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Magazin der SRG Deutschschweiz Ausgabe 3/2013 Braucht es ein Schulfach Medienkompetenz? Seite 6 SRG Region Basel 10 Radio X: «Wir tragen zur Integration bei» Social Media 4 Die Geschichte einer «Kassensturz»-Sendung Ombudsstelle 16 Der lange Flug einer «Ente» Bild: istockphoto

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Magazin der SRG DeutschschweizAusgabe 3/2013

Braucht es ein Schulfach Medienkompetenz? Seite 6

SRG Region Basel 10Radio X: «Wir tragen zur Integration bei»

Social Media 4Die Geschichte einer «Kassensturz»-Sendung

Ombudsstelle 16Der lange Flug einer «Ente»

Bild: istockphoto

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Heutzutage sind Medien allgegenwärtig. Deshalb sollen schon Kinder den Umgang mit ihnen lernen. In diesem Punkt ist man sich in der Schweiz einig. Doch welche Themen dabei wichtig sind und wie sie vermittelt werden sollen, darüber scheiden sich die Geister.

Einzug der Medien ins Schulzimmer

Bildung

Der Einfluss der Medien – der neuen sowie der klassischen – ist in der heutigen Gesellschaft enorm: Wie gehen die Schulen damit um?

Unsere Gesellschaft ist von Medien geprägt. Will man sich in dieser sicher bewegen, reicht es nicht aus, die zahlreichen Medien-angebote nur zu nutzen. «Vielmehr muss man lernen, wie Medien funktionieren, und die Hintergründe kennen», sagt Thomas Merz, Professor für Medienbildung an der Pädagogischen Hochschule Thurgau. Da Smartphones, Tablets und Co. bereits im Kinderzimmer anzutreffen sind, sei es wich-tig, Kinder bei der Verarbeitung ihrer Erfah-rungen zu unterstützen und zu begleiten. «Im Idealfall ab dem Kindergarten, spätes-

tens ab der ersten Primarschulklasse», so der Experte. «Denn es ist eine Illusion, zu denken, diese Aufgabe könnten die Eltern kompetent übernehmen.» Zudem sei überall dort, wo es um Bildungsinhalte geht, die Schule gefordert.

Medienkompetenz fest verankern

Dass Kinder und Jugendliche bisher nur unzureichend über den verantwortungs-vollen Umgang mit Medien unterrichtet wurden, zeigen die zahlreichen Medien-

berichte über Fälle von beispielsweise Cybermobbing oder sexuellen Belästigun-gen auf Social-Media-Plattformen wie Facebook. Damit der Nachwuchs künftig besser gewappnet ist und derartige Vor-kommnisse nicht mehr oder zumindest sel-tener vorkommen, fordert die Kinder- und Jugendschutzorganisation Pro Juventute, das Thema Medienkompetenz zum offizi-ellen Schulfach zu machen. Denn bislang sei die Materie lediglich als Lernziel im Lehrplan benannt, als so genannter fächer-übergreifender Unterrichtsgegenstand.

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«Auch die Auseinandersetzung mit den klassischen Informa-tionsmedien gehört auf den Stundenplan. Denn sich richtig informieren zu können, ist eine Grundkompetenz in einer Mediengesellschaft.»

Thomas Merz, Professor für Medienbildung an der Pädagogischen Hochschule Zürich

Das Problem dabei: «Befragungen zeigen, dass sich viele Lehrer bei dieser Formulie-rung nicht wirklich verantwortlich fühlen für das Thema», erklärt Merz. «Zudem passiert es häufig, dass zwar mit Medien unterrichtet würde, aber nicht über sie.» Dadurch fehle ein wichtiger Bereich. Eine klare Zuweisung der Verantwortung entlas-tet zudem andere Lehrpersonen. Weil sich Technologien und Anforderungen konti-nuierlich ändern, sei es wichtig, dass sich entsprechende Fachlehrer fortlaufend und konsequent damit befassen könnten. Eine wertvolle Unterstützung für die Umset-zung würden dabei spezielle Unterrichts-materialien wie das multimediale Dossier «Medienkompetenz» von SRF MySchool, dem Bildungsangebot von Schweizer Radio und Fernsehen (SRF), geben.

Neue, soziale und klassische Medien thematisieren

Aber nicht nur der Umgang mit den neuen Medien und Social Media sollte nach Mei-nung von Medienwissenschaftler Merz fester Bestandteil des Schulunterrichts sein: «Auch die Auseinandersetzung mit den klassischen Informationsmedien ge-hört auf den Stundenplan», sagt er. Denn sich richtig und kritisch informieren zu können, sei eine Grundkompetenz in einer Mediengesellschaft.

