Gebiet mitgezahlt wird.

85.4 Satz (Euler’scher Polyedersatz fur die Ebene)

Ist D ein zusammenhangender ebener Graph, so gilt stets: α0 − α1 + α2 = 2 .

85.5 Beispiele

r rr

rrr

rr

........................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................

..................................

..................................

..................................

..........................................................................................................................................................

............................................................................................................

............................................................................................................

....................................................................................................................................................................................................................................................................

............................

............................

............................

.................

................................................................................................................................................................................................................................................

.......

.......

.......

.......

........

........

........

........

...........................................................................................

...............................................................

........................

.........................................

...................................................................................................................................................................................

8 Ecken− 12 Kanten+ 6 Gebiete= 2

Weitere Beispiele fur D :

r rrrr

rr

.................................................................................................................................................................................................................................................................................................................

................................................................

.........................................................

.........................................................................................................................................

......................

......................

......................

......................

......................

......................

...........................................................................................................................................................................................................................................

α0 α1 α2

← 7 8 36 6 2 →

rr

r

rr r...............................................................................................................................................................................................

..........................

..........................

..........................

.................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................

.......................................................................................................................

85.6 Satz

Die Graphen K5 und K3,3 sind nicht plattbar.

85.7 Satz

Ein Graph ist genau dann plattbar, wenn er weder eine Unterteilung von K5 noch eine Unter-teilung von K3,3 enthalt.

Page 433: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

§ 85. KLASSISCHE FRAGEN DER GRAPHENTHEORIE b) 425

85.8 Definition

Konvexe Polyeder im IR3 , die kongruente regelmaßige Vielecke als Seitenflachen haben, heißenPlatonische113 Korper.

85.9 Bemerkung

Es gibt genau funf Platonische Korper, namlich das Tetraeder, das Hexaeder (Wurfel), dasOktaeder, das Dodekaeder und das Ikosaeder (benannt nach den griechischen Namen fur dieAnzahl der Seitenflachen):

..................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................

.......

.......

.......

.......

.......

.......

.......

.......

.......

......................................................................

......................................................................

Tetraeder: 4 gleich-seitige Dreiecke

........................................................................................................................................................................................................................................................

..................................

....................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................

..................................

..................................

..................................................................................................................................................................................................................................

....... ....... ....... ....... ....... ....... ....... ....... ....... ....... ....... ....... ....... ....... ....... ..............

.......

.......

.......

.......

.......

.......

.......

.......

.......

.......

.......

.......

.......

.......

.......

........ ........ ......

.. ................ ...

.....

Hexaeder: 6 Quadrate

..................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................

....................

....................

....................

....................

....................

....................

....................

.............................................................................................................................................................................................................................................

..................................

..................................

.......

...............................................................................................................................................................................................

....................

....................

....................

....................

....................

....................

....................

....................

.....

...............................................................

....... ....... ....... ....... ....... ....... ....... ....... ....... ....... ....... ....... ....... ....... ....... .......................................................

..................................................................................................

Oktaeder: 8 gleich-seitige Dreiecke

......................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................

................................................

............................................

..................................................................................................................................................................................................................................................................................

................................................

................................................

....................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................

....................................

.............

....................................

.............

........................................................

........................................................

............................................................................................................................................

................

................

................

................

................................................................................

....... ....... ....... ....... ....... ....... ....... ....... ....... .......

..........................................

................................

..............

..............

....

....... ....... ....... .................................

Dodekaeder: 12 regel-maßige Funfecke

...............................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................

......................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................

.........................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................

..................................................................

..................................................................

..................

...............................................................................................

..............................

..............................

..............................

..............................

..............................

..............................

........

........

........

........

........

........

........

........

........

........

........

........

........

........

........

........

........

........

........

........

........

........

........

........

........

........

......................................

..........................................

..........................................

..........................................

......................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................

......................

......................

......................

......................

.............

.....................................................................................................

....... ....... ....... ....... ....... ....... ....... ....... ....... ....... ....... ....... ....... ....... ....... .....................

..............

..............

..............

..............

..............

..............

..............

............................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................

........ ........ ........ ........ ........ ........ ........ ........ ........ ........ ........

........ ................ ........ ........ ........ ........ ........ ........ ........ ........ ........ ........ ........ ........

..............................................................................................................

..............................................................................................................

........ ........ ......

.. ................ ...

... ........ ........ ........ ........ ........ ......

..............................

Ikosaeder: 20 gleich-seitige Dreiecke

Fassen wir die Ecken und Kanten eines Platonischen Korpers als Graph im IR3 auf, so ergibtsich der zugehorige Graph des Platonischen Korpers.

85.10 Satz

Die Graphen der Platonischen Korper sind plattbar.113Plato, altgriechischer Philosoph und Mathematiker (?27.05.429 v. Chr., †ca. 348 v. Chr.)

Page 434: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

426 KAPITEL XX. ELEMENTE DER GRAPHENTHEORIE

Zum Beispiel sehen die Plattungen von Tetraeder und Wurfel etwa so aus:

r r

rr

....................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................

...................................................................................................................

............................

............................

............................

............................

............................................................................................................................

r r

rr

rr

rr

...................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................

.........................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................

............................................................................ ............................................................................

c) Farbung von Graphen. Das Vier–Farben–Problem

85.11 Definition

a) Ist G = (V,E) ein Graph und c : V → IN eine Funktion mit c(x) 6= c(y) fur x, y ∈ E ,so heißt c eine Ecken–Farbung von G. Ist |c(V )| = k , so sagt man, daß c genau k Farben114

zur Ecken–Farbung vonG benutzt. Die kleinste Zahl k ∈ IN∗ , mit der eine Ecken–Farbungdurchgefuhrt werden kann, heißt die chromatische Zahl χ(G) von G.Durch eine Ecken–Farbung von G mit k Farben erhalten wir eine disjunkte Unterteilungvon V , d. h.

V = V1 ∪ V2 ∪ . . . ∪ Vk ,

wobei keine Seite von E zwei Ecken aus einer Menge Vi verbindet.

b) Eine Seiten– (oder Kanten–)Farbung eines Graphen G = (V,E) ist eine disjunkte Zerle-gung von E , d. h.

E = E1 ∪ E2 ∪ . . . ∪ El ,

wobei die Seiten aus einer Menge Ej keine gemeinsame Ecken haben.

c) Ist G = (V,E) ein zusammenhangender Graph und G die Familie der Gebiete von G , soheißt eine disjunkte Zerlegung von G in

G = F1 ∪ F2 ∪ . . . ∪ Fm ,

wobei die Gebiete aus einer Familie Fµ nicht benachbart sind, also keine gemeinsame Seitehaben, eine Landkarten–Farbung von G.

85.12 Bemerkung

Zu jeder Landkarte auf dem Globus bzw. in der Zeichenebene mit endlich vielen Landern laßtsich stets ein (zusammenhangender) ebener Graph derart angeben, daß die Gebiete des Graphendie Lander der Landkarte sind.

Zu jedem zusammenhangenden ebenen Graphen G = (V,E) existiert ein dualer Graph G∗, derfolgendermaßen konstruiert wird:

i) Man wahle in jedem Gebiet (Land) von G einen Punkt aus, etwa die Hauptstadt desentsprechenden Landes. Diese Punkte bilden dann die Ecken von G∗ .

114Engl. colour = Farbe

Page 435: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

§ 85. KLASSISCHE FRAGEN DER GRAPHENTHEORIE c) 427

ii) Zwei Ecken aus G∗ werden durch eine Kante verbunden, wenn die beiden Lander, ausdenen die Ecken stammen, benachbart sind.

Jede Landkarten–Farbung von G induziert so eine Ecken–Farbung des dualen Graphen G∗ undumgekehrt.

85.13 Satz

Die Lander einer jeden Landkarte konnen mit hochstens vier Farben so gefarbt werden, daß jezwei benachbarte Lander verschieden gefarbt sind.

85.14 Bemerkung

Nach den Uberlegungen aus Bemerkung 85.12 ist das sogenannte Vier–Farben–Problem gelost,wenn gezeigt werden kann, daß die chromatische Zahl χ eines ebenen zusammenhangendenGraphen G hochstens 4 betragt. Dies liefert die Behauptung von Satz 85.13, der lange alsVermutung galt. Heute wird aufgrund computergestutzter Ergebnisse der Satz als bewiesenangesehen.Daß die chromatische Zahl χ(G) im allgemeinen nicht kleiner als 4 sein kann, zeigt das folgendeletzte Beispiel:

r r

rr

....................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................

...................................................................................................................

............................

............................

............................

............................

............................................................................................................................

.. .

. .. . .

. . .. . .. . .

. . . .. . . .. . . .

. . . .. . . . .. . . .

. . . . .. . . .

. . . . .. . . .

. . . . .. . . .

. . . . .. . . .. . . .. . . .. . . .. . .. . .

. . .. . .. .. ...

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

..

. .. .

. .. .

. . .. . .

. . . .. . .

. . . .. . . .

. . . .. . . .

. . . .. . . .

. . . .. . . .

. . . .. . . .

. . . .. . .

. . . .. . .

. . .. .

. . .. .

. ..

.

???????????

????

????

?????

?????

-----

----

----

---

---

---

----

2 2 2 2 2 2 2 2 2 22 2 2 2 2 2 2 2

2 2 2 2 2 2 22 2 2 2 2

2 2 2 22 2

2

Page 436: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik
Page 437: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

Anhang A

Ubungsaufgaben

Aufgaben zu § 1

Aufgabe 1–1:

a) Gegeben seien zwei Mengen X 6= ∅ und Y 6= ∅ sowie eine Abbildung f : X → Y .Zeigen Sie, daß f genau dann bijektiv ist, wenn eine Abbildung g : Y → X mit gf = idXund f g = idY existiert.Beweisen Sie ferner, daß ein solches g — falls vorhanden — eindeutig bestimmt sein muß.

b) Geben Sie ein Beispiel zweier Mengen X und Y sowie zweier Abbildungen f : X → Yund g : Y → X mit g f = idX derart an, daß f nicht bijektiv ist.

Aufgabe 1–2:

Es seien X,Y 6= ∅ zwei Mengen und f : X → Y eine Abbildung. Beweisen Sie die Aquivalenzfolgender Aussagen:

a) f ist injektiv.

b) Fur alle Teilmengen A,B ⊂ X gilt: f(A) ∩ f(B) ⊂ f(A ∩B) .

c) Sind A und B Teilmengen von X mit A ∩B = ∅ , so folgt: f(A) ∩ f(B) = ∅ .

d) Fur alle Teilmengen A,B ⊂ X gilt: f(A \B) ⊂ f(A) \ f(B) .

Hinweis: Wenn Sie einen ”Ringschluß“ finden, brauchen Sie nur vier Implikationen zu zeigen.

Aufgabe 1–3:

Es sei

M := (a, b, c) | a, b, c ∈ ZZ ∧ a2 = b2 = 1 und (a, b, c) (a′, b′, c′) := (a·a′, b·b′, a·c′+c·b′) ,

wobei die Verknupfungen + und · in den Komponenten auf der rechten Seite die Addition bzw.Multiplikation in ZZ seien.Beweisen Sie, daß M mit der Verknupfung eine Gruppe bildet. Und untersuchen Sie, ob dieseGruppe (M, ) abelsch ist.

429

Page 438: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

430 ANHANG A. UBUNGSAUFGABEN

Aufgabe 1–4:

Es sei

M := (a, b) | a, b ∈ Q ∧ b 6= 0 und (a, b) ∗ (a′, b′) := ( a+ b · a′ , b · b′ ) ,

wobei die Verknupfungen + und · auf der rechten Seite die ublichen Verknupfungen in Q seien.Beweisen Sie, daß ∗ eine innere Verknupfung auf M und (M, ∗) eine Gruppe ist. UntersuchenSie, ob die Gruppe abelsch ist.

Aufgabe 1–5:

a) Es sei (G, ·) eine Gruppe mit dem neutralen Element e . Beweisen Sie:Hat G die Eigenschaft:

(N) Fur jedes Element a ∈ G gilt: a · a = e ,

so ist G abelsch.

b) Gibt es Gruppen G mit der Eigenschaft (N) und

(1) genau drei,

(2) genau vier

Elementen? — Geben Sie jeweils entweder eine Verknupfungstafel an, oder zeigen Sie, daßdies nicht moglich ist.

Aufgabe 1–6:

Es sei (G, ·) eine Gruppe, und S(G) bezeichne die Menge aller bijektiven Abbildungen von Gauf G . Fur ein Element g ∈ G definieren wir die Abbildung

ϕg : G→ G durch ϕg(a) := g · a fur alle a ∈ G .

Zeigen Sie:

a) Es ist ϕg ∈ S(G) fur jedes g ∈ G .

b) Die Abbildung Φ : G→ S(G) mit Φ(g) := ϕg fur jedes g ∈ G ist injektiv. Und fur alleElemente g, h ∈ G gilt:

Φ(g · h) = Φ(g) Φ(h) .

Aufgabe 1–7:

Es sei G eine Gruppe mit genau vier Elementen. (Die Existenz von G wird garantiert.) Dasneutrale Element von G bezeichnen wir wieder mit e . Beweisen Sie:Gibt es ein Element a ∈ G mit a · a 6= e , so folgt:

G = e , a , a · a , a · a · a .

Page 439: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

Aufgaben zu § 1 431

Aufgabe 1–8:

a) Es sei (G, ) eine Gruppe mit 2n Elementen (fur n ∈ IN∗ ) und e das neutrale Element.Zeigen Sie, daß die Anzahl der Elemente aus x ∈ G | x2 = e gerade ist.

b) Es sei (G, ) eine Gruppe mit a2 b2 = (a b)2 fur alle Elemente a, b ∈ G .Zeigen Sie, daß G dann abelsch ist.

Aufgabe 1–9:

Auf R := ZZ× ZZ seien folgende Verknupfungen fur alle (a, b) , (a′, b′) ∈ R erklart:

(a, b) + (a′, b′) := ( a+ a′ , b+ b′ ) ,(a, b) · (a′, b′) := ( a · a′ , a · b′ + b · a′ − 2 a · a′ ) .

(Dabei sind die Verknupfungen in den Komponenten der rechten Seite wieder die ublichen Ver-knupfungen in ZZ .)Zeigen Sie, daß (R,+, ·) ein Ring ist. Untersuchen Sie, ob es in R ein Einselement gibt.

Aufgabe 1–10:

Es sei (R,+, ·) ein Ring und 0 das neutrale Element seiner additiven Gruppe. Fur alle Elementex ∈ R gelte: x · x = x . Beweisen Sie:

a) Es gilt: x+ x = 0 fur alle x ∈ R .

b) R ist ein kommutativer Ring.

Aufgabe 1–11:

Auf der Menge R := a, b, c werden durch folgende Tafeln zwei Verknupfungen definiert:

+ a b c

a a b cb b c ac c a b

· a b c

a a a ab a b cc a b c

Dann ist (R,+) eine abelsche Gruppe (was nicht gezeigt zu werden braucht).Untersuchen Sie, welche der ubrigen Ringaxiome in (R,+, ·) noch gelten.

Aufgabe 1–12:

Zeigen Sie, daß die Menge K := a + b ·√

5 | a, b ∈ Q zusammen mit der ublichen Additionund Multiplikation reeller Zahlen einen kommutativen Korper bildet.

Page 440: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

432 ANHANG A. UBUNGSAUFGABEN

Aufgabe 1–13:

Es gibt einen kommutativen Korper (K,+, ·) mit genau vier Elementen (das ist eine wahreVoraussetzung und soll nicht gezeigt werden). Wir bezeichnen das Nullelement in K wiedermit 0 .Beweisen Sie, daß fur alle x ∈ K gilt: x+ x = 0 . Und stellen Sie die beiden Verknupfungsta-feln von K auf.

Aufgaben zu § 2

Aufgabe 2–1:

Prufen Sie, welche der folgenden Teilmengen von Abb(IR, IR) Untervektorraume von(Abb(IR, IR),+, · ) sind:

a) f ∈ Abb(IR, IR) | f(0) + f(1) = 0 .

b) f ∈ Abb(IR, IR) | f(0) · f(1) = 0 .

c) f ∈ Abb(IR, IR) | f(2x) = 2 f(x) ∀x∈IR .

d) f ∈ Abb(IR, IR) | f(2 + x) = 2 + f(x) ∀x∈IR .

e) f ∈ Abb(IR, IR) | f(x2) = (f(x))2 ∀x∈IR .

f) f ∈ Abb(IR, IR) | f(0) = f(1) .

g) f ∈ Abb(IR, IR) | f(3) = 1 + f(5) .

h) f ∈ Abb(IR, IR) | f(−x) = −f(x) ∀x∈IR .

i) f ∈ Abb(IR, IR) | f(2) = 2 f(1) .

j) f ∈ Abb(IR, IR) | f(2) = (f(1))2 .

k) f ∈ Abb(IR, IR) | f(t) · f(−t) = 0 ∀t∈IR .

l) f ∈ Abb(IR, IR) | f f = f .

Aufgabe 2–2:

Wir betrachten den Korper K := ZZ3 = 0, 1, 2 und den K–Vektorraum (K3,+, ·) .

a) Wieviele Elemente enthalten die Untervektorraume von K3 ?(Begrunden Sie Ihre Antwort ausfuhrlich.)

b) Geben Sie alle Untervektorraume von K3 an, die den Vektor x = (1, 1, 1) ∈ K3 enthalten.(Ein Beweis ist nicht erforderlich.)

Page 441: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

Aufgaben zu § 3 433

Aufgaben zu § 3

Aufgabe 3–1:

Es seien v1, v2, . . . , vn linear abhangige Elemente eines Vektorraumes V mit n ≥ 2 und vj 6= 0fur alle j = 1, 2, . . . , n .

a) Beweisen Sie, daß sich mindestens zwei Vektoren vk, vl mit k 6= l als Linearkombinationder jeweils ubrigen n− 1 Vektoren darstellen lassen.

b) Geben sie fur allgemeines n ≥ 3 ein Beispiel an, bei dem sich nur genau zwei Vektorenvk, vl mit k 6= l als Linearkombination der jeweils ubrigen n−1 Vektoren darstellen lassen.

Aufgabe 3–2:

a) Es seien a1, a2, a3, a4, a5, a6 die sechs verschiedenen Vektoren im IR4 mit jeweils genauzwei Einsen und zwei Nullen als Komponenten. Beweisen oder widerlegen Sie folgendeAussagen:

(1) Jede Auswahl von vier verschiedenen Vektoren aus a1, a2, . . . , a6 bildet eine Basisdes IR4 .

(2) Keine Auswahl von vier verschiedenen Vektoren aus a1, a2, . . . , a6 bildet eine Basisdes IR4 .

b) Losen Sie die zu a) entsprechende Aufgabe fur den Vektorraum K4 an Stelle von IR4 ,wobei K der Korper mit vier Elementen aus Aufgabe 1–13 ist.

Aufgabe 3–3:

Fur n ∈ IN∗ seien v1, v2, . . . , vn linear unabhangige Elemente eines Vektorraumes V . Das Ele-ment a ∈ V habe folgende Eigenschaft: Fur alle 1 ≤ j ≤ n sind v1, v2, . . . , vj−1, a, vj+1, . . . , vnlinear abhangig.Beweisen Sie, daß dann a = 0 ist.

Aufgabe 3–4:

Es sei V ein K–Vektorraum und U1, U2, U3 seien Untervektorraume von V . Welche der folgendenAussagen sind allgemeingultig, welche nicht?

a) Sind x1, x2, . . . , xn linear unabhangige Vektoren aus U1 , und gilt: x0 ∈ V \ U1 , dann ist(x0, x1, x2, . . . , xn) linear unabhangig.

b) Sind U1 und U2 verschieden mit U1 6= 0 6= U2 , so existieren zwei in V linear unabhangigeElemente ui ∈ Ui fur i = 1, 2 .

c) Sind U1, U2, U3 6= 0 paarweise verschieden, dann existieren drei in V linear unabhangigeElemente ui ∈ Ui fur i = 1, 2, 3 .

d) Gilt fur alle u1 ∈ U1 und alle u2 ∈ U2 , daß u1, u2 linear abhangig sind, so ist U1 = U2 .

Es ist jeweils ein Beweis oder ein Gegenbeispiel anzugeben.

Page 442: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

434 ANHANG A. UBUNGSAUFGABEN

Aufgabe 3–5:

Im IR4 seien vier Vektoren vorgegeben:

x1 = (0, 2, 0,−1) , x2 = (4, 3, 1,−1) , x3 = (−1, 1,−1,−1) und x4 = (1, 1, 1, 0) .

a) Untersuchen Sie, ob (x1, x2, x3, x4) linear abhangig ist. Geben Sie — falls moglich — einenicht–triviale Linearkombination von 0 ∈ IR4 an.

b) Es sei V := <x1, x2, x3, x4> . Untersuchen Sie, ob a = (1, 2, 0,−1) und b = (2, 1, 1, 0)Vektoren aus V sind.

c) Bestimmen Sie dimIR V und gegebenenfalls eine Basis von V , die a und b enthalt.

Aufgabe 3–6:

Fur einen Vektorraum V seien A und B beliebige Teilmengen von V . Welche der folgendenInklusionen sind allgemeingultig, welche nicht?

a) <A ∩B> ⊂ (<A>∩<B>) .

b) <A ∩B> ⊃ (<A>∩<B>) .

c) <A ∪B> ⊂ (<A>∪<B>) .

d) <A ∪B> ⊃ (<A>∪<B>) .

Es ist jeweils ein Beweis oder ein Gegenbeispiel anzugeben.

Aufgabe 3–7:

Es sei W ein endlich–dimensionaler Vektorraum und U ein Untervektorraum von W mit U 6= W .Beweisen Sie:

a) Es existiert eine Basis von W aus Vektoren, die alle nicht zu U gehoren.

b) Es gibt einen Untervektorraum V von W mit U ∩ V = 0 und <U ∪ V> = W .

Aufgabe 3–8:

Es sei IN∗ := IN \ 0 . Wir betrachten die Elemente ei ∈ Abb(IN∗, IR) mit

ei(n) :=

1 , falls n = i0 fur alle n 6= i

fur jedes i ∈ IN∗ und das Element e0 ∈ Abb(IN∗, IR) mit

e0(n) := 1 fur alle n ∈ IN∗ .

a) Zeigen Sie, daß die Familie (ei)0≤i≤m fur beliebiges m ∈ IN linear unabhangig ist.

b) Beweisen Sie, daß fur jedes m ∈ IN gilt:

<e0, e1, e2, . . . , em> = f ∈ Abb(IN∗, IR) | ∃α=α(f)∈IR ∀n>m f(n) = α .

Page 443: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

Aufgaben zu § 3 435

Aufgabe 3–9:

Es sei V ein Vektorraum uber dem Korper K . Gegeben seien Vektoren a, b ∈ V und Skalareα, β, γ, δ ∈ K . Zeigen Sie:

a) Ist αδ − βγ 6= 0 , so gibt es eindeutig bestimmte Vektoren x, y ∈ V mit

αx+ β y = a ,

γ x+ δ y = b .

(1)

b) Ist αδ − βγ = 0 , und sind a und b linear unabhangig, dann existieren keine Vektorenx, y ∈ V , die Eigenschaft (1) erfullen.

Aufgabe 3–10:

a) Berechnen Sie im IR4 diejenigen Vektoren x und y , fur die gilt:

2x+ y = (1,−2, 3, 1) und 3x+ 5 y = (2,−1,−2, 5) .

b) Untersuchen Sie, ob folgende Vektoren im IR4 linear abhangig oder linear unabhangig sind:

(i) v1 = (3, 0, 1,−5) , v2 = (−3, 2,−3, 7) , v3 = (3, 5,−4, 0) .(ii) w1 = (1, 2, 0,−1) , w2 = (2,−1, 1, 3) , w3 = (0, 1, 3, 4) .

Im Falle linearer Abhangigkeit geben Sie bitte eine nicht–triviale Linearkombination desNullvektors an.

Aufgabe 3–11:

Es sei K := ZZ2 = 0, 1 der Korper mit zwei Elementen. Im K–Vektorraum Abb(K,K) seidie Familie (fn)n∈IN definiert durch:

fn(x) := xn fur alle x ∈ K .

Dabei ist x0 := 1 fur jedes x ∈ K .Untersuchen Sie die Familie (fn)n∈IN auf lineare Unabhangigkeit. Bestimmen Sie die Dimensionund eine Basis von <(fn)n∈IN> .

Aufgabe 3–12:

Im IRn seien fur n > 3 drei Vektoren der Form

ck = (c(k)1 , c

(k)2 , . . . , c(k)

n ) mit k = 1, 2, 3

gegeben. Setze V := <c1, c2, c3> . Beweisen Sie, daß dann die folgenden Aussagen zueinanderaquivalent sind:

(1) Die drei Vektoren ck = (c(k)1 , c

(k)2 , c

(k)3 ) mit k = 1, 2, 3 sind im IR3 linear unabhangig.

(2) Es gibt eine Basis (b1, b2, b3) von V mit Vektoren bk ∈ IRn der Gestalt

b1 = (1, 0, 0, b(1)4 , b

(1)5 , . . . , b

(1)n ) ,

b2 = (0, 1, 0, b(2)4 , b

(2)5 , . . . , b

(2)n ) ,

b3 = (0, 0, 1, b(3)4 , b

(3)5 , . . . , b

(3)n ) .

Page 444: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

436 ANHANG A. UBUNGSAUFGABEN

Aufgabe 3–13:

Fur alle n ∈ ZZ sei fn ∈ Abb(IR, IR) definiert durch

fn(x) :=

1− |x− n| , falls n− 1 ≤ x ≤ n+ 1

0 sonst.

a) Untersuchen Sie die Familie (fn)n∈ZZ im Vektorraum Abb(IR, IR) auf lineare Unabhangig-keit.

b) Welche der Funktionen g und h aus Abb(IR, IR) gehort zum Erzeugnis <(fn)n∈ZZ> ,welche nicht?

g(x) := 1 ∀x∈IR , h(x) :=

10x+ 10 fur − 1 ≤ x ≤ 0−5x+ 10 fur 0 < x ≤ 1−1

2 x+ 112 fur 1 < x ≤ 11

0 sonst.

Aufgabe 3–14:

Es sei V ein K–Vektorraum mit endlich vielen Elementen und m := |V | . Beweisen Sie:Gilt: m > 1 , so ist auch n := |K| endlich, und es gibt dann ein l ∈ IN mit m = nl .

Aufgabe 3–15:

Wir betrachten IR als Vektorraum uber dem Korper Q . Zeigen Sie:

a) 3√

2 /∈ Q .

b) 1 ,√

2 und 3√

2 sind uber Q linear unabhangig.

Sie durfen ohne Beweis benutzen, daß√

2 /∈ Q ist.

Aufgabe 3–16:

Wir betrachten IR als Vektorraum uber Q . Eine reelle Zahl x ∈ IR heißt transzendent, wenndie Familie (xn)n∈IN in IR linear unabhangig ist.

Beweisen Sie: Ist x ∈ IR transzendent, so gilt notwendigerweise: x 6= 0 , und die Zahlen1x

sowie−x sind ebenfalls transzendent.

Aufgaben zu § 4

Aufgabe 4–1:

Es sei V ein K–Vektorraum; ferner seien x1, x2, x3, x4 ∈ V linear unabhangig und

U := <x1 − x2 , x2 − x3 , x3 − x1> ,

W := <x1 + x2 + x4 , x1 + x3> .

Bestimmen Sie die Dimensionen von U und W sowie von U ∩W und U +W .

Page 445: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

Aufgaben zu § 5 437

Aufgabe 4–2:

Im IR–Vektorraum V := Abb([ 0 ; 1 ], IR) ist durch zwei verschiedene Punkte ξ1, ξ2 ∈ [ 0 ; 1 ]gemaß

U := f ∈ V | f(ξ1) = f(ξ2) = 0

ein Untervektorraum gegeben.Bestimmen Sie einen zu U komplementaren Untervektorraum W von V .

Aufgabe 4–3:

Es sei U der Untervektorraum von Abb(IR, IR) aus Aufgabe 2–1a).Bestimmen Sie einen zu U komplementaren Untervektorraum W von Abb(IR, IR) .

Aufgabe 4–4:

Es seien V1, V2, V3 Untervektorraume eines K–Vektorraums W . Welche der beiden Inklusionenist allgemeingultig, welche nicht?

a) (V1 + V2) ∩ V3 ⊂ (V1 ∩ V3) + (V2 ∩ V3) .

b) (V1 ∩ V3) + (V2 ∩ V3) ⊂ (V1 + V2) ∩ V3 .

(Gefordert ist ein Beweis bzw. ein Gegenbeispiel.)

Aufgaben zu § 5

Aufgabe 5–1:

Gegeben sei ein Vektorraum V uber dem Korper K und eine Konstante n ∈ IN∗ . Beweisen Sie:Genau dann liegen n + 1 Punkte p0, p1, p2, . . . , pn ∈ V in einem affinen Unterraum von V mitDimension d ≤ n− 1 , wenn es Skalare λ0, λ1, λ2, . . . , λn ∈ K gibt mit den Eigenschaften:

(1) Es sind nicht alle λk = 0 .

(2) Es gilt:n∑k=0

λk = 0 .

(3) Es gilt:n∑k=0

λk pk = 0 .

Aufgabe 5–2:

Es sei V ein K–Vektorraum der endlichen Dimension n ≥ 3 . Und A sei ein affiner Unterraumder Dimension n− 2 von V . Zeigen Sie:Es gibt einen affinen Unterraum B mit Dimension n− 2 von V , der zu A nicht parallel ist undfur den A ∩B = ∅ gilt.

Page 446: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

438 ANHANG A. UBUNGSAUFGABEN

Aufgabe 5–3:

Es sei V ein Vektorraum der endlichen Dimension n uber dem Korper K , H sei eine Hyperebenein V und A ein affiner Unterraum von V mit der Dimension k ≥ 1 . Beweisen Sie:Sind A und H nicht parallel, so gilt: A∩H 6= ∅ . In diesem Fall ist A∩H ein affiner Unterraumder Dimension k − 1 von V .

Aufgabe 5–4:

Es sei V ein Vektorraum der endlichen Dimension n ≥ 2 uber dem Korper K . Zeigen Sie:Sind A1, A2 Hyperebenen in V und nicht parallel, so ist A1 ∩ A2 ein affiner Unterraum derDimension n− 2 .

Aufgaben zu § 6

Aufgabe 6–1:

Eine reelle (n×n)-Matrix heißt ein magisches Quadrat, wenn die Summe aller ihrer Eintrage injeder Zeile, in jeder Spalte und in den beiden Diagonalen immer die gleiche Zahl liefert.Die Menge MQn aller dieser magischen Quadrate bildet mit den ublichen Verknupfungen einenUntervektorraum der reellen (n× n)-Matrizen (was nicht gezeigt zu werden braucht).

a) Beweisen Sie: Haben zwei magische Quadrate aus MQ3 die gleiche erste Zeile, so sind siebereits gleich.

b) Untersuchen Sie folgende magische Quadrate auf lineare Unabhangigkeit in MQ3 : 1 1 11 1 11 1 1

,

1 −1 0−1 0 1

0 1 −1

,

0 1 −1−1 0 1

1 −1 0

.

c) Bestimmen Sie die Dimension und eine Basis von MQ3 .

Aufgabe 6–2:

Wir betrachten den Untervektorraum MQ4 ⊂ Mat(4, 4; IR) .

a) Es sei I := (i, j) ∈ IN∗ × IN∗ | i+ j ≤ 5 ∧ |i− j| ≤ 2 . Beweisen Sie:Sind A = (αij) und B = (βij) magische Quadrate aus MQ4 und gilt: αij = βij fur alle(i, j) ∈ I , so folgt: A = B .

b) Bestimmen Sie die Dimension von MQ4 und eine Basis von MQ4 aus Matrizen, die jeweilsan mindestens acht Stellen den Koeffizienten Null haben.

Page 447: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

Aufgaben zu § 6 439

Aufgabe 6–3:

Bestimmen Sie die allgemeine Form aller Matrizen A ∈ Mat(n, n; IR) , die bei der Multiplikationmit jeder Matrix B ∈ Mat(n, n; IR) vertauschbar sind, d. h. fur die gilt: A ·B = B ·A .

Hinweis: Untersuchen Sie zuerst mit ”einfachen“ Matrizen B , welche Form A notwendig habenmuß.

Aufgabe 6–4:

Wir definieren Potenzen von quadratischen Matrizen A ∈ Mat(n, n;K) rekursiv durch

A0 := En und Ak+1 := Ak ·A fur alle k ∈ IN .

a) Finden Sie samtliche Matrizen A ∈ Mat(2, 2; IR) mit A =

(a bc d

), welche die Bedin-

gungen a · b · c · d 6= 0 und A2 = 0 erfullen.

b) Berechnen Sie alle Potenzen Bk der Matrix B =

(2 −34 −6

).

Hinweis: Hierfur ist ein Induktionsansatz erforderlich.

Aufgabe 6–5:

a) Berechnen Sie alle Potenzen Ak der Matrix A =

(3 1−2 0

).

b) (1) Gibt es Matrizen A ∈ Mat(2, 3; IR) und B ∈ Mat(3, 2; IR) mit A · B = E2 undzugleich B ·A 6= E3 ?

(2) Gibt es Matrizen C ∈ Mat(2, 3; IR) und D ∈ Mat(3, 2; IR) mit C · D 6= E2 undzugleich D · C = E3 ?

Geben Sie jeweils ein Beispiel solcher Matrizen an, oder beweisen Sie, daß dies nicht moglichist.

Aufgabe 6–6:

Es sei S(n) die Menge aller symmetrischen Matrizen aus Mat(n, n; IR) . Fur A,B ∈ S(n)definieren wir:

AB := 12 (A ·B +B ·A) .

Zeigen Sie, daß gilt:

a) Fur jedes n ∈ IN∗ ist eine innere Verknupfung auf S(n) .

b) Fur kein n ≥ 2 ist die Verknupfung assoziativ auf S(n) .

Page 448: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

440 ANHANG A. UBUNGSAUFGABEN

Aufgabe 6–7:

Es sei

IH :=A ∈ Mat(2, 2; C)

∣∣∣ A =(z −ww z

)mit z, w ∈ C

.

Zeigen Sie explizit: Mit der ublichen Matrix–Addition und Matrix–Multiplikation bildet dieMenge IH einen Schiefkorper.(Auch die benotigten Rechenregeln fur die Konjugation : C → C , z = a+ b i 7→ z = a− b isollen bewiesen werden.)

Aufgabe 6–8:

Wir ubernehmen die Bezeichnung IH aus Aufgabe 6–7.

a) Beweisen Sie:

Ist A =(z −ww z

)∈ IH , so gilt: A ·A = (z + z) ·A− (z · z + w · w) · E2 .

b) Bestimmen Sie alle Losungen X ∈ IH der quadratischen Gleichung X ·X + E2 = 0 .

Aufgabe 6–9:

Zeigen Sie:Jede Matrix A ∈ Mat(n, n; C) ist Summe einer symmetrischen und einer schiefsymmetrischenMatrix. Dabei sind die Summanden eindeutig bestimmt.Fuhren Sie eine Zerlegung am Beispiel

A =

1 2 3−1 3 0

4 7 2

durch.

Aufgabe 6–10:

Eine quadratische Matrix A = (αij) ∈ Mat(n, n;K) heißt eine echte obere Dreiecksmatrix, wennαij = 0 fur alle i ≥ j gilt.

Beweisen Sie fur echte obere Dreiecksmatrizen A ∈ Mat(n, n;K) folgende Aussagen:

a) An = 0 .

b) (En −A)−1 = En +A+A2 +A3 + . . .+An−1 .

Page 449: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

Aufgaben zu § 7 441

Aufgabe 6–11:

Fur echte obere Dreiecksmatrizen X ∈ Mat(n, n;K) sei

exp(X) :=n−1∑k=0

1k!Xk .

Beweisen oder widerlegen Sie:Fur alle n ∈ IN∗ und alle echten oberen Dreiecksmatrizen A,B ∈ Mat(n, n; IR) gilt:

exp (A+B) = exp(A) · exp(B) .

Aufgabe 6–12:

Es seien P,Q,W und X Matrizen aus Mat(n, n; IR) . Wir betrachten folgende Aussage:

W 2 = 14 P

2 −Q ∧ X = −12 P +W ⇒ X2 + P ·X +Q = 0 .

Diese Aussage ist fur n = 1 richtig (als ”p-q–Formel“ fur quadratische Gleichungen).Gilt sie auch fur n = 2 ? (Verlangt wird ein Beweis oder ein Gegenbeispiel.)

Aufgaben zu § 7

Aufgabe 7–1:

a) Fur welche b ∈ IR ist das folgende lineare Gleichungssystem losbar?u − w + 3x = 1

2u + v + 2w − x = 83u − v − 3x = b2u + 3 v + 3w + 4x = 2

b) Fur welche Eintrage a ∈ C ist folgende Matrix Aa ∈ Mat(3, 3; C) regular?

Aa =

a 1 00 a 1a 0 a

Aufgabe 7–2:

Gegeben sei A ∈ Mat(4, 5; IR) durch

A =

1 3 2 1 6−2 −2 11 −10 1

3 10 6 1 101 1 −5 5 1

.

a) Berechnen Sie den Rang von A .

b) Es sei b := (20, 3, α, α)t ∈ IR4 .Bestimmen Sie den Parameter α ∈ IR so, daß das lineare Gleichungssystem A · x = bmindestens eine Losung x ∈ IR5 hat.

