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Magazin der SRG Deutschschweiz Ausgabe 2/2013 Radios mit unverwechselbarem Musikprofil Seite 6 Swissinfo 10 Eva Herrmann, neue stv. Chefredaktorin, im Gespräch SRG Deutschschweiz 9 Grosser Mitgliederanlass am Welttheater Luzern Ombudsstelle 16 Thomas Minder und HEV Schweiz beanstanden Radio SRF Bild: SRF / Oscar Alessio

LINK 2 2013 Musikprogrammierung

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Magazin der SRG DeutschschweizAusgabe 2/2013

Radios mit unverwechselbarem Musikprofil Seite 6

Swissinfo 10Eva Herrmann, neue stv. Chefredaktorin, im Gespräch

SRG Deutschschweiz 9Grosser Mitgliederanlass am Welttheater Luzern

Ombudsstelle 16Thomas Minder und HEV Schweiz beanstanden Radio SRF

Bild: SRF/Oscar Alessio

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SRF

Welche Songs im Radio von Schweizer Radio und Fernsehen (SRF) gespielt werden, entscheiden nicht die Moderatoren. Die Titel-Auswahl resultiert vielmehr aus dem vielschichtigen Zusammenspiel von Forschungserkenntnissen, Computerempfehlungen und Erfahrungswerten der Musikredaktionen.

Dem Hörer ein guter Freund sein

musikprogrammierung

Auf keinen Fall dem Zufall überlassen: Die Musik, die im Radio gespielt wird, wird systematisch vorbereitet. SRF 3-Musicmaster Chrigel Lindenmann (vorne links) mit SRF 3-Kollegen Sophie Gut und Stephan Lütolf.

Musik spielt im Radio eine grosse Rolle. Besonders bei den Sendern Radio SRF 1 und Radio SRF 3. Dort macht sie rund 60 bis 80 Prozent der täglichen Sendezeit aus. Einmal wird mit ihr ein Wortbeitrag unter­legt, ein andermal wird sie um ihrer selbst Willen gespielt. Wieder ein anderes Mal ist sie das eigentliche Thema. Doch immer dient sie dazu, bestimmte Stimmungen zu erzeugen. Das übergeordnete Ziel: Die SRF­Sender sollen das Publikum nicht nur gut informieren, sondern auch weiterbil­den und gut unterhalten. So ist es im Leis­tungsauftrag formuliert. Eine Vorgabe, wie gross der Wort­ und der Musikanteil bei den Sendern SRF 1 und SRF 3 jeweils sein müssen, gibt es nicht. Wichtig ist: «Die Hörer

sollen sich bei uns Zuhause fühlen», sagt Michael Schuler, Leiter Fachredaktion Musik (Pop/Rock). Und das möglichst im Nu: «Wenn jemand ohne hinzuschauen das Radio einschaltet, muss er oder sie spätestens nach zwei Songs erkennen, dass es sich um seinen oder ihren Stammsender handelt.» Deshalb darf die Musikauswahl zwar abwechslungs­ und facettenreich sein, muss gleichzeitig aber auch zum Profil des jeweiligen Senders passen (siehe Box Seite 8).

Einmalig und unverwechselbar

Die Musikprogrammierung ist eine Arbeit, welche die Moderatoren unmöglich noch

neben ihrem Job «on air» stemmen kön­nen. Deswegen werden sie nur dann aktiv,

«Wenn jemand ohne hinzu-schauen das Radio einschaltet, muss er spätestens nach zwei Songs erkennen, dass er oder sie den Lieblingssender hört.»

Michael Schuler, Leiter Fachredaktion Musik (Pop/Rock)

wenn es die aktuelle Nachrichtenlage ge­bietet. «Beispielsweise können wir nach ei­nem Tsunami nicht mehr den Song ‹Die perfekte Welle› von Juli spielen», so Musik­

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experte Schuler. Nach einem Flug zeugab­sturz muss hingegen Joan Armatradings ‹Drop the Pilot› aus dem Programm genom­men werden. Ansonsten bringen die Mode­ratoren zuverlässig an den Mann, was ihre Kollegen aus der Musikredaktion für sie zu­sammengestellt haben. Deren Auswahl kommt nicht zufällig zustande, sondern ist das Ergebnis eines ausgeklügelten, konti­nuierlichen Verfahrens, bei dem es weniger auf den persönlichen Musikgeschmack der Verantwortlichen ankommt, sondern aus­schliesslich auf deren Interpretation von Studien aus der Marktforschung und der Wissenschaft. Auch die Playlists der direk­ten Konkurrenz und die nationalen sowie internationalen Charts spielen bei der mu­sikalischen Positionierung von Radio SRF 1 und Radio SRF 3 eine Rolle. Schliesslich sollen die Sender nicht nur inhaltlich, son­dern auch vom Musikmix her einmalig und unverwechselbar sein. Selbst voneinander müssen sie sich natürlich unterscheiden.