Wie Medien wirken, vermittelt Medien-pädagogin Silvie Spiess bereits Kindern auf der Primarstufe. Die Co-Autorin des Lehrmittels «Medienkompass» weiss, worauf es ankommt. «Wichtig ist, dass man

die Kinder altersgemäss an die Thematik heranführt», sagt sie. Deshalb sollen ihre Schüler beispielsweise herausfinden, wie alt Elefanten werden. Die Kinder merken dabei schnell, dass eine oberflächliche Google-Recherche nicht ausreiche, son-dern auch andere Aspekte angeschaut werden müssen, so Spiess. Denn je nach-dem, ob sich die Frage auf Elefanten aus Asien, Afrika oder auf in Zoos lebende Tiere bezieht, fällt die Antwort der Suchmaschine anders aus. Bei Besuchen bei SRF lernen die Kinder zudem, wie Sendungen wie die Hitparade oder Nachrichten entstehen. «Bei solchen Erlebnissen bleibt Wissen hängen», sagt Spiess.

Wie wichtig es ist, das Qualitätsbewusst-sein punkto Medien zu fördern, verdeut-lichte der Soziologe und Publizistikwis-senschaftler Kurt Imhof einst in einem Interview mit dem Magazin «Polis» der FHNW: «Eine Gesellschaft, die ihre Jugend über Softnews erzieht, belastet die späte-ren Generationen mit mehr Problemen als nur den eigenen Schulden.»

Offenheit des Lehrplans 21 sorgt für Diskussionen

Ein solches Szenario versuchen die Deutschschweizer Bildungsverantwortli-chen mit dem neuen Lehrplan 21 zu ver-hindern, der im Sommer in die Vernehm-lassung geht. Zwar sind dessen Inhalte noch nicht zur Publikation freigegeben, doch immerhin die Hauptzielsetzung ist bekannt: So sollen die Schweizer Schüle-rinnen und Schüler in Zukunft selbst-bestimmt, kreativ und mündig an der Mediengesellschaft teilhaben und sich sachgerecht und sozial verantwortlich verhalten können. Kurz: Sie sollen Medien nicht nur passiv konsumieren, sondern sie auch reflektieren und proaktiv nutzen, so Thomas Merz, der an der Entwicklung des Papiers beteiligt war. Um das zu erreichen, werden im Lehrplan systematisch und al-tersgerecht Teilkompetenzen genannt, die im Umgang mit Medien und den Informa-tions- und Kommunikationstechnologien nötig sind.

Zu der Frage, ob Medien in einem eigenen Schulfach behandelt werden sollen, sagt der neue Lehrplan hingegen nichts. Dies werden die Kantone bei der Einführung entscheiden müssen. Das lässt unter den Bildungsexperten Raum für Diskussionen.

«Wichtig ist, dass man die Kinder altersgemäss an die Thematik heranführt.»

Sylvie Spiess, Primarlehrerin und Co-Autorin von «Medienkompass»

Während sich die einen deutlich für ein Schulfach Medienkompetenz aussprechen, bezeichnen andere diese Forderung als nicht umsetzbar. So sei das Unterrichts-gefäss bereits jetzt extrem voll. «Da noch weitere Stunden drauf zu packen, ist mei-nes Erachtens nicht möglich», sagt Monika Lehmann-Wirth, Kindergärtnerin und CVP-Kantonsrätin im Kanton St. Gallen. Das würde die Schülerinnen und Schüler über-fordern. Stattdessen andere Fächer zu kür-zen, läge ebenfalls nicht drin. Ihr Vorschlag: Das Thema in den bestehenden Unterricht integrieren. Die dafür nötigen Kenntnisse könnten sich Lehrpersonen in obligatori-schen Weiterbildungen oder schulhaus-internen Kursen aneignen.

Weiterführung des Alphabetisierungsauftrags

«Natürlich brauchen alle Lehrpersonen eine gewisse mediale Grundbildung», sagt auch Thomas Merz. «Das ist wie mit der Sprache», so der Experte. Sie werde in allen Fächern angewendet und reflektiert. Aber nur in einem Fach werde für den systemati-schen Aufbau der Kompetenzen gesorgt. Doch genau das muss die Schule gewähr-leisten: «Ein eigenständiges Fach Medien-bildung wäre die logische Fortführung des Alphabetisierungsauftrags der Schulen», so der Professor der Pädagogischen Hoch-schule Thurgau. «Ein Muss in einer Gesell-schaft im 21. Jahrhundert.»

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Hilfe für den Unterricht über Medien können Lehrpersonen bei SRF MySchool online holen.