Page 450: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

442 ANHANG A. UBUNGSAUFGABEN

Aufgaben zu § 8

Aufgabe 8–1:

Fur A ∈ Mat(m,n;K) seien F ∈ GL(m;K) und G ∈ GL(n;K) Produkte von Elementarma-trizen mit

F ·A ·G =

(Er 00 0

)=: Er ∈ Mat(m,n;K) ,

wobei r := rg(A) ist. Zeigen Sie:

a) Fur B := G · Ert · F ∈ Mat(n,m;K) gilt: A ·B ·A = A und B ·A ·B = B .

b) Ist C ∈ Mat(n,m;K) mit Er · C · Er = Er , dann gilt: C =

(Er C12

C21 C22

).

c) Ist B ∈ Mat(n,m;K) beliebig mit A ·B ·A = A und B ·A ·B = B , so folgt:

sp (A ·B) = sp(Er) = r · 1K ∈ K .

d) Ist B ∈ Mat(n,m;K) mit B ·A ·B = B und A ·B ·A = A sowie b ∈<A1, A2, . . . , An> ,dann gilt:

(i) A ·B · b = b .

(ii) x ∈ Kn | A · x = b = y −B ·A · y +B · b ∈ Kn | y ∈ Kn .

Aufgaben zu § 9

Aufgabe 9–1:

Bestimmen Sie samtliche Losungen der folgenden reellen linearen Gleichungssysteme mit Hilfedes Gauß–Algorithmus:

a) −u + 2 v + w = 013u − 26 v + 2w = 152u − 4 v − w = 1 .

b) y + z = 15x + 5 y = 13x + z = 02x + 2 y + z = 1 .

c) 2 a + b − c + 3 d = 4−3 a + 4 b + 7 c + 2 d = −2−6 a + 19 b + 25 c + 17 d = 3 .

Page 451: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

Aufgaben zu § 9 443

Aufgabe 9–2:

Bestimmen Sie den Rang der Matrix1 2 9 85 10 3 −2−3 4 −18 5

6 −12 57 3

.

Aufgabe 9–3:

Beweisen Sie:Die Matrix A ∈ Mat(n, n; IR) mit

A =

1 2 3 · · · n−1 n2 3 4 · · · n 1...

......

......

n 1 2 · · · n−2 n−1

hat fur jedes n ∈ IN∗ den Rang rg(A) = n . Berechnen Sie die Inverse A−1 .Hinweis: Wie lassen sich die kanonischen Einheitsvektoren aus den Spalten von A kombinieren?

Aufgabe 9–4:

a) Beweisen Sie:Ist A ∈ Mat(n, n;K) mit A ·A = 0 , so folgt: rg(A) ≤ n

2.

b) Zeigen Sie an einem Beispiel fur n = 4 , daß die Abschatzung aus a) nicht verbessertwerden kann.

Aufgabe 9–5:

Bestimmen Sie die inverse Matrix von

A =

1 1 1 12 3 3 32 4 5 52 4 6 7

.

Aufgabe 9–6:

a) Gegeben sind sechs feste Matrizen A,B,C,D, F,G ∈ Mat(n, n; IR) fur ein n ∈ IN∗ .Gesucht sind Matrizen X,Y ∈ Mat(n, n; IR) , die das folgende lineare Gleichungssystemlosen:

A ·X +B · Y = F ,

C ·X +D · Y = G .

Dabei sei D regular und (A−B ·D−1 · C) ebenfalls regular.Zeigen Sie, daß dann X und Y eindeutig bestimmt sind, und entwickeln Sie Formeln furdie Losungen X und Y .

Page 452: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

444 ANHANG A. UBUNGSAUFGABEN

b) Berechnen Sie mit den Formeln aus a) — falls anwendbar — Losungen X,Y ∈ Mat(2, 2; IR)des linearen Gleichungssystems(

−5 −316 9

)·X +

(−3 1

8 2

)· Y =

(−22 −32

97 132

),(

4 22 1

)·X +

(2 51 3

)· Y =

(55 6831 38

).

Aufgabe 9–7:

Fur n ∈ IN mit n ≥ 2 sei En die (n×n)-Einheitsmatrix und B = (bij)1≤i,j≤n die Matrix mit denEintragen bij = 1 fur alle 1 ≤ i, j ≤ n . Mit α, β ∈ IR bilden wir die Matrix A := αEn + β B .Beweisen Sie:A ist genau dann singular, wenn α2 + nαβ = 0 gilt.Bestimmen Sie im regularen Fall fur α = 1 die Inverse A−1 .

Aufgabe 9–8:

Es sei A ∈ Mat(m,n;K) beliebig. Eine Matrix B ∈ Mat(n,m;K) heißt eine verallgemeinerteInverse (oder Pseudo–Inverse) zu A, wenn gilt:

A ·B ·A = A und B ·A ·B = B .

Zeigen Sie:

a) Gilt: A =(Er 00 0

), so ist die transponierte Matrix At eine verallgemeinerte Inverse

zu A.

b) Ist B eine verallgemeinerte Inverse zu A , und sind L ∈ GL(m;K) , R ∈ GL(n;K) , dannist die Matrix R−1 ·B · L−1 eine verallgemeinerte Inverse zu L ·A ·R .

c) Jedes A ∈ Mat(m,n;K) besitzt stets eine Pseudo–Inverse; diese ist im allgemeinen abernicht eindeutig bestimmt.Hinweis: Benutzen Sie Teil b), um A zunachst auf moglichst ”einfache“ Form zu bringen.

Aufgabe 9–9:

Es sei sp : Mat(n, n;K)→ K die Spur–Abbildung aus Definition 6.8 der Vorlesung. BeweisenSie:

a) Es gilt: sp (A ·At) =n∑

i,j=1

αij2 fur alle A = (αij) ∈ Mat(n, n;K) .

b) Es gilt: sp (A ·B) = sp (B ·A) fur alle A,B ∈ Mat(n, n;K) .

c) Ist A ∈ Mat(n, n;K) und sp (A ·B) = 0 fur alle B ∈ Mat(n, n;K) , so folgt: A = 0 .

Page 453: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

Aufgaben zu § 10 445

Aufgaben zu § 10

Aufgabe 10–1:

Berechnen Sie das Signum folgender Permutationen:

a)(

1 2 3 4 5 6 7 87 3 8 4 1 5 2 6

)∈ S8 .

b)(

1 2 · · · n−1 nn n−1 · · · 2 1

)fur n ∈ IN∗ .

c)(

1 2 3 · · · n n+1 n+2 · · · 2n2 4 6 · · · 2n 1 3 · · · 2n−1

)fur n ∈ IN∗ .

d)(

1 2 3 · · · n n+1 n+2 · · · 2n+12 4 6 · · · 2n 1 3 · · · 2n+1

)fur n ∈ IN∗ .

Aufgabe 10–2:

Stellen Sie folgende Permutationen als Produkt von Transpositionen dar:

a) π =(

1 2 3 4 53 2 5 1 4

)und σ =

(1 2 3 4 5 64 1 5 2 6 3

).

b) % und τ seien die beiden Permutationen aus Aufgabe 10–1 b) bzw. c).

Aufgabe 10–3:

Es sei n ∈ IN mit n ≥ 2 . Beweisen Sie:

a) Jede Permutation σ ∈ Sn ist als Produkt von Transpositionen τk ∈ Sn darstellbar, wobeiτk(1) = k gilt fur alle 2 ≤ k ≤ n .

b) Jede Permutation σ ∈ Sn ist Produkt von Transpositionen %k ∈ Sn , wobei %k(k) = k+ 1gilt fur alle 1 ≤ k ≤ n− 1 .

Aufgaben zu § 11 bis § 13

Aufgabe 11/13–1:

Berechnen Sie folgende Determinante:

D =

∣∣∣∣∣∣∣∣∣∣∣∣∣∣∣∣∣∣

1 1 0 3 6 −4 −1 81 0 1 7 8 0 7 10 1 1 5 −3 9 6 110 0 0 2 1 0 −1 −20 0 0 1 0 −1 −2 20 0 0 0 −1 −2 2 10 0 0 −1 −2 2 1 00 0 0 1 1 −3 1 −5

∣∣∣∣∣∣∣∣∣∣∣∣∣∣∣∣∣∣.

Page 454: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

446 ANHANG A. UBUNGSAUFGABEN

Aufgabe 11/13–2:

Berechnen Sie fur allgemeines n ∈ IN∗ die Determinante der Matrix A = (αij) ∈ Mat(n, n; IR)mit den Eintragen

αij =

0 , falls i = j1 fur alle i 6= j .

Aufgabe 11/13–3:

Berechnen Sie die Determinante der Matrix A = (αij) ∈ Mat(n, n; IR) mit den Eintragen

αij = |i− j| fur alle 1 ≤ i, j ≤ n .

Aufgabe 11/13–4:

Fur gewisse Parameter ai, bj ∈ IR sei A = (αij) ∈ Mat(n, n; IR) die Matrix mit den Koeffizienten

αij :=

ai fur j ≥ ibj fur j < i .

(Als Beispiel betrachte etwa Aufgabe 9–5.) Zeigen Sie:

detA = a1 ·n∏k=2

(ak − bk−1) .

Aufgabe 11/13–5:

Es sei τ ∈ IR ein Parameter und An = (αij) ∈ Mat(n, n; IR) die Matrix mit den Eintragen

αij :=

τ fur |i− j| = 11 + τ2 falls i = j0 sonst.

Zeigen Sie, daß dann gilt:

a) detAn = (1 + τ2) · detAn−1 − τ2 · detAn−2 fur alle n ≥ 3 .

b) detAn =n∑k=0

τ2k fur alle n ∈ IN∗ .

Aufgabe 11/13–6:

Zeigen Sie, daß die Determinante der ”Binomialmatrix“ A = (αij) ∈ Mat(n, n; IR) mit

αij :=

1 , falls i = 1 oder j = 1αi−1,j + αi,j−1 fur i > 1 und j > 1

den Wert detA = 1 hat.

Page 455: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

Aufgaben zu § 11 bis § 13 447

Aufgabe 11/13–7:

Gegeben seien die Matrizen A ∈ Mat(m,m;K) , B ∈ Mat(m,n;K) und C ∈ Mat(n, n;K) .Zeigen Sie:

a) Es gilt: det

(A B0 C

)= detA · detC .

b) Das lineare Gleichungssystem

(A B0 C

x1

x2...

xm+n

=

β1

β2...

βm+n

ist genau dann losbar, wenn es ein y ∈ Kn und ein z ∈ Km gibt mit

C · y =

βm+1

βm+2...

βm+n

bzw. A · z =

β1

β2...βm

−B · y .

Aufgabe 11/13–8:

Es seien a1, a2, . . . , an ∈ IR vorgegeben. Zeigen Sie, daß die Abbildung

f : IR→ IR , x 7→ det

x a1 a2 · · · an−1 1a1 x a2 · · · an−1 1

a1 a2 x. . .

......

a1 a2 a3. . . an−1 1

......

.... . . x 1

a1 a2 a3 · · · an 1

ein reelles Polynom n-ten Grades ist mit den Nullstellen a1, a2, . . . , an .

Aufgabe 11/13–9:

a) Beweisen Sie:Ist n ∈ IN∗ ungerade und A ∈ Mat(n, n; IR) schiefsymmetrisch, dann ist A singular.

b) Beweisen Sie:Ist n ∈ IN∗ ungerade, so gibt es keine Matrix B ∈ Mat(n, n; IR) mit B ·B = −En .

c) Zeigen Sie mit einem (allgemeinen) Beispiel, daß die Aussagen aus a) und b) fur keingerades n ∈ IN∗ richtig sind.

Page 456: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

448 ANHANG A. UBUNGSAUFGABEN

Aufgabe 11/13–10:

Es seien A0, A1, A2, . . . , An Zeilenvektoren des IRn . Ferner bezeichne Dk fur jedes 0 ≤ k ≤ ndie Determinante

Dk := det

A0

A1...

Ak−1

Ak+1...An

.

Beweisen Sie, daß gilt:

det

A1 +A0

A2 +A0...

An +A0

= D0 +n∑k=1

(−1)k+1Dk .

Aufgabe 11/13–11:

Es sei A ∈ Mat(n, n; IR) eine regulare Matrix, und alle Koeffizienten von A seien ganze Zahlen.Beweisen Sie:Genau dann sind auch alle Eintrage von A−1 ganzzahlig, wenn detA ∈ −1 , 1 ist.

Aufgabe 11/13–12:

Es sei A ∈ Mat(n, n; ZZ ) mit A2 = 0 .

a) Zeigen Sie, daß En +A regular ist, und bestimmen Sie (En +A)−1 .

b) Beweisen Sie:

det (En +A) ∈ −1 , 1 .

Aufgabe 11/13–13:

Es sei A ∈ Mat(n, n; IR) mit A · A = 0 . Fur alle t ∈ IR setze p(t) := det (En + t A) . ZeigenSie, daß gilt:

a) p ∈ Πn ist ein Polynom mit p(t) · p(−t) = 1 fur alle t ∈ IR .

b) det (En + t A) = 1 fur alle t ∈ IR .

Page 457: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

Aufgaben zu § 14 449

Aufgabe 11/13–14:

Es seien A ∈ GL(n; IR) und x ∈ IRn sowie dazu M,N,U ∈ Mat(n+1, n+1; IR) definiert gemaß

M :=

(En −A−1 · x0 1

), N :=

(En −x0 1

), U :=

(A xxt 1

).

Ferner sei A die zu A komplementare Matrix. Beweisen Sie:

a) det (U ·M) = det (N · U) .

b) det (A− x · xt) = detA− xt · A · x .

Aufgabe 11/13–15:

Es seien x0, x1, x2 ∈ IR paarweise verschieden. Berechnen Sie zu

A =

1 x0 x02

1 x1 x12

1 x2 x22

die komplementare Matrix A und die inverse Matrix A−1 .

Aufgabe 11/13–16:

Es sei A ∈ Mat(n, n;K) und x, b ∈ Kn mit A · x = b . Fur 1 ≤ k ≤ n definieren wir dieMatrix Xk ∈ Mat(n, n;K) durch

Xk := (e1, e2, . . . , ek−1, x, ek+1, ek+1, . . . , en) .

Berechnen Sie fur alle k = 1, 2, . . . , n das Matrixprodukt A ·Xk , die Determinante detXk undleiten Sie daraus einen alternativen Beweis zu Satz 13.1 (Cramer’sche Regel) her.

Aufgaben zu § 14

Aufgabe 14–1:

Wir betrachten den Vektorraum IR2 mit der kanonischen Basis (e1, e2) sowie den Vektorraum IR3

mit der kanonischen Basis (e′1, e′2, e′3) . Gibt es lineare Abbildungen Fi : IR2 → IR2 bzw.

Gi : IR2 → IR3 fur i = 1, 2 mit folgenden Eigenschaften?

a) F1(3 e1 + e2) = e1 + 2 e2 , F1(−e1) = e1 + e2 .

b) F2(4 e1 + e2) = e1 + e2 , F2(e1 + e2) = 3 e1 − 2 e2 .

c) G1(e1 + e2) = e′1 + e′3 , G1(2 e1 + 3 e2) = 2 e′1 + 2 e′3 , G1(3 e1 − 2 e2) = e′2 .

d) G2(e1 + e2) = e′1 + e′3 , G2(2 e1 + 3 e2) = 2 e′1 + 2 e′3 , G2(3 e1 − 2 e2) = 3 e′1 + 3 e′3 .

Begrunden Sie Ihre Antworten. Und berechnen Sie — falls moglich — jeweils die Bilder Fi(ej)und Gi(ej) fur jedes i, j ∈ 1, 2 .

Page 458: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

450 ANHANG A. UBUNGSAUFGABEN

Aufgabe 14–2:

Es seien V und W endlich–dimensionale K–Vektorraume, U1 und U2 Untervektorraume von Vmit U1 + U2 = V sowie Fi ∈ HomK(Ui,W ) Vektorraum–Homomorphismen fur i = 1, 2 .Beweisen Sie die Aquivalenz folgender Aussagen:

a) Es existiert ein G ∈ HomK(V,W ) mit G|Ui = Fi fur i = 1, 2 .

b) Es gilt: F1|(U1∩U2) = F2|(U1∩U2) .

Aufgabe 14–3:

Es sei C = (IR× IR,+, ·) der Korper der komplexen Zahlen (aus Beispiel 1.11c) der Vorlesung)und A = (αij) ∈ Mat(2, 2; IR) eine Matrix. Wir definieren die Abbildung f : C → C durch

f(x) = f(a, b) := (A ·(a

b

))t fur alle x = (a, b) ∈ C .

Beweisen Sie:

a) f ist genau dann C–linear, wenn fur alle λ ∈ C und alle x ∈ C gilt:

f(λx) = λ f(x) .

b) f ist genau dann C–linear, wenn gilt:

α11 = α22 und α21 = −α12 .

Aufgabe 14–4:

Fur k ∈ IN seien nun ek ∈ Abb(C, C) die Monome mit ek(x) := xk fur alle x ∈ C . Wirbetrachten den Polynomraum Π := <(ek)k∈IN> ⊂ Abb(C, C) .

a) Erlautern Sie, warum es eindeutig bestimmte Endomorphismen D und I aus HomC(Π,Π)gibt mit

D(ek) :=

0 , falls k = 0, 1k (k − 1) · ek−2 fur k ≥ 2

bzw. I(ek) :=1

(k + 1) (k + 2)· ek+2 fur alle k ∈ IN .

b) Untersuchen Sie D und I jeweils auf Injektivitat und Surjektivitat.

c) Welche der folgenden Gleichungen gilt, welche nicht?

(1) D I = idΠ .

(2) I D = idΠ .

Page 459: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

Aufgaben zu § 15 451

Aufgabe 14–5:

Es sei V := Abb(IN∗, IR) der Vektorraum der reellen Zahlenfolgen (mit den ublichen Verknup-fungen). Jeder Folge a = (an)n≥1 aus V ordnen wir ein F (a) ∈ V zu, definiert durch

F (a) :=( n∑k=1

ak)n≥1

.

Zeigen Sie: F ist ein Automorphismus auf V .

Aufgaben zu § 15

Aufgabe 15–1:

Es seien V,W ∈ VRK endlich–dimensional, F ∈ HomK(V,W ) und U ein zu KerF komple-mentarer Untervektorraum von V . Zeigen Sie:Es gibt ein G ∈ HomK(W,V ) derart, daß (GF )|U und (F G)|ImF jeweils mit der identischenAbbildung idU bzw. idImF ubereinstimmen.

Aufgabe 15–2:

Es sei V ein Vektorraum uber K und P (V ) := F ∈ HomK(V, V ) | F F = F . Zeigen Sie:

a) Sind F,G ∈ P (V ) mit KerF ⊂ KerG , so gilt:

G F = G .

b) Ist F ∈ P (V ) , so auch G = idV −F . Es gelten dann die Beziehungen:

(i) F G = G F = 0 .

(ii) V = KerF ⊕KerG .

Aufgabe 15–3:

Es seien X und Y Vektorraume uber K mit dimK X = n . Ferner sei U ein Untervektorraumvon X und V ein Untervektorraum von Y mit dimK U + dimK V = n . Beweisen Sie:

a) Es gibt ein F ∈ HomK(X,Y ) mit U = KerF und V = ImF .

b) Es gibt einen Vektorraum–Automorphismus G auf X mit Gn = idX und Gk 6= idX furalle k = 1, 2, . . . , n− 1 .

Aufgabe 15–4:

Es sei V ein K–Vektorraum der Dimension n ∈ IN∗ . Zeigen Sie, daß folgende Aussagen aqui-valent sind:

a) n ist gerade.

b) Es existiert ein Endomorphismus f ∈ HomK(V, V ) mit KerF = ImF .

Page 460: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

452 ANHANG A. UBUNGSAUFGABEN

Aufgaben zu § 16

Aufgabe 16–1:

a) Beweisen Sie, daß die Funktionen f0, f1, f2, . . . , fn mit fi(x) :=i−1∏j=0

(x − j) fur x ∈ IR

eine Basis von Πn ⊂ Abb(IR, IR) bilden.

b) Es sei D : Π4 → Π3 die lineare Abbildung mit D(P ) = P ′ fur alle P ∈ Π4 , wobei P ′ dieAbleitung des reellen Polynoms P bezeichne.Bestimmen Sie die darstellende Matrix von D , wenn im Urbildraum Π4 die Basis (fi)0≤i≤4

aus Teil a) und im Bildraum Π3 die Basis (e0, e1, e2, e3) aus den Monomen mit ei(x) = xi

fur x ∈ IR gewahlt wird.

Aufgabe 16–2:

a) Beweisen Sie, daß die Abbildungen gk : IR → IR , gk(x) := (x − k)4 fur k = 0, 1, 2, 3, 4eine Basis von Π4 bilden.

b) Es sei D die Polynom–Ableitung aus Aufgabe 16–1b).Ermitteln Sie die darstellende Matrix von D , wenn in Π4 die Basis (gk)0≤k≤4 aus Teil a)und in Π3 die kanonische Monom–Basis (ek)k=0,1,2,3 gewahlt wird.

Aufgaben zu § 17

Aufgabe 17–1:

Ein Vektorraum–Homomorphismus F ∈ HomIR(IR3, IR2) habe bezuglich der kanonischen Basendes IR3 und des IR2 die darstellende Matrix

A =

(7 −10 −14

−16 23 32

).

Bestimmen Sie die darstellende Matrix ΦBC (F ) , wenn bei einem Basiswechsel im IR3 die BasisB = (8, 1, 3)t, (1, 1, 0)t, (2, 0, 1)t und im IR2 die Basis C = (4,−9)t, (−3, 7)t gewahlt wird.

Aufgabe 17–2:

A =

1 4 + 2 i 23− i 6 1

7 1− i 0

sei die Matrix–Darstellung einer C–linearen Abbildung F : C3 → C3 bezuglich einer Basis(v1, v2, v3) von C3 . Seien nun B′ := (i v2, v1, v3) und B′′ := (i v1 − v2 , i (v1 + v2) , v3) zweiweitere Basen des C3 .Bestimmen Sie die darstellenden Matrizen ΦB

′B′′(F ) , ΦB

′′B′′(F ) und ΦB

′′B′ (F ) .

Page 461: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

Aufgaben zu § 18 453

Aufgabe 17–3:

Entscheiden Sie, ob fur die folgenden Matrizen A,B ∈ Mat(3, 3; IR) Basen A und B des IR3

existieren, so daß die lineare Abbildung F : IR3 → IR3 , welche bezuglich der kanonischen Basis(e1

t, e2t, e3

t) des IR3 durch A beschrieben werde, bezuglich der Basen A und B die darstellendeMatrix B besitzt:

a) A =

2 9 14 7 1

21 1 2

; B =

0 4 21 7 52 6 6

.

b) A =

0 7 218 4 69 0 8

; B =

2 1 171 1 10 2 0

.

c) A =

1 0 34 5 07 8 9

; B =

1 0 22 3 13 5 1

.

Aufgaben zu § 18

Aufgabe 18–1:

Es seien V,W,Z ∈ VRK und F ∈ HomK(V,W ) sowie G ∈ HomK(W,Z) . Zeigen Sie jeweils,daß gilt:

a) (G F )∗ = F ∗ G∗ .

b) Die Abbildung Φ : HomK(V,W ) → HomK(W ∗, V ∗) , Φ(F ) := F ∗ ist K–linear undinjektiv.

c) F injektiv ⇐⇒ F ∗ surjektiv .

d) F surjektiv ⇐⇒ F ∗ injektiv .

e) F (V ) = (KerF ∗)⊥ .

Aufgabe 18–2:

Gegeben seien die folgenden Linearformen auf Π2 :

ϕ1(P ) := P (x1) , ϕ2(P ) := P (x2) , ϕ3(P ) := P ′(x3) mit xi ∈ IR fur i = 1, 2, 3 .

a) Welchen Bedingungen mussen x1, x2, x3 genugen, damit ϕ1, ϕ2, ϕ3 in (Π2)∗ linear unab-hangig sind?

b) Bestimmen Sie fur den Fall x1 = 0 , x2 = x3 = 1 Polynome P1, P2, P3 ∈ Π2 mitϕi(Pj) = δij .

Page 462: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

454 ANHANG A. UBUNGSAUFGABEN

Aufgaben zu § 19

Aufgabe 19–1:

a) Bestimmen Sie das charakteristische Polynom der Matrix 0 1 00 0 1a b c

∈ Mat(3, 3; IR) .

b) Zeigen Sie:

Ist q ∈ Πn ein reelles, normiertes Polynom, d. h. q(x) =n∑k=0

ak xk fur alle x ∈ IR mit

Hochstkoeffizient an = 1 , so gibt es eine Matrix A ∈ Mat(n, n; IR) mit pA = q .

Aufgabe 19–2:

Es sei V ein endlich–dimensionaler K–Vektorraum, F ∈ EndK(V ) und F ∗ der duale Endomor-phismus.

a) Zeigen Sie:F und F ∗ besitzen dieselben Eigenwerte.

b) Beweisen Sie:Ist λ ∈ K ein Eigenwert von F , so haben die Eigenraume

x ∈ V | F (x) = λx und f ∈ V ∗ | F ∗(f) = λ fdieselbe Dimension.

c) Bestimmen Sie fur K = IR und F F = idV alle moglichen Eigenwerte von F , und zeigenSie, daß V die direkte Summe der Eigenraume Vλ = x ∈ V | F (x) = λx ist, wobei λdas gesamte Spektrum σ(F ) durchlauft:

V =⊕

λ∈σ(F )

Vλ .

Aufgabe 19–3:

Es sei A ∈ Mat(n, n; C) von folgender Gestalt

A =

a1 a2 a3 · · · an

an a1 a2. . .

...

an−1 an a1. . . a3

.... . . . . . a2

a2 a3 · · · an a1

.

Ferner sei c := e2πin = cos 2π

n + i sin 2πn und p das komplexe Polynom mit p(x) =

n∑j=1

aj xj−1 .

Zeigen Sie:

a) Die Vektoren bk ∈ Cn mit bk = (1, ck, c2k, . . . , c(n−1)k)t fur k = 0, 1, 2, . . . , n − 1 sindEigenvektoren von A .

b) Die Zahlen p(ck) ∈ C mit k = 0, 1, 2, . . . , n− 1 sind Eigenwerte von A .

Page 463: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

Aufgaben zu § 20 455

Aufgabe 19–4:

Es sei V := Abb(IN, IR) der Vektorraum der reellen Zahlenfolgen. Wir betrachten die Endo-morphismen F und G von V mit

F ((xn)n∈IN ) := ((xn+1)n∈IN ) und G((xn)n∈IN ) := (0, x1, x2, . . . ) .

Berechnen Sie alle Spektral- bzw. Eigenwerte von F und G .

Aufgabe 19–5:

Es seien A,B ∈ Mat(n, n; IR) beliebig. Zeigen Sie fur die komplementaren Matrizen A bzw. B :

a) pA′(0) = (−1)n−1 · sp(A ) .

b) Sind A und B ahnlich, so gilt: sp(A ) = sp(B) .

Aufgabe 19–6:

Es sei Π der IR–Vektorraum aller reellen Polynome mit der kanonischen Basis (ek)k∈IN aus denMonomen. Durch Festlegung dieser Basis werden Endomorphismen I und D auf Π definiertdurch

I(ek) :=1

k + 1· ek+1 ∀k∈IN und D(ek) := k · ek−1 ∀k∈IN∗ , D(e0) := 0 .

Bestimmen Sie alle Spektral- bzw. Eigenwerte von I und von D .

Aufgaben zu § 20

Aufgabe 20–1:

Beweisen oder widerlegen Sie, daß die folgenden Matrizen diagonalisierbar sind:

a) A =

(1 ii −1

)∈ Mat(2, 2; C) .

b) B =

4 −2 11 −3 01 1 2

∈ Mat(3, 3; IR) .

Aufgabe 20–2:

Es seien A,B ∈ Mat(n, n; C) . Beweisen oder widerlegen Sie folgende Aussagen:

a) Ist x ∈ Cn ein Eigenvektor von A und von B , so ist x auch Eigenvektor von A+B .

b) Ist λ ∈ C ein Eigenwert von A und µ ∈ C ein Eigenwert von B , so ist λ+ µ Eigenwertvon A+B .

c) Ist A regular und λ ein Eigenwert von A , so gilt: λ 6= 0 , und A−1 besitzt den Eigen-wert λ−1 .

d) Ist A diagonalisierbar mit Ak = 0 fur ein k ∈ IN∗ , so folgt: A = 0 .

Page 464: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

456 ANHANG A. UBUNGSAUFGABEN

Aufgabe 20–3:

Gegeben sei die reelle Matrix

A =

4 −3 3−6 7 −6−6 6 −5

.

a) Berechnen Sie alle Eigenwerte und die zugehorigen Eigenvektoren von A .

b) Bestimmen Sie eine ”Wurzel“ von A , d. h. eine Matrix B ∈ Mat(3, 3; IR) mit B2 = A .

Aufgabe 20–4:

Bestimmen Sie alle Eigenwerte und alle Eigenvektoren der folgenden beiden Matrizen ausMat(n, n; C) fur alle n ∈ IN∗ :

a)

1 1 · · · 11 1 · · · 1...

......

1 1 · · · 1

.

b)

0 1 1 · · · 11 0 1 · · · 1

1 1 0. . .

......

.... . . . . . 1

1 1 · · · 1 0

.

Aufgabe 20–5:

Beweisen oder widerlegen Sie:Fur jedes Polynom p uber dem Korper K mit grad p =: m ≥ 0 und jede Matrix A ∈ Mat(n, n;K)gilt:

σ(p(A)) = p(σ(A)) := p(t) | t ∈ σ(A)

a) im Fall K = IR .

b) im Fall K = C .

Dabei sei fur p ∈ Π , gegeben durch p(t) =m∑k=0

ak tk mit ak ∈ K , definiert: p(A) :=

m∑k=0

ak Ak

fur A ∈ Mat(n, n;K) mit A0 := En . Weiter sei σ(A) := σ(ΨKK(A)) fur A ∈ Mat(n, n;K) .

Aufgabe 20–6:

Es seien A,B ∈ Mat(n, n;K) beliebige Matrizen. Beweisen Sie oder widerlegen Sie:

a) A ·B und B ·A haben dieselben Eigenwerte.

b) A ·B und B ·A haben dieselben Eigenvektoren.

Page 465: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

Aufgaben zu § 21 457

Aufgabe 20–7:

Zeigen Sie:Sind A,B ∈ Mat(n, n; C) zwei diagonalisierbare Matrizen, und gilt: A ·B = B ·A , so besitzenA und B einen gemeinsamen Eigenvektor.

Aufgabe 20–8:

Fur eine diagonalisierbare Matrix A ∈ Mat(n, n; IR) gelte: det (En + t A) = 1 fur alle t ∈ IR .Beweisen Sie, daß dann A = 0 sein muß.

Aufgaben zu § 21

Aufgabe 21–1:

Es sei A ∈ Mat(n, n; C) und m0,m1,m2, . . . ,mn ∈ IN .Zeigen Sie, daß die Familie F der Potenzen von A ,

F := (Amk)0≤k≤n ,

im Vektorraum Mat(n, n; C) linear abhangig ist.

Aufgabe 21–2:

Es sei A ∈ Mat(3, 3; IR) mit

A =

−5 1 −31 0 1

10 −1 6

.

Zeigen Sie, daß A regular ist. Und berechnen Sie die inverse Matrix A−1 mit Hilfe des charak-teristischen Polynoms pA gemaß Folgerung 21.11 der Vorlesung.

Aufgaben zu § 22

Aufgabe 22–1:

Untersuchen Sie, ob folgende Relationen ∼ Aquivalenzrelationen auf den angegebenen Men-gen M sind:

a) Setze M := IN∗× IN∗ . Fur (a, b), (a′, b′) ∈M sei (a, b) ∼ (a′, b′) genau dann, wenn gilt:

b · a′ · (a+ b′) = b′ · a · (a′ + b) .

b) Setze M := Abb(IN∗, IR) . Fur (an)n≥1 und (bn)n≥1 aus M sei (an)n≥1 ∼ (bn)n≥1 genaudann, wenn gilt: Die Menge n ∈ IN∗ | an = bn ist unendlich.

c) Setze M := Abb(IN∗, IR) . Fur (an)n≥1 und (bn)n≥1 aus M sei (an)n≥1 ∼ (bn)n≥1 genaudann, wenn gilt: Die Menge n ∈ IN∗ | an 6= bn ist endlich.

Page 466: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

458 ANHANG A. UBUNGSAUFGABEN

Aufgabe 22–2:

Untersuchen Sie, ob folgende Relationen ∼ Aquivalenzrelationen sind:

a) Setze M := (a, b, c) | a, b, c ∈ IN∗ ; fur (a, b, c), (a′, b′, c′) ∈M sei

(a, b, c) ∼ (a′, b′, c′) :⇐⇒ c′ a+ c b′ = c a′ + c′ b .

b) Es sei (G, ·) eine Gruppe und U 6= ∅ eine Teilmenge von G mit den Eigenschaften:

(i) Aus x ∈ U folgt: x−1 ∈ U .

(ii) Aus x, y ∈ U folgt: x · y ∈ U .

Fur a, b ∈ G gelte: a ∼ b genau dann, wenn ein x ∈ U existiert mit a = x · b .

Aufgaben zu § 23

Aufgabe 23–1:

Wir betrachten den Korper K := ZZ3 = 0, 1, 2mit drei Elementen, den K–Vektorraum U := K3

und den Untervektorraum W von U mit W := <(1, 2, 0)> .

a) Bestimmen Sie die Anzahl aller Elemente und eine Basis des Quotientenraums U/W .

b) Untersuchen Sie, ob die Vektoren (1, 0, 1)+W und (0, 2, 2)+W in U/W linear unabhangigsind.

c) Ist (x, y, z) ∈ U , so ordnen wir (x, y, z) + W ∈ U/W das Element (x + y , z) ∈ K2 zu.Zeigen Sie:Durch diese Zuordnungsvorschrift wird eine Abbildung f : U/W → K2 definiert. Und fist ein Vektorraum–Isomorphismus von U/W auf K2 .

Aufgaben zu § 24

Aufgabe 24–1:

Es sei A ∈ Mat(n, n; C) eine nilpotente Matrix.Beweisen Sie, daß dann gilt: det (En +A) = 1 .

Aufgabe 24–2:

Gegeben sei die Matrix

A =

−1 1 212 −11 −26−6 5 12

.

Bestimmen Sie eine Matrix S ∈ GL(3; C) so, daß B = S−1 · A · S Jordan’sche Normalform(im Sinne von Bemerkung 21.9) hat.

Page 467: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

Aufgaben zu § 26 459

Aufgabe 24–3:

a) Bestimmen Sie fur jede der Matrizen Ak ∈ Mat(n, n; C) mit 1 ≤ k ≤ 4 die Zahlen m und sgemaß Bemerkung 24.14 der Vorlesung und geben Sie jeweils die Jordan’sche Normalformvon Ak an:

A1 :=

1 1 2 40 1 1 −20 0 1 10 0 0 1

, A2 :=

1 1 2 40 1 0 −20 0 1 10 0 0 1

,

A3 :=

1 1 −2 40 1 0 −20 0 1 10 0 0 1

, A4 :=

1 1 −2 40 1 0 00 0 1 00 0 0 1

.

b) Geben Sie zwei Matrizen an, bei denen zwar m , n und s ubereinstimmen, die aber nichtahnlich sind.Hinweis: Sie durfen benutzen, daß Matrizen in Jordan’scher Normalform nur ahnlich sind,wenn sie durch eine Permutation der Jordan–Kastchen ineinander ubergefuhrt werdenkonnen.

Aufgabe 24–4:

Beweisen Sie:Ist A ∈ Mat(n, n; C) nilpotent mit Ak = 0 fur k ∈ IN∗ , so gilt stets: rg(A) ≤ n− n

k.

Aufgaben zu § 26

Aufgabe 26–1:

Fur n ≥ 2 sei V := Mat(n, n; IR) und sp : V → IR die Spur–Abbildung (aus Definition 6.8).Untersuchen Sie, welche der folgenden Abbildungen si : V ×V → IR mit i = 1, 2 Skalarprodukteauf V sind:

a) s1(A,B) := sp (At ·B) fur A,B ∈ V .

b) s2(A,B) := sp (A ·B) fur A,B ∈ V .

Aufgabe 26–2:

a) Es sei V ein K–Vektorraum und v1, v2, . . . , vn ∈ V sowie s eine Bilinearform auf V . ZeigenSie:Ist A = (αij) ∈ Mat(n, n;K) mit αij := s(vi, vj) regular, so sind v1, v2, . . . , vn linear un-abhangig.

Page 468: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

460 ANHANG A. UBUNGSAUFGABEN

b) Wir betrachten IR3 mit dem kanonischen Skalarprodukt 〈·, ·〉 . Es seien von a, b, c ∈ IR3

folgende Eigenschaften bekannt:

〈a, a〉 = 1 , 〈b, b〉 = 4 , 〈c, c〉 = 9 , 〈a, b〉 = 0 , 〈a, c〉 = −1 , 〈b, c〉 = 2 .

Es sei ferner d ∈ IR3 ein Vektor mit 〈a, d〉 = 〈b, d〉 = 0 und 〈d, d〉 = 7 .Berechnen Sie mit Hilfe dieser Angaben den Wert |〈c, d〉| .

Aufgabe 26–3:

Vorgegeben sei ein Vektorraum V uber IK mit einer symmetrischen Bilinearform bzw. Hermite-schen Form s . Es sei M ein Untervektorraum von V , und es gelte: s(x, x) = 0 fur alle x ∈M .Zeigen Sie: s(x, y) = 0 fur alle x, y ∈M .

Aufgabe 26–4:

Zeigen Sie:

Eine symmetrische Matrix A =(α11 α12

α12 α22

)∈ Mat(2, 2; IR) ist genau dann positiv definit,

wenn gilt: α11 > 0 und detA > 0 .

