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10 LINK 3/2012 SRG SSR Raffinierte und kunstvolle Digitalradios gebaut SRG-Radiowerkstatt Ein Semester lang gestalteten und fertigten 500 Werkschüler aus der Deutschschweiz ihr eigenes Digitalradio. An einer Vernissage konnten die einzigartigen Kreationen von Jugendlichen aus Untersiggenthal AG bewundert werden. Astrid Andermatt und ihre Werkschüler beim ersten kollektiven Digitalradio-Test, Marke Eigenbau. Stolz steht Mustafa Ahmadi neben seinem eigenhändig gefertigten Pizza-Radio mit den beiden Cola-Becher-Boxen und dreht den Sound noch etwas lauter. Die Idee da- für kam ihm in der Bibliothek, wo sich die Schüler bei Projektstart zum Brainstorming trafen. Allerdings hatte er damals noch keine Ahnung, wie er dies anpacken sollte. Doch seine Werklehrerin Astrid Andermatt wusste Rat: Prompt bestellte sie Pizza für die ganze Klasse und fotografierte ein besonders schönes Exemplar. Exakt diese Fotografie ziert nun sein Pizza-Radio. Mustafa legte sich mächtig ins Zeug. Und es machte ihm enorm Spass, «weil es das erste Mal war, dass ich eine eigene Idee selber verwirklichen konnte». Aber nicht nur Mustafa, sondern alle Unter- siggenthaler Jugendlichen waren mit Elan an der Arbeit; ja, sie machten gar freiwillig «Überstunden». Astrid Andermatt bot an fünf Mittwochnachmittagen zusätzlich eine «offene Werkstatt» an, in der getüftelt, expe- rimentiert, gebohrt, geschraubt, gesägt, geschliffen und geleimt werden konnte. «Die Jungs waren jeweils derart in die Arbeit vertieft, dass ich sie abends gar nach Hause schicken musste», schmunzelt die Werklehrerin. Junger Erfindergeist Jeder Schüler erhielt einen Satz mit elektro- nischen Bauteilen.Während die Bauteile nach einem fixen Schema zusammengebaut werden mussten, waren die Jugendlichen in der Gestaltung des Radiogehäuses völlig frei. Eltern, Schulpflege und Lehrpersonen staun- ten ob der grossen Experimentierfreude und der innovativen Designs. Patrik Kondic zum Beispiel holte eine alte Gitarre vom Dach- boden und verwandelte sie in ein Gitarren-Radio. Kein einfaches Unterfangen! Zumal er die Gitar- re so wenig als möglich verän- dern wollte, was ihm sehr gut gelang. Am Schluss stimm- te gar der Musik- lehrer die Gitar- re, auf der jetzt wieder gespielt werden kann. Der Aufwand hat sich gelohnt: Seine Familie ist begeis- tert, ein Ehrenplatz für das Gitarren-Radio bzw. die Radio-Gitarre zu Hause bereits bestimmt. Auch die Eltern von Patrick Peck, Rikke und Chris Peck, sind vom Digitalradio ihres Sohnes angetan. Ihr modernes Digitalradio verblasse daneben. Patrick wählte eine komplizierte Form, einen sogenannten platonischen Körper. Zuhause habe er viel und begeistert erzählt. Nicht in die Karten blicken liess sich hingegen Moritz Melliger, dessen Eltern Andrea und Hugo Melliger erst an der Vernissage sahen, wofür sie ihrem Sohn eine Hunderternote einscannen und ausdrucken mussten. Moritz baute nämlich ein originelles Geld-Radio. Inspiriert von der Finanzkrise. Das Radio als überdi- mensionaler Fünfliber, die Boxen als Stapel von Hunderternoten. Theorie und Praxis Während einige mit ihren ent- worfenen De- signs in der Praxis vor

LINK 3 2012 - Digitalradio

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10 LINK 3/2012

SRG SSR

Raffinierte und kunstvolle Digitalradios gebaut

SRG-Radiowerkstatt

Ein Semester lang gestalteten und fertigten 500 Werkschüler aus der Deutschschweiz ihr eigenes Digitalradio. An einer Vernissage konnten die einzigartigen Kreationen von Jugendlichen aus Untersiggenthal AG bewundert werden.