Wie Medienkompetenz künftig konkret umgesetzt wird, kann auch Merz nicht vorhersagen: «Wir Medienwissenschaftler machen lediglich Vorschläge. Aber ent-scheiden muss die Politik.» Er kann sich jedoch vorstellen, dass man das Thema

«Alles, was wir über unsere Gesellschaft, ja über die Welt, in der wir leben, wissen, wissen wir durch die Massenmedien», schrieb einst der Soziologe Niklas Luhmann. Deshalb ist Medienkompetenz nicht nur für Kinder und Jugendliche wichtig. In einer Mediengesellschaft müssen sich auch Erwachsene im Infor-mations-Dschungel zurechtfinden und die Angebote beurteilen können.

«Dafür ist es zwingend, dass sie wissen, welche Macht Medien ausüben kön-nen», sagt Vinzenz Wyss, Journalistik-professor an der ZHAW und Präsident der Bildungskommission der SRG Zürich Schaffhausen. Nur wer die Qualität der dargebotenen Informationen bewerten kann, sei in der Lage, sich eine eigene Meinung zu bilden und so zum Fortkom-men der Gesellschaft beizutragen. «Um kritisch zu sein, müssen die Konsumen-

Medienbildung der SRG.D: Auch Erwachsene müssen sich informieren!

ten die Medien verstehen», so der Ex-perte. Nur dann kann die Demokratie funktionieren.

Weil einem dieses Wissen über Medien nicht einfach zufällt und Erfahrungen alleine nicht reichen, veranstaltet die SRG Zürich Schaffhausen regelmässig spezielle Kurse, die sich an Mitglieder und auch an weitere Interessierte richten. Am Ende sol-len die Anwesenden alte wie neue Medien reflektiert anwenden, sich mit ihnen aus-einandersetzen und über sie an gesell-schaftlichen und sozialen Prozessen teil-nehmen können. Das setzt voraus, dass die Akteure die dafür notwendige Technik beherrschen. Deshalb wird auch der Um-gang damit zum Thema gemacht.

«19 Veranstaltungen gab es im vergange-nen Jahr, aber es sollen noch deutlich mehr werden», sagt Vinzenz Wyss. Damit

das Angebot nicht nur Mitglieder der SRG erreicht, plant die SRG Zürich Schaff hausen, künftig auch an Unter-nehmen, Behörden und Organisationen heran zutreten.

Auch andere Mitgliedgesellschaften der Trägerschaft engagieren sich im Bereich Medienbildung. Am 19. Juni 2013 bei-spielsweise organisiert die SRG Aargau Solothurn eine Podiumsdiskus sion, in der erfahrene Kommunika tionsexperten wie der Programmchef von SRF Virus Christoph Aebersold zum Thema «Digitale Jugend – Jugendlicher Medien-konsum im Zeitalter von Internet & Gratiszeitungen» diskutieren.

Fee Riebeling

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LINK empfiehlt!Lehrmaterial:www.sendungen.sf.tv/myschoolwww.medienkompass.chRatgeber «Medienkompetenz» für Eltern: www.zhaw.ch (Suchbegriff «Medien kompetenz»)Workshops und Beratung für Eltern und Lehrpersonen:www.projuventute.ch > Was wir tun > Angebote > Pro Juventute MedienprofisArbeitspapier Lehrplan 21:www.lehrplan21.ch > Grobstruktur

Medienbildung, das laut den aktuellen Lehrplänen derzeit in anderen Fächern integriert sei, teilweise auslagern und in einem eigenständigen Fach verdichten könnte. «Durch diese lineare Kürzung wür-de man niemandem etwas wegnehmen und die bisherige Anzahl Stunden könnte beibehalten werden», setzt der Experte den Argumenten der Gegenseite entgegen.

Mögliche Lösung wird bereits praktiziert

Dass dieser Ansatz tatsächlich funktioniert, zeigt das Vorgehen an einer Primarschule im Zürcher Oberland, an der Silvie Spiess einen Tag pro Woche als Medienpädagogin tätig ist.

Die Lehrpersonen können sich bei ihr Beratung für den Unterricht mit und über Medien holen. Zudem unterstützt sie ihre Kollegen bei der Durchführung von Medienprojekten im Unterricht. Im Fach Deutsch realisierte sie beispielsweise

einen Fotoroman – ein klassisches Medien-projekt, kombiniert mit vielen Sprach-aspekten wie Rechtschreibung und Story-telling. Auch wenn in Volketswil Kollegen wie Schüler das Angebot schätzten: Ob das Beispiel schweizweit Schule macht, wird sich erst nach der Vernehmlassung zeigen.

Fee Riebeling

Medienbildung für Erwachsene:www.srgd.ch > Agenda (wird laufend aktualisiert)