Aufgabe 26–5:

Von zwei Matrizen S,W ∈ Mat(n, n; IR) sei S symmetrisch und W regular. Zeigen Sie dieAquivalenz folgender Aussagen:

a) S ist positiv definit.

b) W · S ·W t ist positiv definit.

Aufgaben zu § 27

Aufgabe 27–1:

Der Flacheninhalt eines Dreiecks ist bekanntlich das halbe Produkt aus ”Grundseite“ und ”Ho-he“. Dies ubertragen wir in den IRn (versehen mit dem kanonischen Skalarprodukt 〈·, ·〉 ):Es seien A,B,C ∈ IRn mit A 6= B , x := B−A , y := C−B , z := C−A , a := ‖x‖ , b := ‖y‖und c := ‖z‖ . Ist dann P die Orthogonalprojektion von IRn auf <x> , so ist

F :=12a ‖z − P (z)‖

der Flacheninhalt des Dreiecks mit den Eckpunkten A,B,C . Beweisen Sie:

a) Es ist stets 4F 2 = a2 c2 − 〈x, z〉2 .

b) Mit s := a+ b+ c gilt: 16F 2 = s (s− 2 a) (s− 2 b) (s− 2 c) .

Page 469: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

Aufgaben zu § 27 461

Aufgabe 27–2:

Es sei V ein euklidischer oder unitarer Vektorraum und U ein endlich–dimensionaler Untervek-torraum mit Orthonormalbasis (u1, u2, . . . , un) sowie PU die Orthogonalprojektion von V auf U .Zeigen Sie:

a) PU2 = PU , (idV −PU )2 = idV −PU .

b) V = KerPU©⊥ Ker (idV −PU ) = ImPU©⊥ Im (idV −PU ) .

c) Fur alle v ∈ V gilt:‖PU (v)‖2 5 ‖v‖2 ,

wobei das Gleichheitszeichen genau dann steht, wenn v = PU (v) ist.

Aufgabe 27–3:

Sei I := [−1 ; 1 ] und der Vektorraum C(I) := f ∈ Abb(I, IR) | f stetig auf I versehen mitdem Skalarprodukt

〈·, ·〉 : C(I)× C(I)→ IR , (f, g) 7→ 〈f, g〉 :=∫ 1

−1f(t) · g(t) dt .

Orthonormieren Sie die auf I eingeschrankten Monome e0, e1, e2, e3 ∈ C(I) nach dem Verfahrenvon Schmidt–Gram (vgl. Beweis zu Satz 27.10).

Aufgabe 27–4:

Es sei I := [ 0 ; 2π ] und C(I) := f ∈ Abb(I, C) | f stetig auf I ∈ VRC versehen mit demSkalarprodukt

(f, g) 7→ 〈f, g〉 :=∫ 2π

0f(t) · g(t) dt .

Ferner seien ek ∈ C(I) definiert durch ek(x) := eikx fur alle k = 0,±1,±2, . . . ,±n , undTn := <e−n, . . . , e−2, e−1, e0, e1, e2, . . . , en> sei der von diesen Funktionen aufgespannte Unter-vektorraum von C(I) .Bestimmen Sie die Orthogonalprojektion von f ∈ C(I) mit f(x) := x− π auf Tn .

Aufgabe 27–5:

Es sei I := [ 0 ; 1 ] und C(I) := f ∈ Abb(I, IR) | f stetig auf I versehen mit dem Ska-larprodukt

(f, g) 7→ 〈f, g〉 :=∫ 1

0f(t) · g(t) dt .

Und Π sei derjenige Untervektorraum von C(I) , der aus allen Einschrankungen von Polynomenauf I besteht. Zeigen Sie folgende Aussagen:

a) Sind f, g ∈ C(I) und gilt: |f(t)| ≤ b fur alle t ∈ I mit einer Konstanten b ∈ IR , so folgt:

〈f, g〉 ≥ 〈f, f〉 − b ·∫ 1

0|f(t)− g(t)| dt .

Page 470: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

462 ANHANG A. UBUNGSAUFGABEN

b) Zu jedem f ∈ C(I) mit f 6= 0 existiert ein Polynom p ∈ Π mit 〈f, p〉 > 0 .Hinweis: Benutzen Sie ohne Beweis, daß gilt: Zu jedem f ∈ C(I) und jedem ε > 0 exi-stiert ein p ∈ Π mit |f(t)− p(t)| < ε fur alle t ∈ I .

c) Π⊥ = 0 .

Aufgabe 27–6:

Es sei V ein euklidischer bzw. unitarer IK–Vektorraum. Beweisen oder widerlegen Sie:

a) Fur beliebige Untervektorraume U1, U2 ⊂ V gilt:

(U1 + U2)⊥ = U1⊥ ∩ U2

⊥ .

b) Fur beliebige Untervektorraume U1, U2 ⊂ V gilt:

(U1 ∩ U2)⊥ = U1⊥ + U2

⊥ .

c) Ist V endlich–dimensional, so gilt fur beliebige Untervektorraume U1 und U2 von V :

(U1 ∩ U2)⊥ = U1⊥ + U2

⊥ .

Aufgabe 27–7:

Es sei V ein euklidischer oder unitarer Vektorraum und U ein endlich–dimensionaler Untervek-torraum von V . Fur alle v + U ∈ V /U setzen wir:

|||v + U ||| := inf ‖v + u‖ | u ∈ U .

Zeigen Sie, daß ||| · ||| auf dem Quotientenraum V /U wohldefiniert und eine Norm auf V /U ist.Welche geometrische Bedeutung hat |||v + U ||| , wenn V = IR3 (versehen mit dem kanonischenSkalarprodukt) und U ein zweidimensionaler Unterraum des IR3 ist?

Aufgabe 27–8:

Es sei V ein euklidischer Vektorraum und B := v ∈ V | ‖v‖ ≤ 1 . Ferner sei v0 ∈ V einEinheitsvektor, also ‖v0‖ = 1 . Zeigen Sie:Es gibt genau einen Unterraum U von V mit codimV U = 1 und (v0 + U) ∩B = v0 .

Aufgabe 27–9:

Es sei V ein euklidischer Vektorraum. Fur v1, v2, . . . , vk ∈ V sei

B(v1, v2, . . . , vk) := (〈vi, vj〉)1≤i,j≤k ∈ Mat(k, k; IR)und G(v1, v2, . . . , vk) := detB(v1, v2, . . . , vk) .

Beweisen Sie:

Page 471: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

Aufgaben zu § 27 463

a) Es ist G(v1, v2, . . . , vk) = 0 fur alle v1, v2, . . . , vk ∈ V .Und G(v1, v2, . . . , vk) = 0 gilt genau dann, wenn v1, v2, . . . , vk linear abhangig sind.

b) Es seien u1, u2, . . . , un ∈ V beliebige Vektoren und U der von (u1, u2, . . . , un) erzeugteUnterraum sowie v ∈ V ein weiterer Vektor.

Ist dann PU (v) =n∑k=1

ck uk , so folgt: B(u1, u2, . . . , un) ·

c1

c2...cn

=

〈v, u1〉〈v, u2〉

...〈v, un〉

.

Aufgabe 27–10:

Wir verwenden die Bezeichnungen aus Aufgabe 27–9.Sind a1, a2, . . . , ak ∈ V linear unabhangig, so heißt

P (a1, a2, . . . , ak) := k∑i=1

αi ai∣∣∣ αi ∈ [ 0 ; 1 ] fur i = 1, 2, . . . , k

das von a1, a2, . . . , ak erzeugte k-dimensionale Parallelotop. Sein Inhalt I(a1, a2, . . . , ak) wirdinduktiv erklart nach dem Prinzip: (k−1)-dimensionaler Inhalt der ”Grundflache“ mal ”Hohe“;dabei ist

I(a1) := ‖a1‖ fur k = 1 ,I(a1, a2, . . . , ak) := I(a1, a2, . . . , ak−1) · ‖ak − PU (ak)‖ fur k ≥ 2

und U := <a1, a2, . . . , ak−1> ⊂ V .

a) Beweisen Sie:

(1) Sind a1, a2, . . . , ak ∈ V linear unabhangig, so gilt:(I(a1, a2, . . . , ak))

2 = G(a1, a2, . . . , ak) .(2) Sind a1, a2, . . . , an ∈ V fur V = IRn linear unabhangig, dann gilt:

I(a1, a2, . . . , an) = |det(a1, a2, . . . , an) | .

b) Im Fall V = IR2 und k = 2 spezialisieren sich alle Begriffe auf elementargeometrischbekannte Regeln. Verifizieren Sie, daß die Formeln aus Teil a) mit diesen bekannten Regelnubereinstimmen.

Aufgabe 27–11:

Gegeben seien x, y ∈ IR3 und 〈·, ·〉 als kanonisches Skalarprodukt auf IR3 . Beweisen Sie:

a) Es existiert genau ein u ∈ IR3 mit 〈u, z〉 = det(x, y, z) fur alle z ∈ IR3 .

b) Fur das u aus Teil a) gilt: ‖u‖2 = ‖x‖2 · ‖y‖2 − 〈x, y〉2 .

Aufgabe 27–12:

Es seien V ein euklidischer oder unitarer Vektorraum und v1, v2, . . . , vn ∈ V Einheitsvektoren.Zeigen Sie die Aquivalenz folgender Aussagen:

a) Die Familie (vk)k=1,2,...,n bildet eine Orthonormalbasis von V .

b) Es gilt: ‖x‖2 =n∑k=1|〈x, vk〉|2 fur alle x ∈ V .

Page 472: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

464 ANHANG A. UBUNGSAUFGABEN

Aufgaben zu § 28

Aufgabe 28–1:

Fur a < b aus IR sei der Vektorraum

C[ a ; b ] := f ∈ Abb([ a ; b ], IR) | f stetig auf [ a ; b ]

versehen mit dem Skalarprodukt

(f, g) 7→ 〈f, g〉 :=∫ b

af(t) · g(t) dt .

Es sei q : [ 2 ; 4 ]→ [ 0 ; 1 ] die Funktion mit q(x) :=x

2−1 . Wir betrachten die lineare Abbildung

F : C[ 0 ; 1 ]→ C[ 2 ; 4 ] mit F (f) := f q .

Bestimmen Sie die zu F adjungierte Abbildung, falls F ∗ existiert.

Aufgabe 28–2:

Es sei I := [ 0 ; 1 ] und C(I) der euklidische Vektorraum aus Aufgabe 27–5.Ein Endomorphismus F von C(I) sei gegeben durch

F (f)(t) := 2 t · f(t2) fur alle t ∈ I und f ∈ C(I) .

Falls moglich, bestimmen Sie den zu F adjungierten Endomorphismus F ∗ .

Aufgabe 28–3:

In Abb(IN∗, IR) betrachten wir die Elemente ek := (δk,n)n≥1 (mit dem Kronecker–Symbol δk,n )und f := ( 1

n)n≥1 sowie die Untervektorraume V := <(ek)k≥1> und W := V + <f> . Aufdem Summenraum W (und damit auch auf V ) sei ein Skalarprodukt definiert durch

〈a, b〉 :=∞∑n=1

an · bn

fur alle a = (an)n≥1 und b = (bn)n≥1 aus W . (Dies braucht nicht gezeigt zu werden.)Beweisen oder widerlegen Sie:

a) Die Familie (ek)k≥1 kann zu einer Orthonormalbasis von W erganzt werden.

b) Die ”Einbettung“ F : V → W mit F (a) = a fur alle a ∈ V besitzt eine adjungierteAbbildung F ∗ : W → V .

Page 473: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

Aufgaben zu § 29 465

Aufgabe 28–4:

a) Es sei V ein endlich–dimensionaler euklidischer Vektorraum mit Skalarprodukt 〈·, ·〉 . Furein v ∈ V sei ΦV (v) : V → IR definiert durch

(ΦV (v))(w) := 〈w, v〉 fur alle w ∈ V .

Zeigen Sie: Die Abbildung ΦV ist ein Isomorphismus von V auf den Dualraum V ∗ .

b) Es seien zwei endlich–dimensionale euklidische Vektorraume V und W und ein Homomor-phismus F ∈ HomIR(V,W ) vorgegeben. Mit den gemaß Teil a) definierten Abbildungen ΦV

und ΦW kann ein Zusammenhang zwischen der zu F adjungierten und der zu F dualenAbbildung hergestellt werden.Wie lautet dieser Zusammenhang? (Beweisen Sie Ihre Behauptung.)

Aufgabe 28–5:

Wir verwenden die Bezeichnungen aus Aufgabe 27–5.Es sei F : Π→ C(I) die Einbettung des Unterraums Π in C(I) , d. h. F (p) := p fur alle p ∈ Π ;ferner sei (p1, p2, . . . ) eine Orthonormalbasis von Π sowie exp die Exponentialfunktion. ZeigenSie folgende Aussagen:

a) Unter der Annahme, daß die adjungierte Abbildung F ∗ : C(I) → Π existiert, gibt es einn ∈ IN∗ mit 〈F ∗(exp), pν〉 = 0 fur alle ν ≥ n .

b) Es existiert ein k ≥ n mit 〈exp, pk〉 6= 0 .

c) Zu F existiert keine adjungierte Abbildung.

Aufgabe 28–6:

Es sei V ∈ VRC mit dimC V = n und B = (v1, v2, . . . , vn) eine Basis von V sowie eine Ma-

trix A ∈ Mat(n, n; C) gegeben. Fur v =n∑i=1

xi vi und w =n∑i=1

yi vi mit Koordinaten xi, yi ∈ C

bezuglich B definieren wir sA : V × V → C durch

sA(v, w) := (x1, x2, . . . , xn) ·A · (y1, y2, . . . , yn)H

(wie im Beweis zu Lemma 26.5 der Vorlesung). Beweisen Sie:Die Abbildung sA ist genau dann ein Skalarprodukt auf V , wenn A Hermite’sch ist und nurpositive Eigenwerte besitzt.

Aufgaben zu § 29

Aufgabe 29–1:

Bestimmen Sie die Spektralzerlegung der Matrix

A =

1 5 −35 1 −3−3 −3 9

.

Page 474: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

466 ANHANG A. UBUNGSAUFGABEN

Aufgabe 29–2:

Es sei n ∈ IN∗ und X ∈ Mat(n, n; IR) schiefsymmetrisch. Zeigen Sie:

a) Es gilt: (En −X) ∈ GL(n; IR) .

b) A := (En −X)−1 · (En +X) ist eine orthogonale Matrix mit detA = 1 .

Aufgabe 29–3:

a) Es sei n ∈ IN und A ∈ SO(n) mit (A+ En) ∈ GL(n; IR) . Zeigen Sie:Es gibt genau eine Matrix X ∈ Mat(n, n; IR) mit (En−X) ·A = En +X , und diesesX ist schiefsymmetrisch.

b) Alle schiefsymmetrischen Matrizen X ∈ Mat(2, 2; IR) konnen mit einem Eintrag δ ∈ IRals

X =

(0 δ−δ 0

)dargestellt werden. Aus Teil a) und Aufgabe 29–2 ergibt sich eine solche ”Parameterdar-stellung“ fur fast alle A ∈ SO(2) .Bestimmen Sie diese Darstellung und alle ihre Ausnahmen.

Aufgabe 29–4:

Es sei V ein euklidischer Vektorraum der endlichen Dimension n ≥ 2 und P ∈ V ein Vektormit ‖P‖ > 1 sowie S := v ∈ V | ‖v‖ = 1 die ”Einheitssphare“. Beweisen Sie:

a) Ist H eine affine Hyperebene in V mit P ∈ H und gilt: H ∩ S = x fur ein x ∈ S , sofolgt: 〈x, P 〉 = 1 .

b) Ist x ∈ S und 〈x, P 〉 = 1 , so gibt es genau eine affine Hyperebene H in V mit P ∈ Hund H ∩ S = x .

c) Es gibt mindestens einen Einheitsvektor x ∈ S mit 〈x, P 〉 = 1 .

Aufgabe 29–5:

Gibt es Matrizen A,B,C,D mit folgenden Eigenschaften?

a) A ∈ Mat(2, 2; IR) ist normal, nicht diagonalisierbar, nicht orthogonal.

b) B ∈ Mat(2, 2; IR) ist diagonalisierbar, normal, nicht symmetrisch.

c) C ∈ Mat(2, 2; IR) ist diagonalisierbar, nicht normal, nicht symmetrisch.

d) D ∈ Mat(2, 2; C) ist normal, nicht Hermite’sch, nicht unitar.

Geben Sie jeweils entweder ein Beispiel an (mit Nachweis der Eigenschaften), oder zeigen Sie,daß eine solche Matrix nicht existieren kann.

Page 475: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

Aufgaben zu § 30 467

Aufgabe 29–6:

Wir betrachten den IRn mit dem kanonischen Skalarprodukt 〈·, ·〉 ; es seien αij ∈ IR Koeffizientenmit 1 ≤ i, j ≤ n . Zeigen Sie, daß die beiden folgenden Aussagen zueinander aquivalent sind:

a) Es gibt Vektoren x1, x2, . . . , xn ∈ IRn mit αij = 〈xi, xj〉 fur alle 1 ≤ i, j ≤ n .

b) Die Matrix A := (αij) ∈ Mat(n, n; IR) ist symmetrisch und positiv semidefinit, d. h. esgilt: x ·A · xt = 0 fur alle x ∈ IRn .

Aufgabe 29–7:

Es sei V ∈ VRC unitar mit dimC V = n und F ein normaler Endomorphismus auf V . ZeigenSie, daß gilt:Hat jeder Eigenwert λ von F den Absolutbetrag |λ| = 1 , so ist F stets unitar.

Aufgaben zu § 30

Aufgabe 30–1:

Wir betrachten den IR3 mit dem kanonischen Skalarprodukt 〈·, ·〉 . Fur alle a ∈ IR3 mit ‖a‖ = 1definieren wir eine Abbildung Sa : IR3 → IR3 durch Sa(v) := v − 2 a · at · v . Zeigen Sie:

a) Sa definiert eine Spiegelung.

b) Fur jede Matrix T ∈ O(3) gilt: T · Sa · T t = ST ·a .

c) Sind zwei Vektoren u, v ∈ IR3 verschieden mit ‖u‖ = ‖v‖ , dann existiert eine orthogonaleMatrix T ∈ O(3) mit T · u = v und T · v = u .

Aufgabe 30–2:

Es sei 〈·, ·〉 wieder das kanonische Skalarprodukt auf dem IR3 . Beweisen Sie:

a) Fur beliebige Spaltenvektoren a, b, c ∈ IR3 gilt: det(a, b, c) = 〈a× b , c〉 .(Das Vektorprodukt × wurde definiert in Beispiel 22.6 der Vorlesung.)

b) Fur A ∈ Mat(3, 3; IR) und a, b ∈ IR3 gilt: At · ((A · a)× (A · b)) = (detA) (a× b) .

c) Fur T ∈ O(3) und a, b ∈ IR3 gilt: T · (a× b) = (detT ) ((T · a)× (T · b)) .

Aufgabe 30–3:

Beweisen Sie folgende Aussagen:

a) Haben u, v ∈ IRn gleiche (kanonische) Norm ‖u‖ = ‖v‖ , so existiert stets ein T ∈ O(n)mit T · u = v und T · v = u .

b) Ist F ein orthogonaler Endomorphismus im IRn mit F 6= idIRn , dann ist F Produkt vonhochstens n Spiegelungen.

Page 476: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

468 ANHANG A. UBUNGSAUFGABEN

Aufgabe 30–4:

Es sei V ein endlich–dimensionaler euklidischer Vektorraum, es seien a, b ∈ V linear unabhangigmit ‖a‖ = ‖b‖ = 1 , und U sei der von (a, b) erzeugte Untervektorraum von V . Mit Sa bzw. Sbbezeichnen wir die Spiegelungen an <a>⊥ bzw. an <b>⊥ . Zeigen Sie:

a) Es gilt: (Sa Sb)|U⊥ = idU⊥ .

b) Die Abbildung (Sa Sb)|U ist eine Drehung; fur deren Drehwinkel γ gilt:

cos γ = 2 〈a, b〉2 − 1 .

Aufgabe 30–5:

Wir betrachten die reelle Matrix

A :=14

3 −1 −√

6−1 3 −

√6√

6√

6 2

.

a) Zeigen Sie, daß durch A eine Drehung im IR3 induziert wird.

b) Bestimmen Sie die Drehachse und den Drehwinkel γ fur 0 ≤ γ ≤ π .

c) Berechnen Sie zugehorige Euler’sche Winkel und stellen Sie A in der in Bemerkung 30.7angegebenen Form dar. (Dabei betrachte man die Drehung entgegen dem Uhrzeigersinn.)

Aufgabe 30–6:

a) Es seien a, b ∈ IR3 zwei linear unabhangige Vektoren. Zeigen Sie:Es gibt genau ein c ∈ IR3 , das folgende drei Bedingungen erfullt:

(1) 〈a, c〉 = 〈b, c〉 = 0 .

(2) ‖c‖2 = ‖a‖2 ‖b‖2 − 〈a, b〉2 .

(3) det(a, b, c) ≥ 0 .

b) Beweisen Sie:Fur beliebige (nicht notwendig linear unabhangige) Vektoren a, b ∈ IR3 erfullt das Vek-torprodukt c = a× b die Bedingungen (1) – (3) aus Teil a).

c) Zeigen Sie:Ist A = (αij) ∈ SO(3) eigentlich orthogonal, so gilt: α11 = α22 α33 − α32 α23 .Es gibt insgesamt neun solcher Gleichungen. Wie lauten die acht anderen?

Page 477: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

Aufgaben zu § 31 469

Aufgabe 30–7:

Fur beliebige A = (αij) ∈ Mat(3, 3; IR) setze manrotA := (α32 − α23 , α13 − α31 , α21 − α12)t ∈ IR3 .

Zeigen Sie:

a) Fur alle A ∈ Mat(3, 3; IR) und alle T ∈ SO(3) gilt: rot (T−1 ·A · T ) = T−1 · rotA .

b) Beschreibt A ∈ SO(3) eine Drehung, so ist rotA ein Vektor, welcher bei der Drehung festbleibt. Mit dem Drehwinkel ϕ gilt: ‖ rotA ‖ = 2 | sinϕ| .

Aufgaben zu § 31

Aufgabe 31–1:

Ist A ∈ Mat(n, n; C) eine quadratische Matrix und x ∈ Cn \ 0 ein Spaltenvektor, so heißtdie komplexe Zahl

RA(x) :=xH ·A · xxH · x

der Rayleigh–Quotient115 von A.Hier sei A als Hermite’sch vorausgesetzt.Zeigen Sie, daß dann fur die Eigenwerte λi ∈ IR von A mit λ1 ≥ λ2 ≥ . . . ≥ λn und diezugehorigen Eigenvektoren x1, x2, . . . , xn ∈ Cn \ 0 gilt:

a) RA(x) ∈ IR fur alle x ∈ Cn \ 0 .

b) λi = RA(xi) fur jedes i = 1, 2, . . . , n .

c) λ1 = maxx∈Cn\0

RA(x) ∧ λn = minx∈Cn\0

RA(x) .

Aufgabe 31–2:

Wir betrachten eine symmetrische Matrix A = (αij) ∈ Mat(3, 3; IR) .

a) Bestimmen Sie alle moglichen Typen (k, l) von A (bestehend aus dem Tragheits–Index kund dem Morse–Index l ) im Fall:

(i) detA > 0 ,

(ii) detA < 0 bzw.

(iii) detA = 0 .

b) Zeigen Sie, daß gilt:

Ist α11 > 0 und det(α11 α12

α12 α22

)= 0 , so folgt: detA ≤ 0 .

115John William Strutt Lord Rayleigh, englischer Physiker (?12.11.1842, †30.06.1919)

Page 478: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

470 ANHANG A. UBUNGSAUFGABEN

Aufgabe 31–3:

Transformieren Sie folgende Quadriken des IR2 auf Normalform (wie in Beispiel 31.9) und fertigenSie jeweils eine Skizze an:

a) Q1 = (x, y) ∈ IR2 | 9x2 + 16 y2 − 24x y − 8x− 31 y + 19 = 0 .

b) Q2 = (x, y) ∈ IR2 | 2x2 − 4x y + 5 y2 + 4x− 10 y − 31 = 0 .

Aufgabe 31–4:

Fur den Winkel α ∈ IR mit 0 < α < π4 betrachten wir folgende Geraden im IR2 :

gα := (x, y) ∈ IR2 | y = (3 + x) · tanα ,hα := (x, y) ∈ IR2 | y = (3− x) · tan 2α .

a) Zeigen Sie:Fur jedes α ∈ ] 0 ; π4 [ haben gα und hα genau einen Schnittpunkt Pα .

b) Beweisen Sie, daß die Menge H := Pα | 0 < α < π4 in einer Quadrik Q des IR2

enthalten ist, und bestimmen Sie eine Gleichung fur dieses Q .

c) Fertigen Sie eine Skizze von H und Q sowie von einigen der Geraden an. Erortern Sie kurz(und ohne Beweis), wie sich die Situation andert, wenn α /∈ ] 0 ; π4 [ vorausgesetzt wird.

Aufgabe 31–5:

Gegeben seien die windschiefen Geraden G1 und G2 im IR3 durch die ParameterdarstellungenG1 : x(t) = (t, 0, 0) fur t ∈ IR und G2 : y(t) = (0, t, 1) fur t ∈ IR .

Fur jedes t ∈ IR legen wir eine Gerade gt durch den Punkt x(t) von G1 und den Punkt y(t)von G2 ; dadurch entsteht eine Schar (gt)t∈IR von Geraden.Zeigen Sie, daß die Menge x ∈ IR3 | x ∈ gt fur ein t ∈ IR eine Quadrik des IR3 ist.

Aufgabe 31–6:

Im IR3 seien folgende Punkte gegeben:

Pt := (cos t, sin t, 0) mit t ∈ IR und Rs := (cos s, sin s, 1) mit s ∈ IR .

Fur jedes t ∈ IR bezeichne gt diejenige Gerade im IR3 , welche die Punkte Pt und Rt+π2

enthalt.Zeigen Sie, daß Q =

⋃t∈IR

gt eine Quadrik des IR3 darstellt.

Page 479: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

Aufgaben zu § 32 471

Aufgabe 31–7:

Wir betrachten auf IR2 das kanonische Skalarprodukt 〈·, ·〉 und die zugehorige Norm ‖·‖ . ZeigenSie folgende Aussagen:

a) Die Menge M = x ∈ IR2 | ‖x− e1‖ = 〈x, e1〉+ 1 ist eine Quadrik im IR2 .

b) Fur jedes α > 1 ist Nα = x ∈ IR2 | ‖x+ e1‖+ ‖x− e1‖ = 2α eine Quadrik im IR2 .

c) Fur jedes α ∈ ] 0 ; 1 [ ist die Menge

Qα = x ∈ IR2 | ‖x+ e1‖ − ‖x− e1‖ = 2α

in einer Quadrik des IR2 enthalten. Auch der ”Rest“ dieser Quadrik kann ahnlich beschrie-ben werden.

Aufgabe 31–8:

Gegeben sei l = a+ b mit festen a > 0 und b > 0 . Im IR2 betrachten wir (x, 0) und (0, y) mitx ≥ 0 und y ≥ 0 und x2 + y2 = l2 . Es sei P (x, y) ∈ IR2 der Punkt auf der Strecke von (x, 0)nach (0, y) mit Abstand a von (x, 0) . Zeigen Sie:Die Menge P (x, y) | 0 ≤ x ≤ l ∧ 0 ≤ y ≤ l liegt in einer Quadrik des IR2 .

Aufgaben zu § 32

Aufgabe 32–1:

Es sei A................................................... = (M,V, →) ein affiner Raum uber IR und L ⊂ M eine Teilmenge. Beweisen oder

widerlegen Sie:

Ist die Menge −→PQ | P,Q ∈ L ein Untervektorraum von V , so ist L ein affiner Unterraum

von A................................................... .

Aufgabe 32–2:

Es sei A................................................... = (M,V, →) ein affiner Raum uber dem Korper K und P ∈ M ein affiner Punkt.

Sei nun U die Gesamtheit aller Untervektorraume von V und M die Gesamtheit aller affinenUnterraume von M , die den Punkt P enthalten. Fur L ∈M bezeichne Φ(L) den Differenzraumvon L . Zeigen Sie:

a) Φ ist eine bijektive Abbildung von M nach U .

b) Genau dann ist L1 ein affiner Unterraum von L2 (mit L1, L2 ∈ M ), wenn Φ(L1) einUntervektorraum von Φ(L2) ist.

Page 480: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

472 ANHANG A. UBUNGSAUFGABEN

Aufgabe 32–3:

Drei Punkte P1, P2, P3 ∈M seien in einem reellen affinen Raum A................................................... = (M,V, →) der Dimensi-

on dimIR A................................................... = 2 affin unabhangig. Ferner sei Pi′ der Mittelpunkt von Pj und Pk fur paarweise

verschiedene i, j, k ∈ 1, 2, 3 . Zeigen Sie:

a) Die drei Verbindungsgeraden Pi∨Pi′ mit i = 1, 2, 3 haben genau einen Punkt S gemeinsam.

b) Die drei Teilverhaltnisse TV(Pi, S, Pi′) mit i = 1, 2, 3 sind gleich.

Aufgabe 32–4:

Es sei A................................................... = (K2,K2, →) der endliche affine Raum uber dem Korper K := ZZ3 = 0, 1, 2 mit

drei Elementen.Bestimmen Sie alle Geraden in A...........................................

........ , und skizzieren Sie das Ergebnis in der Ebene IR2 .

Hinweis: Man identifiziere die Punkte (i, j) ∈ K2 mit (i, j) ∈ IR2 .

Aufgabe 32–5:

Gegeben seien im affinen Raum A................................................... = (IR2, IR2, →) drei nicht–kollineare Punkte P1, P2, P3 ∈ IR2 .

Zeigen Sie, daß sich die Seitenhalbierenden im Dreieck P1P2P3 in genau einem Punkt schneiden.

Aufgaben zu § 33

Aufgabe 33–1:

Beweisen Sie Satz 33.4 der Vorlesung:Fur eine affine Abbildung f : M → N gilt stets:

a) Ist L ein affiner Unterraum von M , so ist das Bild f(L) ein affiner Unterraum von N .

b) Ist L′ ein affiner Unterraum von N , so ist das Urbild−1f (L′) ein affiner Unterraum von M .

Aufgabe 33–2:

Es sei A................................................... = (M,V, →) ein affiner Raum uber K und f : M →M eine Affinitat. Zeigen Sie:

a) f ist genau dann eine Dilatation, wenn fur jede Gerade L ⊂ M die Bildgerade f(L)parallel zu L ist.

b) Ist f eine Dilatation mit zwei sogenannten Fixpunkten P,Q ∈ M , d. h. mit f(P ) = Pund f(Q) = Q fur P 6= Q , so ist f = idM .

Page 481: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

Aufgaben zu § 34 473

Aufgabe 33–3:

Es sei V ein euklidischer Vektorraum; die (nicht notwendig lineare) Abbildung F : V → V seilangentreu, d. h. es gelte:

‖F (u)− F (v)‖ = ‖u− v‖ fur alle u, v ∈ V .

Ferner sei die Abbildung f : V → V definiert durch f(x) := F (x)− F (0) fur alle x ∈ V .Zeigen Sie:

a) Es gilt: 〈f(x), f(y)〉 = 〈x, y〉 fur alle x, y ∈ V .

b) Die Abbildung f ist IR–linear.

Aufgaben zu § 34

Aufgabe 34–1:

Zeigen Sie folgende Aussagen:

a) Ist A ∈ Mat(3, 3; IR) eine symmetrische Matrix mit pA′(0) ≥ 0 und

Q = x ∈ IR3 | (x′)t ·A′ · x′ = 0

ein ein- oder zweischaliges Hyperboloid, so gilt: detA · sp(A) < 0 .

b) Ist Q = x ∈ IR3 | (x′)t · A′ · x′ = 0 eine Quadrik im IR3 mit rg(A′) = 4 , rg(A) = 2und pA

′(0) < 0 , dann stellt Q ein hyperbolisches Paraboloid dar.

Hinweis: Fur alle A ∈ Mat(n, n; IR) gilt: pA′(0) = (−1)n−1 · sp(A ) (gemaß Aufgabe 19–5a).

Aufgabe 34–2:

Es sei Q = x ∈ IRn | (x′)t ·A′ · x′ = 0 eine Quadrik im IRn , wobei A = (αij) ∈ Mat(n, n; IR)die zu Q gehorige symmetrische Matrix und A′ = (αij)0≤i,j≤n ∈ Mat(n+1, n+1; IR) die erwei-terte Matrix zu A sowie x′ ∈ IRn+1 der erweiterte Spaltenvektor zu x ∈ IRn ist.Ein Punkt m ∈ IRn heißt ein Mittelpunkt von Q, falls gilt:

m ·A+ (α01, α02, . . . , α0n) = 0 .

a) Zeigen Sie:Q ist symmetrisch bezuglich m , d. h. fur alle x ∈ IRn gilt: x ∈ Q genau dann, wenn auch(2m− x) ∈ Q ist.

b) Hat Q genau einen Mittelpunkt m , so heißt die Menge

K := x ∈ IRn | (x−m) ·A · (x−m)t = 0

der Asymptotenkegel von Q.Bestimmen Sie alle ”Typen“ von Quadriken des IR3 mit genau einem Mittelpunkt m , furdie K 6= m gilt.

c) Berechnen Sie Mittelpunkt m und Asymptotenkegel K fur die Quadrik

Q = (x, y) ∈ IR2 | 3x2 + 18x y − 48 y2 − 6x− 132 y − 54 = 0 .

Page 482: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

474 ANHANG A. UBUNGSAUFGABEN

Aufgabe 34–3:

Es sei Q = x ∈ IRn | (x′)t · A′ · x′ = 0 eine Quadrik im IRn , x0 ∈ Q ein Punkt undTx0 := x ∈ IRn | (x0

′)t ·A′ · x′ = 0 . Zeigen Sie:Wenn Tx0 eine Hyperebene im IRn ist, dann gilt fur jede Gerade g ⊂ Tx0 mit x0 ∈ g :

g ∩Q = x0 oder g ∩Q = g .

Aufgabe 34–4:

Es sei Q ⊂ IRn eine Quadrik mit Q = x ∈ IRn | (x′)t ·A′ · x′ = 0 wie in Aufgabe 34–2.

a) Es sei a ∈ IRn ein fester Punkt mit a · A · at 6= 0 . Fur (mindestens) ein x0 ∈ IRn habedie Gerade

g = x ∈ IRn | x = x0 + t a fur t ∈ IR

genau zwei Schnittpunkte px0 6= qx0 mit Q , und es sei rx0 := 12 (px0 +qx0) der Mittelpunkt

der so entstandenen ”Sehne“. Zeigen Sie:Es gibt eine Hyperebene Ea im IRn , in der alle ”Sehnenmittelpunkte“ rx0 liegen.

b) Ist m ein Mittelpunkt der Quadrik Q , so liegt m fur alle a gemaß Teil a) auf der Hyper-ebenen Ea .

Aufgabe 34–5:

Zu einer Quadrik Q im IRn mit n ≥ 3 gehore die symmetrische Matrix A ∈ Mat(n, n; IR) .

a) Zeigen Sie:Wenn Q eine Gerade enthalt, kann A weder positiv noch negativ definit sein.

b) Geben Sie ein Beispiel fur eine Quadrik Q des IR3 an, die keine Gerade enthalt und beider A weder positiv noch negativ definit ist.

Aufgabe 34–6:

Es sei Q = x ∈ IRn | (x′)t · A′ · x′ = 0 eine Quadrik im IRn . Ferner sei x0 ∈ Q ein Punktauf Q , a ∈ IRn \ 0 ein ”Richtungsvektor“ und g := x ∈ IRn | x = x0 + t a mit t ∈ IR eineGerade. Die Gerade g heißt Tangente an Q in x0, wenn gilt:

(1) g ⊂ Q oder: (2) Q ∩ g = x0 ∧ a ·A · at 6= 0 .

a) Zeigen Sie:Ist g Tangente an Q in x0 , so gilt: (x0

′)t ·A′ · x′ = 0 fur alle x ∈ g .

b) Geben Sie ein Beispiel fur eine Quadrik Q des IR2 mit rg(A′) = 3 und eine Gerade gim IR2 an, bei denen Q ∩ g = x0 gilt und g keine Tangente an Q in x0 ist.

Page 483: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

Aufgaben zu § 34 475

Aufgabe 34–7:

Fur eine Matrix A = (αij) ∈ Mat(3, 3; IR) sei

τ(A) :=

∣∣∣∣∣ α11 α12

α21 α22

∣∣∣∣∣+∣∣∣∣∣ α11 α13

α31 α33

∣∣∣∣∣+∣∣∣∣∣ α22 α23

α32 α33

∣∣∣∣∣ .Beweisen Sie folgende Aussagen:

a) Sind A,B ∈ Mat(3, 3; IR) ahnlich, so gilt: τ(A) = τ(B) .

b) Ist A ∈ Mat(3, 3; IR) symmetrisch mit τ(A) ≥ 0 und Q = x ∈ IR3 | (x′)t · A′ · x′ = 0ein ein- oder zweischaliges Hyperboloid, dann gilt: detA · sp(A) < 0 .

Aufgabe 34–8:

Klassifizieren Sie die Quadrik Q ⊂ IR3 , welche durch die Gleichung

3x2 + 2 y2 + z2 + 4x y + 2x z + 2x+ 3 = 0

beschrieben wird.