Die Mischung machts

Michael Schuler schätzt die statistischen Erhebungen. Doch verlassen möchte er sich nicht auf sie. «Es wäre fatal, wenn man die Ergebnisse der Marktforschung als sakrosankt erachten würde», sagt er. Aufgrund der standardisierten Fragen in vielen Tests erfahre man beispielsweise nichts über die Gründe für das vom Hörer gefällte Urteil. «Dabei ist gerade das für uns von Bedeutung», so der Experte. «Mag er den Song wirklich nicht? Hat er sich da­ran sattgehört? Oder kennt er ihn viel­leicht gar nicht und muss sich erst noch an ihn gewöhnen?» Die Antwort darauf sei entscheidend, so Schuler.

Um diese zu bekommen, hakt er häufig selbst nach. Beispielsweise bei Hörern, die per E­Mail, Facebook oder Telefon Feed­back zur Musikauswahl gegeben haben. Oder er nimmt an Forumsdiskussionen teil. Auch die Hinweise des Publikumsrats sind gemäss Schuler wertvoll. «Das ist na­türlich nur punktuell möglich und zudem aufwändig, aber es lohnt sich», so der Leiter der Fachredaktion Musik (Pop/Rock).

Denn einerseits zeige das der Zuhörer­schaft, dass man sie ernst nimmt. Anderer­seits erfahre man so, was diese sich punkto Musikprogrammierung wünscht.

Wie in einer guten Partnerschaft

Wie wichtig es ist, ein offenes Ohr für die Hörer zu haben, zeigt ein Beispiel von vor zwei Jahren. 2011 hatte Michael Schulers Auswertung der Hörer­Feedbacks ergeben, dass sich viele Anhänger von Radio SRF 1 mehr Instrumentals wünschen. Er kam dem Wunsch nach. «Dies, obwohl die For­schung ergeben hat, dass genau solche Stücke im Radio nicht funktionieren», so Schuler. Bisher habe es diesbezüglich noch keine Beschwerden gegeben.

«Es wäre fatal, wenn man die Ergebnisse der Marktforschung als sakrosankt erachten würde.»

Michael Schuler, Leiter Fachredaktion Musik (Pop/Rock)

Doch nicht nur berücksichtigen die Musik­redaktoren die Wünsche der Zuhörenden, sie stellen auch neue Songs vor. Solche, die zum Profil des Senders passen und den Menschen vor den Empfangsgeräten gefallen dürften. In diesem Rahmen dür­fen sich die Verantwortlichen bewegen.

Und das tun sie auch. Natürlich immer im Wissen, dass sie es nicht immer im Wissen recht machen können. «Das ist bei einem so dispersen Publikum wie dem von Radio SRF 1 und Radio SRF 3 gar nicht möglich», sagt Schuler. Das mache aber auch nichts. Denn die Hörer würden einander zwar nicht kennen, wüssten aber voneinander und respektierten sich und ihre musikali­schen Vorlieben. Daher tolerierten sie auch einmal einen Song, den sie weniger gut finden. Dies, weil sie Vertrauen darin haben, dass «ihr» Sender spätestens mit dem nächsten Lied wieder den eigenen Geschmack trifft. «Das ist wie in einer guten Partnerschaft, in der man sich zwar hin und wieder nervt, aber in der es insgesamt

Bye-bye Compact Disc

Rund eine Million – so viele Compact Discs (CDs) lagern in den Musikarchi-ven der SRG SSR. Doch diese haben nun ausgedient. Deswegen werden die Silber-scheiben derzeit digitalisiert und zentral abgelegt.

Neben den Musiktiteln werden auch Metadaten wie der Name des Interpreten und der CD erfasst. Bereits abgeschlos-sen ist die Speicherung der CD-Bestände von unter anderem Radio SRF 2 Kultur, RSI (Radiotelevisione svizzera) und RTS (Radio Télévision Suisse). Im Mai soll auch die Digitalisierung der physi-schen Archive von Schweizer Radio und Fernsehen (SRF) in Zürich, Bern und Basel abgeschlossen sein.

Ziel des Projekts: Künftig sollen alle Mitarbeitenden von jedem Arbeitsplatz aus online auf den gesamten SRG-Fundus an Songs, Melodien und Geräuschen sowie die dazugehörigen Metadaten zugreifen können. Davon profitieren beispielsweise die Musikredaktoren. Denn diese müssen die physischen Tonträger dann nicht mehr aufwändig im Archiv suchen, sondern können sie be quem per Mausklick auf ihrem Compu-ter aufrufen und abspielen. Auch das An-hören und Vergleichen verschiedener Versionen eines Titels wird so einfacher. Zudem erlaubt der Online-Zugriff kurz-fristige Anpassungen in den Radiopro-grammen.