Astrid Andermatt und ihre Werkschüler beim ersten kollektiven Digitalradio-Test, Marke Eigenbau.

Stolz steht Mustafa Ahmadi neben seinem eigenhändig gefertigten Pizza-Radio mit den beiden Cola-Becher-Boxen und dreht den Sound noch etwas lauter. Die Idee da-für kam ihm in der Bibliothek, wo sich die Schüler bei Projektstart zum Brainstorming trafen. Allerdings hatte er damals noch keine Ahnung, wie er dies anpacken sollte. Doch seine Werklehrerin Astrid Andermatt wusste Rat: Prompt bestellte sie Pizza für die ganze Klasse und fotografierte ein besonders schönes Exemplar. Exakt diese Fotografie ziert nun sein Pizza-Radio. Mustafa legte sich mächtig ins Zeug. Und es machte ihm enorm Spass, «weil es das erste Mal war, dass ich eine eigene Idee selber verwirklichen konnte».

Aber nicht nur Mustafa, sondern alle Unter-siggenthaler Jugendlichen waren mit Elan an der Arbeit; ja, sie machten gar freiwillig «Überstunden». Astrid Andermatt bot an fünf Mittwochnachmittagen zusätzlich eine «offene Werkstatt» an, in der getüftelt, expe-rimentiert, gebohrt, geschraubt, gesägt, geschliffen und geleimt werden konnte. «Die Jungs waren jeweils

derart in die Arbeit vertieft, dass ich sie abends gar nach Hause schicken musste», schmunzelt die Werklehrerin.

Junger Erfindergeist

Jeder Schüler erhielt einen Satz mit elektro-nischen Bauteilen. Während die Bauteile nach einem fixen Schema zusammengebaut werden mussten, waren die Jugendlichen in der Gestaltung des Radiogehäuses völlig frei. Eltern, Schulpflege und Lehrpersonen staun-ten ob der grossen Experimentier freude und der innovativen Designs. Patrik Kondic zum Beispiel holte eine alte Gitarre vom Dach-boden und verwandelte sie in ein Gitarren-Radio. Kein einfaches Unterfangen! Zumal er die Gitar-re so wenig als möglich verän-dern wollte, was ihm sehr gut gelang. Am Schluss stimm-te gar der Musik-lehrer die Gitar-re, auf der jetzt wieder gespielt werden kann. Der Aufwand

hat sich gelohnt: Seine Familie ist begeis-tert, ein Ehrenplatz für das Gitarren-Radio bzw. die Radio-Gitarre zu Hause bereits bestimmt.

Auch die Eltern von Patrick Peck, Rikke und Chris Peck, sind vom Digitalradio ihres Sohnes angetan. Ihr modernes Digitalradio verblasse daneben. Patrick wählte eine komplizierte Form, einen sogenannten platonischen Körper. Zuhause habe er viel und begeistert erzählt. Nicht in die Karten blicken liess sich hingegen Moritz Melliger, dessen Eltern Andrea und Hugo Melliger erst an der Vernissage sahen, wofür sie ihrem Sohn eine Hunderternote einscannen und ausdrucken mussten. Moritz baute nämlich ein originelles Geld-Radio. Inspiriert von der Finanzkrise. Das Radio als überdi-mensionaler Fünfliber, die Boxen

als Stapel von Hunderternoten.