Aufgabe 34–9:

Fur eine quadratische Matrix A ∈ Mat(n, n; C) betrachten wir den Rayleigh–Quotienten RA(x)fur x ∈ Cn \ 0 gemaß Aufgabe 31–1. Dann heißt die Menge

ω(A) := RA(x) | x ∈ Cn \ 0 ⊂ C

der numerische Wertebereich von A. Beweisen oder widerlegen Sie:

a) Es gilt: ω(En) = 1 .

b) Aus ω(A) = 1 folgt notwendig: A = En .

c) Fur alle A ∈ Mat(n, n; C) und alle S ∈ U(n) gilt: ω(SH ·A · S) = ω(A) .

d) Ist P ∈ Mat(n, n; C) eine Hermite’sche Matrix mit P 6= 0 und P 6= En sowie P 2 = P ,dann gilt: ω(P ) = [ 0 ; 1 ] .

Aufgabe 34–10:

Wir ubernehmen die Bezeichnungen aus Aufgabe 34–9. Beweisen oder widerlegen Sie:

a) Fur alle A ∈ Mat(n, n; C) und alle α, β ∈ C gilt: ω(αA+ β En) = αω(A) + β .

b) Ist n = 2 und A =(

0 01 0

), so gilt: ω(A) = z ∈ C | |z| ≤ 1

2 .

Page 484: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

476 ANHANG A. UBUNGSAUFGABEN

Aufgaben zu § 36

Aufgabe 36–1:

Beweisen oder widerlegen Sie folgende Aussagen:Fur beliebige Teilmengen A,B ⊂ IRn gilt:

a) kon(A ∪B) ⊂ konA ∪ konB .

b) kon(A ∪B) ⊃ konA ∪ konB .

c) kon(A ∩B) ⊂ konA ∩ konB .

d) kon(A ∩B) ⊃ konA ∩ konB .

Aufgabe 36–2:

Es sei B := x ∈ IRn | ‖x‖ ≤ 1 (mit der euklidischen Norm auf dem IRn ).Zeigen Sie, daß B konvex ist. Und bestimmen Sie alle Extremalpunkte von B .

Aufgabe 36–3:

Es seiS := (x, y, 0) ∈ IR3 | x2 + y2 = 2x ∪ e3 ∪ −e3

und K := (x, y, z) ∈ IR3 | x2 + y2 ≤ 2x (1− |z|) ∧ |z| ≤ 1 .

Zeigen Sie, daß gilt: K = kon(S) .

Aufgaben zu § 37

Aufgabe 37–1:

Es sei K ⊂ IRn ein konvexe Menge und x ∈ IRn \K . Widerlegen oder beweisen Sie:

a) Es gilt: kon(x ∪K) = λx+ µ y | λ, µ ≥ 0 ∧ λ+ µ = 1 ∧ y ∈ K .

b) Ist p ∈ IRn ein Extremalpunkt von kon(x∪K) , so ist p = x oder p ein Extremalpunktvon K .

c) Jeder Extremalpunkt von K ist zugleich Extremalpunkt von kon(x ∪K) .

Aufgabe 37–2:

Die Voraussetzungen seien wie in Aufgabe 36–3 gegeben. Zeigen Sie:Die Menge aller Extremalpunkte von K ist gleich S \ 0 .

Page 485: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

Aufgaben zu § 39 477

Aufgabe 37–3:

Es sei K ⊂ IRn eine nichtleere konvexe Menge und ext(K) die Menge aller Extremalpunktevon K . Beweisen oder widerlegen Sie folgende Behauptungen:

a) Ist K abgeschlossen, so gilt: kon(ext(K)) = K .

b) Ist K beschrankt, dann gilt: kon(ext(K)) = K .

Aufgabe 37–4:

Es sei M := (x, y, z) ∈ IR3 | (x− 1)2 + y2 ≤ 1 ∧ z = 0 und K := kon(M ∪ e3 ∪ −e3) .Zeigen Sie:

a) Es gilt: K = (x, y, z) ∈ IR3 | |z| ≤ 1 ∧ (x− (1− |z|))2 + y2 ≤ (1− |z|)2 .

b) Ist ext(K) die Menge der Extremalpunkte von K , so gilt:

ext(K) = (x, y, z) ∈ IR3 \ 0 | (x− 1)2 + y2 = 1 ∧ z = 0 ∪ e3 , −e3 .

c) Ist ext(K) abgeschlossen? (Begrunden Sie Ihre Antwort.)

Aufgabe 37–5:

Wir setzen Pn :=x ∈ IRn

∣∣∣ n∑i=1

xi = 1 ∧ xi ≥ 0 fur alle i = 1, 2, . . . , n

.

a) Beweisen Sie, daß Pn konvex und kompakt ist.

b) Bestimmen Sie alle Extremalpunkte von Pn .

Aufgaben zu § 39

Aufgabe 39–1:

Losen Sie die lineare Optimierungsaufgabe

Φ(x, y, z) := x+ 2 y + 4 z = Max!

unter den Nebenbedingungenx ≤ 2 ,

x+ y + 2 z ≤ 4 ,3 y + 4 z ≤ 6

und den Vorzeichenbedingungen x, y, z ≥ 0 mit dem Simplex–Algorithmus bei Anfangsek-ke (0, 0, 0)t .

Page 486: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

478 ANHANG A. UBUNGSAUFGABEN

Aufgaben zu § 42

Aufgabe 42–1:

Es sei G eine Gruppe und Gi seien zwei Untergruppen von G mit Gi 6= G fur i = 1, 2 .Zeigen Sie, daß gilt: G1 ∪G2 6= G .Gilt die analoge Aussage auch fur drei Untergruppen Gi ? (Fuhren Sie den Beweis oder nennenSie ein Gegenbeispiel.)

Aufgabe 42–2:

Es sei G eine Gruppe und U 6= ∅ eine Teilmenge von G mit der Eigenschaft, daß fur alleElemente a, b ∈ U stets a b ∈ U gilt.

a) Zeigen Sie:Ist U endlich, so ist U eine Untergruppe von G .

b) Im allgemeinen muß ein solches U keine Untergruppe von G sein. Geben Sie dafur einBeispiel an.

Aufgabe 42–3:

Es sei G eine beliebige Gruppe. Beweisen Sie:Ist der kanonische Homomorphismus αG : G → AutG injektiv, so ist auch der kanonischeHomomorphismus αAutG : AutG→ Aut(AutG) injektiv.

Aufgabe 42–4:

Wie beziehen uns auf Beispiel 42.7 der Vorlesung.

a) Bestimmen Sie alle Automorphismen der Klein’schen Vierergruppe A(2,2).

b) Bestimmen Sie alle Automorphismen der Gruppe A(4).

Aufgabe 42–5:

Es sei G := g1, g2, g3, g4, g5, g6 eine Gruppe mit sechs Elementen. Bekannt seien darin dieProdukte

g1 · g5 = g5 , g2 · g3 = g1 , g2 · g4 = g6 , g4 · g4 = g1 und g4 · g5 = g2 .

a) Berechnen Sie die Produkte g2 · g2 und g4 · g6 sowie g4 · g2 .

b) Geben Sie (ohne Beweis) die vollstandige Verknupfungstafel von G an.

Page 487: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

Aufgaben zu § 43 479

Aufgabe 42–6:

Die Gruppe G werde erzeugt von den Elementen x, y ∈ G mit ordx = 2 und ord y = 3 sowie(x y)2 = e .Zeigen Sie, daß G dann zu S3 isomorph ist.

Aufgabe 42–7:

Es sei G eine Gruppe mit dem neutralem Element e . Von zwei Elementen a, b ∈ G sei bekannt:

a7 = e , b 6= e und a b a−1 = b2 .

Bestimmen Sie die Ordnung von b .

Aufgabe 42–8:

Gegeben seien die Matrizen A =

(1 00 −1

)und B =

(1 10 −1

)aus GL(2; IR) .

Berechnen Sie die Ordnungen ordA , ordB und ord(A ·B) .

Aufgabe 42–9:

Bestimmen Sie das Zentrum Z(GL(n; IR)) der allgemeinen linearen Gruppe fur jedes n ≥ 1 .

Aufgaben zu § 43

Aufgabe 43–1:

a) Es sei G eine Gruppe. Fur a, b ∈ G gelte a ∼ b genau dann, wenn a und b konjugiertsind.Zeigen Sie, daß dadurch eine Aquivalenzrelation auf G definiert wird.

b) Bestimmen Sie die Aquivalenzklassen der Aquivalenzrelation ∼ aus Teil a) fur G = A4 .

c) Zeigen Sie, daß A4 keine Untergruppe der Ordnung 6 besitzt.

Aufgabe 43–2:

Bestimmen Sie jeweils alle Untergruppen von S3 , ZZ15 , ZZ ∗16 und D5 .

Aufgabe 43–3:

Es sei G eine Gruppe mit Zentrum Z(G) 6= G . Zeigen Sie die Aussagen:

a) Fur alle g ∈ G ist das Erzeugnis <Z(G) ∪ g> abelsch.

b) Der Index [G : Z(G)] ist keine Primzahl.

Page 488: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

480 ANHANG A. UBUNGSAUFGABEN

Aufgaben zu § 44

Aufgabe 44–1:

a) Bestimmen Sie alle Untergruppen der Diedergruppe D4 . Und skizzieren Sie in einem ge-eigneten Diagramm die gegenseitige Lage dieser Untergruppen.

b) Es gibt Gruppen U, V,W mit den Eigenschaften:

U E V ∧ V EW ∧ U 5W .

Geben Sie hierfur (mit Nachweis) ein Beispiel an.

Aufgabe 44–2:

Es sei G := g1, g2, . . . , gn eine endliche abelsche Gruppe mit dem neutralen Element e undU := g ∈ G | g2 = e sowie x := g1 · g2 · . . . · gn . Zeigen Sie folgende Aussagen:

a) Ist U = e, a , so gilt: x = a .

b) Ist e, a, b ⊂ U , dann folgt: x = e .

Hinweis: Zerlegen Sie U in disjunkte Nebenklassen nach V = <a, b> .

c) Fur jede Primzahl p ≥ 2 gilt der Satz von Wilson:

(p−1)! ≡ p−1 (mod p) .

Aufgabe 44–3:

Beweisen Sie:Die inneren Automorphismen einer Gruppe G bilden stets einen Normalteiler von AutG .

Aufgabe 44–4:

Bestimmen Sie samtliche Normalteiler der alternierenden Gruppe A4 .

Aufgabe 44–5:

a) Es sei G eine beliebige Gruppe. Zeigen Sie die Aussagen:

(1) Gibt es zu n ∈ IN∗ genau eine Untergruppe U von G mit ordU = n , so ist UNormalteiler von G .

(2) Gilt fur ein n ∈ IN∗ , daß U = g ∈ G | ord g ≤ n eine Untergruppe von G ist,dann ist U Normalteiler von G .

b) Bestimmen Sie alle Normalteiler der symmetrischen Gruppe S3 .

Page 489: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

Aufgaben zu § 45 481

Aufgabe 44–6:

Es sei G eine endliche Gruppe mit den Untergruppen U und V .

a) Zeigen Sie:Ist U ein Normalteiler in G mit ggT ( [G : U ] , ordV ) = 1 , dann gilt: V ⊂ U .

Hinweis: Bestimmen Sie fur v ∈ V die Ordnung von π(v) ∈ G/U .

b) Ist U kein Normalteiler von G , so gilt die Aussage von Teil a) im allgemeinen nicht. GebenSie dafur ein Beispiel an.

Aufgabe 44–7:

Gegeben seien eine endliche Gruppe G sowie Normalteiler U und V von G . Fur jeden Normal-teiler N von U mit ordU/N ≤ ordG/V sei ggT ( ordG/V , ordU/N ) = 1 .Zeigen Sie, daß dann folgt: U = U ∩ V .

Aufgabe 44–8:

Es sei G eine endliche Gruppe. Zu jedem Teiler m von ordG gebe es hochstens eine Untergruppeder Ordnung m in G . Beweisen Sie die Aussagen:

a) Gibt es ein a ∈ G mit ord a = k , dann enthalt G genau ϕ(k) Elemente der Ordnung k .(Dabei bezeichnet ϕ die Euler’sche Funktion.)

b) Die Gruppe G ist zyklisch.

Aufgabe 44–9:

Es sei G eine Gruppe endlicher Ordnung und p die kleinste Primzahl, die ordG teilt. Ferner seiN ein Normalteiler von G der Ordnung p .Zeigen Sie, daß dann N im Zentrum Z(G) liegt.

Aufgaben zu § 45

Aufgabe 45–1:

Es sei G eine Gruppe mit Normalteiler U . Zeigen Sie:Genau dann gibt es einen Normalteiler V von G derart, daß G das innere direkte Produkt vonU und V ist, wenn ein Homomorphismus ψ : G→ U existiert, dessen Einschrankung auf U einIsomorphismus ist.

Page 490: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

482 ANHANG A. UBUNGSAUFGABEN

Aufgabe 45–2:

Es sei G eine Gruppe mit Elementen a, b ∈ G endlicher Ordnung; ferner gelte: a · b = b · a undggT(ord a , ord b) = 1 . Beweisen Sie, daß gilt:

a) H := <a> ·<b> ist eine Untergruppe von G .

b) H ist inneres direktes Produkt von <a> und <b> .

c) ord(a · b) = ord a · ord b .

Aufgabe 45–3:

Bestimmen Sie eine Zahl x ∈ ZZ mit x ≡ 103 (mod 167) und x ≡ 106 (mod 509) .

Hinweis: Verwenden Sie den euklidischen Algorithmus fur ganze Zahlen.

Aufgaben zu § 46

Aufgabe 46–1:

Es sei G eine endliche Gruppe, U ⊂6=G eine Untergruppe von G und X := g U | g ∈ G die

Menge aller Linksnebenklassen von U in G. Dann operiert G auf X mit a (g U) := (a g)U .Zeigen Sie:

a) Ist ordG kein Teiler von [G : U ]! , dann enthalt U einen echten Normalteiler von G .

b) Ist zusatzlich [G : U ] = p und p kleinster Primteiler von ordG , so ist U ein Normalteilervon G .

c) In einer Gruppe der Ordnung 99 ist jede Untergruppe der Ordnung 11 ein Normalteiler.

Aufgabe 46–2:

Es seiX := (x1, x2, x3)t ∈ IR3 | |xi| = 1 fur i = 1, 2, 3

die Menge der acht Eckpunkte einer Art von ”Einheitswurfel“ im IR3 .Zeigen Sie, daß die großte Untergruppe von SO(3) , die auf X mittels Matrix/Vektor–Mul-tiplikation operiert, zu S4 isomorph ist.

Aufgabe 46–3:

Eine endliche Gruppe G operiere auf einer endlichen Menge X 6= ∅ . Es sei k die Anzahl derpaarweise disjunkten Bahnen [x] , in die X dabei zerlegt wird. Fur ein g ∈ G bezeichne f(g)die Anzahl der Elemente x ∈ X mit g x = x .Zeigen Sie, daß gilt:

Page 491: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

Aufgaben zu § 47 483

a)∑g∈G

f(g) =∑x∈X

ordGx .

b) k =1

ordG

∑g∈G

f(g) .

Aufgabe 46–4:

Wir haben 5 schwarze und 3 weiße Perlen, die jeweils nicht unterscheidbar sind.Bestimmen Sie die Anzahl der unterscheidbaren Halsketten, die aus den 8 Perlen hergestelltwerden konnen.

Aufgabe 46–5:

Eine Gruppe G mit ordG = 91 operiere auf einer Menge X mit genau 24 Elementen.Zeigen Sie, daß G auf X mindestens drei Fixpunkte besitzt.

Aufgabe 46–6:

Eine Gruppe G mit ordG = 253 operiere auf einer Menge X mit genau 73 Elementen.Zeigen Sie, daß dann G auf X mindestens vier Fixpunkte hat.

Aufgaben zu § 47

Aufgabe 47–1:

Es sei G eine Gruppe mit ordG = n und m der großte Teiler von n mit m < n . Zeigen Sie:Gibt es eine Untergruppe U der Ordnung m von G , so ist U Normalteiler in G .

Hinweis: Lassen Sie G auf der Menge X aller Linksnebenklassen von U in G operieren; kon-struieren Sie damit einen Homomorphismus von G nach S(X) .

Aufgabe 47–2:

Bestimmen Sie (bis auf Isomorphie) alle Gruppen der Ordnung 1 309 .

Aufgabe 47–3:

Es sei G eine Gruppe mit ordG = 665 .Bestimmen Sie alle p-Sylow–Gruppen von G und zeigen Sie, daß G zyklisch ist.

Aufgabe 47–4:

Beweisen Sie die Aussage:Sind p und q zwei Primzahlen, so besitzt jede Gruppe der Ordnung p2 q stets einen nicht–trivialen Normalteiler.

Page 492: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

484 ANHANG A. UBUNGSAUFGABEN

Aufgabe 47–5:

Zeigen Sie, daß gilt:

a) Ist G eine Gruppe der Ordnung 30 , 40 oder 56 , so hat G einen nicht–trivialen Normalteiler.

b) Sind p und q Primzahlen, so hat jede Gruppe der Ordnung p q einen nicht–trivialen Nor-malteiler.

Aufgabe 47–6:

Bestimmen Sie alle einfachen Gruppen G mit 80 ≤ ordG ≤ 85 .

Aufgabe 47–7:

Es sei G eine Gruppe mit ordG = 12 , die mehr als eine Untergruppe der Ordnung 3 besitzt.

a) Zeigen Sie, daß G genau vier verschiedene Untergruppen der Ordnung 3 besitzt und jededieser Untergruppen mit ihrem Normalisator ubereinstimmt.

b) Konstruieren Sie einen Monomorphismus ϕ : G → S4 und zeigen Sie mit Hilfe vonAufgabe 44–7, daß ϕ(G) = A4 ist.

Aufgabe 47–8:

Es sei G eine Gruppe mit ordG = 2m · 3 fur m ≥ 2 . Zeigen Sie:Es gibt einen Normalteiler H von G mit ordH = 2s fur s ≥ 1 .

Hinweis: Ist X die Menge aller 2-Sylow–Gruppen in G , so laßt sich ein Homomorphismusϕ : G→ S(X) konstruieren.

Aufgabe 47–9:

Beweisen Sie folgende Aussagen:

a) Sind U und V Untergruppen der Ordnung 4 einer Gruppe G , so ist U∩V stets Normalteilerin <U ∪ V> .

b) In keiner einfachen Gruppe der Ordnung 60 gibt es eine Untergruppe der Ordnung 20 .

c) In jeder einfachen Gruppe G der Ordnung 60 gibt es eine Untergruppe der Ordnung 12 .

Hinweis: Nehmen Sie an, es gabe keine; und betrachten Sie <U ∪ V> fur 2-Sylow–Gruppen U und V von G .

d) Jede einfache Gruppe der Ordnung 60 ist isomorph zu einer Untergruppe von S5 .

Page 493: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

Aufgaben zu § 48 485

Aufgabe 47–10:

Es sei G eine endliche Gruppe, p eine Primzahl und U eine Untergruppe der Ordnung ps von Gmit s ∈ IN∗ . Zeigen Sie:Gilt: N(U) = U , dann ist U eine p-Sylow–Gruppe in G .

Aufgabe 47–11:

Zeigen Sie, daß fur eine einfache Gruppe G mit 1 < ordG < 60 die Ordnung ordG einePrimzahl sein muß.

Aufgabe 47–12:

a) Es sei G eine nicht–abelsche Gruppe der Ordnung 8 mit mehr als einem Element derOrdnung 2 .Zeigen Sie, daß dann gilt: G ∼= D4 .

b) Die Matrizen A =(

0 ii 0

)und B =

(0 1−1 0

)erzeugen eine Untergruppe von GL(2; C) .

Diese Gruppe Q := <A,B> heißt Quaternionengruppe.Bestimmen Sie die Ordnung der Gruppe Q .

c) Bestimmen Sie (bis auf Isomorphie) alle Gruppen der Ordnung 8.

Aufgaben zu § 48

Aufgabe 48–1:

a) Es sei G eine endliche abelsche Gruppe und m ein Teiler von ordG .Zeigen Sie, daß G eine Untergruppe der Ordnung m besitzt.

b) Bestimmen Sie die Anzahl A(n) aller abelschen, zueinander nicht–isomorphen Gruppender Ordnung n = 2 025 000 .

Aufgaben zu § 49

Aufgabe 49–1:

Zeigen Sie die beiden Aussagen:

a) Fur jedes n ≥ 2 erzeugen die Zykeln (1, 2) und (1, 2, . . . , n) die gesamte symmetrischeGruppe Sn .

b) Fur jedes n ≥ 3 erzeugen die Zykeln (1, 2, k) mit k = 3, 4, . . . , n die gesamte alternierendeGruppe An .

Page 494: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

486 ANHANG A. UBUNGSAUFGABEN

Aufgabe 49–2:

Aus einem Kartenstapel wird, beginnend mit der ersten, jede dritte Karte (also jeweils die(3k+1)-te Karte fur k = 0, 1, 2, . . . ) aussortiert. Die Reihenfolge der aussortierten und derubrigen Karten werde dabei nicht geandert. Anschließend wird dieses Verfahren jeweils mit demStapel der ubrigen Karten fortgesetzt, bis alle Karten aussortiert sind. Sie bilden dann in derReihenfolge ihres ”Ausscheidens“ wieder einen gemeinsamen Stapel.

Ein Skatspiel a 32 Karten wird auf die oben beschriebene Art und Weise einmal durchgemischt.Wie oft muß dieser Mischungsvorgang wiederholt werden, damit alle Karten wieder in der ur-sprunglichen Reihenfolge im Stapel liegen? (Begrunden Sie Ihre Antwort ausfuhrlich.)

Aufgabe 49–3:

a) Zeigen Sie, daß S17 keine Untergruppe der Ordnung 77 enthalten kann.

b) Berechnen Sie die Anzahlen maxϕ∈S12

ordϕ und maxϕ∈S13

ordϕ .

Aufgabe 49–4:

Beweisen Sie die beiden Aussagen:

a) Ist G eine Untergruppe von Sn mit n ∈ IN∗ , so gilt entweder:

G ⊂ An oder: ordG = 2 · ord(G ∩An) .

b) Jede einfache Gruppe der Ordnung 60 ist isomorph zu A5 .

Aufgabe 49–5:

a) Zeigen Sie:Fur jedes n ≥ 2 ist An die einzige Untergruppe mit Index 2 in Sn .

b) Bestimmen Sie (bis auf Isomorphie) alle nicht–abelschen einfachen Gruppen, deren Ord-nung ≤ 60 ist.

Aufgabe 49–6:

a) Beweisen Sie, daß fur alle n ≥ 5 gilt:Die alternierende Gruppe An ist der einzige nicht–triviale Normalteiler der symmetrischenGruppe Sn . Und es gibt keinen Homomorphismus von Sn auf Sn−1 .

b) Zeigen Sie, daß die Aussagen aus a) fur den Fall n = 4 nicht gelten.

Page 495: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

Aufgaben zu § 50 487

Aufgabe 49–7:

a) Untersuchen Sie, fur welche n ∈ IN∗ es eine Untergruppe der Ordnung n von S5 gibt.

b) Gegeben sei ein ”Verschiebe–Puzzlespiel“, dessen quadratische Blocke, mit den Zahlen 1, 2,3, . . . , 15 belegt, in einem (4 × 4)–Rahmen mit einem freien Block angeordnet sind. Eineerlaubte Bewegung besteht darin, einen Nachbarblock (horizontal oder vertikal) auf denfreien Platz zu schieben. Dadurch entsteht ein neuer freier Block.Untersuchen Sie, welche der folgenden Konstellationen in dieser Weise ineinander uberfuhrtwerden konnen:

1 2 3 4

5 6 7 8

9 10 11 12

13 14 15

1 2 3 4

5 6 7 8

9 10 11 12

13 15 14

1 8 9

2 7 10 15

3 6 11 14

4 5 12 13

1 2 3 4

12 13 14 5

11 15 6

10 9 8 7

Aufgaben zu § 50

Aufgabe 50–1:

a) Es seien G und H beliebige Gruppen sowie ϕ : G→ H ein Epimorphismus. Beweisen Sie:

ϕ(K(G)) = K(H) .

b) Es sei G eine endliche Gruppe. Zeigen Sie:Es gibt eine auflosbare Untergruppe C von G mit den Eigenschaften:

(1) Fur alle ϕ ∈ AutG gilt: ϕ(C) = C .

(2) Jeder auflosbare Normalteiler von G ist ganz in C enthalten.

Aufgabe 50–2:

a) Es sei G eine Gruppe, N ein auflosbarer Normalteiler in G und H eine auflosbare Unter-gruppe von G .Zeigen Sie, daß dann das Komplexprodukt N H auflosbar ist.

b) Beweisen Sie:Ist p ≥ 2 eine Primzahl und G eine nicht–abelsche Gruppe der Ordnung p3 , so gilt:Z(G) = K(G) .

Aufgabe 50–3:

Bestimmen Sie Zentrum Z(D8) und Kommutatorgruppe K(D8) der Diedergruppe D8 .

Page 496: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

488 ANHANG A. UBUNGSAUFGABEN

Aufgabe 50–4:

Es sei G eine endliche Gruppe mit neutralem Element e und ordK(G) = 2 . Zeigen Sie:

a) Fur alle a, b ∈ G gilt: [[a, b], b] = e .

b) Fur jedes b ∈ G ist b2 ∈ Z(G) .

c) Der Index [G : K(G)] ist eine gerade Zahl.

Aufgabe 50–5:

Es sei G eine Gruppe mit dem neutralem Element e . Beweisen Sie die beiden Aussagen:

a) Gibt es Untergruppen Gk von G fur 0 ≤ k ≤ n in einer sogenannten abelschen Normal-reihe der Lange n :

e = G0 E G1 E G2 E . . . E Gn−1 E Gn = G ,

wobei also jedes Gk−1 Normalteiler in Gk und die Faktorgruppe Gk/Gk−1jeweils abelsch

ist fur alle k = 1, 2, . . . , n , dann ist G auflosbar.

b) Ist G auflosbar, dann existieren endlich viele Untergruppen (Gk)0≤k≤n von G in einer abel-schen Normalreihe der Lange n , wobei zusatzlich gilt: Gk−1 E G fur alle k ∈ 1, 2, . . . , n .

Aufgaben zu § 51

Aufgabe 51–1:

Gegeben seien zwei Zahlen m,n ∈ IN∗ und genau r := m · n+ 1 verschiedene Zahlen xi ∈ ZZ .Zeigen Sie, daß die endliche Folge (xi)1≤i≤r eine monoton wachsende Teilfolge der Lange m+1oder eine monoton fallende Teilfolge der Lange n+1 hat.

Aufgabe 51–2:

Eine komplexe Zahl x ∈ C heißt algebraisch, wenn x eine Gleichung der Form

n∑k=0

ak xk = 0 mit n ∈ IN∗ und ak ∈ ZZ

erfullt, wobei nicht alle ak gleich Null sind.Zeigen Sie, daß die Menge aller algebraischen Zahlen abzahlbar ist.

Aufgabe 51–3:

a) Gegeben seien neun Punkte in ZZ 3 . Zeigen Sie:Mindestens ein Punktepaar hat in IR3 eine Verbindungsstrecke mit Mittelpunkt aus ZZ 3 .

b) Es sei a1, a2, . . . , a101 ⊂ IN200 . Zeigen Sie:Es existiert ein Paar (ai, aj) mit i 6= j derart, daß ai ein Teiler von aj ist.

Page 497: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

Aufgaben zu § 52 489

Aufgabe 51–4:

Ein Gruppe von elf Personen plant einen Ausflug mit zwei Autos. Das eine Auto kann maximalfunf, das andere maximal acht Personen befordern.Auf wieviele Arten konnen die elf Ausflugler auf die beiden Fahrzeuge verteilt werden, wenndabei nicht auf die Sitzordnung geachtet wird? (Begrunden Sie Ihre Antwort.)

Aufgaben zu § 52

Aufgabe 52–1:

Wieviele Zahlen gibt es in IN1000 , die weder durch 2, noch durch 3, noch durch 5, noch durch 7teilbar sind? (Begrunden Sie Ihre Antwort ausfuhrlich.)

Aufgabe 52–2:

Ein zerstreuter Sekretar hat n Briefe und n zugehorige Briefumschlage geschrieben.Wie viele Moglichkeiten hat er, die Briefe so in die Briefumschlage zu stecken, daß kein Brief inden richtigen Umschlag kommt? (Begrunden Sie Ihre Antwort ausfuhrlich.)

Aufgabe 52–3:

Fur eine Funktion g : IN∗ → IR sei die Abbildung f : IN∗ → IR definiert durch

f(n) :=∑d |n

µ(d) g(nd

).

Dabei sei µ die Mobius–Funktion.Zeigen Sie, daß dann gilt:

g(n) =∑d |n

f(d) fur alle n ∈ IN∗ .

Aufgabe 52–4:

Gegeben seien die folgenden 3-Tupel:

a) (v, k, r) = (6, 3, 1) .

b) (v, k, r) = (5, 2, 1) .

c) (v, k, r) = (7, 3, 3) .

d) (v, k, r) = (9, 6, 4) .

Konstruieren Sie jeweils — wenn moglich — ein Design B mit den Parametern (v, k, r) , odererlautern Sie, warum ein Design mit diesen Parametern nicht existieren kann.

Page 498: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

490 ANHANG A. UBUNGSAUFGABEN

Aufgabe 52–5:

a) Untersuchen Sie, ob ein r ∈ IN∗ so gewahlt werden kann, daß ein Design B mit denParametern (12, 7, r) und genau 9 Blocken existiert.

b) Geben Sie ein Design C mit Parametern (7, 3, 3) an.

c) Zeigen Sie:Fur die Existenz eines 2-Designs D mit den Parametern (v, 4, 1) ist folgende Bedingungnotwendig: v = 12n+ 1 oder v = 12n+ 4 mit n ∈ IN .

Aufgabe 52–6:

Es sei n ≥ 2 und X := ZZ2n \ (0, 0, . . . , 0) . Mit B bezeichnen wir die Menge aller derjenigen

dreielementigen Teilmengen B von X , bei denen es x, y ∈ B gibt mit (x+ y) ∈ B .

a) Zeigen Sie, daß B ein 2-Design mit den Parametern (2n−1 , 3 , 1) darstellt.

b) Nun ist B auch ein 1-Design (gemaß Teil a).Berechnen Sie den zugehorigen Parameter r1 .

c) Leiten Sie aus dem Vorangehenden her, daß die Zahl (2n − 1) · (2n−1 − 1) fur alle n ≥ 2durch 3 teilbar ist.

Aufgabe 52–7:

In einem Gefangnis werden funfzehn Haftlinge zum taglichen Hofgang in Dreierreihen aufgestellt.Um unerwunschte Kontakte gering zu halten, soll keiner innerhalb einer Woche mehr als einmalmit irgendeinem anderen Mithaftling in einer Reihe gehen.Geben Sie einen Aufstellungsplan fur die sieben Hofgange einer Woche an — soweit dies moglichist.

Aufgaben zu § 53

Aufgabe 53–1:

Bei einem beliebten chinesischen Wurfelspiel werden sechs Wurfel ”auf Bilder“ geworfen; eskommt dabei nicht auf die einzelnen Augenzahlen, sondern nur auf Ubereinstimmungen vongleichen Augenzahlen bei mehreren Wurfeln an. Bilder im diesem Sinne sind also zum Beispiel:

”Vierling und Paar“, ”Vierling“ (und zwei verschiedene andere), ”drei Paare“, . . . usw.Bestimmen Sie fur alle elf Bilder, wieviele Moglichkeiten es fur ein Bild jeweils gibt. (Dabei sollenWurfe auch als verschieden gelten, wenn sie sich in der Reihenfolge verschiedener Augenzahlenunterscheiden; die Summe aller Moglichkeiten ist dann 66 .) Stellen Sie dann eine Gewinntabellefur das Spiel nach Haufigkeit der Bilder auf.

Page 499: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

Aufgaben zu § 54 491

Aufgabe 53–2:

a) Beweisen Sie, daß fur alle n ∈ IN∗ gilt: S(n, 3) = 12 (3n−1 + 1)− 2n−1 .

b) Zeigen Sie, daß mit Festsetzung N1 :=

(n1, n2, . . . , nk) ∈ (IN∗)k∣∣∣ k∑j=1

nj = n

fur alle

n ∈ IN∗ und fur alle 1 ≤ k ≤ n gilt:

S(n, k) =1k!

∑(n1,n2,...,nk)∈N1

(n

n1, n2, . . . , nk

).

c) Verifizieren Sie, daß mit Festsetzung N2 :=

(n1, n2, . . . , nk) ∈ INk∣∣∣ k∑j=1

nj = n

fur alle

n ∈ IN∗ und fur alle 1 ≤ k ≤ n gilt:∑(n1,n2,...,nk)∈N2

(n

n1, n2, . . . , nk

)= kn .

Aufgabe 53–3:

a) Es sei Bn die Anzahl aller moglichen Summen mit dem Wert n ∈ IN∗ , wobei die Summan-den nur gleich 1, 2, 3 oder 4 sind. Ferner gelten solche Summen auch dann als verschieden,wenn sie sich bloß in der Reihenfolge von verschiedenen Summanden unterscheiden.Zeigen Sie:

(1) Im Potenzreihenring ZZ [[X]] gilt:∞∑n=1

BnXn = (1− (X +X2 +X3 +X4))−1 − 1 .

(2) Setzt man B0 := 1 und Bn := 0 fur alle n < 0 , so gilt:

Bn = Bn−1 +Bn−2 +Bn−3 +Bn−4

fur alle n ∈ IN∗ .

b) Ein Postpaket soll mit 4,– DM frankiert werden. Dafur stehen Briefmarken zu 50 Pf,1,– DM, 1,50 DM und 2,– DM zur Verfugung, die nebeneinander auf das Paket geklebtwerden sollen.Wieviele Moglichkeiten gibt es, falls man es auch als verschiedene Frankierung ansieht,wenn Briefmarken mit verschiedenem Wert in anderer Reihenfolge aufgeklebt werden?

Aufgaben zu § 54

Aufgabe 54–1:

a) Berechnen Sie jeweils die Anzahl p(n) von Partitionen der Zahl n ∈ 1, 2, . . . , 7 und listenSie alle Partitionen von n = 7 explizit auf.

b) Zeigen Sie, daß die Anzahl der Partitionen von m ∈ IN∗ in hochstens n Teile uberein-stimmt mit der Anzahl der Partitionen von m + 1

2 n (n+ 1) in exakt n Teile, die alleverschieden sind.

Page 500: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

492 ANHANG A. UBUNGSAUFGABEN

Aufgaben zu § 55

Aufgabe 55–1:

a) Es sei M 6= ∅ eine Menge und R das System aller Teilmengen von M . Neben derDurchschnittsbildung A ∩B fur A,B ⊂M definieren wir auf R auch die Verknupfung

A4B := (A \B) ∪ (B \A) fur alle A,B ∈ R .

Zeigen Sie, daß (R,4,∩) ein kommutativer Ring mit Eins ist.

b) Es sei an Aufgabe 1–10 erinnert: Ein Ring (R,+, ·) , in dem x · x = x gilt fur alle x ∈ R ,ist notwendig kommutativ mit x+ x = 0 fur alle x ∈ R .Geben Sie ein Beispiel fur einen unendlichen Ring R an, in dem x · x = x fur alle x ∈ Rgilt.

Aufgabe 55–2:

Im Korper C der komplexen Zahlen betrachten wir die Teilmenge R := a+i b ∈ C | a, b ∈ ZZ .

a) Zeigen Sie, daß R mit den von C induzierten Verknupfungen ein Ring mit Eins ist.

b) Bestimmen Sie die Einheitengruppe R∗ von R . Zu welcher bereits bekannten Gruppe ist R∗

isomorph?

(Dieser Ring R wird auch als Ring ZZ [i] der ganzen Gauß’schen Zahlen bezeichnet.)

Aufgabe 55–3:

Es sei R ein Ring mit Einselement und N(R) := a ∈ R | am = 0 fur ein m ∈ IN∗ eineTeilmenge von R .

a) Zeigen Sie:Ist R kommutativ, dann ist N(R) ein Unterring von R .

b) Geben Sie ein Beispiel an, bei dem N(R) kein Unterring von R ist.

Aufgabe 55–4:

Es sei R ein Ring mit einem von Null 0 verschiedenen Einselement 1 . Zeigen Sie:

a) Gilt fur zwei Elemente a, b ∈ R : a b = 1 ∧ b a 6= 1 , dann ist a ein Linksnullteiler von R,d. h. es gibt ein c ∈ R \ 0 mit a c = 0 .

b) Gibt es zu einem Element a ∈ R einen Exponenten m ∈ IN∗ mit am = 0 , so ist 1 − aeine Einheit in R .

Page 501: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

Aufgaben zu § 56 493

Aufgabe 55–5:

Es sei R ein Integritatsring mit charR =: p 6= 0 und n ∈ IN∗ beliebig.Zeigen Sie, daß fur beliebige Elemente x, y ∈ R gilt: (x+ y)p

n= xp

n+ yp

n.

Aufgabe 55–6:

Fur eine Primzahl p ≥ 2 sei Qp := x2 | x ∈ ZZp eine Teilmenge von ZZp .Beweisen Sie folgende Aussagen:

a) Fur p 6= 2 ist Qp keine Untergruppe von (ZZp,+) .

b) Fur alle a, b ∈ ZZp \Qp gilt: a · b ∈ Qp .

c) Zu jedem x ∈ ZZp gibt es a, b ∈ Qp mit x = a+ b .

Aufgaben zu § 56

Aufgabe 56–1:

Es sei H eine abelsche Gruppe mit neutralem Element e , wobei H 6= e ist, und G := H ×Hdas direkte Produkt von H mit sich selbst. Im Endomorphismenring von G betrachten wir dieTeilmenge

N := ϕ ∈ EndG | g ∈ G ∧ ϕ(g) = (h1, h2) ⇒ h1 = e .Beweisen oder widerlegen Sie:

a) N ist ein Linksideal.

b) N ist ein Rechtsideal.