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Die SRG verabschiedet sich von physischen Tonträgern.

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gut läuft», so der Experte. «Das Radio soll ein Freund sein, dem man gerne die Hand reicht und von dem man sich gerne führen, aber auch Neues zeigen lässt.»

Deshalb spielen die Programme von Radio SRF 1 und SRF 3 nicht nur Songs, die sich bewährt haben, sondern stellen auch neue

Titel vor. Dies stets mit Ankündigung. «Denn wenn erklärt wird, warum in den nächsten zwei bis drei Minuten ein völlig unbekann­ter Song läuft, ist die Akzeptanz gleich viel höher», erklärt Michael Schuler. Zudem lerne der Hörer en passant etwas dazu. Da­mit erfüllt die Musikprogrammierung auch den Leistungsauftrag, der vorsieht, dass das

Radio nicht nur unterhalten, sondern auch bilden soll.

Sender soll ein Zuhause sein

Bei ihrer Arbeit setzen die Mitglieder der Musikredaktion auf ein spezielles Compu­terprogramm. Dieses stellt auf Basis der be­kannten Parameter einen Musikmix zusam­men, der abwechslungsreich ist und zum Profil des Senders passt. «Doch mit der Soft­ware verhält es sich gleich wie mit der Marktforschung», sagt Schuler. «Es kommt darauf an, wie man damit umgeht.»

Deshalb sieht man die vorgeschlagene Mu­sikauswahl in seiner Abteilung nur als Rat­schlag an: «Das Feintuning übernehmen wir lieber selbst.» Wenn beispielsweise wie derzeit der Frühling vor der Tür steht, wer­den ein paar sommerliche Tracks mehr programmiert – um den Hörer auf die ers­ten Sonnenstrahlen einzustimmen. Dies, da­mit er sich bei «seinem» Sender jederzeit gut aufgehoben fühlt.

Fee Riebeling

Radio SRF 1, der meist-gehörte Sender in der Deutschschweiz, liefert aktuelle Informationen, Hintergründe und Unter-

haltung. Das gesprochene Wort hat einen grossen Stellenwert. Die Musik muss den Hörer nach einem Beitrag in Empfang nehmen, wie einen alten Bekannten. Deshalb werden nicht allzu viele neue Titel gespielt. Der Fokus liegt auf den 1960er- bis 1990er- Jahren. Ergänzt wird der Mix mit weniger be-kannten, aber zu Radio SRF 1 passenden Titeln aus allen Dekaden sowie mit Chansons, Canzoni und Instrumentals. Die 2013 bisher meistgespielten Titel:1. Nit miin Typ – Trauffer2. Guet Nacht, Elisabeth –

Patent Ochsner3. Breathe it in – Nils Burri

Radio SRF 3 hingegen ist das führende Pop/Rock- und New-Media-Radio in der Deutschschweiz. Auch hier ist der Informationsgehalt

hoch. Doch das Interesse der Hörerschaft gilt vor allem der Musik. Deshalb zeigt diese sich auch gegenüber neuen Songs und Stilen offen. Radio SRF 3 trägt dem Rechnung und macht die Musik häufig selbst zum Thema. Beispielsweise indem es live vom Gurtenfestival überträgt oder Konzertmitschnitte sendet. Der Schwer-punkt liegt bei modernen Titeln, die nicht nur melodiös sind, sondern auch Ecken und Kanten haben. Für Abwechslung sor-gen Songs aus der Kategorie Oldies. Die 2013 bisher meistgespielten Titel:1. Hey World – Caroline Chevin2. Another Love – Tom Odell3. Under – Alex Hepburn

Anders als bei den zuvor erwähnten Programmen überwiegt bei Radio SRF 2 Kultur der Wortanteil. In-formationen werden hier

in ausführlichen Features, Magazinen oder auch Diskussionen vermittelt. Der Sender richtet sich an ein Publikum, das gewillt ist, dazuzulernen. Bei Radio SRF 2 Kultur dominiert die ernste Musik. Dazu zählen nicht nur klassische Töne, son-dern auch Anspruchsvolles aus den Be-reichen Pop, Chanson, Jazz, Welt- und Experimentalmusik. Der 2013 bisher meistgespielte Titel:1. Ouvertüre von «La scala di seta» – Gioachino RossiniDie Plätze 2 und 3 sind nicht besetzt, denn rund 33 Titel wurden bisher zwei-mal eingesetzt, die übrigen 3600 Titel kamen bislang nur einmal zum Einsatz.

Musikprofile der drei SRF-Radiosender

Michael Schuler hat sein Hobby zum Beruf gemacht. Deshalb weiss er als Leiter der Fachredaktion Musik (Pop/Rock) stets, worauf es ankommt.

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