Theorie und Praxis

Während einige mit ihren ent-worfenen De-

signs in der Praxis vor

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Die Radiowerkstatt

Lanciert wurde das Projekt von MCDT – Marketing and Consulting for Digital Broadcasting Technologies. Die SRG-Tochterfirma entwickelt und realisiert unter anderem Projekte und Aktionen zur weiteren Entwicklung von DAB+-Digital-radio in der Schweiz. Die Radiowerkstatt bringt Jugendlichen der Sekundarstufe I (7. bis 9. Klasse) Digitalradio näher. Einerseits sammeln die Schülerinnen und Schüler handfestes Wissen darüber, andererseits setzen sie sich kreativ mit dem Thema Design auseinander. Das Projekt kam in den Schulen sehr gut an. Innert nur drei Tagen trafen Anmeldungen für mehr als 1000 Bausätze ein. Und dies, obwohl nur 500 vergeben werden konn-ten. MCDT-Projektleiter Ernst S. Werder: «Design-Arbeiten kamen im Werkunter-richt bis anhin oft zu kurz. Der neue Lehr-plan 21 sieht Design nun als Fach vor. Mit unserem Bausatz sind wir der Zeit einen Schritt voraus.» Für die Schulen war das Projekt kostenneutral: MCDT, Melectronics und Swisscom Broadcast stellten die elektronischen Bauteile und das Unter-richtsmaterial gratis zur Verfügung.

Brigitte Maurer

Exklusiv für Mitglieder der SRG.D: Verlosung des unkäuflichen und vorläufig letzten Digitalradio-Bau-satzes!

Alle Informationen zum Wettbewerb finden Sie unter: www.srgd.ch > Medienportal > Magazin LINK > Radiowerkstatt

Verlosung!

Alle Radios auf einen BlickAuf der Facebookseite der Radiowerkstatt finden Interessierte die Fotos der einge­reichten Radios aller Schulen. Auch ohne ein eigenes Facebookprofil können Sie die Radios hier in Augenschein nehmen: www.facebook.com/radiowerkstattCH

Bild

er: T

ho

mas

ger

auf die Leistung ihrer Schüler und das ge-meinsam Erreichte: «Durch die Radiowerk-statt wurde echtes Teamwork möglich, alle halfen einander, waren interessiert und motiviert: Immer so Werken geben zu kön-nen, wäre ein Traum!» Drei Radios pro Klasse hat sie bereits beim Deutschschwei-zer Radiowerkstatt-Wettbewerb eingereicht. Nun heisst es abwarten, bis die Jury die drei besten ausgewählt hat. Zur Fachjury zählt, nebst ausgewiesenen Designern, auch Musiker und Sänger Adrian Sieber von den Lovebugs. Natürlich hoffen die Untersiggenthaler, dass auch eines ihrer Modelle ausgezeichnet wird. Mustafa, um-ringt von einer Traube von Kollegen, prüft schon mal per iPhone, wie die Chancen stehen, denn auf der Facebookseite www.facebook.com/RadiowerkstattCH werden laufend neue Modelle der «Kon-kurrenz» aufgeschaltet.

Brigitte Maurer

kniffligen Aufgaben standen und deshalb auch mal umdisponieren mussten, hatten andere ihr Radio von Beginn an ganz klar vor Augen. So auch Severin Sutter, der sich aus Cola-Büchsen, notabene seinem Lieb-lingsgetränk, eine Hülle baute. Oder Nico Antoniazzi, der schon fast ein Profi im Ei-genbau von Hightech-Geräten ist: Kürzlich fertigte er in der Freizeit mit Unterstützung seines Vaters Gianni Antoniazzi eigene Bo-xen. Und weil das so gut klappte, setzte er anschliessend gar alleine einen PC zusam-men. «Mit dieser Erfahrung war der Bau des Digitalradios für mich einfacher», wie Nico rück blickend meint.

Radios in Form eines Traktors, mit Baseball-Cap, eingebettet in ein Kissen, als geometri-sche Körper, als Xbox … Apropos Xbox: Die Form der Spielkonsole stand nicht nur in Untersiggenthal, sondern in der ganzen Deutschschweiz hoch im Kurs. Ein beson-ders schönes Exemplar hat Melven Owusu geschaffen, eines aus leuchtendem Plexi-glas. Melven tat sich aber auch mit echter Freundschaft hervor: Weil sein Freund Nisanth Ravi an seinem Pyramiden-Radio

krankheitshalber nicht mehr weiter-arbeiten konnte, stellte Melven an mehreren Extra-Nachmittagen auch noch das Radio seines

Freundes fertig.

Traumunterricht

Werklehrerin Astrid Andermatt, die viel Zeit und Herzblut in dieses Projekt steckte, ist stolz

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