Aufgabe 56–2:

Es sei R ein kommutativer Ring mit Eins. Beweisen Sie die Aquivalenz folgender Aussagen:

(1) Der Ring R ist entweder isomorph zu ZZ oder isomorph zu ZZn (mit n ∈ IN∗ ).

(2) Jede Untergruppe von (R,+) ist ein Ideal in R .

Aufgabe 56–3:

Fur n ≥ 2 sei A ∈ Mat(n, n; IR) mit A 6= 0 .Bestimmen Sie das von A im Ring Mat(n, n; IR) erzeugte Ideal (A) .

Aufgaben zu § 57

Aufgabe 57–1:

Zeigen Sie, daß fur jedes n ∈ IN∗ und einen beliebigen Korper K der Matrizenring Mat(n, n;K)stets einfach ist.

Page 502: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

494 ANHANG A. UBUNGSAUFGABEN

Aufgabe 57–2:

Auf dem IRn gebe es neben der ublichen Addition + und der Skalarmultiplikation · auch eineMultiplikation ~ : IRn × IRn → IRn , (a, x) 7→ a ~ x , die (IRn,+,~) zu einem kommutativenKorper macht mit

λ · x = (λ · 1)~ x fur alle Skalare λ ∈ IR und alle Vektoren x ∈ IRn .

Dabei sei 1 ∈ IRn das Einselement dieses neuen Korpers. Zeigen Sie die Aussage:Ist n ∈ IN∗ ungerade, so gilt: n = 1 .

Hinweis: Beweisen Sie zuerst, daß die ~-Multiplikation mit festem a ∈ IRn einen Vektorraum–Endomorphismus des IRn darstellt.

Aufgabe 57–3:

Es sei R ein Integritatsring und mit charR 6= 2 . Zeigen Sie:Ist die Einheitengruppe R∗ zyklisch, so ist R∗ endlich.

Aufgabe 57–4:

Es sei R := ZZ [i] der Ring aus Aufgabe 55–2 und G := a+ i b ∈ R | a, b ∈ 2 ZZ .

a) Zeigen Sie, daß G ein Ideal in R ist. Ist G sogar ein Hauptideal? — Falls ja, bestimmenSie alle Elemente x ∈ R , die G erzeugen.

b) Berechnen Sie die Anzahl der Elemente des Restklassenringes R/G .

c) Untersuchen Sie, ob G ein maximales Ideal in R ist.

Aufgabe 57–5:

Es sei R ein kommutativer Ring mit 1 6= 0 und m ein beliebiges maximales Ideal in R . ZeigenSie:Hat ein r ∈ R die Eigenschaft, daß (1− r s) ∈ R∗ gilt fur alle s ∈ R , so ist r ∈ m .

Aufgaben zu § 58

Aufgabe 58–1:

Im Korper C betrachten wir die Teilmenge D := a + b i√

5 | a, b ∈ ZZ , die mit den von Cinduzierten Verknupfungen zu einem Integritatsring wird (was nicht gezeigt zu werden braucht).Untersuchen Sie, ob 7 ∈ D in D irreduzibel ist. Und prufen Sie, ob 7 ∈ D ein Primelementin D ist.

Hinweis: Anwendung der Grad–Funktion |a + b i√

5 |2 = a2 + 5 b2 liefert fur die Teilbarkeitin D einfachere notwendige Teilbarkeitsbedingungen in IN .

Page 503: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

Aufgaben zu § 58 495

Aufgabe 58–2:

Es sei R ein Integritatsring, in dem der Durchschnitt von je zwei Hauptidealen stets ein Haupt-ideal ist. Zeigen Sie:Jedes irreduzible Element in R ist ein Primelement.

Hinweis: Fur irreduzibles u mit u | a b und u - a zeige man zunachst: Ist (a) ∩ (u) = (c) miteinem c ∈ R , so sind a u und c assoziiert.

Aufgabe 58–3:

Es sei R ein kommutativer Ring mit Eins. Zeigen Sie, daß folgende Aussagen aquivalent sind:

(1) Der Ring R ist noethersch.

(2) Jedes Ideal in R wird von endlich vielen Elementen erzeugt.

Aufgabe 58–4:

Es sei R ein faktorieller Ring. Zeigen Sie:Jedes Element r ∈ R\0 liegt nur in endlich vielen Hauptidealen von R. Und jede aufsteigendeFolge von Hauptidealen in R wird stationar.

Aufgabe 58–5:

Im Ring R := ZZ [i] aus Aufgabe 55–2 betrachten wir die Elemente

a1 := 31− 12 i , a2 := −9 + 32 i , a3 := 5 + 14 i .

Berechnen Sie ein d ∈ R mit d = ggT(a1, a2, a3) und eine Darstellung von d in der Formd = r1 a1 + r2 a2 + r3 a3 mit r1, r2, r3 ∈ R .

Aufgabe 58–6:

Eine Menge R bestehe aus allen Zahlen x ∈ IR , die sich in der Form x = a+ b√

2 mit a, b ∈ ZZdarstellen lassen.Zeigen Sie, daß auf R durch N(a+ b

√2 ) := |a2 − 2 b2| eine Grad–Funktion definiert wird, die

R zu einem euklidischen Ring macht.

Aufgabe 58–7:

a) Zeigen Sie, daß die Menge ZZ[√

3 ] := a+ b√

3 | a, b ∈ ZZ einen euklidischen Ring bildet.

b) Beweisen oder widerlegen Sie:

(i) 5 ist ein Primelement in ZZ[√

3 ] .(ii) 13 ist ein Primelement in ZZ[

√3 ] .

c) Bestimmen Sie im Ring ZZ [i] der ganzen Gauß’schen Zahlen die großten gemeinsamenTeiler:

ggT (1 + i , 1− i) , ggT (2− i , 2 + i) , ggT (13 + i , 12 + 14 i) .

Page 504: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

496 ANHANG A. UBUNGSAUFGABEN

Aufgabe 58–8:

In einem kommutativen Ring R bezeichne Qn (R) die Menge aller Elemente x ∈ R , die sich in

der Form x =n∑k=1

ak2 mit ak ∈ R , also als Summe von n ”Quadraten“ darstellen lassen.

Zeigen Sie die Aussagen:

a) In jedem kommutativen Ring R gilt:Sind x, y ∈ Q2(R) , so folgt: x y ∈ Q2(R) .

b) Es gibt x, y ∈ Q3(ZZ ) mit x y /∈ Q3(ZZ ) .

Aufgaben zu § 59

Aufgabe 59–1:

Beweisen Sie die beiden Aussagen:

a) (X2 + 1) ist ein maximales Ideal in IR[X] .

b) IR[X]/(X2 + 1) ist ein Korper, der zu C isomorph ist.

Aufgaben zu § 60

Aufgabe 60–1:

Bestimmen Sie den Koeffizienten von Xn in

25X2 − 60X + 261− 12X + 45X2 − 50X3

∈ IR[[X]]

fur alle n ∈ IN .

Aufgaben zu § 61

Aufgabe 61–1:

Finden Sie unter Verwendung der zugehorigen Hilfsgleichung eine nicht–rekursive Formel fur uk ,wenn die reelle Folge (uk)k≥0 die homogene lineare Rekursionsgleichung dritter Ordnung

uk+3 − 6uk+2 + 11uk+1 − 6uk = 0 fur alle k ≥ 0

mit den ”Anfangswerten“ u0 = 2 , u1 = 0 und u2 = −2 erfullt.

Page 505: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

Aufgaben zu § 62 497

Aufgaben zu § 62

Aufgabe 62–1:

Berechnen Sie die erzeugende Funktion U ∈ IR[[X]] einer Folge (uk)k≥0 , welche die inhomogenelineare Rekursionsgleichung erster Ordnung uk+1− 2uk = 4k fur alle k ≥ 0 mit u0 = 1 erfullt.Geben Sie dabei die Koeffizienten uk von U explizit an.

Aufgabe 62–2:

Bestimmen Sie die kleinste naturliche Zahl n mit p(n) > 103 .

Aufgaben zu § 64

Aufgabe 64–1:

Es sei R ein Integritatsring, f ∈ R[X] ein Polynom mit Darstellung f =n∑k=0

fkXk und a, b ∈ R

zwei Ringelemente mit a 6= 0 . Zeigen Sie die Aussagen:

a) f ist genau dann irreduzibel, wenn das Polynom g ∈ R[X] mit g =n∑k=0

fk (X + a)k

irreduzibel ist.

b) Ist (aX + b) ein Teiler von f , so folgt: a | fn und b | f0 .

Aufgabe 64–2:

Es sei p ≥ 2 eine Primzahl und π : ZZ → ZZp der kanonische Epimorphismus auf ZZ/pZZ sowieπ∗ : ZZ [X]→ ZZp[X] die zugehorige lineare Fortsetzung auf Polynomringe (vgl. Bemerkung 64.2der Vorlesung). Ferner sei f ∈ ZZ [X] ein Polynom mit grad f ≥ 1 und p kein Teiler desHochstkoeffizienten von f . Zeigen Sie:Ist f reduzibel in Q[X] , so ist π∗(f) reduzibel in ZZp[X] . Gilt auch die Umkehrung?

Aufgabe 64–3:

Wir betrachten den Ring R := ZZ[i√

5 ] (vgl. Aufgabe 58–1) und den Korper Q der Bruchevon R . Es sei f ∈ R[X] das Polynom f = 3X2 + 4X + 3 .Widerlegen oder beweisen Sie:

a) f ist irreduzibel in R[X] .

b) f ist irreduzibel in Q[X] .

Page 506: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

498 ANHANG A. UBUNGSAUFGABEN

Aufgabe 64–4:

Beweisen Sie, daß folgende Polynome in Q[X] irreduzibel sind:

a) 4X4 + 25X3 + 20X − 5 .

b) X3 + 4X2 + 3X + 3 .

c) X4 + 11X3 + 34X2 + 46X + 232 .

d) X3 + 5X2 + 4X + 1 .

Aufgabe 64–5:

Untersuchen Sie, ob folgende Polynome in Q[X] irreduzibel sind, und bestimmen Sie gegebe-nenfalls eine Primfaktorzerlegung:

a) X5 +X3 − 2X2 − 2 .

b) X6 +X3 + 1 .

c) X5 −X2 + 1 .

d) X3 + 3X2 + 3X + 4 .

Aufgabe 64–6:

a) Es sei R ein Integritatsring und a ∈ R sowie a das von X − a in R[X] erzeugte Ideal.Zeigen Sie:Der Restklassenring R[X]/a ist zu R isomorph, und X − a ist ein Primelement in R[X].

b) Prufen Sie, ob das von X in ZZ4[X] erzeugte Ideal ein Primideal in ZZ4[X] ist.

c) Untersuchen Sie, ob es Polynome P,Q ∈ ZZ4[X] \ (ZZ4[X])∗ gibt mit P ·Q = X .

Hinweis: Beachten Sie, daß der Ring ZZ4[X] ”ungewohnliche“ Einheiten besitzt.

Aufgaben zu § 65

Aufgabe 65–1:

Es sei m ∈ IN∗ und q = 2m . Beweisen Sie:Das Polynom Xq + 1 ist in ZZ [X] irreduzibel.

Aufgabe 65–2:

Zerlegen Sie das Polynom P = X5−2X4 +3X3 +X2−4X+6 uber ZZ in irreduzible Faktoren.Stellen Sie dabei genau dar, wie Sie die Losung gefunden haben.

Hinweis: Ist h Teiler von P in ZZ [X] , so ist h(m) Teiler von P (m) fur jedes m ∈ ZZ . Durchgeschickte Wahl von Stutzstellen mi kann der Kreis der moglichen Faktoren von P auf ”wenige“Interpolationspolynome hi eingeschrankt werden.

Page 507: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

Aufgaben zu § 67 499

Aufgabe 65–3:

a) Es sei P ein Polynom in ZZ [X] , und a, b ∈ ZZ seien teilerfremd mit a 6= 0 . Zeigen Sie:

Hat P , aufgefaßt als Polynom in Q[X] , die Nullstelle − ba∈ Q , so ist aX + b ein Teiler

von P in ZZ [X] .

b) Bestimmen Sie alle Nullstellen von P ∈ IR[X] fur P = 25X4 − 45X3 − 37X2 −X + 2 .

Aufgabe 65–4:

Es sei k ein Korper und f, g ∈ k[X] Polynome mit f irreduzibel. Zeigen Sie:Wenn es einen k umfassenden Korper K gibt, in dem f und g eine gemeinsame Nullstelle haben,so ist f ein Teiler von g in k[X] .

Aufgabe 65–5:

Beweisen Sie die Aussage:Sind a, b ∈ C algebraisch, dann ist auch a · b algebraisch.

Aufgaben zu § 67

Aufgabe 67–1:

Es sei f ∈ ZZ [X,Y, Z] ein Polynom uber ZZ in drei Veranderlichen:

f := X3 Y +X3 Z +X Y 3 + Y 3 Z +X Z3 + Y Z3 .

Bestimmen Sie mit der Methode aus dem Beweis des Hauptsatzes fur symmetrische Polynome(Satz 67.5 von Newton) ein Polynom g ∈ ZZ [X,Y, Z] so, daß gilt: f = g(s(3)

1 , s(3)2 , s

(3)3 ) .

Aufgabe 67–2:

Es sei f ∈ ZZ [X] ein Polynom mit n := grad f > 0 . Ferner seien z1, z2, . . . , zn ∈ C alleNullstellen von f , wobei mehrfache Nullstellen gemaß ihrer Vielfachheit wiederholt aufgefuhrtsind. Zeigen Sie die Aussage:Ist s ∈ ZZ [X1, X2, . . . , Xn] ein symmetrisches Polynom, so ist s(z1, z2, . . . , zn) ∈ Q .

Aufgaben zu § 68

Aufgabe 68–1:

Beweisen Sie:Der Restklassenring ZZ2[X]/(X3 +X2 + 1) ist isomorph zum Korper K mit acht Elementen.Und die Restklasse a := X + (X3 +X2 + 1) erzeugt die multiplikative Gruppe K∗ .

Page 508: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

500 ANHANG A. UBUNGSAUFGABEN

Aufgabe 68–2:

Wir betrachten den Korper K mit |K| = 8 und das Element a aus Aufgabe 68–1. Dieacht Elemente 0, 1, a, a2, a3, a4, a5, a6 von K bezeichnen wir zur Abkurzung fortlaufend mit0, 1, 2, 3, 4, 5, 6, 7 .Geben Sie die Verknupfungstafel von (K,+) an. Und konstruieren Sie drei paarweise orthogonalelateinische Quadrate der Ordnung 8 .

Aufgabe 68–3:

Wir untersuchen eine Gruppe von 16 Personen. Von ihnen ist bekannt, daß genau vier ausAachen, vier aus Bonn, vier aus Celle und vier aus Dortmund kommen. Vier arbeiten im Ein-zelhandel, vier in einer Fabrik, vier in einer Gaststatte und vier an einer Hochschule. Je viervon ihnen sind 30 Jahre, 40 Jahre, 50 Jahre und 60 Jahre alt. Vier Leute sind Singles, vierverheiratet, vier geschieden und vier verwitwet. Es wahlen genau vier grun, vier konservativ,vier liberal und vier sozialdemokratisch. Kein Paar von Personen in der Gruppe stimmt in zwei(oder mehr) dieser funf Merkmale uberein. Konkret weiß man, daß es unter den Wahlern derLiberalen

• einen 40jahrigen Witwer aus Celle, der in einer Fabrik arbeitet,

• einen 60jahrigen alleinstehenden Aachener im Einzelhandel und

• eine 50jahrige verheiratete Kellnerin aus Bonn gibt.

Die Konservative aus Celle ist 30 Jahre, der Grune aus Bonn 40 Jahre alt. Und die 50jahrigeAachenerin ist als Hochschullehrerin tatig.Was ist dann mit dem Dortmunder Einzelhandler? (Begrunden Sie Ihre Antwort.)

Aufgaben zu § 69

Aufgabe 69–1:

a) Beweisen Sie:Ist K ein Korper der Ordnung 2m fur ein m ∈ IN∗ , dann sind alle Elemente von KQuadrate.

b) Bestimmen Sie alle Quadrate in ZZ19 , und konstruieren Sie damit ein 2-Design B mit denParametern (19, 9, 4) .

Aufgaben zu § 71

Aufgabe 71–1:

Konstruieren Sie ein 3-Design mit den Parametern (20, 10, 4).

Page 509: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

Aufgaben zu § 72 501

Aufgaben zu § 72

Aufgabe 72–1:

Gegeben sei eine Zahl v ∈ C mit v5 + 2 v + 2 = 0 .Zeigen Sie, daß v2 + 3 6= 0 ist und daß es funf eindeutig bestimmte Koeffizienten αk ∈ Q gibtmit

4∑k=0

αk vk =

363v2 + 3

.

Berechnen Sie diese Zahlen α0, α1, α2, α3, α4 .

Aufgabe 72–2:

a) Es sei u ∈ C eine Zahl mit u3 − 2u+ 2 = 0 .Bestimmen Sie den Grad des Minimalpolynoms von u2 − u uber Q .

b) Bestimmen Sie das Minimalpolynom vQ von v =√

2 +√

3 uber Q .

Aufgabe 72–3:

a) Gegeben sei u ∈ C mit u5 + 5u2 − 10 = 0 , und es sei w := u2 + u .Bestimmen Sie den Grad des Minimalpolynoms wQ von w uber Q .

b) Zeigen Sie, daß gilt: Q(√

3 ,√

5 ) = Q(√

3 +√

5 ) . Und bestimmen Sie das Minimalpoly-nom vQ von v =

√3 +√

5 uber Q .

Aufgabe 72–4:

Es sei K := Q(√

2 , 3√

3 ) und w :=√

2 + 3√

3 ∈ K .Bestimmen Sie den Grad [K : Q] der Korpererweiterung K : Q . Berechnen Sie das Minimalpo-lynom g von w uber Q(

√2 ) und das Minimalpolynom f von w uber Q . Welche Teilbarkeitsbe-

ziehung besteht zwischen f und g ?

Aufgabe 72–5:

Es sei K ein beliebiger Korper. Zeigen Sie:Ist x ∈ K(X) algebraisch uber K , so gilt: x ∈ K .

Aufgabe 72–6:

Es sei K ein Korper mit dem Primkorper P (K) . Die multiplikative Gruppe K∗ sei zyklisch undx ∈ K∗ ihr erzeugendes Element.Beweisen Sie die beiden Aussagen:

a) x ist algebraisch uber P (K) .

b) K ist ein endlicher Korper.

Page 510: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

502 ANHANG A. UBUNGSAUFGABEN

Aufgabe 72–7:

Es sei f = X3 −X + 1 ∈ Q[X] und α eine Nullstelle dieses Polynoms.Berechnen Sie (2−3α+2α2)−1 in Q(α) und bestimmen Sie den Grad des Minimalpolynoms aQvon a = 2− 3α+ 2α2 uber Q .

Aufgaben zu § 73

Aufgabe 73–1:

Es sei K : k eine Korpererweiterung, f ∈ k[X] und x ∈ K eine Nullstelle von f . Zeigen Sie:Ist Df(x) 6= 0 , so ist x separabel uber k .(Dabei bezeichnet Df die Ableitung f ′ von f .)

Aufgabe 73–2:

Es sei p ≥ 2 eine Primzahl und K := ZZp(X) der Korper der rationalen Funktionen uber ZZp ,also der Korper der Bruche von ZZp[X] . Im Polynomring K[Y ] betrachten wir f := Y p −X .Zeigen Sie die Aussagen:

a) Das Polynom f ist irreduzibel in K[Y ] .

b) Ist α eine Nullstelle von f in einem Erweiterungskorper L von K , so ist α inseparabeluber K .

c) Der Korper K = ZZp(X) ist nicht vollkommen.

Aufgaben zu § 74

Aufgabe 74–1:

Es sei f = X4 − 2 ∈ Q[X] und K der Zerfallungskorper von f uber Q .

a) Berechnen Sie den Korpergrad [K : Q] .

b) Zeigen Sie, daß drei paarweise verschiedene Nullstellen x1, x2, x3 ∈ K von f existieren,fur die Q(x1, x2) und Q(x1, x3) nicht isomorph sind.

Aufgaben zu § 75

Aufgabe 75–1:

Es sei p ≥ 2 eine Primzahl, K := GF(p) und L :=∞⋃n=0

GF(p2n) .

a) Zeigen Sie, daß L ein Korper und L : K eine unendliche algebraische Korpererweiterungist.

b) Untersuchen Sie, ob L : K auch eine normale Korpererweiterung ist.

Page 511: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

Aufgaben zu § 76 503

Aufgaben zu § 76

Aufgabe 76–1:

a) Bestimmen Sie fur den Korper K := Q( 3√

2 ) den Korpergrad [K : Q] und die zugehorigeGalois–Gruppe G(K, Q) .

b) Es sei L := Q( 4√

2 , i) .Begrunden Sie, warum es eindeutig bestimmte Q–Automorphismen γ1 und γ2 auf L gibtmit

γ1( 4√

2 ) = i4√

2 , γ1(i) = i und γ2( 4√

2 ) = − 4√

2 , γ2(i) = i .

Bestimmen Sie den Fixbereich F = l ∈ L | γ1(l) = γ2(l) und den Korpergrad [L : F ] .

Aufgabe 76–2:

Bestimmen Sie die Galois–Gruppe von f = X3 − 2 uber Q .

Aufgabe 76–3:

Bestimmen Sie die Galois–Gruppe von f = X3 +X + 1 uber ZZ2 und uber ZZ3 .

Aufgabe 76–4:

Es sei L : K eine endliche Korpererweiterung mit L 6= K .Beweisen Sie die Aquivalenz folgender Aussagen:

(1) Der Erweiterungskorper L von K ist galois’sch uber K .

(2) Zu jedem x ∈ L \K gibt es einen Korper–Automorphismus γ ∈ G(L,K) mit γ(x) 6= x .

Aufgabe 76–5:

Es sei K : k eine Galois–Erweiterung mit K = k(x) . Ferner sei G := γ1, γ2, . . . , γm eineUntergruppe von G(K, k) und F der Fixbereich von G . Beweisen Sie:

a) Das Minimalpolynom f von x uber F ist darstellbar in der Form f =m∏µ=1

(X − γµ(x)) .

b) Ist f =m∑µ=0

aµXµ das Minimalpolynom von x uber F , so gilt: F = k(a0, a1, . . . , am) .

Page 512: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

504 ANHANG A. UBUNGSAUFGABEN

Aufgaben zu § 77

Aufgabe 77–1:

Konstruieren Sie aus M = 0, 1 ⊂ C mit Zirkel und Lineal die reellen Zahlen:

a) 4√

2 ,

b) 6√

2 ,

c) 8√

2 ,

d) einen Winkel α = 15 .

Oder begrunden Sie gegebenenfalls, warum eine Konstruktion nicht moglich ist.

Aufgabe 77–2:

Losen Sie Aufgabe 77–1 noch einmal mit M := 0, 1 ∪ x+ i y | y = x3 ⊂ C .

Aufgaben zu § 78

Aufgabe 78–1:

Es sei K : k eine Galois–Erweiterung mit Zwischenkorper L und ϕ ein Korper–Automorphismusvon K . Zeigen Sie, daß dann gilt:

a) ϕ(L) = F (ϕG(K,L)ϕ−1) .

b) G(K,ϕ(L)) = ϕG(K,L)ϕ−1 .

c) K : L ist eine Galois–Erweiterung.

Aufgabe 78–2:

a) Es sei K ⊂ C ein Korper mit Grad [K : Q] = 4 und G(K, Q) eine zyklische Gruppe derOrdnung 4 .Zeigen Sie, daß K nicht den Korper Q(i) enthalten kann.

b) Bilden Sie einen Korper K , der die Eigenschaften aus a) erfullt (mit Nachweis).

Aufgabe 78–3:

Es sei L : K eine Galois–Erweiterung mit Zwischenkorper Z .

a) Zeigen Sie, daß die Korpererweiterung Z : K genau dann normal ist, wenn ϕ(Z) = Z furalle ϕ ∈ G(L,K) gilt.

b) Beweisen Sie Satz 78.6 der Vorlesung:Die Korpererweiterung Z : K ist genau dann galois’sch, wenn G(L,Z) Normalteiler inG(L,K) ist. In diesem Fall gilt:

G(Z,K) ∼= G(L,K)/G(L,Z) .

Page 513: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

Aufgaben zu § 79 505

Aufgabe 78–4:

Es sei K der Zerfallungskorper von X4 − 2 uber Q .

a) Zeigen Sie:Ist z = i+ 4

√2 und gilt: γ(z) = z fur alle γ ∈ G(K, Q) , so folgt: γ = idK .

Es sei nun K := Q(i+ 4√

2 ) .Bestimmen Sie den zugehorigen Zwischenkorper–Verband Φ(K : Q) mit Hilfe der Methodeaus Aufgabe 76–5.

b) Konstruieren Sie normale Korpererweiterungen R : L und L : k derart, daß R : k keinenormale Korpererweiterung ist.

Hinweis: Vergleiche hierzu Aufgabe 44–1.

Aufgabe 78–5:

In dieser Aufgabe soll ein Beweis des Fundamentalsatzes der Algebra (Satz 20.6 der Vorlesung)erbracht werden; dieser darf daher nicht benutzt werden.Zeigen Sie folgende Aussagen:

a) Ist K : k eine Galois–Erweiterung mit [K : k] = m ·pr fur eine Primzahl p und m, r ∈ IN∗,dann gibt es einen Zwischenkorper L von K : k mit [L : k] = m .

b) Ist K : IR eine endliche Korpererweiterung mit K 6= IR , so ist [K : IR] gerade.

Hinweis: Man darf ohne Beweis ausnutzen, daß jedes Polynom aus IR[X] mit ungerademGrad mindestens eine reelle Nullstelle hat.

c) Ist K : IR eine Galois–Erweiterung mit K ⊇ C , dann gilt: K = C .

Hinweis: Verwenden Sie ohne Beweis, daß zu jeder komplexen Zahl w ∈ C eine ”Qua-dratwurzel“ z ∈ C existiert, d. h. mit z2 = w .

d) Ist K : C eine endliche Korpererweiterung, so folgt stets: K = C .

Aufgaben zu § 79

Aufgabe 79–1:

Fur n ∈ IN mit n ≥ 2 seien η(n)ν die n-ten Einheitswurzeln in En(Q) mit η

(n)n = 1 .

Berechnen Sie die rationalen Zahlen:

a)n−1∏ν=1

(1− η(n)ν ) .

b)n−1∑ν=1

1

1− η(n)ν

.

Page 514: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

506 ANHANG A. UBUNGSAUFGABEN

Aufgaben zu § 80

Aufgabe 80–1:

a) Bestimmen Sie alle z ∈ C mit z3 = −2 + 2 i . Welcher Zusammenhang besteht zwischenden Losungen dieser Gleichung?

b) Berechnen Sie alle Nullstellen von X3 − 6X + 4 ∈ IR[X] jeweils mit der Methode ausBeispiel 80.2b) der Vorlesung und den Losungen aus Teil a). (Hierbei ist es also nichterlaubt, Losungen zu ”erraten“ oder Linearfaktoren ”abzudividieren“.)

c) Berechnen Sie alle Nullstellen von X4 + 2iX + 32 ∈ C[X] mit der Methode aus Bei-

spiel 80.2c) der Vorlesung.

Hinweis: Geben Sie alle Ergebnisse in der Form a+ i b an, wobei a, b ∈ IR aus Wurzeltermenaufgebaut sein durfen.

Aufgabe 80–2:

Es sei U eine Untergruppe der symmetrischen Gruppe Sn . Fur x, y ∈ INn gelte x ∼ y genaudann, wenn x = y ist oder die Transposition (x, y) in U liegt.Zeigen Sie:

a) Durch ∼ ist eine Aquivalenzrelation auf INn erklart. Ist ϕ ∈ U und x ∈ INn , so haben dieAquivalenzklassen von x und ϕ(x) gleich viele Elemente.

b) Ist n eine Primzahl, enthalt U eine Transposition und ein Element der Ordnung n , dannist U = Sn .

Aufgabe 80–3:

a) Es sei p ≥ 5 eine Primzahl und f ∈ Q[X] irreduzibel vom Grad p . Ferner habe f genauzwei Nullstellen in C \ IR .Zeigen Sie, daß f nicht durch Radikale uber Q auflosbar ist.

b) Untersuchen Sie, welches der folgenden Polynome aus Q[X] uber Q durch Radikale auf-losbar sind:

(1) X8 − 3X4 +X2 + 2 .

(2) X7 − 10X5 + 15X + 5 .

Aufgabe 80–4:

Untersuchen Sie, welches der folgenden Polynome f ∈ Q[X] durch Radikale uber Q auflosbarist:

a) f = X5 − 4X + 2

b) f = X6 − 6X2 + 3 .

Page 515: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

Aufgaben zu § 81 und § 82 507

Aufgaben zu § 81 und § 82

Aufgabe 81/82–1:

Vorgegeben seien die drei binaren Codes

C1 := 0000, 1100, 1010, 1001, 0110, 0101, 0011, 1111 ⊂ (ZZ2)4 ,

C2 := 10000, 01010, 00001 ⊂ (ZZ2)5 und C3 := 000000, 101010, 010101 ⊂ (ZZ2)6 .

a) Bestimmen Sie die Minimalabstande d(Ci) und berechnen Sie die maximale Anzahl si derFehler, die entdeckt werden konnen, sowie die maximale Anzahl ti der Fehler, die korrigiertwerden konnen (hier und im folgenden jeweils fur i = 1, 2, 3 ).

b) Welcher Code Ci kann durch ein Codewort erganzt werden, ohne daß sich d(Ci) andert?

c) Welcher Code Ci ist linear? — Bestimmen Sie im Falle der Linearitat eine Basis von Ci .

d) Geben Sie jeweils einen binaren (2, 4, 1)-Code, einen binaren (3, 4, 2)-Code und einen bi-naren (5, 4, 3)-Code an.

Page 516: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

Anhang B

Klausuraufgaben

Folgende Auswahl von Klausuren wurden in den Anfangssemestern eines Mathematik–Studiumsan der Universitat Duisburg zum Erwerb jeweils eines entsprechenden Leistungsnachweises ge-stellt. Gemaß Diplomprufungsordnung von 1990 gliedern sich die meisten Klausuren in zwei Teile(Aufgaben 1 – 6 fur Diplom DI und Aufgaben 1 – 10 fur Diplom DII bzw. fur Lehramt SII). DieBearbeitungszeit betrug in der Regel zwei Zeitstunden.

Als Hilfsmittel zugelassen waren oft ein beidseitig handbeschriebenes DIN-A4–Blatt und einnicht–programmierbarer Taschenrechner.

Jede Aufgabe wurde mit maximal zehn Punkten bewertet. Zum Bestehen einer Klausur war —soweit nicht anders angegeben — das Erreichen von mindestens 40% aller moglichen Punkteerforderlich, wobei fur den DII– bzw. SII–Schein mindestens 40% aus den Aufgaben 1 – 6 undzugleich mindestens 40% aus den Aufgaben 7 – 10 erreicht werden mußten.

Klausur 1 zu LINEARE ALGEBRA I

1. Klausurteil der Klausur 1 vom 24.11.1990

Aufgabe 1–1:

Gegeben sind die Vektoren a = (3,−3, 12) und b = (2, 0,−2) im IR3 .

a) Berechnen Sie die Losung x ∈ IR3 der Gleichung

7 (2x− a)− 3 (b+ 2x)− a =132x− 15

2a .

b) Stellen Sie — falls moglich — den Vektor y = (1, 9,−46) als Linearkombination von aund b dar.

Aufgabe 1–2:

Es seien ak fur k = 1, 2, . . . , 6 die sechs verschiedenen Vektoren des IR4 mit jeweils genau zweiEinsen und genau zwei Nullen als Komponenten.Geben Sie (ohne Beweis) eine Basis des IR4 aus Vektoren der Familie (ak)k=1,2,...,6 an.

508

Page 517: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

Klausur 1 zu Lineare Algebra I 509

Aufgabe 1–3:

Gegeben sind die folgenden Untervektorraume:

U := <(1, 2, 3), (3, 2, 1)> ⊂ IR3 und V := <(0, 0, 1)> ⊂ IR3 .

Gilt dann: U ⊕ V = IR3 ? — Begrunden Sie Ihre Antwort.

Aufgabe 1–4:

Gegeben sei die Matrix

B :=

2 −2 −4−1 3 4

1 −2 −3

.

Welche der folgenden Aussagen fur B ist richtig?(Geben Sie ohne Beweis nur die Nummern aller richtigen Aussagen an.)

(1) B ·B = B .

(2) B ·B 6= B .

(3) B ·B = B ist unmoglich, denn diese Gleichung gilt nur fur B = E3 oder B = 0 .

Aufgabe 1–5:

Gegeben sei die Matrix

A :=

(2 −2−1 1

).

Bestimmen Sie alle Matrizen X ∈ Mat(2, 2; IR) mit A ·X = 0 und X ·A 6= 0 .

Aufgabe 1–6:

Gegeben sei das reelle lineare Gleichungssystem

−x + 2 y + z = 013x − 26 y + 2 z = 152x − 4 y − z = 1 .

Welche der folgenden Aussagen ist richtig?(Geben Sie ohne Beweis nur die Nummern aller richtigen Aussagen an.)

(1) Das System ist eindeutig losbar.

(2) Das System hat keine Losung.

(3) Das System hat unendlich viele Losungen.

(4) Es gibt eine Losung mit z = 0 .

(5) Es gibt eine Losung mit z = 1 .

(6) In der Losung ist z beliebig wahlbar.

Page 518: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

510 ANHANG B. KLAUSURAUFGABEN

2. Klausurteil der Klausur 1 vom 24.11.1990

Aufgabe 1–7:

a) Geben Sie ohne Beweis die Verknupfungstafel fur eine Gruppe mit genau drei Elementenan.

b) Ist die Menge Abb(IR, IR) mit den Verknupfungen + und · , wobei

(f + g)(x) := f(x) + g(x) fur alle x ∈ IRund (f · g)(x) := f(x) · g(x) fur alle x ∈ IR

sei, ein Korper? — Begrunden Sie Ihre Antwort.

Aufgabe 1–8:

Prufen Sie, ob die folgenden Mengen Untervektorraume des IR3 sind:

a) Ma := (x, y, z) ∈ IR3 | x · y · z = 0 .

b) Mb := (x, x2, 0) ∈ IR3 | x ∈ IR .

Aufgabe 1–9:

Gegeben seien die Funktionen f1, f2, f3 ∈ Abb(IR, IR) mit

f1(x) = 1 + x , f2(x) = x2 , f3(x) =x

1 + x2fur alle x ∈ IR .

Untersuchen Sie, ob die drei Funktionen linear abhangig oder linear unabhangig sind.

Aufgabe 1–10:

Es seien L1 := x1 + V1 und L2 := x2 + V2 zwei parallele affine Unterraume eines endlich–di-mensionalen Vektorraums W . Beweisen Sie:Ist dimV1 = dimV2 und x1 − x2 ∈ V2 , so folgt: L1 = L2 .

Klausur 2 zu LINEARE ALGEBRA I

1. Klausurteil der Klausur 2 vom 12.01.1991

Aufgabe 2–1:

a) Berechnen Sie den Rang der Matrix 1 2 3 45 6 7 89 10 11 12

.

b) Gegeben seien zwei symmetrische (n× n)-Matrizen A und B .Zeigen Sie, daß A ·B genau dann symmetrisch ist, wenn A ·B = B ·A gilt.

Page 519: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

Klausur 2 zu Lineare Algebra I 511

Aufgabe 2–2:

Bestimmen Sie die inverse Matrix von

A =

1 0 11 1 00 0 1

.

Aufgabe 2–3:

Es seien a, b, c, d ∈ IR . Berechnen Sie fur allgemeines n ≥ 2 die Determinante der (n×n)-Matrix

A =

a 0 0 · · · 0 b0 1 0 · · · 0 0

0 0 1. . .

......

......

. . . . . . 0 00 0 · · · 0 1 0c 0 · · · 0 0 d

.

Aufgabe 2–4:

Es sei A ∈ Mat(n, n; IR) eine Matrix mit A ·At = En .Beweisen Sie, daß fur die zu A komplementare Matrix A gilt: A = σ At mit σ ∈ −1, 1 .

Aufgabe 2–5:

Bestimmen Sie alle Parameter a ∈ IR , fur die das reelle lineare Gleichungssystem

x1 + x2 − x3 = 12x1 + 3x2 + a x3 = 0x1 + a x2 + 3x3 = a

genau eine Losung besitzt. Und bestimmen Sie fur diese a ∈ IR die Losung des Systems mitHilfe der Cramer’schen Regel.

Aufgabe 2–6:

Wir betrachten den Vektorraum IR2 mit der kanonischen Basis (e1, e2) sowie den Vektorraum IR3

mit der kanonischen Basis (e′1, e′2, e′3) .

Geben Sie ohne Beweis die Nummern der zutreffenden Aussagen an:

(1) Es gibt eine lineare Abbildung F : IR3 → IR2 mit F (e′1 + e′3) = e1 und F (e′2) = e2 .

(2) Es existiert eine Abbildung F ∈ HomIR(IR2, IR3) mit F (e1) = e′1 , F (e2) = e′3 undF (e1 + e2) = e′2 .

(3) Es gibt eine lineare Abbildung F : IR2 → IR3 mit F (e1 + 2 e2) = e′1 , F (2 e1 + e2) = e′2und F (−e1 + 4 e2) = e′3 .

Page 520: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

512 ANHANG B. KLAUSURAUFGABEN

(4) Es existiert ein F ∈ HomIR(IR2, IR3) mit F (e1 + 2 e2) = e′1 , F (2 e1 + e2) = e′2 undF (−e1 + 4 e2) = 3 e′1 − 2 e′2 .

(5) Es gibt ein F ∈ HomIR(IR3, IR3) mit F (e′1) = e′1 , F (e′2) = e′2 und F (e′1 + e′2 + e′3) = e′2 .

2. Klausurteil der Klausur 2 vom 12.01.1991

Aufgabe 2–7:

a) Es seien A,B ∈ Mat(n, n;K) zwei Matrizen. Beweisen Sie:Ist das lineare Gleichungssystem (A · B) · x = b universell losbar, so hat das System(B ·A) · x = 0 nur die triviale Losung.

b) Es sei C ∈ Mat(n, n; IR) eine Matrix mit C · C · C · C = C .Zeigen Sie, daß dann gilt: detC ∈ 0 , 1 .

Aufgabe 2–8:

Berechnen Sie fur allgemeines n ∈ IN∗ die Determinante der Matrix A ∈ Mat(n, n; IR) mit

A =

1 1 1 · · · 11 2 2 · · · 21 2 3 · · · 3...

......

...1 2 3 · · · n

.

Aufgabe 2–9:

Welche der folgenden Abbildungen f : Mat(n, n; IR)→ IR sind fur alle n ∈ IN∗ linear, welchenicht?

a) f(A) = rg(A) .

b) f(A) = sp(A) .

c) f(A) = detA .

Begrunden Sie jeweils Ihre Antwort.

Aufgabe 2–10:

Es sei V ein endlich–dimensionaler Vektorraum uber dem Korper K . Zeigen Sie die Aquivalenzfolgender Aussagen fur einen Endomorphismus F ∈ EndK(V ) :

a) KerF = ImF .

b) F F = 0 ∧ dimK V = 2 · rg(F ) .

Page 521: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

Klausur 3 zu Lineare Algebra I 513

Klausur 3 zu LINEARE ALGEBRA I

1. Klausurteil der Klausur 3 vom 22.02.1991

Aufgabe 3–1:

Wir betrachten den Vektorraum IR3 mit der kanonischen Basis K = (e1, e2, e3) sowie denVektorraum IR2 mit der kanonischen Basis K′ = (e′1, e

′2) . Es sei F ∈ HomIR(IR3, IR2) gegeben

durchF (e1) = 7 e′1 + 4 e′2 ,

F (e2) = −2 e′1 − 5 e′2 ,

F (e3) = 4 e′1 − 8 e′2 .

Gibt es eine Basis B des IR2 , bezuglich der F die darstellende Matrix A = ΦKB (F ) hat mit

A =

(1 1 42 −1 0

)?

Bestimmen Sie diese Basis, oder begrunden Sie, warum sie nicht existiert.

Aufgabe 3–2:

Gegeben seien folgende Linearformen auf Π2 :

ϕ1(P ) := P (0) , ϕ2(P ) := P ′(1) , ϕ3(P ) := P ′′(0) .

Beweisen Sie, daß diese Linearformen linear unabhangig sind, und bestimmen Sie PolynomeP1, P2, P3 ∈ Π2 mit ϕi(Pj) = δij .

Aufgabe 3–3:

Der Endomorphismus F : IR3 → IR3 werde bezuglich der kanonischen Basis K durch die Matrix

A :=

1 −3 33 −5 36 −6 4

definiert. Dabei besitzt A das charakteristische Polynom pA(t) = (t− 4) · (t2 + 4 t+ 4) .Untersuchen Sie, ob F diagonalisierbar ist.

Aufgabe 3–4:

Gegeben sei die Matrix A ∈ Mat(3, 3; IR) mit

A =

0 2 52 −3 −9−1 1 3

.

Bestimmen Sie das charakteristische Polynom von A . Welche Formel fur A−1 liefert der Satzvon Cayley–Hamilton?

Page 522: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

514 ANHANG B. KLAUSURAUFGABEN

Aufgabe 3–5:

Es sei A = (αij) ∈ Mat(n, n; IR) mitn∑j=1

αij = α fur alle i = 1, 2, . . . , n .

Zeigen Sie, daß α ein Eigenwert von A ist.

Aufgabe 3–6:

Welche der nachfolgenden Aussagen sind wahr, welche falsch?(Geben Sie Ihre Antwort jeweils ohne Begrundung an.)

(1) Ist A ∈ Mat(n, n; IR) mit Ar = 0 fur ein r ∈ IN∗ , so folgt auch: An = 0 .

(2) Ist A ∈ Mat(n, n; C) und hat eine Potenz Ak von A den Eigenwert 1 , so hat A selbst denEigenwert 1 oder −1 .

(3) Ist A ∈ Mat(n, n; C) und hat eine Potenz Ak von A den Eigenwert 0 , so ist A singular.

(4) Ist A ∈ Mat(n, n; IR) symmetrisch und sind alle Eigenwerte von A reell und positiv, sogilt: sp(A) > 0 .

(5) Ist A ∈ Mat(n, n; IR) symmetrisch und gilt: sp(A) > 0 , so sind alle Eigenwerte von Areell und positiv.

2. Klausurteil der Klausur 3 vom 22.02.1991

Aufgabe 3–7:

Beweisen Sie:Fur beliebige a, b, c ∈ IR ist A ∈ Mat(2, 2; IR) mit A =

(a bb c

)stets diagonalisierbar.

Aufgabe 3–8:

Gegeben ist A ∈ Mat(2, 2; IR) mit A =

(5 6−3 −4

).

Bestimmen Sie alle Eigenwerte und Eigenvektoren von A .Berechnen Sie A60 , wobei im Ergebnis Potenzen von 2 stehenbleiben durfen.

Aufgabe 3–9:

Es sei A ∈ Mat(n, n;K) . Beweisen oder widerlegen Sie:

a) A und At haben dieselben Eigenwerte.

b) A und At haben dieselben Eigenvektoren.

Page 523: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

Klausur 4 zu Lineare Algebra I 515

Aufgabe 3–10:

Beweisen Sie:Jede Matrix A ∈ Mat(n, n; IR) fur n ∈ IN∗ mit detA < 0 besitzt einen negativen reellenEigenwert.

Klausur 4 zu LINEARE ALGEBRA I

In dieser Klausur und der folgenden waren keine Hilfsmittel zugelassen.

1. Klausurteil der Klausur 4 vom 12.12.1992

Aufgabe 4–1:

a) Fur welche Werte α ∈ IR sind die Vektoren

(1 + α

1− α

)und

(1− α1 + α

)im IR2 linear unab-

hangig? (Begrunden Sie Ihre Antwort.)

b) Zeigen Sie, daß die Vektoren

(1 + i

2

),

(i

1 + i

)∈ C2 uber C linear abhangig, uber IR aber

linear unabhangig sind.

Aufgabe 4–2:

Es sei

A :=

−1 1 2−5 −1 1−2 0 1

∈ Mat(3, 3; IR) .

a) Berechnen Sie rg(A) .

b) Bestimmen Sie eine Basis von L := x ∈ IR3 | A · x = 0 .

c) Erganzen Sie Ihre Basis von L zu einer Basis des IR3 (ohne Beweis).

Aufgabe 4–3:

Im IR3 betrachten wir den Untervektorraum U1 := <(1, 0, 0)> und die MengeU2 := (x, x, y) ∈ IR3 | x, y ∈ IR .

a) Zeigen Sie, daß auch U2 ein Untervektorraum des IR3 ist.

b) Untersuchen Sie, ob U1 + U2 = IR3 gilt.Ist U1 + U2 eine direkte Summe? (Begrunden Sie Ihre Antwort.)

c) Geben Sie (ohne Beweis) ein z ∈ IR so an, daß U3 := <(1, z, 1)> ein zu U2 komplemen-tarer Untervektorraum des IR3 ist.

Page 524: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

516 ANHANG B. KLAUSURAUFGABEN

Aufgabe 4–4:

Zeigen Sie, daß die reelle Matrix

A :=

1 0 1 00 1 0 10 0 0 10 0 1 1

regular ist, und bestimmen Sie die Inverse A−1 .

Aufgabe 4–5:

Gegeben sei das reelle lineare Gleichungssystem

x + 5 y + z = 42x + 6 y + 2 z = 43x + 5 y + 3 z = 2 .

Kreuzen Sie an, ob die nachfolgenden Aussagen wahr oder falsch sind. Jedes richtige Kreuzerbringt +2 Punkte, jedes unrichtige −2 Punkte. Die Gesamtpunktzahl dieser Aufgabe kanndabei nicht negativ werden. Nicht bearbeitete Teile ergeben 0 Punkte.

wahr falsch

a) Das System ist eindeutig losbar.

b) Das System hat keine Losung.

c) Es gibt eine Losung mit y = 0 .

d) Es gibt eine Losung mit y = 1 .

e) Es gibt eine Losung mit z = 1 .

Aufgabe 4–6:

Gegeben sei ein lineares Gleichungssystem

(∗) A · x = b

mit Koeffizientenmatrix A ∈ Mat(m,n;K) und rechter Seite b ∈ Km \ 0 .Gesucht ist eine Losung x ∈ Kn .

Kreuzen Sie an, ob die nachfolgenden Aussagen wahr oder falsch sind. Jedes richtige Kreuzerbringt +1 Punkt, jedes unrichtige −1 Punkt. Die Gesamtpunktzahl dieser Aufgabe kann dabeinicht negativ werden. Nicht bearbeitete Teile ergeben 0 Punkte.

Page 525: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

Klausur 4 zu Lineare Algebra I 517

wahr falsch

a) Sind x1 und x2 Losungen von (∗), so ist auch x1 + x2 eineLosung von (∗).

b) Lost x0 das zugehorige homogene System A ·x = 0 , dann istauch λx0 mit λ ∈ K eine Losung des homogenen Systems.

c) Gilt: rg(A) = n , so ist (∗) stets losbar.

d) Ist (∗) losbar, dann folgt: rg(A) = rg(A | b) .

e) Gilt: rg(A) = m , so ist (∗) stets eindeutig losbar.

f) Besitzt das homogene System A · x = 0 nur die trivialeLosung, dann folgt: m = n .

g) Fur W = x ∈ Kn | A · x = 0 gilt: rg(A) = n− dimKW .

h) Gilt: rg(A) = rg(A | b) , so existieren mindestens zwei ver-schiedene Losungen von (∗).

i) Ist m = n , dann ist (∗) stets losbar.

j) Ist m = n und A regular, so ist (∗) eindeutig losbar.

2. Klausurteil der Klausur 4 vom 12.12.1992

Aufgabe 4–7:

a) Es sei G ⊂ Abb(IR, IR) die Menge

G := f : IR→ IR | Es gibt a, b ∈ IR mit a 6= 0 und f(x) = a x+ b fur alle x ∈ IR .

Zeigen Sie, daß G mit der Komposition als Verknupfung eine Gruppe bildet. UntersuchenSie, ob diese Gruppe (G, ) abelsch ist.

Hinweis: Sie durfen als bekannt voraussetzen, daß die Komposition von Abbildungenin Abb(IR, IR) stets assoziativ ist.

b) Geben Sie (ohne Beweis) die beiden Verknupfungstafeln fur einen Korper mit genau dreiElementen an.

Aufgabe 4–8:

Es seien H1 und H2 zwei Hyperebenen eines K–Vektorraumes V der Dimension n ≥ 2. BeweisenSie die Aussage:Sind H1 und H2 verschieden, so gilt: H1 ∩H2 ist ein affiner Unterraum von V mit

H1 ∩H2 = ∅ oder dimK(H1 ∩H2) = n− 2 .

Page 526: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

518 ANHANG B. KLAUSURAUFGABEN

Aufgabe 4–9:

Es sei V ein K–Vektorraum mit dimK V = n ≥ 2 . Ferner seien a und b zwei Vektoren aus Vmit folgender Eigenschaft:

Fur jede Basis (v1, v2, . . . , vn) von V mit a = v1 ist auch (b, v2, . . . , vn) eine Basis von V .Zeigen Sie, daß dann a und b linear abhangig sind.

Aufgabe 4–10:

a) Geben Sie zwei Permutationen σ, τ ∈ S3 an mit σ2 τ2 6= (σ τ)2 .Berechnen Sie dabei explizit die Zwischenergebnisse σ2 , τ2 , σ2 τ2 , σ τ und (σ τ)2 .

b) Beweisen Sie die Aussage:Ist n ≥ 3 , so gibt es immer Permutationen σ, τ ∈ Sn mit σ2 τ2 6= (σ τ)2 .

Klausur 5 zu LINEARE ALGEBRA I

1. Klausurteil der Klausur 5 vom 05.02.1993

Aufgabe 5–1:

a) Bestimmen Sie alle α ∈ IR aus der Gleichung

∣∣∣∣∣∣∣∣1 1 0 00 1 1 00 0 1 αα 0 0 1

∣∣∣∣∣∣∣∣ = 0 .

b) Wir setzen als bekannt voraus: ∣∣∣∣∣∣∣∣∣∣∣

1 2 3 4 52 3 4 5 13 4 5 1 24 5 1 2 35 1 2 3 4

∣∣∣∣∣∣∣∣∣∣∣= 1875 .

Berechnen Sie (jeweils mit kurzer Begrundung) die folgenden beiden Determinanten:

D1 =

∣∣∣∣∣∣∣∣∣∣∣

1 2 3 −16 52 3 4 −20 13 4 5 −4 24 5 1 −8 35 1 2 −12 4

∣∣∣∣∣∣∣∣∣∣∣und D2 =

∣∣∣∣∣∣∣∣∣∣∣

1 1 1 1 −42 3 4 5 13 4 5 1 24 5 1 2 35 1 2 3 4

∣∣∣∣∣∣∣∣∣∣∣.

Page 527: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

Klausur 5 zu Lineare Algebra I 519

Aufgabe 5–2:

a) Gegeben sei die Matrix An = (αij) ∈ Mat(n, n; IR) durch

αij :=

3 , falls i = j2 , falls i = j + 11 , falls j = i+ 10 sonst.

Bestimmen Sie die Determinanten detA1 , detA2 und detA3 sowie eine Rekursionsformelfur detAn .

b) Formulieren Sie den Determinanten–Multiplikationssatz (D12).

Aufgabe 5–3:

a) Es sei V ein beliebiger K–Vektorraum und M ⊂ V eine Teilmenge mit M 6= ∅ . Wasversteht man dann unter M⊥ ?

b) Gegeben seien die Linearformen ϕ1 und ϕ2 aus (Π2)∗ durch

ϕ1(P ) := P (0) und ϕ2(P ) := P ′(0) .

(1) Untersuchen Sie, ob ϕ1, ϕ2 linear unabhangig sind.

(2) Untersuchen Sie, ob es eine Linearform ϕ3 ∈ (Π2)∗ gibt, so daß (ϕ1, ϕ2, ϕ3) eineduale Basis zu der kanonischen Basis aus den Monomen e0, e1, e2 ∈ Π2 ist.

Aufgabe 5–4:

Gegeben sei die Matrix A ∈ Mat(3, 3; IR) mit

A =

0 1 2−2 1 0

1 0 1

.

a) Berechnen Sie alle Eigenwerte von A .

b) Bestimmen Sie zu einem dieser Eigenwerte einen Eigenvektor von A .

Aufgabe 5–5:

Wir betrachten den Vektorraum IR3 mit der kanonischen Basis (e1, e2, e3) sowie den VektorraumIR2 mit der Basis (v1, v2) , wobei v1 := (1, 1) und v2 := (−1, 1) ist.

Kreuzen Sie an, ob die nachfolgenden Aussagen wahr oder falsch sind. Jedes richtige Kreuzerbringt +2 Punkte, jedes unrichtige −2 Punkte. Die Gesamtpunktzahl dieser Aufgabe kanndabei nicht negativ werden. Nicht bearbeitete Teile ergeben 0 Punkte.

Page 528: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

520 ANHANG B. KLAUSURAUFGABEN

wahr falsch

a) Es gibt ein F ∈ HomIR(IR2, IR3) mit F (v1) = e1 ,F (v2) = e2 und 2F ((0, 1)) = e3 .

b) Es gibt ein F ∈ EndIR(IR2) mit F (v1 + v2) = v1 undF (v1 − v2) = v2 .

c) Es gibt ein F ∈ EndIR(IR3) mit F (e1) = e1 , F (e2) = e2

und F (e1 + 2 e2) = e3 .

d) Es gibt ein F ∈ HomIR(IR3, IR2) mit F (e1 + e2) = v1

und F (e3) = v1 .

e) Es existiert eine lineare Abbildung F : IR2 → IR3 mitF (v1 + 2 v2) = e1 , F (2 v1 + v2) = e2 und zugleichF (−4 v1 + v2) = 2 e1 − 3 e2 .

Aufgabe 5–6:

Wir betrachten den Vektorraum IR3 mit einer Basis A = (v1, v2, v3) . Bezuglich A habe derEndomorphismus F ∈ EndIR(IR3) die darstellende Matrix

A = ΦAA(F ) :=

1 0 11 0 00 1 0

.

Ferner sei B die Basis von IR3 mit B = (v1 , v1 + v2 , v2 + v3) .

Kreuzen Sie an, ob die nachfolgenden Aussagen wahr oder falsch sind. Jedes richtige Kreuzerbringt +2 Punkte, jedes unrichtige −2 Punkte. Die Gesamtpunktzahl dieser Aufgabe kanndabei nicht negativ werden. Nicht bearbeitete Teile ergeben 0 Punkte.

wahr falsch

a) Es gilt: F (v1 + v2) = v1 + v3 .

b) Es existiert eine Basis C des IR3 derart, daß gilt: ΦCC(F ) = E3 ,d. h. eine Matrix C ∈ GL(3; IR) mit C−1 ·A · C = E3 .

c) Es gibt Basen D und E des IR3 derart, daß gilt:

ΦED(F ) =

1 1 00 1 10 0 1

.

d) Hat ein Vektor x ∈ IR3 bezuglich A die Koordinaten (a, b, c)t

und bezuglich B die Koordinaten (α, β, γ)t , so istαβγ

=

1 0 01 1 00 1 1

· abc

.

Page 529: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

Klausur 5 zu Lineare Algebra I 521

wahr falsch

e) Ist B := ΦBB(F ) die darstellende Matrix von F bezuglich B ,dann gilt fur die erste Spalte B1 von B :

B1 =

010

.

2. Klausurteil der Klausur 5 vom 05.02.1993

Aufgabe 5–7:

Es sei V ein reeller Vektorraum und P (V ) := F ∈ EndIR(V ) | F F = F . Zeigen Sie furalle F,G ∈ P (V ) :

a) Genau dann ist (F +G) ∈ P (V ) , wenn gilt: (F G) + (G F ) = 0 .

b) Ist ImF ⊂ KerG und ImG ⊂ KerF , so folgt: (F +G) ∈ P (V ) .

c) Ist ImF ∩ ImG 6= 0 , dann gilt: (F +G) /∈ P (V ) .

Aufgabe 5–8:

a) Es sei V ein K–Vektorraum der Dimension n und G ∈ EndK(V ) ein Endomorphismussowie (v1, v2, . . . , vr) eine Basis von ImG mit 1 ≤ r ≤ n .Zeigen Sie, daß ein F ∈ EndK(V ) existiert mit den Eigenschaften

V = ImG⊕KerF und (G F )(x) = x fur alle x ∈ ImG .

b) Wie lautet die Dimensionsformel fur Homomorphismen zwischen beliebigen endlich–di-mensionalen Vektorraumen?

Aufgabe 5–9:

a) Es sei A ∈ Mat(n, n; C) eine diagonalisierbare Matrix, und fur die Eigenwerte λ1, λ2, . . .. . . , λn von A gelte: λk ∈ 1 , −1 fur alle k = 1, 2, . . . , n .Zeigen Sie, daß daraus folgt: A2 = En .

b) Die Aussage aus Teil a) ist falsch, wenn man die Voraussetzung der Diagonalisierbarkeitvon A weglaßt. Geben Sie dafur eine Matrix aus Mat(2, 2; C) als Beispiel an.

Page 530: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

522 ANHANG B. KLAUSURAUFGABEN

Aufgabe 5–10:

Fur n ≥ 3 sei die Matrix A = (αij) ∈ Mat(n, n; C) gegeben durch

A :=

1 0 0 · · · 0 10 1 0 · · · 0 00 0 1

. . .... 0

......

. . . . . . 0...

0 0 · · · 0 1 01 0 0 · · · 0 1

, also: αij :=

1 , falls i = j ∨ |i− j| = n− 10 sonst.

a) Bestimmen Sie alle Eigenwerte von A .

b) Bestimmen Sie den Eigenraum zu einem der Eigenwerte von A . (Dazu darf einer derEigenwerte aus Teil a) frei ausgewahlt werden.)

c) Untersuchen Sie, ob A diagonalisierbar ist.

Klausur 1 zu LINEARE ALGEBRA II

Als Hilfsmittel bei dieser und der folgenden Klausur war jeweils ein beidseitig handbeschriebenesDIN-A4–Blatt zugelassen.

1. Klausurteil der Klausur 1 vom 25.05.1991

Aufgabe 1–1:

Vorgegeben sei die Matrix A =

(2 1−4 6

)und das charakteristische Polynom pA(t) = (t−4)2 .

Bestimmen Sie eine Matrix B ∈ GL(2; C) so, daß B−1 ·A ·B Jordan’sche Normalform hat.

Aufgabe 1–2:

Gegeben sei die Matrix A ∈ Mat(4, 4; IR) durch

A :=

1 0 1 20 1 α 40 0 1 00 0 0 1

und den Parameter α ∈ IR .

Bestimmen Sie die Jordan’sche Normalform von A in Abhangigkeit von α .

Aufgabe 1–3:

Es sei A = (αij) ∈ Mat(n, n; IR) symmetrisch und positiv definit. Zeigen Sie, daß dann gilt:

n∑i,j=1

αij > 0 .

Page 531: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

Klausur 1 zu Lineare Algebra II 523

Aufgabe 1–4:

Orthonormieren Sie die Vektoren a1 = (1, 0, 1, 0) , a2 = (3, 1, 1, 1) und a3 = (0, 1, 1, 0) des IR4

nach dem Verfahren von Schmidt–Gram.

Aufgabe 1–5:

Gegeben seien die Vektoren a = (2,−1, 1) , b = (1, 2,−1) und c = (1, 1,−2) im IR3 .Finden Sie alle Vektoren d ∈ IR3 mit d ∈< b , c> , d ⊥ a und ‖d‖ = 1 .

Aufgabe 1–6:

Bestimmen Sie die Spektralzerlegung der Matrix

A =

(2 −2−2 5

).

2. Klausurteil der Klausur 1 vom 25.05.1991

Aufgabe 1–7:

Es sei V ein euklidischer Vektorraum und x, y ∈ V linear unabhangig mit ‖x‖ = ‖y‖ = 1 .Zeigen Sie, daß gilt: ‖x+ y‖ < 2 .

Aufgabe 1–8:

Beweisen Sie die Aussage:Sind A,B ∈ Mat(n, n; IR) symmetrisch und positiv definit, so folgt stets: det (A+B) > 0 .

Aufgabe 1–9:

Es sei V ein endlich–dimensionaler euklidischer Vektorraum und F : V → V ein diagonali-sierbarer Endomorphismus. Fur alle Eigenwerte λ von F gelte: λ ∈ 0 , 1 . Und ist x einEigenvektor zu 0 und y ein Eigenvektor zu 1 , so folgt: 〈x, y〉 = 0 . Beweisen Sie nun:Die Abbildung F ist die Orthogonalprojektion PU von V auf U := ImF .

Aufgabe 1–10:

Es sei W := S(n) der Vektorraum aller symmetrischen Matrizen aus Mat(n, n; IR) , versehenmit dem Skalarprodukt

〈A,B〉 := sp (A ·B) .

Und V := IR habe das kanonische Skalarprodukt.Bestimmen Sie die adjungierte Abbildung F ∗ zu F : V →W mit F (t) := t En .

Page 532: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

524 ANHANG B. KLAUSURAUFGABEN

Klausur 2 zu LINEARE ALGEBRA II

1. Klausurteil der Klausur 2 vom 29.06.1991

Aufgabe 2–1:

Im IR2 sei folgender eindimensionale Untervektorraum vorgegeben:

g := (x, y) ∈ IR2 | 3x+ 4 y = 0 .

Bestimmen Sie die darstellende Matrix (bezuglich der kanonischen Basis) der Spiegelung an g .

Aufgabe 2–2:

Gegeben sei die Quadrik Q im IR2 mit der Gleichung 2x y = 1 .Berechnen Sie gemaß den Bezeichnungen aus der Vorlesung:

rg(A) , rg(A′) , SignA und SignA′ ,

und klassifizieren Sie die Quadrik Q .

Aufgabe 2–3:

Es sei A ∈ Mat(n, n; IR) symmetrisch mit den Eigenwerten 0 < λ1 ≤ λ2 ≤ . . . ≤ λn und

Q := x ∈ IRn | x ·A · xt = 1 .

Zeigen Sie, daß fur alle x ∈ Q gilt:

1λn≤ ‖x‖2 ≤ 1

λ1.

Aufgabe 2–4:

Beweisen oder widerlegen Sie die Aussage:

Es gibt ein a ∈ IR derart, daß die Matrix A =

1 1 11 a 11 1 −a

positiv definit wird.

Aufgabe 2–5:

Zeigen Sie, daß durch

A :=

12 −1

2

√2 1

212

√2 0 −1

2

√2

12

12

√2 1

2

eine Drehung im IR3 induziert wird, und berechnen Sie den Drehwinkel γ ∈ [ 0 ;π ] .

Page 533: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

Klausur 3 zu Lineare Algebra II 525

Aufgabe 2–6:

Wir betrachten den affinen Raum A................................................... = (K2,K2, →) uber dem Korper K = ZZ2 .

Bestimmen Sie alle Geraden in A................................................... , die durch den Punkt (1, 0) gehen.

2. Klausurteil der Klausur 2 vom 29.06.1991

Aufgabe 2–7:

Es sei V ein unitarer Vektorraum und F : V → V eine C–lineare Abbildung. Zu F existieredie adjungierte Abbildung F ∗ . Ferner sei F1 := 1

2 (F + F ∗) .Zeigen Sie, daß F1 ein selbstadjungierter Endomorphismus ist.

Aufgabe 2–8:

Bestimmen Sie die Parameter a, b, c ∈ IR so, daß die Matrix

A =

0 2√

6a

1√2− 1√

6b

1√2

1√6

c

orthogonal wird. Ist dann das Tripel (a, b, c) eindeutig bestimmt?

Aufgabe 2–9:

Zeigen Sie, daß die Menge

M := x ∈ IR2 | 〈x, e2〉 + ‖x− e2‖ = 2

eine Quadrik im IR2 ist. Und klassifizieren Sie M .(Dabei sei 〈·, ·〉 das kanonische Skalarprodukt im IR2 .)

Aufgabe 2–10:

Es sei A................................................... = (M,V, →) ein affiner Raum uber dem Korper K und f : M → M eine affine

Abbildung.Zeigen Sie, daß die Menge Fix(f) := P ∈ M | f(P ) = P aller Fixpunkte von f ein affinerUnterraum von M ist.

Klausur 3 zu LINEARE ALGEBRA II

Beachte: Folgende Klausur bestand nur aus dem DII–Teil. Zugelassenes Hilfsmittel war dabeiwieder ein beidseitig handbeschriebenes DIN-A4–Blatt.

Page 534: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

526 ANHANG B. KLAUSURAUFGABEN

2. Klausurteil der Klausur 3 vom 02.10.1991

Aufgabe 3–1:

Wir betrachten den IRn als affinen Raum. Die affine Abbildung f : IRn → IRn sei gegeben durch

f(x) := A · x+ t mit A ∈ Mat(n, n; IR) und t ∈ IRn .

Zeigen Sie: Ist 1 kein Eigenwert von A , so besitzt f genau einen Fixpunkt.

Aufgabe 3–2:

Gegeben seien eine Quadrik Q und eine Gerade g im IR3 mit

g := x ∈ IR3 | x = b+ t c fur t ∈ IR ,

wobei b ∈ IR3 und 0 6= c ∈ IR3 fest vorgegeben sind. Beweisen Sie:Besitzen Q und g drei (paarweise verschiedene) gemeinsame Punkte, so gilt: g ⊂ Q .

Aufgabe 3–3:

Gegeben seien eine konvexe Menge K ⊂ IRn und ein Punkt x ∈ IRn \K .Zeigen Sie, daß fur die konvexe Hulle von x ∪K gilt:

kon(x ∪K) = λx+ µ y | λ, µ ≥ 0 ∧ λ+ µ = 1 ∧ y ∈ K =: L .

Aufgabe 3–4:

Bei der Losung einer linearen Optimierungsaufgabe mit ϕ1(x, y) = x und ϕ2(x, y) = y nachdem Simplex–Verfahren ergebe sich folgendes Ecken–Tableau fur den Nullpunkt:

0 ϕ1 ϕ2 Werte χ

ϕ3 −1 0 50

ϕ4 0 −1 200

ϕ5 −1 −0,2 72

ϕ6 −150 −25 10 000

Φ −250 −45 0

Begrunden Sie, warum die erste Spalte als Pivotspalte gewahlt werden kann und fuhren Sie einenSchritt des Simplex–Algorithmus durch.

Klausur 4 zu LINEARE ALGEBRA II

Diese Klausur bestand aus 15 Aufgaben zu jeweils 10 Punkten. Dabei waren im ersten Teil (DI)maximal sechs Aufgaben, im zweiten Teil (DII bzw. SII) maximal vier Aufgaben zur Wertungauszuwahlen. Die Bearbeitungszeit fur den DI–Teil betrug 11

2 Zeitstunden, danach wurden dieAufgaben 10 – 15 ausgegeben. Es waren keine Hilfsmittel zugelassen.

Page 535: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

Klausur 4 zu Lineare Algebra II 527

1. Klausurteil der Klausur 4 vom 05.06.1993

Aufgabe 4–1:

Von einer Matrix A ∈ Mat(3, 3; C) sei bekannt:

pA(t) = t3 + 3 t2 + 3 t+ 1 und A3 = −E3 .

Bestimmen Sie alle Matrizen A mit diesen Eigenschaften.

Aufgabe 4–2:

Fur x, y ∈ ZZ gelte x ∼ y genau dann, wenn x+ y ∈ 2 ZZ (die Summe also gerade) ist.Zeigen Sie, daß dies eine Aquivalenzrelation auf ZZ darstellt. Und bestimmen Sie die Aquivalenz-klassen bezuglich ∼ .

Aufgabe 4–3:

Vorgegeben sei die Matrix A =(

1 1−4 5

)und ihr charakteristisches Polynom pA(t) = (t−3)2 .

Bestimmen Sie eine Matrix S ∈ GL(2; C) so, daß S−1 ·A · S Jordan’sche Normalform hat.

Aufgabe 4–4:

Orthonormieren Sie die folgenden Vektoren des IR4 nach dem Verfahren von Schmidt–Gram:

a1 = (1, 1, 1, 1) , a2 = (1, 0, 1, 0) , a3 = (6,−4, 4,−2) .

(Dabei sei im IR4 das kanonische Skalarprodukt zugrundegelegt.)

Aufgabe 4–5:

Bestimmen Sie die Spektralzerlegung der Matrix

A =

(5 −2−2 2

).

Aufgabe 4–6:

Fertigen Sie einen gemeinsamen ”Lageplan“ mit Beispielen fur die drei folgenden Eigenschafteneiner komplexen (2× 2)-Matrix an: Hermite’sch, normal , unitar (ohne Beweis).

Page 536: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

528 ANHANG B. KLAUSURAUFGABEN

Aufgabe 4–7:

Es sei I := [−1 ; +1 ] und der Vektorraum C(I) := f ∈ Abb(I, IR) | f stetig auf I versehenmit dem Skalarprodukt

〈·, ·〉 : C(I)× C(I)→ IR , (f, g) 7→ 〈f, g〉 :=∫ 1

−1f(t) · g(t) dt .

Wir betrachten den Endomorphismus F : C(I)→ C(I) , definiert durch F (f)(x) := f(−x) furalle x ∈ I .Bestimmen Sie die zu F adjungierte Abbildung F ∗ . Ist F selbstadjungiert?

Aufgabe 4–8:

a) Es sei die Abbildung s : IR2 × IR2 → IR vorgegeben durch

s(a, b) :=12

(det(a, b) + det(b, a)) .

Untersuchen Sie, ob s eine symmetrische Bilinearform auf IR2 darstellt. Und prufen Sie,ob s ein Skalarprodukt auf dem IR2 ist.

b) Auf dem Vektorraum Π2 der reellen Polynome vom Grad ≤ 2 sei durch

s(p, q) :=2∑

k=0

p(k) · q(k) fur alle p, q ∈ Π2

ein Skalarprodukt s gegeben (dies braucht nicht gezeigt zu werden).Berechnen Sie die darstellende Matrix ΦB(s) bezuglich der Basis B = (e0, e1, e2) von Π2

aus den Monomen ek(x) = xk .

Aufgabe 4–9:

a) Beweisen Sie die Aussage:

Ist A = (αij) ∈ Mat(n, n; IR) symmetrisch und positiv definit, so folgt:n∑

i,j=1αij > 0 .

b) Geben Sie eine symmetrische Matrix B = (βij) ∈ Mat(2, 2; IR) an, die nicht positiv definit

ist und fur die gilt:2∑

i,j=1βij > 0 .

2. Klausurteil der Klausur 4 vom 05.06.1993

Aufgabe 4–10:

Es sei A ∈ Mat(n, n; IR) symmetrisch und positiv semidefinit, d. h. mit xt · A · x ≥ 0 fur alleSpaltenvektoren x ∈ IRn . Zeigen Sie die Aussage:Es gibt ein S ∈ Mat(n, n; IR) mit A = St · S .

Page 537: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

Klausur 1 zu Algebra und Diskrete Mathematik I 529

Aufgabe 4–11:

Es sei V ein euklidischer Vektorraum und F,G ∈ EndIR(V ) zwei Endomorphismen. Zeigen Sie:

a) Gibt es die adjungierten Abbildungen F ∗ und G∗ , dann hat auch die Komposition F Geine Adjungierte; dabei gilt: (F G)∗ = G∗ F ∗ .

b) Sind F und G selbstadjungiert, so ist F G genau dann ein selbstadjungierter Endomor-phismus, wenn F G = G F ist.

c) Ist V endlich–dimensional, so entsprechen den Aussagen von Teil a) und b) Aussagen uberdarstellende Matrizen. Wie lauten diese Aussagen?

Aufgabe 4–12:

Es sei V ein euklidischer Vektorraum und U ein endlich–dimensionaler Untervektorraum von V .Ferner sei L := x0 + U ein affiner Unterraum von V (mit x0 ∈ V ). Zeigen Sie:Es existiert ein Vektor a ∈ U⊥ mit L = a+ U .Ist ein solches a eindeutig bestimmt? (Begrunden Sie Ihre Antwort.)

Aufgabe 4–13:

Es sei V ein endlich–dimensionaler unitarer Vektorraum und F ein normaler Endomorphismusvon V . Beweisen Sie:Haben alle Eigenwerte λ von F den Absolutbetrag |λ| = 1 , so gilt: ‖F (v)‖ = ‖v‖ fur alleVektoren v ∈ V .

Aufgabe 4–14:

Es sei V ein euklidischer oder unitarer Vektorraum und x, y ∈ V zwei Vektoren. Zeigen Sie:Aus ‖x+ y‖ = ‖x‖+ ‖y‖ folgt, daß x und y linear abhangig sind.Gilt auch die Umkehrung? (Begrunden Sie Ihre Antwort.)

Aufgabe 4–15:

Es sei V ein euklidischer oder unitarer Vektorraum uber IK und x, y ∈ V zwei Vektoren sowieY := <y> der von y erzeugte Untervektorraum von V . Beweisen Sie folgende Aussagen:

a) Aus x ⊥ y folgt stets: ‖x‖ ≤ ‖x− α y‖ fur alle Skalare α ∈ IK .

b) Fur alle α ∈ IK gilt: ‖x− PY (x)‖ ≤ ‖x− α y‖ .

c) Aus ‖x‖ ≤ ‖x− α y‖ fur alle α ∈ IK folgt: PY (x) = 0 .

Klausur 1 zu ALGEBRA UND DISKRETE MATHEMATIK I

Diese Klausur vom 20.02.1992 bestand aus 24 Aufgaben zu 10 Punkten. Davon waren durchAnkreuzen maximal 16 Aufgaben auszuwahlen, die gewertet werden sollten. Die Klausur galtals bestanden, wenn dabei mindestens 80 Punkte erreicht wurden. Die Bearbeitungszeit betrugvier Zeitstunden. Als Hilfsmittel war die eigene Vorlesungsmitschrift des Semesters zugelassen.

Page 538: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

530 ANHANG B. KLAUSURAUFGABEN

Aufgabe 1–1:

Es sei G eine endliche Gruppe und ϕ ∈ AutG .Beweisen Sie, daß gilt: ϕ(Z(G)) = Z(G) .

Aufgabe 1–2:

Es sei G eine beliebige Gruppe und x, y ∈ G mit ordx = 2 , ord y = 3 sowie y x y = x y2 x .Bestimmen Sie die Ordnung von x y .

Aufgabe 1–3:

DurchG := f : IR→ IR | f(x) = a x+ b mit a, b ∈ IR und a 6= 0

sei mit der Komposition als Verknupfung eine Gruppe (G, ) festgelegt. (Dies braucht nichtgezeigt zu werden.)Beweisen Sie die Aussage:

T := f : IR→ IR | f(x) = x+ b mit b ∈ IR

ist ein Normalteiler in G .

Aufgabe 1–4:

Eine Gruppe G mit ordG = 275 operiere auf einer Menge X mit genau 18 Elementen.Zeigen Sie, daß dann G auf X mindestens zwei Fixpunkte besitzt.

Aufgabe 1–5:

Zeigen Sie:Jede Gruppe der Ordnung 132 hat einen echten, nicht–trivialen Normalteiler.

Aufgabe 1–6:

Zeigen Sie, daß jede Gruppe der Ordnung 66 einen Normalteiler der Ordnung 11 besitzt.

Aufgabe 1–7:

Bestimmen Sie (bis auf Isomorphie) alle einfachen Gruppen G mit 60 < ordG < 65 .

Aufgabe 1–8:

Beweisen Sie die Aussage:Ist G eine einfache Gruppe mit ordG = 6! , dann gilt fur die Ordnung jeder echten Untergrup-pe H von G : ordH ≤ 5! .

Hinweis: Betrachten Sie die Menge X aller zu H konjugierten Untergruppen von G .

Page 539: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

Klausur 1 zu Algebra und Diskrete Mathematik I 531

Aufgabe 1–9:

Es sei Q die Quaternionengruppe.Bestimmen Sie Zentrum Z(Q) und Kommutatorgruppe K(Q) .

Aufgabe 1–10:

Berechnen Sie die Anzahl der nicht–isomorphen abelschen Gruppen der Ordnung 900 und gebenSie bis auf Isomorphie alle diese abelschen Gruppen explizit an.

Aufgabe 1–11:

Zeigen Sie, daß S5 keine Untergruppen der Ordnung 15 besitzt.

Aufgabe 1–12:

Gegeben seien die Permutationen σ, τ ∈ S9 mit

σ = (1, 2, 3, 7)(4, 9)(5, 8) und τ = (1, 3, 5)(2, 4, 6)(7, 8, 9) .

Berechnen Sie σ τ , σ2 und τ−1 ; geben Sie dabei das Ergebnis in Zykel–Schreibweise an.

Aufgabe 1–13:

Betrachtet werde ein Kartenstapel mit 22 Karten, die fortlaufend durchnumeriert seien von 1bis 22. Der Stapel wird halbiert und anschließend gleichmaßig gegeneinander gemischt, d. h.: Istdie ursprungliche Anordnung der Karten: 1, 2, 3, . . . , 22 , so lautet die neue Ordnung: 1, 12, 2, 13,3, 14, . . . , 11, 22 .Wie haufig muß dieser Mischungsvorgang wiederholt werden, damit die Karten wieder in derursprunglichen Anordnung 1, 2, 3, 4, . . . , 21, 22 erscheinen? (Begrunden Sie Ihre Antwort.)

Aufgabe 1–14:

Es sei p eine Primzahl und G eine Gruppe der Ordnung p4 . Beweisen Sie:Gilt: K(G) 6⊂ Z(G) , so ist ordZ(G) = p .

Aufgabe 1–15:

Es seien G und H zwei Gruppen. Zeigen Sie die Aussage:Das direkte Produkt G×H ist genau dann auflosbar, wenn G und H auflosbar sind.Geben Sie eine nicht–auflosbare Gruppe der Ordnung 120 an.

Aufgabe 1–16:

Es sei a1, a2, . . . , a101 ⊂ IN200 . Zeigen Sie:Es gibt ein Paar (ai, aj) mit i 6= j , so daß ai ein Teiler von aj ist.

Hinweis: Kurzen Sie aus den ak moglichst viele Potenzen von 2 .

Page 540: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

532 ANHANG B. KLAUSURAUFGABEN

Aufgabe 1–17:

Wieviele Zahlen gibt es in IN1000 , die weder durch 2, noch durch 3, noch durch 5 teilbar sind?(Begrunden Sie Ihre Antwort ausfuhrlich.)

Aufgabe 1–18:

Es sei ϕ die Euler’sche Funktion.Zeigen Sie, daß fur alle m,n ∈ IN∗ gilt: ϕ(mn) = mn−1 ϕ(m) .

Aufgabe 1–19:

Es sei ϕ die Euler’sche Funktion.Berechnen Sie die Werte ϕ(1000) und ϕ(1001) .

Aufgabe 1–20:

a) Ein Sportverein mit 10 Aktiven fahrt zu einem Turnier. In jeder Runde des Turniers konnengenau 8 Vereinsmitglieder eingesetzt werden. Alle sollen gleich oft eingesetzt werden, nichtaber zweimal dasselbe Team. Das gesamte Turnier geht uber 15 Runden.Ist die gewunschte Aufteilung moglich? (Begrunden Sie ihre Antwort.)

b) Beweisen oder widerlegen Sie:Es existiert ein Design B mit genau 9 Blocken und den Parametern (12, 7, r) .

Aufgabe 1–21:

a) Zwolf Personen planen einen Ausflug mit zwei Autos. Das eine Auto kann funf, das andereacht Personen befordern.Auf wieviele Arten konnen die Ausflugler auf die Fahrzeuge verteilt werden, wenn dieSitzordnung im Auto jeweils unwesentlich ist? (Begrunden Sie Ihre Antwort.)

b) Gegeben seien die Zahlen a, b, c, n ∈ IN∗ mit a+ b+ c = n .Zeigen Sie, daß gilt:(

n

a, b, c

)=

(n− 1

a−1, b, c

)+

(n− 1

a, b−1, c

)+

(n− 1

a, b, c−1

).

Aufgabe 1–22:

Es sei R ein Integritatsring mit p := charR > 0 . Zeigen Sie:Gilt fur x, y ∈ R der Zusammenhang: xp = yp , so folgt: x = y .

Page 541: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

Klausur 2 zu Algebra und Diskrete Mathematik I 533

Aufgabe 1–23:

Es sei n ∈ IN mit n ≥ 2 und K ein Korper sowie U ⊂ Mat(n, n;K) die Menge aller Matrizen,deren erste Spalte der Nullvektor ist. Beantworten Sie folgende Fragen ausfuhrlich:

a) Ist U ein Linksideal?

b) Ist U ein Ideal?

Aufgabe 1–24:

Wir betrachten den Integritatsring ZZ[i√

5 ] = a+ i b√

5 | a, b ∈ ZZ mit der von C induzierten

”Norm“N(a+ i b

√5 ) := a2 + 5 b2

(vgl. Beispiel 58.21b) der Vorlesung). Zeigen Sie:Die Elemente 1 + i

√5 und 1− i

√5 sind in ZZ[i

√5 ] unzerlegbar.

Prufen Sie, ob 2 ein Primelement in ZZ[i√

5 ] ist.

Klausur 2 zu ALGEBRA UND DISKRETE MATHEMATIK I

Diese Klausur vom 13.02.1995 bestand aus 12 Aufgaben. In drei Zeitstunden Bearbeitungszeitsollten mindestens 48 Punkte erreicht werden. Als Hilfsmittel war ein beidseitig handbeschrie-benes DIN-A4–Blatt zugelassen.

Aufgabe 2–1:

Es sei U eine Gruppe der Ordnung n ∈ IN∗ , wobei U die Untergruppe einer Gruppe G derOrdnung n+ 2 ist.Geben Sie (bis auf Isomorphie) alle solche Gruppen U und G an, die moglich sind.

Aufgabe 2–2:

Es seien G und H zwei beliebige Gruppen sowie ϕ : G→ H ein Gruppen–Monomorphismus.Zeigen Sie, daß gilt: Z(ϕ(G)) = ϕ(Z(G)) .

Aufgabe 2–3:

Es sei G eine endliche Gruppe mit der Eigenschaft, daß ord a ≤ 3 fur jedes Element a ∈ Ggilt.

a) Beweisen Sie, daß es stets m,n ∈ IN gibt mit ordG = 2m · 3n .

b) Geben Sie (ohne Beweis) ein Beispiel fur eine Gruppe G an, bei der ordG = 2m · 3n mitm,n ∈ IN∗ ist.

Page 542: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

534 ANHANG B. KLAUSURAUFGABEN

Aufgabe 2–4:

Eine Gruppe G der Ordnung 55 operiere auf einer Menge X mit genau 23 Elementen.Zeigen Sie, daß dann G auf X mindestens einen Fixpunkt hat.

Aufgabe 2–5:

Weisen Sie nach, daß jede Gruppe der Ordnung 135 einen echten, nicht–trivialen Normalteilerbesitzt.

Aufgabe 2–6:

Es sei n ≥ 5 . Zeigen Sie folgende Aussagen:

a) Das Zentrum Z(Sn) der symmetrischen Gruppe besteht nur aus dem neutralen Element.

b) Die alternierende Gruppe An ist der einzige echte, nicht–triviale Normalteiler von Sn .

Aufgabe 2–7:

Es sei G eine Gruppe. Beweisen Sie:

a) Ist H eine abelsche Gruppe, ϕ : G → H ein Gruppen–Homomorphismus und bestehtϕ(G) nicht nur aus neutralen Element von H , so gilt fur die Kommutatorgruppe von Gstets: K(G) 6= G .

b) Ist G mit ordG ≥ 2 auflosbar, dann existiert eine abelsche Gruppe U mit ordU ≥ 2und ein Gruppen–Epimorphismus ϕ : G→ U .

Aufgabe 2–8:

Die Menge R := Mat(2, 2; ZZ ) bildet mit Matrix–Addition und Matrix–Multiplikation einenRing mit Eins. Zeigen Sie die beiden Aussagen:

a) Fur alle A ∈ R∗ gilt: |detA | = 1 .

b) Ist A =(a bc d

)∈ R∗ , so sind a und b teilerfremd.

Aufgabe 2–9:

Es sei S := Abb(IR, IR) die Menge der Abbildungen von IR nach IR mit den Verknupfungen

(f + g)(x) := f(x) + g(x) und (f · g)(x) := f(x) · g(x)

fur alle f, g ∈ S und x ∈ IR . Dann ist S ist ein kommutativer Ring mit Eins (dies soll nichtgezeigt werden). Wir betrachten die Teilmenge N := f ∈ S | f(0) = 0 .Beweisen oder widerlegen Sie:

a) N ist ein Primideal in S .

b) N ist ein maximales Ideal mit S/N ∼= IR .

Page 543: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

Klausur 2 zu Algebra und Diskrete Mathematik I 535

Aufgabe 2–10:

Es sei R ein Integritatsring und a, b ∈ R \ 0 mit (a) ∩ (b) = (a b) . Zeigen Sie:Ist c ∈ R und gilt: a | b c , so folgt: a | c .

Aufgabe 2–11:

Es seien R und R′ zwei kommutative Ringe mit Eins und ϕ : R→ R′ ein Ring–Epimorphismus.Zeigen Sie:Ist R noethersch, so ist auch R′ noethersch.

Aufgabe 2–12:

Die Menge S aller Zahlen x ∈ IR , die sich in der Form x = a + b√

2 mit a, b ∈ ZZ darstellenlassen, bildet einen Unterring von IR , der mit der Grad–Funktion N(a + b

√2 ) := |a2 − 2 b2|

zu einem euklidischen Ring S wird (was nicht gezeigt zu werden braucht).Berechnen Sie ein d ∈ S mit d = ggT ( 4 +

√2 , 8 + 5

√2 ) .

Page 544: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik
Page 545: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

Symbolverzeichnis

In dieser Liste sind in der Reihenfolge ihres Auftretens die meisten verwendeten Symbole undBezeichnungen aufgefuhrt. Dabei steht links das jeweilige Symbol und rechts die zugehorigeverbale Erlauterung.

→ Abbildungspfeil7→ ZuordnungspfeilAbb(M,N) Menge aller Abbildungen von M 6= ∅ nach N 6= ∅H ×H zweifaches kartesisches Produkt von H 6= ∅ als Menge aller

geordneten Paare mit Elementen aus H(H, ) Halbgruppe oder Gruppe mit Verknupfung auf H 6= ∅(G1) – (G3) Gruppenaxiomee meist neutrales Element einer Gruppe Ende eines Beweises = quod erat demonstrandumIN Menge aller naturlichen Zahlen einschließlich NullIN∗ Menge aller naturlichen Zahlen ohne die NullZZ Menge aller ganzen ZahlenQ Menge aller rationalen ZahlenIR Menge aller reellen ZahlenQ∗ Menge aller rationalen Zahlen ohne NullIR∗ Menge aller reellen Zahlen ohne Nullψ ϕ Komposition oder Hintereinanderschaltung der Abbildungen ϕ

und ψ

S(M) symmetrische Gruppe der Menge M 6= ∅idM Identitat auf M 6= ∅ϕ−1 Umkehrabbildung zu bijektivem ϕ

Sn symmetrische Gruppe aller Permutationen auf 1, 2, . . . , n(R1) – (R3) Ringaxiome(D1) – (D2) Distributivgesetze(R,+, ·) Ring mit Verknupfungen + und · auf R 6= ∅(K1) – (K3) Korperaxiome(K,+, ·) (kommutativer) Korper mit Verknupfungen + und · auf K 6= ∅

537

Page 546: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

538 SYMBOLVERZEICHNIS

C Menge aller komplexen Zahleni2 = −1 imaginare Einheit i ∈ C \ IRRe z Realteil a einer komplexen Zahl z = a+ b i

Im z Imaginarteil b einer komplexen Zahl z = a+ b i

(V1) – (V2) Vektorraumaxiome(V,+, ·) Vektorraum V mit Addition + und Skalarmultiplikation ·0 Nullvektor, Nullabbildung, Nullmatrix o. a.VRK Kategorie aller Vektorraume uber dem Korper KK ×K × . . .×K︸ ︷︷ ︸

n-mal

mehrfaches kartesisches Produkt von K 6= ∅ als Menge allergeordneten n-Tupel mit Elementen aus K

Kn Menge aller Zeilenvektoren mit n Komponenten aus K(UV1) – (UV3) UntervektorraumaxiomeΠn Menge aller Polynome vom Hochstgrade n ∈ IN<A> Aufspann des Erzeugendensystems A|I| Machtigkeit der Menge Iei meist i-ter kanonischer EinheitsvektordimK V Dimension des K–Vektorraumes VV1 + V2 Summenraum zweier Untervektorraume V1 und V2

V1 ⊕ V2 direkter Summenraum zweier Untervektorraume V1 und V2∑i∈I

Vi Summenraum mehrerer Untervektorraume Vi⊕i∈I

Vi direkter Summenraum mehrerer Untervektorraume Vi

X = v +W affiner Unterraum eines Vektorraumes V mit UntervektorraumW ⊂ V und ”Aufhangepunkt“ v ∈ V

dimK X Dimension eines affinen Unterraumes X von V ∈ VRK

A = (αij) Matrix A mit Eintragen αij

Ai i-ter Zeilenvektor einer Matrix AAj j-ter Spaltenvektor einer Matrix A

Mat(m,n;K) Menge aller (m× n)-Matrizen uber KAt zu A transponierte MatrixEkl kanonische (m× n)-Matrix mit einzigem Eintrag εkl = 1sp(A) Spur einer quadratischen Matrix A als Summe aller Eintrage

der HauptdiagonalenEn (n× n)-EinheitsmatrixGL(n;K) Menge aller invertierbaren (n× n)-Matrizen uber Kπ(A,B) Multiplikation zweier (geeigneter) Matrizen A und B

Km Menge aller Spaltenvektoren mit m Komponenten aus KA · x = b lineares Gleichungssystem mit Koeffizientenmatrix A und rech-

ter Seite b in der Unbestimmten x

rg(A) Rang einer Matrix A

Page 547: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

SYMBOLVERZEICHNIS 539

(A | b) erweiterte Matrix von A · x = b

Zrg(A) Zeilenrang einer Matrix AK∗ Korper K ohne das Nullelement 0(EZ1) – (EZ3) elementare ZeilenumformungenSi(λ) von links heranmultiplizierte Elementarmatrix, bewirkt Multi-

plikation der i-ten Zeile mit Skalar λ ∈ K∗

Qji von links heranmultiplizierte Elementarmatrix, bewirkt Addi-tion der j-Zeile zur i-ten Zeile fur j 6= i

P ji von links heranmultiplizierte Elementarmatrix, bewirkt Vertau-schung der i-ten mit der j-ten Zeile (fur i 6= j )

σ = (a1 a2 · · · an) Permutation σ ∈ Sn mit ai = σ(i) fur jedes i = 1, 2, . . . , nsignσ Signum einer Permutation σ ∈ SnAn alternierende Gruppe aller geraden Permutationen aus SndetA Determinante einer quadratischen Matrix A(D1) – (D13) Eigenschaften einer Determinanteδij Kronecker–Symbol

|A| Determinante einer quadratischen Matrix AV (x0, x1, x2, . . . , xn) Vandermonde–DeterminanteA ′ij Streichungsmatrix von A zum Zeilenindex i und Spaltenindex j

(L) LinearitatsaxiomHomK(V,W ) Menge aller Vektorraum–Homomorphismen von V ∈ VRK

nach W ∈ VRK

EndK(V ) Menge aller Vektorraum–Endomorphismen in V ∈ VRK

−1f (y) Urbild von y unter der Abbildung f (als Unterscheidung zur

Umkehrabbildung f−1 eines bijektiven f )KerF Kern einer linearen Abbildung F ∈ HomK(V,W )ImF Bild einer linearen Abbildung F ∈ HomK(V,W )∼= Isomorphierg(F ) Rang einer linearen Abbildung F ∈ HomK(V,W )ΦA bezuglich der n-elementigen Basis A von V ∈ VRK definierter

Isomorphismus von V auf Kn

ΦAB (F ) darstellende Matrix eines Vektorraum–Homomorphismus F be-zuglich der Basen A und B

ΨAB (A) der durch die Matrix A bezuglich A und B beschriebene Vek-torraum–Homomorphismus

# Kommutativitat eines Diagrammssi,j Stirling’sche Zahlen erster Art

Si,j Stirling’sche Zahlen zweiter Art

V ∗ Dualraum zu V ∈ VRK als Menge aller Linearformen auf VV ∗∗ Bidualraum von V ∈ VRK als Dualraum von V ∗

Page 548: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

540 SYMBOLVERZEICHNIS

⊥ OrthogonalitatF ∗ zu F ∈ HomK(V,W ) duale Abbildung von W ∗ nach V ∗

charK Charakteristik eines Korpers KV (λ) = Vλ Eigenraum eines Endomorphismus F ∈ EndK(V ) (bzw. seiner

darstellenden Matrix) zum Eigenwert λ ∈ Kσ(F ) Spektrum eines Vektorraum–Endomorphismus FpA charakteristisches Polynom einer quadratischen Matrix ApF charakteristisches Polynom eines Vektorraum–Endomorphis-

mus FΠ Vektorraum aller Polynome (bezuglich eines Korpers K )grad p exakter Grad eines Polynoms p ∈ Πµ(p;λ) Vielfachheit der Nullstelle λ ∈ K eines Polynoms p ∈ Πλ konjugiert komplexe Zahl λ = a− b i zu λ ∈ CAH Hermite’sche Matrix zu A ∈ Mat(n, n; C)%(A) Spektralradius einer quadratischen Matrix A(A1) – (A3) Axiome einer Aquivalenzrelationx ∼ y x ist aquivalent zu y

(AK1) – (AK3) Axiome einer AquivalenzklasseKa Aquivalenzklasse als Menge aller zu a aquivalenten ElementeX/R Quotientenmenge von X nach R als Menge aller Aquivalenz-

klassen auf X 6= ∅ bezuglich der Aquivalenzrelation R

v × w Vektorprodukt von v, w ∈ IR3

V /W Quotientenraum von V ∈ VRK nach W ⊂ Vv +W Aquivalenzklasse Kv im Quotientenraum V /W

π : V → V /W kanonischer Epimorphismus mit π(a) = a+W

codimV W Kodimension von W in V als Dimension von V /W

ZZn Menge aller Restklassen modulo n(BF1) – (BF2) Axiome einer Bilinearforms(v, w) (symmetrische) Bilinearform oder (Hermite’sche) Sesquilinear-

form auf V ∈ VRK bzw. V ∈ VRC

IK simultane Schreibweise fur IR oder C〈v, w〉 Skalarprodukt von v und w aus V ∈ VRIK

ΦB(s) darstellende Matrix einer symmetrischen Bilinearform bzw.Hermite’schen Form s auf endlich–dimensionalem V ∈ VRIK

bezuglich einer Basis Bqs(v) der symmetrischen Bilinearform bzw. Hermite’schen Form s auf

V ∈ VRIK zugeordnete quadratische Form‖v‖ Norm eines Vektors v aus V ∈ VRIK

(N1) – (N3) Axiome einer Norm

Page 549: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

SYMBOLVERZEICHNIS 541

d(x, y) Abstand zweier Vektoren x und y aus V ∈ VRIK

(M1) – (M3) Axiome einer MetrikPU Orthogonalprojektion von V ∈ VRIK auf U ⊂ VV1©⊥ V2 orthogonaler Summenraum zweier Untervektorraume V1 und V2

M⊥ orthogonales Komplement einer Teilmenge M in V ∈ VRIK

F ∗ zu F ∈ HomIK(V,W ) adjungierte Abbildung von W nach V

F komplexe Fortsetzung von F ∈ EndIR(V ) auf V × V ∈ VRC

O(n) Menge aller orthogonalen (n× n)-Matrizen uber IRU(n) Menge aller unitaren (n× n)-Matrizen uber CSO(n) Menge aller eigentlich orthogonalen (n× n)-MatrizenIndexA Tragheits–Index einer symmetrischen oder Hermite’schen Ma-

trix ASignA Signatur einer symmetrischen oder Hermite’schen Matrix AA................................................... = (M,V, →) affiner Raum uber dem Korper K mit Punktraum M 6= ∅ ,

Differenzraum V ∈ VRK und Pfeiloperation → : M×M → V

(A1) – (A2) Axiome eines affinen Raumes−→PQ Differenzvektor der affinen Punkte P und Q aus MdimK A...........................................

........ Dimension des affinen Raumes A................................................... uber K∨

i∈ILi Verbindungsraum einer Familie (Li)i∈I von affinen Unterrau-

men Li ⊂ML1 ∨ L2 Verbindungsraum zweier affiner Unterraume L1 und L2 von M‖ Parallelitat(P0, P1, P2, . . . , Pn) Koordinatensystem eines n-dimensionalen affinen Raumes A...........................................

........

mit affiner Basis (Pi)0≤i≤n und Koordinatenursprung P0

τ = TV(P0, P1, P ) Teilverhaltnis der drei kollinearen affinen Punkte P0, P1, P

d(P,Q) Abstand zwischen zwei Punkten P und Q eines euklidisch–af-finen oder unitar–affinen Raumes uber IK

](g, g′) Schnittwinkel zweier Geraden g und g′ im euklidisch–affinenRaum

Ff : V →W zur affinen Abbildung f : M → N gehorige K–lineare Abbil-dung bezuglich A...........................................

........ = (M,V, →) und IB = (N,W, →) uber KAff(M) Gruppe aller Affinitaten auf MT(M) Gruppe aller Translationen auf MAhn(M) Gruppe aller Ahnlichkeiten auf MKon(M) Gruppe aller Kongruenzen auf Mpt · x = Min! ,A · x+ b ≥ 0 , x ≥ 0

Grundtyp einer linearen Optimierungsaufgabe mit Restriktio-nen und Vorzeichenbedingungen

Hϕ,β abgeschlossener Halbraum H ⊂ IRn , bestimmt durch Linear-form ϕ ∈ (IRn)∗ und Skalar β ∈ IR

Page 550: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

542 SYMBOLVERZEICHNIS

kon(M) konvexe Hulle als Menge aller endlichen Konvexkombinationenin M ⊂ IRn

Kε(x) kompakte Kugel um x ∈ IRn mit Radius ε > 0 (bezuglich dereuklidischen Norm)

[P ,Q ] ⊂ K Verbindungsstrecke zweier Punkte P und Q aus einer konvexenMenge K ⊂ IRn

IP (V ) projektiver Raum zu V ∈ VRK

dimK IP (V ) projektive Dimension von IP (V )IPn(K) kanonischer n-dimensionaler projektiver Raum uber K∨i∈I

Zi Verbindungsraum einer Familie (Zi)i∈I von projektiven Unter-raumen Zi ⊂ IP (V )

Z1 ∨ Z2 ∨ . . . ∨ Zn Verbindungsraum endlich vieler projektiver Unterraume Zivon IP (V )

(P0, P1, P2, . . . , Pn+1) Koordinatensystem eines n-dimensionalen projektiven Rau-mes IP (V ) mit projektiver Basis (P0, P1, P2, . . . , Pn+1) sowieGrundpunkten (Pi)0≤i≤n und Einheitspunkt Pn+1

f = IP (F ) Projektivitat f : IP (V ) → IP (W ) zum Vektorraum–Isomor-phismus F : V →W mit f(IP (<v>)) = IP (<F (v)>)

DV(P0, P1, P2, P ) Doppelverhaltnis der vier kollinearen projektiven Punk-te P0, P1, P2, P

U ≤ G U ist eine Untergruppe der Gruppe GE meist die nur aus dem neutralen Element e bestehende GruppeA(2,2) Klein’sche VierergruppeAutG Automorphismengruppe einer Gruppe GZ(G) Zentrum einer Gruppe GordG Ordnung einer Gruppe G als Anzahl der Elemente von G

ord a Ordnung eines Gruppenelementes a ∈ G<M> die vom Erzeugendensystem M ⊂ G erzeugte Untergruppe

von G

IE2 reelle euklidische EbeneDn Diedergruppe der Ordnung 2naU Linksnebenklasse einer Untergruppe U von G fur a ∈ G[G : U ] = indG U Index der Untergruppe U in G als Anzahl aller Linksnebenklas-

sen von U

ggT(m,n) großter gemeinsamer Teiler der naturlichen Zahlen m und n

ϕ : IN → IN Euler’sche Funktion mit ϕ(n) = |1≤m≤n | ggT(m,n) = 1|ZZ ∗n prime Restklassengruppe modulo nx ≡ y (mod n) die ganzen Zahlen x und y haben bei Division durch n ∈ IN∗

den gleichen RestU a Rechtsnebenklasse einer Untergruppe U von G fur a ∈ GU E G die Untergruppe U ist ein Normalteiler von G

Page 551: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

SYMBOLVERZEICHNIS 543

G/U Faktorgruppe von G nach U als Menge aller Nebenklassenvon U E G

U V Komplexprodukt der Gruppen U und V als Menge aller Pro-dukte von u ∈ U mit v ∈ V

n∏i=1

Gi direktes Produkt der Gruppen G1, G2, . . . , Gn

(O1) – (O2) Axiome einer Gruppenoperation auf einer Menge[x] Bahn von x ∈ X als Aquivalenzklasse bezuglich einer Opera-

tion einer Gruppe G auf einer Menge X 6= ∅Gx Stabilitatsuntergruppe von x ∈ X in G

FixG(X) Menge aller Fixpunkte unter einer Gruppenoperation von Gauf X

N(X) Normalisator der Teilmenge X 6= ∅ einer Gruppe GA(n) Anzahl aller nicht–isomorpher abelscher Gruppen der Ord-

nung nσ = (i1, i2, . . . , ir) r-Zykel σ ∈ Sn mit r ≤ nB[ϕ] Wirkungsbereich einer Permutation ϕ ∈ Sn[g, h] Kommutator zweier Elemente g und h einer Gruppe GK(G) Kommutatorgruppe einer Gruppe GKn(G) n-malige Anwendung der Kommutatorgruppe auf GINn Menge der ersten n positiven naturlichen Zahlenzx(S) Zeilensumme von S ⊂ X × Ysy(S) Spaltensumme von S ⊂ X × Yd |n d ist ein Teiler von n

x1x2 · · ·xn Wort x der Lange n in einem Alphabet Y mit Buchstaben xi∈Y(n)m fallende Fakultat von n mit m Faktorenµ : IN∗ → −1, 0, 1 zahlentheoretische Mobius–FunktionB t-Design B mit den Parametern (v, k, rt)S(n, k) Anzahl der Partitionen einer n-elementigen Menge X in genau

k Teile(n

n1, n2, . . . , nk

)Multinomialkoeffizient fur n1 + n2 + . . .+ nk = n

(m1,m2, . . . ,mk) Partition von m ∈ IN∗ mit m1 ≥ m2 ≥ . . . ≥ mk ≥ 1pk(m) Anzahl der Partitionen von m in genau k Teilep(m) Anzahl aller Partitionen von m

EndG Endomorphismenring einer Gruppe GR∗ Einheitengruppe des Ringes R mit EinscharR Charakteristik eines Integritatsringes Rn.a n-fache Addition von a ∈ R im Integritatsring Ra Ideal a ⊂ R eines Ringes R

Page 552: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

544 SYMBOLVERZEICHNIS

(I1) – (I2) Axiome eines IdealsR/a Restklassenring von R modulo a

(A) von A ⊂ R erzeugtes Ideal im Ring RIH Schiefkorper der QuaternionenZZ [I, J ] Ring der ganzen QuaternionenP (K) Primkorper des Korpers K als kleinster aller Unterkorper

von K

a - b a ∈ R ist kein Teiler von b ∈ R im Integritatsring RggT(a1, a2, . . . , an) großter gemeinsamer Teiler von a1, a2, . . . , an ∈ R im Integri-

tatsring Rgrad: R \ 0 → IN Grad–Funktion im euklidischen Integritatsring RZZ [i] Ring der ganzen Gauß’schen ZahlenR[[X]] Ring der formalen Potenzreihen uber R

f =∞∑k=0

fkXk formale Potenzreihe f ∈ R[[X]] mit Koeffizienten fk ∈ R

1 Einsabbildung, Einspolynom etc.a[[X]] Menge der formalen Potenzreihen mit Koeffizienten in a als

Ideal von R[[X]]R[X] Polynomring uber R in der Unbestimmten X

f =m∑k=0

fkXk Polynom f uber R in der Unbestimmten X mit Koeffizien-

ten fk ∈ RΦx : R[X]→ S Einsetz–Homomorphismus auf Polynomring R[X] mit x ∈ SR[x] Bild Im Φx als Ring–Adjunktion der Elemente x zu R

grad f Grad des Polynoms f ∈ R[X] \ 0HK(f) Hochstkoeffizient von f ∈ R[X]R(X) Korper der rationalen Funktionen uber R in der Unbestimm-

ten X

f(x) Polynomabbildung von f ∈ R[X] an der Stelle x ∈ S fur S ⊇ RΠ(R) Ring aller Polynomabbildungen auf RF Vektorraum aller komplexen Folgen f = (uk)k≥0

∆ : F → F C–lineare Differenzabbildung mit ∆f(k) = uk+1 − uk∆f = A · f System von linearen DifferenzengleichungenI(f) Inhalt eines Polynoms f ∈ R[X] \ 0 als ggT seiner Koeffi-

zienten in R \ 0(E1) – (E2) Kriterium von Eisensteinf ′ = Df algebraische Differentiation D auf R[X] als Ableitung des Po-

lynoms f ∈ R[X]R[X1, X2, . . . , Xn] Polynomring uber R in n Veranderlichen X1, X2, . . . , Xn∑νi≥0

fν1ν2···νnn∏i=1

Xiνi Polynom uber R in n Unbestimmten X1, X2, . . . , Xn mit Koef-

fizienten fν1ν2···νn ∈ R

Page 553: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

SYMBOLVERZEICHNIS 545

grad f Grad des Polynoms f ∈ R[X1, X2, . . . , Xn] \ 0Πn(R) Ring der Polynomabbildungen auf R in n Veranderlichen

s(n)ν elementarsymmetrisches Polynom in den n Unbestimm-

ten X1, X2, . . . , Xn fur 0 ≤ ν ≤ n Menge von Quadraten eines endlichen KorpersL+K Erweiterungskorper L von K als K–Vektorraum L+ = (L,+)

L : K Korpererweiterung L uber KL : Z : K Korpererweiterung L : K mit Zwischenkorper Z[L : K] Korpergrad der Erweiterung L : K als Dimension von L+

K

aK Minimalpolynom aus K[X] zu algebraischem a ∈ L \ 0K(M) Adjunktion der Menge M ⊂ L zum Unterkorper K ⊂ LK(a1, a2, . . . , an) Adjunktion von a1, a2, . . . , an ⊂ L an K

Kp Bild des Frobenius–Homomorphismus ϕ : K → K , ϕ(k) = kp

auf einem Korper K der Charakteristik p > 0GF(q) Galois–Feld mit q = pm ElementenG(L,K) Galois–Gruppe von L : KG(M) Menge aller aus 0, 1 ⊂ M ⊂ IE2 mit Zirkel und Lineal kon-

struierbaren Geraden und KreiseM (n) Menge aller aus M ⊂ IE2 in genau n Schritten mit Zirkel und

Lineal konstruierbaren PunkteΩ(M) Menge aller aus M in endlich vielen Schritten mit Zirkel und

Lineal konstruierbaren Punkte von IE2 ∼= C

Φ(L : K) Menge aller Zwischenkorper Z einer Galois–Erweiterung L : KU Menge aller Untergruppen U der Galois–Gruppe G(L,K)(M,≤) teilweise geordnete Menge M 6= ∅ mit Ordnungsrelation ≤a t b Supremum zweier Elemente a und b eines Verbandesa u b Infimum zweier Elemente a und b eines VerbandesEn(K) Zerfallungskorper von (Xn − 1) ∈ K[X]En(Q) n-ter Kreisteilungskorper fur K = Q

η(n)ν n-te Einheitswurzel als Nullstelle von Xn − 1 uber Q

mit 1 ≤ ν ≤ nFq Alphabet aus q paarweise verschiedenen Symbolen

d(x, y) Hamming–Abstand zweier Worter x und y der Lange n im Al-phabet Fq als Anzahl unterschiedlicher Buchstaben

d(C) Minimalabstand eines Codes C ⊂ Fqn

(n,M, d) Parameter eines q-naren Codes C der Lange n mit genauM = |C| Codewortern und Minimalabstand d = d(C)

Aq(n, d) maximale Anzahl von Codewortern eines q-naren Codes derLange n mit Minimalabstand d

x+ y komponentenweise Addition zweier Worter x, y ∈ Fqn

Page 554: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

546 SYMBOLVERZEICHNIS

x ∩ y komponentenweise Multiplikation zweier Worter x, y ∈ Fqn

w(x) Gewicht eines Wortes x ∈ Fqn als Anzahl seiner von Null ver-schiedenen Komponenten

B(u, r) Kugel um das Wort u ∈ Fqn mit Radius r ∈ 0, 1, 2, . . . , nV (n, q) Vektorraum Fq

n = GF(q)n uber GF(q) mit einer Primzahlpo-tenz q

[n, k, d] Parameter eines linearen (n,M, d)-Codes C mit Dimen-sion dimGF(q)C = k

[ Ek | A ] Standardform der erzeugenden (k× n)-Matrix G eines[n, k, d]-Codes C uber GF(q)

e = y − x Fehlervektor eines Codewortes x ∈ C bei empfangener Nach-richt y ∈ V (n, q)

[n, k] Parameter eines linearen [n, k, d]-Codes mit beliebigem d

C⊥ zum [n, k]-Code C dualer [n, n−k]-Code[ B | En−k ] Standardform der ((n−k)×n)-Paritatsprufungsmatrix H eines

[n, k]-Codes C uber GF(q)S(y) Syndrom des Nachrichtenvektors y ∈ V (n, q)G = (V,E) endlicher Graph G mit Eckenmenge V und Kantenmenge EP2(V ) Menge aller moglichen Kanten (a zwei Ecken) eines Graphen GKn vollstandiger Graph mit |V | = n und E = P2(V )deg(v,G) Eckengrad der Ecke v eines Graphen G

K3,3 GEW–Graph

(T1) – (T5) Eigenschaften eines Baum–Graphenc : V → IN Ecken–Farbung eines Graphen G

χ(G) chromatische Zahl eines Graphen G als kleinstmogliche Farben-anzahl fur eine Ecken–Farbung

G∗ zu einem ebenen zusammenhangenden Graphen G dualerGraph

MQn Menge aller magischen Quadrate aus Mat(n, n; IR)S(n) Menge aller symmetrischen Matrizen aus Mat(n, n; IR)C(I) euklidischer bzw. unitarer Vektorraum aller auf dem kompakten

Intervall I ⊂ IR stetigen, IK-wertigen FunktionenRA(x) Rayleigh–Quotient von A ∈ Mat(n, n; C) mit x ∈ Cn \ 0ω(A) numerischer Wertebereich von A ∈ Mat(n, n; C) als Menge

aller Rayleigh–Quotienten von A

ext(K) Menge der Extremalpunkte einer konvexen Menge ∅ 6=K ⊂ IRn

Page 555: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

Literaturverzeichnis

[1] Aigner, Martin: Diskrete Mathematik, 2. Auflage. Vieweg, Braunschweig 1996.

[2] Benz, Walter: Algebra I & II , Vorlesungsmitschrift. Ruhr–Universitat Bochum 1968/69.

[3] Beutelspacher, Albrecht: Einfuhrung in die endliche Geometrie — Band 1: Blockplane.BI–Wissenschaft, Mannheim 1982.

[4] Beutelspacher, Albrecht: Kryptologie, 3. Auflage. Vieweg, Braunschweig 1993.

[5] Biggs, Norman Linstead: Discrete Mathematics, revised edition. Clarendon Press, Ox-ford 1989.

[6] Bose, Raj Chandra / et al. : Further results on the construction of mutually orthogonalLatin squares and the falsity of Euler’s conjecture. Canadian Journal of Mathematics 12(1960), pp. 189 – 203.

[7] Collatz, Lothar / Wetterling, Wolfgang: Optimierungsaufgaben, 2. Auflage. Springer, Ber-lin 1971.

[8] Comtet, Louis: Analyse combinatoire 2, 1ere edition. Presses Universitaires de France,Paris 1970.

[9] Durr, Walter / Kleibohm, Klaus: Operations Research — Lineare Modelle und ihre An-wendungen, 3. Auflage. Hanser, Munchen 1992.

[10] Fang, Joong: Mathematicians from antiquity to today — Volume 1: A – D of Part I . PaideiaPress, Hauppage (N.Y.) 1972.

[11] Fischer, Gerd: Analytische Geometrie, 5. Auflage. Vieweg, Braunschweig 1991.

[12] Fischer, Gerd: Lineare Algebra, 9. Auflage. Vieweg, Braunschweig 1989.

[13] Gottwald, Siegfried / et al. (Hrsg.): Lexikon bedeutender Mathematiker. Harri Deutsch,Thun 1990.

[14] Grotemeyer, Karl Peter: Analytische Geometrie, 3. Auflage. de Gruyter, Berlin 1964.

[15] Hill, Raymond: A First Course in Coding Theory . Clarendon Press, Oxford 1988.

[16] Hornfeck, Bernhard: Algebra. de Gruyter, Berlin 1969.

[17] Huppert, Bertram: Angewandte Lineare Algebra. de Gruyter, Berlin 1990.

547

Page 556: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

548 LITERATURVERZEICHNIS

[18a] Internet: http://aleph0.clark.edu/~djoyce/mathhist/mathhist.html , 1995.

[18b] Internet: http://www-groups.dcs.st-and.ac.uk/~history/, 1996.

[18c] Internet: http://www.yahoo.com/Science/Mathematics/, 1996.

[19] Janich, Klaus: Lineare Algebra, 5. Auflage. Springer, Berlin 1993.

[20] Jetter, Kurt: Lineare Algebra I/II , Zusammenfassung der Vorlesungen vom WS 1980/81und SS 1981 an der Universitat Duisburg.

[21] Kaiser, Hans / et al. : Algebra fur Informatiker, 2. Auflage. Springer, Wien 1985.

[22] Kerner, Otto / et al. : Vieweg–Mathematik–Lexikon. Vieweg, Braunschweig 1988.

[23] Klingenberg, Wilhelm: Lineare Algebra und Geometrie, 3. Auflage. Springer, Berlin 1992.

[24] Koecher, Max: Lineare Algebra und analytische Geometrie, 3. Auflage. Springer, Ber-lin 1992.

[25] Kowalsky, Hans–Joachim: Lineare Algebra, 10. Auflage. de Gruyter, Berlin 1995.

[26] Lang, Serge: Linear Algebra, 2nd edition. Addison–Wesley, Reading (Mass.) 1979.

[27a] Lorenz, Falko: Lineare Algebra I , 3. Auflage. BI–Wissenschaft, Mannheim 1992.

[27b] Lorenz, Falko: Lineare Algebra II , 3. Auflage. BI–Wissenschaft, Mannheim 1992.

[28] Meschkowski, Herbert: Mathematiker–Lexikon, 3. Auflage. BI–Wissenschaft, Mann-heim 1980.

[29a] Meyberg, Kurt: Algebra — Teil 1, 2. Auflage. Hanser, Munchen 1980.

[29b] Meyberg, Kurt: Algebra — Teil 2, 1. Auflage. Hanser, Munchen 1976.

[30] Ore, Oystein: The Four-Color Problem, 3rd print. Academic Press, New York (N.Y.) 1979.

[31] Reiffen, Hans–Jorg / et al. : Algebra. BI–Hochschultaschenbucher 110/110a, Mann-heim 1969.

[32] Storch, Uwe / Wiebe, Hartmut: Lehrbuch der Mathematik — Fur Mathematiker, Infor-matiker und Physiker. Band II: Lineare Algebra. BI–Wissenschaft, Mannheim 1990.

[33] Tarry, Gaston: Le probleme des 36 officiers. C. R. Assoc. Franc. Avanc. Sci. nat. 1 (1900),p. 122 – 123; 2 (1901), p. 170 – 203.

[34] Wagner, Klaus: Graphentheorie. BI–Hochschultaschenbucher 248/248a*, Mannheim 1970.

[35] Wagner, Klaus / Bodendiek, Rainer: Graphentheorie I — Anwendungen auf Topologie,Gruppentheorie und Verbandstheorie. BI–Wissenschaft, Mannheim 1989.

[36] Winzen, Werner: Anschauliche Topologie. Diesterweg–Salle, Frankfurt/M. 1975.

Page 557: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

Index

Abbildung, 3adjungierte, 141affine, 176bijektive, 3duale, 84identische, 6injektive, 3kanonische, 111, 113, 239Komposition zweier, 6lineare, 67

Additivitat, 67Homogenitat, 67

surjektive, 3transponierte, 84Umkehrabbildung, 6Urbild unter einer, 72

Abel, 3abhangig

affin, 173linear, 13

Abstandsfunktion, siehe MetrikAdjunktion, 370affin abhangig, siehe abhangigaffin unabhangig, siehe unabhangigaffine Gruppe, siehe Gruppeaffiner Raum, 169

Differenzraum eines, 169Dimension eines, 171komplexer, 175

unitar–affiner, 175Abstand zweier Punkte im, 175

Koordinatensystem eines, 173Punkte eines, 169

affin abhangige, 173affin unabhangige, 173Differenzvektor zweier, 169kollineare, 175

Teilverhaltnis dreier, 175Mittelpunkt zweier, 175

reeller, 175euklidisch–affiner, 175

Abstand zweier Punkte im, 175Affinitat, 178Ahnlichkeit, 180

Ahnlichkeitsfaktor einer, 180Winkeltreue einer, 181

Ahnlichkeitsgeometrie, 180Algebra, 28allgemeine lineare Gruppe, siehe GruppeAlphabet, 275, 406alternierende Gruppe, siehe GruppeAquivalenzklasse, 110

Reprasentant einer, 111Aquivalenzrelation, 109

Reflexivitat, 109Symmetrie, 109Transitivitat, 109

Assoziativgesetz, 3Asymptotenkegel, siehe QuadrikAufspann, 12Austauschlemma, 14Automorphismengruppe, 229Automorphismus

affiner, 178einer Gruppe, 229

innerer, 229eines Korpers, 300eines Ringes, 293im Vektorraum, 69

Bahn, 249Lange einer, 249

Ball, siehe KugelBasis, 14

affine, 173duale, 82kanonische, 14Lange der, 14

unendliche, 14

549

Page 558: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

550 INDEX

Orientierung zweier reellerentgegengesetzte, 109gleiche, 109

orthonormale, 136projektive, 216

kanonische, 216Basis–Erganzungssatz, 17

allgemeiner, 16Basiswechsel, 79, 80Baum, 422, 423Bezout, 307

Satz von, 307Bidualraum, 83Bild, 72, 228, 293Bilinearform, 130

symmetrische, 130darstellende Matrix einer, 131indefinite, 133positiv definite, 133positiv semidefinite, 133zugeordnete quadratische Form, siehe

quadratische FormBinomialsatz fur negative Exponenten, 325Blockplan, siehe DesignBolyai, 9Bunjakowski, 134

Ungleichung von Cauchy–Schwarz–Bun-jakowski, 134

Cauchy, 134Satz von, 253Ungleichung von Cauchy–Schwarz–Bun-

jakowski, 134Cayley, 107

Satz von Cayley–Hamilton, 107Charakteristik

eines Integritatsringes, 294eines Korpers, 86, 294

charakteristischer Quotient, 207charakteristisches Polynom

einer quadratischen Matrix, 89eines Vektorraum–Endomorphismus, 89

Chinesischer Restsatz, 247chromatische Zahl, siehe GraphCode, 406

binarer, 406Codewort eines, 406

Fehler im, 407, 413

dualer, 413fehlererkennender, 407fehlerkorrigierender, 407Lange eines, 406linearer, 411

aquivalente, 412erzeugende Matrix eines, 412

in Standardform, 412Paritatsprufungsmatrix eines, 413

in Standardform, 414Standard–Array eines, 415

Minimalabstand eines, 407perfekter, 411q-narer, 406

Parameter eines, 408, 411, 413Codierung, 406

Codierer, 413Codierungsfunktion, 413Codierungstheorie, 406

Hauptproblem der, 408Cramer, 65

Cramer’sche Regel, 65

Dantzig, 203Decodierung, 407, 415

Prinzip des nachsten Nachbarn, 407, 416Syndrom–Decodierung, 416

Delisches Problem, 393Desargues, 222

Satz von, 222Design, 281

Block eines, 281t-Design, 282Parameter eines, 281

Determinante, 51Alterniertheit, 51Eigenschaften einer, 52Entwicklung

nach der i-ten Zeile, 64nach der j-ten Spalte, 64

Linearitat in den Zeilen, 51Multiplikationssatz fur, 52Normiertheit, 51

Diagonalmatrix, 27Kastchen–Diagonalmatrix, 105positiv definite, 134

Diagrammkommutatives, 75, 76

Page 559: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

INDEX 551

Diedergruppe, 233Differentiation, 349

algebraische, 349Differenzengleichung, 334

System von linearen, 335Differenzmenge, 360Differenzraum, siehe affiner RaumDifferenzvektor, siehe affiner RaumDilatation, 178

entartete, 178Fixpunkt einer, 474

Dimension einesaffinen Raumes, 171affinen Unterraumes, 23projektiven Raumes, 212Vektorraumes, 16

Dimensionsformel furaffine Unterraume, 172Bild und Kern eines Vektorraum–Homo-

morphismus, 73Losungsraum, siehe lineares Gleichungs-

systemprojektive Unterraume, 213Untervektorraume, 19

direkte Summe, siehe Summe von Untervek-torraumen

direktes Produkt, siehe GruppeDirichlet, 273

Dirichlet’sches Schubfachprinzip, 273Distributivgesetze, 6

allgemeine, 292Doppelverhaltnis, siehe projektiver RaumDrehung, 99, 156, 157

Drehachse, 157Drehebene, 157Drehwinkel, 157

Dreieck im IRn, 462Flacheninhalt eines, 462

Dreiecksmatrixobere, 52

echte, 104, 442untere, 52

Dreiecksungleichung, 134–136Dualraum, 82

algebraischer, 82dyadisches Produkt, 26

Ebene

euklidische, 232im affinen Raum, 173im projektiven Raum, 212im Vektorraum, 23

n-Eckregelmaßiges, 398

konstruierbar mit Zirkel und Lineal,400, 401

Eckebenachbarte, 202, 420eines Graphen, 420

gerade, 421Grad einer, 421ungerade, 421

eines konvexen Polyeders, 197eines k-Simplex, 195einfache, 205entartete, 205mehrfache, 205nicht–entartete, 205optimale, 202

Eckengrad, siehe GraphEckenmenge, siehe GraphEcken–Tableau, 205Eigenraum

einer quadratischen Matrix, 90eines Vektorraum–Endomorphismus, 87

eigentlich orthogonale Gruppe, siehe GruppeEigenvektor

einer quadratischen Matrix, 90eines Vektorraum–Endomorphismus, 87

Eigenwerteiner quadratischen Matrix, 90eines Vektorraum–Endomorphismus, 86

Einheit, 294Einheitengruppe, siehe RingEinheitsmatrix, 27Einheitspunkt, 216Einheitsvektor, 134

kanonischer, 14n-te Einheitswurzel, 398

primitive, 398Einselement, 5Einsetz–Homomorphismus, 316, 355Eisenstein, 348

Kriterium von, 348Element

Page 560: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

552 INDEX

algebraisches, 368zugehoriges Minimalpolynom, 370

aquivalente, 109assoziierte, 304Einselement, 5inseparables, 374inverses, 3invertierbares, 294irreduzibles, 304konjugierte, 229, 372Linksinverses eines, 294neutrales, 3Nullelement, 5Rechtsinverses eines, 294reduzibles, 304relativ prime, 306separables, 374Teiler, 304

großter gemeinsamer, 235, 306teilerfremde, 306transzendentes, 368unzerlegbares, 304Vielfaches, 304zerlegbares, 304

elementare Spaltenumformungen, 38elementare Zeilenumformungen, 35, 37Elementarmatrix, 36Ellipse, 129, 161, 168, 185Ellipsoid, 185, 186Endomorphismus

einer Gruppe, 227eines Korpers, 300eines Ringes, 293im Vektorraum, 69

charakteristisches Polynom eines, 89diagonalisierbarer, 89Eigenraum eines, 87Eigenvektor eines, 87Eigenwert eines, 86nilpotenter, 117normaler, 143orthogonaler, 150selbstadjungierter, 149Spektralwert eines, 88Spektrum eines, 88trigonalisierbarer, 100unitarer, 150

Epimorphismuskanonischer, 111, 113, 239, 297von Gruppen, 229von Korpern, 300von Ringen, 293von Vektorraumen, 69

Erweiterungskorper, 300algebraischer, 368galois’scher, 379inseparabler, 374normaler, 378separabler, 374transzendenter, 368

erzeugende Funktion, 325Erzeugendensystem, 12, 231

endliches, 12, 231Euklid, 130

euklidischer Algorithmus, 311Hohensatz von, 390

Euler, 159Euler’sche Funktion, 235Euler’sche Linie, siehe GraphEuler’sche Vermutung, 359

Offiziersproblem, 359Euler’sche Winkel, 159, 160

Drehungswinkel, 160Nutationswinkel, 160Prazessionswinkel, 160

Euler’scher Polyedersatz, 426Extremalpunkt, 197

Faktorgruppe, 239fallende Fakultat, 276, 285Familie, 12Fehlstand, siehe PermutationFermat, 235

Fermat’sche Primzahl, 400, 401kleiner Fermat’scher Satz, 235

Fibonacci, 326Fibonacci–Zahlen, 321, 326, 328

Fixbereich, 382Flachen zweiter Ordnung, 185Fourier, 240Frobenius, 374

Frobenius–Homomorphismus, 374Fundamentalsatz der Algebra, 94Funktional, siehe Linearform

Page 561: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

INDEX 553

Galois, 378Galois–Feld, 378Galois–Erweiterung, 379Galois–Gruppe

einer Korpererweiterung, 379eines Polynoms, 380

Gauß, 9Gauß–Algorithmus, 43

erste Stufe des, 39Geometrie, 180

affine, 180Hauptsatz der, 181

algebraische, 355euklidische, 180projektive, 212

Geradeim affinen Raum, 173, 362

Tangente an eine Quadrik, 476im euklidisch–affinen Raum

Winkel zwischen zwei, 176im projektiven Raum, 212im Vektorraum, 23konstruierbar mit Zirkel und Lineal, 385

Menge aller, 385Parallele, 386, 387Senkrechte, 386, 387

Gewichtsfunktion, 411Gleichungssystem, siehe lineares Glei-

chungssystemGrad–Funktion, 310, 316, 354Gram, 138

Orthonormalisierungsverfahren vonSchmidt–Gram, 138, 139

Graph, 420auf einem topologischen Raum, 425Baum, 422, 423chromatische Zahl eines, 428Darstellung eines, 426dualer, 428ebener, 426

Streckengraph, 426Dreiecksgraph, 426

Ecke eines, 420benachbarte, 420gerade, 421Grad einer, 421ungerade, 421

Ecken–Farbung eines, 428Eckenmenge eines, 420endlicher, 420Gebiet eines, 426GEW–Graph, 422K3,3–Graph, 422

isomorphe, 421Kante eines, 420Kanten–Farbung, 428Kantenmenge eines, 420Kantenweg in einem, 422

Euler’sche Linie, 422geschlossener, 422

Knoten eines, 420Land eines, 426plattbarer, 426r-regularer, 422schlichter, 420Seite eines, 420Seiten–Farbung eines, 428topologischer, 425ungerichteter, 420vollstandiger, 420Weg in einem, 422

geschlossener, 422zusammenhangender, 422

Landkarten–Farbung eines, 428großter gemeinsamer Teiler, 235, 306Grundpunkte, 216Gruppe, 3

abelsche, 3Typ einer, 260

affine, 179Invarianz bezuglich einer Untergruppe

von, 180allgemeine lineare, 28alternierende, 51auflosbare, 270Automorphismengruppe einer, 229direktes Produkt mehrerer, 243

inneres, 244einfache, 239endlich erzeugte, 231Endomorphismenring einer, 291Kette von, 404kommutative, 3Kommutator zweier Elemente einer, 268

Page 562: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

554 INDEX

Kommutatorgruppe einer, 268Normalteiler einer, 237

Durchschnitt beliebig vieler, 238trivialer, 238

Operation auf Menge, 247Fixpunkt unter einer, 250kanonische Aquivalenzrelation, 248

Aquivalenzklassen der, siehe BahnStabilisator, 249

Ordnung einer, 231orthogonale, 155

eigentlich, 155symmetrische, 6, 47, 261unitare, 155Zentrum einer, 230zyklische, 231

Hadamard, 365Hadamard–2-Design, 365Hadamard–3-Design, 366

Halbgruppe, 3Halbraum, 193

abgeschlossener, 193Hamilton, 9

Satz von Cayley–Hamilton, 107Hamming, 407

Hamming–Metrik, 407Hauptachsentransformation, 168

affine, 188metrische, 183

Hauptdiagonale, siehe MatrixHauptideal, 298Hauptidealring, 299Hauptsatz

der affinen Geometrie, 181der Galois–Theorie, 394, 396fur symmetrische Polynome, 356

Hermite, 130Hermite’sche Form, 130

darstellende Matrix einer, 131indefinite, 133positiv definite, 133positiv semidefinite, 133zugeordnete quadratische Form, siehe

quadratische FormHomomorphiesatz

fur Gruppen, 239fur Ringe, 297

fur Vektorraume, 116Homomorphismus

von Gruppen, 227von Korpern, 300von Ringen, 125, 293von Vektorraumen, 69

Bild eines, 72Kern eines, 72Rang eines, 74zugeordnete Matrix eines, 77

Hurwitz, 164Kriterium von, 164

Hyperbel, 185Hyperboloid

einschaliges, 185, 186zweischaliges, 185, 186

Hyperebeneim affinen Raum, 173im projektiven Raum, 213im Vektorraum, 23, 114uneigentliche, 214

Hyperflache zweiter Ordnung, 160

Ideal, siehe RingIdentitat, siehe AbbildungIndex, siehe Untergruppeinneres direktes Produkt, siehe GruppeIntegritatsring, 124

Charakteristik eines, 294euklidischer, 310faktorieller, 306Gauß’scher, 306Teilbarkeit im, 304, 306

Isomorphie, 74Isomorphiesatz

fur Gruppenerster, 240zweiter, 242

fur Ringeerster, 297zweiter, 297

Isomorphismusvon Gruppen, 229von Korpern, 300K–Isomorphismus, 372

von Ringen, 293von Vektorraumen, 69

Page 563: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

INDEX 555

Jordan, C., 104Jordan–Matrix, 104, 106Jordan’sche Normalform, 107, 124Jordan’scher Kurvensatz, 426

Jordan, P., 136

Kanteim Graphen, 420im konvexen Polyeder, 202

Kantenmenge, siehe GraphKantenweg, siehe GraphKegel, 185, 187Kegelschnitte, 184, 185Kern, 72, 227, 228, 293Klassengleichung, 251Klein, 180

Erlanger Programm von, 180Klein’sche Vierergruppe, 229

Kodimension, 114Koeffizientenmatrix, 29Kollineation, 181Kommutator, siehe GruppeKommutatorgruppe, 268komplexe Erweiterung, siehe VektorraumKomplexprodukt, siehe UntergruppeKomposition, siehe AbbildungKongruenz, 179

Langentreue einer, 179Winkeltreue einer, 181

Kongruenzgeometrie, 180Konigsberger Bruckenproblem, 424, 425Konjugierte, siehe Untergruppekonvexe Hulle, 194konvexe Menge, 193

Durchschnitt beliebig vieler, 193Punkt einer, 193

extremaler, 197optimaler, 198Verbindungsstrecke zweier, 193, 202

Konvexkombination, 194Koordinaten

baryzentrische, 195eines affinen Punktes, 174eines Vektors, 80homogene, 216

Koordinatenanfang, 173Koordinatensystem, 168, 388

affines, 173

projektives, 218Korper, 7, 299

algebraisch abgeschlossener, 94Charakteristik eines, 86, 294der Bruche, 126der komplexen Zahlen, 8der rationalen Funktionen, 317Erweiterung eines, siehe Korpererweite-

rungKette von, 392kommutativer, 7, 299Primkorper eines, 301vollkommener, 375

Korpererweiterung, 367Adjunktion einer Menge, 370algebraische, 368endliche, 368galois’sche, 379Galois–Gruppe einer, 379Grad einer, 367inseparable, 374Korpergrad einer, 367normale, 378Rang einer, 367separable, 374transzendente, 368unendliche, 368Zwischenkorper einer, 367

Korperturm, 393Kreis, 185

konstruierbar mit Zirkel und Lineal, 385Menge aller, 385

Quadratur des, 394n-ter Kreisteilungskorper, 398Kronecker, 57

Kronecker–Symbol, 57Kugel, 196, 410

”Kugelpackungsschranke“, 410Kurven zweiter Ordnung, 184Kurzungsregel, 124

Lagrange, 234Satz von, 234

Langentreue, siehe KongruenzLaplace, 64

Entwicklungssatz von, 64lateinisches Quadrat, 358

orthogonale, 359

Page 564: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

556 INDEX

Leibniz, 9Leibniz’sche Formel, 55

linear abhangig, siehe abhangiglinear unabhangig, siehe unabhangiglineare Optimierung, 190

Grundtyp der, 192Hauptproblem der, 190Nebenbedingungen, 192Restriktionen, 190, 192Schlupfvariablen, 193Vorzeichenbedingungen, 192Zielfunktion, 190, 192

lineares Gleichungssystem, 29erweiterte Matrix eines, 31homogenes, 30

Losungsraum eines, 30Dimensionsformel fur, 32

triviale Losung eines, 30zugehoriges, 30

inhomogenes, 30Losungsraum eines, 30

Koeffizientenmatrix eines, 29quadratische, 33

Losbarkeit eines, 30, 31eindeutige, 30, 33universelle, 30, 33

Losung eines, 30, 43, 44rechte Seite eines, 29Systemmatrix eines, 31Unbestimmten eines, 29Variablen eines, 29

Linearfaktor, siehe PolynomLinearform, 82

orthogonal zu Vektor, 84Linearkombination, 12

triviale, 12Linksideal, siehe RingLinksinverses, siehe ElementLinksnebenklasse, siehe Untergruppe

magisches Quadrat, 440Matrix, 24

Addition von, 25aquivalente, 81darstellende, 77, 131

Transformationsformel fur, 80Eintrag einer, 24

erweiterte, siehe lineares Gleichungssy-stem

erzeugende, 412Standardform einer, 412

Gleichheit von, 24kanonische, 26Koeffizient einer, 24Multiplikation von, 26quadratische, 27

ahnliche, 81charakteristisches Polynom einer, 89Determinante einer, 51diagonalisierbare, 90Eigenraum einer, 90Eigenvektor einer, 90Eigenwert einer, 90erweiterte, 162Hauptdiagonale einer, 27Hermite’sche, 94, 131

Morse–Index einer, 166positiv definite, 134Signatur einer, 166Tragheits–Index einer, 166Typ einer, 166

invertierbare, 27komplementare, 63nicht–invertierbare, 27nilpotente, 104nilzyklische, 120normale, 145orthogonal–diagonalahnliche, 155orthogonale, 152Potenzen einer, 441Rayleigh–Quotient einer, 471

zugehoriger numerischer Wertebe-reich, 477

regulare, 27schiefsymmetrische, 27singulare, 27Spur einer, 27symmetrische, 27

Morse–Index einer, 166negativ definite, 165positiv definite, 134positiv semidefinite, 469Signatur einer, 166Tragheits–Index einer, 166

Page 565: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

INDEX 557

Typ einer, 166Teilmatrix, 164trigonalisierbare, 100unitar–diagonalahnliche, 155unitare, 152

Rang einer, 31Skalarmultiplikation mit, 25

Assoziativgesetz, 27Spalten einer, 24Spaltenindex, 24transponierte, 25verallgemeinerte Inverse zu einer, 446Zeilen einer, 24Zeilenindex, 24Zeilenrang einer, 35

Matrixprodukt, 26Assoziativgesetz, 27Distributivgesetze, 26

Mengeabzahlbar–unendliche, 273n-elementige, 272endliche, 273geordnete, 395konvexe, siehe konvexe Mengeteilweise geordnete, 395

Infimum zweier Elemente in, 396Supremum zweier Elemente in, 396

uberabzahlbare, 273unendliche, 273

Metrik, 136Dreiecksungleichung, 136euklidische, 385Symmetrie, 136

Minimalabstand, siehe CodeMinimalpolynom, 370Minkowski, 135

Minkowski’sche Ungleichung, 135Mobius, 279

Mobius–Funktion, 279Mobius’sche Umkehrformel, 280

Monome, 59Monomorphismus

von Gruppen, 229von Korpern, 300von Ringen, 293von Vektorraumen, 69

Morse, 166

Morse–Index, siehe MatrixMultinomialkoeffizient, 287

Nebenklasse, siehe Untergruppev. Neumann, 136Newton, 356Noether, 306Norm, siehe VektorNormalisator, 257Normalisatorbedingung, 257Normalreihe, 255

abelsche, 403, 490Normalteiler, siehe GruppeNullabbildung, 10Nullelement, 5Nullmatrix, 25Nullstelle, siehe PolynomNullstellenmenge, 355Nullteiler, siehe RingNullvektor, 9

Oberkorper, 126, 300Operation, siehe GruppeOrbit, siehe BahnOrdnung

einer Gruppe, 231eines Gruppenelements, 231

orthogonale Gruppe, siehe Gruppeorthogonale Summe, siehe Summe von Un-

tervektorraumenorthogonales Komplement, 141Orthogonalprojektion, 137Orthogonalsystem, 136Orthonormalbasis, 136Orthonormalsystem, 136

Pappos, 223Satz von, 223

Parabel, 185Paraboloid

elliptisches, 185, 187hyperbolisches, 186, 187

Parallelogrammgleichung, 136Parallelotop

k-dimensionales, 465Inhalt eines, 465

Paritatsprufungsmatrix, siehe CodePartialbruchzerlegung, 323

Page 566: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

558 INDEX

Partition, 110, 284einer positiven ganzen Zahl, 261, 288,

334konjugierte, 290selbst–konjugierte, 290zugeordnete Matrix, 289

Teil einer, 284Pascal, 285

Pascal’sches Dreieck, 285Permutation, 6, 47

Fehlstand einer, 49gerade, 49kanonische Faktorisierung einer, 264Signum einer, 49ungerade, 49Wirkungsbereich einer, 264

Pivot, 207Pivotspalte, 207Pivotzeile, 207

Plato, 427Platonische Korper, 427

Dodekaeder, 427Hexaeder, 427Ikosaeder, 427Oktaeder, 427Tetraeder, 427

Polyederkonvexes, 195

Ecke eines, 197benachbarte, 202optimale, 202

Kante eines, 202kongruentes regelmaßiges im IR3, sie-

he Platonische KorperPolynom, 11, 91, 92, 315

Ableitung eines, 349auflosbar durch Radikale, 401charakteristisches, 89–91Division mit Rest, 92, 93, 318elementarsymmetrisches, 356Galois–Gruppe eines, 380Grad eines, 91, 316, 354Hochstkoeffizient eines, 316, 456in einer Unbestimmten, 315in mehreren Unbestimmten, 353, 354

quadratisches, 160Inhalt eines, 346

Koeffizienten eines, 11, 315Leitkoeffizient eines, 316Linearfaktor eines, 94, 349

vollstandiger Zerfall in, 351, 375Linearfaktorzerlegung eines, 94, 351normiertes, 316, 456Nullstelle eines, 93, 319, 349n-fache, 349Ordnung einer, 349Vielfachheit einer, 93

primitives, 346symmetrisches, 355

Hauptsatz fur, 356vom Grad ≤ n , 11, 91Wurzel eines, 319Zerfallungskorper eines, 375

Polynomabbildung, 319, 355Polynomischer Lehrsatz, 288Polynomring, 315, 354

Grad–Funktion auf, 316, 354Potenzreihe

formale, 313, 314erzeugende Funktion, 325Inverse einer, 321, 322Koeffizienten einer, 315

Potenzreihenring, 313, 314Primelement, 304Primfaktorzerlegung, 346Primideal, 303Primkorper, 301Prinzip des nachsten Nachbarn, siehe Deco-

dierungProduktregel, 274projektiv unabhangig, siehe unabhangigprojektiver Raum, 212

Dimension eines, 212kanonischer n-dimensionaler, 212Punkte eines, 212

eigentliche, 214kollineare, 221

Doppelverhaltnis vierer, 221projektiv unabhangige, 216uneigentliche, 214

Projektivitat, 217Pseudo–Inverse, 446Punkt

extremaler, 197

Page 567: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

INDEX 559

im affinen Raum, 169im projektiven Raum, 212im Vektorraum, 23konstruierbar mit Zirkel und Lineal, 385

Menge aller, 386optimaler, 191, 198

Pythagoras, 136Satz des, 136

quadratische Form, 133indefinite, 133positiv definite, 133positiv semidefinite, 133

Quadratur des Kreises, 394Quadrik, 160

Asymptotenkegel einer, 475erweiterte Matrix zu einer, 162Klassifikation von, 184–187Mittelpunkt einer, 475

Symmetrie bezuglich, 475Normalform einer, 168

affine, 189metrische, 184

Tangente an eine, 476Quaternionengruppe, 301, 487Quaternionen–Schiefkorper, 300Quotientenkorper, 126Quotientenmenge, 111Quotientenraum, 114

Radikalerweiterung, 402Rang

einer Korpererweiterung, 367einer Matrix, 31eines Vektorraum–Homomorphis-

mus, 74Rayleigh, 471

Rayleigh–Quotient, 471zugehoriger numerischer Wertebe-

reich, 477Rechtsideal, siehe RingRechtsinverses, siehe ElementRechtsnebenklasse, siehe UntergruppeRekursionsgleichung n-ter Ordnung

homogene lineare, 325zugehorige Hilfsgleichung, 326

inhomogene lineare, 329Reprasentant, siehe Aquivalenzklasse

Restklassengruppe, 124prime, 236

Restklassenring, 296, 297Restriktionen, siehe lineare OptimierungRing, 6

der formalen Potenzreihen, 313, 314der ganzen Gauß’schen Zahlen, 310, 494der ganzen Quaternionen, 301der Gruppen–Endomorphismen, 291der Polynomabbildungen, 319, 355der Polynome

in einer Unbestimmten, 315in mehreren Unbestimmten, 354

der quadratischen Matrizen, 28der skalaren Abbildungen, 291einfacher, 302euklidischer, 310faktorieller, 306Gauß’scher, 306Ideal eines, 295

Durchschnitt beliebig vieler, 297erzeugtes, 297maximales, 302stationare Folge von, 306

Integritatsbereich, siehe Integritatsringkommutativer, 7Linksideal eines, 295Linksnullteiler eines, 494mit Eins, 7

Einheitengruppe eines, 294noetherscher, 306Nullteiler eines, 124

eigentlicher, 124nullteilerfreier, 124

Kurzungsregel im, 124Rechtsideal eines, 295

Ring–Adjunktion, 316Rolle, 405

Satz von, 405Rucksubstitution, 39

Sarrus, 58Regel von, 58

Schiefkorper, 7, 299der Quaternionen, 300

Schlupfvariablen, siehe lineare OptimierungSchmidt, 138

Orthonormalisierungsverfahren von

Page 568: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

560 INDEX

Schmidt–Gram, 138, 139Schwarz, 134

Ungleichung von Cauchy–Schwarz–Bun-jakowski, 134

Selektiongeordnete

mit Wiederholung, 276Anzahl aller, 276, 277

ohne Wiederholung, 276Anzahl aller, 276, 277

ungeordnetemit Wiederholung, 277

Anzahl aller, 277ohne Wiederholung, 277

Anzahl aller, 277Sequenz, 242

exakte, 242Sesquilinearform, 130

Hermite’sche, 130Sieb–Prinzip, 278Signatur, siehe MatrixSignum, siehe Permutationk-Simplex, 195

Ecke eines, 195Standard–k-Simplex, 195

Simplex–Verfahren, 203–208Skalar, 9Skalarmultiplikation, 9Skalarprodukt, 26, 130, 131, 413

kanonisches im IKn, 131Spaltenindex, siehe MatrixSpaltensumme, 274Spaltenvektor, 24

erweiterter, 162Spektralradius, 108Spektralsatz

fur komplexe normale Endomorphis-men, 144

fur reelle normale Endomorphismen, 147Spektralwert, 88Spektralzerlegung

fur normale Matrizen, 153fur symmetrische Matrizen, 154

Spektrum, 88Spiegelung, 77, 86, 156Spur, siehe MatrixStabilisator, 249

Stabilitatsuntergruppe, 249Standard–Array, siehe CodeSteiner, 366

Steiner–Tripelsystem, 366Steinitz, 15

Austauschsatz von, 15Stirling, 81

Stirling’sche Zahlenerster Art, 81zweiter Art, 81, 285

Streichungsmatrix, 62, 63Suchstrahl, 205Summe von Untervektorraumen, 19, 21

direkte, 20, 21orthogonale, 138

Summenregel, 274Sylow, 252

1. Sylow’scher Satz, 2522. Sylow’scher Satz, 2533. Sylow’scher Satz, 254p-Sylow–Gruppe, 253

Sylvester, 163Tragheitssatz von, 163

symmetrische Gruppe, siehe GruppeSyndrom, 415

Syndrom–Decodierung, 416Systemmatrix, 31

Tableau, siehe Ecken–TableauTangente, siehe GeradeTaubenschlag–Prinzip, 273

verallgemeinertes, 273Teiler, siehe ElementTeilkorper, 300Teilverhaltnis, siehe affiner RaumThales, 390

Thales–Kreis, 390Transformationsformel fur darstellende Ma-

trizen, 80Translation, 178Transposition, 25, 48Trichotomiegesetz, 395

Umkehrabbildung, 6unabhangig

affin, 173linear, 13projektiv, 216

Page 569: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

INDEX 561

unitare Gruppe, siehe GruppeUntergruppe, 180, 228

direktes Produkt mehrerer, siehe Grup-pe

Durchschnitt beliebig vieler, 231erzeugte, 231Index einer, 234Komplexprodukt zweier, 240konjugierte, 253, 257Linksnebenklasse einer, 234normale, 237

Nebenklasse einer, 239Rechtsnebenklasse einer, 237triviale, 228

Untergruppen–Verband, 396Unterkorper, 300Unterraum, 10

affiner, 22, 171Durchschnitt beliebig vieler, 171kleinster, 171Parallelitat zweier, 23, 173

aufgespannter, 12komplementarer, 21projektiver, 212Spiegelung am (n−1)-dimensio-

nalen, 156F -zyklischer, 117

Unterring, 126, 293Untervektorraum, 10

Durchschnitt beliebig vieler, 11Kodimension eines, 114orthogonale, 136

Urbild, siehe AbbildungUrsprung, siehe Koordinatenanfang

Vandermonde, 60Vandermonde–Determinante, 60

Vektor, 9Abstand zweier, 136Addition von, 9Betrag eines, 134Koordinaten eines, 80Lange eines, 134linear abhangige, 13linear unabhangige, 13negativer, 9Norm eines, 134

euklidische, 196

orthogonal zu Linearform, 84orthogonale, 136orthonormale, 136

Vektorprodukt, 111Vektorraum, 9

der konvergenten Zahlenfolgen, 72der Matrizen, 25der Polynome, 91, 452der Polynome vom Grad ≤ n , 11der skalaren Abbildungen, 10der Vektorraum–Homomorphismen, 68Dimension eines, 16endlich–dimensionaler, 16

Orientierungen eines reellen, 111endlich erzeugter, 12euklidischer, 130

komplexe Erweiterung eines, 145Metrik auf, 136Norm auf, 134topologischer, 18unendlich–dimensionaler, 16unitarer, 130

Verband, 396antiisomorphe, 396dual–isomorphe, 396isomorphe, 396

Verbindungsraum, 171, 213Verbindungsstrecke, 193, 202Verknupfung, 3

außere, 9innere, 3

Verknupfungstafel, 6Verteilung in Boxen, 286Vielfaches, siehe ElementVierergruppe, 229Vier–Farben–Problem, 429Vieta, 356

Wurzelsatz von, 356

Wiederholungscode, 409Wielandt, 252Wilson, 313

Satz von, 313, 482Winkeldreiteilung, 394Winkeltreue, siehe AhnlichkeitWirkungsbereich, siehe PermutationWitt, 366

kleiner Witt’scher Blockplan, 366

Page 570: Lineare Algebra I&II Algebra und DiskreteMathematik I&II · Das vorliegende Skriptum war die Grundlage fur die Vorlesungen Lineare Algebra I & II sowie Algebra und Diskrete Mathematik

562 INDEX

Wort, 275, 276Buchstaben eines, 276Lange eines, 275

Wurfelverdopplung, siehe Delisches ProblemWurzel, siehe Polynom

Zahlenganze, 5

Gauß’sche, 310, 494imaginare, 9komplexe, 8

algebraische, 490imaginare Einheit, 8Imaginarteil einer, 8konjugiert, 94, 442konstruierbar mit Zirkel und Lineal,

388–390Realteil einer, 8

naturliche, 5rationale, 5reelle, 5

konstruierbar mit Zirkel und Lineal,388

transzendente, 438Zeilenindex, siehe MatrixZeilenrang, siehe MatrixZeilensumme, 273Zeilenvektor, 14, 24Zentralprojektion, 220Zentrum

einer Gruppe, 230einer Zentralprojektion, 220

Zerfallungskorper, 375Zielfunktion, siehe lineare OptimierungZorn, 16

Lemma von, 16ZPE–Ring, 306Zwischenkorper, 367Zwischenkorper–Verband, 396r-Zykel, 261Zyklus, siehe ZykelZylinder

elliptischer, 186, 187hyperbolischer, 186, 187parabolischer, 186, 187